* 5 ijt ler 1 birnen fen. r. 14 — U 1. l f tiß ouft⸗ ober l änner⸗ res Viernhei Viernheimer Zeitung. Erſcheint dreimal wöchentlich: Dienſtag, Donnerſtag u. Samſtag mit den Beilagen: „Sonntagsblatt“ u.„Sonntagsfeier“. Bezugspreis: mei Amtsblatt der Großherzoglichen Bürgermeiſterei Viernheim. Ferbreitelſte und geleſenſte Zeitung am hieſigen Plate, daßer beſtes und Anzeiger Viernheimer Nachrichten. Anzeigenpreis: 12 Pfennig die einſpaltige Petit⸗Zeile Lokal⸗Anzeigen 10 Pfennig. Reklamen: 30 Pfg. die 3⸗ſpaltige Zeile. Bei mehrmaliger Aufgabe Rabatt. 30 Pfg. monatlich einſchließlich Trägerlohn durch die Poſt Ml. 1.14 vierteljährlich. Talephen- Nr. 20. birfungsvolltes Inſerkions- Organ. Leander 1882. Druck und Verlag von Wilhelm Bingener, Viernheim.— Geſchäftsſtelle: Rathausſtraße Nr. 19. Bei event. gerichtlicher Beitreibung oder im Falle eines Konkurſes kommt jeder Rabatt in Wegfall. Vr. 102. Wochenrundſchau. „Während in der vorletzten Woche die Rede des Kaiſers in Königsberg der Preſſe Stoff zu ſpaltenlangen Erörterungen gegeben hat, waren es in dieſer Woche ſogar zwei Reden, die die augenblicklich ſonſt ſo ſtille Zeit mit dem nötigen Stoff verſorgten. Prinz Ludwig von Bayern hat in Altötting bei einer kirchlichen Feier ſich als treuen Sohn der katholiſchen Kirche bekannt, weil er, wie jeder echte Katholik, in der katholiſchen Kirche die einzig wahre Kirche erblickt. Darob Zeter und Mordio bei der„liberalen“ Preſſe und den Organen des Evange⸗ liſchen Bundes. Man will in dieſem Bekenntnis eine Brüskierung der evangeliſchen Kirche finden, eine Ver⸗ letzung der konfeſſionellen Toleranz, wobei man gefliſſent⸗ lich überſieht, daß der Prinz, getreu den Vorſchriften der katholiſchen Kirche, ausdrücklich betont hat, daß der Katholik trotz ſeiner Ueberzeugung von der einzig wahren Kirche Toleranz gegen Andersdenkende haben könne und müſſe, daß er verpflichtet ſei, die Ueberzeugung anderer zu achten. Was der Prinz da ſagte, iſt eine alte Katechis⸗ muswahrheit und Lehre, die eigentlich auch den ſonſt ſo weiſe ſein wollenden liberalen Redakteuren bekannt ſein müßte. Wäre das der Fall, dann hätten ſie ſich viel unnütz verſchwendete Zeit ſparen können. Objektiv iſt in dieſem neuen Streit außer den nichtkatholiſchen Blät⸗ tern lediglich die konſervative Preſſe geblieben, die, aus⸗ gehend von der Tatſache, daß bei überzeugten Proteſtan⸗ ten analog dieſelbe Ueberzeugung herrſcht wie bei den Katholiken, ausdrücklich die Aufforderung des Prinzen zur Toleranz anerkennend betont. Anſtoß kann, und das iſt ein Troſt für gläubige Katholiken und Proteſtanten, die Rede nur bei jenen Skeptikern und Indifferenten er⸗ regen, die mit Pilatus fragen: Was iſt Wahrheit?, und denen deshalb jede laute Bekundung einer religiöſen oder auch beſtimmt philoſophiſchen Ueberzeugung ein Greuel iſt.— Wunderbare Einigkeit herrſchte in der ge⸗ ſamten Preſſe in der Auffaſſung der Rede des Oberpräſi⸗ denten von Pommern, Frhr. v. Maltzahn, der ſich als Ad⸗ vokat des Kaiſers berufen fühlte und wegen der abfälligen Kritik an der Kaiſerrede mit folgender Verachtung der Preſſe herausplatzte:„Wenn nun in den letzten Tagen das Gros unſerer deutſchen Zeitungen, die gerade jetzt während der Ferien in der Mehrzahl von jungen Leuten redigiert werden, die noch nicht einmal hinter den Ohren trocken ſind, ſich herausnimmt, unſerem Herrn den Mund zu verbieten, ſo weiß ich, daß in dieſem Kreiſe derartige Worte keinen Widerhall finden.“ Wir ſind der feſten Ueberzeugung— und dieſe Ueber- zeugung wird allenthalben geteilt—. daß Herr von Unrecht Gut. Kriminalroman von Reinhold Ortmann. 101(Nachdruck verboten.) Noch von der Treppe her und aus dem unteren Stockwerk herauf hörte man das laute Weinen und Klagen der Alten. Dann hatte ſie das Haus verlaſſen, und die Stille des Kranken⸗ zimmers wurde nur noch durch die ſchrecklichen pfeifenden Atem⸗ züge des armen Kindes unterbrochen. Dr. Runge hatte ſich neben dem Bett niedergelaſſen und das matte, heiße Händchen des Knaben ergriffen, um die Pulsfrequenz zu verfolgen. Margarete Römhild ſtand ihm gegenüber, und plötzlich, von der Zärtlichkeit ihres angſtgequälten Mutterherzens getrieben, beugte ſie ſich herab, um ihren gepeinigten Liebling zu küſſen. Mit einer raſchen und energiſchen Bewegung aber hinderte ſie der Doktor, ihre Abſicht auszuführen. „Das dürfen Sie nicht, Frau Römhild! Sie würden ſich zwecklos einer großen Gefahr ausſetzen; denn die Krankheit Ihres Knaben iſt in hohem Maße anſteckend. Die heißen Tränen rannen ihr über die Wangen, aber ſte wagte nicht, ſeinem Verbot ungehorſam zu ſein. Und wieder herrſchte für eine lange Zeit tiefes Schweigen zwiſchen ihnen. Der kleine Patient war zwar bei Bewußſein, aber völlig apathiſch, und nur die krampfhaften Bewegungen des winzigen Bruſtkorbes verrieten, daß er litt. Dr. Runge verwandte den Blick nicht von ſeinem Geſicht, und die Augen der bedauerns⸗ werten Mutter ſpähten in ſeinen ernſten Mienen nach dem tröſtenden Hoffnungsſchimmer, der einen Lichtſtrahl in die Nacht ihrer Verzweiflung werfen ſollte. Aber ſie ſah, daß ſich ſeine Züge ſtatt deſſen immer mehr umdüſterten, und jetzt— es mochte kaum mehr als eine halbe Stunde ſeit dem Auf⸗ bruch Babettes vergangen ſein— jetzt konnte es ihr auch nicht entgehen, daß ſich der Zuſtand des Kindes zuſehends wieder verſchlechterte. Das Pfeifen in der kleinen Bruſt wurde zu Samstag, den 10. September 1910. 26. Jahrgang. denken wird, deren Unterſtützung und Beifall er ſich bislang herzlich gern gefallen ließ. Herr v. Maltzahn kann übrigens den„Vorzug“ für ſich in Anſpruch nehmen. daß er mit den übrigen Teilnehmern des mit Wein und Sekt dekorierten Feſtmahles ſo ziemlich allein daſteht. Frankreich nutzt die augenblickliche Lage der Türkei kräftig aus; es diktiert dem geldſuchenden Großweſier Hakki Paſcha Bedingungen, die bereits zu Differenzen geführt haben. Augenblicklich liegt die Entſcheidung in Konſtantinopel. Dort iſt man jedoch keineswegs von der Idee begeiſtert, die Ottomaniſche Bank in der Weiſe zu beteiligen, wie man das in Paris wünſcht. Auch iſt man in der Bürgſchaftsfrage von einem vollen Uebereinkom⸗ men noch weit entfernt. Italien möchte ebenſo wie Deutſchland und Frank- reich an der Türkei Geld verdienen. Die italieniſche Preſſe klagt ſeit langem beweglich darüber, daß die Jungtürken immer ihre Sympathie für Italien betonen, aber nichts in Italien kaufen wollen. Ein türkiſcher Miniſter er⸗ klärte nun dem italieniſchen Botſchafter, die Klage ſei ungerechtfertigt, die erſte beſte Gelegenheit werde das be⸗ weiſen. Die Italiener ſchufen ſofort dieſe Gelegenheit. Die Türkei kauft Kriegsſchiffe von Deutſchland— warum nicht von Italien? Die italieniſche Marineverwaltung bot alſo den Türken ebenfalls zwei Panzerſchiffe zweiter Klaſſe an. Die Türken beſtanden die Probe auf ihre blinde Freundſchaft ſchlecht— ſie beſahen ſich nämlich die ihnen zum Kaufe angebotenen Objekte ganz genau, fanden, daß man ihnen zwei längſt ausrangierte Schiffe anhängen wollte, und lehnten dankend ab. Dar- ob iſt man in Rom verſchnupft. In Konſtantinopel natür⸗ lich auch! b Die Türkei ſelbſt, die ſich in der kretiſchen Frage immer noch abwartend verhält, allerdings unter vorſich⸗ tigem Rüſten, hat wieder einmal mit den Druſen zu kämpfen. Bei Damaskus hat ein Zuſammenſtoß mit einer 50 köpfigen Druſenbande ſtattgefunden. 