Lokales Kirchweihe. Auch der zweite Kirchweihtag nahm einen ruhigen Verlauf. Die Gaſtwirtſchaften waren wieder ſehr gut frequentiert. Ueberall war Be⸗ trieb. In den Tanzſälen war es gegenüber am Sonntag etwas gemütlicher, da die vielen aus⸗ wärtigen Kirchweihgäſte nicht mehr da waren. Auf dem Juxplatz war ebenfalls Leben. Jung und Alt vergnügte ſich. Beſondere Anziehungs⸗ kraft hatte hier eine Puppen- und Spielhunde⸗ Verloſungsbude. Für 10 Pfg. einen großen ſchönen Hund, das leuchtet ein. Gleich wird ein Zehnerl geopfert. Das Licht flitzt herum— vorbei. Der Andere war glücklicher. So gehts weiter und weiter. Die Zehnerl ſitzen locker. Immer und immer gewinnt einer und zieht ſtrahlend davon. Die Kinderaugen werden groß. Verlangend werden die Händchen ausgeſtreckt. Und der Papa, er„probierts nochmal“, einmal ſchlägts doch ein. Viele ziehen natürlich auch ab mit langen Geſichtern— leider— Glück muß der Menſch eben haben. Karuſſel, Schiff- ſchaukel, Zuckerbuden uſw. erfreuen noch die CCC ͤ Heute Kirchweih-Dienstag im großen„Karpfen“ Saal Es gelangen die drei besten Blatzheim-Schlager:„Walzerträume“,„Der liebe Onkel“ und„ Heiteres Kerweprogramm, ausgeführt von dem bekannten Spieler-Ensemble des Volkschors. Der Vorstand des Volkschors Viernheim. Kinderherzen, und auch die Großen freuen ſich, es iſt eben Kerwe. Heute Dienstag nochmal, dann iſt es vorbei. Wir wünſchen allenthalben noch recht viel Vergnügen und den Wirten gute Geſchäfte, ſie können ſie beſtimmt vertragen. * Fahrraddiebſtähle. Am Kirch⸗ weihſonntag Nachmittag zwiſchen 6 und 7 Uhr wurden aus dem Hofe des Hauſes Rothſchild in der Rathausſtraße zwei gebrauchte Herren- Fahrräder entwendet. Da die Rathausſtraße belebt war iſt anzunehmen, daß vielleicht ein Paſſant etwas verdächtiges bemerkt hat. Wenn dies der Fall iſt, ſo wolle man ſich bitte bei der Kriminalpolizei melden, um mitzuhelfen, daß der Dieb gefaßt wird. *„Es geht ſchon wieder los.“ Dem Club der Gemütlichen iſt es gelungen nach längerer Pauſe heute Dienstag abend punkt 8,11 Uhr ihre erſte Fremden⸗Eröffnungs⸗ ſitzung im Lokal zum Anker vonſtatten gehen zu laſſen. Die Narrengeſellſchaft hat es nicht geſcheut ein erſtklaſſiges Programm den kommen⸗ den Gäſten zu bieten. Unſere auswärtige und einheimiſche Humoriſten werden die Gäſte in Bann ſetzen. Viernheimer Einwohner haltet den einzig daſtehenden Verein der den Humor „8 Uhr, prinz Guttalin“ zur Aufführung. Daneben Männer- Beginn 8 Uhr. Eintritt: Mitglieder 309, Nichtmi und den Frohſinn pflegt in Ehren und ſorgt für ein volles Haus und ihr könnt eure Sor⸗ gen auf einige Stunden vergeſſen. Ahoi. * Der„Volkschor“ rief und alle alle kamen. So wird man wieder heute abend ſagen können. Noch ſelten hat das Pub⸗ likum einer Veranſtaltung mehr Intereſſe ent⸗ gegengebracht, wie dem heutigen„Bunten Abend“. Es iſt ja auch kein Wunder, bei dieſem Pro- gramm und dieſen volkstümlichen Eintrittspreiſen. 3 Blatzheim ⸗Reißer und dazu noch die beſten, an einem Abend. Ein Dichterling hat für den heutigen Abend nachfolgendes Gedicht verbrochen: Ein Fremder geht durch Viernheims Gaſſen Und ſieht die aufgeregten Maſſen Hinpilgern nach dem Karpfenſaal; Er denkt, was ſind denn das für Sachen, Daß die in einem fort nur lachen? Daß er's nicht weiß, wird ihm zur Qual. Er bleibt beim erſten beſten ſteh'n Und fragt was iſt denn hier geſcheh'n? Der ſchaut zuerſt ihn an ganz dumm, Dann lacht er ſich faſt ſchief und krumm, Das haben Sie noch nicht vernommen, „Der liebe Onkel“ iſt angekommen. Wollen Sie einen ſchönen Platz, dann kommen Sie frühzeitig mit all Ihren Angehörigen und Bekannten. Wir begrüßen Sie im Voraus und ſichern Ihnen einige unterhaltende Stunden zu. Von was man in Viernheim erzählt Es gibt noch Märchen in dieſer Zeit, Heut ſind ſie nah, doch morgen weit. Ein kleiner Zufall bringt ſie Dir ins Haus, Oft wird das große Glück daraus. — Und dieſes Märchen ſtammt aus dem goldenen Wien und heißt: Es war einmal ein Walzer Es war einmal ein Wien Es waren ſchönre Zeiten Doch die ſind längſt dahin. Doch wollen Sie den ſchönſten u. vergnügteſten Kirchweih⸗Abend verleben, ſo beſuchen Sie bitte den Central⸗Film⸗Palaſt. Noch nie haben Sie was ſchöneres geſehen und gehört. Auch im zweiten Teil des Programms zeigt man ein ganz ausgezeichnetes Spitzenfilmwerk mit Iwan Petro⸗ vich„Der Leutnant Ihrer Majeſtät“. Im 3. Teil den Kirchweih⸗Tonluſtſpiel⸗Schlager. Parole: Noch heute iſt das ſchönſte Vergnügen ein Beſuch des überaus ſchönen Tonfilmprogramms. Ein Beſuch dieſer Darbietung zählt zu den ſchönſten Stunden Ihres Lebens. unter Abend u. Frauenchöre sowie Darbietungen des Frauenchors. tglieder 403. Ganz Viernheim ist frdl. eingeladen. Der Wirt: Michel Herbert. ö(Sternheimer Tageblatt— Viernheimer Nachrichten) 1 7 ernheimer Anzeiger i taglich mit Ausnahme der Sonn- und 1,40 Mk. frei ins Haus gebracht.— Gratisbeilagen: tige illuſtrierte aktuelle, intereſſante„Sonntagsblatt“, halbjah einen lan ſowie einen Wand⸗ kalender.— Annahme von Abonnements tägl. in der Geſchäftsſtelle u. beim Zeitungsträger Erſtes, älteſtes u. erfolgreichſtes Lokal⸗Anzeigeblatt in Viernheim echer 117.— Telegramme: A„Bi im. checklo 5 Feankucte ge. Schrhleltnnd, Deu Belag: Jb. Martin Geſchaſteſtele dtatheusſtr 70 gc l monatl. Viernheimer Zeitung Anzeigenpreiſe: Die einſpaltige Peti bei Wiederholung abgeſtufter Rabatt.— (Biernheimer Bürger⸗Ztg.— Viernb. Volksblatt) ile koſtet 25 Pfg., die Reklamezeile 60 Pfg., nnahmeſchluß für Inſerate und Notizen vor- mittags 8 Uhr, größere Artikel einen Tag vorher.— Annahme von Anzeigen in unſerer Geſchaftsſtelle u. von ſämtlichen Annoncen Expeditionen Deutſchlands u. des Auslands Amtsblatt der Heſſiſchen Bürgermeiſterei und des Polizeiamtes . bei Anzeigen werden nach Möglichkeit berückſichtigt.— Für die Aufnahme au beſtimmt vorgeſchriebenen Tagen kaun jeboch eine Gewähr nicht übernommen werden Nummer 267 Mittwoch, den 16. November 1932 49. Jahrgang Herriots Pläne. böſttra Füm⸗faast Achtung! Achtung! Heute Rirchweih- Dienstag noch⸗ mals das brillante Tonfilm Programm Alles beſucht noch heute die großartige und entzückende Tonfilm⸗Operette von der ganz Viernheim erzählt. ein Walzer Es war einmal ein Wien Es waren schöne Zeiten Doch die sind längstdahin Jeder muß es ſich eingeſteh'n War's nicht ſchön— wunderſchön! Dieſen Tonfilmſchlager muß man ge⸗ ſehen und gehört haben. — Im 2, Teil —— Der Leutnant 5— M 0 Ihrer Majestät Ein Spitzenfilmwerk erſten Ranges. g Mit Iwan Petrowitſch. Im 3. Teil Der Hirchweln-Jon-Lustspfelschlager Den ſchönſten u. vergnügteſten Kirch⸗ weih⸗Abend verlebte man 0 noch heute im bentral-Fm-CPalasl. Anfang ½8 Uhr, ab e9 Uhr nochmals alles zu ſehen. Ende 12 Uhr. eule Dienstag fulntag vroge Jugend- U. Hinder-Vorstelung. Hinder 10 Pig. 1. Tom Mix„Tom rechnet ab“. 2.„Es war einmal ein Walzer“. — Der Gesang-Verein„Liederkranz“ veranstaltet am Kir chweih- Dienstag einen„Bunten Abend“ im Freischütz. Wochenplan des Turnvereins. Dienstags ab 5 Uhr Schüler im Lokal. 1„s Uhr Turnſtunde der Turner im Lokal. Mittwochs nachm. Schülerinnen im Lokal. 5„ 5 Uhr 1. und 2. Handballmann⸗ ſchaft auf Sportplatz 1. Donnerstags 5 Uhr 1. u. 2. Handballjugend auf Sportplatz 1. „ 8 ¼ Uhr Turnerinnen im Lokal. „ 5 Uhr Fußball der 1. und 2. Schüler auf Sportplatz 1. 0„ 8 Uhr Turner und Sportler im Lokal. „ ½8 Uhr Sämtliche Trommler u. Pfeifer mit Inſtrumenten im Lokal. Fechter: Jeden Montag und Donnerstag halb Freitags 8 Uhr im Lokal. Aaagaggagggggagggggagghoggggggaggagaagag Zum Kaiserhof Heute Kirchweihdienstag von 7 Uhr ab gemütlicher Kirchweih⸗Rummel mit Stimmungskonzert der verſtärkten Feuerwehrkapelle. — Küche und Keller iſt noch in Ordnung— Es ladet freundlichſt ein Michael Froſchauer u. Frau faagaagaagaagaggggagggggggaggggggggagggggggggggggggggggaggg Piudt der geg. monatliche Rück⸗ zahlung, Beamten Kredite ohne Vork. Hypotheken zu 6 Prozent, günſtig zu vergeben. Näheres: durch P. Lu WIg, Mannheim 1 12. 15 Sprechzeit 2— 7. SSS Ztung! Heute Dienstag Ztung! Abend 8 Uhr treffen ſich die Mitglieder des Geſangvereins„Flora“ (Aktiv und Paſſiv) zur gemütlichen Der Vorſtand. Unterhaltung SGS 8888880 Sonderangebot Reiner Leinsamen gemahlen(beſte Quali⸗ tät). Pfd. 15 Pfg. Rathaus⸗Drogerie rid Hasso im Lokal. Die unentgeltliche Beratungsſtunde für Lungenkranke findet am Mittwoch, den 16. November von 2—4 Tanz im Saftladen 1 Heute, Kirchweih⸗Dienstag ab 7½ Uhr großer un fumme Stimmung! Humor! Alles erſcheint! Kapelle Lenz Grün⸗Rot. Der Wirt: Math. Träger. Sofortige Hilfe m. Darlehen leldsopoen u. Hypotheken. Bisher über 7000 Darlehensgesuche zur Aus- zahlung gebracht. Rückporto erbeten. Thoma, Mannheim-Neckarstadt, Gärtnerstrasse 85, Ecke Waldhofstrasse. Jarlüadtnmal-Derhand, e b Viernheim. 5 Krankenſcheine und Rezepte werden täglich von vormittags 8 Uhr bis nachmittags 3 Uhr ausgegeben. Der Vorſtand. Bekanntmachung. Betr.: Waſſerleitung; hier Sicherung der Haus⸗ leitung gegen Froſt. Mit Eintritt der kälteren Jahreszeit machen wir die Hausbeſitzer darauf aufmerkſam, die auf ihrem Grundſtück befindlichen Waſſerleitungs⸗ einrichtungen rechtzeitig und ausreichend gegen Froſt zu ſichern. Die Kellerfenſter ſind zu ſchließen und mit ſchlechten Wärmeleitern Stroh, Holzwolle, Lumpen etc. abzudichten. Garten⸗ leitungen ſind vor Eintritt des Winters zu ent⸗ leeren und während des Winters leer zu hal⸗ ten. Die Waſſermeſſerſchächte ſind mit doppel⸗ tem Deckel zu verſehen und die darin unterge⸗ brachten Waſſermeſſer beſonders mit ſchlechten Wärmeleitern zu umwickeln. Ausdrücklich weiſen wir darauf hin, daß die Hausbeſitzer auf Grund der Waſſerbezugs⸗ ordnung verpflichtet ſind, ſämtliche auf ihren Grundſtücken angebrachten Waſſerleitungseinrich⸗ tungen, insbeſondere die Waſſermeſſer, ausrei⸗ chend gegen Froſt zu ſichern und auch ſonſt vor jedweder Beſchädigung zu ſchützen. Die Koſten für auftretende Froſtſchäden ſind in allen Fäl⸗ len vom Hausbeſitzer zu tragen. Es liegt daher im eigenen Intereſſe der Hausbeſitzer, geeignete Schutzmaßnahmen zu tref⸗ fen, um vor unnötigen Koſten und unliebſamen Störungen in der Waſſerverſorgung bewahrt zu bleiben. Viernheim, den 11. Nov. 1932. Heſſ. Bürgermeiſterei Viernheim. Uhr im hieſigen Krankenhauſe ſtatt. Lamberth. Heute Kirchweih⸗Dienstag letzter Tag! Der gewaltige Erfolg in Viernheim. Hans ⸗Beck⸗Gaden der Liebling aller in dem prächtigen Hochgebirgsdrama allererſten Ranges. N N 8 N Cale Le. Ce eL T0 gel laden Mo Nel og Der ſchönſte und ergreifendſte Beck⸗ Gaden⸗Film 2. Der aufſehenerregende Großfilm mit amundsen 1 8 2— In aller Welt ist Amundsen, Nobile und, HHlaimgreen beækarint. Der Film ſchildert die Sturmfahrt und Zerſtörung der Norge. 