—. rr— 81 Inuo nu ape — uunesudol aues 1 6 1 Viernheimer Machrichten Bezugspreis: 90 Pf. monatlich einſchl. Bringerlohn. Durch die Poſt bezogen Mk. 1.14 vierteljährlich. Fernſprech⸗Nr. 20 Amtsblatt der Großherzoglichen Bür Geleſenſte und verbreitetſte Erſcheint Dienstags, Donnerstags Redaktion, Druck und Verlag von Wilh. Bingener, Viernheim. (Heſſiſch⸗badiſcher Grenzbote) und Samstags. Beilagen: Viernheimer Zeitung germeiſterei Viernheim Zeitung am hieſigen Platze „Sonntagsblatt“ und„Sonntagsfeier“ — Geſchäftsſtelle: Rathausſtraße Nr. 19. ige Viernheimer Volksblatt Anzeigen: Die Petit⸗Zeile 15 Pfg. Reklamen 40 Pfg. Bei größeren Aufträgen entſprechender Rabatt. N. Gegründet 1884 Nr. 8— Friedensſpektakel. Die ſozialdemokratiſche„Friedens“ ⸗Demonſtration im Treptower Park in Berlin. Tie Sozialdemokratie hat in den letzten Tagen in Verſammlungen und in ihrer Preſſe ſo viel gegen die angeblichen Kriegspläne der Regierung gehetzt, daß der Unfug zu einem gemeingefährlichen wird. Die Krone hat ſie aber dieſer Hetze aufgeſetzt durch eine große „Frieden sdemonſtration“, die am Sonntag im Treptower Park in Berlin ſtattfand. Mit dröhnenden Phraſen, hetzeriſchen Lügen und einer unſinnig⸗blöd⸗ ſinnigen Beweisführung hatte das Zentralorgan der„va⸗ terlandsloſen Geſellen“, der„Vorwärts“, in Berlin eine halbe Woche lang den Boden zu einer Maſſen⸗Demon⸗ ſtration vorbereitet. Er ſprach von Proletarier⸗Knochen, die dem Kapitalismus geopfert werden ſollten, von Pro⸗ letarierblut, mit dem das Geſchäftsfeld der Reichen ge⸗ düngt werden ſollte, von dem ſie dann Berge von Gold zu ernten hofften. Für ihn ſtand die geſamte Staats⸗ macht im Dienſte der Profitintereſſen der kapitaltſtiſchen Schichten, für die, wenn die franzöſiſche Konkurrenz nicht freiwillig zurückweicht, das Volk in Wa ffen ſie ihnen aus dem Felde ſchlagen ſoll. Ein deutſches Intereſſe kennt der„Vorwärts“ in Marokko nicht. Mit geradezu entwaffnender Harmloſigkeit ſchrieb er noch am Tage der Demonſtration:„Kein Intereſſe des deutſchen, kein In⸗ tereſſe des engliſchen und franzöſiſchen Volkes ſteht auf dem Spiele.“ Nach ſolcher Beweisführung wütet er dann gegen den„Kriegswahnſinn“, der nur im„Bee reicherungsintereſſe kapitaliſtiſcher Ausbeuterkliquen“ liege und ruft das Proletariat auf zum Proteſt!„Gegen den Krieg! Für den Völkerfrieden! Und für die internatio⸗ nale Verbrüderung der arbeitenden Klaſſen!“ Trotz dieſer Hetze war der Erfolg herzlich gering. Bürgerliche Berichterſtatter ſchätzen die Zahl der bei der Demonſtration während der Reden anweſenden„Demon⸗ ſtranten“ auf ca. 20000, während die ſozialdemokratiſchen Berichterſtatter von einer halben Million faſeln. Die Polizei hatte keine Vorkehrungen getroffen, der Zuſammen⸗ kunft, die ſich auch ihren Aeußerlichkeiten nach als große Komödie darſtellte, entgegenzuwirken. Punkt 1 Uhr er⸗ tönte ein ſchmetterndes Trompetenſignal, das den Beginn der Anſprachen verkündete, und von zehn Tribünen im Treptower Park raſſelten die Phraſen der Redner auf die urteilsloſe Menge hernieder. Es ſprachen unter anderen: Molkenbuhr, Ledebour, Richard Fiſcher, Stadthagen, Lieb⸗ knecht, Bernſtein und viele andere. Von jeder Tribüne wurden zwei Reden gehalten, die ſo abgezirkelt waren, daß ſie punkt zwei Ühr beendet waren. Dann ertönte .. ͤ v Gerichtet. Roman von Franz Wichmann. Nachdruck verboten.) Und ſie wandte den Kopf nach der andern Seite, um ſeinen Anblick zu meiden. „Er tut auch gar nicht, als ob er dich beachtet,“ ſagte Frau Baumert,„nur das Kind blickt herüber, ſagt etwas und jetzt pflückt es Blumen am Raſen!“ „Das Kind, der kleine Hellmut? Wie es mich jammert!“ begann Klara nach einer Pauſe.„Es iſt ja unſchuldig und weiß von nichts! Und er erzieht es, verdirbt es vielleicht! Mein Gott, wenn ich das arme Kind doch retten könnte?“ 1 Frau Baumert blickte noch immer ſo unauffällig als mög⸗ lich nach dem Tiſche hinüber. „Vielleicht verſteht es deine Gedanken!“ As kommt hierher— zu dir!“ Wirklich hatte der Knabe ſich mit einem Strauß Blumen Ahert und war hinter den Stuhl des Mädchens getreten. Die Tante ſtieß Klara mit dem Fuße an. Es iſt da,— hinter dir— willſt du nicht Klara blickte ſich raſch um. „Was ſoll das?“ ſtieß ſie aus. 5„Fräulein Reiner,“ begann das Kind mit ſchüchterner Stimme,„dieſe Blumen ſind für dich. Magſt du ſie nicht?“ „Blumen von dir— für mich?“ ſtieß das Mädchen haſtig hervor.„Ach, mein Kind, wenn du wüßteſt, wie mich das 0* Ich habe ſont niemand auf der Welt, der mir Blumen pflückt!“ Sie ſtreckte die Hand aus, um die duftige Gabe in Empfang u nehmen. a„Das Kind ha. n g n, es wollte dir eine Freude machen,“ gnite Frau Baumert 2 ſagte ſie plötzlich. Dienstag, den 3. Seyꝓtember 1911. 27. Jahrgang. wieder die Trompete und auf dieſes militäriſche Kom⸗ mando hin wurde ſelbſtverſtändlich„einſtimmig“ die Re⸗ ſolution, die vorgeſchlagen war, angenommen. In der Reſolution heißt es: Daß die Demonſtranten„energiſch Widerſpruch erheben gegen die infame Kriegshetze des Panzerplatten⸗ und Kanonenkapitals und deſſen bezahlte Agenten“. Die ganze Kolonialpolitik ſei nur„ein Aus⸗ wuchs der imperialiſtiſchen Machtentfaltung und der kapi⸗ taliſtiſchen Raubſucht“, das ſie zur„Verrohung der er⸗ obernden Völker und zur gewaltſamen Vernichtung ganzer Volksſtämme führe“. Nach einer Verſicherung, daß man zur Aufrechterhaltung des Völkerfriedens den ganzen wirt⸗ ſchaftlichen und politiſchen Einfluß einſetzen well, wird in Ausſicht geſtellt, bei der nächſten Reichstagswahl A b⸗ rechnung zu halten durch die Wahl ſozialdemokrati⸗ ſcher Kandidaten. Die Reſolution wurde mit der be⸗ kannten ſtürmiſchen Begeiſterung aufgenommen. Viele ſchwenkten auf Stöcken, die ſie, entgegen der„Vorwärts“ Parole, mitgebracht hatten, ihre Hüte. Dann gingen die Demonſtranten auseinander. Im Zuge ſah man übri⸗ gens auch vielfach große Plakate mit der Aufſchrift: „Her mit dem allgemeinen, gleichen, geheimen und direk⸗ ten Wahlrecht!“ 500 Perſonen wurden infolge der ſen⸗ genden Mittagsglut ohnmächtig oder wurden vom Hitz⸗ ſchlage getroffen. Ein Mann, der eine rote Fahne trug, wurde verhaftet. Die Sozialdemokratie hat mit dieſem einzig daſtehen⸗ den, antinationalen Schauſpiel den Beweis erbracht, daß die kaiſerliche Charakteriſierung der Sozialdemokraten als -vaterlandsloſe Geſellen“ nur zu berechtigt iſt. 2 Wegen eines Scherzes. 