1 DSS 8 S Viernheimer Aachrichten Bezugspreis: 30 Pf. monatlich einſchl. Bringerlohn. Durch die Poſt bezogen Mk. 1.14 vierteljährlich. Fernſprech⸗Nr. 20 Viernheimer Zeitung (Heſſtſch⸗badiſcher Grenzbote) Amtsblatt der Großherzoglichen Bürgermeisterei Viernheim Geleſenſte und verbreitetſte Feitung am hieſigen Platze Bei Erſcheint Dienstags, Donnerstags und Samstags. Beilagen:„Sonntagsblatt“ und„Sonntagsfeier“ Redaktion, Druck und Verlag von Wilh. Bingener, Viernheim.— Geſchäftsſtelle: Rathausſtraße Nr. 19. 4 Vviernheimer Volksblatt Anzeigen: Die Petit⸗Zeile 15 Pfg. Reklamen 40 Pfg. größeren Aufträgen entſprechender Na 2 7 Gegründet 1664 Ar. ———— 58. Generalverſammlung der Katholiken Deutſchlands. 2 bee Mainz, 7. Auguſt. „Heute begann die Katholikenverſammlung mit ihrer eigentlichen Arbeit. Nachdem kurz vorher im hohen Dome ein Pontifikalamt gehalten war, begann um 11 Uhr die erſte geſchloſſene Verſammlung. Der erſte Vorſitzende des Lokalkomitees, Abg. Juſtiz⸗ rat Dr. Schmitt⸗Mainz, übernahm die Leitung und verlas ein Antwortſchreiben des hl. Vaters auf die Benachrichti⸗ gung über die Veranſtaltung des Katholikentages, in dem der hl. Vater die Verdienſte Kettelers noch einmal würdigt und den apoſtoliſchen Segen erteilt. Es folgte dann die Präſidentenwahl. Abg. Dr. Schmitt ſchlug unter ſtürmiſcher Zu⸗ ſtimmung der Verſammlung vor, zum erſten Vorſitzenden des Katholikentages den Herrn Erbkämmerer Graf Fried⸗ rich von Galen, den Neffen des hochw. Biſchofs von Kette⸗ ler, zu wählen. Graf Galen nahm die Wahl an. Abg. Juſtizrat Dr. Schmitt ſchlägt die Wahl eines Ehrenpräſidiums vor. Unter ſtürmiſcher Zuſtimmung werden in dieſes Ehrenpräſidium gewählt! Exzellenz Reichsgraf Frhr. v. Hertling⸗ München, Kommerzien⸗ rat Abg. Cahensli⸗ Limburg, der in Mainz vor 40 Jahren den Raphaelsverein gegründet hat, und Freiherr Wilderich von Ketteler. Als erſten Vizepräſidenten des Katholikentages ſchlug der Vorſitzende Tr. Schmitt Rechtsanwalt Rumpf⸗ München por, der die Wahl unter lebhafter, humoriſtiſch gefärbter Würdigung der Beziehung zwiſchen Bayern und dem Rhein entwarf. Zum zweiten VBizepräſidenten wurde der heſſiſche Landtagsabgeordnete Brentano aus Offenbach vorgeſchla⸗ gen, der dieſes Amt annahm als Ehrung der deutſchen Katholiken für die heſſiſchen Katholiken. An den hl. Vater, an den Kaiſer und an den Großherzog von Heſſen wurden Huldigungs⸗ telegramme abgeſandt, deren Verleſung ſtürmiſchen Bei⸗ fall fand. Alsdann begann die Beratung der Anträge. Als erſter Antrag ſtand auf der Tagesordnung die römiſche Frage, zu der Abg. Bachem ſprach. Der Antrag verſichert dem hl. Vater unverbrüchliche Treue und Anhäng⸗ lichkeit, verlangt für den hl. Vater als Oberhaupt der Kirche eine volle und wirkliche Freiheit und fordert zum Schluß zur Unterſtützung der Sammlungen zum Peterspfennig auf. Der Antrag wurde einſtim mig angenommen, wobei die Verſammlung gleichzeitig ein Hoch auf den hl. Vater ausbrachte. . ͤ ͤꝛ ̃ꝗ⅛; v]«»ů ꝛ˙¹ A rů·ů ·—⁰·⅛³ Donnerstag, den 10. Auguſt 1911. 2. Jahrgang. 8.3, benſalls angenommen wurde ein Antrag auf Unter⸗ ſtützung des Bonifatius⸗Vereins, in dem auf die Not⸗ wendigkeit zur Steuerung der Kirchennot in den Dia⸗ ſpora⸗Gemeinden hingewieſen wurde und ein Antrag zur Unterſtützung des St. Raphaels⸗Vereins, worauf die Ver⸗ ſammlung geſchloſſen wurde. * Die erſte öffentliche Verſammlung. Längſt vor ½5 Uhr war der Platz vor der Feſt⸗ halle von einer ungeheuren, Einlaß begehrenden Menſchen⸗ menge umlagert, und als die Tore ſich öffneten, war der große Saal mit allen Galerien in wenigen Minuten bis auf das letzte Plätzchen beſetzt. Pünktlich um 5 Uhr eröff⸗ nete der erſte Präſident, Graf Galen, Haus Aſſen bei Münſter die Verſammlung mit einer Begrüßung, in der er auf die Intoleranz hinwies, die noch immer bei uns geübt werde. Man frage uns vielleicht: Habt ihr noch Wünſche und Beſchwerden? Haben wir in 63 Jahren eifriger Arbeit in Parlamen⸗ ten und Generalverſammlungen, in Vereinen, noch im⸗ mer unſer Recht, unſere Freiheit nicht erreicht? Nein, meine Herren.(Zuſtimmung.) Das mag auch ſein Gutes haben. Es iſt halt mit den Katholiken ſo; ein bißchen geſtoßen und ein bißchen geſchoben müſſen ſie werden, damit ſie warm werden. Und daran hat es nicht gefehlt in den 60 Jahren und fehlt es auch heute nicht. Ich brauche nur die Jeſuiten zu nennen(anh. ſtürm. Zuſtimmung) und wir ſind alle warm. Anarchi⸗ ſten, Freimaurer und Sozialiſten können ſich vereinigen, wie ſie wollen, ſie ſtehen unter dem allgemeinen Recht. Aber die Jeſuiten, das iſt etwas anderes. Es ſind katholiſche Ordensleute, ſie tun nichts Straf⸗ würdiges, darum kann man ihnen mit dem Strafgeſetzbuch nicht beikommen, und ſo muß ein Reichsausnahmegeſetz gemacht werden, ſonſt könnten ſie den Kaiſer unterſtützen in den Beſtrebungen, dem Volke die Religion zu erhalten, indem ſie Rekrutenexerzitien anſtellen. Die Patres Lazariſten fallen auch unter das Aus⸗ nahmegeſetz, weil der Bundesrat in einer ſchwachen Stunde erkannte, daß ſie mit den Jeſuiten verwandt ſeien. Er kennt ja weder Jeſuiten noch Lazariſten.(Heiter⸗ keit.) In all den 40 Jahren fand der Bundesrat noch keine Zeit, ſeine Kenntniſſe zu verbeſſern. Endlich ſind auch die Frauen vom Heiligen Herzen aus dem Vaterlande vertrieben.(Pfuirufe.) Die Schamröte ſteigt mir ins Geſicht, wenn ich denke, daß das große deutſche Reich, welches auf allen Weltmeeren mitſprechen will, ſich durch Ausnahmegeſetze ſchützen muß gegen arme Or⸗ densfrauen.„(Erneute Pfuirufe.) Aber für uns Katholi⸗ ken, für unſere Orden, ſind ungerechte Ausnahmegeſetze gut genug. Wie im Reiche, ſo ſteht es auch in den Einzelſtaaten. In Preußen erträglich, in Heſſen kläalich. 7 Gericht. Roman von Franz Wichmann. 21 Nachdruck verboten.) „Höre doch endlich auf mit dem ewigen Widerſpruch! Be⸗ greifſt du denn gar nicht, wie du Otto ſchadeſt? Herr von Hohlen kann ihm noch ſehr nützlich ſein. Er ſieht dich gern, ich habe es wohl bemerkt; du könnteſt dein Glück machen, wenn du nicht ſo ein einfältiges Ding wäreſt. Haſt du denn gar keinen Verſtand? Eine adelige Partie, einen—“ Klara verlor bei dem Geſchwätz der Förſterin ihr 225 wohnte Ruhe. „Mutter, du beleidigſt mich! Du weißt ſehr gut, daß ich mich nicht verhandeln laſſe!“ Vor Erregung bebend, nahm ſie raſch das Kaffeegeſchirr auf und entfernte ſich aus dem Zimmer. Die Förſterin folgte ihr in die geöffnete Tür. „Schäme dich! Dieſer Ausdruck!