Lokale Nachrichten Nachkirchweih⸗Sonntag. Am geſtrigen Sonntag wurde das Nachkirch⸗ weihfeſt gefeiert. In allen Lokalen war nochmals Betrieb. Hier ſpielte die Muſik zum Tanz und dort wurde zur Unterhaltung und froher Geſelligkeit gefiedelt. Der Beſuch der Vergnügungslokale blieb jedoch weit hinter dem Vorſonnntage zurück. Auf dem Marktplatze war trotz des neblichen kalten Wetters, beſonders in den ſpäten Nachmittagsſtunden reger Betrieb. Karuſſell, Schiffſchaukel, Glücksbuden und Zuckerſtände boten nochmals überreichlich Ge⸗ legenheit ſeine Groſchen an den Mann zu bringen. Kirchweihe 1931 gehört nunmehr entgültig der Vergangenheit an.— Zur Nachkirchweihe wurde uns ein beſondrer ſportlicher Genuß beſcheert. Der Rheinmeiſter Waldhof weilte geſtern auf dem Wald⸗ ſportplatz zur Austragung des fälligen Verbands- ſpiels. Schon kurz nach 1 Uhr begann eine wahre Völkerwanderung zum Sportplatz. Mit Auto, Fahr- räder, per Fuß und per Bahn kamen die Sport- anhänger von Mannheim und Waldhof um Zeuge dieſes Treffens zu ſein. Mehr als 100 Automo- bile und mehr als 1000 Fahrräder ſtanden vor dem Sportplatz und in demſelben befanden ſich ca. 5000 Sportbegeiſterte, die dem Treffen mit Intereſſe folgten. Die Grünen verloren unerwartet hoch 0:5. Das Reſultat wird jedoch dem Spielverlauf gerecht. Waldhof iſt unſtreitbar die beſte Mannſchaft des Bezirks. Der zum Ballabwurf und Unterhaltung in der Halbzeit angeſagte Flieger traf erſt nach der Halbzeit ein, vollführte in der Luft einige Kunſt 61 55 und gondelte wieder Richtung Mannheim avon. * Der Polizeibericht der letzten Woche meldet: 7 Anzeigen wegen Vergehen gegen die all⸗ gemeine Bauordnung. * Kein Ende der Entlaſſungen. Die Weinheimer Nudelfabrik Wilhelm Henſel („Drei Glocken“) hat 65 ihrer Angeſtellten gekündigt. Die Abſicht iſt: Gehaltskürzungen und Perſonal— abbau. „Mainzer Wohlfahrts⸗Geldlotterie. Donnerstag, den 26. November nachmittags 3 Uhr findet die Ziehung der Mainzer Wohlfahrtsgeld⸗ lotterie ſtatt. Jedermann hat freien Zutritt zu dieſer Ziehung. Loſe a 50 Pfg. ſind überall noch ſolche zu haben. Wir verweiſen auf die Inſerate in dieſer Zeitung. * Bauliche Veränderungen poli⸗ zeilich melden. Wie aus dem Polizeibericht in vorliegender Rummer zu erſehen iſt, wurden wiederum 7 Hausbeſitzer veranzeigt, weil ſie an ihren Gebäuden bauliche Veränderungen ohne die notwendige Baugenehmigung vorgenommen haben. Wir machen die Hausbeſitzer hierauf aufmerkſam and empfehlen, bei irgend welchem Bauvorhaben Anmeldungen zu machen. * Beim Holzfällen verunglückt. Heute Vormittag zwiſchen 7 und 8 Uhr verunglückte im Wald beim Holzfällen der 45 Jahre alte, ver- heiratete Waldarbeiter Herr Georg Schmitt, Bür⸗ ſtädterſtraße 12 wohnhaft. Von einem umſtürzen⸗ den Baumſtamm wurde dem Bedauernswerten, als er ausweichen wollte und durch ſtolpern zu Fall kam, das linke Schienbein durchgeſchlagen. Die alarmierte Arbeiter Samariter- Kolonne leiſtete dem Verunglückten die erſte Hilfe und verbrachte denſelben mittels Auto der Firma Heckmann in das hieſige Krankenhaus, wo ihm ärztliche Hilfe zuteil wurde. * Ein Berufsbettler trieb hier heute Vormittag ſein verbotenes Gewerbe. Die Polizei hat ſich ſeiner angenommen. «Die Winzerprinzeſſin vom Rhein. Allſeitigen dringenden Wünſchen zufolge hat ſich der Vorſtand des Geſangvereins Liederkranz entſchloſſen, die am Kirchweih⸗Dienstag mit ſo großem Erfolge aufgeführte Operette„Die Winzerprinzeſſin vom Rhein“ am kommenden Samstag, abends 8 Uhr im Engelſaale nochmals zur Aufführung zu bringen. Es iſt dadurch auch allen denen Rechnung getragen, die bei der erſten Aufführung infolge Ueberfülle des Saales keinen Platz mehr bekommen konnten. Wir können auf Grund unſerer erſten Veranſtal⸗ tung garantieren, daß alle Beſucher genußreiche Stunden, in des Wortes wahrſter Bedeutung er⸗ leben werden. Da dies die letzte Aufführung ſein kann, weil am Sonntag der Advent beginnt, iſt dringend zu raten, ſich baldigſt eine Karte zu ſichern. Die Preiſe hierfür werden wiederum nur RM. 0.40 für Mitglieder und RM. 0.60 für Nichtmitglieder betragen. Es iſt ſomit auch allen wirtſchaftlich weniger gut geſtellten die Möglichkeit geboten, für wenig Geld echt rheiniſches Leben in Muſik, Geſang und Schauſpiel kennen zu lernen. DI K.⸗Sport Sport am Sonntag, den 22. November 1931. Freundſchaftsſpiel: Viernheim 1.— Rot Weiß Mannheim 3:5 Wenn auch Viernheim 1. mit 3 Erſatzleuten ſpielte, ſo iſt das doch keine Entſchuldigung, dem Publikum ein ſolch laues Spiel vorzuführen. Auch in einem Freundſchaftsſpiel muß man voll und ganz ſeinen Mann ſtellen. Etwas weiteres über den Spielverlauf zu ſagen erübrigt ſich. Verbandsſpiel: Viernheim 2.— Bensheim 1. 1:1 Die Viernheim 2. hatte einmal wieder einen ſchwarzen Tag. Trotz beſſeren Spiels und beſſerer Einteilung ihrer Angriffe mußte ſie oft das Spiel an die Bensheimer abgeben, weil ſie vor dem Tor den richtigen Torſchuß verpaßten. Wenn auch im Feldſpiel Anſprechendes gezeigt wurde, ſo war das Schußvermögen oder Schußpech direkt kläglich. Bensheim war durch ſeinen Eifer immer gefährlich und konnte das Spiel faſt in der ganzen Spielzeit offen halten. Das erſte Tor für Bensheim fiel durch einen Elfmeter nach 15 Minuten Spielzeit. Dieſen Stand behauptete Bensheim bis weit in die zweite Halbzeit hinein. Lediglich ein ſchöner Schuß des Mittelſtürmers von Viernheim gab dem Spiel die Note 1:1. Das Spiel wurde mitunter ſehr hart durchgeführt. f Der Schiedsrichter hat es nicht verſtanden, im geeigneten Moment einzugreifen. Und ſo artete das Spiel des Oefteren in Unfairniſſe aus, ſo daß noch kurz vor Schluß ein Spieler Viernheims das Spielfeld verlaſſen mußte. Von den Spielern dürfte man bei den nächſten Verbandsſpielen etwas mehr Ruhe und Sicherheit erwarten und daß ſie ihre menſchliche Schwäche der geiſtigen Kraft unter⸗ ordnen. Weitere Spielreſultate: In Heppenheim gegen Viernheim Privat 14 Jug. Viernh. 1.— Jug. Rot-Weiß M'heim. 1. 3:4 Sch. V'hm. 1.— Waldhof Sch. 1. 2:2 Handball Viernheim 1. gegen Weinheim 1. 6˙4 Bekanntmachung. Nachdem die Forderungen an unsere Aufwertungsschuldner nunmehr alle entgültig feststehen, sind wir in der ange- nehmen Lage, die Einlagen unserer alten Einleger noch- mals mit weiteren 0 2 0 0 aufzuwerten, sodaß wir jet zt insgesamt 20 aufgewertet haben. Wir geben unseren alten Einlegern hiervon Kenntnis mit der Bitte, uns auch fernerhin ihr Zutrauen bei der Anlage ihrer Gelder entgegenzubringen, da wir sämtliche Aus- leinungen wie bisher, auch für die Folge nur auf absolut sicherer Grundlage vornehmen. Die Beischreibung der Restaufwertung von 2% in die alten Bücher erfolgt ab nächster Woche an unseren Schal- tern. Die Rückzahlung von Aufwertungsguthaben ist uns mit Rücksicht auf die jetzigen Geldverhältnisse leider nicht möglich, jedoch kann deren Umschreibung als neue Ein- lagen, verzinslich z. Zt. mit 7% p. a., jederzeit beantragt werden. Bezirkssparkasse“Lorsch galt genen elk d bel, o langen Waschen Sie Ihre Wollsachen mit dem unvergleichlichen Persil, denn gerade ſür Wolle eignet sich Persil wundervoll. (Man rechnet einen gehäuſten EgGlöffel Persil auf je 2 Liter 1 1 Viernh. Jug.