5 Soldatenmißhandlungen gehören Gott ſei Dank in unſerer deutſchen Armee immer mehr zu den Selten⸗ heiten. Daß ſie einmal vollſtändig werden ausge⸗ rottet ſein, daran iſt leider bei der Unzulänglichkeit aller irdiſchen Einrichtungen nicht zu denken. Es genügt, daß ein kolleriſcher Unteroffizier in einem Regiment iſt, dem der Jähzorn einmal mit dem Verſtande durchbrennt, und die Soldatenmißhandlung iſt fertig. Aber jedenfalls haben wir es jetzt ſchon ſoweit gebracht, daß ſich die Sozial⸗ demokratie nicht in jedem Jahre bei der Beratung des Militäretats auf das Podium ſtellen und eine Litanei neuer ſchwerer Fälle von Soldatenmißhandlungen vor tragen kann. Wenn die Sozialdemokratie heute beim Militäretat Agitationsſtoff braucht, dann muß ſie ſchon auf„olle Kamellen“ zurückgreifen und kann froh ſein, Pé'n ʃ!ʃcn wenn ſie die verblaßte Farbe dieſer jahrelang zurück⸗ liegenden Geſchichten mit einigen gelinden Fällen aus der jünaſten Zeit auffriſchen kann. So weit haben wir es dank dem energiſchen Durchgreifen der meiſten Regi⸗ ments⸗ und Kompagniechefs ſchon gebracht, und wir wer⸗ den, wenn wir ſo fortſchreiten, auch vielleicht noch dahin⸗ kommen, daß ſich die Oeffentlichkeit nur noch höchſt ſelten mit dieſem traurigen Kapitel beſchäftigen muß. Mit der Bekämpfung der körperlichen Soldatenmiß⸗ handlung hat leider die der moraliſchen nicht gleichen Schritt gehalten. Und doch wäre es auch an der Zeit, einmal gegen dieſen Unfug, der heute im Heere noch ebenſo wie früher gang und gäbe iſt, einzuſchreiten. Heute noch wie früher herrſcht in der Kaſerne die Schimpffreiheit, und vom Leutnant bis zum jüng⸗ ſten Unteroffizier wetteifern die Vorgeſetzten in der Er⸗ findung paſſender Bezeichnungen für die Ungeſchicklichkeiten ihrer Untergebener, und ſelbſt der Kompagniechef ſelber hält es zu gewiſſen Zeiten nicht unter ſeiner Würde, die ihm anvertrauten Soldaten mit Namen zu belegen, deren er ſich in einer guten Geſellſchaft ſchämen würde. Ein Soldat, auch wenn er nur im Rock eines„Ge⸗ meinen“ ſteckt, hat ſchließlich auch ein Ehrgefühl, und mit dieſem Ehrgefühl wird auf dem Kaſernenhof oft in einer Weiſe Schindluder geſ ielt, daß ſelbſt dem dis⸗ ziplinierteſten Soldaten einmal die Galle überlaufen kann. Und dann wehe. Ein typiſcher Fall wird gerade jetzt wieder berichtet: „Anläßlich etlicher Orientierungsſchwierigkeiten, die bei einer Nachtübung entſtanden waren, glaubte der Leut⸗ nant F. vom Regiment H. ſeine Mannſchaft mit den Wor⸗ ten anfahren zu müſſen:„Ich ſchlage mit dem Säbel drein, verfluchte Schweinebande!“ „Sind Sie auch in der Lebensverſicherung?“ fragte da der Musketier B. beſorgt ſeinen Nebenmann. Dieſe Bemerkung brachte ihn wegen Beleidigung und Achtungsverletzung vor das Kriegsgericht, das auf vier⸗ zehn Tageſtrengen Ar reſt erkannte. Der Ankläger hatte ſieben Tage beantragt und nur eine Achtungsver⸗ letzung, keine Beleidigung herausgefunden. Bei der Ab⸗ meſſung der Strafe erwog das Gericht, daß die Drohungen und Schimpfworte des Offiziers ſtrafmildernd in Betracht kämen; dem Angeklagten ſtände der Paragraph 98 des Militärſtrafgeſetzbuches zur Seite. Man glaubte ihm in⸗ deſſen dieſen Schutz verſagen zu ſollen, weil er die Be⸗ drohungen und Schimpfworte des Leutnants nicht als ſolche empfunden hätte.“ Dieſes Gerichtsurteil iſt ein ſprechender Beweis dafür, daß ſich die Richter nicht in die Seele des„An⸗ geſchnauzten“ haben hineindenken können. Ich entſinne mich eines Falles, wo ein junger Leutnant in der Reit⸗ ſtunde für ein und denſelben Fehler bei ver⸗ ſchiedenen Leuten eine progreſſive Verſtärkung des Schimpfwortes, mit dem er ſie belegte, anwandte. So wurde ein guter Reiter nur mit„Aas“ angeredet, wenn lich auf Hellborn, der eben herüberſah. Hand zurück. „Nein, nein, du kommſt nicht aus dir ſelber zu mir,“ ſie aus,„du haſt mir dieſe Blumen nicht aus dir ſelber ge⸗ brochen,— dic ſchickt dein Vater!“ „Ich habe ſie gepflückt für dich,“ ſprach das Kind,„und der Vater hat geſagt, das ſei recht, denn ich müſſe dir dank⸗ bar ſein!“ „Sie kommen von ihm,“ ſagte Klara halb zu ſich ſelbſt, „ich kann ſie nicht nehmen, auch nicht aus dieſen Händen, die rein ſind! Geh, nimm deine Blumen, trage ſie zurück,— ich will nichts— nichts von ihm!“ Und mit leidenſchaftlicher Bewegung ſchob ſie den Knaben von ſich. Dem Kinde traten Tränen in die Augen. „Was hab' ich dir getan, daß du mir böſe biſt?“ fragte es. Ehe das Mädchen etwas antworten konnte, hatte Hellborn ſich erhoben und war ebenfalls an den Tiſch herangetreten. „Fräulein Reiner,“ ſagte er mit ſeiner milden, verſöhnenden Stimme,„verzeihen Sie, daß ich auf dieſem Wege den letzten Abſchied von Ihnen zu nehmen ſuchte. Ich dränge mich Ihnen nicht auf. Sie weiſen das Kind, dem Sie einſt das Leben rette, von ſich. Sie dürfen tun, was Ihnen recht dünkt,— das Kind wird Ihnen dennoch zeitlebens dankbar ſein, wie ich es bin!“ Klara wandte ſich ab und erwiderte kühl: „Ich denke, Herr Hellborn, daß Sie trotz Ihrer modernen Anſchauungen die alten Geſetze des Anſtandes bewahren und eine Bekanntſchaft, die nur der Zufall fügte, in dem Augenblick als abgebrochen betrachten werden, wo ich von Ihrem Kinde dieſe Blumen annehme,— wenn Sie es denn wollen als Zeichen der Dankbarkeit!“ In raſchem Entſchluß nahm ſie dem Knaben die Blumen ab und legte ſie vor ſich auf den Tiſch. „Aber, Klara,“ tadelte Frau Baumert,„was iſt das für Raſch zog ſie die ſtieß Adem Klara ſich u„clickte, fiel ihr Blick auch unwillkür⸗ zu nehmen?“ Reiner, vor den Ohren meines Kindes. daß ich Ihnen darauf eine Antwort dieſes Kindes willen, ſtand und Sitte aus der Welt geſchafft haben wollen. Werden Das Mädchen warf ihr einen zornigen Blick zu. „Wenn du es wünſcheſt!“ ſagte ſie. Alſo: Herr Hellborn — meine Tante, Frau Baumert.“ „Dürften wir Sie nicht erſuchen, ein wenig bei uns Platz ergriff die Letztgenannte ſchnell die Initiative. „Aber, Tante!“ ſtieß Klara hervor. „Ich danke für Ihre Freundlichkeit,“ erwiderte Hellborn. „Ihre Einladung, Frau Baumert, widerſpricht der feindlichen Geſinnung Fräulein Reiners, an Ihrem Tiſch verbietet. einige Worte hinzufügen.“ die mir vorläufig einen Platz Laſſen Sie mich daher ſtehend noch Er zog den Knaben an ſeine Seite, dann fuhr er fort: „Sie berufen ſich auf die Regeln des Anſtandes, Fräulein Es iſt nicht um mich, erteile, ſondern um eben denn ich gehöre nicht zu denen, die An⸗ Sie mir geſtatten, eine Erklärung zu geben, die ich früher, als ich Ihnen allein gegenüberſtand, unterließ?“ Seine imponierende Feſtigkeit machte das Mädchen verlegen. „Warum unterließen Sie es?“ fragte ſie leiſe. „Weil Sie es nicht verlangten, die traurige Geſchichte, um die es ſich da handelte, zu hören, und weil ich meinerſeits es für genügend hielt, den Tatbeſtand zuzugeſtehen!