“ rief ſie ihr leiſe nach. „Es iſt meine Pflicht als Mutter—“ Sie brach ab, da Herr von Hohlen eben den Zwicker auf⸗ ſetzte und ſpöttiſch lächelnd herüberſah. „Ah, eine kleine Szene, wie es ſcheint, zwiſchen Mutter und Tochter!“ ſagte er zu Otto. Er machte eine kurze Pauſe und ſchien nachzudenken, dann fuhr er fort:„Weißt du, daß dein Schweſterlein eigentlich ein reizendes Ding iſt mit ihrem Trotz und Eigenſinn? Sie hat etwas, das einen toll machen lönnte!“ Otto zuckte mitleidig die Achſeln. „Wenn ſie nur ein wenig vernünftiger wäre!“ Da er ſah, daß die Mutter auf ſie zukam, ſetzte er mit lauterer Stimme binzu: Apropos, gehſt du wirklich nicht mit?“ Die Förſterin hatte die Bemerkung gehört. „Sie werden Otto nicht begleiten, Herr von Hohlen?“ ragte ſie. „Muß wirklich bedauern, 7 Frau, bin heute ver⸗ bindert. babe eine Einladung zum Muß der Wahrheitsfreunde beleidigen. Ich kam nur, um Otto zu ſagen, daß er mich nach zehn Uhr im Reſtaurant Gillnitzer treffen kann. Ich komme beſtimmt dorthin.“ erhalten, da kann ich nicht fortbleiben, ohne die Geſellſchaft zu „Ach, wie ſchade,“ beteuerte die Förſterin,„das tut uus herzlich leid!“ „Nun mußt du mich mit Klara begleiten,“ wandte Otte ſich an ſeine Mutter. 1 Zu Lerchenfelds? Aber wo denkſt du hing J din weht eingeladen!“ ö „Ach was,“ erwiderte Otto,„ih guns N gun nicht 1 Das war nur des Vaters wegen. Ie t 55 155 2 Vergnügen haben, und ich ſagte dir ja vorhin ſchon, d i ins Elitekonzert gehe. Ich weiß ja, du ſchwärmſt für das Pauliſche Etabliſſement. Baron Rehberg und Graf Hochſtein ſind ſicher auch dort.“ Das Geſicht der Förſterin erhellte ſich. „Ins Konzert?“ wiederholte ſie.„Das iſt ja herrlich! Ja, ja, Pauli, das iſt mein Geſchmack! Die feine Welt, die Eleganz, die neueſten Moden, alles ſieht man dort!“ „Der Vater wird wie gewöhnlich vor elf Uhr nicht heim⸗ kommen,“ fuhr Otto fort,„da kannſt du dir Zeit laſſen, alles zu genießen!“ Frau Adelheid wandte ſich noch einmal an Robert: „Wenn Sie uns doch auch begleiten könnten! Ich werde heute etwas ganz Beſonderes haben; es trifft ſich herrlich, daß es gerade fertig geworden iſt. Ach, das müſſen Sie ſehen!“ Sie eilte ſtolz lächelnd an den Schrank. Otto ſtieß den Freund heimlich an. „Mama hat ein neues Kleid, von Frau Laroſe gefertigt, das allermodernſte, das wird dir gefallen!“ Während Robert ihm verſtändnisvoll zulächelte, führte er ihn an den Schrank. „Von Frau Laroſe?“ rief Herr von Hohlen.„Allen Reſpekt! Die erſte Damenſchneiderin der Hauptſtadt wird es ſich zur Ehre anrechnen—“ in Württemberg rraurig, in Baden ſchaurig, ſo hat Gröber hier in Mainz über die Ordensfrage ſich ausgelaſſen. In Baden, Württemberg und Heſſen trifft das zu, nichts hat ſich dort gebeſſert. Nur für Preußen iſt der Ausſpruch nicht mehr richtig. Wenn Gröber damals den Zuſtand als erträglich nannte, ſo tat er das nur in der Erwartung, daß mit dem Abbruch des Maigeſetzes fortgefahren werden würde. Das iſt nicht geſchehen. Noch heute müſſen wir im König⸗ reich Preußen zwei Miniſter um Erlaubnis angehen und lange auf Antwort warten, und oft wird die Erlaubnis verſagt, wenn unſere Ordensleute, ſogar die barmherzigen Schweſtern, nur das kleinſte Klöſterchen beziehen wollen, während die evangeliſchen Schweſtern tun und laſſen können, was ſie wollen. Dieſer Zuſtand iſt nicht erträglich, er iſt unerträglich. (Stürm. Zuſt.) Wir Katholiken wollen nicht ruhn und raſten, bis wir unſere Ordensleute wieder haben.(Leb⸗ hafter Beifall.) b Nach der Rede des Grafen Galen nahm der hochw. Biſchof Kirſtein von Mainz das Wort. Er führte aus: Sie haben mich mit großer Freundlichkeit empfangen, und ich danke Ihnen dafür. Ich habe als Diözeſanbiſchof eigentlich gar keine andere Auf⸗ gabe, als ein treues Mitglied der Generalverſammlungen der Katholiken Deutſchlands zu ſein, und Ihnen meinen Segen zu erteilen. Aber unſer hochverehrter Herr Präſident hat gewünſcht, daß ich einige Worte an Sie richte. Ich tue es gern! Es ſind Worte der Freude über das überaus zahlreiche Kommen nach Mainz. Seit zwei Jahren habe ich mich darauf gefreut, und jetzt zeigt mir Ihr zahlreicher Beſuch, daß die katholiſche Sache in Deutſchland noch nicht verloren iſt, und daß auch die katholiſche Sache in Mainz noch lange nicht verloren iſt. (Lebh. Beifall.) Gegenüber den Angriffen von gegneri⸗ ſcher Seite betonen wir: die anderen Leute ſollen zunächſt vor ihrer eigenen Türe kehren! Wir beſchäftigen uns auch nicht mit ihren Angelegenheiten.(Lebh. Beifall.) Aber damit ſage ich noch lange nicht, daß wir unfehlbar ſeien. Aber wo Licht iſt, da iſt auch Schatten, und wo kein Schatten ict, da iſt überhaupt nichts. Wir wiſſen, wem wir zu folgen haben, dem hl. Vater in Rom und unſeren Biſchöfen. Auf die hören wir und deren Beiſpielen folgen wir.(Stürm. Beifall.) Wie einſt Biſchof Ketteler geſegnet hat, ſo wolle er auch heute die Verſammlung ſegnen und rufen: Ihr katholiſchen Männer, ich bitte Euch, Eure katholiſche Kirche zu lieben als Eure Mutter. Schmach über den Katholiken. der mit kaltem Herzen zur Kirche ſteht, zumal in dieſer Zeit. Ihr Katholiken, ſeit einig, einig, einig! — 0——é— — (Minutenlanger Beifall.) Der Biſchof ſegnete die Ver⸗ ſammluna. „Ach, ja, es iſt teuer genug geweſen,“ unterbrach die Förſterin ihn, indem ſie die Tür des Kaſtens öffnete.„Aber was will man machen? Man muß ſich doch unter anſtändigen Leuten ſehen laſſen können! Schauen Sie nur!“ Sie nahm ein prächtiges, grünſeidenes Kleid hervoe un zeigte es mit befriedigter Miene den beiden jungen Leuten. „In der Tat, äußerſt geſchmackvoll,“ bewunderte Rober „moosgrüne Seide, das Allerfeinſte; es wird Sie kleiden, gnädige Frau!“ „Ich hoffe es! O, es war ſchon immer mein Wunſch, ſeit wir in der Stadt ſind! Und die Leute ſind hier ſo liebens⸗ würdig, ſo zuvorkommend, ſie gewähren jeden Kredit, wenn ſie wiſſen, daß man die Frau eines Staatsbeamten iſt!“ „Wie wäre es auch anders möglich?“ fiel von Hohlen ein. „Jedes Geſchäft muß es ſich ja zur Ehre anrechnen—“ „Wenn nur auch Klara Vernunft annähme,“ meinte die Förſterin,„Frau Laroſe würde ſofort—“ Otto ließ ſie nicht ausreden. „Es iſt wirklich eine Schande, in was für Kleidern die Schweſter herumgeht!“ „Ja, ja, ſie könnte Aufſehen machen,“ fiel Robert ein, ihr Wuchs, ihre Figur, eine vollendete Ariſtokratin!