3. Der Bomben⸗Kerwelachſchlager Hoch die Arbeit, dan keiner ran kommt Heute die letzte Gelegenheit, auf ins beliebte Union. Anfang 7 Uhr. Heute Hlttag A un grofle Familien- 6 gezeigt wird das geſa b Heute abend Plätze denn alles will,, 0 5 0 e Der große Plan des franzöſiſchen Miniſter⸗ präſidenten, der den Namen„Konſtruktiv⸗ plan“ erhalten hat und der Genfer Abrü⸗ ſtungskonferenz vorgelegt worden iſt, iſt jetzt veröffentlicht worden. Sein Inhalt war in den Hauptzügen bereits bekannt. Wenn man jetzt den Wortlaut betrachtet, werden die ſtar⸗ ken Bedenken, die man ſchon bisher hatte, nur noch weiter verſtärkt: der Plan erſcheint: reichlich kompliziert, ſo kompliziert ſogar, daß es außerordentlich ſchwer iſt, auch bei ſehr aufmerkſamer Lektüre auf den Kern der Sa⸗ che zu kommen, weiter aber trägt er dem deutſchen Verlangen nach Gleichberechtigung auf dem Gebiete des Rüſtungsweſens in keiner Weiſe Rechnung. Wenn von franzöſiſcher Seite die Haupt⸗ gedanken des Herriot'ſchen Planes dahin zu⸗ ſammengefaßt werden, daß erſtens ein Sy⸗ ſtem der Organiſation der Sicherheit ge⸗ meinſam mit einem Syſtem der Herab⸗ ſetzung der Rüſtungen geſchaffen werden ſoll und daß ferner durch Feſtſetzung des„Typus“ der Armeen eine Gleichheit für die einzelnen Länder hergeſtellt werde, ſo iſt das bei oberflächlicher Betrachtung richtig, ſobald man aber näher zuſieht, be⸗ merkt man, daß es ſich dabei nur um ſchöne Worte handelt. Schon die Tatſache, daß Herriot mit ſeinem Plan darauf abzielt, die berühmte franzöſiſche„Sicherheit“ mit der. Abrüſtung zu verquicken, zeigt deutlich, daß Herriot keinesfalls einen neuen Weg einzu⸗ ſchlagen bereit iſt. Denn alle ſeine Vorgän⸗ ger haben bis zum Ueberdruß von der be⸗ drohten franzöſiſchen Sicherheit geredet und haben jede Förderung der Abrüſtung von der Löſung dieſer Sicherheitsforderung ab⸗ hängig gemacht. Herriot macht es nun eben⸗ ſo. Er darf ſich deshalb nicht wundern, wenn das deutſche Volk auch gegenüber ſeinem Plan allergrößtes Mißtrauen hegt. Aber auch was dann Herriot zum Abrü⸗ ſtungsplan ſelber vorzuſchlagen hat, klingt reichlich unklar und ſo verklauſuliert, daß man praktiſch wenig damit anfangen kann. Wie klar und folgerichtig war dagegen der Vorſchlag des amerikaniſchen Präſidenten Hoover, der bekanntlich die Herabſetzung aller Rüſtungen auf ein Drittel ihres jetzigen Beſtandes forderte. Herriot aber lehnt die⸗ ſen Vorſchlag ausdrücklich ab. Statt deſſen propagiert er ein anderes Wehrſyſtem, nämlich die Einführung von Milizen. Deutſchlands braucht ſelbſtverſtändlich gegen ein ſolches Milizſyſtem grundſätzlich gar nichts einzuwenden, aber es iſt noch ſehr die Frage, wie dieſe Miliz in der Praxis aus⸗ ſehen ſoll. Darüber aber erfährt man auch aus dem Wortlaut des Heriot⸗Planes nichts. Außerordentlich bedenklich iſt aber der Herriokſche Plan, daß dem Völkerbund eine bewaffnete Macht zur Verfügung geſtellt werden ſoll und zwar ſo, daß jeder europä⸗ iſche Stagt eine beſchränkte Zahl beſtimmter militäriſcher Einheiten für den Völkerbund bereit hält. Dieſe Völkerbundsarmee iſt eine franzöſiſche Lieblingsidee, die ſchon Tardieu in Genf immer wieder vorgetragen hat. Der Völkerbund ſoll durch eine ſolche Armee in die Lage verſetzt werden, Mitgliedsſtaaten, die ſich der Durchführung irgendwelcher Ent⸗ ſcheidungen des Völkerbundes widerſetzen, mit Gewalt dazu zu zwingen. Man ſteſte ich ein ſolches Vorgehen nur einmal in der Praxis vor, und man erkennt ſofort die Un⸗ möglichkeit ſeiner Durchführung. Denn es wäre ja möglich, daß in einem beſtimmten Falle deutſche Truppen gegen Deutſche, fran⸗ zöſiſche Truppen gegen Franzoſen uſw. ampfen ſollen! Völlig ungenügend iſt aber ſchließlich der Herriot'ſche Plan bezüglich der deutſchen Gleichberechtigung. Hier darf und wird ja wohl auch die Reichsregierung keinen Zwei ⸗ el darüber laſſen, daß es ihr nicht genügt, was in dem Plane Herriots zu den deutſchen orderungen geſagt wird. Im übrigen aber wird man in dem fräͤnzöſiſchen Proſekt deut⸗ 1 Noch keine Nütklehr nach Genf. Der Eindruck des franzöſiſchen„Abrüſtungsplanes“ in Verlin.— Kühle Aufnahme in London.— Pariſer Anmaßung. Der nunmehr im Wortlaut vorliegende franzöſiſche„Abrüſtungsplan“ wird in Ber⸗ liner politiſchenKreiſen ſehr zurückhaltend be⸗ urteilt; man weiſt jedenfalls darauf hin, daß der Plan in verſchiedenen Punkten erheb⸗ lich anders ausſehe, als die Ausführun⸗ gen, die der franzöſiſche Miniſterpräſident Herriot gemacht hatte und die vom Reichs⸗ kanzler von Papen in ſeinen Ausführungen vor der Auslandspreſſe im gewiſſen Sinne als ein Fortſchritt bezeichnet worden waren. Der Worklauk des franzöſiſchen Geſamt⸗ planes hat alſo ſehr viel Waſſer in den Wein gegoſſen. Die Feſtſtellung der eng⸗ liſchen öffentlichen Meinung, u. a. der „Times“, wonach im franzöſiſchen Plan die ſogenannke Sicherheit die Abrüſtung völlig überſchakrte und damit die Kern- frage der deutſchen Gleichberechtigung durch zahlreiche andere Probleme der Abrüſtungskonferenz in den Hinker⸗ grund gedrängt werde, enkſpricht auch 5 der deulſchen Auffaſſung. Gerade was dieſe franzöſiſchen Sicher⸗ heits wünſche angeht, beſonders den Gedanken einer Völkerbundsarmee und die Verpflichtung der Staaten zur Kriegsfüh⸗ rung gegen den ſogenannten Angreifer, ſo werden nunmehr England und Italien das Wort haben. Es iſt kaum anzunehmen, daß ſich dieſe Länder auf derartige Pläne werden feſtlegen laſſen. Im übrigen wird in Berliner politiſchen Kreiſen der Plan Herriots nicht als eine ge⸗ nügende Klärung der deutſchen Gleichberech⸗ tigungsforderung angeſehen, er bietet ſomit noch keine Grundlage für eine Aenderung der bisherigen Haltung der deutſchen Regie- rung gegenüber der Abrüſtungskonferenz. Der franzöſiſche Plan macht die Schaffung eines neuen Militärſyſtems in Europa von der Annahme eines politiſchen Syſtems ab⸗ hängig, während nach deutſcher Auffaſſung der unverzichtbare Anſpruch Deutſchlands auf Gleichberechtigung von keinerlei po⸗ litiſchen Bedingungen abhängig gemacht wer— den darf. Ferner ergibt ſich bei näherer Prüfung, daß der franzöſiſche Plan keines⸗ wegs in der Richtung einer weſentlichen Herabſetzung und Beſchränkung der Rüſtun— gen liegt. Die franzöſiſchen Schlauberger. Wie man in Berliner politiſchen Kreiſen weiter erklärt, zielt der ganze Plan darauf ab, die politiſche Vorherrſchaft Frankreichs in Europa, begründet auf militäriſcher Ueberlegenheit einzelner Staa⸗ ten oder Staatenbünde, zu verewigen. Be⸗ ſonders charakteriſtiſch für die franzöſiſche Einſtellung iſt dabei die Beſtimmung über beſtehende, beſondere Vereinbarungen, womit natürlich die Enkmilitariſierung des Rheinlandes gemeint iſt, die mit allen ſich daran knüpfenden militäriſchen Konſequenzen in Geltung bleiben ſoll. Die Vereinheitlichung der europäiſchen Feſt⸗ landsarmeen iſt wohl der einzige Gedanke mit n Kern, den der franzöſiſche Plan enthält. ſcherfeits eine willkommene Gelegenheit ſehen dürfen, um unſere Forderungen nunmehr erneut anzumelden und mit aller Energie weiter zu verfechten. Es liegt nahe, von deut⸗ ſcher Seite einen Gegenplan auszuar⸗ beiten, der das wenige, was im Plane Her⸗ riots brauchbar iſt, aufgreift und dann die im wohlverſtandenen Intereſſe Deutſchlands liegenden en e ja Geſtalt von prak⸗ tiſchen Vorſchlägen enthält. Vertreters Hugenberg begannen Völlig grotesk mutet der Vorſchlag an, das den Milizarmeen zu enkziehende ſchwere Waffenmaterial unter einer Völkerbundskon⸗ trolle in den einzelnen Ländern ſelbſt zu la⸗ gern und jedem Staat nach ſeinem Ermeſſen im Falle des Angriffes zur Verfügung zu ſtellen. Auf dieſe Weiſe will es Frankreich vermeiden, ſeine ungeheuren Mengen ſchweren Kriegsmaterials durch Jerſtörung, die Deutſchland hunderkprozenkig durchführen mußte, auch nur zu vermindern. Es ſichert ſich damit eine Ueberlegenheit auf dem Ge⸗ biete der qualitativen Rüſtung, die dazu die⸗ nen müßte, die Ungleichheit zu verewigen. Alle Geſichtspunkte einer durchgreifenden und radikalen Abrüſtung fehlen vö!l⸗ lig. Die tatſächliche Gleichberechtigung und die Sicherheit, die aus der allgemeinen Ab⸗ rüſtung entſpringt, wird anderen Staaten nicht gewährt. Dieſe werden auf juriſtiſche Sicherungen verwieſen, ſowie auf den Schutz, den ihnen die franzöſiſche Armee auf Grund des Artikels 16 des Völkerbundsſtatuts zuteil werden laſſen würde. London iſt nicht entzütkt. London, 16. Nov. Der franzöſiſche Abrüſtungsplan iſt von der Londoner Preſſe höflich aber kühl aufgenommen worden und es wird an ihm eine Reihe von Beanſtandungen erhoben. Die „Times“ meint, daß die Möglichkeit einer Verſchmelzung der franzöſiſchen, engliſchen und amerikaniſchen Pläne zu einem gemein⸗ ſamen Plan der Herabſetzung und Begren— zung noch offen ſtehe. 5 Im franzöſiſchen Plan überſchalte die Sicherheit völlig die Abrüſtung. Die Methoden der Feſtſtellung eines Angrei⸗ fers würden nicht den allgemeinen Bei- ſall finden. Aber die franzöſiſche Forde rung, daß der neue Plan nur dann ver⸗ wirklicht werden könne, wenn allen Mächten die Gerechtigkeit des Kellogg⸗ Paktes und des Völkerbundsſtatuts wirkſam geſtattet ſei, ſei kein gutes Vor- zeichen. Man müſſe ſich endlich daran erinnern, daß zunächſt die Frage der deutſchen Gleich⸗ berechtigung zur Erörterung ſtehe und es ſei wichtig, daß dieſe dringende Frage nicht durch die vielen Probleme, mit denen ſich die Abrüſtungskonferenz zu befaſſen ha⸗ be, in den Hindergrund gerückt werde. Wenn Deuſchland ablehnt Paris, 16. Nov. Die geſamte Pariſer Preſſe beſchäftigt ſich ausführlich mit dem Herriot⸗Plan, den ſie lebhaft begrüßt. Von dieſen Preſſeäuße⸗ rungen ſind zwei ſehr charakteriſtiſch. Die po⸗ litiſche Zeitſchrift„Journal des Nations“ ſchreibt, der franzöſiſche Plan halte die Rechtsbeſtimmungen des Ver⸗ ſailler Vertrages uneingeſchränkt auf⸗ recht und lehne den Gedanken einer Wiederauf⸗ rüſtung Deutſchlands ab. Andererſeits löſe der franzöſiſche Plan automatiſch die Frage der Gleichberechtigung durch den Ausgleich der Rüſtungen, jedoch unter Ausſchluß jeg⸗ licher Aufrüſtung. Der„Matin“ erklärt, eine Ablehnung des franzöſiſchen Sicherheits. und Abrüſtungs⸗ planes durch die Reichsregierung würde dem Geſtändnis gleichkommen, daß Deukſchland unter dem Deckmantel der Sicherheit nur von dem Wunſch geleitet ſei, ſeine Rüſtungsfrei⸗ heit wieder zu gewinnen. dichte Woche Entſcheldmng. Mittwoch