uin R* —— — 1 eee eee AAA eee rr Err DD eee eee eee Viernheimer Aachrichten Bezugspreis: 90 Pf. monatlich einſchl. Bringerlohn. Durch die Poſt bezogen Mk. 1.14 vierteljährlich. [Fernſprech Nr. 20 iernheimer Viernheimer Zeitung (Heſſiſch⸗badiſcher Grenzbote) Amtsblatt der Großherzoglichen Bürgermeiſterei Biernheim Geleſenſte und verbreitetſte Zeitung am hieſigen Platze Erſcheint Dienstags, Donnerstags und Samstags. Beilagen:„ Sonntagsblatt“ und„Sonntagsfeier“ Redaktion, Druck und Verlag von Wil h. Bin gener, Viernheim.— Geſchäftsſtelle: Rathausſtraße Nr. 19. Viernheimer Volksblatt Anzeigen: Die Petit⸗Zeile 15 Pfg. Reklamen 40 Pfg. Bei größeren Aufträgen entſprechender Rabatt. Gegründet 1834 Donnerstag, den 14. September 191. 27. Jahrgang. Bericht vom ſozialdemokratiſchen Parteitage. „ P Nach einer Begrüßungsfeier am Sonntag abend in dem herrlichen Saale des Volkshauſes zu Jena, die ganz nach gut bürgerlichem Muſter verlief, nur, daß die handelnden Perſonen andere waren, und nach einem feucht⸗fröhlichen Kommerſe, bei dem es bis in die ſpäte Nachtſtunde ſehr bierehrlich herging und bei dem neben Sturm- und Kampfeslieder auch der ſchöne Kantus„Vom Jäger aus der Kurpfalz“ geſungen würde, nahm am Montag der ſoztaldemokratiſche Parteitag ſeine Arbeiten auf. Für die Verhandlungen hat man den 8 Stunden⸗ Tag vorgeſehen. Nachdem der am Sonntag abend zum Berben des Parteitages gewählte Abg. Dietz die Verhandlungen eröffnet hatte, kamen zunächſt die aus⸗ ländiſchen Gäſte zu Wort. Der bekannte öſterreichiſche Sozialiſtenführer Adler⸗Wien überbrachte die Grüße Oeſterreichs. Nach ſeinen Anſichten beſteht unſere ganze 12 775 Kultur darin, daß den europäiſchen Völkern rieg, Hungersnot und Peſtilenz drohen. Er gab die Verſicherung, daß das Proletariat der ganzen Welt ſich darin einig ſei, daß ein Krieg auf alle Fälle verhindert werden müſſe. Ein Vertreter Frankreichs, Bracke⸗Paris, ſchloß ſich dieſer Verſiche⸗ rung brüderlich an. Die Proletarier Frankreichs ſtänden Schulter an Schulter mit denen Deutſchlands und der nzen Welt. Sie würden alles aufbieten, um einen ieg, der nur den Beſitzenden Vorteil brächte, das Pro⸗ letariat aber dem Hungertode ausliefere, zu verhindern. Als Dritter im Bunde erſchien ein Sohn Albions, Herr Quelch⸗ London, und behauptete, indem er England eine Seeräubermacht nannte, die engliſchen Arbei⸗ ter ſeien für die Abrüſtung. Auch die engliſchen Arbeiter würden alles aufbieten, um einen etwaigen Krieg zu verhindern. Außerdem ſprachen noch verſchiedene aus⸗ ländiſche Genoſſen. Nach dieſer würdigen Verbrüderungs⸗ und Begrü⸗ Fungsſzene erſtattete Parteiſekretär Müller- Berlin den Geſchäftsbericht, aus dem wir erwähnen: Der Bericht behauptet zunächſt, daß die„Preßmeute der Junker und Kapitaliſten“ nach neuen Ausnahmege⸗ ſetzen gegen die Sozialdemokratie verlange. Der Partei und den Gewerkſchaften habe die Ausſchlachtung der Moa⸗ biter Vorgänge nichts geſchadet, ſondern im Gegenteil genutzt. Die Stimmung der Bevölkerung ſei der Sozial⸗ demokratie andauernd günſtig geweſen, wie die Nach⸗ wahlen zum Reichstage und zu den Einzellandtagen be⸗ wieſen. Bei den Nachwahlen hatten die Gegner einen Stimmenverluſt von 185 787, während die Sozialdemo⸗ kratie einen Gewinn von 24 036 Stimmen hatte. Die Zahl der organiſierten Mitglieder der Partei belief ſich im Jahre 1911 auf 836 562. Das bedeutet eine Zu⸗ nahme von 116 524 in einem Jahre und iſt die höchſte Mitgliederzunahme die die Partei in einem Jahre ——— zu verzeichnen hatte. Die proletariſche Jugendbewe⸗ gung hat gewaltige Fortſchritte gemacht. Die Zahl der Abonnenten der„Arbeiterjugend“ hat ſich von 45 000 auf 65 000 vermehrt. Der Landarbeiterverband zählt zur⸗ zeit 382 Gruppen mit 12 000 Mitgliedern. Wenn die Be⸗ teiligung an der Maifeier auch nicht ſo groß war wie im Borjahre, wo der 1. Mai auf einen Sonntag fiel, ſo iſt die Beteiligung doch ſo ſtark geweſen wie noch nie an einem Wochentage. Die Partei beſitzt jetzt 81 Tages⸗ zeitungen. Der Bericht gedenkt zum Schluſfe der in dem letzten Jahre verſtorbenen Größen, und zwar erwähnt er Landtagsabgeordneten Hermann Borgmann, die Genoſſin Emma Ihrer, die Frau Julie Bebel und Paul Singer. Die Parteikaſſe ſchließt ab in Einnahme und Ausgabe mit 1427 823 Mark. In ſeinen Ausführungen hierzu verteidigte der Re⸗ ferent Müller das Zaudern des Parteivorſtandes in der Marokkofrage und wies ſchließlich die Kritik, die die „Leipz. Volkszeitung“ an dem Flugblatte Kautskys zur Marokkofrage geübt hatte, zurück. Uebrigens freue man ſich der Kritik an dem Parteivorſtande, denn das ſei ein Zeichen einer geſunden Parteiorganiſation. Während der Rede fuhr das Zeppelin⸗Luftſchiff„Schwa⸗ ben“ über Jena, und die meiſten Parteigenoſſen ließen für eine Weile Parteitag Parteitag ſein und ſahen ſich „Zeppelin“ an, den ſie mit ganz unſozialdemokratiſchen begeiſterten Hochrufen begrüßten. Nach der Erſtattung des Kaſſenberichts und des Be⸗ richts der Kontrollkommiſſion trat die Mittagspauſe ein. Vor dem Sturme der Reichstagswahlen ſollte nach dem Plane der Parteileitung eigentlich nichts vorkommen, was den Frieden und die Geſchloſſenheit der Partei ſtören könnte. In der Nachmittagsſitzung kam es aber gründlich anders. Der denkt, und die blutig⸗rote Roſa Luxemburg lenkt. Dem Parteitage war in einer Broſchüre Kenntnis vom einem Streit zwiſchen dem Parteivorſtande und Roſa Luxemburg gegeben worden, und die„Angeklagte“ bringt nunmehr in der bei ihr üblichen fieberhaften Er⸗ regung ihre Anklage gegen den Parteivorſtand vor. Schon vorher hatte ſie in der„Leipz. Volksztg.“ einen Brie] Molkenbuhrs veröffentlicht, in welchem dieſer als Mitglied des Parteivorſtandes dem internationalen Bu⸗ reau mitteilte, daß die deutſchen Genoſſen eine jnternatio⸗ nale Proteſtaktion in Sachen der Marokkofrage zurzeit nicht mitmachen könnten. Auf Grund dieſes Briefes hat Roſa Luxemburg den Parteivorſtand angegriffen. Ganz erregt iſt ſie jetzt, daß der Parteivorſtand diefen Streit den Delegierten in beſonderer Denkſchrift vorgelegt hat. Sie ſagt:„Der Parteivorſtand hat gegen mich in ganz ungewöhnlicher Weiſe Vorwürfe erhoben; ich ſchließe daraus auf eine gaanz Parteivorſtand .———..—..