„ 15 Sch. „ f 718 77 17 Sch. 5 7·¹ »Mit Jugendkraft Heil P. H. Der Sport am Sonntag Fußball der Gruppe Rhein. Viernheim verliert gegen Waldhof 0:5 Phönir hafen und Reckaran 0:0 Kivchheim vorliert in Mundenheim 21 SP. Waldhof vor der Meilec shaft? Anläßlich des Toteſonntags wurden in der Gruppe Rhein nur 3 Spiele ausgetragen, von denen zwei eine beſondere Bedeutung zukam. So trennten ſich ViL. Neckarau und Phönix Ludwigshafen torlos. Dieſer Verluſt von einem Punkt kommt SV. Waldhof ſehr zugut, da die Waldhöfer gegen Viernheim einen glatten 5:0⸗Sieg errangen. Waldhof führt damit ge⸗ gen den Tabellenzweiten VfL. Neckarau mit 3 Verluſtpunkten weniger und ſollte aller Wahr⸗ ſcheinlichkeit nach die Meiſterſchaft nach Hauſe bringen können. Mundenheim gewann gerade noch mit 2:1 gegen Kirchheim und hat ſich da⸗ mit endgültig aus der Gefahrzone gerettet. Stand der Tabelle vom 22. November: Vereine Sp. gew. un. verl. Tore P. SV. Waldhof 14 1 53:12 24 Vf. Neckarau 15 31:12 23 VfR. Mannheim 14 3 39.19 18 Phönix Ludwigshafen 15 4 36:37 18 SpVgg. Mundenheim 15 2 29:28 16 SpVgg. Sandhofen 14 3 18:17 13 2 5 2 1 Amicitia Viernheim 14 25127 12 08 Mannheim 14 FV. Sandhauſen 14 FG. Kirchheim 17:21 11 10 11:60 6 15 1 13 15.51 3 Vereins⸗Anzeiger Geſaug⸗Verein„Liederkranz“. Heute Abend 8 Uhr findet im„Prinz Friedrich“ eine Theaterprobe ſtatt. Um pünktliches Erſcheinen bittet Der Vorſtand. Pohnhaus mit Feitenban und Garten per ſofort zu verkaufen. Bar⸗ zahlung von Mark 1000.— genügt. Von wem, ſagt der Verlag. S learen Weſten, Pullover, Klubjacken und Kleider ſehr billig, da direkter Bezug von der Fabrik bei ff. Lene ng. Bismarkſtraße 54 Kein Laden. Inſerate machen ſich ſtets bezahlt. Der Geſchäftsumſatz er⸗ höht ſich und ſomit auch der Gewinn. 9 Säumen heißt verſäumen! Bauernverein. Futtermehl 5 gf Nn. 10.50 Kleie ſein 1 tr. Rm. 5.20 Kleie grob 1 Ztr. Rm. 5.50 Der Vorſtaud. Achlafzimmer; echt Kirſchbaum. Daß es natür⸗ lich nicht leicht iſt ein Kirſchbaumzimm. aufzu⸗ treiben, das wir Ihnen für Rm. 285.— kompl. verk. können, dürfte ſicherl. jedem Möbelſuchenden klar ſein. Vor allem denen die mit Recht ſchon viele Ge⸗ ſchäfte beſucht haben, weil ſie ja für ihr ſauer erſp. Geld das richtige haben wollen. Uns iſt es aber gelungen. Wenn Sie alſo für ein echt Kirchbſaum⸗ ſchlafzimmer mit großem Ztürigen Kleiderſchr. 2 m breit, 2 ſchwere Bettſtellen, 2 Nachtiſchen mit echtem Marmor 1 groß. Waſch⸗ komm. mit Spiegelaufſatz und 2 Stühlen Intereſſe haben, dann müſſen Sie natürlich ſofort kommen, weil uns dieſes ſicherlich buchſtäblich a. d. Händen geriſſen wird. Daß ſich dieſes Zimmer auch f. eine bereits beſt. Haushalt eig⸗ net iſt eigentlich ganz klar ebenſo, daß es auch aus gut bürgerl. Hauſe ſtammt Der Verkauf erfolgt nur gegen bar. Can des Mannheim⸗Lindenhof, Bellenſtraße 2(Alte Oel⸗ fabrik) direkt hint. Haupt⸗ bahnhof, durchgehend ge⸗ öffnet non 8 bis 7 Uhr. kaltes Wasser.) 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Ar. 272 wir d — Poſiſcheckkonto Nr. 21577 Am „Viern Verlag: 950.1 Marlin, Geſchäftsſtelle Rathausſtr. er 1 iſe: Die eiuſpalti * en mittags 8 Uhr, großere Artikel einen Tag vorher.— An Veſchäftsſtelle u. von sämtlichen Annonten ⸗ Expeditionen viernheimer Anzeiger E Viernheimer Zeitung kostet 5 e., die Reklame 00 e nzeigen eutſchlands u. des Aublunds Amtsblatt der Heſſiſchen Bürgermeiſterei und des Polizeiamtes ae bei Anzeigen werden nach Möglichkeit Saal dt— Für die Aufnahme an* eſtimmt vorgeſchriebenen Tagen kann jedoch eine Gewa Dienstag, den 24. November 1931. eutſchen Natholiken und der Bolſchewismus Aus der Forſchungs⸗ und Aushkunſtsſtelle über Bolſchewismus und Freidenkertum Von Dr. K. Algermiſſen, M.⸗Gladbach. Im Amtsblatt der Erzdiözeſe München und Freiſing vom 21. 9. 1931 ſchreibt Se. Eminenz Kardinalerzbiſchofß Dr. Michael von Faulhaber: „Die Biſchofskonferenzen von Fulda und Frei⸗ ſing haben dem Volksverein für das latholiſche Deutſchland einmütig ihre Anerkennung und ihr Vertrauen ausgeſprochen. Ebenſo einmütig hat der deutſche Epispokat dem Volksverein als höchſte und heiligſte Aufgabe die Abwehr der bolſchewiſtiſchen und kuommuniſtiſchen Bewegung und der Freidenkerverbände übertragen.“ Sowohl um dieſe ihm von den kirchlichen Oberhirten übertragene Aufgabe zu erfüllen, als beſonders aus den Forderungen der Zeitnot⸗ wendigkeit heraus iſt der Volksverein daran ge— gangen, ſeine bisherige reiche Arbeit gegen Bol— ſchewismus und Freidenkertum noch geſchloſſener ſowie einheitlicher und umfangreicher zu geſtal— ten. Seit Januar 1980 bis Juli 1931 waren durch ſeine Mitarbeiter über 1750 Konferenzen, Schulungsabende und Volksverſammlungen ge— gen den Radikalismus gehalten. Zur Einleitung der diesjährigen Winterarbeit wurde in der erſten Oktoberhälfte ausgearbeitetes Redematerial gra⸗ tis an 22 000 kath. Geiſtliche verſandt, in der letzten Oktoberhälfte ein Flugblatt gegen den Bolſchewismus in 680 000 Exemplaren ins Land unter überaus ſtarker Teilnahme aller Schichten der Bevölkerung eine einheitliche Abwehrbewe— gung gegen den Bolſchewismus durchgeführt. Eine ſtets wachſende Bedeutung hat die am 8. September 1931 gegründete„Forſchungs⸗ und Auskunftsſtelle über Bolſchewismus u. Frei⸗ denkertum“ erhalten, der ſeit 6. Oktober ds. Is. eine eigene Auskunftsſtelle über den Rechtsradi⸗ kalismus angegliedert iſt, und die am 28. Okt. eine Informationszweigſtelle in Berlin SW. 48, Wilhelmſtraße 37, mit eigenem ruſſiſchen Dol⸗ metſch errichtet hat. Vielfachen Wünſchen ent⸗ ſprechend, will ich als Leiter dieſer Forſchungs⸗ ſtelle einiges aus ihrer Arbeit veröffentlichen: Unſere Stelle iſt in erſter Hinſicht als For⸗ ſchungsſtelle gedacht. Die deutſchen Katholiken ſollen die Beruhi⸗ gung haben, daß alles einſchlügige Material genau verfolgt, durchforſcht und wiſſen⸗ ſchaftlich bearbeitet wird. Keine Zentrale könnte dazu geeigneter ſein als unſere Volksvereinszentrale in M.⸗Gladbach. Denn wenn der Volſchewismus auch zunächſt als Totalität zu faſſen und zu verſtehen iſt, ſo ſind ſeine verſchiedenen Seiten, ſeine Spezialziele und aufgaben doch ſo bedeutungsvoll und in ſich ſelbſtändig, daß nur eine Zentrale von Fachmän⸗ nern der verſchiedenen weltanſchaulichen, kultuxel⸗ len, ſoziologiſchen u. wirtſchaftlichen Gebiete eine entſprechend gründliche und zuverläſſige For⸗ ſchungsarbeit leiſten kann. Zu dieſem Zweck bearbeiten die Fachreferenten und Aſſiſtenten unſerer Zentrale den Bolſchewismus im Rahmen ihrer Fachgebiete und treten allwöchentlich an einem Nachmittag zu gemeinſamer Beſprechung des neueſten Materials zuſammen. So wird nicht nur gründliche wiſſenſchaftliche Spezialarbeit ge⸗ leiſtet, ſondern auch in Art einer wiſſenſchaft⸗ lichen Seminararbeit die Syntheſe in gemeinſamer Beratung und Ausſprache geſchaffen. Nach außen wird das durchgearbeitete Material in wiſſen⸗ ſchaftlichen Zeitſchriften und Tageszeitungen— auch größere literariſche Arbeiten ſind in Vor⸗ bereitung— wie in populären Flugblättern und den Volksvereinsheften, in tiefer ſchürfenden Konferenzen und Schulungstagungen wie in Maſſenkundgebungen veröffentlicht und verbreitet. Unſere neuerrichtete Stelle iſt ferner Aus⸗ runftsſtelle. In den erſten ſieben Wochen ſeit der Gründung, d. h. vom 8. September bis 1. November ds. J., wurden 147 größere An⸗ fragen erledigt. n dieſen Anfragen kamen 35 von Weltgeiſtlichen, 11 von Ordensgeiſt⸗ lichen, 12 von Verbänden, 10 von Lehrkräften, 7 von Schriftſtellern, 9 von Aerzten, 8 von Stu⸗ denten, 37 aus Arbeiterkreiſen; die übrigen verteilen ſich auf verſchiedene Einzelberufe. Auch vom Auslande liefen Anfragen ein, ſo von Rom, Valladolid, Genf, Rotterdam, Luxemburg, Paris, * und ſelbſt bereits von der Katholiſchen Univer⸗ ſität in Tokio. Ein großer Teil der Anfragen bezieht ſich auf Angaben von Literatur oder wünſcht Urteil über beſtimmte literariſche Werke. Vielfach wird die Ausarbeitung oder Skizzierung eines Winterprogramms über Bolſchewismus verlangt. Ueberwiegend ſind die Anfragen, die die weltanſchauliche Seite des Bolſchewismus betref⸗ fen. Viele Anfragen umfaſſen eine Reihe von Spezialfragen. So eine Anfrage vom 9. 