Beginn der Parteiführer⸗Beſprechungen. Berlin, 16. Nov. Reichskanzler von Papen iſt von ſei⸗ nem Beſuch bei der ſächſiſchen Staatsregie— rung am Dienstag nachmittag wieder nach Berlin zurückgekehrt. Er hatte auf Schloß Hohenturm bei Bitterfeld noch eine politiſche Beſprechung, die mit der Frage einer Zuſammenkunft mit dem Führer der NSDAP. in Zuſammenhang ſtand. Die Parteiführerbeſprechungen, die am Sonntag mit dem Empfang des deutſchnationalen wer⸗ den am heutigen Mittwoch fortgeſetzt. Der Reichskanzler wird zwei Zentrumsvertreter, nämlich die Herren Dr. Kaas und Joos empfangen und im Anſchluß daran die So⸗ zialdemokraten Wels und Dr. Breit-⸗ ſchei d. Die Beſprechungen werden den ganzen Tag über dauern und vorausſichtlich auch noch einen Teil des Donnerstag in An⸗ ſpruch nehmen. Am Donnerstag abend wird der Reichskanzler von Papen ſeine Reiſe nach Süddeutſchland antreten, die ihn zum Beſuch der würktembergiſchen Regierung nach Stuttgart, zum Beſuch der badiſchen Regierung nach Karlsruhe und zur Einweihung der neuen Rhein brücke nach„ e hrt. Es iſt infolgedeſſen nicht damit zu rechnen daß N50 von Papen dem Reichspräſidenten noch in dieſer Mache Pericht erſtatten kann. Man rechnet damit, daß er erſt am Prontag zu Hindenburg gehen wird. Das bedeutet, daß irgendwelche politi⸗ ſchen Enkſcheidungen, die ſich aus den Parteiführerempfängen ergeben, nicht vor der nächſten Woche fallen. Im übrigen haben ſich die vielen aufge⸗ regten Gerüchte, die in der letzten Zeit kol⸗ portiert worden ſind, durchweg als haltloſe Kombinationen erwieſen. Man kann daher über die vorausſichtliche politiſche Entwick⸗ lung noch gar nichts vorausſagen. Feſt ſteht nur, daß Herr von Papen nach wie vor das Vertrauen des Reichspräſidenten be⸗ ſitzt, außerdem ſcheint ſich der Reichskanzler auch wieder in weitgehender Uebereinſtim⸗ mung mit den Länderregierungen zu befinden. Ein Dementi. Zu den neuerlichen Gerüchlen, die Keichs⸗ regierung beabſichtige, den Reichstag ſchon vor ſeinem Juſammenkritt aufzulöſen, wird von zuſtändiger Stelle nochmals mit Nach⸗ druck betont, daß weder die Reichsregierung noch der Reichspräſident jemals die Auflö⸗ ſung des Reichstages vor ſeinem Juſammen⸗ tritt beabſichtigt hätten. Es handelt ſich um reine Kombinalſonen. Sozialdemolraten gehen nicht zu Papen. Der Vorſtand der ſozialdemokrati⸗ ſchen Reichstagsfraktion, der am Dienstag nachmittag eine Sitzung abhielt. beſchloß daß der Einladung des herrn von Pa⸗ pen zu einer Beſprechung am Mittwoch keine Folge geleiſtet werden ſoll. Der urſprünglich in Ausſicht genommene Be⸗ ſuch der beiden ſozialdemokratiſchen Partei⸗ führer Wels und Dr. Breitſcheid wird alſo unterbleiben. In der Begründung heitß es u. a., der Kanzler habe zweimal den Reichstag aufge⸗ löſt und zweimal eine vernichtende Nieder⸗ lage erlitten. Die Verfaſſung gebe ihm nicht das Recht weitere Verhandhymgen zu führen: er habe ſich weiter beim Vorgehen gegen Preußen über die Verfaſſung und den Spruch in Leipzig hinweggeſetzt. Die Partei ſehe den Kanzler als Vertreter einer Minder⸗ heit an. Am Schluß der Entſchließung wird der Rücktritt des Kanzlers gefordert. die Verhandlungen mit Hitler. München, 16. Nov. Der Führer der NSDAP., Adolf Hitler, iſt am Dienstag abend aus Berchtesga⸗ den in München eingetroffen. Es iſt an⸗ zunehmen, daß die Entſcheidung der NSDAP zu den Angeboten auf Verhandlungen über die Frage der Regierungsbildung oder Re⸗ gierungsbeteiligung erſt nach Beratungen Adolf Hitlers mit den Führern der NSDAP. fallen wird, die am Mittwoch ſtattfinden werden. Eine Entſcheidung Adolf Hitlers iſt alſo bisher noch in keiner Weiſe gefallen. Ebenſo wenig kreffen die Meldungen zu, daß Adolf Hitler von ſich aus am Donnerskag nach Berlin kommen werde. Er wird ſich erſt dann nach Berlin begeben, wenn der Reichspräſident den Wunſch ausdrückt, ihn zu einer Beſprechung über die Regierungs- frage zu empfangen. * Gehaltskürzungen? Berlin, 16. Nov. Wie die„DA.“ berichtet, haben die Län⸗ der im Reichsrat den Standpunkt eingenom— men, daß der von der Unterkomwiſſion der Finanzminiſterkonferenz erteilte Rat, die Länder und Gemeinden müßten zur Behe⸗ bung ihrer Finanzſchwierigkeiten erforder⸗ lichenfalls mit Gehaltskürzungen vorgehen, in dieſer Form nicht befolgt werden könne. Sie haben dem Reichsfinanzminiſter vorgeſtellt, daß, falls das Reich entgegen der verkündeten Abkehr von der Defla⸗ kionspolifik Gehaltskürzungen für unum- gänglich halten ſollkle, dieſe Maßregel einheitlich unter Beteiligung des Rei- ches ergriffen werden müßte. Vor allem aber habe man dem Naenhef eng miniſter vorgehalten, daß eine ſofortige rück⸗ ſichtsloſe Abkehr von der Subventionspolitik erforderlic ſei, weil die zahlreichen Subven⸗ tionierungen die Finanzen erſt in die heutige Lage gebracht hätten. Für den Eigenheimbau. 20 Millionen Mark Reichsbaudarlehen. Im Rahmen des Arbeitsbeſchaf⸗ fungsprogramms der Reicheregie⸗ rung iſt bekantlich die Förderung des Eigen⸗ heimbaues vorgeſehen. Die näheren Beſtim⸗ mungen darüber ſind ergangen. Danach wird die Reichsregierung in den Haushalt der Rechnungsjahre 1933 und 1934 je 20 Millionen Mark einſtellen, aus denen kleine Hnvotheen für Eigenheime gegeben werden l ſollen. Berückſichtigt werven nur Bewerver. die Eigenkapital in Höhe von mindeſtens 30 v. H. des Bau⸗ und Bodenwertes nachweiſen können. Die Baukoſten der Häuſer ohne Wert des Grundſtückes ſollen in der Regel zwiſchen 4 und 6000 Mark liegen. Im In⸗ kereſſe der Arbeitsbeſchaffung iſt aber auch die Berückſichtigung von Häuſern im Bau⸗ werte bis zu höchſtens 10 000 Mark und, falls eine zweite Wohnung eingebaut iſt, bis zu 12 000 Mark nicht ausgeſchloſſen. Die Reichsbaudarlehen dürfen im allgemei⸗ nen 1500 Mark nicht überſteigen; in beſon⸗ deren Fällen können ſie bis zu 2000 Mark betragen; wenn eine zweile Wohnung ein⸗ gebaut iſt, können ſie bis zu 3000 Mark er- höht werden. In keinem Fall jedoch darf das Reichsbaudarlehen 25 v. 9. des Bau- und Bodenwerkes überſchreiten. Nur Kin derreiche genießen eine beſondere Vergünſti⸗ gung indem ihnen ein Juſatzdarlehen bis zum Bekrage von 500 Mark außerhalb die⸗ ſer Grenze gewährt werden darf. Wird das Reichsbaudarlehen innerhalb der Rangſtelle eingetragen, in der im allge⸗ meinen die erſten Hypotheken ſtehen, ſo ſind 4 v. H. Zinſen zu zahlen. Steht das Darle⸗ hen ganz oder teilweiſe außerhalb dieſer Rangſtelle ſo beläuft ſich der Zinsfuß auf 5 v. H.. Daneben iſt in beiden Fällen eine Tilgung von 1 v. H. und eine laufende Ver⸗ waltungsgebühr von einem halben v. H. zu entrichten. Die Durchführung der ganzen Aktion iſt den Ländern übertragen. Die erſten Lichtblicke. Der Reichs wirtſchaftsminiſter über die Welt⸗ wirtſchaftslage. g Berlin, 16. November. Vor der Hauptgemeinſchaft des e Einzelhandels hielt Reichswirtſchaftsminiſter Dr. Warmbold eine Rede, in der er ein⸗ leitend feſtſtellte, daß ſich jetzt die Anfänge einer gewiſſen Beſſerung zeigten, und daß dieſe Beſſerung anhalten werde, wenn keine beſon⸗ deren Zwiſchenfälle eintreten werden, und daß ſie im Frühjahr weitere Fortſchritte machen werde. Der Miniſter verwies beſonders auf die Beſ⸗ ſerung der Rohſtoffpreiſe und die außerordent⸗ liche Verflüſſigung der Geldmärkte in den wichtigſten Wirtſchaftsgebieten der Welt. Die Verflüſſigung der Geldmärkte habe ganz beſonders außerhalb unſerer Grenzen be⸗ reits begonnen auf die Kapitalmärkte über⸗ zugreifen. Auch die Hortungen an Noten hät⸗ ten ſich vermindert und die Umlaufgeſchwindig⸗ keit der Zahlungsmittel und des Buchgeldes hätten ſich erhöht. Nach allen dieſen Anzeichen dürfe man den Standpunkt vertreten, daß die Kriſe den Tiefpunkt erreicht habe. Das Wirtſchaftsprogramm der Reichs⸗ regierung habe den richtigen Zeitpunkt für Erleichterungen in den Belaſtungen für Be⸗ lebung auf den Kreditgebieten und für das Wachrufen einer neuen Wirtſchaftsinitiative ge⸗ funden. Es komme infolgedeſſen alles darauf an, die bereits aus natürlichen Gründen wirk⸗ ſamen Kräfte und die Stärkung, die ſie durch das Wirtſchaftsprogramm erfahren haben, durch den Willen und den Entſchluß gerade in den Kreiſen der ſelbſtändigen Exiſtenzen zu unterſtützen und zu fördern. Die Reichsregierung unv bie Reichsvanr wür⸗ den an dem Grundſaß feſthalten, an der Wäh⸗ rung nicht zu rütteln und alles zu tun, um die Währung ſtabil zu halten. Der Miniſter führte im Einzelnen aus, wel⸗ che Maßnahmen die Regierung getroffen habe, um dem Einzelhandel und den mittelſtändiſchen Kreiſen Erleichterungen zu geben. Klagen über ungenügende Kreditverſorgung des Einzelhan⸗ dels ſeien zu einem Teil berechtigt. Dr. Warmbold gab der Erwartung Aus⸗ druck, daß die Novelle, in der eine wirkſamere Bekämpfung der Auswüchſe im Hauſierhandel vorgeſehen iſt, alsbald verabſchiedet werden möge. Die Gerüchte, daß eine ſchrankenloſe Be⸗ freſung der Warenautomaten von den Be⸗ ſtimmungen über Ladenſchluß und Sonntags⸗ ruhe in Ausſicht genommen ſei, ſeien völlig gegenſtandslos. Letzte Nachrichten. Nächſte Jahn Sena. Jeppelin Friedrichshafen, 16. Nov. Das Luftſchiff „Graf Zeppelin“ hat am Dienstag ſeine letzte Probefahrt gemacht. Der Fahrbetrieb iſt mit dem heutigen Tage ſtillgelegt worden. Die Fahrten werden im Frühjahr nächſten Jahres wieder aufgenommen. Todesurteil. Chemnitz, 16. Nov. In dem Prozeß wegen Erſhiehung des Chemnitzer Dentiſten Krebeck in einem Verkehrslolal der NSDAP. in der Nacht zum 5. Auguſt fällte das Gericht ent⸗ ſprechend dem Antrag des Staatsanwaltes gegen den Angeklagten Ferdinand Bartl, we⸗ gen gemeinſamen Mordes das Todesurteil. Wegen Vergehens gegen das Schußwaffen⸗ geſetz erhielt Bartl ſechs Monate Gefängnis. Letztere gelten als durch die Unterſuchungs⸗ haft verbüßt. Bartl, der aus der Tſchechoſlo⸗ wakei ſtammt, hat bisher den Namen des Mit⸗ täters, der verſchwunden iſt, noch nicht be⸗ kannt gegeben. Gerhart⸗Hauptmann⸗Feier. Ehrung durch eine Skiftung. Berlin, 16. November. Bei der von Reichsregierung und Staats⸗ regierung im Schauspielhaus veranſtalteten Feier zum 70. Geburtstag Gerhart Haupt⸗ manns hielt nach Schluß der Feſtvorſtellung bei Ueberreichung der großen Goldenen Staatsmedaille Reichsminiſter Dr. Bracht eine Anſprache, in der er zunächſt dem Dichter die herzlichſten Glückwünſche des Reichsprä⸗ ſidenten, der Reichsregierung und der kom⸗ miſſariſchen preußiſchen Staatsregierung übermittelte. Dr. Bracht fuhr dann fort: „Die Feier Ihres 70. Geburtstages fällt in eine Zeit eigenartiger polifiſcher Konſtella⸗ kion. Es könnte die Frage auftauchen, wer hier am