————— ungewöhnliche Geiſtesverfaſſung des Vorſtandes. (Oho⸗Rufe.) Dann erging ſie ſich in lebhafter Anklage gegen den Parteivorſtand, der ſich in der Proteſtaktion einer Unterlaſſungsſünde ſchuldig gemacht habe. (Zurufe: Sehr richtig!) Sie verlangte, daß endlich ein⸗ mal mit dieſer g Geheimniskrämerei aufgehört werde. Immer müſſe Rückſicht auf die Reichstagswahlen genommen werden. Dieſe Rückſicht ſei übel angebracht. Zum Schluſſe gab ſie dem Parteivorſtand einen väter⸗ lichen Rat(Zuruf Bebel: Mütterlicher Rat!), der aber in dem ſtürmiſchen Lärm verloren ging. Chefredakteur Leuſch Leipzig, der gelehrige Schüler des Oberſchimpfmeiſters Mehring, Sohn eines Regie⸗ rungsrates, wendete ſich dagegen, daß die Kritik der Volkszeitung„mitten in der Aktion“ erfolgt ſe. Tie So⸗ zialdemokraten ſeien immer in der Aktion, da dürfe man alſo nie Kritik üben. Wenn aber die Kritik am Parteivorſtande nicht mehr geübt werden dürfe, dann ſolle man gefälligſt politiſche Schlafmützen in die Redaktionen ſetzen. Ein zweites Marokkoflug⸗ blatt des Parteivorſtandes zeige ebenfalls keine glück⸗ liche Hand. Der Parteivorſtand behaupte, er habe in der Marokkoaffäre ſeine Akten in Ordnung, er müſſe aber auch ſeine politiſche Initigtive in Ordnung haben. (Sehr richtig!) Molkenbuhr behaupte, Roſa Luxemburg habe einen ſeiner Privatbriefe veröffentlicht. Mitglieder des Parteivorſtandes ſchrieben alſo keine Privatbriefe. (Abg. Bebel: Es iſt ja einfach lächerlich!) Im weiteren Verlaufe der Debatte kam es noch zu Auseinanderſetzungen, in denen der Abg. Ledebour mit derſelben Schärfe, wie Roſa Luxemburg, gegen den Par⸗ teivorſtand zu Felde zog. Abg. Bebel ſuchte die Sache ein⸗ zurenken. Seine Ausführungen entbehrten jedoch auch nicht der ſcharfen Worte und fanden zum Teil lebhaften Widerſpruch. Der Streit um Roſa Luxemburg, der am Mon⸗ tag nachmittag entbrannte, und der zu außerordentlich heftigen Ausfällen gegen den Parteivorſtand wegen der abgeſagten internationalen Aktion in der Ma⸗ rokkoſache führte, wurde am Dienstag fortgeſetzt. Dr. Lauffenburg⸗Hamburg verteidigte Roſa Luxemburg gegenüber den geſtrigen Angriffen Bebels. Auch Bebel habe Montag eine Indiskretion begangen, indem er über interne Vorgänge im Internationalen Sozialiſtiſchen Bu⸗ reau berichtet habe.— Abg. Fiſcher⸗Berlin, der Ge⸗ ſchäftsführer des„Vorwärts“, erklärte, er habe aus den geſtrigen Reden nicht eine einzige Tatſache heraushören können, weswegen der Vorſtand irgendwie mit Recht an⸗ gegriffen werden konnte.(Ledebour ruft: Das iſt ja niedlich! Zuruf eines Leipzigers: Das ſind deine alten Mätzchen, Fiſcher!) Roſa Luxemburg habe geſtern das Bild rührender Hilfloſigkeit geboten; nach Bebels Rede habe ſie gar nicht mehr ausgeſehen wie eine Salome Gerichtet. Roman von Franz Wichmann. 35(Nachdruck verboten.) „Iſt er das denn nicht auch, unſer herziger Otto?“ brach Frau Adelheid aus.„Ach, wenn wir ihn nur öfter ſehen könnten in ſeiner Uniform! Die Menſchen beneiden uns nur um unſer Glück! Du haſt ihm doch gehörig erwidert auf das alles?“ „Ich hab's ihm ordentlich gegeben, weil denn doch alles verloren war. Herr, Ihr macht mich zum Lumpen, hab' ich geſagt, denn ich war außer mir. Ich bin noch nicht ſechzig Jahre alt, Gott hat mich geſund bleiben laſſen und mir Kraft zur Arbeit gegeben, und ich habe geglaubt, bis zum ſiebzigſten Jahre dem Staate dienen zu können! Was ſoll ich jetzt noch auf der Welt, wenn ich jetzt nicht mehr ſoll arbeiten können und nichts mehr ſein lſoll als eine Null! Erſt habt ihr mir den Wald genommen und jetzt vernichtet Ihr mir die letzte Be⸗ dingung zum Leben! Herr, das iſt mein Todesurteil, habe ich geſagt, und Ihr habt's gefällt!“ „Und was hat er darauf erwidert?“ „O, da hat es ihn auch gepackt,“ fuhr der Alte fort,„denn er iſt ganz weich geworden und hat gemeint, es tue ihm leid, und wenn es ginge, wolle man mir ſpäter eine andere Stelle, vielleicht auf einem Bureau, verſchaffen, aber jetzt könne er nicht anders, weil ich— weil ich den Stand entehre!“ Er griff plötzlich nach ſeinem Glaſe und begann haſtig das Bier hinunterzuſtürzen. Die Förſterin faßte ſeinen Arm: „Du darfſt nicht ſo ſchnell trinken, in den Zorn hinein, Lorenz, das ſchadet dir!“ „Laß mich,“ knurrte er,„um ſo ſchneller vergißt man, und das iſt das beſte. Weißt du noch, wie ich unſern Forſtwart, den Dieter, davongejagt habe des vielen Trinkens wegen? Der hat auch geſagt, er tue es, um ſein verſtorbenes Mädel zu vergeſſen. Dazumal hab' ich's für ein dummes Geſchwätz gehalten, aber heute ſeh' ich's ein, daß er recht gehabt hat, und tue dasſelbe. In der verfluchten Stadt hier hab' ich's gelernt!“ Er vergrub den Kopf in den Händen und auf die Worte ſeiner Frau nicht mehr achtend, verſank er in ein dumpfes Brüten. In der gegenüberliegenden Laube hatte Klara aufs neue das Geſpräch auf Hellborns Vergangenheit gebracht. „Und wie kam es, daß gerade Paris dieſe Wandlung in Ihnen hervorbrachte?“ fragte ſie. „Weil ich eben in Paris zum erſtenmal den Begriff der Großſtadt in ſeiner ganzen furchtbaren Bedeutung erfaßte,“ er⸗ widerte er.„Mir erſchienen fortan dieſe Ameiſenhaufen von Menſchen, die man Großſtädte nennt, wie Peſtbeulen des Landes, die immer weiter um ſich freſſen und die geſunde Volkskraft vergiften. Auf dem Lande fehlen die Arbeiter, in den Städten hungern ſie und ſchreien nach Arbeit. Da liegt der Kernpunkt der ganzen ſozialen Frage. Dieſelbe findet erſt dann ihre Löſung, wenn wir wieder Bauern werden. Es gibt Arbeit genug in der Welt, niemand braucht zu darben. Gebt nur jedem ſein Stück Land und laßt ihn ſchaffen, es nährt ihn ſchon. Aber das wollen ſie nicht. weil ſie dem Vergnügen nach⸗ laufen und, um das haben zu können, nur um des Goldes willen arbeiten. In den großen Städten iſt das Vergnügen zum Zweck des Daſeins geworden; nur um den Lohn ſchnöder Luſt wird die Laſt der Arbeit getragen!“ „Ja,“ ſtimmte Klara bei,„aber jede Arbeit ſollte nicht Laſt, ſondern Luft und wahre Freude ſein!“ „Damit ſie das ſei,“ fuhr Hellborn fort,„muß die Arbeit wieder Lebenszweck werden und die Ruhe, die Erholung das einzig wahre Vergnügen!“ Das leuchtete auch Frau Baumert ein. „Ach, dann würde es ja wieder wie in der guten alten Zeit!“ rief ſie. Hellborn nickte zuſtimmend „In gewiſſer Beziehung ja, ein Umkehren zum alten Leben in neuer, freier Form, denn völlig zurückgehen kann und ſoll der Menſch nicht. Alles Moderne iſt dagegen die zeitweilige Wiedererneuerung des Alten, und das eben iſt es, was unſere Zeit nötig bat!“ Die Tante betrachtete ihn mit unverhohlenem Staunen. „Sie wiſſen, das alles ſo klug und gelehrt zu ſagen, daß man es glauben muß!“ „O, wäre ich ein Mann geworden,“ brach Klara aus,„ich kennte kein ſehnlicheres Verlangen, als ſo ſein zu können wie Sie, Herr Hellborn!“ „Und warum ſollten Sie das nicht können?