“ verſetzte er mit der ihm eigenen Offenheit. „Sprechen Sie!“ ſagte Klara haſtig. Ehe er antworten konnte, miſchte Frau Baumert ſich ein: „Verzeihen Sie eine Frage. Meine Nichte hat mir vieles von Ihnen erzählt und mich über alles unterrichtet. Iſt es wirklich wahr, daß Sie in Paris verurteilt wurden?“ „Ich wurde es!“ Ein Gefühl der Beſchämung ſtieß in Klaras Seele auf. überwand ſich und ſagte mit unſicherer Stimme: „Dürfen wir Sie bitten, ſich zu ſetzen? Die Leute achten und horchen bereits auf uns!“ Sie ein Bauabmen? Stelle mir den Herrn doch vor! (Fortſetzung ſolgt) — eee e 2 — 2— — — * 1 * 1 1 1 * 11 5 5 f 14 0 11 1 44 5 1 11 W N 1 1 * ——— a5 ———— 1 7 1 1 13 1119 104 er einen Fehler machte, ein Durchſchnittsreiter war ſchon ein„Rabenaas“ und ein ſchlechter Reiter war ein„ver⸗ dammtes Rabenaas“. Dieſe Unterſchiede hatten ſich die Leute ſehr fein gemerkt und machten ſich ihre eigenen Begriffe über Gerechtigkeit. Doch das nebenbei. Es iſt überhaupt unſer un⸗ würdig, daß ein ſolch gemeiner Ton in der Kaſerne herrſcht. Gewiß kann es im Kavallerie⸗ ſtall nicht zugehen, wie in einem Penſionat höherer Töch⸗ ter und über einige landläufige„Schafsköpfe“ und„Eſel' würde man ſchon hinwegſehen. Aber der Ton in der Kaſerne iſt nicht nur grob, ſondern er iſt meiſt auch gemein. Und bedauerlicherweiſe beſchränken ſich nicht nur die Unteroffiziere auf dieſe Tonart. Gewiß ſind ſolche Ausdrücke im Offiziersmunde ſchon ſeltener, als in dem eines Wachtmeiſters. Aber dafür wirken ſie auch verletzender und ſtehen dem Offizier noch viel ſchlechter zum Geſicht, als der ſchnauzbärtigen Mutter der Bat⸗ terie. Wenn gegen die körperlichen Soldatenmißhandlungen nur durch unnachſichtliche Beſtrafung der Schuldigen vor⸗ gegangen werden kann, ſo iſt das Allheilmittel gegen moraliſche Mißhandlungen der Untergebenen durch grobe und gemeine Schimpfnamen die Erziehungsarbeit. Es muß den Vorgeſetzten beigebracht werden, daß ſie ſich in den Augen ihrer Untergebenen herabſetzen, wenn ſie ſolche Ausdrücke gebrauchen. Durch ſtete Erziehungs- arbeit werden wir auch wohl eines Tages dazu kommen, daß die moraliſchen Ohrfeigen beim Militär aufhören, und das wird der Diſziplin nicht zum Nachteil, ſon⸗ dern nur zum Vorteil gereichen. Deutſch⸗amerikaniſche 1 1 Verbrüderung. (In Potsdam fand am Samstag die Uebergabe des von Amerika geſtifteten Steuben⸗Denkmals an den Kaiſer ſtatt. Dem deutſch⸗amerikaniſchen Helden, General Steuben, iſt bekanntlich in Waſhington ein gleiches Denk⸗ mal geſetzt worden. Der Beauftragte des Präſidenten die Vereinigten Staaten, Mr. Bertholdt, übergab dem Kaiſer das Denkmal mit einer Anſprache, in der er auf die vielfachen Wechſelbeziehungen zwiſchen Deutſch⸗ land und Amerika und auf das, was Amerika deutſchem Fleiß, deutſcher Intelligenz und deutſchem Heldenmut zu verdanken hat, hinwies. Er fuhr dann fort: „Der Friedens pr äſident reicht dem Frie⸗ denskaiſer, dem Bewahrheiter des Wortes:„Das Kaiſerreich iſt der Friede“, die Freundeshand zu gemeinſamer friedlicher Löſung der großen Kulturauf⸗ gaben. Wir leben in einer Zeit internationaler Ver⸗ ſtändigung, welche die Erkenntnis gereift hat, daß die friedliche Entwicklung wichtiger iſt als alles, was die Völker entzweit, und Deutſchlands vierzigjähriger Friede bietet Amerika die Gewähr, daß es nur des Anſtoßes be⸗ darf, um die ſchon beſtehende geiſtige Verſtändigung zur politiſchen Tatſache werden zu laſſen.“ Ter Kaiſer antwortete mit einer Anſprache, in der er u. a. ausführte: „Die Worte, mit denen Sie der Bedeutung des Standbildes und der heutigen Feier beredten Ausdruck verliehen haben, finden im Deutſchen Reiche lebhaften Beifall. Mit Recht haben Sie auf die blutsver⸗ wandten Beziehungen und die ununterbro⸗ chene Freundſchaft, welche die deutſche und die amerikaniſche Nation miteinander verbinden und ſtets und immer enger verbinden ſollen, hingewieſen.“ Schmutz und Klatſch. (G) Das berüchtigte Pariſer Senſationsblatt, der „Matin“, dem es zum Zwecke des Abſatzes einer Rieſen⸗ auflage nicht darauf ankommt, wen er beleidigt oder verleumdet, beginnt jetzt mit einem Feldzuge gegen die europäiſchen Fürſtenhöfe. Zu dieſem Zwecke hat er die Memoiren der Gräfin Monkignoſo, dieſer gefallenen. ehe⸗ maligen Kronprinzeſſin von Sachſen, aufgekauft und be⸗ ginnt jetzt mit ihrer Veröffentlichung. Anſcheinend wird das Senſationsblatt aber nicht auf ſeine Koſten kommen, denn die erſten Kapitel, die in der Samstagsnummer veröffentlicht ſind, ſind nichts als Hintertreppenhofklatſch von ermüdender Langweiligkeit. Die gefallene Kronprin⸗ seſſin verſucht ihre Fehltritte zu rechtfertigen und ſtimmt darum ein Klagelied über die Erziehung an den Höfen an. Sie hadert über den„ewigen Zwang“, ſchilt das Salzburger Schloß als alten verfallenen Kaſten und geht dann ihre Jugenderziehung durch. Dabei paßt ihr alles nicht, die Erzieherinnen, die Tatſache, daß ſie ſtu⸗ dieren muß, ihre Beichtpäter uſw. Die ganze„Dreſ⸗ fur“ habe darauf abgezielt, ſie für ihren künftigen Be⸗ ruf als Herrſcherin vorzubereiten oder vielmehr, ſie zur Jigurantin zu erziehen, auf der die Blicke des Volkes ruhen. Zwiſchendurch kommt der ſchon erwähnte Hofklatſch. So erzählt ſie mit Ausführlichkeit, wie die Kaiſerin Eliſabeth von Oeſterreich ſich ihr Haar kämmen und friſieren ließ. Der Verſuch, den die ehemalige Kronprinzeſſin da macht, ihre Fehltritte zu rechtfertigen, wird ihr miß⸗ lingen. Mit der gefallenen Frau könnte man ſchließlich Mitleid haben. Für die ehemalige Kronprinzeſſin, die ihren Fehltritt ausnutzt, um der Welt eine Sammlung von Hofſkandalen zu offerieren, hat man nur Verachtung. Politiſche Rundſchau. : Deutſch⸗amerikaniſcher Telegrammwechſel. Kaiſer Wilhelm hat aus Anlaß der Enthüllung des Steu⸗ bendenkmals folgendes Telegramm an den Präſi⸗ denten der Vereinigten Staaten, Taft, gerichtet: „Das Steubendenkmal iſt ſoeben enthüllt worden. In Meinem Namen wie im Namen des deutſchen Volkes danke Ich Ihnen herzlich für das ſchöne Geſchenk, das ein ſo erfreuliches Zeugnis iſt für die Freundſchaft zwiſchen der deutſchen und amerikaniſchen Nation.“ Präſident Taft antwortete durch folgendes Tele⸗ damm an den Deutſchen Kaiſer: „Ich ſchätze aufrichtig Ihr liebenswürdiges Tele⸗ gramm, das mir die Enthüllung der Wiederholung des Steubendenkmals bekanntgab und Ihren Dank und den des deutſchen Volkes für das Geſchenk über⸗ mittelte. Es wird mich mit großer Befriedigung er⸗ füllen, Euerer Majeſtät Telegramm im Dezember dem Kongreß bei der Eröffnung der Seſſion mitzuteilen als Beweis für die herzlichen Beziehungen, die 9 — N 2 immer zwiſchen den Vereinigten Staaten kund dem Deutſchen Reiche beſtanden.