“ „Ach, Gott, bei dem Mädel iſt alles umſonſt!“ jammerte die Förſterin. „Still, ſie kommt!“ mahnte Otto.„Aber heute muß ſie mitgehen, ich habe es den Freunden verſprochen!“ „Klara, höre!“ wandte Frau Adelheid ſich an die Ein⸗ tretende.„Wir gehen ins Konzert, nur bis der Vater kommt. — du mußt dein blaues Sonntagskleid anziehen!“ „Ich werde zu Hauſe bleiben, Mutter!“ erklärte das Mädchen ſofort. „Was fällt dir ein?“ rief die Mutter.„Du haſt aber auch nicht den geringſten Sinn für Muſik, für Kunſt!“ Das Mädchen ließ ſich nicht irre machen. Cote etzung folgt.) 14 „ 5 0 Alsdann nahm Abg. Exzellenz Frhr. v. Hertling München, ſchon beim Betreten der Rednertribüne mit jubelndem Beifall empfangen, das Wort zu ſeiner Gedächtnisrede für Biſchof Ketteler. Er führte aus: Wenn auf irgend einen Kirchen mann der Neuzeit das Wort„apoſtoliſch“ paßt, dann auf ihn! Wie er zum Biſchof eworden, der temperamentvolle Student, der wilde, leiden⸗ chaftliche Zager?„Durch den Ruf von oben“ würde er antworten. Wie ein greller Blitz hatte ihn 1837 die Ab⸗ führung des Kölner Erzbiſchofs Clemens Auguſt von Droſte⸗ Viſchering nach Minden die Unhaltbarkeit der Verhältniſſe erkennen laſſen, und ſchon am Tage darauf erbat ſich Ketteler, der münſteriſche Regierungsreferendar, einen halb⸗ zährigen Urlaub und darnach ſeine Entlaſſung. Zum geiſt⸗ lichen Stande fühlte er ſich hingezogen. Als Seelenſorger iſt er Sozialpolitiker geworden. Ketteler bleibt das große Verdienſt, als einer der erſten. i Hand an die klaffende Wunde der Zeit gelegt zu haben. 8— Nach 33tägigem Krankenlager ſtarb 1877 der Mann, Nach 33tägigem Krankenlager ſtarb dann 1877 der Mann, deſſen ſich die deutſchen Katholiken in dankbarer Verehrung erinnern, ein Apoſtel der Deutſchen im 19. Jahr⸗ hundert. Trübe Zeiten waren damals um den Kulturkampf herein⸗ gebrochen. Was frommer Eifer erbaut, war vielerorts nieder⸗ eriſſen und bedroht, und noch waren keine Anzeichen beſſerer Zustände vorhanden. Sie ſind dann doch gekommen infolge veränderter politiſcher Konjunktur, aber es fehlt nicht an warnenden Zeichen für die Zukunft. Ringsumher ſind die Mächte der Finſternis an der Arbeit, den Glauben an Gott und Jenſeits aus den Herzen der Menſchen zu reißen, und die an den Erfolgen ihrer ma⸗ teriellen Erfolge trunkene Welt taumelt dem Verderben ent⸗ gegen. Aber zwei Dinge ſtehen feſt, ſo ſchließe ich mit Retteler: die Kirche Chriſti; ſie iſt kampf⸗ und ſturmgeübt. Und zweitens ſtehen feſt die Männer, die mit der Kirche zuſammenſtehen, die ihr Leben in dem Felſen der Kirche verankert haben.(Anhaltender, ſtürmiſcher Beifall und Händeklatſchen.) „Das inzwiſchen eingetroffene Antworttelegramm des Kaiſers, das für die„friedliche Begrüßung“ beſtens dankt, wurde unter ſtürmiſchem Beifall verleſen und im Anſchluß daran ein Kaiſerhoch ausgebracht. In ſehr vorgerückter Zeit nahm der hochw. Biſchof Dr. M. Faulhaber⸗Speyer das Wort zu ſeinem Vortrage über Klerus und Volk. Biſchof Faulhaber führte aus: Hat der Prieſterſtand in unſerer Zeit noch eine Daſeins berechtigung? Wer nicht ſelbſt im ſchwarzen Rock einhergeht, der 110 nicht, welchen mitleidsvollen Blicken der Prieſter au Bähnhöfen und Arbeitsſtätten ausgeſetzt iſt. Er täte faſt gut, mit dem Hute in der Hand einherzugehen und um N zu bitten, daß wir überhaupt zuoch da ſin d.(Heiterkeit.) Aber diejenigen, die den Prieſter herabwürdigen, ſind ganz dieſelben, die von der Religion nichts mehr wiſſen wollen.(Zuſtimmung.) Biſchof Ketteler hatte ganz recht, als er ſagte: Die⸗ jenigen, die dem Volke die Religion rauben wollen, find eigentlich die größten Reichsfeinde.(Stürm. Beifall.) Dann die Frage des Laienapoſtolats! Das Laien⸗ apoſtolat iſt eine wichtige Erſcheinung, und wkr wollten lieber auf die Bergwerke von Marokko ver⸗ zichten als auf dieſes Wort.(Stürm, Beifall.) Kein Geringerer als St. Petrus hat von den Laien geſagt, ſie ſeien eine„königliche Prieſterſchaft“, und Ketteler meinte, es könnten Zeiten kommen, wo die Familien alle prieſterlichen Funktionen zu übernehmen hätten. Und hat jene Frau nicht ein großes apoſto⸗ liſches Werk vollbracht, die uns Ketteler geſchenkt hat? Die Katholikentage ſind Eexrzitientage für das Laten⸗ apoſtolat. Wir begrüßen die Herren, die mit uns arbeiten im Weinberge oder beſſer im Steinbruche des Herrn. Das Laienapoſtolat dicht zan der Seite der Prieſter, nicht aber an Stelle der Kirchenregentſchaft!(Stürm. Beifall.) Das Zölibat iſt das hochzeitliche Kleid für den Dienſt am Altare, und dasſelbe kann man ohne religiöſe Auf⸗ daſſung überhaupt nicht verſtehen. Das Zölibat be⸗ eutung nicht etwa Nichtachtung der Ehe, denn nirgends ſteht die Ehe höher als dort, wo ſie mit dem Segen er Sakramente gekrönt iſt. Der Prieſter fleht in der vor⸗ derſten Reihe der Kämpfer, und ſo wird das Zölibat für ihn zum Ritterſchlag der Todesbereitſchaft. Wenn jemand ein unheiliges Feuer auf dem Altare angezündet und den ſchwarzen Rock an den Nagel 19 5 at, dann iſt er mit einem Male ein berühmter Mann geworden, und man trägt ihn auf dem Ruhmesſchilde durch die 1 775 Welt. Seit wann wird der Baum aber nach dem Fallobſt Beige) nach den Deſerteuren beurteilt?(Lebh., ſtürm. eifall. Wegen meiner Rede auf dem Katholikentage in Bres⸗ lau hat mich der Goethebund der Todſünde geziehen. 7 will ich Buße tun und in Verehrung ein Wort oethes zitieren, das da lautet:„Die Ohrenbeichte hätte dem Volke niemals genommen werden ſollen.“ e Heiterkeit, langandauernde Zuſtimmung und Bei⸗ all.) a 3 5 Eine weitere Zeitfrage iſt die Rückkehr der Gebildeten um Chriſtentum. Das Mißtrauen, das 1 55 allem Ab⸗ all wittert, hat genug Lücken in unſere Reihen geriſſen! Kommen wir doch dem gebildeten Laientum mit Vertrauen entgegen! Man will in unſerer Zeit die 7 an die Schule legen und die Ehe und das öffent⸗ iche Leben ohne den Segen der Religion laſſen. Dagegen ſoll heute von Mainz der Ruf ausgehen, in Treue zu ſtehen im herrlichen Dome unſerer katholiſchen Chriſten⸗ Hatz e langanhaltender Beifall und Hände⸗ tſchen. f a Der Präſident ſchloß darauf die erſte öffentliche Ver⸗ ſammlung. g 5 beo Mainz, 8. Auguſt. Generalverſammlung des Volksvereins. N Am Dienstag morgen fand in der Feſthalle die über⸗ aus zahlreich beſuchte Generalverſammlung des Volks⸗ vereins ſtatt, die der Vorſitzende, Fabrilbeſitzer Brandts⸗ M.