20 Druſen wur⸗ den getöte, die übrigen gefangen genommen. Inzwiſchen organiſier: Sanny Paſcha von Damaskus aus eine Ope- ration? rmee. Er wird in den nächſten Tagen nach Suran abreiſen, wohin die Haiffa—Reaja⸗Bahn täglich ein Bataillon befördert. Man glaubt nicht, daß die Druſen ſich unterwerfen werden, und befürchtet, daß ihr Führer Jahja bereits geflüchtet ſei. Der Kaiſer und die Polenpolitik. Bekanntlich iſt die preußiſche Regierung in der Durchführung des Polenenteignungsgeſetzes ſehr zurück⸗ einem beängſtigenden Röcheln, die Huſtenſtöße hatten einen ſeltſamen, kraftloſen Klang, und das Geſicht nahm wieder eine bläuliche Färbung an. Da— nachdem er einen einzigen raſchen Blick auf die zitternde junge Frau geworfen— netzte Dr. Runge ſeine Lippen mit der desinfizierenden Löſung, die er vorhin zurecht⸗ gemacht hatte, und dann— Margarete Römhild ſah es mit ſtockendem Herzſchlag— dann preßte er ſie feſt auf den halb geöffneten Mund des Knaben. Sie begriff nicht, was ſein Ge⸗ bahren bedeuten ſolle; ſie wollte ihm etwas zurufen, wollte eine Frage an ihn richten. Aber ſie war wie gelähmt, unfähig, nur ein einziges armſeliges Wort hervorzubringen. Einzig in ihren Augen ſpiegelte ſich, was in ihrer Seele vorging. Und erſt, als Dr. Runge ſich wieder aufgerichtet hatte, als er bei Seite getreten war, um ſeinen Mund zu reinigen, und als ſie gewahrte, daß ihr Kind wieder freier zu atmen vermochte, kam ihr eine klarere Vorſtellung von dem, was dieſer Mann ſoeben getan hatte, um ein bedrohtes Leben zu retten. Und da, wortlos aber mit lautem Aufſchluchzen, warf ſie ſich vor ihm nieder und erfaßte ſeine Hände, um ſie mit Küſſen zu bedecken. Faſt gewaltſam mußte er ſie befreien. „So ſtehen Sie doch auf, Frau Römhild,“ ſagte er ruhig. „Wenn wir den Jungen durchbringen, wie ich es zuverſichtlich hoffe, ſo haben Sie dafür einem andern zu danken als mir.“ „Aber Sie— haben Sie mir denn nicht geſagt, daß es— daß es gefährlich ſei, ihn zu küſſen— und doch——“ „In kritiſchen Augenblicken gibt es zuweilen kein anderes Rettungsmittel als ein Ausſaugen der erſtickenden Membrane. Und was in bezug auf die Gefahr für Sie gilt, das gilt nicht für mich. Dafür bin ich eben Arzt.“ Sie ſtand langſam auf. Aber ſo wie ſie zu ihm empor⸗ ſah, hatte ſie noch nie zu einem menſchlichen Weſen empor⸗ geſehen. Und in ihrem Herzen war nur die einzige Empfindung, daß ſelbſt die tiefe, hingebende, opferwillige Dankbarkeit eines ganzen Lebens nur kärglicher Lohn ſein würde für das, was Maltzahn doch noch einmal ganz anders über die Preſſe 2————ę—̃— haltend und zaghaft. Enteignet iſt eigentlich überhaupt noch nicht. So ſehr dieſes Verhalten der Regierung, namentlich in Centrumskreiſen, Befriedigung hervorge⸗ rufen hat, ſo unbegreiflich blieb es auch, da man doch in der Germaniſierungspolitik in den Oſtmarken ziemlich forſch vorgeht. Einige Aufklärung in dieſer Sache bringt jetzt die„Köln. Volkszeitung“, die über die Feier der Schloßeinweihung in Poſen Einzelheiten erfahren haben will, aus denen, wenn ſie auf Tatſächlichkeiten beruhen, hervorgeht, daß der Kaiſer ſich entſchieden der Ent⸗ eignung der Polen widerſetzt. Sie teilt mit, daß, als am Abend des 20. Auguſt gelegentlich eines Cereles, den das Kaiſerpaar abhielt, der wirkliche Geh. Oberregierungs⸗ rat Dr. Gramſch, der Präſident der Anſiedlungskom⸗ miſſion, dem Kaiſer vortrug, es mangele an Land, um weitere Koloniſten in der Provinz anzuſiedeln, es müſſe daher enteignet werden, der Kaiſer ſofort in auf⸗ fälliger Weiſe die Unterhaltung abgebrochen habe. Auch ſei der Kaiſer nicht zur Beſichtigung der Anſiedlungs⸗ dörfer gefahren, wie vorgeſehen war, ſondern nur die Kaiſerin. Die„Tägliche Rundſchau“ bemerkt dazu:„Die Meldung hat leider(1) viel Wahrſcheinlichkeit für ſich. Die mit großer Beſtimmtheit auftretende Nachricht, daß das Enteignungsgeſetz mit Rückſicht auf Oeſterreich nicht angewandt werde, wurde wiederholt dementiert, erhält ſich aber mit ungeſchwächter Sicherheit. Möglich wäre immerhin noch die Deutung, daß der Kaiſer nur bei dem Poſener Feſte, das er als Landesvater wie eine Art Familienfeſt feiern wollte, nicht an die notwendi⸗ gen(1) ſcharfen Maßnahmen erinnert ſein wollte. Immerhin wird der preußiſche Landtag genaue Rechen- ſchaft fordern müſſen, warum das Enteignungsgeſetz mit ſo großem Kraftaufwand im Abgeordneten⸗ und Herren⸗ hauſe durchgeſetzt wurde, um es nachher in der Schub⸗ lade liegen zu laſſen.“ Anders das„Berliner Tageblatt“. Es macht ſich luſtig über die„nationaliſtiſche Preſſe“ und kanzelt die „Poſt“ ab, die die Meldung des Kölniſchen Centrums⸗ blattes auf eine nationalpolniſche Quelle in folgender Weiſe zurückführen möchte: „Wir„glauben“ einfach nicht, daß der Präſident der Anſiedlungskommiſſion bei einer ſolchen Gelegenheit wie der der Einweihung des Poſener Kaiſerſchloſſes ſich gleichſam den Kaiſer„herlangt“, um ihn für die Durch⸗ führung des Enteignungsgeſetzes„breitzuſchlagen“. Der⸗ artige, offen geſagt, Taktloſigkeiten begeht einfach ein preußiſcher Beamter nicht, zumal in einem Augenblicke, wo auch„Deutſche polniſcher Zunge“ Gäſte des Kaiſer⸗ paares ſind.“ „Taktloſigkeiten hin, Taktloſigkeiten her,“ voltert das „Berl. Tageblatt“. Die Fraae iſt doch, ob das Enteig⸗ er um eines fremden Kindes und einer fremden Mutter willer getan. Der bedrohliche Erſtickungsanfall wiederholte ſich nicht Der Knabe wurde vielmehr erſichtlich ruhiger, und zum erſten⸗ mal, ſeitdem ſie in dieſer Nacht auf Babettes gellende Ruf. das Zimmer ihres Kindes betreten hatte, flüſterte er plötzlich: „Mama!