“ fragte er mit ſeiner tiefen, ernſten Stimme.„Wenn das ſchwächere Weib den Bund mit dem ſtärkeren Manne ſchließt, werden beide zu einer ungeahnten neuen Kraft. Und vereinte Kräfte haben immer noch mehr Gutes in der Welt geſchaffen als einzelne, verlorene!“ Frau Baumert hatte auf das Zwiegeſpräch kaum noch acht gegeben; ſie kämpfte offenbar mit einem Entſchluß. „Philoſophiert ihr nur immer weiter,“ meinte ſie, als beide eben ſchwiegen,„ich will inzwiſchen zu den anderen hinüber⸗ gehen; vielleicht wäre es ja doch möglich—“ „Den Vater umzuſtimmen, meinſt du?“ fragte Klara.„Wo denkſt du hin? Jetzt, nachdem er mich hier mit Herrn Hellborn geſehen hat?“ „O, ich fürchte ihn nicht!“ erklärte die Tante.„Er kann mir nichts tun. Er kann es mir doch nicht wehren, Adelheid zu begrüßen und zu Ottos Geburtstag zu gratulieren!“ „Aber er wird glauben, ich habe dich abgeſchickt!“ wandte das Mädchen ein. „Sei unbeſorgt!“ wehrte die Tante.„Er kennt mich und weiß, daß ich meinen eigenen Willen habe!“ (Fortſetzung folgt.) 8* iger ——— .—— 7 die das Haupt Molkenbuhrs auf dem Teller trug.(Gr. Heiterkeit.)— Dann griff der Reviſioniſt Bernſtein in die Debatte ein und erklärte den Vorwurf Ledebours, der Parteivorſtand habe die internationale Verſtändigungs⸗ aktion durchkreuzt, für vollſtändig unbegründet. Wenn irgendetwas die deutſche Stellung im Auslande miß⸗ liebig mache, ſo ſei es dieſe Art der Kritik.— Dann erſchien wieder der radikale Redakteur Dittmann ⸗So⸗ lingen auf der Tribüne und warf Fiſcher abſichtliche Verdrehung ſeines Artikels vor.— Der Zehn⸗Gebote⸗Hoffmann⸗ Berlin ſtellte ſich auch auf die Seite Roſa Luxemburgs, deren Kritik an dem Parteivorſtande Parteipflicht geweſen wäre. Der Parteivorſtand hätte weiter gehen müſſen in der Marokkoaktion. Schon der Dichter ſage:„Wer nie zu weit ging, ging niemals weit genug.“ Bebel be⸗ tarchtete es als ſelbſtverſtändlich, die Fehler des Partei⸗ vorſtandes zu verteidigen und den Vorſtand herauszu⸗ hauen.(Bebel ruft: Hauen! Hauen!) Molkenbuhr iſt ein bißchen pomadig und kann die Ruhe behalten, das iſt von Wert für den Vorſtand.(Bebel ruft: Ich nicht 7) Nein, du nicht, Genoſſe Bebel!(Große Heiterkeit.)— Landtagsabgeordneter Liebknecht erklärt, daß die Kritik an dem Parteivorſtande zeige, daß die Maſſen in viel größerem Maße auf Marokko blickten als der Partei⸗ vorſtand.— Darauf betrat Roſa Luxemburg die Tribüne. Der Parteivorſtand habe vielleicht geglaubt, weil er mit ſeiner Aktion für den Frieden zurückhielt, daß der„Panther“ nur nach Agadir ging, um Fiſch⸗ lein zu fangen.(Große Heiterkeit.) Ich muß mich zu meinem Bedauern gegen Bebel wenden.(Bebel ruft: Na los!) Bebel hat Privatgeſpräche mit Huysmann mit⸗ geteilt, in denen dieſer geſagt hat, ich habe nicht zum erſten Male eine Indiskretion begangen. Huysmann will mit die Akten des Internationalen Bureaus vorenthalten. Mit erhobener Stimme:) Ich möchte den ſehen, der es wagen würde, mir dieſe Akten vorzuenkhalten. Wroße Heiterkeit, die ſich ſteigert, als die wütende Rednerin zur Bekräftigung mehrmals mit der Fauſt auf den Tiſch ſchlägt.) Bebel wirft mir Unterſchlagung vor, weil ich nicht in meinem Artikel geſagt habe, daß der Vorſtand nur zunächſt von der Aktion abgeraten habe.(Bebel macht ſtändig erregte Zwiſchenrufe.) Sitzen Sie doch ſtill, Genoſſe Bebel! Bei weiteren Angriffen von Roſa Luxemburg auf Bebel wird der Lärm immer ſtärker, Rufe ertönen: Das iſt echt Luxemburgiſche Frechheit! Das iſt polniſch⸗züdiſche Dreiſtigkeit! Der Lärm wird immer ſtärker.) Die Rednerin ſchreit in den Saal: Sie haben Ihren Beifall aus dem deutſchen Süden, und den haben Sie redlich verdient!(Erneuter Lärm, Pfui⸗ rufe und Ziſchen, während die Rednerin die Tribüne ber⸗ läßt.)— Redakteur Hintze Bremen: Da Molkenbuhrs Brief nicht an eine Jugendgeliebte gerichtet ſei, hätte er vorſichtiger ſein müſſen.— Frau Zietz⸗ Hamburg: Nach ihrer Auffaſſung ſei der Aufruf des Parteivorſtandes in der Marokkoſache nicht zu ſpät erſchienen.— Abg. Lede⸗ bour: Es war ein durchſichtiges Manöver des Genoſſen Schmidt, daß er als Vertreter des Parteivorſtandes den Genoſſen Bebel zu ſeiner Verteidigung vorſchob. ſpringt entrüſtet auf und ruft: ſchieben! Das iſt eine Unverſchämtheit, eine Unverſchämtheit, j a, eine Unverſchämtheit! Ledebour fortfahrend: Ich werde mich durch dieſe Be⸗ leidigungen Bebels nicht tangieren laſſen. Der Redner be⸗ ſchuldigt des weiteren den Geſchäfts führer des„Vor⸗ wärts“, Fiſcher, der bewußten Un wahrheit.— Reichstagsabgeorneter David bezweifelt, daß die bis⸗ herige Debatte nach außen hin erſprießlich wirkt. Ich kon⸗ ſtatiere, daß die Behauptung, Bebel habe nur den Beifall der Süddeutſchen gehabt, fich ſelbſt richtet. Es muß endlich aufhören, die Sübddeutſchen als minderwertig zu qualifizieren. Sie kennen ja alle die Heimat der Ge⸗ noſſin Roſa Luxemberg. (Zuruf: Gott ſei Dank!) Der Vorſtand hat in der Ma⸗ rokkoaffäre nichts verſäumt.(Zuruf Ledebours: Armer Vorſtand!) Dieſe Bemerkung richtet ſich von ſelbſt. Der Redner konſtatiert— allerdings mit merkwürdiger Logik — als Ergebnis der Debatte die Einigkeit der Partei.(11) — Dann griff der greiſe Genoſſe Auguſt Bebel noh einmal in die Debatte ein. Bei meiner Korreſpondenz mit der Genoſſin Luxemburg ſchrieb ich immer„Liebe Ge⸗ noſſin Luxemburg“, und ſie ſchrieb„Lieber Genoſſe Bebel“. In Zukunft werde ich nicht mehr„Liebe Genoſſin“ ſchrei⸗ ben.(Heiterkeit.) Mit erhobener Stimme: Der Vorwurf, daß ich nur den Beifall der Reviſioniſten hatte, iſt ſo ungerecht wie nur möglich. Ich ſtehe 50 Jahre in der Partei und habe mich niemals nach Beifall geſehnt, ich glaube aber, es muß ein Geſetzentwurf eingebracht werden, wonach Parteigenoſſen über 50 Jahre nicht mehr mitwirken dürfen! (Ledebour: Ich bin ja auch ſchon 61 Bebel fortfahrend: Ich kenne Leute, die viel jünger ſind als ich, aber viel ſenibler.(Ledebour: Meinen Sie mich 2) Bebel: Gott be⸗ wahre!(Als Bebel die Tribüne verläßt, klatſchen die Süd⸗ deutſchen, worauf Bebel ängſtlich abwinkt.) Nach Schluß der Debatte hält Ledebour ſeinen Vor⸗ wurf, Bebel habe ſich ſchieben laſſen, aufrecht.