⸗Gladbach, mit einer Begrüßungsanſprache eröffnete, in der er darauf hinwies, daß der Volksverein von allen katholiſchen Vereinen am meiſten Urſache habe, dem großen Biſchok Ketteler zu danken. Der Volksverein ſei der Verein, der die Kettelerſchen Grundgedanken in zeitge⸗ mäßer Form zu verwirklichen ſuche.(Beifall.) Der Jahresbericht des Volksvereins, der über das zweite Halbjahr 1910 und das erſte Halb⸗ jahr 1911 erſtattet wurde, verzeichnet als wichtigſtes Er⸗ gebnis des letzten Vereinsjahres, daß das ſiebente Hundert⸗ tauſend an Mitaliedern überſchritten iſt. Ende Juni 7—ꝓͤi 1911 betrug die Geſamtmitgliederzahl 700 720 Jahres⸗ mitglieder und 259 lebenslängliche Mitglieder. Tas iſt ein Zuwachs von 48 082 Jahresmitgliedern und 56 lebens⸗ länglichen Mitgliedern ſeit dem Vorjahre. Zum Jahresbericht gab Herr Direktor Dr. Brauns⸗ M.⸗Gladbach folgende Erläuterung: Der Jahresbericht zeigt ihnen: Wir ſind gewachſen! (Bravo!) Wenn es vorübergehend einmal ſchien, als wollten vereinzelte Ortsgruppen etwas erlahmen, ſo hat ein bloßer Hinweis auf die Tatſache genügt, um alle zu neuem Eifer anzuſpornen. Das ſiebente Hunderttauſend iſt überſchritten. Die alten Kämpen in den urſprünglichen Beſtänden des Volksvereins am Rhein und in Weſtfalen haben das Ihrige dazu getan, aber noch mehr die, Süddeutſchen. In Süd⸗ deutſchland hat der Volksverein eine Zukunft.(Lebh. Bei⸗ fall.) Der Ruhm gebührt vor allem den Bayern rechts des Rheines, die uns in dieſem Jahre mit einem Zuwachs von faſt 15 000 Mitgliedern erfreuten. Die Pfälzer haben auch ihren Anteil an der Fortentwickelung des Vereins. Ehrende Anerkennung verdienk auch Baden, auf das faſt ein Fünftel des geſamten Mitgliederzuwachſes entfällt. Die großen vorwiegend katholiſchen Reichslande haben ihren Beſtand erhalten und ein klein wenig vermehrt. Aber auch von ihnen gilt: dort hat der Volksverein noch eine Zu⸗ kunft!(Beifall.) Die Neuwahl der ausſcheidenden Hälfte des Vor⸗ ſtandes ergab die einſtimmige Wiederwahl der bisherigen Mitglieder. Das Ergebnis wurde mit lautem Beifall begrüßt. Darauf beſtieg der Generaldirektor des Volksvereins, Herr Dr. Pieper⸗M.⸗Gladbach, die Rednertribüne. Redner feierte den Biſchof Ketteler als Bahnbrecher der katholiſchen ſozialen Arbeit, da dieſer erſt die ſichere Grundlage und weithlickende Orientierung gab. Er ſchloß: So iſt das, was die deutſchen Katholiken gegenüber der übrigen deutſchen Bevölkerung und auch gegenüber den Ka⸗ tholiken anderer Länder als Eigenartiges in ihrer ſozialen Arbeit aufweiſen und worum man uns ſo oft beneidet, in allen Teilen auf Ketteler zurückzuführen. Vor ihm ſehen wir nur vereinzelte, zuſammenhangloſe, nicht klar orientierte geiſtige Anregungen und praktiſche Verſuche. In Kettelers Geiſte ordnete ſich in jahrelangem Studium und in praktiſchen Verſuchen Altes und Neues zu einem einheitlichen Syſtem, das die Herzen bezwang und zur Arbeit willig machte, das aus ſich ſelbſt heraus organiſch weiter⸗ wuchs, das aus den dem Chriſtentum feindlichen oder ab⸗ geneigten Richtungen das Berechtigte heraushob und ſo das Irrtümliche überwand. Mit ihm trat auf den Boden ka⸗ tholiſch⸗ſozialer Arbeit der Staatsmann, der große Orga⸗ niſator. Darin liegt für uns eine bleibende Bedeutung. Wenn wir mit Dank zu Gott und in inniger Verehrung zu dem ſozialen Biſchof v. Ketteler all deſſen heute gedenken und zugleich das feierliche Gelöbnis ablegen, daß wir in ſeinem Geiſte aufſeinen Bahnen weiter ſozial arbeiten wollen, dann flechten wir damit ein koſt⸗ bares Blatt in den Kranz, den bei der heurigen Jahrhundert⸗ feier ſeiner Geburt die deutſchen Katholiken an ſeinem Grabe niederlegen.(Langanhaltender Beifall.). Mit ſtürmiſchem Beifall empfangen, nahm hierauf Biſchof Kirſtein⸗Mainz das Wort zu folgenden Aus⸗ führungen: Ich ſpreche die Erwartung aus, daß der Zentralvorſtand voll und ganz begeiſtert iſt für die katholiſche Kirche, daß er Tag und Nacht überlegt:„Wie können wir mit dem Volksverein der großen katho⸗ liſchen Sache dienen?“ Möge dieſe edle Geſinnung immer leben in dem Herzen des Vorſtandes, der— ich ſage es mit Nachdruck— eine große Verantwor- tung hat. Ich bin überzeugt, daß ſich die Herren dieſer Verantwortung auch ſtets bewußt ſind. Sie haben die große Verantwortung, Diener zu ſein der großen katho⸗ liſchen Sache, und daher hoffe ich, daß der Zen⸗ tralvorſtand ſtets in engſter Fühlung mit dem deutſchen Episkopat arbeiten möge.(Leb⸗ hafter Beifall.) Möchten Sie alſo davon überzeugt ſein, daß die Wege, die der Volksverein wandelt, gut und richtig ſind, ſo lange er ſich treu hält zu denen. die der heilige Geiſt ſelbſt geſetzt hat, die Kirche Gottes zu regieren und die er daher auch beſtellt hat zu Wäch⸗ tern über alles, was zum Beſten des katholiſchen Volkes geſchehen ſoll. Und darum: Freundſchaft und Ver⸗ ſtändnis zwiſchen Episkopat und Volksver⸗ ein.(Anhaltender Beifall.) Mögen die Mitglieder des Volksvereins davon überzeugt ſein, daß das Herz der Viſchgte warm ſchlägt für den Volksverein, und daß da Perz der Biſchofe nur den einen Wunſay hal, daß dieſer größte ſoziale Verein dienen ſolle der Sache der heiligen katholiſchen Religion, und daß die Biſchöfe nichts anderes wünſchen, als in ihm ein ſchlagfertiges Heer zu haben das hinter dem Episkopate ſteht, das mit mit ihm kämpft, das mit ihm ſtreitet, das mit ihm ſiegt. (Lebh. langanh. Beifall.) Der Biſchof erteilte darauf der Verſammlung, die niedergekniet war, den biſchöflichen Segen. Der Vorſitzende, Fabrikbeſitzer Franz Brandts⸗M.