— Meine liebe, liebe Mama!“ Sanft fuhr ihm die Hand des Doktors durch das weiche Lockenhaar, und bei dieſer ſchmeichelnden Berührung ging ein ſchwaches Lächeln über das liebliche Kindergeſicht— ein Lächeln gleich dem erſten Sonnenblick nach ſchwerem Unwetter. „Lieber Onkel Doktor!“ ſagte er. Und wenn der Arzt in dieſem Moment mit einer auffallend raſchen Bewegung den Kopf zur Seite wandte, ſo konnte es ſchwerlich aus einem andern Grunde geſchehen ſein, als weil er die verräteriſche Feuchtigkeit nicht ſehen laſſen wollte, die er in ſeinen Augen ſpürte.— Eine weitere halbe Stunde ſpäter trat der Schandauer Arzt ins Zimmer, ein vortrefflicher, menſchenfreundlicher alter Herr, der ſich nicht beſonnen hatte, den weiten nächtlichen Weg zu Fuß zurückzulegen, um mit dem Warten auf einen Wagen, der überdies zu großem Umweg gezwungen geweſen wäre, nicht koſtbare, vielleicht uneinbringliche Viertelſtunden zu verlieren. Er hatte das Serum mitgebracht und die Inſtrumente, deren es für die Ausführung des Luftröhenſchnitts bedurft hätte. Ein paar Worte in lateiniſcher Sprache wurden nach kurzer, freundlicher Begrüßung zwiſchen ihm und Dr. Runge ge⸗ wechſelt. Dann bat er die junge Mutter, ihn für eine kleine Weile mit dem Kollegen und dem Patienten allein zu laſſen. Babette war noch nicht zurückgekehrt, und ſo ſah ſich die junge Witwe eine endloſe Viertelſtunde: lang zu einſamem Warten in einem der Nebenzimmer verurteilt. Dann öffnete ſich die Tür, und Dr. Runge trat üder die Gehwelle. Cortſetzung folgt nungsgeſetz auf dem Papier ſtehen bleiben oder durchge⸗ führt werden ſoll. Wenn wirklich kein Boden für die An⸗ ſiedlungen mehr zur Verfügung ſteht, dann wäre es aller⸗ dings Zeit, daß ſich die preußiſche Regierung klar würde, was nun geſchehen ſoll. Darüber braucht ſich allerdings der König von Preußen nicht zu äußern. Es iſt ſogar beſſer, wenn er hinter der Front bleibt. Aber Herr von Bethmann⸗Hollweg muß ſagen, wie er ſich die Fort⸗ ſetzung der Anſiedlungspolitik denkt. Wir hätten gewiß nichts dagegen einzuwenden, wenn die preußiſche Regie- rung auf das untaugliche und gefährliche Inſtrument des Enteignungsgeſetzes verzichtete und an ſeiner Stelle wirk⸗ liche Kulturpolitik in der Oſtmark treiben wollte. Aber damit, daß Herr v. Bethmann⸗Hollweg den Kopf in den Sand ſteckt, werden die Dinge nur verſchlimmert. Was wird mit dem Enteignungsgeſetz? Das iſt eine klare Frage, auf die das preußiſche Volk endlich eine Ant⸗ wort erwarten kann.“ Das meinen wir allerdings auch, und wir hoffen, daß man endlich ſo viel Mannesmut zeigt, das Unge⸗ heuer in die Wolfsſchlucht zu werfen. Nur möge man dann nicht mit der„wirklichen Kulturarbeit“ im Sinne des„Berl. Tageblattes“ einſetzen. Das Richtigſte iſt, man läßt die Dinge ihren Gang gehen. Regierung und Polen werden dabei am beſten abſchneiden. Politiſche Rundſchau. 8 N 1 Berlin, 7. September. — Der Internationale Straßenbahn- und Kleinbahn⸗ Kongreß iſt in Brüſſel eröffnet worden. (1) Ein vernünftiges Wort. Zum Bekenntnis des Prinzen Ludwig von Bayern ſchreibt die konſervative „Kreuzzeitung“: 5„Die evangeliſche Ueberzeugung iſt ebenſo beſtimmt die entgegengeſetzte. Aber wie wir Evangeliſchen die volle Wahrheit für unſere Lehre in Anſpruch nehmen, ebenſowenig können wir es einem überzeugten Katho⸗ liken verargen, wenn er der Lehre ſeiner Kirche gemäß für ſie die Unfehlbarkeit in Anſpruch nimmt. Gelegent⸗ lich des Enzyklikaſtreites bemerkten wir, daß ſich die dogmatiſche Intoleranz beim Papſte von ſelbſt ver⸗ ſtehe, ebenſo wie die evangeliſche Kirche dogmatiſch in⸗ tolerant ſei. Auf dieſem Standpunkt ſtehen wir noch heute und glaubten daher nicht, daß die Söhne der evangeliſchen Kirche Grund haben, ſich durch die bei der obigen Veranlaſſung getane Aeußerung verletzt zu fühlen. Anſtoß kann ſie nur bei jenen Skeptikern und Indifferenten erregen, welche mit Pilatus fragen: Was iſt Wahrheit? und denen deshalb jede laute Bekundung einer religiöſen oder auch beſtimmt philoſophiſchen Ueberzeugung ein Greuel iſt. Oder haben die Märtyrer des alten Chriſtentums oder die Blutzeugen der evan⸗ geliſchen Kirche etwa auch eine andere Wahrheit aner⸗ kannt als die, für die ſie litten und ſtarben? Nicht durch ſchwächlichen Indifferentismus, ſondern dadurch, daß die gegenteiligen Ueberzeugungen ſich reſpektieren und achten, kann der konfeſſionelle Zwieſpalt in Deutſchland überwunden werden, und zu dieſer Toleranz gegen Andersgläubige hat ſich auch Prinz Ludwig ausdrücklich bekannt.“ Das berührt angeſichts der Hetze, zu der auch jetzt wieder„liberale“ Blätter dieſe Rede ausſchlachten, be⸗ ſonders wohltuend. :: Pflegt die Lokalpreſſe! Die„Lüneburgiſchen An⸗ zeigen“, Zeitung für den Regierungsbezirk Lüneburg, er⸗ lebten am 8. September ihren 100. Geburtstag. Das Blatt hat zu dieſem Tage eine beſonders reich ausge⸗ ſtattete Feſtnummer erſcheinen laſſen. Aus dem„Geleit⸗ wort zur Jahrhundert⸗Ausgabe“ möchten wir folgende beachtenswerte Stelle mitteilen: „Die Heimatpreſſe iſt mächtiger als alle Zeitungen der Großſtädte, die nicht verwachſen ſind mit dem Trachten und Wünſchen, mit den Mühen und Sorgen des Einzelnen wie ſie. Sie nutze ihre Macht in rechter Weiſe! Sie trete ein für die Pflege alles deſſen, was ihren Leſern die Heimat ſchöner und teu⸗ rer machen muß als alle Lockungen der Ferne, ſie bewahre ſich ihr eigenes Urteil, ſie ar⸗ beite dem Zuge der Zeit entge gen, der alles Beſondere gleich machen will, und lenke doch die Blicke auf das gemeinſame, mit ſo viel Opfern errungene Gut, das uns alle ſchützt und fördert, und an deſſen Minde rung heute bewußt und unbewußt tauſend Kräfte ar⸗ beiten.“ Das ſind Worte, die ernſte Mahnungen an die Lokal⸗ preſſe und— ihre Leſer enthält. — Der Bund deutſcher Frauenvereine— die organiſierte deutſche Frauenbewegung aller Richtun⸗ gen— wird ſeine 9. Generalverſammlung vom 6. bis 9. Oktober d. J. in Heidelberg abhalten. ), Katholizismus und gläubiger Proteſtantismus zeigen immer wieder, daß ſie in grundlegenden Er⸗ ziehungs⸗ und Schulfragen dieſelbe Auffaſſung haben. Auf dem ſoeben in Königsberg in Preußen ſtattgehabten preu⸗ ßiſchen Pfarrertag wurde einſtimmig folgende Reſolution angenommen:„Der Verband preußiſcher Pfarrervereine wolle dahin wirken, daß in allen Fortbildungs⸗ ſchulen religiöſe Unterweiſung erfolgt, daß, wenn möglich, der Paſtor ſich daran beteiligt und einen Teil des Unterrichts übernimmt, und daß die ländlichen Fortbildungsſchulen dem Unterrichtsminiſter unterſtellt werden, ſtatt wie bisher dem Landwirtſchaftsminiſter.