— Bebel: Ledebour ſcheine den Sinn ſeiner Ausführungen nicht verſtanden zu haben, an Taktloſigkeit übertreffe er jedenfalls alle Parteigenoſſen. Darauf trat die Mittags pauſe ein. In der Vormittagsſitzung waren alle Anträge, die ſich in der Marokkoaffäre gegen den Parteivorſtand rich⸗ teten, angenommen worden. Mittags folgte dann ein Feſtakt vor dem Abbe⸗Denkmal, wo die Genoſſen einen Kranz mit weißer Schleife, die der Gärtner irrtümlich ſtatt einer roten angebracht hatte, niederlegten. In der Nachmittagsſitzung wurde ein Antrag auf An⸗ ſtellung zweier weiterer Parteiſekretäre und Einſetzung einer Kommiſſion, die über die Reorganiſation des Parteivorſtandes beraten ſoll, angenommen. Die folgenden Anträge beſchäftigten ſich mit der ſozialdemo⸗ kratiſchen Literatur, und einer derſelben verlangt eine beſſere Ausgeſtaltung des„Wahren Jakobs“, des Partei⸗ witzblattes. Der Antrag wurde angenommen. Ebenfalls vorſ(Bebel Ich laſſe mich nicht vor⸗ angenommen wurde ein Antrag über planmäßigere Agitation unter der Jugend durch Veranſtaltung von Verſammlungen, Herausgabe von Flugblättern und Broſchüren. Abg. Dr. eri führte dazu aus, daß von allen Seiten verſucht werde, den Sozialdemokraten die Jugend abſpenſtig zu machen. Dagegen müſſe man ſeine ganze Kraft einſetzen. Die Jugend wolle ihre überſchüſſige Kraft geltend machen und ſpiele daher Soldaten. Man ſolle ſie ruhig ſpielen laſſen, aber nicht Deutſche und Franzoſen, ſondern Gendarmen und Sozialiſten. (Heiterkeit und lebh. Beifall.) a Dem Vorſtande wurde Entlaſtung erteilt und ſodann die Sitzung auf Mittwoch vertagt.— Abends fand noch eine ſtark beſuchte Volksverſammlung ſtatt. Politiſche Rundſchau. 11 Marokko⸗Phantaſien. Das von einem Berliner Abendblatte am Dienstag abend verbreitete Gerücht, der vor Agadir in Marokko liegende deutſche Kreuzer„Ber⸗ lin“ ſolle durch einen Panzer einer neutralen Macht ab⸗ gelöſt werden, wird amtlich als unrichtig bezeichnet. 5 Die franzöſiſche Spionagefurcht treibt wieder bun⸗ teſte Blüten. Bei Rouvers, 23 Kilometer von Verdun ſur Meuſe, ging am Montag abend ein deutſcher Ballon nieder. Die drei Inſaſſen gaben an, einfache Reiſende bürgerlichen Standes zu ſein, die am Mittag aus Frank⸗ furt am Main abgeflogen ſeien. Die Gendarmerie be— ſchlagnahmte zahlreiche photographiſche Platten.— Auch ſonſt ſcheint in Frankreich die Nervoſität zu wachſen. An der Pariſer Börſe konnte ſich am Dienstag nach⸗ mittag die feſte Grundſtimmung nicht erhalten, es wurden Verkäufe vorgenommen, angeblich auf die aus Berlin gemeldete Zurückhaltung, die in Berlin tatſächlich gar nicht exiſtierte. 1! Die 45 Reichstagserſatzwahlen, die während der diesjährigen Legislaturperiode ſtattfanden, dre: ſtehen noch bevor, können in ihrem Ergebnis als vorbedeutend für die Januarwahlen betrachtet werden. Deshalb iſt folgender amtlicher Nachweis von Intereſſe: Die Deutſch-Kon⸗ ſervativen haben in acht Erſatzwahlen 5 Wahlkreiſe behauptet und drei verloren. Deutſche Reformpartei, Chriſtlich⸗Soziale, Deutſch⸗Soziale, Bund der Landwirte und Wirtſchaftliche Vereinigung verloren je einen Wahl⸗ kreis, letztere gewannen dafür einen Wahlkreis neu. Die Nationalliberalen haben von 9 Mandaten drei wiedergewonnen und ſechs verloren, in drei weiteren Erſatzwahlen haben ſie drei Wahlkreiſe neu gewonnen, im ganzen alſo drei Mandate verloren. Die freiſin⸗ nigen Parteien behaupteten einen Wahlkreis, verloren zwei, gewannen dafür aber zwei neue. Tas Centrum hat von 11 freigewordenen Mandaten 10 wiedergewon⸗ nen und 1 verloren, dafür 1 Wahlkreis neu gewonnen. Die Polen haben 5 freigewordene Mandate wiederge⸗ wonnen, die Welfen ein Mandat neu gewonnen. Die Sozialdemokraten endlich haben 4 Wahlkreiſe wiedergewonnen und 9 Wahlkreiſe neu gewonnen. : Ter chniſtlich⸗ſoziale Parteitag findet zurzeit in Wiesbaden ſtatt. Nach dem Geſchäftsberichte der Par⸗ tei iſt dieſelbe im letzten Jahre erheblich gewachſen. Die ſamteinnahmen betrugen 53955 Mk., die Geſamtaus⸗ gaben 44876 Mark. An Schriften ſind über 17000 Stück abgeſetzt worden. Die Partei beſchäftigt zurzeit ſieben beſoldete Berufsarbeiter. Für die nächſten Reichs ⸗ tagswahlen ſind bisher in 29 Wahlkreiſen chriſtlich⸗ſoziale Kandidaten aufgeſtellt. Ueber die Stellung zu den ande⸗ ren Parteien erklärte Kaufmann Neuhaus Barmen, der den Geſchäftsbericht erſtattete: Der Sozialdemo⸗ eratie ſteher wir ſchroff ablehnend gegenüber. Die liberalen Parteien— ausgenommen die Rechts- nationalliberalen— ſtehen uns heute ferner denn ie. Wo Freiſinn und Sozialdemokratie zur Stichwahl ſtehen, werden wir uns in der Regel der Stimmabgabe zu ent⸗ halten haben. Die Konſervativen haben wiederholt verſucht, uns Schwierigkeiten zu machen, trotzdem haben wir von Gegenmaßregeln abgeſehen, da ſie ohnehin in ihren eigenen Kreiſen Schwierigkeiten genug haben. Mit dem Centrum haben wir Berührungspunkte ins⸗ beſondere ſozial⸗ und wirtſchaftspolitiſcher Natur. 23: Die franzöſiſchen Gegenvorſchläge in dem Ma⸗ rokkohandel. In dreiſtündiger Beratung ſtellte Dienstag der franzöſiſche Miniſterrat die Antwort auf die deutſchen Gegenvorſchläge in der Marokkofrage feſt. Wie es heißt, bezieht ſich die Verhandlung nur auf die Zuſtände in Marokko. Ueber die Kompen⸗ ſationsfrage im Kongo wurde noch nicht verhan⸗ delt. Die franzöſiſchen Vorſchläge umfaſſen in ihrer neuen Form 20 Artikel und gipfeln im großen und ganzen in folgenden drei Hauptpunkten: 1. Franbreich erhält vollſtändige und klarſte politiſche Freiheit in Marokko. 2. Sämtliche Mächte, Frankreich mit einbe- griffen, ſind wirtſchaftlich vollſtändig gleich⸗ berechtigt, ohne Unterſchied und Sonderrechte. 3. Frankreich gibt die beſti m mteſten Garan⸗ tien für die Sicherung der wirtſchaftlichen Gleichheit. Am Mittwoch wird der endgültige Text der Vorſchläge feſtgeſetzt werden. ..: Der Mann, der den Maultorb leid war. Der ſozialiſtiſche Stadtrat Köppel in Neuſtadt a. d. Haardt hatte ſein Stadtverordnetenmandat mit der Begründung niedergelegt, daß er ſich von ſeinen ſozialiſtiſchen Kol⸗ legen keinen Maulkorb anlegen laſſe. Am Montag iſt Köppel nach einem Beſchluſſe der Mitgliederverſamm⸗ lung des Neuſtadter ſozialdemokratiſchen Vereins aus der Partei ausgeſchloſſen worden. ( Barfrankierung. Das Reichspoſtamt ſtellt ge— genwärtig eine eingehende Prüfung der Frage an, ob die Barfrankierung bei Poſtſendungen zugelaſſen werden * Die Prüfung iſt noch nicht zum Abſchluß ge⸗ angt. (7) Eine bemerkenswerte Auszeichnung. Dem ſpa⸗ niſchen Botſchafter in Berlin, Herrn Polo de Ber⸗ nabe iſt vom Kaiſer das Großkreuz des Roten Adlerordens verliehen worden. In der Zeit der Marokkoverhandlungen iſt dieſe Auszeichnung außeror⸗ dentlich bemerkenswert. (. Der Deutſche Anwaltstag gegen die zahlenmä⸗ ßige Begrenzung des Anwaltsſtandes. Der in Würz⸗ burg tagende Deutſche Anwaltstag hat mit 619 gegen 244 Stimmen den Antrag auf Einfübrung des Numerus clauſus in der Zulaſſung zur Rechtsanwalt⸗ ſchaft abgelehnt.