⸗ Gladbach, gab darauf unter lebhaftem, nicht endenwollen⸗ dem Beifall die Erklärung ab, daß der Volksverein ſtets mit dem Episkopat zuſammengearbeitet habe und auch weiter zuſammenarbeiten werde. Abg. Gröber ging dann in längerer Feſtrede auf die Gründung des Volksvereins ein und würdigte die Ar⸗ beit des Vereins. Auch er gab die Verſicherung ab, daß der Volksverein als katholiſcher Verein ſtets voll und ganz auf dem Boden der katholiſchen Kirche ſtehen werde. Darauf wurde die Verhandlung geſchloſſen. * Die zweite geſchloſſene Verſammlung begann um 11 Uhr im großen Saale des„Frankfurter Hofes“. Auch hierzu hatte ſich eine beträchtliche Zahl der Mitglieder des Katholikentages eingefunden. Den Vorſitz der Verſammlung führte der zweite Vizepräſident, Landtagsabgeordneter Brentano ⸗Offenbach. Als erſter Punkt ſtanden auf der Tagesordnung die Anträge über Miſſionsvereinigungen, die die Unter⸗ ſtützung der Heidenmiſſion, die Unterſtützung des Vereins vom hl. Lande und des Miſſionsvereins katholiſcher Frau⸗ en und Jungfrauen empfohlen. Nach kurzer Begründung wurden die drei Anträge angenommen. Zum Tagungsort des nächſten Katholikentages wurde Aachen gewählt. Prälat Wertmann erſtattete darauf den Ausſchuß⸗ bericht über die Anträge aus dem ſozialen Ausſchuß. Ein Antrag erkennt die großen Verdienſte Kettelers um die chriſtliche Arbeiterbewegung an, verlangt die Unter⸗ ſtützung der katholiſchen Arbeitervereine und erwartet von ihnen, daß ſie weiter im Geiſte Kettelers wirken werden, um die noch fernſtehenden katholiſchen Arbeiter zu ſam⸗ mol Ein anderer Antrag vetont die tortwbenoigteit einer planmäßigen Fürſorge für die ſchulentlaſſene Jugend in Stadt und Land auf religisſer Grund⸗ lage. Es wird bedauert, daß der Einführung des ob⸗ ligatoriſchen Religionsunterrichts in den Fortbildungs⸗ ſchulen Hinderniſſe in den Weg geſtellt worden ſeien. Ein Antrag erhofft, daß die konfeſſionellen Jugendvereine, welche als eigentliche Faktoren für die religiöſe und ſittliche Erziehung in Betracht kom⸗ men, auch von Seiten des Staates und der Ge⸗ meinden Förderung erhalten. Es liegen noch eine ganze Reihe Anträge vor, ſo über den Schutz der jugendlichen Induſtriearbeiterinnen, Dienſtbotenorganiſation, Fürſorge für die Frau im Hand⸗ werk, über Rekruten⸗Exerzitien, religiöſe Fürſorge für den Schifferſtand und Unterſtützung des Mittelſtandes. Nach Annahme dieſer Anträge wurde die zweite be⸗ ratende Verſammlung geſchloſſen. E Zweite öffentliche Verſammlung. rotz der großen Hitze war die Feſthalle des habt. Trotz der großen Hitze war die Feſthalle des Katholikentages ſchon lange vor 5 Uhr nicht bloß bis auf den letzten Platz, ſondern bis auf das letzte Steh⸗ plätzchen gefüllt. N Der erſte Vizepräſident Rechtsanwalt Dr. Rumpf⸗ München eröffnete die Verſammlung und verlas das Antworttelegramm des Großherzogs Ernſt Ludwie von Heſſen. Dann erteilte er dem Abg. Juſtizrat Trim⸗ born⸗Köln das Wort zu ſeinem Vortrage über die ſoziale Lage. Redner zeigte, wie, con katholiſcher Seite aus⸗ gehend, ſich um die Mitte des vorigen Jahrhunderts gegen die mancheſterlich-liberale Wirtſchafts⸗ und Staats⸗ auffaſſung eine Gogenſtrömung geltend machte, die auf unſerer Sete niemand beſſer und klarer erfaßt hatte als Biſchof Ketteler. Aus dieſer Gegenſtrömung heraus wurde die geſetzliche Sozialpolitik geboren. Redner fuhr ſort: Die Sozialpolitik hat den modernen Staat erſt zu dem gemacht, was er iſt. Ihr verdankt er ſeinen Ruhm, ſeinen Namen!(Beifall.) Sie iſt ein eminent nationales Werk, und an dieſem war der katho⸗ liſche Volksteil hervorragend beteiligt.(Lebh. Beifall.) Es gibt kein neueres ſozialpolitiſches Geſetz, an deſſen Zuſtandekommen die parlamentariſche Vertretung des ka⸗ tholiſchen Volksteils nicht mit voller Hingabe gearbeitet hat. Nicht wenige dieſer Geſetze tragen den Stempel ihrer Arbeit an der Stirn. 1 Die Sozialpolitik war eine in unſerer nationalen und. wirtſchaftlichen Entwicklung gegebene Notwendigkeit aber ſie war und iſt uns mehr! Sie war eine»de⸗ rung der Gerechtigkeit und der Nächſtenliebe, eine Ge⸗ wiſſenspflicht!(Beifall.) So haben es uns Ketteler und alle, die uns ſein Programm verkündet, gelehrt. So Baan denn auch ferner die ſoziale Fahne hochhalten. eifall. Wäre Ketteler unter uns, er würde mit all dem Ernſt und all der Wärme, deren ſeine gewaltige Perſönlichkeit fähig, uns zurufen: bleibt einig, einig. einig!(Lehhafter Beifall.) So können wir das An⸗ denken an den großen Toten in dieſer Stunde nich würdiger begehen als durch das feierliche Gelöbnis, ja. wir wollen einig bleiben, einig in der ferneren Arbeit für ſeine Ideale.(Lebhafter Beifall.) So ſäen wir denn weiter. Möge die Arbeit auch fürder eine reiche Bei zum Segen für Kirche und Vaterland.(Längerer Beifall und Händeklatſchen.) Im Verlauf der Rede des Abg. Trimborn war das Antworttelegramm des hl. Vaters eingetroffen. Es hat folgenden Wortlaut: „Der hl. Vater nimmt herzlichen Anteil an der Ver⸗ ſammlung der deutſchen Katholiken und ſpendet nochmals ſeinen Segen. Im Auftrage Merry del Val. Darauf ſprach Landesrat Dr. Schmittmann⸗Düſſel⸗ dorf über a katholiſche Charitas. Der Redner führte aus: Aus all dem a eee 1 * * der heutigen fortgeſchrittenen Zeit, die ihren Höhenflug über die Wolken des Aethers genommen, die alle Arbeit auf die Maſchine abgewälzt, klinge doch der Jammer⸗ ſchrei einer gepeinigten Menſchheit, die den Weg zur Ewigkeit vergaß. Die Welt ſei heute in zwei Lager geteilt: hier Reichtum— dort die haßerfüllte be⸗ ſitzloſe Klaſſe. Der Staat mit großartiger ſozialer Ar⸗ beit könne da keine Befriedigung ſchaffen, denn der So⸗ zialpolitik fehle das Moment der Liebe; ſie 9 das Herz nicht. Biſchof Ketteler habe recht, als er ſagte, die ſoziale Frage werde nur gelöſt durch die chriſt⸗ liche Charitas.(Lebh. Beifall.) Die katholiſche Cha⸗ ritas ſei die Bahnbrecherin für alle ilfe, denn uns Ka⸗ tholiken lehre der Glauben, auch in dem ärmſten Bruder die Perſönlichkeit deſſen zu ſehen, der uns gezeigt hat, daß die Menſchheit nur erlöſt werden kann durch Liebe, i ſelbſtaufopfere.(Beifall.) Redner 5 Vor unſeren Augen erhebt ſich die hehre eſtalt unſeres großen Biſchofs Emanuel von Ketteler. Der Geiſt Chriſti ließ ihn mit Seherblick erfaſſen, was not tut dem Volke: den Hunger des Leibes ſtillen, auf daß die Seele wieder neue Nahrung verlange! Iſt Windthorſt der organiſatoriſche Begründer unſeres Volks⸗ vereins, ſo iſt Ketteler deſſen geiſtiger Vater. Groß warſt du, teuerſter Sohn der Kirche! 5 Jauchze, glückliches Mainz, daß ſolcher Genius durch deine Lande zog! Ich finde nicht Worte, du großer Hirte des Volkes, deine Liebe zu ſchildern. So nimm denn unſer Gelöbnis hin, daß deine Worte und Taten bleiben ſollen unſer Kleinod und unſere Richtſchnur! (Lebh. Beifall.) Dieſelben Ave⸗Glocken, die dir ſo oft den Tag heißen Ringens verklärten, läuten auch uns, die wir zu deinem Grabe gewallfahrtet ſind und in des Dankes Tedeum flüſtert der Rhein, daß du nicht— den 0 ondern lebſt unter uns.