eheſten befugt ſei, den Staat zu re⸗ präſentieren. Der Beſchluß, den die preußi⸗ ſche Staatsregierung gefaßt hat, deckt ſich mii der Entſchließung, die die gommiſſare des Reiches ſchon vor längerer Zeit gekroffen ha⸗ ben; er iſt eine Beſtätigung unſeres Wun⸗ ſches Ihnen zu Ihrem Ehrenkage zu zeigen, daß der Staat ſich deſſen bewußt iſt. was er ſeinem großen Bürger an Dank ſchuldek. Reichsminiſter Dr. Pracht teilte mit, daß „ die preußiſche Staatsregi ſtock zu einer Stiftun aus deren Erträgniſſen jährlich einige deutſche Schrifitteler, insbeſondere der jüngeren Generation, ein Stipendium erhal⸗ ten ſollen, das ſie auf ein Jahr des Kampfes ihrer wirtſchaftlichen Exiſtenz enthebt. Dieſe Stiftung, betonte Dr. Bracht, ſoll den Namen „Gerhark⸗ Hauptmann-Skiftung“ tragen, und es ſollen die Stipendien nur mit Ihrer perſönlichen Zuſtimmung verteilt wer⸗ den. Eine in privaten Kreiſen begonnene Sammlung hat bereits 50 000 Reichsmark erbracht. Gerhart Hauptmann antwortete mit tiefempfundenen Worten des Dankes. Das ſchönſte Geſchenk, betonte der Dichter, iſt mir der ſtaatliche Preis,, der meinen Na⸗ men tragen ſoll. Ich verkenne den Kummer nicht, der Ihre Worte beſchattet und kann wohl ſagen: Ich teile ihn. Der beſondere Fall, der die eigenartige politiſche Konſtella⸗ tion zum Ausdruck bringt, ſoweit er mich be⸗ trifft, drückt in der Tat die Bedeutung dieſes Kummers nicht aus. Aber ich fühle mich in dieſem Augenblick, wie Sie, weil von aller Politik, und möchte gern einſtimmen in den Wunſch nach einer Ruhepauſe in dem leider unumgäng⸗ lichen polikiſchen Kampfleben. Möge das große verſöhnliche Prinzip immer mehr an Macht gewinnen. ö Die Abſage der 5d. Die Aufnahme in Regierungskreiſen. Berlin, 16. November. Zu der ſozialdemokratiſchen Ablehnung der Beſprechung wird in Regierungskreiſen dar⸗ auf hingewieſen, es ſei immer üblich ge weſen, daß ſolche Beſprechungen zwiſchen Wahlen und der Reichstagseröffnung nicht vom Reichspräſidenten, ſondern vom Führer der Reichsregierung geführt wurden. In dieſem Falle kommt noch hinzu, daß Reichskanzler von Papen die Beſprechungen in ausdrückli⸗ chem Auftrag des Reichspräſiden⸗ ten führe. Die Ablehnung der Sozialdemo⸗ kratie wird in Regierungskreiſen als ein Akt der Agitation und Flucht aus der Verant⸗ wortung bewertet. Die Forderung nach dem Rücktritt ſei gerade vom Standpunkt der Formaldemokratie aus ungerechtfertigt, weil die Frage eines Rücktritts auch unter nor⸗ malen Verhältniſſen erſt bei einem Miß⸗ trauensvotum akut werde. Neues aus aller Welt. Beim Spielen mit der Piſtole getötet. In Krefeld ſpielte in der elterlichen Wohnung ein 19 jähriger junger Mann im Beiſein ſeiner Geſchwiſter mit einem Teſching. Nach⸗ dem man ihm einmal die Piſtole abgenom⸗ men hatte, nahm er plötzlich die Waffe und ſagte lächelnd, indem er die Piſtole an die Schläfe ſetzte:„Ich ſchieße mich jetzt tot.“ Im ſelben Augenblick ging der Schuß los und der junge Mann brach tot zuſammen. Das älteſte Ehepaar Deutſchlands. Als älteſtes Ehepaar des Deutſchen Reiches gel⸗ ten die Eheleute Wilhelm Sträter von Bo⸗ chum⸗Werne, die dieſer Tage das Feſ ihres 70 jährigen Ehejubiläums begehen können. Der Ehemann ſteht im Alter von 96 Jahren, die Frau iſt 94 Jahre alt. 1 Fortſetzung. Magdalen zwischen den zwei 5 ungleichen Brüdern Roman von Gert Rothberg Copyright by M. Feuchtwanger. Halle(Saale) Mit letzter Kraft wehrte ſie ſich dagegen, richtete ſich auf. „Ich muß heim. Meine Tante ängſtigt ſich ſonſt“, ſagte ſie und ſtrebte der Tür zu. Er war dicht neben ihr, öffnete, ſah hinaus. „Es iſt ſehr naß, die Steine ſind glatt. Darf ich Sie wenigſtens hinunterbringen?“ „Nein, nein— ich will allein ſein!“ Wie auf der Flucht vor ſich ſelbſt, ſtand Magdalen in der Tür, ſtrebte hinaus. „Werden wir uns einmal im Leben wiederſehen, gnädige Frau?“ „Kaum!— Oder vielleicht will es der Zufall? Dann werde ich mich freuen“, ſagte ſie. Dann beſann ſie ſich, reichte ihm die Hand. „Ich danke Ihnen! Allein hätte ich mich doch recht ge⸗ ängſtigt. Sie werden über ſo viel Furcht gewiß lächeln, denn ich denke, daß Sie Gefahren gewiß recht oft ſchon furchtlos gegenübergeſtanden haben“, ſagte ſic und lächelte zu ihm auf. Sein Blick liebkoſte ihr ſüßes Geſicht, ihr blondes Haar; dann ſagte er: „Sie mögen wohl recht haben. Aber ſo leicht man mit einer Gefahr fertig wird, ſo machtlos iſt man gegen das Schickſal.“ Sie ſah ihn nur an, dachte an Friedrich Karl, dachte, wie der die Situation ausgenützt haben würde, er, der Frauenjäger, und verglich ihn mit dem Manne, der, leicht vornüber gebeugt, vor ihr ſtand und auf ein liebes Wort von ihr wartete— das fühlte ſie. 5 f„Ich— habe immer gehofft, daß ich einmal im Leben einem Manne begegnen möchte, der anders iſt wie die Männer, die ich bisher kennenlernte“, ſagte ſie. „Ich danke Ihnen, gnädige Frau, und nun weiß ich auch, daß wir uns einmal im Leben wiederſehen werden.“ Magdalen ging, ſah ſich nicht mehr um, wußte nicht einmal, daß ſie noch immer ſeinen warmen Mantel trug, ſchritt raſch den Pfad hinunter, der zur Bahnſtation führte. Sie würde ja nicht lange warten brauchen, denn von Grainau⸗Baderſee her wand ſich die ſchmucke Zugſpitzbahn bereits wieder zum Tal hinab. Droben vor der kleinen Hütte ſtand der große, ſchlanke Mann und ſah der Frauengeſtalt nach; dann trat er zurück, packte ſeinen Ruckſack und ſchritt gleich darauf über die Schwelle. Er ſchloß die Tür ſorgfältig und ſchritt dann raſch den Pfad hinunter, behielt die Frauengeſtalt im Auge, ſchüttzte ſie, bis der Bahnwagen ſie aufnahm. Dann ging er ſeitlich den ſchmalen Weg nach Partenkirchen hinunter. ö***. „Mich hätteſt du natürlich hier nicht vermutet? Kann ich mir denken! Aber die Sehnſucht trieb mich her.“ Die Hände in die Taſchen ſeines Sportjacketts ver⸗ graben, ſtand Friedrich Karl von Lindsmühlen vor ſeiner Frau und ſah ſie an, in den Augen lodernde Gier nach der zarten Schönheit der vor ihm Stehenden. Weiß bis in die Lippen hinein ſtand Magdalen vor ihm, ſah ihn an wie ein Geſpenſt. Da lachte er ärgerlich auf. ö f „Das heißt, fuchsteufelswild könnte man werden über ſo einen Empfang! Tante Suſannk, bei der ich mich melden ließ, nachdem du ausgeflogen warſt, ſah mich auch an, als wollte ſie mir an die Kehle ſpringen. Dabei hab' ich dir etwas mitgebracht. Ich bin doch ein guter Kerl!? Sei doch nett, Magdalen! Schließlich macht jeder Mann mal einige Dummheiten. Wenn da alle Frauen immer gleich beleidigt und unverſöhnlich ſein wollten— hm!—, wohin ſollte das wohl führen? Schau, ich bin nun dahinter gekommen, daß ich ein Eſel war, und die Weiber ſind eben auch mit ſchuld. Sie laufen einem auf Schritt und Tritt nach. Na, nun ſei gut und gib mir einen Kuß!“ Wie auf einen Fremden, blickte Magdalen auf ihren Mann. Es war doch nur ein böſer Traum, daß dieſer Mann ihr Gatte war. Es mußte doch ein Traum ſein. Mitten in ihre zitternde Glückſeligkeit kam er nun, Rechte geltend machend, die ſie ihm nie mehr gewähren konnte, nicht mehr gewähren würde. Das war ihr auf der Fahrt heimwärts immer klarer zum Bewußtſein gekommen. Und nun war er gekommen! So ſelbſtverſtändlich, ſo lächelnd wie immer. Jetzt, wo ihr Inneres von dem andern ausgefüllt war. Die Augen ihres Gatten bohrten ſich in ihr Geſicht, glitten über ihre ſchlanke Geſtalt. „Was haſt du da für einen Herrenmantel an? Darf man das vielleicht erfahren, in weſſen Geſellſchaft du dich bewegſt?“ fragte er höhniſch. Magdalen blickte auf den Mantel, zitterte. Aber es war keine Furcht in ihr vor dem Manne, der mit wildem Blick vor ihr ſtand. Nur ihre Seele fühlte die Nähe des heim⸗ lichen Freundes. Es war nichts geſchehen! Nichts! Und doch hatte ſich in jener Stunde ein anderes Leben vor ihr aufgetan. Der geſunde, breitſchultrige Mann da vor ihr hatte keinen Anteil mehr daran. Furchtlos blickte Mag⸗ dalen in die zornigen Augen ihres Mannes. Der wurde unſicher, konnte aber ſeine Leidenſchaft nicht bezwingen. Er trat näher, ergriff ihre Hand. „Heißt man ſo ſeinen Mann willkommen?“ ö „Nein! Aber da unſere Ehe keine mehr iſt, kannſt du nichts anderes mehr verlangen.“ N „So? Und wer hat dir den Kopf verdreht?“ fragte er; ö aber er fühlte einen ſtechenden Schmerz bei dem Gedanken, daß er zu ſpät gekommen ſein könnte. „Der Ausdruck iſt wenig gewählt und paßt durchaus nicht auf das, was in mein Leben getreten iſt“, ſagte Mag⸗ dalen ruhig. a ü 1005 „Was iſt in dein Leben getreten? Ein anderer Mann? Nimm dich in acht, Magdalen!“ 60 „Es iſt nichts! Und doch iſt es ſo groß, ſo hoch, daß dein Mißtrauen es nicht erreichen kann“, erwiderte ſie ſtolz. Gortſetzung falgt.) 223 5 45 Erleben eines Frontsoldaten von Rudolf Nehls Copyright by Martin Feuchtwanger Halle(Saale) Nachdruck verboten. en Augenblick ſtehen wir erſchreckt und geblendet da. Du schreit einer von uns. Es iſt der kleine Freiwillige. Er iſt hingefallen und liegt am Boden. 5 „Ich kann nicht ſehen!“ ruft er.„und mein Fuß!“ 8 iſt da zu machen? Sollen wir ihm ſeinem Schickſal yn am Arm, Dettman! Und dann muß er mit!“ „Ich kann nicht laufen!“ jammert der Freiwillige. Was heißt hier: Ich kann nicht! Wir reißen ihn hoch und nehmen ihn in unſere Mitte. Jetzt muß er laufen, ſo gut es r geht. n 1 7 e e daß mir warmes Blut auf die Hände fließt. Er muß auch im Geſicht verletzt worden ſein. Dettman und der Hamburger ſagen nichts, daß ſie verwundet ſind. * Mit fahlem Schein dämmert der Morgen. Jetzt iſt alles nicht mehr ſo unheimlich wie im Dunkel der cht. Wee das Feuer hat nachgelaſſen. Schrapnells platzen nicht mehr; der Feind ſchießt nur mit ſchwerem Kaliber auf unſere alte Stellung. Aber es ſind nur vereinzelte Einſchläge. Das iſt nicht ſo ängſtlich. f f 10 ehen quer durch das Trichterfeld. Mein Bein ſchmerzt ſehr; ich muß hinken. Meine Kameraden bringen den Freiwilligen nach dem Sanitätsunterſtand. Ich lege mich in den erſtbeſten Unterſtand, um ein wenig zu ſchlafen. Ich bin todmüde. X. An der Römerſtraße. Von den im vorſtehenden Kapitel geſchilderten Kämpfen kamen wir in die Hölle der Sommeſchlacht, wo ich zu⸗ ſammen mit meinem Kameraden Dettman verwundet wurde. Nach kurzem Aufenthalt in einem Lazarett am Rhein kam ich nach Deutſchland zur Erſatztompagnie und ließ mich dem nächſten Transport zuteilen, der zur Front ging. Ich hatte Glück. Der Transport ging nicht nach dem Weſten, ſondern im Lockſtaedter Lager wurden zwei neue Regimenter zuſammengeſtellt, die nach Ru ßland kamen. Nach vielen herrlichen Monaten der Ruhe, in denen uns allerdings oftmals— um nicht zu ſagen dauernd— der Magen vor Hunger knurrte, ging unſer Regiment am 2. September 1917 über die Düna, was ohne große Verluſte geſchah. Kurz nach Weihnachten wurden wir mit für uns unbekanntem Ziel verladen und langten nach mehrtägiger Bahnfahrt am 1. Januar 1918 wieder in Frankreich an. Hier hatte ſich viel geändert.. 