— Das Ergebnis der Abſtimmung wurde auf der Tagung mit ungeheurem Jubel aufge⸗ nommen. Heer und Marine. § Von den engliſchen Manövern. Bei den engliſchen Landmanövern tadelte in ſeiner Kritik Generalmajor Hennicker, daß die Landſoldaten, insbeſondere die In⸗ fanteriſten, ſo leicht geneigt ſeien, davonzu⸗ laufen.„Dieſem Fehler muß mit allen Kräften ent⸗ gegengeſteuert werden, denn wenn die Leute ſchon bei Manövern davonlaufen, was ſoll erſt werden, wenn ſie ſich im Kriege feindlicher Infanterie gegen⸗ überbefinden, die ſcharf ſchießt, und feindlicher Ka⸗ vallerie, die mit dem Säbel haut und mit der Lanze ſticht?“ Der General iſt ferner der Meinung, daß die Offiziere wenig von Taktik wüßten und die Unteroffiziere keine Autorität bei ihren Leuten beſäßen. Europaiſches Ausland. Portugal. * In der portugieſiſchen Stadt Vianna do Ca⸗ ſtello iſt eine Monarchiſtenverſchwörung entdeckt wor⸗ den. Wichtige Schriftſtücke ſind beſchlagnahmt und zahl⸗ reiche Verhaftungen vorgenommen worden. Aſten. Perſien. ? Nach engliſchen Meldungen befindet ſich der Exſchah auf der Flucht nach dem Norden und dem transkaſpiſchen Rußland. Er ſoll mit ſieben Anhängern in Gum ü ſch⸗ tepe angekommen ſein. Die dortige Verwaltung hat eine Depeſche erhalten, daß die Ankunft des ehemaligen Herr- ſchers unmittelbar bevorſteht. Sein Anänger Sadar ed Dauleh ſcheint jedoch Fortſchritte zu machen. Er hält das ganze Land von Hamadan bis gegen Kaswin in Auf⸗ regung. China. * Das himmliſche Reich der Mitte wird immer mo⸗ derner. Jetzt wollen ſich die Chineſen ſogar eine ſchlag⸗ fertige Kriegsflotte zulegen. Im Marineminiſterium iſt ein ſich auf ſieben Jahre erſtreckendes Flotten bau⸗ programm ausgearbeitet worden, nach dem China nach Ablauf der genannten Friſt acht Linienſchiffe, 20 Kreuzer, zehn andere Schiffe und 50 Torpedoboote ſowie vier Ma⸗ rinearſenale beſitzen wird. Afrika. 7 Marokko. : Die Spanier haben in Marokko wieder eine Schlacht zu ſchlagen gehabt. Die Mauren haben die Spa⸗ nier am Kertfluſſe neuerdings angegriffen, wobet die Spanier einige Verluſte erlitten. Auf dem mau⸗ riſchen Marktplatze in Tel Nache Alhucemas fand eine Ver⸗ ſammlung ſpanienfeindlicher Marokkaner ſtatt, in der be⸗ ſchloſſen wurde, die Spanier in größerem Maß⸗ ſtabe anzugreifen. f Die Schlacht ſcheint für die Spanier außerordentlich verhängnisvoll geweſen zu ſein. Pariſer Blätter verzeich⸗ nen das Gerücht, daß ein ſpaniſches Regiment in dem Gefecht bei Raleza von den Rifleuten vollſtändig aufge⸗ rieben worden ſei. In den letzten 48 Stunden ſeien von Cadix, Malaga, Algeciras und Barcelona 10000 ſpa⸗ niſche Truppen nach Melilla abgegangen. Auch bei Fez, der Hauptſtadt Marokkos, ſollen wie⸗ der Unruhen ausgebrochen ſein. Der Stamm der Ait, Juſſi habe nach dem Abmarſch der franzöſiſchen Trußpen mit der Plünderung wieder begonnen. Ein Leutnant mit 600 Mann ſcherifiſcher Truppen, der Sefru beſetzt hielt, wurde von den Nit Juffi a ngegriffen, ſchlug ſie aber nach ernſtlichem Kampfe zurück. Die Ait Juſſi halten aufs neue die Umgebung der Stadt beſetzt. Sie haben die Verbindungen mit Fez abge⸗ ſchnitten und Poſtläufer angehalten. Oberſt Bre⸗ mond iſt Mittwoch früh mit 1500 Mann nach Sefru aufgebrochen.— Vielleicht ſind den Franzoſen dieſe neuen Unruhen nicht unermünſcht! Nußziand.** 2 In Rußland iſt wieder eine weitverzweigte Orga⸗ niſation von Sozialrevolutionären entdeckt worden. In Moskau wurde der bekannte Sozialdemokrat Rykow ver⸗ haftet, der ſeinerzeit aus Sibirien entflohen war. Bet ſeiner Leibesviſitation wurden Zettel mit 48 Adreſſen gefunden. Daraufhin haben nun Mas ſenverhaftun⸗ gen ſtattgefunden, darunter die Tochterdes Staa t 3. rates Rublik, die ſtädtiſche Feldſcherin Anuchia, der Herausgeber der Zeitung„Naſche Wremja“, Rogow, ſowie der einſtige Delegierte des Antialkoholkongreſſes, Firſſow, uſw. Damit im Zuſammenhange iſt eine ganze Anzahl Moskauer Sozialrevolutionäre entdeckt worden, die ſämt⸗ lich arrettiert wurden. Die Polizei erſucht die Vereins⸗ behörde um Schließung der Verbände der Tiſchler, Juwe⸗ liere und Buchführer, die ſtark kompromittiert ſind. Wäh⸗ rend der dreitägigen Hausſuchung ſind über 15000 revolutionäre Broſchüren konfisziert worden, die in ganz Rußland Verbreitung finden ſollten. England. 1 Die Kriegsfurcht in England ſteigert ſich wieder ins ungeheure. Bei der Verſicherungsgeſellſchaft Lloyd ſind die Verſicherungen gegen den Krieg bis auf 10 Proz. geſtiegen, und ſogar noch zu höherem Preiſe haben Abſchlüſſe ſtattgefunden. Soziales. . Waffenſtillſtand in der ſächſiſchen Metallinduſtrie. Das Kartell der ſächſiſchen Metallinduſtriellen hat die Ausſperrung der Arbeiter in Chemnitz und Dresden zu⸗ nächſt vom 13. bis 27. September aufzuheben beſchloſſen. Falls bis dahin keine Einigung zu ſtande kommt, ſoll die Ausſperrung wieder in Kraft kreten. Elf deutſche Alanen ertrunken. Ueber das Unglück wird noch ausführlich berichtet: Die erſte Infanteriebrigade war bis in die Nähe von Pirna gelangt. Zwei Huſarenpatrouillen hatten die Auf⸗ gabe erhalten, von Obervogelgeſang nach Poſta durch die Elbe zu ſchwimmen, um den dort liegenden Feind aufzuſpüren. Nachdem kurz vorher elbabwärts in der Nähe von Pirna zwei Schwadronen Garde⸗Ulanen den Strom glücklich paſſiert hatten, ſollte gegen 10 Uhr vor⸗ mittaas eine aus 25 Mann heſtehende Patrouille unter falls 2 das l 8 Uhr kwier ftouill Mann Paſſer echte Selle. ſich an Veſchre Hung lich un Kähken oberhal cchaften P. die gef lannten * ſich vol —————— *. 88— 222— 2 * 8—— 2— 8 3 3 3 8 S eine 22 bel . ö ; e an eines Unteroffiziers und eines Gefreiten eben⸗ alls nach dem gegenüberliegenden Ufer überſetzen. Die Soldaten hatten mit ihren Pferden gerade die Mitte des Stromes erreicht, als ein Pferd unruhig wurde und ſeinen Reiter abzuſchütteln ver⸗ ſuchte. Es entſtand eine große Panik unter den Pferden. Mehrere Soldaten wurden von den Rücken der Tiere geriſſen. Andere tauchten mit ihren Pferden unter. Anſcheinend befand ſich an der Stelle ein Strudel, von dem die Pferde erfaßt worden waren. Auf die Hilferufe der im Strom treibenden Soldaten eilten ſofort die in der Nähe befindlichen Schiffer herbei. In folge der ſchweren Ausrüſtung, die die Soldaten trugen, konnten ſie ſich nur kurze Zeit über Waſſer halten und verſanken vor den Augen der entſetzten Kameraden in den Fluten des Elbſtromes, noch ehe die Schiffer Hilfe bringen konnten. Es ertran⸗ ken ell Mann, darunter der die Patrouille führende Unteroffizier Dietrich. Mit Hilfe der Schiffer