(Lebh. Beifall. o bleibe — bei uns, ſozialer Apoſtel des katholiſchen 9— lands, der du deine 1 dort zu den Füßen der Gottesmutter gefunden haſt. Bitte für uns an ihrem Throne, daß ſie unſere katholiſche Charitas ſegne und ich auch ferner erweiſe: Conſolatrix afflictorum, Auxi⸗ tium Chriſtianorum.(Langanhlt. ſtürm. Beifall und Händeklatſchen.) 22 5 In vorgerückter Stunde ergriff der dritte Redner des Abends, Generalſekretär Dr. Donders⸗Münſter, das Wort zu ſeinem Vortrage über die Katholiken der Diaſpora und der Bonifatiusverein. Der Redner geht von dem Gedanken aus, daß der heutige Abend der Charitas der ſozialen Arbeit gewidmet iſt; aber lauter noch als der Schrei leiblicher Not geht der Ruf geiſtiger Not durch die Diaſpora. Sie ruft nach Prieſtern und Kirche und Schule, auf daß die Kinder unſeres Volkes be⸗ wahrt bleiben vor dem religiöſen Verfall. Den Ruf dürfen wir nicht ungehört verklingen laſſen.(Lebhafter Beifall. Es bleibt noch unendlich viel zu tun übrig. Es rufen no Tauſende unſerer Brüder in der Diaſpora uns an. ale Nee 2 ee 22 8 1. e e modernen berdankt le iſt ein er katho Neifall) an deſſen des ka⸗ gegrbeitet Stempel alen und 1 he⸗ mit all ide nicht nis, ja. 1 Atheit ſien wir he teiche Ungerer war das der Ver nochmals Fal. 2 Düſſel⸗ estaumel söhenflug le Arbeit mmer⸗ bie den in zwei lte be⸗ aler Ar⸗ der Eo⸗ betſöhne g„die im offenen Meer in Lebensgefahr einhertreiben. Ergen 60 000 fatholiſche Kinder, die proteſtantiſche Schulen beſuchen, um ihr gutes, heiliges Recht. Da gilt es für uns, die Katholiken von heute, der Väter würdig zu ſein und hinter ihrer Opferwilligkeit nicht zurückzubleihen. Die Vergangenheit muß Wegweiſerin werden für die Gegenwart und in Zukunft.(Lebhafter Beifall.) a Redner legt nun des Näheren die Nöte in der Diaſpora und die Gefahren für den Glauben dar. Jede Not der Zeit ruft nach ihrem Nothelfer, und für unſere Zeit mit ihren vielen Nöten f reichen 14 Nothelfer nicht aus, 5 erſt recht nicht in der Notlage der Diaspora. Da müſſen wir alle Nothelfer werden, Nothelfer für unſere Brüder. Beſonders gilt das wegen der wachſenden Glaubensgefahren, namentlich für die Jugend 5 in der Diaſpora, deren Seelen gefährdet werden, weil ihnen der n regelmäßige Gottesdienſt. und kramentenempfang fehlt. 1. 10 um Schluß ruft der Redner die Katholiken von ganz Deutſchland auf: die Brüder in der Diaſpora nicht zu ver⸗ geſſen, ſondern das alte Wort, das einſt an den Apoſtel Paulus erging, auch heute noch zu hören: Kommt herüber nach Mazedonien und helft uns! a (Stürm. Beifall.) Er ſchließt mit dem Gelöbnis, dieſen Ruf zu hören und ihn zu erhören: Wir werden euch nicht ver⸗ Arſſen, ſondern helfen, daß der Dombau des katholiſchen Glaubens ſtehen bleibe im deutſchen Vaterlande unter dem Schu und Segen des heiligen Bonifatius, des Ayoſtels der Deutſchen.(Stürm. langanhaltender Beifall, wieder⸗ holtes Händeklatſchen.) 5 1 Nach einigen geſchäftlichen Mitteilungen wurde die zweite öffentliche Verſammlung geſchloſſen. Die Aufregung über Marokko hat ſich, nachdem die offiziöſe Note in vorſichtigen Wor⸗ ten die„pinrzipielle Annäherung“ berichtet hatte, gelegt. Ueberall herrſcht Ruhe und Abwarten. Nur in England war man ein wenig nervös geworden über eine Tar⸗ tarennachricht, daß Deutſchland die Inſel Tohiti von Frankreich erwerben wolle, was den Engländern unbe⸗ quem wäre. Das deutſche Regierungsorgan, die„Nord⸗ deutſche Allgemeine Zeitung“, gibt daraufhin den Eng⸗ ländern durch einen bedeutſamen Wink zu verſtehen, daß fie ſich da nicht hineinzumiſchen haben. Das Kanzler⸗ blatt druckt ohne Kommentar die folgende Notiz eines Berliner Blattes nach: „In England und in den engliſchen Kolonien zeigt man ſich erregt über die Tartarennachricht, daß Deutſch⸗ land die Inſel Tahiti von Frankreich erwerben wollte. Deutſchland hat keine dahin gehende Ab⸗ licht. Auch wenn es aber zuträfe, daß Frankreich Tahiti an Deutſchland abtreten wollte, ſo wäre es unver⸗ ſtändlich, mit welchem Recht Frankreich in der freien Verfügung über eine ihm gehö⸗ rige Inſel beſchränkt werden könnte. S o weit iſt das britiſche Arbitrium mundi doch nicht gediehen, daß zwei Großmächte ſich von London aus vorſchreiben laſſen, worüber ſie miteinander verhandeln dürfen.“ Die offiziöſe„Wiener Allgemeine Zeitung“, die ganz beſonders gute Beziehungen zu den Pariſer politiſchen Kreiſen haben muß, läßt ſich von dort melden, daß man im der franzöſiſchen Hauptſtadt bereits genau unterrichtet jei über die Baſis der Einigung in den Unterhandlungen zwiſchen Herrn v. Kiderlen⸗Waechter und Herrn Cambon. Danach läßt Deutſchland der franzöſiſchen Re⸗ gierung vollkommen freie Hand in Ma⸗ rokko, wenn es ſich auch ſeine wirtſchaftlichen Rechte daſelbſt vorbehält und dieſelben ſogar von Frank⸗ reich garantieren läßt. Hierfür erhält Deutſch⸗ Iand eine vorteilhafte Grenzregulierung des Hinter⸗ landes von Kamerun, darf aber keine Häfen an der atlantiſchen Küſte anlegen. Frankreich hat außerdem das Vorkaufsrecht auf den belgiſchen Kongo, an den nur auf eine ganz kurze Strecke deutſches Gebiet angrenzt. Das wären in der Hauptſache die„Kompen⸗ ationen“, die Deutſchland erhalten wird— falls das Wiener Blatt recht unterrichtet iſt, woran jedoch eini dermaßen zu zweifeln ſein dürfte. Politiſche Nundſchau. Frankreich. Die Winzerunruhen im Aubegebiet beſchäftigen gegenwärtig die Gerichte, aber die franzöſiſche Juſtiz zeigt ſich dabei von einer ſeltenen Gutmütigkeit. Selbſt der Staatsanwalt beantragt nur pro forma eine geringe Strafe. Das Schwurgericht in Douai hat Montag ſieben Winzer aus dem Aubegebiet, die wegen Plünderungen im April dieſes Jahres angeklagt waren, freige⸗ ſcrochen. Spanien. 2 Gegen die Meuterer geht Spanien ſehr energiſch vor. Wie die Zeitung„A. B. C.