9.: „Wie iſt die gegenwärtige Lage der kath. Kirche in der Sowjetunion? Wie das Verhältnis der Hegel— ſchen Philoſophie zum Bolſchewismus. und deſſen Jutereſſe für Hegel? Was iſt von den kulturellen Auswirkungen des Fünfjahresplanes zu halten?“; oder eine Anfrage vom 26. 9. über:„a) den Werdegang der hauptſächlichſten bolſchewiſtiſchen Führer, b) den Aufbau der kommuniſtiſchen Par- tei Rußlands und ihren Einfluß auf Land und Regierung, c) die Kulturpolitik des Bolſchewis⸗ mus, beſ. Gottloſenpropaganda und relig. Lage der ruſſiſchen Bevölkerung, Schließung der Kir⸗ chen, Zahl der noch amtierenden Prieſter, d) den Staatsaufbau Rußlands; oder eine Anfrage vom 18. 10.:„Welche Mitgliederzahl hat der ſoziali⸗ ſtiſche Freidenkerbund? Welche Mitgliederzahl der kommuniſtiſche? Wie ſtark iſt der Arbeiter⸗ Theaterbund? Wie die Organiſation und Tätig— keit der Roten Hilfe? Wie die Tätigkeit der Liga für Menſchenrechte? Welches ſind die Ziele des „Bundes der Freunde der Sowjetunion?“ Wel⸗ ches die Mitgliederzahl der Kp und der SPD? Wie iſt der Beſtand der Schulkampf“?“ Liſte„Proletariſcher So iſt die Arbeit unſerer Forſchungs- und Auskunftsſtelle außerordentlich abwechſelungsxeich und umfaſſend. Sehr viele perſönliche Beſuche kommen zur Veſprechung örtlicher Arbeit in Gemeinden, Vereinen höheren Schulen uſw. Zur Zt. wird an der Beſchaffung eines reichen ein⸗ ſchlägigen Bildmaterials gearbeitet. Die erſten Schritte zur Schaffung einer internationalen Ar— beitsgemeinſchaft von Fachgelehrten über Bolſche- wismus ſind gemacht. Bereits haben außer den Facharbeitern unſerer Zentrale vierzehn gründ⸗ liche Kenner des Volſchewismus, darunter auch Ausländer, ihre Mikarbeit im Rahmen einer korreſpondierenden Arbeitsgemeinſchaft zugeſagt. Daß der Volksverein dieſe gründliche wiſſenſchaft⸗ liche Arbeit auch in populärer Weiſe durch Wort und Schrift in weiteſte Maſſen zu tragen verſteht, hat er in 40⸗jähriger ausdauernder Arbeit ge— lernt. Aufs eungſte arbeitet der Volksverein in dieſen Fragen mit ſämtlichen latholiſchen Verbänden zuſammen. Davon zeugen die vielen Anfragen ſeitens der Verbände und die zahlreichen Einladungen an den Volksverein, in den Verbänden Schulung über dieſe Fragen zu halten. Der Volksverein, in deſ— ſen Vorſtand die großen katholiſchen Verbände durch ihre Generalvorſitzenden bertreten und deſſen Mitglieder zu 80 Prozent auch Mitglieder der Standesvereinigungen ſind, erſtrebt als be— ſondere Frucht ſeiner antibolſchewiſtiſchen Arbeit auch die Weckung und Schulung der beſonderen Kräfte der Einzelberbände für die ihnen ob liegenden ſpeziellen Aufgaben auf dieſem Gebiete. Mögen alle Katholiken hinter dieſer reichen Arbeit ſtelſen und die immer und immer wieder auftauchenden Splitterungsbeſtrebungen, die eine Vergen— vung ideeller und finanzieller Mittel beden⸗ ten, rückſichtslos unterbinden! feſt und geſchloſſen Die Suche nach Bankdirektor Seiffert Selbimord gewinnt an Wahrſcheinlichkeit neb Berlin, 23. Nov. Die näheren Um⸗ ſtände, die über das Verſchwinden des Direk⸗ tors Seiffert von der Bank für Handel und Grundbeſitz jetzt bekannt werden, laſſen die von ſeiner Familie von Anfang an geäußerte Annahme, daß er ſich das Leben genommen habe, wahrſcheinlicher erſcheinen, als es zu Beginn der Ermittlungen der Fall war. Nach der Darſtellung ſeiner Frau war Seiffert ſchon am Tage vor der Schließung der Schal⸗ ter ſeiner Bank außerordentlich deprimiert. Als dann am Donnerstag mittag die Schalter geſchloſſen worden waren, wollte Seiffert noch am Abend eine wichtige Beſprechung vorge— habt haben, und zwar in einem Reſtaurant in Steglitz, wo er öfters verkehrte. In dem bezeichneten Reſtaurant iſt er dann, wie ſpa⸗ tere Nachfragen ergeben haben, gar nicht ein⸗ getroffen. Da Seiffert beſtimmt keine größe— ren Geldmittel mit ſich führte, ſondern nur aus ſeinem Schreibtiſch mitgeführt hat, glaubt man jetzt beſtimmt an einen Selbſtmord; denn eine Flucht ohne irgendwelche Mittel wäre kaum vorſtellbar. Bei einem Verwand⸗ ten in der Steiermark iſt Seiffert bisher nicht geſehen worden. Seine angeblichen Beziehun⸗ gen zur Tſchechoſlowakei ſollen lediglich darauf beruhen, daß er im vorigen Jahr in Johan⸗ nisbad, wo er zur Erholung weilte, die Be⸗ kanntſchaft einer tſchechiſchen Familie gemacht hat. Man hofft, daß die heute einſetzende Su⸗ che in der Umgebung Berlins, beſonders im Grunewald und an den Ufern ſeiner Seen einen Erfolg haben wird. Inflation unter keinen Umſtänden! Reichsbankpräſident Dr. Cuther in der Schlußſitzung des Wirtſchaſtsbeirates wib. Berlin, 23. Nov. Die Ausführungen des Reichsbankpräſidenten Dr. Luther in der Schlußſitzung des Wirtſchaftsbeirats hatten zu⸗ ſammenfaſſend folgenden Gedankengang: Es iſt ſehr zu begrüßen, daß im Wirtſchafts⸗ beirat über die Notwendigkeit der Aufrechterhal⸗ tung der Währung nicht nur Uebereinſtimmung geherrſcht, ſondern daß die Zuſammenhänge in größter Klarheit erkannt worden ſind. Von der Währung her oder mit Mitteln der Kreditpolitik kann über das hinaus, was bereits jetzt geſchieht, ein Anſtoß zur Belebung der Wirtſchaft nicht ge⸗ geben werden. Zwei Notwendigkeiten ſind es vor allem, auf die es vom Standpunkte der Währung und vom Standpunkte der Kredit⸗ politik der Reichsbank aus ankommt, nämlich die Schaffung der Vorausſetzungen für die Wieder⸗ herſtellung der Wirtſchaftlichkeit der Unterneh⸗ mungen und die Belebung des Vertrauens der deutſchen Wirtſchaft im In⸗ und Auslande. Die Reichsbank wird, ſoweit das oberſte Geſetz aller Währungspolitik die Vermeidung jeder Wäh⸗ rungsentwertung bleibt, nach Erfüllung dieſer Vorausſetzungen jede zur Erleichterung der Wirt⸗ ſchaft und damit zur Abmilderung der Arbeits⸗ loſigteit geeigneten Maßnahmen ergreifen. Reichs⸗ regierung und Reichsbank müſſen daher alle erfor⸗ derlichen und nötigen Maßnahmen zur Stärkung des Deviſenvorrates treffen. Was den Geldzins anbetrifft, ſo iſt Deutſchland wegen ſeiner Ab⸗ hängigkeit von der Deviſenlage zur Zeit in der Geſtaltung der Diskontpolitik ungemein behindert und eingeengt. Umſomehr wird man die anderen Abſichten und Empfehlungen des Wirtſchaftsbei⸗ rates verwirklichen müſſen, die z. B. von der Seite der Habenzinſen und der Verringerung der Zins⸗ ſpannen auf Verbilligung der Zinsſätze hinzielen. t übernommen werden 48. Jahrgang Gegenüber illuſioniſtiſchen Währungsprojek⸗ ten, die immer wieder an die Reichsregierung und Reichsbank herangebhracht werden, wird die klare Einſicht und Stellungnahme des Wirtſchaftsbeirates von größter Bedeutung ſein. Zu einer auf internationaler Baſis möglichen Antideflationspolitik, die den entſcheidenden An⸗ ſtoß zur Ueberwindung der Weltwirtſchaftskriſe geben würde, lann Deutſchland nur wenig bei— tragen. Feir Deutſchland kommt es vielmehr bei aller notwendigen Pflege des inneren Mark⸗ tes darauf an, innerhalb der Kriſe nicht an den Vorausſetzungen ſeiner internationalen Wirt⸗ ſchaftsarbeit Not zu leiden. Hinſichtlich der Preiſe und Unkoſten ſind noch wichtige Teile unſeres Wirtſchaftslebens von der Koſtenſen⸗ kung nicht hinreichend ergriffen. Darüber hinaus iſt dem Problem der Pfundentwertung noch in keiner Weiſe ausreichend Rechnung getragen, weil die Auswirkungen der Pfundkriſe für Deutſchland bis heute nicht voll erkennbar ge— worden ſind. In Deutſchland muß das, was England durch die Pfundentwertung von der Geld⸗ ſeite her getan hat, wenn die deutſche Seel⸗ lung in der Welt behauptet wee den ſoll, von der Preis- und