und der ebenfalls herbeigeeilten Rettungsmannſchaften gelang es, die im Strom treibenden Leichen bis auf eine zu bergen. Die Toten wurden an das Ufer von Poſta gebracht und in einem am Elbufer liegenden Gärtchen niedergelegt, von wo ſie in der zweiten Nachmittagsſtunde von einem Leichenwagen abgeholt wurden. Von den Pferden er⸗ tranken zwei, die übrigen retteten ſich ans Ufer. Der König von Sachſen, der umgehend benach- richtigt wurde, ordnete die ſtrenge Unterſuchung des Vor⸗ falls an. Der amtliche Bericht über die Kataſtrophe geht dahin: das Unglück ereignete ſich ſüdlich von Pirna. Kurz vor 8 Uhr wurde die Patrouille, 24 Köpfe, unter Führung zweier Leutnants gegen den Feind vorgeſchickt. Die Pa⸗ trouille ging bei Pofta über die Elbe. Leutnant Streſe⸗ mann ſchickte einen Ulanen vor, der mit der Lanze die Waſſertiefe unterſuchen ſollte. Bevor die Patrouille das rechte Ufer erreichte, geriet ſie in eine 4 Meter tiefe Stelle. Die beiden Leutnants und einige Mann konnten ich ans rechte Ufer retten, die übrigen wurden nach der Beſchreibung eines Augenzeugen von der ſtarken Strö⸗ mung wie ein Knäuel zuſammengerollt und gingen plötz⸗ lich unter. Einige Mann wurden von Fiſchern, die mit ſeähnen zu Hilfe eilten, gerettet.— Kurs vorher hatten oberhalb und unterhalb der Unglücksſtelle andere Mann⸗ ſchaften die Elbe ohne Unfall überſchritten. Private Berichte beſagen weiter: Als die Offiziere die gefährliche Lage der ihnen folgenden Soldaten ev⸗ kannten, zogen ſie ſofort die Uniform aus und ſtürzten lich von neuem in den Strom, um die Leute zu retten, konnten jedoch nicht bis zur Mitte gelangen wegen der ſtarken Strömung. Ein in der Nähe wohnender Haus⸗ beſitzer eilte ihnen zu Hilfe und brachte ſie glücklich ans Land. Den Schiffern gelang es jedoch nicht, die in den Strudel geratenen Mannſchaften zu retten; ſie ertranken ſämtlich, und ſtundenlange Wiederbelebungsverſuche blieben erfolglos. Ein ſchwunghafter Kinderhandel. Die frühere Stuttgarter Polizeiaſſiſtentin Schweſter Henriette Arendt will einem umfangreichen Kinderhandel in der Reichshaußkſtadt auf die Spur gekommen ſein, nachdem ſie auf Veranlaſſung der Deutſchen Geſellſchaft für Mutter⸗ und Kindesrecht von Mitte Juni dieſes Jahres ab einem beſonderen Studium dieſes traurigen Gebietes der gewiſſenloſeſten Kinderaus⸗ beutung ſich hingegeben hatte. Sie macht darüber fol⸗ gende aufſehenerregenden Mitteilungen: Sie könne beweiſen, daß in Berlin Kinder in jeder Preislage von 300 Mk. aufwärts bis zu 10000 Mk. und mehr z u den verſchiedenſten Zwecken nach dem Aus⸗ lande verkauft wurden, ohne daß den Händlern von irgendeiner Behörde Schwierigkeiten gemacht werden. Ein großer Teil deutſcher Kinder, die mit Abfindung über⸗ nommen werden, werde in das Pariſer Findelhaus ex⸗ vediert und auf Koſten der franzöſiſchen Nation unker⸗ Halten. In einem Falle habe ein fragtwürdiges Ehepaar, das in einem Vorort von Berlin wohnt, ſogar die Kon⸗ zeſſion, Koſtkinder zu halten. Es übernehme Kinder mit Abfindungsſummen von 3000 bis 5000 Mark und laſſe dieſe Kinder entweder bald ſterben oder ver⸗ ſchwinden. Die Frau ſei— nach ihrer eigenen Angabe — auch zwei Jahre Waiſenhauspflegerin geweſen. Der einzige Erwerb, den dieſe Leute nachweiſen könnten, ſei die Herſtellung unzüchtiger Poſtkarten. Aus Stadt und Land. Seechsfacher Mord und Selbſtmord. Eine Fa⸗ milientragödie hat ſich in Waßfeld bei Sehlde in Hannover abgeſpielt. Der Arbeiter Zaudtke durchſnchitt ſeiner Frau und ſeinen fünf Kindern die Kehlen und erhängte ſich darauf. Zaudtke, der längere Zeit krank war, dürfte die Tat in einem Anfall von geiſtiger Stö⸗ rung begangen haben. Der Schrecken der kroatiſchen Arbeiter. In dem Orte Delecke bei Soeſt wurde der Metzgermeiſter Löhr bei einem Wirtshausſtreit von fünf kroatiſchen Arbeitern niedergeſtochen. Als der Polizeibeamte Wulf die Täter verhaften wollte, fielen ſie über ihn her und ſtachen mit ihren Dolchen auf ihn ein. Wulf war nach wenigen Minuten tot. Die Meſſerſtecher flüch⸗ teten in den naheliegenden Wald: es gelang jedoch, drei von ihnen zu verhaften. Noch nicht dageweſen. Infolge der unglaublichen Trockenheit brannten im Kreiſe Bergheim zwiſchen den Orten Grottenhroten und Ameln ſechs Morgen Zuckerrüben ab, deren Laub durch die Dürre trocken wie Stroh war. Wie verlautet, liegt Brandſtiftung aus ache vor. Die ertrunkenen ſächſiſchen Ulanen. Die Namen der bei der Manöverübung in der Elbe ertrunkenen AMlanen ſind: unterofftzier Dittrich, Gefreiter Jedicke, efreiter Poſſart, Gefreiter Obransk zka, ferner die Ulanen Zimmermann, Gruhl, Hut, Börner rie die Reſerviſten Wildenhain und Kreißig. er Name des elften Toten iſt noch nicht feſtgeſtellt. „„„ 51 Jahre im Zuchthaus zugebracht hat der jetzt im Alter von 84 Jahren in der Striegauer Strafanstalt verſtorbene Privatſchreiber Eduard Kyms Der Mann war 1860 wegen Mordes zu lebenslänglichem Zuchthaus verurtelit worden. * Weitere ſieben Manöver⸗ Opfer. Während des Manövers im Aachener Bezirke ſind dem„Echo“ zu⸗ folge ſieben Soldaten, zumeiſt Reſerviſten des Re⸗ giments 160, an Hitzſchlag geſtorben. ** Schwere Explosion in einer Metallfabrik in Rußland. In einer Metallfabrik in Zarizyn explo⸗ dierte ein Keſſel, in dem ſich viertaufend Zentner flüſſiges Metall befanden. Die Arbeiter, die etwa fünftauſend Mann ſtark waren, flüchteten panikartig. Mehrere Perſonen wurden getötet, zahlreiche ſchwer ver⸗ wundet. *Der Einſturz im Theater in Nizza. Auf Ver⸗ anlaſſung des Unterſuchungsrichters in Nizza iſt der Architekt, der die Ausbeſſerungen im Vergnügungs⸗ Etabliſſement„El Dorado“ leitete, wegen„fahrläſſiger Tötung“ verhaftet worden. Die Aufräumungsarbeiten ſind nunmehr vollſtändig beendet. Die Zahl der Opfer beläuft ſich nach den letzten Feſtſtellungen auf neun Tote und fünfzehn Schwerverwundete. * Der Aetna in Tätigkeit. Der Ausbruch des Aetna nimmt immer größere Dimenſionen an. Aus 16 neuen Kratern ſtrömt die Lava den Berg herab. Die Vegetation iſt bereits vollſtändig verwüſtet, mehrere Häuſer ſind eingeſtürzt. Auch ver⸗ ſchiedene Eiſenbahnſtrecken ſind bedroht. * Rieſenbrand in Antwerpen. Dienstag abend gegen 11 Uhr brach auf den Holzſtapelplätzen der größten Antwerpener Firma am Ferdinandhafen ein Brand aus, der ſich mit ungeheurer Geſchwindigkeit aus⸗ dehnte. Das Feuer griff auch auf die benachbarten kleineren Holzplätze über, ſo daß auch dieſe bald in hellen Flammen ſtanden. Da, durch den ſtarken Wind begünſtigt, das Feuer immer größere Dimenſionen an⸗ nahm, waren