“ aus Cadiz meldet, ſind 26 Matroſen des ſpaniſchen Kreuzers„Numancia“, die der Meuterei angeklagt ſind, zum Tode verurteilt worden. Dienstag morgen um 9 Uhr iſt für die zum Tode Verurteilten eine Meſſe geleſen worden. Die Vor⸗ bereitungen für die Hinrichtung ſind bereits getroffen worden. Aſien. Perſien. * Ueber die Lage in Perſien und zu weſſen gunſten der Bürgerkrieg dort entſchieden werden wird, ver⸗ lautet noch immer nichts Beſtimmtes. Die„Wiener All⸗ gemeine Zeitung“ meldet aus Teheran: Der Exſultan Mohammed Ali nähert ſich angeblich bereits Tehe⸗ van. Seine Anhänger haben ſich in drei Kolonnen ge⸗ teilt, die getrennt auf die Reſidenz losmarſchieren. In den Kreiſen der Turkmenen ſind Zwiſtigkeiten aus⸗ gebrochen, die zu einer Spaltung des Stammes in zwei Parteien für und wider den Exſultan geführt haben. Der Zuzug der Bachtiaren nimmt ſtändig zu, und auch die Zivilbevölkerung bewaffnet ſich und bildet eine Art von Volksmiliz gegen Mohammed Ali. Die Endſchumen erklären ihre Bereitwilligkeit, für die Verfaſſung mit allen Mitteln einzutreten. Die Flucht der Verdächtigen aus Teheran wird immer ſtärker. Unter den Flüchtigen befindet ſich auch der Poſt⸗ und Tele⸗ graphenminiſter. Die perſiſche Preſſe warnt vor allen Lockungen des Exſchahs, der als ein V aſall Ruß lands Perſien in dieſelbe Lage bringen würde. in der ich Buchara befindet. In Meſched haben über 3000 Un zufriedene mit ihren Muſchteched an der Spitze in den fremden Konſulaten Zuflucht geſucht. Perſiſche Truppen umzingelten die betreffenden Gebäude und beſchoſſen ſie, wurden aber auf die energiſchen Vorſtellungen des ruſſi ſchen Konſuls hin zurückgezogen. Amerika. Haiti. * General Leconte hat jetzt die Präſidentſchaft der Negerrepublik Haiti an ſich geriſſen; ſein erſtes Werk war die Bildung eines neuen proviſoriſchen Miniſteriums. 8 1 2 Soziales. — Milchkrieg in Weſtdeutſchland? Die Milchpro⸗ duzenten Weſtdeutſchlands beabſichtigen eine allgemeine Verteuerung der Milch. Nachdem in verſchiedenen Städten eine Erhöhung der Milchpreiſe durchgedrückt wer⸗ den konnte, beſchloß die Intereſſentenvereinigung der Milchproduzenten des rheiniſch-weſtfäliſchen Induſtriebe⸗ zirkes eine Erhöhung der Preiſe um zwei Pfennig. Da die Konſumenten ſich weigern, höhere Preiſe zu zahlen, dürfte es zu einem umfangreichen Milchkrieg kommen. es Stadt und Land Unterſchlagungen bei der, Hamburger Reichsbank⸗ ſtelle. Einem umfangreichen Depotſchwindel iſt man bei der Reichsbank⸗Hauptſtelle in Hamburg auf die Spur gekommen. Die Bankbeamten Wegener und Ha⸗ mann, die in der Reichsbank⸗Hauptſtelle Vertrauens⸗ poſten einnahmen, haben aus dem Depot einer fremden Bank eine Viertelmillion entwendet und das Geld auf Rennplätzen vergeudet. * Exploſion eines Pulverlagers. explodierte das Pulverlager in Bufaluto bei Tarent in Italien. Alle Fenſter der Stadt wurden eingedrückt. Die Bürger liefen jammernd auf die Straße, da ſie an ein großes Erdbeben glaubten. Die Gebäude der Pulverlager ſtehen in Flammen. Wieviel Menſchen⸗ opfer an Offizieren und Soldaten die Kataſtrophe ge⸗ fordert hat, iſt noch un bekannt. a * Zwei Fernſprechgeſpräche auf einer Leitung zu gleicher Zeit. Die Reichspoſtverwaltung hat mit ihren Verſuchen, nach einem neuen Syſtem auf einem Fern⸗ ſprechdraht mehrere Geſpräche zugleich zu erledigen, auf der Strecke Berlin— Wiesbaden einen vollen Erfolg erzielt. * Eine Paſtorenfamilie von einem tollen Hunde gebiſſen. In Belgrad wurde der dortige Pfarrer Petro⸗ witſch, ſeine Frau, ſeine drei Kinder und das Dienſt⸗ mädchen von dem tollgewordenen Haushunde gebiſſen. Alle ſechs wurden ſofort nach Niſch ins Paſteurinſtitut gebracht. * Die Cholera in der Türkei. In Konſtantinopel ſind am Montag dreißig Erkrankungen an Cholera vorge- kommen, von denen 14 tödlich verlaufen ſind. In Ipek ſind 47 neue Cholerafälle vorgekommen, von denen 30 tödlich verliefen. In Djakova ſind acht Erkrankungen gemeldet, von denen zwei tödlich waren, aus Monaſtir werden zwei Cholerafälle gemeldet. * Argentiniſche Juſtiz. Richter Dr. Stern hat ſechs Angeklagte, die kürzlich ein deutſches Mädchen ver⸗ gewaltigt hatten, zu Zuchthausſtrafen von 11½ bis 12½ Jahren verurteilt. Dieſe exemplariſche Strafe hat einen guten Eindruck gemacht und zeugt von 7 Ernſt, von dem ſich die Juſtiz in Argentinien leiten äßt. * Doppelraubmord in einem ungariſchen Dorf. In der ungariſchen Gemeinde Edelen y wurden der Gaſt⸗ wirt Czeisler und ſeine Frau im Schlafe durch Axthiebe ermordet und die Schweſter C.s ſo ſchwer verletzt, daß ſie im Sterben liegt. Am Abend wurden 12 Zigeuner verhaftet, die jedoch ihr Alibi nachweiſen konnten. Dringend verdächtigt wird der Sohn eines Tiſchlers Edmund Regula. Es ſind 900 bis 1000 Kronen geraubt worden. Der Eiſenbahnpräfident Württembergs und die tüllheimer Kataſtrophe. Der württembergiſche Eiſen⸗ bahnpräſident von Stieler hat einen ſcharfen Erlaß an ſämtliche württembergiſche Eiſenbahndienſtſtellen und„Be⸗ amte gerichtet, der mit den Worten beginnt:„Im Hin⸗ blick auf die ſchreckliche Kataſtrophe bei Müllheim, welche durch den Alkoholmißbrauch eines Lokomo⸗ tivführers herbeigeführt wurde, warne ich vor den Folgen des Alkoholmißbrauchs.“ e Schwere Eiſenbahnunfälle. Der D⸗Zug Paris Köln— Berlin fuhr am Dienstag nachmittag gegen 5 Uhr in der Nähe von Frellſtedt in eine Kolonne Bahn⸗ arbeiter, wobei zwei Mann auf der Stelle getötet wurden. Mit einer Verſpätung von einer halben Stunde ſetzte der DeZug ſeine Fahrt nach Berlin fort.— Im Metzgertor⸗Hafen zu Straßburg ſtand der Rangier⸗ meiſter Schleier auf dem Trittbrett einer Rangierma⸗ ſchine als dieſe an ein Hindernis ſtieß, ſo daß Sch. abſtürzte und überfahren wurde. Die Räder gingen dem Bedauernswerten quer über den Leib; er ſtarb auf der Stelle. Schreckliche Schiffskataſtrophe auf dem Nil. Ein mit eingeborenen Landleuten vollbeſetztes Schiff, das auf dem Nil von Kafr el Zayat zum Markt nach Deſſuk fuhr, iſt am 5. d. M. untergegangen. Bisher wurden 36 Leichen geborgen. Man fürchtet, daß nahezu hundert Perſonen ertrunken ſind. Ueber die Urſache des Unterganges iſt noch nichts bekannt. ** Einen eigenartigen Selbſtmord verübte in Brom⸗ berg ein Arbeiter. Er befeſtigte ſein geöffnetes Taſchen⸗ meſſer an eine Tür, nahm Anlauf und ſtürzte ſich mit der Bruſt in die Meſſerſpitze, die ihm ins Herz drang. Der Tod erfolgte auf der Stelle. Kleine Nachrichten aus Stadt und Land. Im Zentralhotel in Dresden erſchoß ſich der Refe⸗ rendar Melchior Alderog aus Berlin. Er trug noch 25 Pfennig bei ſich. Leutnant v. Scharffenberg vom Gardekürraſier⸗ regiment erhielt auf dem Truppenübungsplatz Altengra⸗ bow bei einer Attacke einen tiefen Lanzenſtich in den Rücken. Er iſt ſchwer verletzt. In Batavia ſtürzte ein Freiballon ab, in dem Leutnant Rambaldo und van Steyn ſaßen. Die Leiche Rambaldos wurde bereits gefunden. In Metz finden am 9. und 10. Auguſt die deut⸗ ſchen Luftſchiffmanöver ſtatt. Dienstag früh Im wintkligen alten Leipziger Stadtviertel Naun⸗ dörfchen kamen vier Typhusfälle infolge ſchlechter