“ Weiter gelangte ein Antrag zur Annahme, in dem es heißt, die Preußengruppe des Deutſchen Pfarrervereins wolle an zuſtändiger Stelle dahin wirken, daß durch Ver⸗ mehrung der Generalſuperintendenturen deren Einfluß auf den Religions unterricht in den höhe⸗ ren Lehranſtalten in weiterem Maße als bisher ge⸗ ſichert werde.— Den„Liberalen“ paßt das natürlich durchaus nicht; die nächſten Tage werden es zeigen. : Evangeliſcher Bund und Unglaube. Ein altes Mitglied des Evangeliſchen Bundes veröffentlicht unter der Spitzmarke:„Der Evangeliſche Bund und der Un⸗ glaube“ als Eingeſandt in der„Neuen Weſtfäliſchen Volks⸗ zeitung“ nachſtehende offene Frage: „In den letzten Wochen wurde mit der amtlichen Zeitſchrift des deutſch-evangeliſchen Bundes für die Oſt⸗ mark und des Salzbundes von Leipzig aus die Ein⸗ ladung mit dem Programm des„Weltkongreſſes für freies Chriſtentum und ſozialen Fortſchritt“ zum Ver⸗ ſand gebracht. Paßt das zuſammen in ein Kuvert, und wird das gebilligt?“ Die Leitung des Evangeliſchen Bundes wird, be⸗ merkt dazu die„Kreuzzeitung“, nicht umhin können, dieſe Frage, an der alle gläubigen Mitglieder des Bundes aufs ernſtlichſte intereſſiert ſind, zu beantworten. (J) Dernburg in Japan. Wie der Draht aus Tokio meldet, wird der Staatsſekretär a. D. Dernburg dort glänzend gefeiert. Am Mittwoch hatte er eine Audienz beim Kaiſer, nachher wurde er zur Hoftafel gezogen und erhielt die erſte Klaſſe des Verdienſtordens der auf⸗ gehenden Sonne. Dernburg erhielt ferner Einladungen von dem Premierminiſter Marquis Katſura, dem Mini⸗ ſter des Aeußern, Graf Komura, dem Verkehrsminiſter Baron Goto und den hervorragendſten japaniſchen Finanz⸗ leuten.— Und das„Berliner Tageblatt“ ſchwelgt in Wonne. e Der„Fall Zollitſch“ erledigt. Wie berichtet wird, hat der ehemalige Oberpoſtaſſiſtent Zollitſch, deſſen Disziplinierung kürzlich mit der Verſetzung nach Raſten⸗ burg abſchließen ſollte, den Staatsdienſt ver⸗ laſſen. In den Kreiſen der Poſtaſſiſtenten iſt eine Sammlung für Zollitſch veranſtaltet worden, deren Be⸗ trag— 50000 Mark— ihm demnächſt überreicht werden ſoll.— Das iſt ja noch ein ganz nettes Geſchäft! Parlamentariſches. 7? Zur Frage der Feuerbeſtattung in Preußen. Dem preußiſchen Abgeordnetenhauſe wird im Winter ein Ge— ſetzentwurf wegen Zulaſſung der fakultativen Feuerbeſtattung in Preußen zugehen. Koloniales. — Die„arme“ Kolonialgeſellſchaft. Der„Berliner Lokal⸗Anzeiger“ ſchreibt:„In der heutigen Sitzung des Aufſichtsrats der Deutſchen Kolonialgeſellſchaft für Süd⸗ weſtafrika wurde beſchloſſen, für das abgelaufene Ge⸗ ſchäftsjahr eine Dividende von 64 v. H.(gegen 25 v. H. für 1908⸗09) vorzuſchlagen. Dabei wurde aber feſtge⸗ ſtellt, daß die für die letzten Monate vorliegenden Aus⸗ weiſe und Berichte über die Diamantenausbeute, den Ein⸗ gang von Schürfgebühren uſw., einen weſentlichen Rück⸗ gang aufweiſen, ſo daß, wenn die fehlenden Monate des laufenden Geſchäftsjahres nicht erheblich günſtiger aus⸗ fallen, mit einem geringeren Erträgnis gerechnet werden muß. Die Schätzungen bewegten ſich letzthin bekanntlich zwiſchen 50 und 60 v. H., nachdem man vorher von 75 v. H. geſprochen hatte.“— Wir meinen. 50 v. H. iſt immer noch ein anſtändiger Proftt. Außerdem hat ja Dernburg mit ſeinem Vertrag mit der Deutſchen Kolonial⸗ geſellſchaft dafür geſorgt, daß die Dividenden nicht her⸗ untergehen! Europäiſches Ausland. Rußland. g : Iswolski wird alſo doch gehen, trotz aller gegen⸗ teiligen Behauptungen. Wie dem„Lokal⸗Anzeiger“ aus beſtunterrichteter Quelle geſchrieben wird, gedenkt der Miniſter nach der Rückkehr des Zaren im Spätherbſt dem Kaiſer ſein Abſchiedsgeſuch zu unterbreiten, in das Zar Nikolaus unter gleichzeitiger Ernennung Iswolskis zum Pariſer Botſchafter willigen wird. Als ſein Amtsnach⸗ folger gilt in eingeweihten Kreiſen ſein bisheriger Ge⸗ hilfe Herr Saſonow.— Wäre Iswolski nicht Miniſter in Rußland, dann wäre er längſt von der Bildfläche ver⸗ ſchwunden.. a Griechenland. 5 * Ein kleines Kriegswölkchen am Balkanhimmel iſ!l verſcheucht. Der griechiſche Miniſter des Innern hat ein Telegramm erhalten, in welchem ihm die Kreter Michelidaki und Papamaſtoraki, welche keine helleniſchen Staatsangehörigen ſind, mitteilen, ſie könnten ihre Wahl als Deputierte für Attika nicht annehmen. Es bleibt mit⸗ hin nur die Regelung der Angelegenheit Venizelos und Poligeorgis übrig. Jetzt kommt alles auf Venizelos an. Wird er, und das iſt gar nicht ſo unwahrſcheinlich, zum griechiſchen Kabinettsſchef ernannt, dann iſt der Krieg da. Für die Kretamächte iſt nunmehr die Zeit gekommen, zu zeigen, daß ſie es ernſt meinen mit ihrer Aufgabe. England. * Sie halten den„Spion“ feſt, die Herren Engländer. Kraft eines förmlichen Haftbefehles wurde der im Fort Purbrook in Haft gehaltene Leutnant Helm den Zivil⸗ behörden übergeben. Die Sache wurde vom Polizeigericht in Fareham auf eine Woche zurückgeſtellt. Helm wurde in das Gefängnis zu Wincheſter gebracht. Der Polizeioffizier, der ihn verhaftete, ſagte aus, Helm habe erklärt, kein Spion zu ſein. Die Anklage lautet auf un⸗ erlaubte Anfertigung von Zeichnungen des Forts Widely und der Redoute Farlington. Jedenfalls wird ſich die ganze Sache als furchtbar harmlos herausſtellen. Türkei. * Die letzten Tage ſcheinen eine Wendung zum beſſeren in den Beziehungen zwiſchen der Türkei und Bulgarien gebracht zuhaben. Nachdem die Pforte ſich mit den Bul⸗ garien beſonders intereſſierenden Fragen, wie dem Bau der Kumanowo-Verbindungsbahn und der Anerkennung des gemiſchten Beirats zum bulgariſchen Exarchat, praktiſch zu befaſſen begonnen hat. Zur Beruhigung trägt auch die Tatſache bei, daß demnächſt in Konſtantinopel zwiſchen den Delegierten beider Mächte Verhandlungen über den Abſchluß eines Handelsvertrages auf Grund der Meiſt⸗ begünſtigungsklauſel eröffnet werden ſollen. Aſten. China. * Die Einflüſſe reaktionärer Art, die, wie berichtet, ſich in China gegen die Rückberufung Nuan⸗Schi⸗Kais in den Staatsrat geltend machen, ſcheinen tatſächlich eine Rückkehr dieſes Staatsmannes auf ſeinen einſtigen ein⸗ flußreichen Poſten wenigſtens vorläufig unmöglich zu machen. Der frühere Miniſter Tiehliang iſt nämlich zum Tatarengeneral in Nanking