“ )—( Miniſter v. Breitenbach über die Arbeiterorgani⸗ ſationen. Bei dem Beſuche einer lothringiſchen Eiſenbahn⸗ werkſtätte hat der Miniſter der öffentlichen Arbeiten, v. Breitenbach, ſich auch über die Arbeiterorgani⸗ ſation geäußert. Der Miniſter äußerte gegenüber einem Ausſchuß und gegenüber den Vertretern der Organiſation des Eiſenbahnarbeiterverbandes bei Beſprechung der Maß⸗ regelung von Eiſenbahnarbeitern, daß er dem Verband nicht feindlich gegenüberſtehe, er mißbillige die Ar⸗ beiterorganiſation nicht, allein die ſcharfe Stellungnahme des Verbandes gegen die Verwaltung veranlaſſe ihn, den Verband künftig ſchärfer ins Auge zu faſſen. (Eine Erklärung des Botſchafters Hill. Der Rück⸗ tritt des amerikaniſchen Botſchaftersin Berlin, D. J. Hill, erregte ſeinerzeit großes Aufſehen. Es wurde behauptet, der Rücktritt erfolge, weil der Botſchafter in dem be⸗ kannten deutſchzamerikaniſchen Kal iſtreit zum Nachteil der amerikaniſchen Kaliintereſſenten gewirkt hätte. Dieſer Behauptung tritt Hill jetzt bei ſeinem Scheiden aus Berlin entgegen. Er bezieht ſich dabei auf ein Schreiben des Präſidenten der Vereinigten Staaten, in dem es heißt: „Ich ſchreibe Ihnen, um Ihnen zu verſichern. daß ich niemals die geringſte Veranlaſſung hatte, Ihre Hal⸗ tung und ihre Dienſte auf dem höchſt wichtigen Poſten in Berlin zu kritiſieren.... Sie haben Ihre Ernennung in jeder Hinſicht gerechtfertigt, und es iſt mir eine an⸗ genehme Pflicht, nachdrücklich und kategoriſch in Abrede zu ſtellen, daß Ihr Rücktritt die Folge irgendeiner Meinungsverſchieden⸗ heit zwiſchen der Adminiſtration und Ihnen über Ihre Haltung in bezug auf die K alifrage oder irgend⸗ eine andere Frage war, welche zwiſchen Deutſchland und unſerem Lande verhandelt worden iſt. Ich ſchreibe Ihnen das, weil Sie dazu berechtigt ſind, eine voll⸗ ſtändige Darlegung in bezug auf Ihre vortrefflichen Dienſte zu erhalten von dem, den Sie ſo würdig und ſo gut in der großen Hauptſtadt Berlin vertreten haben.“ 19 Die deutſche Mittelſtandsvereinigung hält ihre Generalverſammlung am 7. und 8. Oktober in Wernige⸗ rode ab. U. a. ſteht auf der Tagesordnung ein Vor- trag über die„dem gewerblichen Mittelſtande durch Beamte erwachſende Konkurrenz“. 1 Der Bund techniſch⸗induſtrieller Beamten, der am Sonntag in Berlin ſeinen 7. Bundestag abhielt, beſchäf⸗ tigte ſich mit dem Regierungsentwurf einer Privat⸗ beamten⸗Verſicherung, an dem lebhafte Kritik ge⸗ übt wurde. Man kritiſierte insbeſondere, daß die Regie⸗ rung die Privatbeamten⸗Verſicherung nicht als Ausbau der Invaliden⸗Verſicherung zugelaſſen habe. Die Zu⸗ laſſung der Erſatz⸗ und Zuſchußkaſſen ſei ein Zugeſtändnis an den Zentralverband deutſcher Induſtrieller. In einer Reſolution verlangt man eine Vereinheitlichung der Ver⸗ ſicherungsgeſetze wenigſtens in organiſatoriſcher Hinſicht, möglichſt weitgehende Ausdehnung der Selbſtverwaltung und Entfernung der Erſatzkaſſen aus dem Entwurf. „ Tie Kleinwohnungsfrage. Die Stadt Dresden ſtellt zur Förderung des Baues von Kleinwohnungen 500000 Mark zum Ausleihen auf zweite Hypotheken bereit. ( Ein fortſchrittlicher Schutzzollner. Im Kreiſe Rothenburg hat der Deutſche Bauernbund die Unterſtützung des Kandidaten der fortſchrittlichen Volkspartei beſchloſſen. Im„Wochenblatte des Bauernbundes“ wird jetzt mitgeteilt, daß der Kandidat der fortſchrittlichen Volkspartei, Gutsbeſitzer Fiſcher in Landsberg, ſchriftlich ſich auf den Boden des Pro gramms des Deutſchen Bauernbundes und auf den Woden der heutigen Schutzzölle geſtellt habe. Mehr Selbſtentleibung kann man allerdings auch von der Charakterloſigkeit unſeres heutigen Fortſchritts nicht ver⸗ langen! i 1! Der Duell⸗Polizeipräſident geht! In Metz ver⸗ lautet, daß der bisherige Polizeipräſident Baum bach von Kaimburg von ſeinem Poſten zurücktritt. Be kannt iſt er wegen ſeiner Piſtolenforderung an den Abg. Blumenthal, wofür er mit einem Tage Feſtungshaft be ſtraft wurde. Als ſein Nachfolger ſoll der Kreisdirektor von Diedenhofen, Geh. Regierungsrat Cordemann, in Betracht kommen. 19 Franzöſiſche Spione. Die im unterelſäſſiſchen Dorf Sulzbach nahe der Fe ſte Mutzig verhafteten beiden franzöſiſchen Studenten waren während einer Uebung des 67. Feldartillerie-Regiments in der dortigen Gegend dabei beobachtet worden, wie ſie zahlreiche Auf⸗ nahmen der einzelnen Uebungsphaſen machten. Im Laufe der Vorhaltungen, die ihnen darüber von berufener Seite gemacht wurden, ſtellte ſich heraus, daß ſie franzöſiſche Studenten waren, was ſie ſofort in den Verdacht der Spionage brachte. Beide wurden, verhaftet und auf die Feſte Mutzig gebracht. Unter ihren Platten fand man auch Aufnahmen des Geländes aus der Umgebung der Fe ſte Mutzig. Jede abſichtliche militäriſche Aufnahme oder rechtswidrige Handlung wur den von ihnen entſchieden zurückgewieſen. Die Militär behörde bewahrt tiefſtes Stillſchweigen über die ganze Ange theit. Pe Parlamentariſches. ? Für die Reichstagserſatzwahl in Konſtanz⸗Ueber⸗ lingen, die am 19. Oktober ſtattfindet, hat das Centrum den Landgerichtsrat Freiherrn v. Rüpplin als Kandi daten aufgeſtellt. 4 Heer und Marine. 3 § Unglück in der franzöſiſchen Flotte. Der franzö ſiſche Dreadnoug ht„Condorce t“ kann wegen ſchwerer Beſchädigungen nicht an den Flotten manövern teilnehmen. S Exploſion auf einem deutſchen Torpedoboote. An Bord eines in der Wiker Bucht liegenden Torpedobootes ereignete ſich am Sonntag mittag eine Exploſion flüſſi gen Brennſtoffes. Dabei wurden drei Mann erheblich und zwei leichter verletzt. Europäiſches Ausland. Belgien. 2 E In Belgien ſpukt die Kriegsfurcht in ganz bedenk⸗ licher Weiſe. Poliziſten entdeckten in der Nacht zum Sonn⸗ tag auf der Faſſade des deutſchen Botſchaftsge⸗ bändes in Brüſſel ein Plakat, welches folgende In⸗ ſchrift trug:„Kein Krieg! Oder es gibt Dyna⸗ mit!“ Auch an dem Gebäude der franzöſiſchen Botſchaft war ein ſolches Plakat angeſchlagen.