Waſſer⸗ verhältniſſe vor. Der Leipziger angeſehene Arzt Dr. Schneider ver⸗ giftete ſich mit Karbolſäure; er litt ſeit längerem an hochgradiger Nervoſität. Auf der Saarkohlengrube„Von der Heydt“ wurden ein vierzigjähriger verheirateter Mann und in Ringelsberg der 47 jährige Hauer Simon durch niedergehende Ge⸗ ſteinsmaſſen erſchlagen. Ans Nah und Fern. Worms, 9. Aug. Am Freitag nachmittag wurde im Stadtteil Worms Neuhauſen an der Pfrimmbrücke das 6jährige Söhnchen dis Zementierers Ludwig Closheim durch den an ein Latrinenfuhrwerk angehängten Geraͤtewagen über. fahren. Das Kind erlitt ſchwere innere Verletzungen, an deren Folgen es im ſtädtiſchen Krankenhaus ſtarb. — Darmſtadt, 9. Aug. Ein Beamter der Orts- krankenkaſſe dahter, der auch zeitweiſe als Hilfserheber tätig war, iſt ſeit Samſtag vormittag unter Mitnahme von etwa 1000 Mark barem Gelde bis jetzt ſpurlos verſchwunden. In einem Garten neben dem Gebäude der Ortskrankenkaſſe fand man in der Frühe die Erhebertaſche mit etwa 2400 M. in Papier und Silbergeld. Von Goldſtücken iſt keine Spur vorhanden. Man glaubt zunächſt, daß der Mann in einem Falle von Ueberreizung gehandelt hat. Doch ſind die Feſt⸗ ſtellungen noch nicht beendet. — Darmſtadt, 9. Aug. Wegen Unregelmäßigkeiten in ſeiner Kaſſe und ſonſtiger Unordnung in ſeinen Verhält⸗ niſſen hat ſich Freitag nachmittag der in das Kafino des Feldar tillerie-Regts. Nr. 25 abkommandierte Vlzewachtmelſter Bade von der 2. Batterie fraglichen Regiments einen Schuß in den Unterleib beigebracht. An ſeinem Aufkommen wird gezweifelt. — Wörrſtadt, 9. Aug. Verhaftet wurde hier der Einwohner Karl Luff 1., der verdächtig iſt, ſein vor einigen Tagen niedergebranntes Anweſen ſelbſt angezündet zu haben. — Nierſtein, 9. Aug. Emem hieſigen Mitzger ging eine Kuh beim Ueberſetzen über den Rhein durch und ſchwamm in den Strom. Mit einem Kahne eilte man dem Tiere nach und brachte es glücklich ans Ufer. Schlechter erging es einem anderen Mitzger der Nachbarſchaft, deſſen Rind ebeufalls durchging und dabei in den Fluten ertrank. — Binge, 9. Aug. Hier wurde ein Kaufmann feſtgenommen, den verſchiedene Behörden ſchon ſeit Jahren wegen Unter ſchlagung uſw. verfolgen. Er wohnte 1¼ Jahre in Sprendlingen, doch wußte man nicht, daß er zu den ge⸗ ſuchten Per ſönlichkeiten gehöre. — Dieburg, 9. Aug. In Habitzheim brannte die Tannenmuͤhle nieder. Ein Sohn dis Beſitzers, ſowie ein Knecht mußten aus dem brennenden Hauſe geholt und ſofort in ärztliche Behandlung gegeben werden, da beide durch Brand⸗ wunden verletzt waren. — Friedberg, 9. Aug. Eine Versammlung der Molkereiſachleute für das Großherzogtum Heſſen fand am Sonntag hier ſtalt. In der Verſan miung kamen auch dle Maßregeln gegen die Maul- und Klauenſeuche zur Sprache und es ſtellte ſich heraus, daß die Milchanlieferungen an die Molkereien ſehr ſtark zurückgegangen find. Was die Landwirte nur mit aller Mühe und großem Aufwond an Zeit und Geld zu erreichen verſuchten, nämlich die Milckpreiserböhung, voll⸗ zieht ſich jetzt unter dem Zwang der Verhältniſſe ganz von ſelbſt. Die Milchnot, die durch die Hitze und die Seuche hervorgerufen wurde, beſteht zur Zeit faſt im ganzen Reich. Außer Heſſen leidet noch ganz beſonders der Niederrhein darunter. — Friedrichsfeld, 9. Aug. Der frühere Lehrer Eberbauer geriet mit ſeinem im ſelben Hauſe wohnenden Schwiegerſohn, dem Kaufmann Heſſelbach vorletzten Sonntag in Streit, bei dem auch zum Miſſer gegriffen wurde. Im Verlaufe dieſes Streites erhielt Heſſelbach von ſeinem Schwieger⸗ vater einen ſchweren Stich in den Kopf. Man betrachtete zunächſt die Wunde als ungefährlich. Die Verletzung ver- ſchlimmerte ſich aber ſo, daß der Verletzte am Sumſtag nach der akademiſchen Klinik in Heidelberg überführt werden mußte, wo er andern Tags verſtarb. Der Täter befindet ſich vor⸗ läufig noch auf freiem Fuße, da angenommen wird, daß er in Notwehr gehandelt hat. Gerichts jagt. Was die Tränen einer Frau verrögen. Einen außerordentlichen Erfolg hatten die Tränen der jungen und hübſchen Frau Lengley, welche ſich in Newyork vor Gericht wegen Mordes an ihrem Gatten zu ver⸗ antworten hatte. Unter Tränen erklärte fie, daß ſie von ihrem Manne ſchlecht behandelt worden wäre, trotz⸗ dem ſie ihm nie Anlaß dazu gegeben hätte. In einem An⸗ fall von Verzweiflung habe ſie die unſelige Tat be⸗ gangen. Es gelang ihr, die Richter von der Wahrheit ihrer Worte zu überzeugen, und ſie wurde von der Jury lreigeſprochen. 8 99er heutigen Geſamt-⸗ Ar flage liegt ein Proſpekt des Herrn Dr. Erhard, Berlin W. 35 bei, welcher allen Nervenlettenden zur Beochtung empfohlen wird. ———— Geri N nde 7 e W ee ess enn N werden ſchnell und billigſt Rechunngsformulare az en e g und Verlagsdruckeret von Wilhelm Bingener, Viernheim. Tües-Auzeile und Danksagung. und Tod 0 unerforschlichen Dem Herrn über Leben hat es in seinem unseren lieben Enkel Ratschlusse gefallen, unvergesslichen Sohn, Bruder, und Vetter Jakob durch tieftraurigen Unglücks- fall plötzlich aus diesem Leben ab- einen urufen. Für die uns entgegengebrachte allgemeine Teilnahme, ferner für die grosse Kranz- und Blumenspende 8 sowie für die überaus zahlreiche Be- leitung zur letzten Ruhestätte sagen l 8 Wir allen, besonders der Marianischen jünglings-Sodalität auf diesem Wege 5 unseren tiefgefühlten Dank. VIERNHEIM, 10. Die trauernde Familie: Georg Michael Kühner. 85 AAAAB BAZAR Fliegen-Fänger per Gtück 5, 8, 10 Pfg. Nik. Werle, Hügelstr. August 1911. Bringe hiermit meine gutrenommierte S Schrotmühle in empfehlende Erinnerung. Georg Kuapp Lampertheimerſtr. Nr. 13. 8 Z, 22. ee 4 Wai. deshalb der natürlichste Volkstrunk Ruch in 50 und 150 Literpaketen zu haben. Ueberall Niederlagen, erkenntlich durch Plakate, oder direkt ab Plochingen unter Nachnah ne von Weiss 4 Co., G. m. b. N., Plochingen a. N. Prospekte mit 6 Jeb rauchsanweisung gratis und franko. 2 2 Einlegſchweine hat zu verkaufen Valentin Müller Molkteſtraße 31. Milch Schweine at zu verkaufen Philipp Buſalt 1. Their Waldſtraße 46. Edle Wohltäter, wier durch Schenkung oder Vermächtnis ihr Geld gut an⸗ werden wollen, finden beſte Gelegenheit durch Unterſtützung einer überaus nützlichen, jedoch mit finanziellen Schwierigkeiten kämpfenden Anſtalt unter geiſtl. Leitung. Näheres durch Ne Geſchäftsſtelle d. 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