ernannt worden. Dieſe Er⸗ nennung wird als eine weſentliche Schwächung des Ein⸗ fluſſes der Partei der Kaiſerin⸗Witwe betrachtet. Da der Vizekönig Hſiliang nach Mukden zurückgekehrt, ſo ſcheint es, daß der Regent nicht in der Lage iſt, Muan⸗ Schi⸗Kai zurückzuberufen. Die Perſonalveränderungen in den höchſten Verwaltungsſtellen werden alſo wahr⸗ ſcheinlich verſchoben werden— Und doch wird das„Jung⸗ Chineſentum“ auf die Dauer den Sieg davontragen. Wiederum Hochwaſſer. () Wir teilten geſtern bereits mit, daß im Rhein⸗ lande eine neue Hochwaſſergefahr bevorſteht. Wie die heute vorliegenden Meldungen beſagen, ſind jedoch nicht nur das Rheinland, ſondern weite Strecken Deutſchlands und der Nachbarländer vom Hochwaſſer bedroht. Am meiſten iſt Schleſien gefährdet, aus dem folgende Meldun⸗ gen einlaufen: — Breslau, 7. Septbr. In Ratibor iſt die Oder noch weiter geſtiegen. Nach amtlichen Berichten hatte ſie Oberammergan und ſeine Paſſionsſpiele. Eine Reiſeſkizze von Hans Mayr, Hauptlehrer. 145 Wir vernehmen aus der Ferne Volksjubel. Näher, immer näher tönt er unſerm Ohr. Ein vielhundertſtimmiges Hoſſiana klingt uns entgegen. Aus den Straßen der Stadt kommen endloſe Volksſcharen. Jedes Alter iſt vertreten, der Greis, der ſeine Hoffnung erfüllt ſieht, wie das ahnungsloſe Kind auf dem Arme der Mutter. Alles jubelt, alles ſchwimmt in Seligkeit und Wonne. Kinder eilen voraus, dem kommenden Heiland Palmen auf den Weg ſtreuend. Bald füllt ſich der ganze Vorplatz vor der in einen Tempel verwandelten Bühne mit 600— 700 Menſchen. Viele beſteigen die Treppen des Pilatus-Palaſtes, die Stufen des Kalphas- Palais, um den einziehenden Heiland zu ſehen, um ihm unter ſtändigem „Hoſſiana dem Sohne Davids“ zu huldigen. Und da kommt er, er, der Meſſias der Welt, geritten auf einer Eſelin, geführt von ſeinem Lieblingsjünger Johannes. Er ſteigt ab, ſchreitet traurig durch ihre Mitte, den Schmerz der Menſchheit in ſeiner Seele tragend. Ständig ſegnet er die Scharen, die nicht auf⸗ hören zu rufen:„Heil ihm, Heil dem Sohne Davids!“ Auf denſelben Scharen ruht ſegnend ſeine Hand, die in wenigen Tagen rufen:„Ans Kreuz mit ihm!“ Und nun kommt er vor den offenen Tempel. Sein trauriger Blick flammt auf. Es ſieht die Tempelſchander, ſiebt die Geldwechſler und Tauben⸗ händler. Zum erſten Male hören wir ſeine Stimme. Alles iſt geſpannt auf den Moment.„Was ſehe ich hier?“ ſo ruft er hinein in die Tempelhallen.„So wird das Haus meines Vaters verunehrt? Iſt das Gottes Haus? Oder iſt es ein Marktplatz?“ Und mit erhobener Stimme wendet er ſich zu den Prieſtern:„Und ihr, Prieſter, Wächter des Heilig- tums! Ihr ſehet die Greuel an und duldet ſte? Weh Euch! Der die Herzen erforſcht, weiß es, warum ihr ſelbſt ſolchen Unfug fördert.“ Sie machen Einwände: Alles ſei ja zum Opfer für den Herrn beſtimmt. Er aber ruft ihnen zu: „Außerhalb des Tempels ſind der Plätze genug zu eurem Geſchäfte! Mein Haus, ſpricht der Herr, ſoll ein Bethaus genannt werden für alle Völker! Ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemacht! Hinweg wit dieſem allen!“ Und er wirft die Tiſche um, das Geld kügelt auf den Boden, Tauben fliegen aus ihren Käfigen— eine realiſtiſche Scene. Das hoheitsvolle Gebahren erweckt die Begeiſterung des Volkes aufs neue.„Geprieſen ſei der Geſalbte, geſeguet ſei Davids Reich“, ſo rufen die Scharen wiederum und laſſen ſich durch die Phariſäer nicht davon abbringen. Der Einzug Cbriſti in Jeruſalem iſt eines der groß artigſten und künſtleriſch vollendetſten Bilder des ganzen Tages. Es packt jeden. Viele Augen werden feucht. Wohl preßt es das Herz nicht ſo zuſammen wie der unmittelbare Anblick der Leidensſcenen; aber das Herzeleid des Heilands, das hinter dieſem Volksjubel ruht, und das durch den ſchlichten Töpfer Lang eine ſo meiſterhafte Verkörperung findet, iſt für jeden, der eine vertiefte Auffaſſung mitbringt, überwältigend. Und faſt erſchrocken fragt man ſich: Wie iſt es möglich, daß ſich ſchlichte Landleute, einfache Holzſchnitzer und Töpfer zu eine ſolchen Höhe ſeeliſcher Wirkung aufſchwingen können? Und wir müſſen die Antwort geben: das vermag die Kunſt allein nicht, das vermag nur der Glaube. Ja, nur ein gläubiges Volk, durchdrungen von der Wahrheit deſſen, was es ſpielt, kann ſo geſtalten. Voll dramatiſchen Lebens ſind die Sitzungen und Ver⸗ handlungen des hohen Rates, die ſofort nach dem Einzug Chriſti in Jeruſalem einſetzen, um„den Aufwiegler“,„den Volksverführer“ zu verderben, der ſich einen Sohn Gottes genannt hat. Welch' eine Beſorgnis für ihre Zukunft, welch' ein fanatiſcher Haß ſpricht aus jedem Wort, aus jeder Ge- bärde dieſer Glaubenshüter ihrer Väter. Einer ſucht den anderen durch die Leldenſchaft ſeiner Worte, durch die Leiden- ſchaft ſeines Spieles zu übertreffen. Voran die beiden Hohen⸗ prieſter Annas und Kaiphas, zwei imponierende Geſtalten. Keine angelernten Schauſpieler, wirkliche leibhaftige Phariſäer, famoſe Charakterköpfe. Auch das Vorbild iſt hier treffend gewählt: Es ſind die neiderfüllten Söhne Jakobs, die ihren Bruder Joſeph verkaufen. Ihre Typen glaubt man wieder- zuſehen im Lärm der ſtreitenden Verſammlung. Und wie jeder Einzelne in dieſer ſtürmiſchen Verſammlung zur Geltung kommt, wie jeder einzelne charakteriſiert, ſeine eigene Art hat, ſich hervorzuheben! Der Heiland ſelbſt iſt unterdeſſen nach Bethania ge⸗ gangen, wo er von ſeiner Mutter Abſchied nimmt. Zum erſten Male betritt hier Maria die Bühne. Sie wird dieſes Jahr geſpielt von der Tochter des Holzſchnitzers Johannes Zwink, des Judas⸗Darſtellers. Eine glückliche Wahl. Die brave Schnitzerstochter geht ganz auf in ihrer erhabenen Rolle. Und wenn wir uns auch im erſten Augenblick, verwöhnt durch verſchiedene Madonnabilder, die Geſtalt der Gottesmutter etwos anders denken, etwas madonnenhafter, ſchnell ſind wir verſöhnt, wenn ſie ihr ſeelenvolles Spiel einſetzt und der Klang ihrer weichen Stimme unſer Ohr trifft. Wie rührend weiß ſie den Abſchied zu geſtalten, nachdem ſie aus dem Munde ihres Sohnes die prophetiſchen Worte vernommen:„Dort werden wir uns wiederſehen, beſte Mutter, wo ſich das Wort der Schrift erfullt: Er ward wie ein Lamm, das zur Schlacht⸗ bank gefuhrt wird und ſeinen Mund nicht öffnet.