— Die militäriſchen Maßnahmen werden fortgeſetzt, und es wird nunmehr auch amtlicherſeits zugeſtanden, daß es ſich tatſächlich um eine Teilmobiliſation handelt. Der gründen, der beſtimmt t, den operterenden Truppen Kriegsmaterial zuzuführen. Die Automobile werden jedoch nur Anwendung finden, wenn die anderen Verkehrsmittel], wie die Eiſenbahnen, ſkillgelegt ſind. Der Automobil⸗ klub wird vier Abteilungen umfaſſen und ſich drei Tage nach der Mobilmachung in ſtetiger Bereitſchaft halten. Rußland. „ Wie in Petersburg mit größter Beſtimmtheit ver⸗ lautet, hat unter dem Vorſitz des Zaren ein Fa⸗ milienrat ſtattgefunden, auf dem die Abberufung des Miniſterpräſidenten Stolypin beſprochen wurde. Der Fi⸗ nanzminiſter Kokozew, der als Kandidat für den Pre mierminiſterpoſten auftrat, ſoll als zu wenig energiſch abgelehnt worden ſein. Dagegen hat der Kaiſer ſich ſehr wohlwollend einer Kandidatur des Kriegsminiſters Su chomlinow gegenüber geäußert. Jedenfalls ſcheint es beſchloſſene Sache zu ſein, daß Stolypin demiſſioniert. Die Demiſſion Stolypins iſt ſchon einige Dutzend Mal vorausgeſagt worden. Spanien. * Im ſpaniſchen Heere meutern jetzt zur Abwechſelung die Unteroffiziere. In Valencia ſind 25 Sergeanten des Mallorca-Regiments wegen Inſubordination verhaftet worden; ſie ſollen vor ein Kriegsgericht geſtellt werden. Türkei. : Vom Balkan wird ein neuer türkiſch⸗montenegri⸗ niſcher Zwiſchenfall gemeldet. Laut amtlicher Mitteilung aus Cetinje haben am Donnerstag türkiſche Sob⸗ daten das montenegriniſche Dorf Velika angegriffen und dabei vier Montenegriner verletzt. Die montenegri⸗ niſche Regierung hat bei der türkiſchen energiſchen Proteſt erhoben. Afrika. Marokko. Während man in Berlin und Paris mit größter Spannung den neuen deutſch⸗franzöſiſchen Verhandlungen entgegenſieht, tritt Spanien auf den Plan und kündige die Beſetzung des ſüdlich von Agadir gelegenen Punktes Santa Cruz de Mar Pequena an. Die ſpaniſche Regie⸗ rung benutzt den Augenblick, um ſich vor neuen Abmachun⸗ gen mit den Franzoſen ſeinen Anteil an den Kompenſa⸗ tionen auch außerhalb ſeiner direkten Intereſſenſphäre zu ſichern. Aus verſchiedenen Nachrichten der letzten Zeit war bereits zu leſen, daß in dieſer Hinſicht heimliche Vor⸗ bereitungen getroffen wurden. Die Franzoſen, die mit Spanien wegen deſſen Vorgehen in Nordmarokko ſchon früher hart aneinander gekommen waren, ſind natürlich über dieſen neueſten Vorgang tief entrüſtet. Mexiko. E In Mexiko iſt unter der Führung Zapatas eine zweite Revolution ausgebrochen. Zapata verlangt die Berufung eines ſeiner Vertrauensleute ins Miniſterium. Ag en. China. : Infolge der Erhebung von 200 000 Mohamme⸗ danern ſind in der chineſiſchen Provinz Kanſu Raſſen⸗ kämpfe ausgebrochen.. Soziales. Der Kampf in der Metallinduſtrie. Die Ver⸗ handlungen in Leipzig haben bisher zu keinem Ergebnis geführt; ſie werden von Tag zu Tag fortgeſetzt. Die Metallinduſtriellen haben inzwiſchen die Unternehmer, die nicht dem Verbande angehören, aufgefordert, während der Dauer der Differenzen keine Arbeiter aus den am Kampfe beteiligten Betrieben einzuſtellen. Die Gräfin Montignoſo ſetzt im Pariſer„Matin“ die Aufzählung höfiſcher Skan⸗ dalgeſchichten fort. Sie iſt jetzt beim Kapitel Heiratspläne, die für ſie geſchmiedet wurden, angekommen, das von vder⸗ ſchiedenen Geſichtspunkten auch bei Leuten, die ſolchen Skandalgeſchichten ablehnend gegenüberſtehen, Intereſſe erregen dürfte. Der erſte Heiratskandidat war Prinz Dom Pedro von Braſilien, der ſpäter wahnſinnig wurde. Die jungen Leute amüſierten ſich als gute Kameraden im Garten von Baden-Baden, ohne daß die Hoffnungen der Eltern erfüllt wurden. 1887 traf Luiſe ihren künftigen Gatten, den Prinzen Friedrich Auguſt von Sachſen, zum erſten Male im Schloſſe von Pillnitz. Er gefiel ihr in ſeiner ſchmucken Uniform ſehr gut, aber von einer Verbindung wurde damals noch nicht ge⸗ ſprochen. Während des Winters 1891 wurde die Prin⸗ zeſſin mit Ferdinand von Bulg arien zuſammen⸗ gebracht. Sie ſaß beim Diner zwiſchen den Brüdern Philipp und Ferdinand von Koburg, und jene erzählten ſich, ohne ſich um die jugendliche Tiſchgenoſſin zu kümmern, über ihren Kopf hinweg ziemlich ſtarke Ge ſchichten in ungariſcher Sprache. Luiſe verſtand alles, ſagte aber kein Wort, bis die Tafel aufgehoben wurde Dann machte ſie die unvorſichtigen Herren in gutem Un gariſch darauf aufmerkſam, daß es gewagt ſei, ſolche ge— wagten Dinge zu erzählen, ohne ſich vorher zu infor mieren, ob die Nachbarin ſie nicht verſtehe. Sie fügte hinzu:„Ich meine die Sprache, nicht Ihre Geſchichten.“ Durch dieſe Bemerkung erregte ſie das Intereſſe der Brü der, und Ferdinand rief aus:„Hätte nicht geglaubt, daß ſolche Blumen in Salzburg wachſen.“ Seit dieſer Stunde beſchäftigte ſich die Familie der Prinzeſſin mit dem Gedanken einer Heirat mit einem der Koburger. Die Mutter kann allerdings die Koburger nicht aus— ſtehen, aber der Vater bringt ſeine Tochter zur Tante Klementine von Koburg, die von der reſpektloſen jungen Welt die„Kaffeemühle“ genannt wird. Sie iſt ſtocktaub und ſpricht ebenſo ſchlecht italieniſch wie Papa Toscana ſchlecht franzöſiſch. So wird die„heimliche“ Unterhaltung, die beide ſchreiend im Nebenzimmer füh ren, von der Tochter Luiſe gut verſtanden und gibt ihr zu großem Vergnügen Anlaß. Dennoch erhält Ferdi nand 1892 einen Korb, als er um ihre Hand wirbt. Er zeigt ſich ſehr verliebt und benimmt ſich ziemlich eitel und lächerlich. Als er gehört hat, daß ſie ihn nicht lieben kann, bleibt er verſteinert ſtehen und iſt wütend und verblüfft. In einem weiteren Kapitel beſpricht Frau Toſelli ihre Hochzeit mit dem Prinzen Friedrich Auguſt von Sachſen. Nach dem Korbe, den ſie im Schloſſe Aleſuth in Ungarn dem Fürſten Ferdinand von Bulgarien erteilt hatte, kehrte Luiſe mit ihrer Mutter nach dem Schloſſe Orth zurück Kriegsminiſter hat empfohlen. einen Automobilklub zu Fünf Tage ſpäter traf Prinz Friedrich Auauſt 10 19 fert sa 0 ſihr 00 ung alten 10* eit i. ung gol kiffen oburgel t alls von Sachſen auf dem Schloſſe Orth ein und bewarb ſich bei dem Großherzog in aller Form um die Hand ſeiner Tochter. Prinzeſſin Luiſe erbat ſich von ihrem Vater einige Tage Bedenkzeit. Sie gab ſodann dem Vater die Antwort, daß ſie bereit ſei, die Gemahlin des Prinzen Friedrich Auguſt zu werden, und dieſer kam dann nach Lindau, um ſeine Verlobung mit ihr zu feiern. Die Prinzeſſin legte für jenen Tag auf Wunſch ihrer Mutter ein blauſeidenes Kleid an. Prinz Friedrich Auguſt trat in den Salon. Er war über alle Maßen ſchüchtern und vergaß ſogar den von der Etikette vorgeſchriebenen Verlobungskuß an die Eltern der Braut. Der Prinz trat gerade auf die Prinzeſſin Luiſe zu und drückte ſeine Lip⸗ pen auf ihre Stirn. Doch bald fanden Braut und Bräuti⸗ gam ihre Faſſung wieder, und es enkwickelte ſich ein längeres Geſpräch zwiſchen ihnen. „Ich erkannte,“ ſchreibt Frau Toſelli,„daß mein Bräutigam große Herzens⸗ und Geiſtesgaben beſaß, und das bereitete mir große Freude und gab mir ein Unter⸗ pfand für mein zukünftiges Glück. Prinz Friedrich Auguſt war ein großer, ſchön gebauter Junge mit offenherzigen, treuen blauen Augen und einem ausgezeichneten Herzen. Damals wie auch heute noch ſchien er an die Nieder tracht und Bosheit der Menſchen nicht glauben zu wollen. Chevaleresk bis zur Uebertreibung betrachtete er die Frquen als geheiligte Geſchöpfe. Sein angeborener Adel verhinderte ihn, an böſe Abſicht und Niederträchtigkeit zu glauben. Welch eine unglückſelige Fügung des Schickſals, daß wir nicht an jenem Verlobungstage ſchon getrennt wurden.