Unkoſtenſeite her getan wer⸗ den. Dieſer allgemeine Senkungsvorgang wird ſich, wenn er in ausreichender Breite und mit allem Nachdruck durchgeführt wird, nicht als Herab— minderung der inneren Kaufkraft auswirken. Von entſcheidender Bedeutung, und zwar auch gerade unter den Geſichtspunkten der Währung aber iſt, daß jetzt umfaſſend und durchgreifend gehandelt wird. Proteſt der Sozaldemokraten N Berlin, 24. Nov. Am Montag abend hatten die Führer der ſozialdemokratiſchen Reichstags— fraktion eine längere Veſprechung mit Reichskanz— ler Dr. Brüning. Dabei brachte, wie wir an gut unterrichteter Stelle hören, der Fraktionsvor— ſitzende Dr. Breitſcheid zunächſt eine Warnung an die Regierung zum Ausdruck vor den wirtſchaft— lichen und politiſchen Folgen, die eine Fortſetzung der einſeitigen Lohnſentungspolitik nach ſich ziehen müßte. Im weiteren Verlaufe der Verhandlun— gen wurden dann die Fragen der Agrarpolitik und der Sozialpolitik, insbeſondere der Invalidenver— ſicherung, beſprochen. Hierzu erſahren wir noch, daß Reichskanzler Dr. Brüning und Reichsarbeitsminiſter Dr. Ste— gerwald verſuchten, die Befürchtungen der Sozial— demokratie zu entkräften. Man müſſe die An— kündigung der Lohnſenkung in Zuſammenhang mit der Erklärung leſen, daß Preiſe und Löhne in Uebereinſtimmung miteinander ſpäter herabzu— ſetzen ſeien, aber man werde um die Lohnreduzie— rung angeſichts der durch die engliſche Pfund— ſenkung und ausländiſchen Zollerhöhungen be— wirkten Exporterſchwerungen nicht herumkommen. Was das Tarifrecht anlangt, ſo ſei das Weſent— liche, daß an ſeinem Grundſatze nicht gerüttelt werde. Es handele ſich nur darum, es mit Rück⸗ ſicht auf örtliche, zeitliche und branchenmäßige Verhältniſſe elaſtiſcher zu geſtalten. Keine„unfriedliche Beendigung“ der Arbeit des Wirtſchaftsbeirates. enb. Berlin, 23. Nov. Zu einer Meldung des„Vorwärts“ über einen unfriedlichen Aus— gang der Beratungen des Wirtſchaftsbeiraes er⸗ fährt der politiſch⸗gewerkſchaftliche Zeitungsdienſt der im Hauſe des Deutſchen Gewerkſchaftsbundes erſcheint, von unterrichteter Seite: In den Be— ratungen des Wirtſchaftsbeirates vom Sonntag, 22. November, hat nach den Darlegungen des Reichskanzlers das Mitglied des Allgemeinen Deutſchen Gewerkſchaftsbundes, Peter Graßmann als erſter der Arbeitnehmervertreter das Wort ergrifffen. Er hat unter ſtarker Betonung den Arbeitnehmerſtandpunkt zum Verlauf der bis⸗ herigen Beratungen zum Ausdruck gebracht und in durchaus verſöhnlichem Tone dargelegt, daß das Ergebnis der Verhandlungen die Arbeitneh⸗ mer nicht befriedigen könne. Von einem Gegen⸗ ſatz zur Regierung Brüning iſt in den Ausfüh⸗ rungen Graßmanns nicht die Rede geweſen. Berliner Bank für Handel und Grund⸗ beſitz A.⸗G., Berlin. enb. Berlin, 23. Nov. Wie wir erſaß⸗ ren, ſteht zu erwarten, daß der neue Vorſtand der Berliner Bank für Handel und Grunbitz ſitz A.⸗G., Berlin, Direktor Hugo Schetenbe rz im Einvernehmen mit den zuſtändigen Stel⸗ len das gerichtliche Vergleichsverſahren beau⸗ tragen wird. Verdoppelung der Umſatzſteuer? Die neuen Pläne der Reichsregierung. Berlin, 28. Nov. Das Reichskabinett will, lt. Blättermeldung, nachdem die Beratungen des Wirtſchaftsbeirates abgeſchloſſen ſind, in wahr⸗ ſcheinlich täglichen Verhandlungen die neue Not⸗ verordnung ausarbeiten, die möglichſt noch in den letzten Novembertagen bekannt gegeben wer⸗ den ſoll. Die Regierungsmaßnahmen müßten ſich nach Lage der Dinge über drei Gebiete er⸗ ſtrecken: Wirtſchaftspolitik, Sozialpolitik und Fi⸗ nanzpolitik. 1. Das Gebiet der Wirtſchaftspoli⸗ tik gibt nach den Leitſätzen zunächſt keine allzu⸗ beitgehenden Möglichkeiten amtlicher Eingriffe, da weitgehend die freie Vereinbarung bei der Preis⸗ und Zinsſenkung den amtlichen Maßnah⸗ men vorangehen ſoll. Ebenſo wird zur gleichzei⸗ ligen Senkung der Löhne weniger eine Notver⸗ ordnung erforderlich ſein, als vielmehr Anweiſun⸗ gen an die Schlichter, Tarifverträge auf kurze Friſt abzuſchließen, um die einzelnen Etappen von Preis- und Lohnbewegung einander anzu- paſſen. 2. Die Sozialpolitik wird im Sinne eines Umbaues der Unfall- und Invalidenverſiche— rung beabſichtigt werden müſſen, wie der Reichs⸗ wiederholt angekün⸗ arbeitsminiſter Stegerwald digt hat. 3. Die finanzpolitiſchen Maßnah⸗ men dürften wieder, wie bei früheren Notverord— nungen zur Sicherung des öffentlichen Haushalts getroffen werden. Dabei wird es ſich um gewiſſe Aenderungen der früheren Notverordnungen han— deln, ſowie um eine Anpaſſung der Vorſcheiften über Sparkaſſen uſw. an die mit Bayern getrof⸗ fenen Abmachungen. Außerdem müßten vor allem zur Sicherung der Länderhaushalte neue Einnahmequellen geſchaffen werden. Erwägungen ſchweben über eine Verdoppe— lung der Umſatzſteuer, die zu 30 Prozent den Ländern und zu 70 Prozent dem Reiche zufällt. Ihr Ertrag war im letzten Haushalt mit 1040 Millionen angeſetzt. Die Summe hat aber dieſe Höhe wegen des Abſinkens des Warenverkehrs und der Warenpreiſe nicht erreicht. Jetzt müßte aus der Umſatzſteuer ein Mehrertrag von etwa einer Milliarde erzielt werden, wobei wohl, um den Notcharakter dieſer Maßnahme zu kennzeichnen, nur eine befriſtete Erhöhung in Betracht kommen könnte. Geſprochen wird weiter über die Wiedereinführung der Kapital⸗ ertragſteuer, nicht, wie man früher vermutete, als Mittel zur Zinsſenkung, ſondern ebenfalls als Einnahmequelle. Der ganze Komplex der Notverordnung wird erſt in den kommenden Kabinettsberatungen feſt— gelegt werden. Was bis jetzt in politiſchen Krei— ſen darüber geſprochen wird, iſt aus Erwägun⸗ gen entſtanden, die noch nicht abgeſchloſſen ſind. Immerhin ſtehen die Grundlinien der Wirtſchafts— politik jetzt einigermaßen feſt und der Mehrbe— darf an Einnahmen ergibt ſich ebenfalls aus der Lage der Länder- und Gemeindefinanzen, die be— ſonders unter der Wohlfahrtserwerbsloſenfürſorge leiden. Ein Norruptionsſkandal in Potsdam Die geſamte Stadtverwaltung in Mitleidenſchaft gezogen. Berlin, 23. Nov. Die Beſtechungsaffäre beim Potsdamer Tiefbauamt, die zur Verhaftung des Tiefbauamtes, Stadtbauamtmann Kiesling und des früheren Bauführers beim Tiefbauamt, Architekt Gerbach geführt hat, zieht immer wei— tere Kreiſe. Es beſteht der Verdacht, daß Kies— ling bei der Vergebung der 17 Roman von Anny v. Panhuis. (Copyright 1930 by Verlag Alfred Bechthold in Braunſchweig.) 3. Fortſetzung. Er ſann. Es war die höchſte Zeit, ſich zu entſcheiden, er mußte fort, die Schuld ſcheuchte ihn. Die Fremde ſah ihn fragend an. „Sie redeten eben ſo vom Ausland, als ſtänden Sie im Begriff, es kennenlernen zu wollen. Stimmt es, und darf ich wiſſen, wohin Sie zu reifen beabſichtigen“ Eigentlich war das eine müßige, neugierige Frage, doch er wußte, dieſes ſtark und auf⸗ recht wirkende Mädchen kannte keine müßige Neugier. Die Frage entſprang lediglich einer, wenn auch flüchtigen, ſo doch warmen Teil⸗ nahme am Geſchick eines Mitmenſchen. Er wollte eine ausweichende Erwiderung geben, dennoch ſagte er, als ſei er dazu ge⸗ zwungen: „Ich beabſichtige, mit einem der nächſtfälli⸗ gen Dampfer ins Ausland zu reiſen, aber ich bin mir noch nicht einig, wohin. Ich will Er⸗ kundigungen einziehen, wo es ſich erträglich lebt, wo einer Arbeit finden kann, der hier ſein Brot verloren hat.