5 Lagen wir früher oftmals nur wenige Meter vom Feind entfernt, ſo lag jetzt ſtellenweiſe zwiſchen den Fronten, viele hundert Meter tief, freies Land, in dem ſich kleinere Kampf⸗ handlungen abſpielten, während man überall zu großen Schlägen rüſtete, die mit der gewaltigen Frühjahrs- ofſenſive ihren Anfang nahmen. Am 15. Juli wurde unſere Diviſion nach kleineren Kämpfen links von Reims eingeſetzt. Wir ſtürmten gegen leere Stellungen, die der Franzoſe recht⸗ zeitig geräumt hatte. Mühſam arbeiteten wir uns, nachdem wir mehrere Kilometer tief keinen Feind angetrofſen hatten, durch einen mit Hinderniſſen verſehenen tiefen Sumpf und ſtießen plötzlich auf den uns in gut verſchanzten Stellungen erwartenden Gegner. In dieſem durch dichtes Geſtrüpp un⸗ überſichtlichen Sumpf blieb unſere Offenſive ſtecken. Fiete Reimer, von dem im nächſten Kapitel die Rede iſt, war von Rußland her mein beſter Kamerad und un⸗ zertrennlicher Freund. gelegentlich * Einen Tag und eine Nacht liegen wir ſchon in der Sumpf⸗ ſtellung, und der Franzmann beſchießt uns mit Granaten und Schrapnells. Wir haben viele Verwundete. 5 Jetzt wiſſen wir es, unſere Offenſive iſt mißglückt. Der linke Flügel iſt nicht vorwärtsgekommen, und wir kriegen dauernd Flankenfeuer aus dem Sumpfgelände. Die Truppen rechts von Reims haben mehr Glück gehabt. Sie ſind weit vorgekommen und haben die Marne erreicht und ſie zum Teil ſogar überſchritten. Seit dem frühen Morgen hören wir den Kanonendonner, und wir haben die Hoffnung, daß ſie links abſchwenken und zu uns durchſtoßen. Dann muß der Franzoſe ſchleunigſt ſeine Stellung räumen, um nicht abgeſchnitten zu werden. Aber als es zu dunkeln beginnt, wiſſen wir, daß auch dort die Offenſive zum Stillſtand gekommen iſt. Dadurch wird unſere Lage hier unhaltbar. 5 Gegen Abend bringen wir mit vier Mann einen Ver⸗ wundeten zur alten Römerſtraße. Es kommt mir vor, als wenn Vorbereitungen zum Rückzug getroffen würden. Es iſt ein beſchwerliches Stück Arbeit; der Weg iſt weit und der Ver⸗ wundete ſtöhnt entſetzlich. Endlich haben wir es geſchafft. So, jetzt ſchnell zurück zum 1 denn in dieſer Nacht wird es wohl Ueberraſchungen geben. g Das iſt ſchon früher der Fall, als wir glauben. Durch die Nacht kommen einzelne Trupps Infanterie von der Front her. „Wo ſoll's hingehen?“ 15 g „Vorne iſt dicke Luft“, antworten ſie im Vorbeiziehen,„wir picken aus.“ Dann wird's Zeit, daß wir zu unſerer Truppe lommen. Mein Torniſter iſt ja dort und vor allem der Freßbeutel! Dann begegnen wir ganzen Kompagnien. „Welches Regiment?“ frage ich. zVierhundertneun!“ 1 10 Bei den Vierhundertzehnern bin ich. Es iſt dieſelbe Diviſion. „Dunkle Nacht iſt es. Es macht einen unheimlichen Eindruck, wie die Truppen ſchweigend an uns vorüberziehen. Ich bin 100 fee nebenher gegangen und habe mich erkundigt, was Der Franzmann will die Nacht angreifen und uns um⸗ e a Ein Ueberläufer hat es uns verraten. Da rücken aus. Es hat keinen Zweck, blindlings in die Nacht hineinzulaufen, denn ſicher kommt unſer Regiment auch zurück; aber ob ſie nun gerade hier vorüberkommen, iſt fraglich. „Ich dente wieder an meinen Torniſter und den Sandſack mit Lebensmitteln. Es gibt bei einem Schlamaſſel ja genug zu eſſen, und auch Aus rüſtungen kann man ſich leicht bee aber man hat bei ſeinem Gepäck doch allerlei Kleinigkeiten, an die man ſich ge⸗ hnt hat und die man ungern entbehrt. „ Jetzt kommen ſchon Kompagnien von meinem Regiment. Ja, es beſtätigt ſich: wir haben die Stellung in aller Stille geräumt. Was eigentlich weiter geſchehen ſoll, weiß noch biemand. Ich frage, ob der Bataillonsſtab ſchon zurück iſt, doch as kann mir auch keiner ſegon; Von der Front her dröhnt Kanonendonner. Das Ein⸗ ſchlagen der Granaten hört man bis hierher. Rückt der Franz⸗ mann jetzt vor? 5. N Ich gehe mit den Truppen bis zur Römerſtraße zurück. Uns überholend, kommen andere Kompagnien, die zur Eile an⸗ treiben. Auch unſer Tempo wird ſchneller. 95 Schon dämmert der Tag, da belegt der Franzmann ſeine Stellung an der Römerſtraße mit Artillerieſener. Jetzt wird's ungemütlich! Immer haſtiger wird unſer Rückzug. Von allen Seiten kommen Kompagnien, die zurückdrängen.. Jetzt muß der Franzoſe wohl gemerkt haben, daß wir die Stellung geräumt haben. Vielleicht ſieht er uns auch im er⸗ wachenden Tageslicht übers Gelände haſten. Da will er uns Beine machen. Krachend ſchlagen ſeine Granaten um uns ein, und das Platzen der Schrapnells über uns in der Luft bört ſich an wie Peitſchenknallen, mit dem er uns von ſeinem Heimatboden jagt. 8 Im Frühlicht fluten wir flüchtend zurück. Ein geſchlagenes eer! 1 Wenn auch der einzelne den Eindruck hatte, daß es ſich um einen planloſen Rückzug handele, ſo war dies nicht der Fall. Alles war genau feſtgelegt, bis wie weit ſich die einzelnen Bataillone zurückziehen ſollten und welche Stellung gehalten werden mußte. 5 5 Unſer Bataillon liegt im vorderſten Graben an der Römer⸗ ſtraße. Ich finde Fiete Reimer mit den andern Reſerveſchützen im Kompagnieführer⸗Unterſtand. Fiete hat meinen ſchweren Torniſter und meinen Freßbeutel mit nach hinten geſchleppt. Sogar eins der Drahtbetten hat er mir reſerviert. Er hat ſich um mich geſorgt und ich ſehe ihm an, wie er ſich freut, daß ich wieder unverwundet bei ihm bin. Er macht nicht viele Worte, das iſt nicht ſeine Art, aber als er mir ſagt, daß er dem Franzmann meinen Freßbeutel nicht gegönnt hätte, lacht er über ſein ganzes Geſicht. Die beiden andern Gewehre haben ſich inzwiſchen wieder bei uns eingefunden. Sie ſind einfach ſo lange in unſerer Aus⸗ gangsſtellung geblieben, bis man ſie geholt hat. Schließlich haben die Bedienungsmannſchaften ja auch nichts verſäumt und ſind ſo vor Verluſten bewahrt geblieben. Es erfolgt eine neue Einteilung. An Stelle von Leutnant Tulpe iſt Sergeant Duyſen Zugführer geworden. Ich bin ihm als Melder zugeteilt. Fiete Reimer hat wieder ſein Gewehr bekommen. So bleiben wir auch ferner zuſammen, da wir in einem Unterſtand liegen. Fiete Reimer kommt vom Graben in den Unterſtand. Er macht ein ganz bedeppertes Geſicht. „Na, Fiete, was haſt du auf dem Herzen?“ Er kratzt ſich hinter dem Ohr. „Tja, Rudolf, die Bunker hier gefallen mir alle nicht. Erſt⸗ mal kann der Franzmann ja ſozuſagen in den Eingang hinein⸗ ſchießen; ſie liegen, wo wir die Stellung beſetzt halten, alle nach der verkehrten Seite. Zweitens ſind ſie lange nicht ſo tief, wie wir unſere Unterſtände bauen. Wenn er da ein ſchweres Kaliber draufſetzt, brechen ſie zuſammen. 5 Vor allem aber paßt es mir nicht, daß ſie alle direkt unter der Römerſtraße liegen, unter der Chauſſee. Wir bieten ihm ein zu gutes Ziel. Sollſt mal ſehen, wie er uns hier aus⸗ räuchern wird, wenn er erſt mit ſeinen Stollenbrechern ſchießt.“ Wenn Fiete eine Sache begründete, hatte er immer recht. Er iſt ſehr vorſichtig in ſeinem Urteil, er ſagt nichts, von deſſen Wahrheit er ſich nicht überzeugt hat. 1 „Ja, Fiete, ſag mal, ſind denn die Stollenbrecher wirklich ſo gefährlich, wie immer geſagt wird?“ 5 a Fiete zieht den Kopf zwiſchen die Schultern und macht mit der Hand eine abwehrende Bewegung. 5. „Ich hab' neulich mal die Zuckerhüte bei unſeren Mörſern geſehen. Die Granaten ſind kurz und dupſig. Kaliber weiß ich nicht genau, aber ſie wiegen 520 Pfund. Solche Dinger wird der Franzmann ſicher auch haben. Die werden ganz ſteil hochgeſchoſſen, daß ſie faſt ſenkrecht 'runterſauſen. Was meinſt du, was da für eine Wucht hinter ſitzt. Solch Ding haut ſechs Meter Deckung glatt durch. Der Zünder wird mit Verzögerung geſtellt. Erſt wenn die Granate ſich in die Erde eingewühlt hat, krepiert ſie. 5 Nun denk dir mal an, ſo'n Bieſt haut auf die Chauſſee; darunter ſind unſere Unterſtände. Sie geht durch und explodiert im Unterſtand, da kommt kein Menſch lebend'raus.“ Ja, das ſind ja nette Ausſichten, die Fiete mir da eröffnet. „Ja, ein Glück iſt bei der Sache, daß nicht jede Granate trifft“, wende ich ein. Aber davon will er nichts wiſſen. „Das denkſt du dir, Rudolf, aber diesmal kommt's anders. Sieh mal, er braucht ſich nur auf die Chauſſee einzuſchießen, das iſt einfach. Dann ſetzt er alle zwanzig Meter einen Stollenbrecher hin, da hat er bald alle Unterſtände eingedrückt.“ Ja, ja, unmöglich iſt das nicht. „Na, Fiete, wollen es nicht hoffen. Warten wir erſt mal ab, was weiter wird.“ 1 Der Franzmann beſchießt unſere Stellung ganz gehörig mit großen Kalibern, und das Gelände zwiſchen den Stellungen beſtreut er mit Schrapnells. Ich bin Melder. Oftmals am Tage muß ich durch die Stellung und nach den rückwärtigen Gräben. Es iſt wie in einem Irrgarten; man weiß ja noch nicht Beſcheid. Viele Gräben ſind noch mit Drahtrollen gefüllt. Die kann man nicht ö paſſieren. Oftmals kehre ich eine Strecke zurück, um einen neuen Weg zu ſuchen. Eine Kleinigkeit für gewöhnlich— aber hier im Feuer?! Zuerſt bin ich immer gerannt, um ſchnell durch die Geſahr⸗ zone zu kommen, aber ich bin viel unterwegs, und man kann nicht ſtundenlang dauernd laufen. Oft muß ich nach unſerer alten Stellung, und die iſt mehrere Kilometer entfernt. Und immer bin ich allein. Wenn man noch einen Menſchen bei ſich hat, einen Kameraden, kann man wenigſtens noch einen faulen Witz machen, um die Augſt etwas zu beſchwichtigen, wenn das Eiſen berſtend in der Nähe einſchlägt. So aber bin ich immer allein. Glühend heiß brennt die Juliſonne; man wird ſchon warm. wenn man ganz gemütlich ſpazieren geht. Aber es iſt ein ver⸗ dammter Spaziergang, wenn die Schrapnells über einem platzen. Man hält Einkehr und ſagt ſich, daß unſer Leben nicht in unſerer Hand ſteht. Wenn man wieder zu Frau und Kind zurücktehren ſoll, muß ſchon ein anderer uns beſchirmen. Wenn er auch nicht jede Granate einzeln lenken kann, daß ſie mich nicht zerreißt— denn es ſind ja noch ſo viele Kameraden im Felde, die ſich unter ſeine Hut ſtellen—, ſo iſt es aber eine Beruhigung, wenn man auf eine höhere Macht baut. Ich habe den ganzen Krieg über wenig geraucht. Meine Zigarren habe ich meiſtens meinem Vater in kleinen Päckchen geſchickt. Jetzt finde ich in einem franzöſiſchen Unterſtand eine Pfeife und Tabak. Sonſt habe ich nie Pfeiſe vertragen können. Jetzt verſuche ich, ob mir ſchlecht wird wie ſonſt. Nun, es