“ Die Vermählung wurde am 21. November des ſeben Jahres, 1892, gefeiert. Nach der Trauung ſprangen drei Erzherzöge, denen die Formalitäten zu lange dauerten, über die Schleppe des Brautkleides der Neuvermählten. Der Schwieger vater flüſterte der Prinzeſſin zu:„In der Habsburger Familie beſteht der alte Aberglaube, wer über die Braut⸗ ſchleppe einer Neuvermählten ſpringt, ſtirbt noch vor Schluß des Jahres.“„Nun den,“ erwiderte die Prin⸗ zeſfin,„mögen ſie ſich beeilen, denn wir ſind ſchon im November.“ Tatſächlich ſtarben vierzehn Tage ſpäter nacheinander die beiden Großherzöge Sigismund und Lokale Nachrichten. * Viernheim, 5. Sept. Die diesjährige Inbelfeier der 50. Jährigen kinder, wie uns mitgeteilt wird, am 2. Weihnachts feiertage im Gaſthaus„Zum Engel“ ſtatt. — Auguſthitze. Der verfloſſene Auguſt brachte uns 22 Sommertage(einen mehr als der Juli) und hatte eine Mitteltempe ralur von 22 Grad Celſius(0,3 mehr als der Juli). In den letzten 50 Jahren iſt ein ſo heißer Monat hier noch nicht beobachtet worden. 1 : Erfreuliches von der Kartoffelernte. Nach⸗ dem Wochen hindurch der Ausfall der Kartoffelernte immer ungünstiger beurteilt worden war, ſagt nunmehr der neueſte wöchentliche Saatenſtandsbericht des Deutſchen Landwirtſchafts⸗ rats, daß nicht nur der Ertrag bei den ftühen und mittel⸗ frühen Sorten vielfach beſſer ausgefallen ſei, als erwartet worden war, ſondern der Regen auch die ſpäten Kartoffeln erfriſcht oder doch vor einer weiteren Verſchlechterung be⸗ wahrt habe. * Soldatenbriefe.„Zur Zeit im Manöver“ heißt jetzt der Vermerk, der bei der Adreſſierung der Soldatenbriefe nicht vergeſſen werden darf, denn nur dadurch kann eine richtige und pünktliche Veſtellung der Sendung bei den täglich wechselnden Manöver⸗Standquartieren erfolgen. Die mit dem Sortieren der Soldaten Briefe betrauten Poſtbeamten haben die gevaue Manöverdislokation und können, wenn dieſer ſo wichtige Vermerk„im Manöver“ vorhanden iſt, die Sendung direkt nach dem jeweiligen Stan dort des betreffenden Truppen⸗ tells richten. 5 EE Nah und Fern. — Weinheim, 4. Sept. An der Fertigſtellung der Wachenburg wird gegenwärtig eifrig gearbeitet. Im Jahre 1913 wird die Uebergabe und Einweihung der vollſtändig fertiggeſtellten Burg, die etwa 300000 Mark Baukoſten ver⸗ ſachen wird, vor ſich gehen. * Maunheim, 4. Sept. Der ſtädtiſchen Verwaltung iſt die Mitteilung zugegangen, daß das Luftſchiff„Schwaben“ im Laufe der Monate September und Oktober in Mannheim mehrere Zwiſchenlandungen vornehmen wird, die bisher wegen der Hitze unterbleiben mußten. Auf der Frieſenheimer Inſel iſt die Aulegung eines Ankerplotzes für die Luftſchifflandung in Ausſicht genommen. — Ludwigshafen, 2. Sept. Geſtern nachmittag kurz nach 5 Uhr iſt im Rhein der 13 Jahre alte Schüler Heinrich Oetzel, Sohn dis Schloſſers Peter Oetzel in Mann⸗ heim, E 6 Nr. 2, beim Baden ertrunken. Die Leiche konnte noch nicht gefunden werden. Der Junge war nur mit Bade hoſe bekleldet und ging in das Waſſer, um zu ſehen, wie tief es iſt. Plötzlich verſchwand er vor den Augen ſeiner Kameraden und kam nicht wieder zum Vorſchein. Sein 10 jähriger Bruder brachte die Kleider des Ertrunkenen den be⸗ ſtürzten Eltern. 2 — Nieder- Liebersbach, 4. Sept. Da Herr Bür⸗ germeiſter Emig wegen Krankheit ſein Amt niederlegte, wird die Wahl eines neuen Bürger meiſters am Samſtag, den 9. September vorgenommen werden. Wie verlautet, werden ſich verſchiedene Kandidaten einſtellen. Allgemein wird der Rück⸗ tritt des Herrn Bürgermeiſters Emig bedauert. 33 Jahre lenkte er das Gemeindeſchifflein in vorzüglicher Weiſe. Schwetzingen, 1. Sept. Giſtern nachmittag halb 1 Uhr ſtieg der Ballon„Schütte-Lanz“ zu einer Uebungsfahrt auf und überflog kurz vor 1 Uhr unſere Stadt in der Rich⸗ tung nach Hockenheim. Aus Stadt und Land. Ein ungeheurer Waldbrand. Ein großer Wald- brand wütet ſeit Sonntag mittag zwiſchen Schwerin und Waldow: über 4000 Morgen ſteben in Flammen. Ter ſtarke Wind treibt das Feuer trotz aller Anſtren⸗ gungen weiter. Die Chauſſee iſt geſperrt, alle Tele⸗ graphenleitungen zerſtört. Auf der Beſitzung des Herrn von Waldow⸗Reitzenſtein ſind allein 3000 Morgen ver⸗ nichtet. ** Den Stiefvater ermordet. In Trier hat der Bautechniker Hahn in der Nacht zum Sonntag ſeinen Stiefvater, den Straßenaufſeher Cravatzo, als dieſer ſeine Frau mißhandeln wollte, erſchoſſen. Der Erſchoſſene wurde erſt kürzlich wegen Durchſtechereien aus dem ſtädti⸗ ſchen Dienſt entlaſſen. * Verzweiflungstat einer Mutter. Ein erſchütterndes Drama ſpielte ſich in Lichtenberg bei Berlin am Sonntag ab. Aus Furcht vor Krankheit ſuchte ſich dort die 32 Jahre alte Beamtenwitwe Marie Glas mit ihrem acht⸗ jährigen Sohn Horſt durch Leuchtgas zu vergiften. Die Tat wurde infolge des Gasgeruchs bald bemerkt; Mutter und Kind hatten aber das Bewußtſein ſchon verloren. Die Wiederbelebungsverſuche hatten bei beiden Erfolg. Später ſtarb jedoch der Knabe in der Charitee an den Nachwirkungen der Vergiftung. Die Mutter dürfte mit dem Leben davonkommen. e Feuer bei einem Erntefeſt. Einen tragiſchen Ab⸗ ſchluß fand am Sonntag nachmittag in Reinickendorf⸗ Weſt bei Berlin das vom dortigen Bürgerverein veran⸗ ſtaltete Erntefeſt. Einer der im Feſtzuge befindlichen 21 Wagen fing Feuer. Dabei kam der drei Jahre alte Fritz Kubick in den Flammen um, während wei⸗ tere ſechs Kinder und drei Erwachſene Ver⸗ letzungen erlitten. Der Kutſcher des Wagens wurde ver⸗ haftet; er ſoll das Unglück dadurch herbeigeführt haben, daß er verbotswidrig rauchte. * Liebesdrama in Berlin. Im Humboldthain er⸗ ſchoß der 21 jährige Schloſſer Bruno Gipp aus der Wattſtraße 3 ſeine Braut, die 18 jährige Fabrikarbeiterin Frida Balke aus der Bellermannſtraße 83 und tötete ſich dann ſelbſt durch eine zweite Kugel. * Zyklon in Meſſina. In Meſſina hat ein Zyklon furchtbare Verwüſtungen angerichtet. Die Meereswogen wurden hoch aufgepeitſcht und das Baracken viertel iſt von ihnen vollſtändig überſchwemmt