“ Er fand, es klang täppiſch und hielt ihren klaren Augen nicht ſtand. Sie lächelte ein wenig. „Alſo Sie ſind ein Auswanderer, der in der Fremde ſein Brot ſuchen will. Ich kenne Sie nicht, mein Herr, aber wenn kein anderer rund Sie wegtreibt, als nur die Lebens⸗ Aufträge für den Durchſtich des Potsdamer Brauhausberges Be⸗ ſtechungsgelder angenommen hat, deren Höhe auf 15 000 Mark angegeben wird. g Wie die„B. Z. am Mittag“ erfährt, ſteht i dieſer Affäre die Verhaftung von fünf Pots⸗ damer Bauunternehmern und fünf ſtädtiſchen Baubeamten bevor. Das Blatt ſchließt aus der Zahl der beabſichtigten Verhaftungen auf einen Korruptionsſkandal größten Ausmaßes, von dem wahrſcheinlich die geſamte Potsdamer Stadtverwaltung in Mitleidenſchaft ge⸗ zogen werden würde. Wie aus Potsdam berich⸗ tet wird, ſind heute vormittag der Magiſtrat und die Stadtverordneten zu einer Sitzung zuſam⸗ mengetreten, um zu dem Fall Stellung zu neh⸗ men. Die ſtaatsanwaltſchaftlichen Ermittelungen erſtreckten ſich in der Hauptſache auf die Mitglie⸗ der eines Vereins„Druidenloſe Sansſouci“, dem faſt nur Bauunternehmer und Baubeamte an⸗ gehören. Es haben ſich nicht nur beim Durchſtich des Brauhausberges Unregelmäßigkeiten ereignet, ſondern auch beim Bau des ſtädtiſchen Krema⸗ toriums und anderer ſtädtiſcher Bauten. Von den ſtaatsanwaltſchaftlichen Ermittelungen ſeten aber nicht nur die ſtädtiſchen Behörden, ſondern auch Landes- und Reichs behörden be⸗ troffen. Politiſche Ausſchreitungen in münchen München, 23. Nov. Nach dem„Völkiſchen Beobachter“ kam es in der Nacht zum Sonn⸗ tag im Anſchluß an eine Studentenverſamm⸗ lung in einer Gaſtſtätte, bei der Reichsban⸗ nerleute den Saalſchutz ſtellten, an der Eck⸗ der Amalien⸗ und Adalbertſtraße zu ſchwere.. Ausſchreitungen. Nach dem genannten Blatt hatten etwa 40 Reichsbannerleute in Uniform vor dem Saalbau der Gaſtſtätte„Neue Aka⸗ demie“ Aufſtellung genommen. Mehrere des Weges kommende Paſſanten und SA-Männer ſollen mißhande“ orden ſein. Bunte Zeitung Star in Oberammergau— Dienſtmä in England. Der Korreſpondent eines Londoner Blattes machte dieſer Tage in einem kleinen Dorfe von Suſſex eine aufſehenerregende Entdeckung: er fand ein junges Mädchen, das in Oberam⸗ mergau bei den Paſſionsſpielen des vergange⸗ nen Jahres die Hauptrolle geſpielt hat, und zwar Anna Rutz, die damals als Maria einen großen Erfolg errang. Die Darſtellerin der Jungfrau ſteht heute als Hausmädchen in den Dienſten einer Frau Hones, einer Rentnerin in Slinfold. Als der Journaliſt ſie fragte, ob ſie wirklich an den Oberammergauer Paſſions⸗ ſpielen teilgenommen habe, antwortete Anny Rutz einfach mit Ja, weigerte ſich aber, irgend⸗ welche Erklärungen abzugeben, warum ſie ih⸗ re Heimat verlaſſen habe u. nach England ge⸗ gangen ſei. Frau Hones berichtete dem Jour⸗ naliſten, daß weder die große Schönheit, noch der ſchauſpieleriſche Erfolg das beſcheidene Weſen des Mädchens irgendwie beeinträchtigt gätten. Anny Rutz hat, wenn die Andeutun⸗ zen ihrer Brotgeberin zutreffen dieſe Stel⸗ lung angen men, um ihre Mutter und zwei kleine S“ ein zu unterſtützen. Um das Serum gegen Schlafkrankheit. Eine Gruppe von Gelehrten der Univerſi⸗ tät Kalifornien bereitet ſoeben einen Verſuch vor, der im Falle des Gelingens eine wirk⸗ ſame Bekämpfung der Schlafkrankheit einlei⸗ ten wird. Der Verſuch wird mit dem Blut eines Krokodils angeſtellt, das aus Aequate⸗ rialafrika ſtammt und zurzeit im Newyorke. Aquarium gehalten wird. Dr. Torrance, der zu der Gelehrtengruppe gehört, hatte auf einer ſeiner Forſchungsreiſen durch den dunklen Erdteil zwei junge Krokodile gefangen, auf die er die Erreger der Schlafkrankheit über⸗ trug. Das eine Krokodil ſtarb. Das andere Eine ſchöne Hochſtaplerin Die„Schwiegertochter des Kaiſers“ Budapeſt, 23. Nov. Vor einigen Monaten tauchte hier ein auffallend ſchönes Mädchen auf. Die junge Dame verſammelte alsbald eine Schar von Verehrern um ſich, und man konnte ſie Nacht für Nacht in den mondänen Lokalen von Buda⸗ peſt ſehen. Stets befand ſie ſich in der Geſell⸗ ſchaft von Kavalieren, die ſie mit allem über⸗ häuften, was eine ſchöne Frau noch begehrens⸗ werter macht. Die Dame nannte ſich Maria von Bart und war überall zu ſehen, wo man ſich amüſieren konnte und das Geld keine Rolle ſpielt. Das ging ſo eine Zeit lang fort. Da aber tauchten in der Budapeſder Lebewelt andere Schönheiten auf und Maria war alsbald vergeſ⸗ ſen. Sie ſah ſich nun um einen Poſten um und wurde Modiſtin in einem vornehmen Budape⸗ ſter Hutgeſchäft. Hier litt es ſie aber nicht lange und da ihr in Wien lebender Vater inzwiſchen ſchwer erkrankt war, reiſte ſie nach Wien; aber ſchon nach einigen Wochen tauchte ſie in der Ber⸗ liner Nachtwelt auf. Sie hatte große Erfolge, die Männer lagen ihr zu Füßen, und in kurzer Zeit verſchwendete ſie hohe Summen. Der Zufall fügte es, daß das ſchöne Mädchen einen Poſten im Hauſe eines Mitgliedes der ehemaligen deutſchen Kaiſerfamilie erhielt, wo ſie als Geſellſchafterin angeſtellt wurde. Dank ihrer außerordentlichen Geſchicklichkeit knüpfte ſie vornehme Verbindungen an, die ſie weidlich aus⸗ beutete, und eines Tages war ſie aus Berlin verſchwunden.— Seither haben ihre Budapeſter Bekannten keine Nachricht mehr von ihr erhal⸗ ten. Sie waren nicht wenig überraſcht, als die Budapeſter Blätter nun eine Bekanntmachung der Weimarer Polizei veröffentlichten, aus der hervorgeht daß die ſchöne Maria vor einigen Wochen in Erfurt wegen verſchiedener Hochſtape“ leien und Schwindeleien verhaftet worden iſt. Die Erhebungen der deutſchen Sicherheitsbe⸗ hörden haben dann ergeben, daß ſie die ehemali⸗ ge Budapeſter Modiſtin lange Zeit hindurch in kleinen deutſchen Städten als eine Schwieger⸗ tochter des deutſchen Kaiſers ausgegeben hatte. Sie ſpielte ihre Rolle ſo geſchickt, daß ſie in ei⸗ nem am Rhein gelegenen Städtchen bei ihrer vorher aviſierten Ankunft vom Bürgermeiſder und den Stadtverordneten auf dem Bahnhofe feierlich empfangen wurde. Die Hochſtaplerin hat dann mehrere Wochen lang als Gaſt des Bürgermeiſters gelebt. In Er⸗ furt machte ſie die Bekanntſchaft eines Reichs⸗ graſen, der ſich in das ſchöne Mädchen ſterblich verliebt hatte. Der Graf führte Maria in das Haus ſeiner Eltern ein, und da Maria aufgrund von Dokumenten, die gefälſcht waren, den Be⸗ weis erbrachte, daß ſie einem ungariſchen Adels⸗ geſchlecht entſtammt, erteilten die Eltern des Reichsgrafen freudig ihre Zuſtimmung zum Ehe⸗ bund. Die Vorbereitungen zur Trauung wurden in aller Eile getroffen die Hochzeit fand in prunkvollem Rahmen ſtatt. In dem Augenblick aber, da der glänzende Hochzeitszug die Kirche verließ, traten zwei unbekannte Herren auf die nunmehrige Reichgsräfin zu erklärten ſie für verhaftet. Man kann ſich denken, welches Aufſehen dieſe Verhaftung in Erfurt hervorrief. Alles Proteſtieren nutzte nichts; die beiden Her- ren, die ſich als Berliner Kriminalbeamte legi⸗ timierten, hatten nicht geringe Mühe, dem Ge⸗ mahl der ſchönen Maria klar zu machen, daß er einer raffinierten Hochſtaplerin zum Opfer ge⸗ fallen ſei. Nach langem Leugnen geſtand die ſchöne Maria endlich alles ein. terſtücke geſchrieben worden! bat die Kranthelt Uberſtanden und ſol den le. vorſtehenden Verſuchen dienen, um die Gewinnung eines Ser handlung der furchtbaren Krankheit geht. Geduldige Theaterheſucher. Napeoleon hatte die Vorahnung ſeiner lite⸗ rariſchen Unſterblichkeit.„Ich bin dazu be⸗ ſtimmt“, ſagte er auf St. Helena,„die Weide der Schriftſteller zu werden. Wenn ſie ſich zur Höhe ihrer Kunſt erheben wollen, werden ſie mich verherrlichen!