die Bewohner der in der Nähe der Sta⸗ pelplätze befindlichen Häuſer gezwungen, in wilder Flucht ihre Wohnungen zu verlaſſen. Tie Feuerwehr ſtand dem Rieſenbrand machtlos gegenüber und alarmierte die Brüſſeler Feuerwehr, die ſich ſofort zur Brandſtelle begab. Den Bemühungen der vereinigten Wehren ge⸗ lang es, das Feuer auf ſeinen Herd zu beſchränken. Es ſind neun Häuſer niedergebrannt. Sie⸗ ben Perſonen ſind bei dem Brande verwundet wor⸗ den. Der Rieſenbrand übertrifft an Ausdehnung den Brand vom Jahre 1907. * Schon wieder ein Fliegerabſturz. Der franzö⸗ ſiſche Militäraviatiker Chotard ſtürzte bei Villacoublay ab und erlag den erlittenen Verletzungen. ** Ingenieur Richter iſt am Dienstag mittag 1,44 Uhr auf dem Bahnhofe in Jena wieder eingetroffen. Auf dem Bahnhofe hatte ſich eine nach vielen Hunderten zählende Menſchenmenge eingefunden, die den Heimkehren⸗ den beim Verlaſſen des Zuges mit lebhaften Ovationen begrüßte. Richter wurde auf dem Bahnſteig von ſeiner Frau erwartet und nach langer Trennung herzlich in die Arme geſchloſſen. Dann beſtieg Richter mit Mutter, Frau und Tante einen blumengeſchmückten Wagen, mit dem er durch die Stadt fuhr. ** 2000 Zentner Getreide vernichtet. Bei Bonn iſt der mit Getreide beladene S chleppkahn„Marie“, der, von Rotterdam kommend, nach Mannheim beſtimmt war, auf Grund geraten und leck geworden. 2000 Zentner Weizen und Gerſte ſind unter Waſſer geſetzt. 5 Opfer des Rheines. An dem fer des Rheines bei Düſſeldorf landeten die Leichen von vier Perſonen, die beim Baden ertrunken waren. Es find dies der Kunſtmaler Claus aus Böhmen, der Agent Arthur Emigs aus Eſſen a. d. Ruhr ſowie zwei Unbekannte, eine etwa 25 jährige Frau und ein 12 jähriger Knabe. Eiſenbahners Tod. In Barmen geriet der Bahnbeamte Kohaupt, ein älterer Mann, beim Zuſchla⸗ gen einer offen gebliebenen Abteilstür unter den Zug; es wurden ihm beide Beine abgefahren, ſo daß er bald darauf ſtarb. . Mobilmachungsunfug. Einen ſehr frivolen Scherz leiſtete ſich ein A e en in Lengsdorf bei Bonn. Er heftete eine„Kriegser jürung“ überſchriebene Bekannt⸗ machung an einen Telegraphen⸗Maſten, die die Unter⸗ ſchrift des Bürgermeiſters und den Reichsadler als Stem⸗ pel trug. Die Aufregung, namentlich der weiblichen Be⸗ völkerung, war natürlich groß, zumal die„Kriegserklä⸗ rung die ſofortige Meldung aller dienſttauglichen Mann ⸗ ſchaften verlangt. Erſt als die Polizei öffentlich feſtſtellte, daß es ſich um einen groben Scherz handele, legte ſich die Aufregung. „3, Ein 68 jähriger Mörder. In der Pahlinger Heide bei Lübeck wurde der Gärtner Peters aus Holthuſen ermordet und beraubt. Als Täter iſt der 68 Jahre alte Arbeiter Rattſchlag verhaftet worden. Eine gemeine Tat. Unbekannte Täter haben in der Dienstag Nacht in Grafendorf bei Klagenfurt ein Bahnwärterhaus, in dem der Bahnwärter mit 3 und Kindern ſchlief, in Brand geſteckt. Da die erbrecher die Tür und die Fenſter mit Brettern 10 genagelt hatten, ſchwebten die Inſaſſen in hoher inen naß Aae bis es ſchließlich einer Magd aus einem nahe belegenen Gehöft gelang, die ſchwer bedrohten kes bereits mit Brandwunden bedeckten Perſonen zu be⸗ reien. * Fortgeworfene Choleraleiche. Der türkiſche Tampfer„Allah Kerim“, welcher in den Gewäſſern von Burgas zwei Choleraleichen über Bord ge⸗ worfen hatte, wurde von einem bulgariſchen Kriegs- ſchiffe verfolgt und aufgebracht, worauf er den rumaͤni⸗ n Behörden ausgeliefert wurde. „ Eiſenbahnunglück. Bei Touf(Frankreich) entgleiſte Dienstag zein Perſonenzug. Der Zugführer wurde ge⸗ tötet, drei Frauen wurden verletzt Ter Verkehr Paris⸗ Straßburg wird durch Umſteigen bewirkt. Kleine Nachrichten aus Stadt und Land. Der bekannte Erfinder Tlomas Ediſon befindet ſich auf der Reiſe nach Berlin. In dem Dorfe Jam u bei Piſek in Südböhmen ſind 33 Häuſer ſamt der eingebrachten Ernte niederge⸗ brannt. Der Schaden iſt groß; es ſind 284 Perſonen obdachlos. Auf einer Autom obilfahrt nach Küſtrin fand durch Umſchlagen des Wagens der Berliner Fabrikbeſitzer Paul Müller den Tod, während ſein Bruder ſchwere Ver⸗ letzungen davontrug. In der Böhmiſchen Schweiz ſind verheerende Waldbrände ausgebrochen. In dem Dorſe Grüningen bei Villingen ſind 30 Häuſer abgebrannt. Auf dem Oelberg, der höchſten Spitze des Sieber⸗ gebirges, brach am Dienstag abend ein Waldbrand aus, der aber bald gelöſcht werden konnte. Aus Nah und Fern. — Feudenheim, 13. Sept. Ein bebauerlicher Un⸗ glücksfall betraf die Familie des Landwirts Seibert von hier. Der 19 Jahre alte Sohn Peter war damit beſchäftigt, Jauche auf das Feld zu fahren. Unterwegs ſcheuten die Kühe und gingen duich, wobei Peter vom Wagen geſchleudert und ge⸗ ſchleift wurde, ſodaß er außer ſchweren Arm- und Beinver⸗ letzungen eine Gehirnerſchuͤtterung davontrug. Zufällig des Weges kommende Leute hielten die Kühe an und brachten den Bewußtloſen nach Hauſe.— Eine Enttäuſchung erlebte ein hieſiger Bürger. Als er nach ſelnem Obſt ſehen wollte, mußte er die Entdeckung machen, daß ein Birnbaum in der Nacht geleert worden war. Als er die noch am Boden liegen den Früchte aufhob, fand er einen Notenſtänder, auf dem ein Name ſtand. Die Polizei hatte infolgedeſſen leichtes Arbeiten und ermittelte, daß es drei Feudenheimer und ein Wallſtädter Muſiker waren, die auf der Heimkehr von der Probe die Birnen holten. — Nieder ⸗Liebersbach, 13. Sept. Am Samstag fand die Wahl eines neuen Bürgermeſſters dahier ſtatt. Herr Gemeinderat Kohl erhielt 70 und Herr Beigeordneter Hubner 66 Stimmen. Erſterer iſt ſomlt gewählt. Worms, 13. Sept. In der Nacht vom 7. auf 8. September d. Js. wurden in der Gemarkung Bechtheim aus einem Weinberg eine größere Partie Trauben entwendet. Zur Ermittlung des unbekannten Täters begab ſich Kriminalſchutz⸗ mann Würtz mit ſeiner Polizeihündin„Wanda“ an den Tat⸗ ort, woſelbſt der Hund nach Aufnahme der Spur dieſe bis an eine in der Nähe des Bahnhofes Monzernheim gelegenen Backſteinbrennerei verfolgte und einen dortſelbſt beſchäftigten Arbeiter verbellte. Dieſer leugnete zwar die Tat, konnte aber durch eine erfolgreiche Durchſuchung ſeiner Schlafſtelle über- führt werden. * Bensheim, 13. Sept. Der Direktor der hie ſigen Wach- und Schließgeſellſchaft A. T. Schmitt wurde wegen bedeutender Unterſchlagungen verhaftet. Er gründete hier ohne jede Mittel mit überſchwenglichen Anpreiſungen die Wach- und Schließgeſellſchaft und luß ſich von den Kontrolleuren und Sekretären 1500 bis 1700 Mark Kaution zu zahlen. Die von den Beamten hinterlegten Gelder im Geſamtbetrage