worden. Nur mit Mühe gelang es, die Frauen und Kinder zu retten. Viele Menſchen ſtanden bis zum Hals im Waſſer. Das ſchlechte Wetter dauert an. Die Ba⸗ racken ſind völlig ungenügend, um der Bevölkerung hin⸗ reichenden Schutz zu gewähren. * Choleraſchlachten in Italien. Die Cholera in Verbicaro hat zu panikartigen Schreckens ſzenen in der Stadt geführt. Um zu verhindern, daß die Kranken die Stadt verlaſſen, wurde ſie von Mili⸗ tär eingeſchloſſen. Nichtsdeſtoweniger aber griffen Kranke die Soldaten an, um ſich einen Ausweg zu erzwingen, und ſo kam es am Sonntag hier zu einem regelrechten Kampf. Auf beiden Seiten wurde geſchoſſen; das Militär zog ſich ſchließlich zurück, und die Bewohner flüchteten in die in der Nähe der Stadt gelegenen Sümpfe, da ſie ſich dort vor der Cholera ſicher fühlen, obwohl die Anſteckungsgefahr viel größer iſt und daher täglich viele Perſonen der Seuche erliegen. Da es ſehr ſchwer⸗ lich iſt, Nahrungsmittel in die Sümpfe zu ſchaffen, ſo ſind ſchon viele Perſonen den Hungertod geſtorhen. Im Sonntag wurde ein Warenlgger, das. ſich in einiger Entfernüng von der Stadt befindet, von den Bewohnern der Stadt angegriffen. Doch ſtellte die ſchnell herbeige⸗ holte Polizei die Ordnung bald wieder her. Mehrere Perſonen wurden in Haft genommen. ** Einen ſchwunghaften Mädchenhandel iſt man in Moskau auf die Spur gekommen. Die Töchter dreier angeſehener Bürger ſind von der Polizei in einem öffent⸗ lichen Hauſe in Aſtrachan entdeckt worden. Die Mäd⸗ chen waren betäubt und entführt worden. * Ueberfall auf einen Poſtwagen in Rußland. Auf der Chauſſee nach Tuanſe bei Maikop(Kubangebiet) wurde ein Poſtwagen um 17000 Rubel beraubt. Ein begleitender Polizeibeamter wurde tödlich ver— wundet. Schwerer Manöverunfall franzöſiſcher Kavallerie. Bei den Kavalleriemanövern, die gegenwärtig auf der Ebene von Bieyres ſtattfinden, hat ſich ein außer⸗ ordentlich ſchwerer Unfall ereignet. Zwiſchen Penol und Bardins befindet ſich ein fünf Meter breiter Graben. Die Militärleitung hatte es unterlaſſen, die Soldaten auf dieſen Graben aufmerkſam zu machen. Auch die Kavalleriſten konnten ihn nicht entdecken, da er ganz durch das Terrain verborgen iſt. Als Mannſchaften des 13. Jägerregiments am Sonntag die Stelle paſſieren wollten, ſtürzten ſie Hals über Kopf in den Graben. Zehn von ihnen erlitten ſchwere Ver⸗ wundungen. Mehrere Pferde waren auf der Stelle tot. Die Verwundeten wurden in das Hoſpital von Valence gebracht, wo einer von ihnen bereits ſeinen ſchweren Verletzungen erlegen iſt. * Die erſte Kugel zu Ehren des Feminismus Die Sekretärin des Frauenrechtlerin nen⸗Ver⸗ eins in Toulon in Frankreich ließ einen Herrn Caſal fordern, weil dieſer auf eine Rundfrage einer Tou⸗ loner Zeitung eine der Dame beleidigend erſcheinende Antwort gegeben habe. Sie beſteht darauf, ſich mit ihm ſchlagen zu wollen, und hat öffentlich erklärt, daß dieſe erſte Kugel zu Ehren des Feminismus nicht erfolglos bleiben würde. Herr Caſal ſoll aber, als galan⸗ ter Mann, zu allen Entſchuldigungen bereit ſein. ** Verhungerte Pelzjäger. Eine von einem Pelz⸗ händler in Tromsö ausgerüſtete Pelzjägerexpedition, die am Storfjord in Spitzbergen überwinterte, konnte im vorigen Sommer wegen Vereiſung des Fjords nicht ab⸗ geholt werden. Jetzt wurde ſie von einem Schiff auf⸗ gefunden, aber von fünf Mann waren ſchon drei verhungert, da bereits im Auguſt vorigen Jahres die Lebensmittel zum größten Teil ausgegangen waren. * Automobilunglück bei London. Bei einer Straßen- bahnentgleiſung in dem Londoner Vorort Levisham wurden zwei Perſonen getötet und mehr als 30 verletzt. e Selbſtmord eines Millionärsſohnes. In Newyork hat am Sonntag der Sohn eines St. Louiſer Millio⸗ närs namens Daniel Garriſon Selbſtmord began⸗ gen. Man fand Garriſon mit einer Kugel in der Schläfe, vor dem Bilde ſeiner Braut ſitzend, tot in ſeinem Zim⸗ mer im Hotel Waldorf Aſtorja. Er hinterließ einen Brief, in dem er erklärte, er ſei ein kranker Menſch und könne ſeiner Braut nicht zumuten, ſich für ihr Leben an ihn zu ketten. * Schreckliches Bootsunglück. Auf dem Maumee⸗ Fluß(Ohio) wurde ein mit ſieben ſtädtiſchen Beamten von Toledo beſetztes Boot von einem Dampfer über⸗ rannt. Sämtliche Inſaſſen ſind ertrunken. Sechs Tote bei einer Dampferkeſſelexploſion. Am Freitag nachmittag um 4 Uhr iſt in der Stepenitzer Bucht bei Stettin der Regierungsdampfer„Strewe“ in⸗ folge einer Keſſelexploſion in die Luft geflogen. Gegen 4 Ühr legte der Dampfer in der Bucht bei den fiskali⸗ ſchen Dampfbaggerſtellen an. In dieſem Augenblick ex⸗ plodierte der Keſſel. Außer dem Regierungsbaurgt Sle⸗ finsky waren noch acht Mann an Bord: der Schiffs⸗ kapitän Laabs, der Maſchinenmeiſter Schroeder, der Hei⸗ zer Gnewuch, der Maſchiniſt Hertzty und der Matroſe Berntſen, ferner der Koch Groth, der Matroſe Laſt und die Steuerleute Fechtner und Sandow. Während die letz⸗ ten vier ſchwer verletzt wurden, wurden alle übri⸗ gen an Bord befindlichen Perſonen durch die Exploſion ſofort getötet. Der Baurat Sleſinsky wurde mit furche barer Gewalt von dem Dampfer auf den gegenüberliegen⸗ den Dampfbagger geſchleudert und war ſofort tot. Er hatte an der rechten Kopfſeite eine entſetzliche Wunde davongetragen. Der Maſchiniſt Hertzky und der Kapitän Laabs wurden in die Luft geſchleudert. Ebenfalls töd lich verwundet wurden die übrigen drei Genannten: der Matroſe Berntſen, der Baggermeiſter Schroeder und der Heizer Gnewuch. Das Unglück iſt mit größter Wahr⸗ ſcheinlichkeit auf Unachtſamkeit des Maſchinenperſonals zurückzuführen, da aber ſowohl der Heizer wie der Maſchi⸗ niſt tot ſind, wird ſich die Schuld an der Exploſions⸗ kataſtrophe wohl niemals mit Sicherheit feſtſtellen laſſen. Ueber die Verunglückten wird berichtet, daß ſie außer zweien alle verheiratet waren. Der Baurat Sleſinsky war 45 Jahre alt und wurde erſt vor vier Wochen be⸗ fördert. Er hinterläßt eine Witwe und zwei Kinder. Der Rumpf des Dampfers„Strewe“ iſt geborſten und liegt auf dem Grund der Oder. Der Dampfer iſt nicht mehr reparaturfähig.. *. Gerüſteinſturz auf einer Werft. Auf der Werft des Bremer Vulkans in Vegeſack brach das Gerüſt eines Schiffsneubaues zuſammen. Elf Arbeiter ſtürzten in die Tiefe. Einer ergriff im Abſturz den Schiffsſteven, die zehn anderen wurden unter den Trümmern be⸗ graben. Sechs davon ſind ſchwer verletzt ins Kran⸗ kenhaus geſchafft worden, vier andere, leichter verletzt, wurden an Ort und Stelle verbunden. — Eine nachahmenswerte, zeitgemäße Verfügung ha der Landrat von Uſingen erlaſſen. Er