“ Er hat Recht behalten. Wie groß die Napoleonliteratur, die immer noch nicht abgeſchloſſen iſt, heute ſein mag, läßt ſich kaum ſchätzen, einen Begriff aber gibt die Napoleonbibliothek von Albert Lombroſo, der 15 000 Bücher und Broſchüren über den Er⸗ oberer zuſammengebracht hatte. Seitdem ſim noch viele andere Bände und vor allem Thea⸗ In Boulogne ſur Mer hat erſt dieſer Tage ein Lokaldichter ein neues Stück:„Die Seele des Kaiſers“ über die Bretter des Stadttheaters gehen laſſen, das von 8 Uhr abends bis 3 Uhr in der Frühe dauerte und ſeine Zuſchauer bis zum Schluß in Spannug hielt! Verbot des Selbſtraſierens zugunſten der Erwerbslöſen. Auch in Deutſchland ſind hier und da Ver⸗ uche gemacht worden, den Geſetzgeber gegen die Selbſtraſierer mobil zu machen. Dieſes Beiſpiel ſcheint die Friſeure Jugoslawiens an⸗ geregt zu haben, die, wie alle übrigen Berufe, ſchwer von der Kriſe betroffen ſind, und nun glauben, das Ei des Columbus, das unfehlbare Mittel gefunden zu haben, ihrer Schwierigkei⸗ ten Herr zu werden. Sie verlangen von de. Regierung ein Geſetz, durch das allen männ⸗ lichen Jugoſlawen der Gebrauch von Raſier⸗ meſſern und Raſierapparaten unterſagt wird nur die Barbiere ſollen die Erlaubnis erhal⸗ ten, dieſe Gebrauchsgegenſtände zu benutzen. Um dem Staat eine Gegenleiſtung zu bieten, wollen die Friſeure die Verpflichtung über⸗ nehmen, ſämtliche Arbeitsloſe des Landes koſtenlos zu raſieren und ihnen die Haare zu ſchneiden. Die Regierung hat ſich bis jetz! noch nicht geäußert; vielleicht hat ſie vor den Aſpekten die Sprache verloren, die eine Ver⸗ wirklichung des Vorſchlages als Präzedenzfall auch auf anderen Gebieten eröffnen muß. Humor des Auslandes. Vor dem Unterſuchungsrichter:„Sie arbei⸗— ten nie?“—„Ich möchte ſchon, aber ich kann nicht; immer ſperren ſie mich ins Gefängnis!“ Teures Ozon.„Sind Sie meinem Rat ge⸗ folgt, bei offenem Fenſter zu ſchlafen?, fragte der Arzt.—„Ja.“—„Und ſind Sie Ihren Schnupfen losgeworden?!“—„Das gerade nicht“, war die Antwort,„aber Uhr und Geld⸗ taſche bin ich los geworden.“ Handel und Induſtrie Mannheimer Produktenbericht. Mannheim, 23. Nov. Weizen inl. 75—76 kg., gut, geſund, trocken 23,75, Roggen inl., gut, geſund, trocken 22,7523, Hafer, inl., 16—18,25, Sommergerſte in. 18—19, Futter⸗ gerſte in. 17—18, ſüdd. Weizenmehl Spezial Null, neue Mahlung, November⸗Dezember, 35,25, dto. mit Auslandsweizen 37,25, ſüdd. Weizenauszugsmehl, gleiche Mahlung und Lieferzeit 39,25 bezw. 41,25, ſüdd. Weizenbrot⸗ mehl, gleiche Mahlung und Lieferzeit 27,25, bezw. 29.25; Roggenmehl 60proz. Ausmahlg., je nach Fabrikat 31⸗32, feine Weizenkleie 9,25, Biertreber 13,75 Erdnußkuchen 13,75—14,00 Das Medaillonbild frage, dann rate ich Ihnen, hierzubleiben. Ich zum Beiſpiel möchte mich lieber in der Hei⸗ mat zu Tode hungern— denn dann werde ich doch wenigſtens in der Heimat begraben—, als daß ich in der Fremde überreichlich ſatt würde.“ Der Ausdruck ihres energiſch geſchnittenen Geſichts wurde ſehr ernſc. „Aber ich glaube, Sie ſuchen die Fremde aus anderen Gründen, und die gehen mich nichts an. Meine Heimat iſt Uruguay. Mein Vater hat dort eine Eſtanzia, und ſein beſter Vaquero bin ich, wie er ſelbſt behauptet. Sie ſehen, ich bin keine Salondame, und verübeln es mir hoffentlich nicht, wenn ich ein bißchen geradezu rede und ſo ganz ſelbſtverſtändlich neben Ihnen herlaufe.“ „Uruguay?“ wiederholte Heinz Hausmann nachdenklich und wie fragend. Er ſchien das andere, was ſeine Begleiterin geſprochen, gar nicht gehört zu haben. Sie ſah ihn groß an, und er machte ein verlegenes Geſicht. „Wenn ich ehrlich ſein ſoll, iſt es mir zwar, als hätte ich einmal etwas von Uruguay ge⸗ hört, aber es iſt für mich ein vollkommen ver⸗ ſchwommener Begriff. Ich habe keine Ahnung wo es liegt.“ Sie atmete tief die friſche Luft ein, die hier draußen in den Vorortſtraßen noch morgen⸗ ſtark war. „Sie haben demnach aber wenigſtens einen verſchwommenen Begriff. Jedoch habe ich wäh⸗ rend meines Aufenthaltes in Deutſchland viele Leute kennengelernt, die das Wort Uruguay nie vernommen haben. Sie hielten es für eine Frucht oder einen Boxer. Man darf es wohl keinem verübeln, dieſes Nichtwiſſen, doch ſelbſt begreift man es kaum, wenn einem das Land, das ſo viele nicht einmal dem Namen nach kennen, Heimat iſt. Und, damit Sie Be⸗ ſcheid wiſſen, Uruguay iſt eine Republik in Südamerika.“ Geſpannt fragte er:„Und wie lebt es ſich in Uruguay?“ Sie ſchaute zum Himmel empor. „Dort droben iſt es blauer als hier, und die Luft iſt zitternd von wohliger Wärme“. Ihre Augen blickten geradeaus.„Aber der Bürgerkrieg hat unſer kleines, ſchönes Land zu oft geſchüttelt. Vater ſagt, der Boden wanke davon immer ein wenig. Viehzucht iſt Uruguays Haupterwerbszweig; und wir Einheimiſchen haben ſpaniſche, portugieſiſche oder indianiſche Vorfahren. Man fragt nicht mehr ſo genau, wir haben die Heimat lieb, nur darauf kommt es an.“ Sie hatten die Halteſtelle einer Elektriſchen erreicht. Die Mietkaſernen begannen, die Straßenreihen wurden enger, hohen, einförmigen Häuſern himmelan. Beide waren ſtehengeblieben. Er fragte:„Wollen Sie fahren?“ Sie nickte.„Ich laufe ſchon ſeit ein paar Stunden herum.“ Er dachte, vielleicht war ihr ſeine Beglei⸗ tung nicht mehr angenehm, und als eben ein Straßenbahnwagen hielt und ſie Miene machte, einzuſteigen, zog er grüßend den Hut. Sie ſagte nichts, reichte ihm aber die Hand. Der Schaffner klingelte heftig ab. Da ſprang ſie in den Wagen. 5 Jetzt erſt fiel ihm ein, wie weltungewandt er eigentlich war. Er hatte ſich nicht einmal vorgeſtellt. Und das hätte er wohl eigentlich tun müſſen, das erforderte die einfache geſell⸗ ſchaftliche Höflichkeit. Er ſtand noch immer an der Halteſtelle, nachdem ſchon ein halbes Dut⸗ ſtrebten in zend Elektriſche vorübergeſahren waren, und dacht, wie ſchade, daß er nun wieder allein war. Die klare, etwas tiefe Stimme der Fremden war ſo angenehm geweſen und hatte in ihm ein wenig die Angſt zum Schweigen gebracht, die er ſeit der unſeligen Tat wi! herumtrug. O, nur erſt Schiffsplanken unter ſich. ren, nur erſt die Wogen des weiten Ozeans ſehen und wiſſen, am Ziel des Schiffes liegt Land, wo er mit aller Kraft, mit eiſernem Willen Wurzel faſſen wollte, um ein neues Leben zu beginnen. a Endlich beſtieg auch Heinz Hausmann einen Straßenbahnwagen. Es war ihm gleich, wohin er fuhr. Er fand ſich dann in einem alten Stadtteil, ſah das maleriſche alte Hamburg. Er ſtieg aus und lief durch Gaſſen, die während des ganzen Tages im Dämmer la⸗ gen. In dieſen dunklen Gaſſen, durch die das Waſſer trüber Kanäle zog, wohnte manch namhafter Kaufherr, deſſen Villa und Park an der Alſter einen Traum von Reichtum und ſchöner Ruhe träumte. Hier aber herrſchte das Geſchäft, hier war die Arbeit Königin. Heinz Hausmann ging planlos umher. Schließlich ſetzte er ſich, um Mittag zu eſſen, in eine kleine Hafenkneipe. Arbeiter und Hei⸗ zer ſaßen hier. Sie unterhielten ſich in ihrem breiten Hamburger Platt; er verſtand nicht viel davon. Ein ſauber gekleideter Menſch nahm an ſeinem Tiſche Platz. Er grüßte freundlich be⸗ ſtellte beim Kellner Eſſen und redete zu Heinz Hausmann ein paar allgemeine Worte. Aus ſeiner Rocktaſche ſah der Kopf einer Berliner Zeilung hervor. dorhes zur Be, Maunheimer Großviehmarkt. Maunheim, 28. Nov. Zufuhr und Preiſe: 147 Ochſen 26—34, 223 Bullen 18—26, 342 Kühe 10—26, 350 Färſen 25—36, 645 Kälber 9740, 37 Schafe 2022, 2793 Schweine 38 is 37, 82 Arbeitspferde 600—1600, 64 Schlachtpferde 25—120, 2 Ziegen 12—18 Mk. Marktverlauf: Großvieh ruhig, geringer Ue⸗ berſtand; Kälber und Schweine mittel, ge⸗ räumt, a Kleine Sportnachrichten Beim Gefallenen⸗Gedächtnisſchwimmen in Berlin gewann der Göppinger Schwarz zum zweiten Male den Verbandspreis im 400 m Bruſtſchwem⸗ men, Schwarz ſiegte in der glänzenden Zeit von 6:03,1· Min. vor dem Europa⸗Rekordmann Wit⸗ tenberg⸗Berlin. Beim Feſt der Frantfurter Sportpreſſe das von über 10 000 Perſonen beſucht war, ſtellt Eugen Mühlberger(Frankfurt) mit 190 Pfund im beidarmigen Reißen der Federgewichtsklaſſe einen neuen Weltrekord auf. Deutſcher Weltrekord im Gewichtheben. Bei einem Klubkampf in Stuttgart ſtellte der Stuttgarter Federgewichler Schäfer im beidarmigen Stoßen mit 240,4 Pfund einen neuen Weltrekord auf. Die alte Welthöchſtlei⸗ ſtung wurde ſeit 1926 von dem Oeſterreicher Stadler mit 240 Pfund gehalten. Deutſcher Rekordmann war der Frankfurter Mühlber⸗ ger mit 235 Pfund. Die neue Welthöchſtleiſtung ſtellt abermals die großen Fortſchritts, die die deutſche Schwerathletik in den letzten Jahren gemacht hat, unter Beweis. Max Schmeling, der früher eicmal bei St. Georg 1816 Hamburg Fußball geſpielt, hat, vollzog am Sonntag bei einem Spiel dieſes Ver⸗ eins gegen den Hamburger SV. den Anſtoß. München 1860 ſchlug am Sonntag in Köln den Mülheimer Spv. mit 3:2. Bei der Pauſe führten die Rheinländer noch mit 012. .