von 70 000 Mark verbrauchte er zur Pachtung einer Jagd und zum Kaufe eines größeren Gutes im Odenwald. — Ludwigshöhe, 13. Sept. Hier hat man den Bock zum Gärtner gemacht, indem ein Weinbergsſchütze, ſtatt auf die Spatzen uſw. zu achten, ſeine Zeit mit Auspluͤnde⸗ rung der Obſtbäume ausfüllte. Der Mann iſt zur Anzeige gebracht worden. — Biblis, 18. Sept. Das Weißkraut wird hier an der Bahn zu 7 Mk. der Zentner verladen. Das Gurkenge⸗ ſchäft geht jetzt zu Ende. Für das Hundert wird 1 Mark durchſchnittlich bezahlt. — Trebur, 13. Sept. Der Architekt Baſtian, Sohn des Lehrers Baſtian in Schwabsburg, war zur Beerdigung ſeines Schwieger vaters mit ſeiner Frau nach hier gekommen. Als die Leidtragenden vom Grabe zurückkehrten, ſank der 36. jährige Architekt infolge eines Herzſchlags tot in die Arme ſeiner Frau. — Dieburg, 13. Sept. Der 66jährige Maurer Andreas Gruber aus Eppertshauſen dei Dieburg ſprang am Samſtag früh bei der Einſahrt des Zuges im Frankfurter Hauptbahnhof aus einem Wagen, kam dabei zu Fall und unter die Räder zu liegen. Gruber erlitt ſchwere Verletzungen und wurde ins Krankenhaus gebracht. — Friedrichsfeld, 13. Sept. Der ſeit einiger Zeit vermißte Töpfer Wolf wurde im Seckenheimer Wald erhängt aufgefunden. Vor der Tat hatte W. ſeine Kleider ſäuberlich zuſammengelegt und auf einen Stein ſeine Perſonalien nieder ⸗ geſchrieben. Heidelberg, 13. Sept. In Altneudorf im Stein⸗ achtal wurden von einem Einwohner 3 Muſcheln, die wert⸗ volle Perlen enthielten, gefunden und für 30 Mk. nach Heidel⸗ berg verkauft. Jetzt ſind die Perlen zum Preiſe von 700 Mk. nach Frankfurt verkauft worden. Lokale Nachrichten. * Viernheim, 14. Sept. Hente abend beginnt im„Freiſchütz“ der ſozial⸗apologetiſche Unterrichtskurs. Es wird darauf nochmals beſonders hingewieſen und zur recht zahlreichen Be⸗ teiligung eingeladen. Marianiſche Jünglingsſodalität. Schon jetzt machen wir die Sodalen auf den am Sonntag ſtatt findenden Aus flug ins herrliche Birkenauer Tal aufmerkſam und laden zu recht zahlreicher Betelligung ein. Die Abfahrt erfolgt Mittags 12 Uhr mit der kleinen Bahn. Die Mitglieder der Sod alität haben Preiser mäßigung. Näheres wird in der nächſten Nr. bekannt gegeben. Rechunngsformnlare w d d und Verlags druckerei von Wilhelm Bingener, Viernheim Halhauz an im Karl“, Famperlfein roh. Amtsgerickt 5 Ballhaus„Zur Germania“ Jamperthein — in der Neuſchloßſtraße— empfehlen ſich der geehrten Viernheimer Einwohnerſchaft bei ihrem Beſuche hierfelbſt unter Zuſicherung deſter und auf merk ſamſter Bedienung. Ausſchaut von prima Lager Dier aus der Brauerei Kühner, Viern* Bekanntmachung. Die Offenlegung der Wählerliſten für die Wahlen zum XXIV. Landtag betr. Die Wählerliſten der Gemeinde Viernheim für die Wahl eines Abgeordneten zur Zweiten Kammer der Stäude legt von Donnerstag, den 14. September ds. Is. bis Mittwoch, den 27 September ds. Is., beide Tage einſchließlich, vormittags von 8 Uhr bis 12 Uhr und nachmittags von 2 Uhr bis 5 Uhr auf dem Bürgermeiſterei⸗ Büro zu Viernheim zu jedermanns Einſicht offen. Während dieſer Friſt können Einwendungen gegen die Richtigkeit und Bollſtändigkeit der Wäghlerliſte ſchriftlich oder mündlich zu Protokoll bei der Büraermeiſterei erhoben werden. Berechtigt zur Erhebungen von Einwendungen ſind alle 3 Perſonen, die zur Zeit der Wahl— d. i. am Nowember 1911— das 25. Lebensjahr zurückgelegt und 4 des Wahlkreiſes ihren Wohnſitz haben und zwar bezüglich aller Eintragungen in die Wählerliſte. Wer die Eintragung eines Wählers verlangt, muß für dleſen den Nachweis erbringen, daß er 1. am 3. November 1911 das 25. Lebensjahr zurück- gelegt hat, 2. am 3. November 1911 wenigſtens drei Jahre im Großherzogtum wohnt und ein Jahr die heſſiſche Staatsangehörigkeit beſitzt und 3. ſeit Anfang des Rechnungsjahres 1911 zu einer direkten Staats⸗ oder Gemeindeſtener herangezogen iſt, oder zu den in Art. 6 Abſ. 2 des Geſetzes vom 3. Juni 191t, die Landſtände betreffend, genannten Perſonen gehört. Werden dieſe Nachweilſe, als welche Geburtsſchein, Staatsangehörigkeitsausweis, Anmeldungsbeſcheinigung, Steuer⸗ zettel uſw. dienen können, bis zum Ablaufe der Reklamations⸗ friſt nicht oder nicht vollſtändig vorgelegt, ſo bleibt die Ein ⸗ wendung unberückſichtigt. Viernheim, den 9. September 1911 Großherzogliche Vürgermeiſterei Viernheim. Kühlwein. —— a*. Ia. Tabaksgarn 2 Draht 6 T G 2E M. 1. 75 netto 2 Draht 8 T R 2 be. M. 1. 80 netto empfiehlt Johann Schreibe. Bernh. Oppenheimer empfiehlt Arbeitskleider für fart jeden Beruf in grosser Auswahl zu den billigsten Preisen. Wolen Ile bal Sparen Seb bei Fed. Ebert, Weinheim vis-ù-wis dem Badischen Hof. 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Vortrag über Saatgut wechſel, 3. Gratisverloſung von Gebrauchsgegenſtänden unter die anweſenden Vereinsmitglieder. In Anbetracht der wichtigen Tagesordnung, peztell der Entſchädigungsfrage bei Tuberkuloſe, die für die Mit⸗ glieder von großem Intereſſe iſt, erſuchen wir dieſelben dringend, pünktlich und vollzählig zu erſcheinen. Der Vorſtand. Landw. Bezugs- U. Isatz-Oengssenscbaft Anmeldungen zum Bezuge von prima Herbſtſaatgut (Korn, Weizen, Wintergerſte) und Kohlen können bei unſerem Rechner Joh. Adler 9., Jakobſteaße 10 gemacht werden. Auch Anmeldungen von Nichtmitgliedern zu obigem Bezuge werden entgegengenommen. In unſerem Lager iſt erſtklaſſiges Maisſchrot eingetroffen. Der Vorſtand Lohlen-Kasss des Medizinal-Verbanges. Den bezugsberechtigten Mitgliedern zur Nachricht, daß in den nächſten Tagen mit dem Verladen der Kohlen begonnen wird. Diejenigen, welche mit der Zahlung von alten Kohlen noch im Rückſtande ſind, werden gebeten, hre Schuldigkeit alsbald zu begleichen, widrigenfalls ſich der Vorſtand genötigt ſieht, ſtatutengemäß gegen die Säumtgen vorzugehen. Der We ** Turn- denossenschaft„Germania“ Behufs Einſchulen der Pyramiden und der tur nertſchen Aufführungen zum diesjährigen Rekruten ⸗Abſchiedsball werden ſämtliche Turner und Zöglinge dringend erſucht, ſich Mittwochs und Samstags Abends pünktlich einzufinden. Samstag Abend Pyramidenbau. Der Turnrat. Radfabrer-Aiub„Wanderer“ Viernheim. Samſtag abend halb 9 Uhr Zusammenkunft im Lokal zum goldenen Ritter. Der Vorſtand. Vollzähliges Erſcheinen erwartet Mitttär-Brieftauben-Verein„Heimatliebe“. Freitag, den 18. Teptember, abends 9 Uhr Mitglieder- Perſammlung im Gaſthaus„Zum Stern“. Der Wichtigkeit wegen wird vollſtändiges Erſcheinen etwartet Der Vorſtand. 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