“ Ihr Mutterleid wird zum Leid der Zuſchauer. So weiß ſie hin- —— ungen vahr⸗ Jung⸗ — fheit⸗ ie die nicht funds An N Mun Oder te ſik ottes vlc Ge⸗ den eden he L 112 ufd n L wle Kung hat, 1 b zn 0 1s Ale le. uch lter wit der end nde okt Bott ac. u hin nachmittags 5 Uhr einen Pegelſtand von 6,48 Meter er⸗ reicht, mithin genau die Höhe, die der Strom dort bei dem letzten großen Hochwaſſer im Juli 1907 gehabt hat. Die Meldungen von oberhalb Ratibor gehen dahin, daß die Quelloder außerordentlich ſchnell weiterſteigt. Von den Odernebenflüſſen wird mitgeteilt, daß die Glatzer Neiſſe in Glatz geſtern vormittag den höchſten Stand von 3,50 Meter hatte und daß das Waſſer bis nachmittags 5 Uhr auf 2,93 Meter gefallen iſt. Die Regengüſſe in der Graf⸗ ſchaft haben aber noch weiter angehalten. In Wartha iſt der Pegel an der Neiſſe von 1.76 Meter bis auf 3,60 Meter geſtiegen, infolge des ſtarken Hochwaſſers. In der Stadt Neiſſe iſt in der gleichen Zeit der Neiſſe⸗ pegel von 3,36 Meter auf 4,20 Meter geſtiegen. Aus Schweidnitz wird gemeldet, daß die Weiſtritz am Pegel an der Sandbrücke faſt den ſehr hohen Waſſerſtand des Jahres 1883 erreicht hat. Das Gelände an der Graben⸗ ſtraße ſteht unter Waſſer. Die eiſerne Brücke bei der Freudenbergſchen Eiſengießerei iſt vom Hochwaſſer fort⸗ geriſſen. Weiter abwärts wird das Ufer, wo ſich Riſſe bilden, mit Sandſäcken befeſtigt. Am ſchlimmſten wütet das Hochwaſſer gegenüber der Ziegelei Texas. Dort wurde der hohe Damm auf eine Länge von 150 Meter fortge⸗ riſſen. In und um Breslau iſt die Oder bereits ganz beträchtlich geſtiegen. Auf dem Buhnenrücken am Strauch⸗ wehr iſt eine rote Fahne ausgeſteckt zur Warnung für alle zu Tal fahrenden Schiffer. Am Zoologiſchen Gar⸗ ten und gegenüber am Weidendamm bietet ſich jetzt ſchon das Bild, das man bei jedem Hochwaſſer ſehen kann. Die Dampferlandungsſtellen für die großen Perſonen⸗ dampfer ſind zum Teil abgebrochen. Die Laſtſchiffahrt hat aufgehört. — Breslau, 8. Sevtbr. Die Oder iſt auch heute in Breslau im Steigen begriffen, ebenſo die Ohle. Nach⸗ dem es die ganze Nacht hindurch weiter geregnet hatte, iſt heute früh gegen 10 Uhr eine langſame Aufklärung ein⸗ getreten, die aber, wie es ſcheint, leider nicht von langer Dauer ſein dürfte, da ſich der Himmel ſchon wieder trübt. Auf der oberen Oder ſind geſtern die Wehre niederge⸗ legt worden, bei Brieg iſt die Oder ſchon ſchnell im Steigen, ſo daß eine Ueberflutung des Geländes unmittel- bar bevorſteht. Bei Oppeln und Ratibor ſteht die ganze Oderniederung bereits unter Waſſer, die niedrig gelege— nen Stadtteile von Ratibor ſind bereits überflutet. Ueber den ſüdlichen Teil des Kreiſes Rati⸗ bor und die Gemeinden Kranowitz, Kohelna, Molatitz u. a. ging in der Nacht zum Mittwoch ein ſtarker Wolkenbruch nieder, der das Gelände fußhoch unter Waſſer ſetzte. Das Oppatal hat im Leobſchützer Kreiſe ſtark gelitten, unterhalb Bleiſchwitz iſt der Uferdamm der Oppa auf 10 Meter Breite geriſſen und die Flut ergoß ſich ins Gelände. Auch in Trolowitz an der öſterreichiſchen Grenze iſt ein Dammbruch eingetreten, und die öſterreichiſche Feuerwehr iſt alarmiert worden, um das Grenzgebiet zu ſchützen. Bei Wanſen ſteigt die Ohle ſtark, ober- und unterhalb ſind die Kartoffel- und Gemüſefelder der Stadt weithin unter Waſſer. Die Malapane ſteigt heute früh rapide, dagegen iſt die Neiſſe bei Glatz um dreiviertel Meter zurückgegangen. Auß Neiße ſelbſt wird aber noch weiteres Steigen gemeldet. Die Landecker Biele und die Mohre haben mehrere Ortſchaften unter Waſſer geſetzt, der Mohreſtauweiher gleicht einem mächtigen See. — Brünn, 7. Septbr. Im Bezirk Prerau ſind in⸗ folge Hochwaſſers vier Perſonen ertrunken, 32 Häuſer eingeſtürzt und viele andere dem Einſturz nahe. In Kunowitz ſind 120 Häuſer eingeſtürzt; ſechs Perſonen ſind ums Leben gekommen. Die Stadt Goeding iſt ge⸗ fährdet. Aus Mähriſch⸗Oſtrau wird gemeldet, daß die Verbindung mit Preußiſch⸗Schleſien unterbrochen iſt. In Oderfurt ſind 50 Häuſer überſchwemmt. Aus Troppau wird gemeldet, daß in ganz Oeſterreich⸗Schleſien große Ueberſchwemmungen eingetreten ſind. Das Waſſer hat viele Brücken weggeriſſen. — Brünn, 7. Septbr. Aus ganz Nordmähren treffen Hiobsnachrichten über den gewaltigen Hochwaſſerſchaden der letzten Tage ein. Der Eiſenbahnverkehr iſt vieler Orten vollkommen eingeſtellt. Die Staatsbahn kann keine Züge nach Ungarn abgehen laſſen, da die Bahndämme von den Fluten unterwühlt ſind. Mehrere Perſonen, darunter ein Finanzwachtmeiſter und ein Gendarm, ſind verſchwunden. Man nimmt an, daß ſie ertrunken ſind. — Wien, 8. Septbr. Die Verheerungen, welche die Wetterkataſtrophen in Mähren angerichtet haben, ſind noch viel größer als angenommen wurde. In vielen Ort⸗ ſchaften ſind über 100 Häuſer eingeſtürzt; die Zahl der Ertrunkenen iſt ſehr groß. Da aber das Waſſer jetzt zu fallen beginnt, erſcheint die größte Gefahr als beſeitigt. Aus Nah und Fern. — Weinheim, 9. Sept. Daß am bellichten Tage einem Bauern ein großer Korb Zwetſchen vor der Naſe weg geſtohlen wird, dürfte doch nicht alle Tage vorkommen. In Leutershauſen hatte ein Landwirt die Früchte ſeiner Arbeit und ſeines Zwetſchenbaumes in einem Korbe unter dem Baume aufgeſtellt, während er ſelbſt noch auf hohem Aſte ſaß, um den Reſt einzuſammeln. Wie er wieder mit ſüßer Laſt herunter⸗ ſtieg, war der Korb mit einem Zentner Zwetſchen fort. Zwei Burſchen hatten ihn ſtillſchweigend aufgeladen und waren da⸗ mit weiter gezogen, frech an demſelben Gendarm vorbei, dem ſpäter der betrübte Landmann ſeinen Verluſt meldete. Der Gendarm lief ſofort nach Großſachſen, wo er die beiden Burſchen bei der Teilung des Geldes für den Zwetſchenver⸗ kauf erwiſchte. — Heppenheim, 7. Sept. Einen überaus ſchönen Verlauf nahm der am vorigen Sonntag hier abgehaltene 15. Delegiertentag der kath. Männer- und Arbeitervereine der Diözeſe Mainz. Die Delegierten der 90 dem Verband an⸗ geſchloſſenen Vereine, weit über 200, waren in den Morgen- ſtunden mit den Eiſenbahnzügen angekommen. Um ½ 11 Uhr wurde eine hl. Meſſe für die Delegierten geleſen, wahrend der vortreffliche Kirchenchor ein Ave Maria in gewohnter Meiſter⸗ ſchaft vortrug. Bald nach 11 Uhr eröffnete der unermüdliche Verbandspräſes Harr Prälat Forſchner die Tagung mit einer begeiſternden Anſprache. Nach Prufung der Mandate und Erſtattung der Geſchäftsberichte(Ver bandsbericht, Verbands⸗ rechnung, Sterbekaſſe) wurde in die Beratung der vom Verbands- vorſtande und einzelnen Vereinen vorgelegten Anträge einge⸗ treten. Die Beratung gab eine große Fülle von Anregungen und zeigte ein überaus erfreuliches Bild von der ſchönen