geht! Und ſo bin ich viele Srunden am Tage unterwegs. Meine Feldmütze habe ich mir ſeſt auſgeſetzt. Die Gasmaske um⸗ gehängt, einen langen Knüppel als Spazierſtock in der Hand, mit der Pfeife im Munde gehe ich mit langen Schritten durch das Gewirr der Gräben, in denen mir hin und wieder in eiligem Lauf Kameraden begegnen. Oftmals iſt auf dem Rück⸗ weg ein Stück Graben eingeſchoſſen, das vorher noch ganz war. Jedesmal wenn ich nach unſerem Bunker zurückkehre, ſieht Fiete Reimer mich erwartungsvoll an, ob alles gut abgelaufen 15 Ich weiß, er freut ſich jedesmal, wenn ich heil wieder⸗ omme. Jetzt iſt das Elend da, was mein Kamerad vorausgeſehen hat! Rechts von uns im Graben, bei der 12. Kompagnie 409, iſt ein Unterſtand eingedrückt worden. Fünf Mann ſind lebend herausgekommen. Zweiundzwanzig liegen unter den Trüm⸗ mern begraben. Bei der 11. Kompagnie von unſerem Regiment iſt ein Unterſtand mit einer Gruppe Infanterte und einer Maſchinen⸗ gewehrmannſchaft eingeſchoſſen. Drei Tote und fünf Verletzte hat man bergen können. Die andern kommen nie mehr ans Tageslicht. Soeben hat die 2. Maſchinengewehrkompagnie einen ſchweren Verluſt. Zwei Gewehre mit dreizehn Mann Be⸗ dienung ſind verſchüttet. Es hat keinen Zweck, helfen zu wollen. Sie bleiben liegen bis zum jüngſten Tage. Ein Glück, daß ſie gleich tot ſind. Wenn ein„Stollenbrecher“ einen Unterſtand richtig triſſt, ſo gibt es keinen großen Trichter, wie wenn ſonſt eine Granate einſchlägt. Unten im Mannſchaftsraum explodiert das Geſchoß. Durch die Gaſe, die ſofort die Luft verdrängen, erſtickt jedes Leben. Erde begräbt die Leichen und über den eingeſtürzten Unterſtand wölbt ſich ein kleiner Hügel. Nur wenn ein größerer Unterſtand nicht direkt eingeſchoſſen iſt, ſondern durch die Erſchütterung nur zum Teil einſtürzt, gelingt es manchmal den Soldaten, ſich durch den zweiten Ein⸗ gang zu retten. Unſäglich iſt das Elend, das ſich täglich vergrößert. Und wir wiſſen, daß uns unbarmherzig dasſelbe Los trifft. „Rudolf“, ſagte Fiete Reimer zu mir, als wir in der Morgenfrühe allein im Graben ſind, wo uns niemand hören kann,„eine Sünde und Schande iſt es, daß wir hier alle ſo lebendig begraben werden, wo es doch gar nicht notwendig iſt!“ Fiete iſt ehrlich im Zorn, daß er ſolch ſcharſe Ausdrücke gebraucht. „Ja, Fiete, es geht aber doch wohl nicht anders“, ant⸗ worte ich. „Was geht nicht?“ erwidert er unwirſch.„Idioten ſind's, die nichts vom Krieg verſtehen. Sieh mal. der Franzmann ſchießt nur am Tage, weil er des Nachts nicht beobachten kann, ob er die Römerſtraße trifft. Nun iſt vor uns viele hundert Meter freies Gelände, das wir überſehen können. Ueberraſchen kann er uns nicht, wenn wir aufpaſſen. Man ſoll am Tage nur ein paar Poſten auſ⸗ ſtellen, vielleicht ein paar Gewehre in Stellung bringen, aber die Unterſtände müßten tagsüber geräumt werden! Das iſt doch eigentlich ſo ſelbſtverſtändlich wie nur etwas, aber kein Menſch hat Einſicht. Wenn wir nur einen Kompagnieſührer hätten, der das begreift! Als Muſchkot darſſt du nichts ſagen, da heißt es Maul⸗ halten. Aber eine Schande iſt es wirklich, wie mit dem Menſchenmaterial geaaſt wird, wo es doch nicht notwendig iſt. Du haſt unſerem Kompagnieführer einen Unterſtand ſuchen müſſen, der weiter von der Chauſſee iſt und wo der Franzmann nicht mit den Stollenbrechern hinſchießt. Er ſollte nur hier vorne liegen und das Elend mit anſehen, dann würde er ſchon anders denken.“ 2 Heute iſt der ſechſte Tag der Ofſenſive. Wir liegen noch immer in den Unterſtänden an der Römerſtraße. Einer nach dem andern wird eingeſchoſſen. Soeben, es iſt gegen Abend, wo der Franzmann ſonſt das Schießen mit den Stollenbrechern einſtellt, kommt unſer Kom⸗ pagnieführer mit ſeinem Burſchen nach unſerem Unterſtand, um nachzuſehen, wie es vorne ausſieht. Der nächſte Unterſtand, in dem zwei weitere Maſchinen⸗ 116 55 unſerer Kompagnie liegen, iſt einige Meter weiter inks. Während er mit unſerem Zugführer die Lage beſpricht, ſchickt er ſeinen Burſchen ſchon nach den beiden anderen Ge⸗ wehren vorweg, damit er ihn gleich anmeldet und keine un⸗ nötige Zeit mit Warten verlorengeht. Gefreiter van Deeſen von unſerem Unterſtand geht mit ihm. Er will ſeinen Freund beſuchen. N Wenige Minuten ſpäter verläßt der Kompagnieführer unſern Bunker, um ſich zu den andern Gewehren zu begeben. Es iſt ja nur ein Katzenſprung. Plötzlich ſtürzt jemand in Haſt die Treppe herunter. Unſer Kompagnieführer iſt es, ſchreckensbleich. Er ſpricht, aber es ſind unzuſammenhängende Worte, die er hervorbringt. Die Worte kommen nur gurgelnd über ſeine Lippen. Ihm muß etwas Schreckliches paſſiert ſein, daß es ihm die Sprache verſchlägt. 0 Und dann begreifen wir es: Wenige Meter von ihm ent⸗ fernt iſt ein Stollenbrecher eingeſchlagen und hat den Unter⸗ ſtand, den er betreten wollte, eingedrückt. Wenige Schritte weiter, und auch er wäre lebendig begraben geweſen! Dies ſind wohl die Gedanken, die ihm durch den Kopf gehen und ihm faſt den Verſtand verwirren. Uns kommt plötzlich die Erkenntnis, daß Kameraden in Not ſind, die man vielleicht noch retten kann. Alle Mann, die wir im Unterſtand ſind, ergreiſen Spaten und Spitzhacken und jagen im Graben entlang. Der Unterſtand iſt eingeſchoſſen wie ſo viele andere, aber man kann ſich noch durch den Eingang zwängen. Vorſichtig will ich hineinſteigen, doch Fiete Reimer warnt: „Setz die Gasmaske auf und ſteck ein Licht an! Wenn das unten ausgeht, mußt du ſofort umkehren, ſonſt erſtickſt du unten. Da hilft auch dann keine Gasmaske. Wenn die Gaſe noch im Bunker ſind, haſt du keine Luft und fällſt um.“ (Schluß ſolgt.) 5 11 Gert IIR„Die Wette um Eva“ 5 52 by Martin Feuchtwanger, Halle— 4 15. Fortſetzung. g Nachdruck verboten. i Er gefalle ihm nicht, er ſei vollſtändig verändert. Finſter und in ſich gekehrt. Einmal wortkarg, dann wieder bei der geringſten Kleinigkeit aufbrauſend. Er müſſe eine ſchwere Enttäuſchung erlebt haben. Daß es noch mit der Gräfin Gallen zuſammenhänge, ſei ausgeſchloſſen, denn auf eine Bemerkung nach dieſer Richtung habe Harald nur kurz geſagt: i„Mir konnte nichts Beſſeres geſchehen, als daß die Gräfin mich betrog— ſie wäre keine Frau für mich ge⸗ weſen.“ Eva lächelte bitter. Die Gräfin nicht, aber doch viel⸗ leicht eine andere, die den Weg Don Juans gekreuzt hatte. Sein Vater wußte ja nicht, wie frivol ſein Sohn mit der Liebe ſpielte. Dann legte Eva den Brief beiſeite. Harald war in Berlin, das genügte, um das törichte Herz wieder von neuem unruhig klopfen zu laſſen. Und mit grauſamer Deutlichkeit wußte ſie, daß alles nicht imſtande war, ihre Liebe zu vernichten. Reſigniert, ſchmerzerfüllt erkannte ſie es. Täglich hatte ſie in den letzten Wochen Gretes echtes, reiches Glück vor Augen gehabt. Nun war Vanderfelde abgereiſt und mit ihm Egon von Volkmar, der drüben in Holländiſch-Indien die Beſitzungen übernehmen ſollte, da Vanderfelde ſich in Deutſchland niederlaſſen wollte. Viel⸗ leicht würde er auch irgendein ſchönes Gut in Thüringen kaufen— es gab ja dort ſo viele, alte, herrliche Edelſitze. Nun war er fort, und Grete bekam viel Poſt und ſchrieb ſelbſt ſehr viel. Und wußte nicht, wie ſehr ihr reiches Glück der Freundin die Herzenswunde immer wieder von neuem aufriß. Die Damen beſuchten Theater, Konzerte und ſonſtige Veranſtaltungen, die der Herbſt ſchon wieder in Hülle und Fülle brachte. Und auf dem großen Wohltätigkeitsfeſt traf ſie ihren Gatten. Er ſtand gerade mit einigen Herren zuſammen, als man aufmerkſam auf Frau von Volkmar wurde, die mit zwei jungen Damen kam. „Eva Hellberg“, flüſterte jemand. Kardorf zuckte ſo heftig zuſammen, daß Baron Feggen ſchnell ſein Monokel einklemmte und aufgeregt von einem Fuß auf den anderen trat. Hier ſtimmte doch was nicht? Natürlich ſtimmte hier etwas nicht, und er war immer für ſolche Sachen zu hahen. die zicht ſtimmten. Harald Kardorf hatte ſich wieder in der Gewalt. Seine Hand fuhr läſſig in die Weſtentaſche und klemmte gleich darauf das Einglas ein. Sah mit ſpöttiſch verzogenen Lippen den Ankommenden entgegen. Eine tiefe Ver⸗ beugung vor Frau von Volkmar. „Gnädige Frau, ich bin entzückt, Sie ſobald ſchon wieder begrüßen zu dürfen. Darf ich fragen, ob Ihnen 1 die Reiſe gut bekommen iſt?“ Mit einem ſchweren Vorwurf im Blick ſah die alte Dame ihn an. „Danke, Herr Doktor, die Reiſe iſt uns allen recht gut bekommen. Ich freue mich gleichfalls, Sie ſobald ſchon wiederzuſehen. Ich darf wohl annehmen, daß Sie ihren Wohnſitz wieder in Berlin aufgeſchlagen haben?“ „Noch nicht, gnädige Frau. Ich reiſe bereits über⸗ morgen wieder auf mein Gut zurück. Zur Jagdzeit muß ich da ſein.“ Grete von Volkmar ſah ihn jetzt erſt. Sie hatte ſich ſo lange mit Bekannten unterhalten. „Herr Doktor Kardorf! Wie reizend! Wie konnten Sie nur in Monte Carlo ſo ſchnell verſchwinden? Das war gar nicht nett von Ihnen, nachdem Sie doch die ganze Zeit über ein ſolch tadelloſer Kavalier geweſen waren“, ſagte Grete lachend. „Haben Sie wirklich ein klein wenig in all Ihrem Glück an mich gedacht? Geſtatten Sie, daß ich Ihnen dafür die Hand küſſe?“ Lachend ließ ſie es geſchehen, dabei forſchend in ſein braunes Geſicht ſehend, in dem kein Muskel zuckte, trotz⸗ dem er Eva geſehen haben mußte. Harald Kardorf trat einen Schritt vor. „Eva, wie reizend, daß du dich doch noch freimachen konnteſt. Ich hatte mich ſchon halb und halb damit ab⸗ gefunden, daß du doch nicht zur rechten Zeit würdeſt da ſein können.“ Er küßte die Hand ſeiner Frau, ſtellte ſie ſeiner Um⸗ gebung vor. Eva war außer ſich über dieſe Ueberrumpelung, wenn ſie ſich auch ſagen mußte, daß ſie der Geſellſchaft unmöglich eine Komödie vorſpielen durften. Man würde es ihnen nicht verziehen haben. Allgemeine Ueberraſchung, freudiges Erſtaunen, herz⸗ lichſte Gratulationen füllte die nächſten Minuten aus. Einmal trat Kardorf ganz nahe an ſeine Frau heran, ſagte leiſe: „Es tut mir leid, Eva; doch da du es vorgezogen haſt, dich in der Berliner Geſellſchaft zu bewegen, war ich ge⸗ zwungen, die Angelegenheit unſerer Ehe klarzuſtellen. Du wirſt es mir nachträglich verzeihen müſſen.