weiſt darauf hin, daß allgemein über die ſchlechten Verhältniſſe, beſonders über die Teuerung von Lebensmitteln geklagt werde, wozu die Veranſtaltung der vielen Feſtlichkeiten, die ſich teilweiſe ſogar auf drei Tage erſtreckten, in Wider⸗ ſpruch ſtänden. Es könne zum Beiſpiel nicht gebilligt werden, daß Vereine ihr einjähriges Beſtehen durch Stif⸗ tungsfeſte feierten oder ohne jede äußerliche Veranlaſſung 2 Tanzbeluſtigungen mit Verloſung abhielten, um ihre Ver⸗ einskaſſe zu füllen. Er hoffe, daß die Polizeiverwalter ſich nicht von den Vereinsvorſtänden dazu drängen ließen, mehr als dem Herkommen entſprechend Tanzbeluſtigungen zu genehmigen. — Ein gemütliches Theater. Wie ein Märchen aus der ſchönen Zeit, wo noch der Theaterkarren von Ort zu Ort über die Landſtraße rumpelte, mutet die Ankündi⸗ gung einer in Welzheim(Württemberg) gaſtierenden Thea⸗ tergeſellſchaft Lindner an, die ſich ſtolz„Saiſonthea⸗ ter in Welzheim“ bezeichnet. Um die Abſchiedsvor⸗ ſtellung, in der zwei Luſtſpiele,„Denk an Vielliebchen“ oder„Rache iſt ſüß“ und„Zeppelin als Heiratsver⸗ mittler“, gegeben wurden, beſonders zugkräftig zu ge⸗ ſtalten, kündigte die Direktion ein Scherzrebus in Form eines lebenden Bildes an. Es wird darüber ge ſagt:„Dasſelbe bleibt etwa fünf Minuten ſtehen. Wer die Löſung findet und zuerſt laut ausſpricht, erhält eine Kabinettphotographie der Familie Lind⸗ ner(Gruppenbild) als Preis zur freundlichen Erinnerung an unſere Theaterſaiſon. Zum Schluß Dank⸗ und Abſchiedsrede.“ O, ſchöne Zeit, wo ſo etwas mög⸗ lich war, o ſchöner Ort, wo ſo etwas noch möglich iſt! — Aus den„Meggendorfer Blättern“. Alſo!„Ihre Kinder ſind recht ungezogen, wie es ſcheint!“—„O nein, die ſind nur individuell erzogen!“—— Kindermund Der kleine Max ſteht mit ſeinem Vater, einem Kauf⸗ mann, im Zoo vorm Affenkäfig und bemerkt verwundert, wie der eine Affe im Felle des andern eifrig ſucht und findet.„Du, Vater der macht wohl Inventur?“—— Verlockend. Sommerfriſchler:„Wie kommt denn das: Bisher hat hier kein Menſch gebadet, und heute iſt ja das ganze Dorf im Waſſer?“— Dorfpoliziſt:„Ja, wiſſen S','s Gericht hat vorhin dem Weinhändler Säu⸗ erle zwanzigtauſend Liter Kunſtwein in den Bach laufen laſſen, und den verſuchen ſ' jetzt!“—— Seine An⸗ ſicht.„Euer Bürgermeiſter ſcheint ein recht grober Knopf zu ſein!“—„Schauen S', dös macht halt d' Auto⸗ rität!“ Kleine Nachrichten aus Stadt und Land. Der Bankbeamte Taubert, der vor zwei Wochen bei der Dresdener Bank Kanadaaktien unterſchlug und mit ſeiner Geliebten flüchtig geworden war, iſt Sonntag in London verhaftet worden. Marktbericht. * Weinheim, 2. Sept. Zugeführt waren 333 Stück Milchſchweine, verkauft wurden 300, das Paar von 10—32 Mk. Läufer waren 6 Stück zugeführt, verkauft wurden 4 Stück, das Paar zu 63— 70 Mk. FFF Maurer Taglöhner für dauernde Beſchäf. Verkaufe oder ver tanſche 1 Fahrrad gegen alles nützliche. Johann Schalk Waſſerſtraße 24. ou Eß⸗Kartoffeln ti ch Weinhei 0 verkaaft hes ee Niliolaus Hoock Bangeſchäft Waldſtraße. NIk Reinhardt 3 Sulzbach. Makulatur-Papier 5. CE in der Buchdruckerei d. Blattes. Bekanntmachung. Am Freitag, den 8. ds. Mts., vormittags Uhr anfongend, wird auf dem Rathauſe dabier das Ohmetgras-Erträgnis von ca. 400 Morgen gemeinheitlichen Wieſen losweiſe mit Borgfriſt bis Martini(11. November) l. Js. verſteigert. Bei Einſichtnahme der Wieſen beliebe man ſich wegen etwaiger Auskunftserteilung an den Wieſenſchützen, der ſich während des ganzen Tages dort aufhalten wird, zu wenden. Viernheim, den 5. September 1911. Großherzogliche Bürgermeiſterei Viernheim. Kühlwein. Bekanntmachung. Betreffend: Die Gebühren der Hebammen. Das nachſtehende Ausſchreiben Gr. Kreisamts Heppen⸗ heim obigen Betreffs bringen wir hiermit zur öffentlichen Kenntnis. Viernheim, den 2. September 1911. Großherzogliche Bürgermeiſterei Vieruheim. Kühlwein. Betreffend: wie oben. Nach der neuen Gebührenordnung beträgt die Ver⸗ gütung der Hebammen fär dle Hilfeleiſtung bei einem regelmäßig verlaufenen Wochenbett einſchließlich der vorge⸗ ſchriebenen Beſuche an den erſten 10 Tagen nach der Geburt mindeſtens 15 Mark. Wird die Hebamme auf benach⸗ barte Orte gerufen, ſo hat ſie auch Weggebühren zu beanſpruchen, und zwar: bei einer Entfernung von 1 bis 2 Kilimeter 50 Pfg. bis 1 Mk. für jeden weiteren angefangenen Kilometer 25 Pfg. bis 50 Pfg. bei Nachtbeſuchen(von 9 Uhr abends bis 6 Uhr morgens) das doppelte dieſer Beträge. Bei Benutzung der Eſſenbahn darf das Fahrgeld der dritten Wagenklaſſe berechnet werden. Bei Geſtellung eines Fuhrwerks fällt die Weggebühr fort. Die Hebammen ſind verpflichtet, die neue Gebührenordnung dei Berechnung ihrer Gebühren zu Grund zu legen.. Heppenheim, den 30. Jun 1911. Groß h. Kreisamt Heppenheim. v. Hahn Konkursverfahren. Morgen Mittwoch von nachm. 5 Uhr ab und Kleiſch. Nik. Schlosser W.. Lorſcherſtraße. Zwetſchen verkauft Seb. Müller. In Mittwog, den 6. ds. Mts, wird in der Halle gedroſchen. Ww. Winkler. Kartoffeln! Verkaufe von heute Kartoffeln 10 Pfd. 55 Pfg. Zentner billiger. Jak. Helfrich Neubanſtraaße 12. Kleiderſchrank(nußbaum), Sofa, Waſchtiſch, Tiſche, Stühle, Bettſtellen, Kinder⸗ wagen, Spiegel, Bilder, Oefen aller Art, Gasherd, Ofenſteine, Waſſerſteine, Schuhe, Sonn⸗ u. Werk- tagskleider ſtets auf Lager Ueber das Vermögen des Kaufmanns und Bürovorſtehers Oskar Schäfer in Viernheim wird heute am 2. September 1911, vormittags 9 Uhr das Konkursverfahren eröffnet. f Der Rechtsanwalt Dr. Dix in Lampert⸗ heim wird zum Konkursverwalter ernannt. Konkursforderungen ſind bis zum 20. Sep⸗ tember 1911 bei dem Gerichte anzumelden. Es wird zur Beſchlußfaſſung über die Bei⸗ behaltung des ernannten oder die Wahl eines anderen Verwalters, ſowie über die Beſtellung eines Gläubigerausſchuſſes und eintretendenfalls über die in§ 132 der Konkurs⸗Ordnung bezeichneten Gegenſtände, ſowie zur Prüfung der angemeldeten Forderungen auf: Freitag, 29. September 1911 vormittags 9% Uhr, vor dem unterzeichneten Gerichte Termin anberaumt. Allen Perſonen, welche eine zur Konkursmaſſe gehörige Sache in Beſitz haben oder zur Konkurs⸗ maſſe etwas ſchuldig ſind, wird aufgegeben, nichts an den Gemeinſchuldner zu verabfolgen oder zu leiſten, auch die Verpflichtung auferlegt, von dem Beſitze der Sache und von den Forderungen, für welche ſie aus der Sache abgeſonderte Befriedigung in Anſpruch nehmen, dem Konkurzverwalter bis zum 20. September 1911 Anzeige zu machen. Gr. Amtsgericht zu Lampertheim. FFF Bernh. 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