und erfolgreichen Tätigkeit, die in dem Verbande entfaltet wird. Nach/ 2 Uhr wurde die Beratung abgebrochen und bald darauf das gemeinſchaftliche Mittageſſen eingenommen. Während desſelben toaſtete der Prälat Forſchner auf Papſt und Kaiſer, Herr Pfarrer Wolf⸗Viernheim auf Biſchof und Großherzog, Herr Profeſſor Müller-Büdingen auf den unvergleichlich opfer⸗ freudigen Herrn Prälaten, Herr Dekan Miſchler-Heppenheim, auf den Verbandsvorſtand, auf die Delegierten der Präſident des hleſigen Vereins, und Herr Präſident Bauer-Mainz auf den hieſigen Verein und ſeinen Präſidenten. Küche und Keller des Vereinshauſes leiſteten, das war der allgemeine Meinungsausdruck, vorzügliches, namentlich wurde allſeitig die Güte und Reichhaltigkeit des Eſſens anerkannt. Nach Be- endigung des letzteren wurden noch einige Anträge behandelt, da bei auch als Ort der Tagung des nächſtjährigen Delegierten tages Worms beſtimmt. Mittlerweile hatte ſich der große Saal mit den hieſigen Vereins mitgliedern dicht gefüllt und be ⸗ gonn bald danach Herr Pfarrer Fink⸗Darmſtadt mit ſeinem Referat über Weltanſchauung und Politik. Die Rede war nach Form und Inhalt eine Glanzleiſtung der Rhetorik. Ste ging zu Herzen, das zeigte der ſtürmiſche Beifall am Schluſſe der wundervollen Rede. In bewegten Worten dankte der Herr Prälat und erteilte alsdann das Wort Herrn Pfarrer Metzger-Alzey zu ſeinem Vortrage über die Bekämpfung ſchlechter Lektüre. Auch dieſe ſchöne Rede enthielt ſoviel Be⸗ lehrendes und ſo viel zu Beherzigendes, ſie machte nachhaltigen Eindruck auf die Zuhörer. In einem begelſterten Schlußwort gedachte der Herr Prälat des nächſten Katholikentages in Mainz und forderte ſchon jetzt zu zahlreichem Beſuche desſelben auf; er warf einen Rückblick auf den ſchönen Verlauf der heutigen Tagung und ermahnte die Delegierten zu Hauſe in ihren Vereinen das Gehörte weiter zu verbreiten und in die Herzen eines jeden Mitglieds hineinzutragen. Hierauf ſangen die Anweſenden ſtehend und mit inniger Begeiſterung die erſte Strophe des Ambroſianiſchen Lobgeſangs. Die zwiſchen 6 und 7 Uhr abfahrenden Eiſenbahnzüge führten unſere Gäſte wieder in die Heimat. Sie ſchieden von uns in höchſter Be⸗ friedigung und mit dem Bewußtſein, einen ſchönen, für unſeren Verband und die einzelnen Vereine und ihre Mitglieder zweifel⸗ los außerordentlich ſegensreichen Tag verlebt zu haben. Bei Beginn dir Verhandlung war ein Huldigungstelegramm an unſeren hochw. Herrn Biſchof nach Mainz abgeſandt worden, auf das im Laufe des Mittags eine herzliche Antwort eintraf. Viele Häuſer hatten Flaggenſchmuck angelegt und ſei hierfür herzlich gedankt. zureißen. Vor mir liegt in dieſem Augenblicke die photo- graphiſche Aufnahme:„Jeſu Abſchied von Maria.“ Man ſollte nicht glauben, daß man es mit der Photographie einer Bühnenſcene zu tun hat, ſondern man könnte es getroſt für das Abbild eines klaſſiſchen Künſtlerwerkes halten. Nach dem Abſchied zu Bethania gekt Jeſus nach Jeru⸗ ſalem, um mit ſeinen Jüngern dort das Abendmahl zu feiern. Einer der ergreifendſten Momente in der ganzen Paſſton be- ginnt, der zweite Höhepunkt des Tages, der ebenbürtig neben dem Einzug, der Oelbergſcene und der Kreuzigung ſteht. Hier zeigt ſich meines Erachtens der intelligente Chriſtusdar⸗ ſteller auf der Höhe ſeines Spieles. Man vergißt ganz, einen Darſteller der erhabenſten aller Rollen vor ſich zu haben. Man iſt nicht mehr beim Spiele, man dünkt ſich als Augen- zeuge der Einſetzung des wunderbarſten aller göttlichen Liebes⸗ werke. Demüͤtig ſchreitet der Herr von einem ſeiner Jünger zum andern, um ihnen die Füße zu waſchen; für jeden hat ſein Mund ein liebes Wort, für jeden ſein mildes Auge einen Blick, der ins Herz ſchneidet. Dann folgt die Segnung von Brot und Wein. Ja, wenn ſie ſo gegeben wird, wie von Dir Du gottbegnadeter Chriſtusſpieler, dann wirft man den Gedanken ſofort über Bord:„Dieſe heiligſte aller Handlungen gehört nicht auf die Bühne.“ Wenn ſie ſo dargeſtellt wird wie von Dir und Deinen 12 Getreuen, dann iſt dieſer Augenblick ein Stück Religion, wie man es ſonſt auf keinem andern Fleckchen Erde zu erleben vermag. Als nach dem Spiele mein ſchon erwähnter Freund die Frage an mich richtete:„Sage, mein Lieber, wie iſt es Dir während der Abendmahlſcene gegangen? Da gab ich ihm die kurze Antwort:„Genau wie Dir!“ Und er verſtand mich und ich ſeine Frage. Vortrefflich iſt auch die Erſcheinung der einzelnen Apoſtel ſelbſt. Lauter markante Geſtalten, wie wir ſie auf den be⸗ kannten Abendmahlbildern von Leonardo da Vinci oder von A. Dürr zu ſehen gewohnt ſind, alle von einer Glaubhaftig⸗ keit der Erſcheinung, daß wir fürwahr die alten heiligen Zwölfboten zu ſehen meinen. Wie die Jünger einſt ſtritten, wer der größte unter ihnen ſei, ſo könnte man dieſe Frage auch für die 12 Darſteller aufwerfen. Wem die Palme ge- bührt, ich möchte die Entſcheidung nicht treffen, ob dem ein⸗ nehmenden, jugendlichen Johannes, der ſeine Liebe zum Heiland und ſeine Hingebung an den göttlichen Meiſter ſo rührend zum Ausdruck bringt, oder dem treuherzig derben Petrus, der am ergreifendſten iſt in der ſo ſchlicht und wahr geſpielten Reueſcene, die nach der dreimaligen Verleugnung einſetzt, oder dem verrätiſchen Judas, dem wohl die meiſten die Palme zu- ſprechen würden. Judas iſt unzweifelhaft die ſchärfſtgezeichnete Geſtalt der ganzen Paſſion. Jedenfalls iſt er diejenige, die außer der Chriſtusgeſtalt am nachdrücklichſten auf das Gemüt des Volkes wirkt; denn vor Verrat ſchreckt auch der gemeine Mann innerlich zurück und das umſomehr, wenn ſich die ganze Entwicklung ſo lebens wahr vor unſern Augen abſpiegelt, ſo packend greifbar wird von der erſten heimlichen Regung angefangen bis zum verzweifelten Selbſtmord. Man erſchrickt faſt im Gedanken, wie viel Untreue das eigene, alltägliche Leben bringt. Einer der größten Schauspieler aller Zeiten, Devrient mit Namen, einer der begeiſtertſten Bewunderer der Oberammergauer Paſſionsſpiele, hat mit Recht auf dieſe Wirkung hingewieſen. Dieſelbe ſteigert ſich aber noch durch das ganz vorzügliche Spiel des Darſtellers, des Johannes Zwink, der nun zum drittenmal die Rolle inne hat. Schon ſein Aeußeres iſt zur Judaserſcheinung wie geſchaffen. In der früheren Zeit konnte der Judasdarſteller dem Volke die Scene der Erhängung nicht draſtiſch genug ſpielen. Es wollte ſehen, wie der Teufel zu ſeinem Recht kommt, wollte ſehen, wie der ſchändliche