* Oeſterreich entſendet zu den Olympiſchen Winterſpielen in Lake Placid vier Skiläufer. * Im Kampf um den Berliner Fuß⸗ ball⸗Pokal ſind noch die vier Mannſchaften Union Oberſchöneweide. Tennis⸗Boruſſia, Wak⸗ ker 04 und Minerva 93 im Wettbewerb. Die Vorſchlußrunde zwiſchen dieſen Mannſchaften findet am 6. Dezember. ſtatt. Beim Bundes ⸗Vorſtand des Ba- iſt der Antrag eingelaufen, den Kölner Rad⸗ ſportführer Stevens während der Dauer des ge— gen ihn ſchwebenden Verfahrens von ſeinem Po⸗ ſten als Ehrenbeirat des BDR. zu entheben. In Amevika ſind innerhalb einer Saiſon 101 mat Leichtathletik-Rekorde verbeſſert wor— den. Mittelſtürmer Friedel verläßt den Club. Wie aus Nürnberg gemeldet wird, hat der junge und talentierte, aus der Jugendmannſchaft des 1. FC. Nürnberg hervorgegangene Sturm⸗ führer Friedel ſeinen Austritt aus dem„Club“ erklärt und ſich bei der Spvg. Fürth angemel⸗ det und dort bereits das Training aufgenommen. Dre Doe det Boktetienfiltet in der Westenfbsche desinfiziett Hols und Aund! Gewinnauszug 2. Klaſſe 38. Preußiſch⸗Süddeulſche (264. Preuß,) Staats⸗Lotterſe Ohne Gewäbr Nachdruck verboten Auf jede gezogene Nummer ſind zwel gleich 19 Gewinne gefallen, und zwar ſe einer auf die Loſe gleicher Nummer in den beiden Abteilungen 1 und II 2. Ziehungstag 21. November 1931 In der heutigen Vormittagsziehung wurden Gewinne über 300 M. gezogen 4 Gewinne zu 5000 M. 16322 305334 4 Gewinne zu 2000 M. 358448 362449 30 Gewinne zu 600 M. 47180 90763 38 143943 148888 80 9764 350951 352088 7 83660 34 Gewiane zu 500 dn. 12008 1526 16206 16852 82725 88118 98815 121883 540594 297388 398858 232987 249846 280720 816601 351578 In der heutigen 00 8 wurden Gewinne über 300 M. gezogen 2 Gewinne zu 50000 M. 347019 4 Gewinne zu 10000 M. 247994 264019 e winne zu 5 12 929785 9765990 M. 85726 131694 238988 e zu 1000 m. 6130 82215 37041 190898 146798 257886 297985 323995 370657 381848 389998 32 Gewi u 800 M. 33995 104060 115002 115927 118327 8 128978 149748 70048 188439 231993 238865 245727 262675 272968 872521 386980 48 Gewinne 8 65 M. 16248 33835 76424 82284 287487 294334 373881 385916 Die Ziehung der 3. Klaſſe der 38. Preußiſch⸗ Süddeutſchen(264. Preußiſchen) Staats-Lotterie findet am 16. und 17. Dezember 1931 ſtatt. Waſſer und Elektrizität gratis. Eine kleine Gemeinde im Südweſten Frank⸗ reichs beſaß einige zehn Hektar, de mit Stech⸗ ginſter bewachſen waren. Im Jahre 1900 be⸗ ſchloß der Gemeinderat, auf dieſem bisher un⸗ ergiebigen Terrain harzhaltige Baume anzu Heute profitiert der Ort von den. pflanzen. Ertrag dieſer Aufforſtung. Das harzige Holz bildet eine nie verſiegende Einnahmequelle, ſodaß die Gemeinde ihren Einwohnern Waſſer und Elektrizität völlig koſtenlos liefern kann. Ein Todesopfer. Aachen, 23. Nov. Am Freitagabend kam es laut Blättermeldung vor und nach einer Verſammlung der Nationalſozialiſten im Burt⸗ ſcheider Kurhaus zu ſchweren Zuſammenſtößen. Kommuniſtiſche Trupps bewarſen Nationalſo⸗ zialiſten, die auf dem Wege zur Verſammlung waren, mit Pflaſterſteinen und verletzten einen Nationalſozialiſten ſo ſchwer, daß er auf der Wege zum Krankenhaus ſtarb. Ein weitere. Nationalſozialiſt trug einen Armbruf) und ſchwere Kopfverletzungen davon. Eine Anzahl Perſonen, darunter auch mehrere Kommuniſten mußten mit leichteren Verletzungen abtraus⸗ portiert werden. Die Polizei ſicherte ſpäter die ganze Stadt, um weitere Ausſchreitungen zu vermeiden. In kommuniſtiſchen Lokalen wur⸗ den Durchſuchungen vorgenommen. Gerichtszeitung Worms, 23. Nov. In den Nächten vom 16. bis 18. September vorigen Jahres wurden in der Gemarkung Weinsheim b. Worms ei⸗ nem Landwirt ungefähr vier bis fünf Ztr. Trauben im Werte von ca. 80 Mk. geſtohlen. Eine Reviſion auf dem Markt in Worms er— gab, daß die 31jährige Ehefrau des oft vor⸗ beſtraften Erdarbeiters Georg L. aus Worms Trauben verkaufte,über deren Erwerb ſie ſich nicht genügend ausweiſen konnte. Am aus der Haft entlaſſen zu werden, gab ſie an, daß ihr Mann die Trauben nachts nach Hauſe ge— bracht habe. Eine weitere Unterſuchung ergab, daß L. anſcheinend auf Anregung und unter Mithilfe des vorbeſtraften Schuhmachers Fr. K. aus Worms, bei dem ebenfalls Trauben gefunden wurden, den Diebſtahl ausgeführt hatte. Das Amtsgericht Worms hatte L. zu einem Jahr Zuchthaus, K. zu vier Monaten und Frau L. zu drei Wochen Gefängnis ver— urteilt. Die Berufung L's und ſeiner Frau ge— gen das Urteil wurden von der Kleinen Strafkammer Mainz verworfen, während die Strafe K's auf neun Monate Gefängnis er— höht wurde. Ls gelt um den Joung- lan! Wiederaufnahme der Yungplan⸗Zahlungen oder Verlängerung des Moratoriums, Buchſtaben der Verträge oder Anpaſſung an die veränderte Weltwirtſchaftslage, das Feſthalten am ſind die Entſcheidungen, um die in dieſen Wochen der Notenkrieg zwiſchen Politikern, Wirtſchaftsleuten und Sachverſtändigen tobt. der ſchon ſo viel wirtſchaftliches Unglück über das ausgeblutete Deutſchland Noch ſcheint Frankreich nicht gewillt zu ſein, auf den Houngplan, gebracht hat, zu ver⸗ zichten. Unſere Zeichnung zeigt in der Mitte Owen D. Poung, den Urheber des Planes. General der Infanterie Bruno von Mudra, einer der bekannteſten Armeeführer im Weltkriege, iſt im Alter von 80 Jahren geſtorben. Vor dem Kriege Chef des Pionierkorps, führte er im Oſten das 8. Armeekorps, ſpäter an der Weſtfront die 1. und 17. Armee. urgendwo Anſtalten Die Bauſtelle So ein Neubau hat ſchon immer ſeinen beſon“ deren Reiz gehabt. Jeder Abend, an dem man an der Bauſtelle vorbeigeht, zeigt die Arbeit ein gutes Stück weiter vorangeſchritten, bis ſchließ— lich der bändergeſchmückte grüne Buſch am Dach⸗ firſt weht zum Zeichen, daß ber Hauptabſchnitt in dem Werden des neuen Hauſes beendet iſt, daß Maurer und Zimmerleute im weſentlichen ihre Arbeit beendet und das Richtfeſt gefeiert haben. Wie alle Arbeit, die in der Oeffentlich⸗ keit vollendet wird, ſo zieht auch eine Bauſtelle dauernd zahlreiche Neugierige an, die mit unter— ſchiedlicher Sachkenntnis den Verlauf der Din- ge verfolgen und intereſſiert dem Tun und Trei— ben der Handwerker zuſchauen. Heute iſt das anders. Zwar ſind, wenn ſchon zu einem Neubau getroffen werden, die Zuſchauerziffern kaum geringer, aber die Zuſammenſetzung dieſer Zuſchauer iſſ im we⸗ ſentlichen anders als fräher. Die heute einen Neubau verfolgen ſind Sachverſtändige, die zu ſolchem Zeitvertreib früher keine Muße gehabt hätten, die zahlloſen Bauarbeiter und-handwer⸗ ker, die ohne Beſchäftigung ſind und traurig nach denen ſchanen, die für kurze Zeit das Glück ha⸗ ben, wieder einmal arbeiten zu dürfen. Es iſt ein trauriges Zeichen der Zeit, daß die Zahl der Beobachtenden