“ „Es bleibt mir nichts anderes übrig“, ſagte ſie mit zuckendem Munde. Seine Augen forſchten in dem ſchönen Geſicht Evas; ſeine Hände ballten ſich in ohnmächtiger Wut gegen das Schickſal, das ihn ſteuerlos werden ließ, denn er wußte es ſchon jetzt, daß ein wüſtes Leben dieſer ungeſtillten Sehnſucht nach Evas Liebe folgen würde. Aus ihren Augen leuchteie ihm noch immer die ſtolze Abwehr ent⸗ gegen. Bis ins Innerſte aufgewühlt, wandte er ſich ab. Und er erduldete Höllengualen, weil man ihm von allen Seiten in Worten und Blicken merken ließ, wie ſehr man ihn um die Liebe dieſer ſchönen, jungen Frau be⸗ neidete. Eva war ſtets in einem großen Kreiſe von Herren. Sie lachte ein paarmal hell auf, und dieſes Lachen ſchnitt dem Manne ins Herz, der jetzt ſein Vermögen für dieſes Lachen gegeben, wenn es ihm allein gegolten hätte. Aber ſo oft er auch in ihre Nähe kam, wurde Evas Geſicht ernſt und abweiſend, und er dachte traurig: „Sie liebt mich nicht mehr. Wie könnte es denn auch anders ſein?“ Das Wohltätigkeitsfeſt hatte nicht ſo viel eingebracht, wie man eigentlich erwartet hatte. Die alte Prinzeſſin Hohenburg zermarterte ſich den Kopf über etwas ganz Lockendes, was man noch bieten könnte— etwas, wofür die Herren plötzlich alle Geld haben würden. Da blitzte es in ihren lebhaften dunklen Augen, die ſo eigenartig mit dem ſchneeweißen Haar kontraſtierten, auf. Eine gute Idee war ihr gekommen. Es kam nur noch darauf an, wie ſich die beiden Damen dazu ſtellten. Sie erhob ſich und hinkte an ihrem ſilbernen Krückſtock eilig davon. Gleich darauf war ſie bei Eva Hellberg⸗ Kardorf angekommen und ſprach eifrig auf ſie ein. „Es muß noch ein letztes riskiert werden“, drang die alte Dame weiter in ſie.„Frau von der Melte hat es ſchon einmal getan, allerdings muß ich da bei der Wahr⸗ heit bleiben: Herr von der Melte hat ſich über die Ge⸗ ſchichte herzlich gefreut, hat alle Herren überboten und hat den Kuß von ſeiner Frau bekommen. Frau von der Melte wird auch heute wieder dafür ſein. Die Meltes können ſich das leiſten. Vielleicht legt er auch heute den Meiſt⸗ bietenden herein. Der Zweck heiligt das Mittel. Es iſt für unſere Krüppelkinder, liebe Frau Hellberg. Alſo wie denken Sie darüber? Würden Sie nicht an der Seite Frau von der Meltes das kleine Wagnis mitmachen? Ich muß die zwei ſchönſten Frauen haben, ſonſt zieht es nicht, ohne jede Schmeichelei, kleine Frau; aber es iſt ſchon ſo. Alſo?“ „Hoheit, ich weiß es noch nicht.“ Eva war nicht mehr ganz ſo ablehnend wie vorhin. In ihr ſtieg der Gedanke hoch: „Herr von der Melte wird ſicher den Kuß ſeiner Frau teuer bezahlen. Was wird Harald Kardorf tun? Sich verächtlich abwenden?“ „Ich denke, Sie machen mir die Freude, liebe, gnädige Frau— es geht um einen guten Zweck. Ich habe in meiner Jugend auch einen Kuß meiſtbietend verſteigert, als es um einen ſolchen guten Zweck ging. Heute möchten ſich die Herren natürlich bedanken für meinen Kuß. Da würde ich mehr Schaden für meine Krüppelkinder an⸗ richten als Nutzen, wenn ich auf den verwegenen Gedanken kommen möchte.“ Eva lachte hell auf. Die Prinzeſſin nickte ihr freund⸗ lich zu. „Alſo— dann— gehen wir ans Werk“, ſagte ſie und humpelte wieder weiter. Sie ging zu Frau von der Melte, die ihr lachend entgegenſah. Ehe die alte Prinzeſſin noch ein Wort geſagt hatte, rief die ſchöne Frau munter: „Hoheit, der Reinertrag wird nicht reichen? Ich ſoll mich doch nicht etwa wieder opfern?“ Prinzeſſin Hohenburg nickte energiſch. „Doch, doch, es bleibt nichts weiter übrig. Wir müſſen mehr zuſammenbringen, da hilft alles nichts.“ Die beiden Damen flüſterten miteinander. Herr von der Melte zog die Brieftaſche, zählte ſein Geld und lächelte. Gott ſei Dank, es würde reichen. Natürlich dachte er gar nicht daran, ſeine ſchöne lebensluſtige Frau von einem anderen Manne küſſen zu laſſen. Und dann begann die luſtige Verſteigerung. Das gab ein Hallo! Prinzeſſin Hohenburg, mit einem kleinen Hammer bewaffnet, nahm die Angebote entgegen. Man hatte Herrn von der Melte ſchon hoch hinauf ge⸗ trieben. Kalt lächelnd überbot er aufs neue, ſeine Frau verliebt muſternd. Sie lachte ihn ſtrahlend an und freute ſich, daß nun für die Krüppelkinder ſo viel zuſammen kam. Daß die Brieftaſche ihres Mannes darunter leiden mußte, war ihr gleichgültig. Schließlich hatte er es doch dazu. Und er bekam den Kuß denn auch. Für Evas Kuß bot ein Amerikaner eine hohe Summe. Sie wurde von Fritz Immler, dem Rennſtallbeſitzer, weit übertroffen. Mit finſteren Augen ſtand Kardorf da. Dieſe Sache war ihm entſetzlich. Wie durfte Eva das tun! Aber Frau von der Melte hatte es ja auch getan. Bei ſolchen Wohltätigkeitsveranſtaltungen galten nun einmal oft recht merkwürdige Anſichten. Scharf hörte Kardorf auf die An⸗ gebote. Triumphierend rief ſoeben der Amerikaner: „Zehntauſend Mark.“ Die Prinzeſſin hob mit wichtiger Miene den Hammer, als kein höheres Angebot erfolgte. „Zehntauſend Mark zum erſten, zum zweiten, zum—“ „Fünfzehntauſend Mark.“ Kardorf hatte es mit lauter Stimme geſagt. Der Hammer der Prinzeſſin ſprach ihm den Kuß zu. Harald Kardorf trat zu ſeiner Frau, die ihm mit weit geöffneten Augen entgegenſah. Er beugte ſich über ſie und küßte ſie. Als er ſich wieder aufrichtete, war ſein Geſicht wie aus Stein gemeißelt. Eva aber lehnte ſich, bis ins Herz hinein erzitternd, an die gewundene Säule, die zur Decke ſtrebte. Einer der Herren meinte vergnügt: „Ihre Hoheit weiß immer, was ſie will. Sie hat ſich die beiden Damen herausgeſucht, deren Ehemänner die koſtſpielige Kußgeſchichte ſich mit aller Leichtigkeit leiſten konnten.“ Man fand alſo gar nichts dabei, und Eva wagte end⸗ lich auch wieder um ſich zu blicken, trotzdem der Kuß ihres Mannes ihr im Blute brannte. Da blickte ſie, wie magiſch angezogen, in der linken Richtung hin. Dort ſtand Harald Kardorf und ſah zu ihr herüber, trotzdem er eifrig mit einem Herrn zu ſprechen ſchien. Eva raffte ihre ganze Willenskraft zuſammen, trat zur Prinzeſſin und bat ſie um Entſchuldigung, wenn ſie vor⸗ zeitig das Feſt verließe: es ſei ihr gar nicht wehl. Die Dame zog die Augenbrauen hoch. Desurch wirkte ſie unendlich komiſch, denn ihr gelbes Faltengeſicht glich dann dem Geſicht eines Spaßmachers. Prinzeſſin Hohen⸗ burg ſagte: a i „Das tut mir ſehr leid; aber laſſen Sie ſich nur nicht halten. Migräne wird es ſein. Natürlich iſt's Migräne. Da tut Ruhe not. Den Herrn Gemahl ſchicken wir natür⸗ lich mit heim. Er kann ein biſſerl bei Ihnen ſitzen, kleine Frau, das ſchadet den Männern gar nichts, wenn ſie mal bei der Frau ſitzen. Iſt ihnen manchmal ſogar recht ge⸗ ſund. Alſo gehen Sie, Kindchen, und am Mittwoch ſehe ich Sie bei mir zum Tee?“ „Ich danke ſehr, Hoheit! Ich werde kommen.“ Eva ging zu Frau von Volkmar. Sie ſprachen leiſe zu⸗ ſammen. Die Dame war ſelbſt erſtaunt, daß Kardorf ſeine Ehe ſo energiſch als Tatſache hingeſtellt hatte. Was be⸗ zweckte er eigentlich damit? Aber man konnte ihm ja nicht einmal einen Vorwurf machen. Er war im Recht! Ja, mehr als das! Es war einfach ſeine Pflicht geweſen! Dagegen ließ ſich nichts ſagen. Trotzdem, es war nun eine Situation geſchaffen für Eva, die ſich ſo leicht nicht über⸗ ſehen ließ. „Pflegen Sie mir das reizende Frauerl geſund, Herr Doktor. Ich bin entzückt von Ihrer Wahl. War ee nette Ueberraſchung für uns alle! Uebrigens ſah ich etliche recht enttäuſchte Damengeſichter. Hat mir ſehr viel Spaß ge⸗ macht.“ Kardorf ſagte lächelnd: „Man behält ſein Glück möglichſt lange für ſich, Hoheit. Ich hoffe, mir Ihre Gnade nicht verſcherzt zu haben.“ „Nicht die Spur. Wo werde ich denn! So noblen Ehe⸗ männern, die aus Eiferſucht mein geliebtes Hilfswerk ſo tatkräftig unterſtützen, bin ich nie böſe. Alſo, auf Wieder⸗ ſehen bei mir am Mittwoch.“ Man ſah alſo das Ehepaar zuſammen weggehen von dieſem Wohltätigkeitsfeſt. Unten winkte Kardorf ſeinen Wagen herbei. „Deine Wohnung, Eva?“ Sie nannte ſie ihm, willenlos, wie unter einem magi⸗ ſchen Zwang ſtehend. Faſt geräuſchlos fuhr der Wagen davon. Und ſchweigend ſaßen die beiden Menſchen nebeneinander. Jeder wartete auf ein erlöſendes Wort des anderen— zwiſchen ihnen ſtand der Kuß von vorhin mit ſeiner be⸗ täubenden Wärme. Der Wagen hielt. Ein kurzes Zögern Kardorfs, dann wandte er ſich an Eva. a „Lebe wohl, Eva! In Zukunft werde ich Berlin mög⸗ lichſt meiden, um dir Zwiſchenfälle wie den heutigen er⸗ ſparen zu können. Ich fahre morgen früh nach Hagenhöhe zurück. Dein Vater iſt viel mit mir zuſammen. Darf ich im Roſenhauſe etwas ausrichten?“ „Bitte— grüße herzlich— daheim. Ich— komme zu Papas Geburtstag heim.“ „Ich werde es beſtellen, Eva. Lebe wohl.“ „Lebe wohl, Harald.“ Eva ſchritt an dem die Tür öffnenden Portier vorbei ins Haus hinein, und ſie hörte mit ſchwindenden Sinnen, wie draußen das Auto davonfuhr. Oben öffnete ihr das Mädchen, ſah mit tiefem Erſchrecken in ihr blaſſes, ſchmerz⸗ verzogenes Geſicht. „Gnädige Frau, ſoll ich den Arzt anrufen? Gnädige Frau ſind nicht wohl?“ „Nein, Dora, laſſen ſie. Ich will allein ſein, ganz allein; es wird ſchnell beſſer werden, wenn ich Ruhe habe“, ſagte ſie matt. Das gewandte Mädchen machte ſchnell das Lager zu⸗ recht, wuſch das Geſicht Evas mit Kölniſchem Waſſer und zog dann die Vorhänge zu. Das Licht der großen Lampe wurde ausgeſchaltet, und nur die kleine Stehlampe auf dem Nachttiſche brannte. i Eva ſchlief nicht. Mit weit geöffneten Augen lag ſie da und ſah vor ſich hin, grübelte dem Rätſel nach, wie ſchon ſo oft. Und dieſes Rätſel, das groß, unergründlich und ſie vernichtend in ihrem Leben ſtand, hieß Harald Kardorf. Auf ihrem Munde ſpürte ſie noch immer dieſen Kuß, von dem ſie nicht mehr loskommen würde, das wußte ſie. .