Verräter am Baumaſte hängt. Jetzt — Heppenheim, 9. Sept. Der hieſige katholische Männerverein feiert am 18. Sept. das ſeit langer Zeit er⸗ ſehnte Feſt ſeiner Fahnenweihe. — Darmſtadt, 9. Sept. Nach den bis jetzt vorge⸗ nommenen amtlichen Erhebungen beziffern ſich die im Ried (Starkenburg) angerichteten Hochwaſſerſchaͤden auf rund 2 300 000 M. — Aspisheim, 9. Sept. In dem heurigen Hamſter⸗ jahr wurden in hieſiger Gemarkung bereits 10 000 Hamſter gefangen, wofür die Gemeinde für einen alten 10 Pfg. für einen jungen 5 Pfg. bezahlt. Die Mäuſeplage iſt in unſerer Gemarkung ſehr ſtark, ſo daß das Kornſäen in manchen Ge⸗ markungen überflüſſig iſt. Es wurde bereits vor Wochen Gift gelegt, doch iſt die Zahl dieſer ſchädlichen Tiere immer noch ganz ungeheuer. — Nen-Iſenburg, 9. Sept. Die älteſte hieſige Sparkaſſe, die Spar- und Leihkaſſe J, befindet ſich ſeit einiger Zeit in einer Kriſts. Dieſer Tage wurde der Rechner der Anſtalt ſeines Amtes enthoben, weil für einen Schuldſchein im Betrage von 40 000 Mark, den er und Verwandte von ihm ausgeſtellt haben, die Zahlung verweigert wird. — Aus Oberheſſen, 9. Sept. Die ſo gefürchtete Schweineſeuche(Schweinepeſt) ſcheint in Oberheſſen um ſich zu greifen. Sie wurde neuerdings feſtgeſtellt in Weitershain, Villingen, Langd, Höchſt, Ober⸗Mockſtadt und Langenbergheim. — Frankenthal, 9. Sept. Beim Transport eines großen Dampfkeſſels fiel dem 19 Jahre alten ledigen Keſſel⸗ ſchmied Chriſtlan Ehſcheid aus Lambsheim ein Keſſeldeckel aus ziemlicher Höhe auf den Rücken, wobei Ehſcheid derartig ſchwere Verletzungen davontrug, daß er geſtorben iſt. — Bruchſal, 9. Sept. Die Schnakenplage, ſowie Ueberſchwemmungen haben in dieſem Sommer im mittleren und unteren Rheingebiet übel gehauſt und jetzt kommt die Kunde von einer Landplage. In der Gegend von Philipps- burg ſind die Felder und Wieſen mit Kröten aller Größen bedeckt, die Nachts in die Ortſchaften einrücken und zu Tauſenden Höfe und Brunnen anfüllen. In vielen Pump⸗ brunnen iſt das Waſſer infolge der vielen Krötenleichen un⸗ brauchbar geworden. — Heidelberg, 9. Septermber. Die„Heidelberger Zei⸗ tung“ meldet: Der Waſſerſtand des Neckars iſt zurzeit wieder ein verhältnismäßig hoher. Das hohe Waſſer des Neckars kommt in dieſem Jahre der Schiffahrt zugute. Hat ſich doch die Schiffahrtsvereinigung vertraglich vor einigen Jahren verpflichtet, von den am oberen Neckar gelegenen Salzſalinen jährlich fünf Millionen Zentner Salz auf dem Waſſerwege nach Mannheim zu bringen. Dieſe Menge konnte bisher in anderen Jahren wegen des niedrigen Waſſerſtandes nur zum Teil auf dem Waſſer⸗ wege zum Transport kommen, und es mußte die Vereini⸗ gung etwa dreieinhalb Millionen Zentner Salz zur Weiterbeſorgung der Bahn mit ihrem erheblich teueren Frachtſatz überlaſſen; in dieſem Jahre iſt das anders; ein Schiff nach dem andern, ſchwer beladen, paſſiert auf dem Waſſerwege vom oberen Neckar auf der Fahrt nach Mann⸗ heim unſere Stadt, und die Schiffer haben Hoffnung, in dieſem waſſerreichen Jahre die ganzen fünf Milli⸗ onen Zentnerallein transportieren zukön⸗ nen. Neulich zählten wir nicht weniger als ſechs oder ſieben große Salzſchiffe, die hier vorbeikamen. Jedes Schiff faßt mindeſtens viertauſend Zentner Salz. Somit werden auf dem Waſſerwege momentan faſt täglich 24— 28 Tauſend Zentner nach Mannheim gebracht. Der Trans⸗ port auf dem Waſſerwege koſtet für den Zentner 8 Pf. Bei viertauſend Zentnern wäre das für den Schiffsunter⸗ nehmer eine Einnahme von 320 M. Allerdings gehen davon die Löhne für das Perſonal uſw. ab, und dann braucht ein Schiff von Heilbronn bis Mannheim einſchl. Verladen und Ausladen immerhin acht Tage. Alſo haben die zahlreichen Niederſchläge der letzten Zeit auch ihr Gutes. — Aus der Pfalz, 9. September. Infolge des neuen Weingeſetzes und der geringen Weinernte iſt die Nach⸗ frage nach Moſt eine ganz außerordentliche. Die Wein⸗ kommiſſionäre laufen wie wütend in den Ortſchaften her⸗ um und kaufen, was zu haben iſt. Darum iſt auch der Preis des Portugieſer⸗Moſtes ſo hoch, wie ſchon ſange nicht mehr. 16 M. pro Logel wird bezahlt und mehr, ein Preis, der bisher kaum für den Weißmoſt angelegt wurde. Da der Portugieſer immer vier bis fünf Mark billiger iſt, ſo wird der Weißmoſt in dieſem Jahre mit zwanzig Mark und höher bezahlt werden müſſen. Unter dieſen Umſtänden könnten die Winzer vergnügte Geſichter machen, wenn das Herbſtauantum auch nur einigermaßen annebmbar wäre. „ Dab Nauheim, 7. September. Die„Oberh. Volks⸗ blätter“ in Bad Nauheim berichten: Die Zudringlichkeit des Publikums zu den kaiſerlichen Töchtern war am Mon⸗ tag vormittag wieder ganz enorm. Als ſie zum Einkauf in einen Laden traten, wollten recht viele folgen. Der Ladeninhaber ſchloß aber die Tür zu. Der darob nicht wenig erſchrockenen älteſten kaiſerlichen Prinzeſſin gab der Mann die Erklärung, daß ſie von ihm nichts zu befürchten habe.(1) Die kaiſerlichen Prinzeſſinnen ſpre⸗ chen gut deutſch, ebenſo ſehr flott engliſch.— Eine weitere Szene beſchreibt das Blatt von dem Erlebnis eines Hom— burger Ehepaares auf der Parkſtraße in Bad Nauheim: Ein Herr in mittlerer Größe ging mit ſeiner Gemahlin ahnungslos ſpazieren, als ſich um ihn nach und nach ein großer Menſchenhaufe ſammelte. Die Situation war ſo arg, daß das Ehepaar förmlich eingekeilt wurde. Man wollte in dem Herrn, der einen kleinen Spitzbart trug den Zaren erkennen. Dem Manne, einem friedlichen Bür⸗ ger aus Homburg, war dieſe Ehrung ſehr peinlich. Mit Mühe und Not konnte er ſein Automobil erreichen und ſich der Zudringlichkeit ſeiner Bewunderer entziehen. aber iſt auch hierin alles vermieden, was nach unſern heutigen Begriffen anſtößig erſcheinen mußte: der Vorhang fällt in dem Momente, da Judas nach dem Baumaſt greift; aber der Verräter ſcheint deshalb nicht minder ſchwer gerichtet. Sein ſcheues, von Seelenqual erfülltes Weſen ſchneidet tief ins Gewiſſen der Menge.(Fortſetzung folgt.) Verantwortlich für die Redaktion: Wilhelm Bingener, Viernheim * Eine neue Nummer der Zirkus⸗Zeitung, das eigene Organ des gegenwärtig in Mannheim gaſtierenden Zirkus Charles, iſt der heutigen Auflage beigegeben. Die Leſer werden auf die Zirkuszeitung beſonders aufmerkſam gemacht. Carl Wild Alm Markt Weinheim Anfertigung vonpletter Betten — Pllllung unter fachmännischer Aufsicht Bett Nr.! 1 ½½ schläfrig aus rot weis gestr. 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