größer, bei weitem größer iſt, als die Zahl derer, die am Werke ſelbſt beteiligt ſind. Denn der Neubau-Aufträge ſind es gar wenige. Wer kann heute noch bauen? Reich, Land und Gemeinden, die nach dem Kriege die hauptſäch⸗ lichſten Auftraggeber der Bauwirtſchaft waren, haben kein Geld mehr, Induſtrie und Wirtſchaft müſſen ſich gleichermaßen einſchränken, ſoweit nicht ihre Bauvorhaben im Rahmen der großen Rationaliſierungsmaßnahmen durchgeführt ſind und dadurch ſchon neue Bauaufträge nicht mehr vorgeſehen waren. Auch der Privatmann baut heute kaum mehr. Wenn ein Neubau entſteht, ſo bedeutet er einmal nicht die Schaffung von Arbeitsgelegen— heit für eine Anzahl von Perſonen und damit Entlaſtung der Fürſorgeetats, er bedeutet auch ſür die vielen, die„diesmal nicht dabei ſind“, eine neue kleine Hoffnung vielleicht beim näch— ſten Male doch zum Zuge zu kommen, für kurze Zeit eine Unterbrechung der Arbeitsloſigkeit zu haben. Das Denkmal einer unverſöhnlichen Rache Es wird keine leichte Aufgabe ſein, dem Räuberunweſen auf Korſika den Garaus zu machen, denn der Bazillus der Ven detta lebt ja nicht nur im Blute der armen Bergbewoh⸗ ner Korſikas, die ſich heute in blindwütiger Verzwe flung gegenſeitig zerfleiſchen, ſondern auch in dem der Korſen, die durch Erziehung, Kultur und Lebensbedingungen die prim'ti⸗ ven Naturinſtinkte eigentlich überwunden ha⸗ ben ſollten. Er zeulicherweiſe kommt es in dieſem Falle allerdings ſelten zum Blutver⸗ gießen. Aber der Keim exiſtiert, was durch ei⸗ ne Menge Beiſpiele bewieſen wird.„Ich ſa⸗ ge nichts Neues“, ſchreibt Paolo Zappa in der „Stampa“„wenn ich erkläre, daß in Ajaccio die Erinnerung an Napoleon ſo lebendig ge⸗ blieben iſt daß ſozuſagen die ganze Stadt im Schatten des Titanen lebt. Ich ſelbſt wohne hier im Hotel„Kaiſer“, in der Avenu des „Erſten Konſuls“, ich eſſe im Reſtaurant„Bo⸗ naparte“ und nehme meinen Kaffee in der Bar„Napoleon“, Aber wir leben in Korſika, dem Land der Ven detta, die weder vor dem triumphierenden Kaiſer noch vor dem Gefan⸗ genen auf St. Helena kapituliert hat. Wenige Kilometer von Ajaccio entfernt liegt auf dem Gipfel der Bergkette des Nor⸗ dens ein herrliches Kaſtell. Es iſt das Palais Pozzo di Borgo. Auf ſeiner Front lieſt man die Inſchrift„Gerolano, Herzog Pocco di Bor⸗ go, und ſein Sohn Carlo erbauten dieſes Schloß mit den Steinen aus dem Tuilerien⸗ Palaſt, der im Jahre 1871 eingeäſchert wurde, um dem korſiſchen Vaterlande eine wertvolle Erinnerung an das franzöſiſche Vaterland zu Feind hatte, der ihn auf Schritt bewahren. Gegeben im Jahre des Herrn 1891.“ Was die Inſchrift nicht ſagt, die Ge— ſchichte aber verzeichnet, iſt die Tatſache, daß die Tullerien die kaiſerliche Reſidenz Napole— ons waren. Nun weiß man ja, daß während ſeines ganzen wunderbaren Aufſtieges Napo— leon in der Perſon ſeines Landsmannes Car⸗ landrev Pozzo di Borgo einen unverſöhnlichen und Tritt verfolgte. In der Jugend waren beide in⸗ time Freunde. Sie laſen zuſammen Montes⸗ quien und andere politiſche und ſtaatswiſſen⸗ ſchaftliche Schriftſteller. Gemeinſam begeiſter⸗ ten ſie ſich für die freiheitlichen Ideen, die nach dem Fall der Baſtille in Korſika Eingang gefunden hatten. Am 13. September 1791 wird Pozzo di Borgo zum Deputierten in die ge etzgebende Verſammlung gewählt. Napoleon iſt darüber wütend, weil er ſeinen Bruder Jo⸗ ſef an dieſer Stelle ſehen wollte. Aber auch im nächſten Jahre unterliegt dieſer wieder Pozzo. Sie kommt zum offenen Ausbruch, als Pozzo in ſeiner Eigenſchaft als Kommandie⸗ tender der korſiſchen Truppen eine Abteilung abkommandiert, um ſich Bonapartes zu be⸗ mächtigen. Lätitia, die noch rechtzeitig von dem Handſtreich unterrichtet wird, flieht mit den Kindern und gelangt an Bord eines Segel⸗ ſchiffes glücklich nach Frankreich. Drei Jahre nach ſeinem Fortgang von Korſika wird Bonaparte Generaliſſimus der italieniſchen Armee. Von Spähern Bonapar⸗ tes verfolgt, rettet ſich Pozzo di Borgo nach England. Während Napoleon den Gipfel der Macht erſteigt, irrt der geächtete Pozzo von ſeiner Familie getrennt, und ohne Geldmittel herum, beſucht die Höfe Europas, ſchreibt Denkſchriften über Denkſe, iften und ſtellt ſich in den Dienſt Rußland, Oeſterreichs, Eng⸗ lands immer bemüht, gegen den verhaßten Feind und Bundesgenoſſen zu werben und eine Koalition zur Bekämpfung des Emporkömm⸗ lings zuſtandezubringen. Erſt nach der Schlacht von Waterloo leuchtet ihm die Sonne des Glücks. Jetzt konnte er Talleyrand ſagen: „Ich habe zwar politiſch Bonaparte nicht getö⸗ tet, aber ich habe ihm mindeſtens den Reſt gegeben.“ Aber die Vendetta iſt damit noch nicht zu Ende Nach der Kommune eilt der Sohn Pozzos nach Paris, erwirbt die rauchend Trümmer der kaiſerlichen Wohnung, läßt ſie mit enormen Koſten nach Korſika auf die Höhe von 650 Metern über dem Meeresſpiegel her⸗ auftransportieren und erbaut aus ihnen mit erſtaunlichem Raffinement in naturgetreuer Nachbildung, den Mittelpavillon der Tuile⸗ rien. So thront dieſes erſtaunliche Zeugnis einer unverſöhnlichen Rache hoch über der Stadt, von wo der Aufſtieg Napoleons ſeinen Ausgang nahm.“ —— Nur ein Quentchen Glück Der Menſch unſerer Tage iſt za ſo beſcheiden geworden. Er iſt ja ſchon zufrieden. weun er nicht zu klagen braucht. Er iſt glücklich in ſeiner Zu⸗ friedenheit. Man kann die Sache auch von einer anderen Seite aus betrachten. Denn ſchließlich iſt ja auch die Zufriedenheit eine der weſentlichſden Grund⸗ lagen für das Glücksgefühl, ohne das eine iſt das andere eben ſchlecht denkbar. Denn das, was man ſo landläufig unter Glück verſteht braucht nicht immer wirklich Glück zu ſein. Was mettzt es den Menſchen ſchließlich, wenn er viel Jeld hat, wenn er ſich alle die Wünſche. die durch Hingabe Leben ſei. materieller Werte erreichbar ſind, beſchaffen kann, wenn ihn jedoch dieſe Dinge nicht zufrieden ſtel— len. Es iſt eine alte Binſenwahrheit, daß der an materiellen Gütern arme Menſch zuweilen glück— licher, zufriedener iſt, als der reiche Nachbar, der auf ſeinem Geldſack ſitzt und ſich an den weltli⸗ chen Genüſen„ſartgegeſſen“ hat. Welche Wünſche kann er ſchließlich noch haben, wenn er ſie alle erfüllen kann, ohne daß ihm dies irgendwelche nennenswerte Schwierigkeiten bereitet? Man darf aber hieraus nicht leſen wollen, daß Armut allein die Vorausſetzung zum glücklichen Wenn auch die primitivſten Voraus⸗ ſetzungen zur Beſtreitung des nackten Lebensun⸗ terhaltes fehlen, wenn der Hunger ſtändiger Gaſt in kalter, dunkler Stube iſt und die Ausſichten zu ſeiner Vertreibung gleich Null ſind, dann iſt es um das Glück, um die Zufriedenheit des Be⸗ troffenen ſchlecht beſtellt. Und leider befindet ſich eine große Zahl unſerer Volksgenoſſen gegen⸗ wärtig in dieſer bedauernswerten Lage. Wie⸗ viel Familien in Deutſchland wiſſen am Morgen nicht, wovon ſie den Tag über leben ſollen! Wie⸗ viele Mütter verzweifeln, weil ſie die ausgehun⸗ gerten Geſichter ihrer Kinder nicht 15 ertra⸗ gen können! Und wieviele Männer,. kräftige, ar⸗ beitsgewohnte Männer, reſignieren, weil all ihre Verſuche, wieder irgendwie zu Arbeit zu kommen fehlgeſchlagen ſind! All dieſe Vielen kennen das Glück nicht mehr Und zu ihnen werden bald noch mehr kommen, wenn nicht der Teil unſerer Bevölkerung, der ohne die drängendſten Nahrungsſorgen leben kann, hilfreich einſpringt. Ueberfall in deutſchen Landen hat die„Winterhilfe“ eingeſetzt, überall iſt man am Werke, ſchlimmſte Not zu mildern Wer möchte ſich da ausſchließen, wer möchte feh⸗ len, wenn es gilt, durch geringes Opfer ein klei⸗ nes Quentchen Glück in die Wohnung unſerer Aermſten zu bringen?