*. * Eva hatte ganz ſtill dahingelebt in den nächſten Wochen. Sie mied ſtets alle Vergnügungen. Frau von Volkmar fing an, den Mann, deſſen machtvolle Perſönlichkeit ſo vernichtend in das Leben des jungen Weibes eingegriffen hatte, heimlich zu haſſen. gegen ihn zu ſagen. Eine Woche vor Weihnachten erhielt Eva einen Brief von ihrem Manne. Er lautete: Eva! Verzeihe, wenn dieſe Zeilen Dich beläſtigen ſollten. Ich habe jedoch eine große Bitte an Dich. Ich gebe wieder eine Jagd, und zu dieſer Jagd kommt diesmal auch Fürſt Lohbeck, mein beſter Kamerad aus dem Felde. Er weiß, daß ich mich verheiratet habe, und würde ſich doch zweifellos wundern. Ich bitte Dich, nach hier zu kommen. Ich gebe Dir mein heiliges Wort, Eva, daß keine Silbe aus meinem Munde Dich je wieder verletzen ſoll. Du würdeſt mich durch Deine Anweſenheit aus einer heiklen Situation befreien, denn Fürſt Lohbeck hat ſich mit ſeiner Gemahlin angeſagt. Sie kommen von ihrer Reiſe direkt nach Hagenhöhe, und es iſt keine Zeit mehr für mich, meinem Freunde noch einen aufklären⸗ den Brief zu ſchreiben. Ebenſo kann die Fürſtin nicht in ein Haus kommen, in dem die Dame abweſend iſt. Ich weiß, daß Du erſt im Januar zu Papas Geburtstag kommen walteſt, doch ich wäre Dir ſo dankbar, wenn Du mir meine Bitte erfüllen könnteſt. Papa und Graf Oſten ſind mit von der Jagdpartie, die ohne Damen ge⸗ dacht war. Man könnte aber dann Brigitte noch ein⸗ laden. Wie denkſt Du darüber, Eva? Ich füge mich ſelbſtverſtändlich Deinem Willen und ſehe Deiner Entſchließung dald entgegen. Ergedenſte Grüße 155 Harold. Mortſetzung folgt!) Aber ſie wagte nicht, etwas Vadiſcher Landtag. Prüſident Duffner wiedergewählt. f Karlsruhe, 16. November. ö Anlaß der Eröffnung der Landtagszeit 19826 1110 das Landtagsgebäude Flaggen⸗ chmuck in den Reichs⸗ und Landesfarben. Wie üblich fanden am Vormittag Gottes dienſte ſtatt. Die Eröffnungsſitzung des Plenums um 11 Uhr leitete Vizepräſident Reinbold, der ſofort die Wahlhandlung für das Landtags⸗ präſidium vornahm. Anweſend waren 84 Ab⸗ geordnete, von denen 78 an der Geheimwahl i eteiligten. N ſicz, ee entfielen auf den Abgeordneten und bisherigen Präſidenten Duffneu fünf Stimmen auf den Kommuniſten Klaus⸗ mann, eine Stimme auf den Zentrumsabge⸗ ordneten Schneider, vier Jettel wurden leer abgegeben, ſechs Abgeordnete beteiligten ſich nicht an der Wahl. Dieſe waren wahr⸗ ſcheinlich die Nationalſozialiſten, während von den Deutſchnationalen die leeren Zettel ſtam⸗ men dürften.. Der ſozialdemokratiſche Landtagsabgeord⸗ nete Reinbold wurde zum erſten und der Volksparteiler Dr. Waldeck zum zweiten Vizepräſidenten und zwar jeweils mit 57 Stim⸗ men gewählt. Die Schriftführung wurde in der bisherigen Zuſammenſetzung durch Zuruf wie⸗ dergewählt. Damit war das geſamte Landtags⸗ präſidium gewählt und mit den gleichen Per⸗ ſfönlichkeiten beſetzt wie bisher.. Hierauf folgte die Namensnennung für die Beſetzung der Ausſchüſſe unter Zu⸗ ſtimmung der Mehrheit des Hauſes. Die Kom⸗ muniſten beantragten die Verringerung der Fraktionsſtärke, um dadurch für ſich die Ver⸗ fretung in den Ausſchüſſen zu erreichen. Auch der Evangeliſche Volksdienſt und die Deutſch⸗ nationalen wandten ſich dagegen, daß den kleinen Gruppen keine Möglichkeit der Mitar⸗ beit in den Ausſchüſſen geboten würde. Der Antrag der Kommuniſten wurde bei der Ab⸗ ſtimmung abgelehnt und bei Enthaltung der Deutſchnationalen, des Evangeliſchen Volks⸗ dienſtes, weil der Kommuniſtenantrag nur Ei⸗ genbedürfniſſe im Auge habe. Die von den Kommuniſten beantragte Sofortbehandlung ihrer Anträge über Notmaßnahmen wurde ab⸗ gelehnt. Nach der Bekanntgabe der Neueingänge er⸗ folgte die Berichterſtattung über die Prüfung der Rechnung der Amortiſationskaſſe des Do⸗ mänengrundſtocks ſowie der Wohnungsfür⸗ ſorgekaſſe und des Bürgſchaftsſtockes im Rech⸗ nungsjahre 1931. Berichterſtatter waren die Abgeordneten Seubert(Zentrum) und Hofheinz(Demokrat). Beanſtandungen wurden nicht erhoben, den Rechnungsvorlagen wurde zugeſtimmt. Darauf vertagte ſich das Haus auf unbeſtimmte Zeit. Staatsrat Nütkert ſoll zurücktreten. Mannheim, 16. November. Die„Volksſtimme“ richtet an den Staatsrat, ſtellvertretenden Innenminiſter und Fraktions⸗ vorſitzenden der SPD., Rückert, die Auffor⸗ derung, von ſeinem Poſten zurückzutreten und ſo die Partei von ihm zu befreien. Das ſei der„einzige Dienſt“, den er der Partei in einer Lage leiſten könne, in die er ſie bezüglich des Konkordats hineinmanöveriert habe. Die Volksſtimme teilt in dieſem Zuſammen⸗ hang weiter mit, daß die Mannheimer Sozial⸗ demokraten ſchon vor einigen Tagen in einem Brief an den Abgeordneten Rückert dieſen aufgefordert hätten, ſeine Aemter zur Verfü⸗ gung zu ſtellen und ſich jeder Beeinfluſſung der Fraktion zu enthalten. Die Antwort des Frak⸗ tionsvorſitzenden ſei aber der Beſchluß der Landtagsfraktion geweſen, nicht gegen das Konkordat zu ſtimmen, ſondern ſich nur der Stimme zu enthalten. Das ſei aber gleichbe⸗ deutend mit der Annahme des Konkordats. Für alles dies ſei allein der Abgeordnete Rük⸗ lert verantwortlich, weshalb es jetzt Zeit ſei, daß endlich in aller Oeffentlichkeit die Forde⸗ rung an ihn gerichtet werde, daß er endlich zu⸗ rücktrete. Auch die Arbeitsgemeinſchaft ſozialdemokra⸗ tiſcher Lehrer hat in einer Entſchließung die FPPPPPVCCCCCCCCCTCTCTCCTCTCTCTCTVTCTGTGTGT(TbT(T((CTékbéTb'TéTéT'k(TT'T'TGTGkbTGk'!'!'!'!'!'!''.'W'!.!W'.!WW.'W!WW.!TWW.'!'W'!.'!'!'!'!'!'!';';'.!';:;.:;.:.;.:.....ꝛ y · ů·ů¶ ů ůꝛr̃ y y ꝰ’» PB»»»»’¶ o o o o o ¶’’’’ o? ꝛ’’’’’’o ů ˙̃ ⅛˙˙ eU y ů¶—— ſozialdemokratiſche Fraktion aufgefordert, das Konkordat abzulehnen. Eine Jeſtſtellung der badischen 5d. Karlsruhe, 16. Nov. Der Landesvorſtand der badiſchen Sozialdemokratie teilt mit: Durch die Preſſe wird eine Erklärung der SPD. ⸗ Landtagsfraktion der Oeffentlichkeit übergeben, deren Inhalt ſich gegen die Stellungnahme des Landesvorſtandes der Sozialdemokrati⸗ ſchen Partei Badens in der Konkordatsfrage richtet. Dieſe Erklärung trägt die Unterſchrift „Namens der ſozialdemokratiſchen Landtags⸗ fraktion“. Ohne auf den Inhalt dieſer„Na⸗ mens der Landtagsfraktion“ abgegebenen Er⸗ klärung im einzelnen einzugehen, ſtellt der Lan⸗ desvorſtand der Sozialdemokratie Badens feſt daß weder die badiſche Landtagsfraktion noch der Fraktionsvorſtand vorher Kenntnis von dieſer Erklärung hatten. Sie iſt alſo lediglich 9910 de des Fraktionsvorſitzenden ückert. die Einweihung der Nheinbrütle. Das Programm der Uebergabe. Ludwigshafen, 16. November. Das für die Brückeneinweihung am kommen⸗ den Samstag in Ausſicht genommene Pro⸗ gramm wird nunmehr auch in ſeinen Einzel⸗ heiten bekannt. Der Einweihungsakt ſoll fol⸗ gendermaßen vor ſich gehen: Gegen 2 Uhr wird der Reichskanzler von Papen das Band, mit dem die Brücke geſperrt iſt, durchſchneiden. Dieſes Zeremoniell wird von Böllerſchüſſen und Geläute der Glocken begleitet werden. Alsdann überſchreiten die Ehrengäſte die Brük⸗ ke und begeben ſich vor den Pfalzbau, bei un⸗ günſtigem Wetter in den Konzertſaal des Pfalzbaues. Erſter Bürgermeiſter Dr. Eca⸗ rius wird ſodann den Reichskanzler und die übrigen Ehrengäſte begrüßen. Die Uebergabe der Brücke wird entweder der Generaldirektor der Reichsbahn, Dr. Dorpmüller, oder der Präſident der Gruppenverwaltung Bayern, Feuerlein, vornehmen. Darauf ſprechen die Vertreter der Länder Bayern, und Baden, wobei für Bayern Staatsminiſter Dr. Stüt⸗ zel das Wort ergreifen wird. Nach den An⸗ ſprachen begeben ſich die Teilnehmer zum Mannheimer Schloß, wo Oberbürgermeiſter Dr. Heimerich ſprechen wird. Bei dem ſich anſchließenden Tee⸗Empfang im Schloß wird der Reichskanzler eine politiſche Rede halten. Brückenſperre am 19. November. Ludwigshafen, 16. Nov. Die Rheinbrücke Mannheim⸗Ludwigshafen wird aus Anlaß der Einweihung der neuen Rheinbrücke am 19. November während der Dauer der Einwei⸗ hungsfeierlichkeiten für jeden Verkehr geſperrt werden. Die Sperre wird vorausſichtlich von 13 bis 15.30 Uhr dauern. Aus Baden. Mannheim, 16. Nov.(Salmiakgeiſt getrunken.) Ein vierjähriger Knabe trank in der elterlichen Wohnung im Weinheimer Weg aus einer Flaſche, die Salmiakgeiſt ent⸗ hielt. Das Kind wurde mit Vergiftungserſchei⸗ nungen in das ſtädtiſche Krankenhaus eingelie⸗ fert. Lebensgefahr beſteht nicht. Mannham, 16. Nov.(Betrunkener Kraftradfahrer.) Ein Schweißer aus Sandhofen fuhr in betrunkenem Zuſtand mit einem Kraftrad durch die Bürgermeiſter⸗Fuchs⸗ ſtraße und gefährdete Paſſanten. Er wurde vorläufig feſtgenommen und nach der Polizei⸗ wache gebracht. Da er ſeine Trunkenheit be⸗ ſtritt, wurde er dem Bezirksarzt vorgeführt, der ſtarke Trunkenheit feſtſtellte. Das Kraft⸗ rad wurde in polizeiliche Verwahrung genom⸗ men. Mannheim, 16. Nov.(Nächtliche Schlägerei). Zwiſchen A 3 und Be ent⸗ ſtand zwiſchen 15 bis 20 Perſonen eine Schlä⸗ gerei aus noch nicht feſtgeſtellter Urſache. So⸗ weit bis jetzt feſtgeſtellt werden konnte, wur⸗ den drei Perſonen verletzt. Zwei Keiler, die ſich an der Schlägerei beteiligt hatten, wurden ins Bezirksgefängnis eingeliefert. 5 Pd⸗Parteitag in Baden. Zur Auskragung des Konfliktes. Mannheim, 16. November. Die Sozialdemokratiſche Partei Badens wird ſich in der kommenden Woche auf einem außerordenklichen Parteilag mit den Mei⸗ unngsverſchiedenheiken zwiſchen Parkeimit- gliedſchaft und dem Landes vorſtand auf der einen und der Landtagsfraktion auf der an⸗ eren Seile in der Frage des Konkordatls be⸗ ſchäftigen. Man wird verſuchen, im Plenum des Landtages eine Verſchiebung der Ab⸗ ſtimmung über das Konkordat durch einen Verkagungsankrag zu erreichen. Am kommenden Freitag ſollen im Haus⸗ haltsausſchuß des badiſchen Landtages die Beratungen über das Baden⸗Konkordat be⸗ ginnen. Wieviel Zeit dieſe Beratungen in Anſpruch nehmen werden, läßt ſich nicht vor⸗ ausſagen. Infolgedeſſen iſt es heute noch un⸗ gewiß, ob die Kirchenverträge noch im Mo⸗ nat November an das Plenum des Landtags kommen werden. Tabalverkäuſe. Badiſches und heſſiſches Hauptgut. Karlsruhe, 16. November. Hier fand die Hauptgutverkaufsſitzung des Landesverbandes badiſcher Tabakbauvereine ſtatt. Aus Baden wurden insgeſamt 15 700 Zentner Hauptgut ausgeboten. Als Haupt⸗ käufer traten auf die Firma Martin Brinkmann⸗Bremen⸗Speyer, die mehr als die Hälfte des insgeſamt anfallenden Gutes erwarb, die Firmen Katz, Marx und Meer⸗ apfel, die 2000 Zentner, die Firmen E. J. Landfried und Jakob Meyer, die 6000 Zent⸗ ner und die Firma L. J. Hirſch-Landau, die 1000 Zentner aufkauften. Die Preisgeſtal⸗ tung bewegte ſich zwiſchen 67 und 73 Mark pro Zentner, wobei die Gebote um 70 Mark weitaus in der Mehrzahl waren. Nicht zuge⸗ ſchlagen wurde die geſamte Ernte von Neut⸗ hard mit insgeſamt 1500 Zentner, für die 65 bezw. 65 Mark geboten waren. Im Anſchluß bot der Heſſiſche Ta⸗ bakbauverband 5130 Zentner Haupt⸗ gut aus den Orten Großhauſen, Hüt⸗ tenfeld, Lorſch und Viernheim aus Das Material aus Lampertheim und Bad Wimpfen a. N. mit insgeſamt 2000 Zentner war ſchon vor der Sitzung zum Preiſe von 63,50 bezw. 57 Mark frei ver⸗ kauft worden. Die regulär verſteigerten Par⸗ tien wurden von den Firmen M. Brinkmann Landfried und Jakob Meyer und Nordhäuſer AG. zum Preiſe von 69—71 Mark erwor⸗ ben. . Badiſch-pfälziſche Hhäukeauktion. Bei der in Mannheim ſtattgefundenen Häuteauktion für das badiſch⸗pfälziſche Okto⸗ bergefälle geſtaltete ſich der Verkauf bei gu⸗ tem Beſuch flott. Kalbfelle blieben gegen die Vorauktion in Karlsruhe unverändert, dage— gen waren Großviehhäute teils 1—3 Pfennig pro Pfund niedriger. Zum Ausgebot kamen 16 150 Stück Großvfehhäute, 20163 Stück Kalbfelle und 1310 Stück Hammelfelle, von denen letztere unverkauft blieben. Die nächſte Auktion findet am 13. Dezember in Karls— ruhe ſtatt. Aus der Pfalz. Neuſtadt a. d.., 16. Nov.(Auf Holz⸗ fuhrwerk geſauſt.) In der Talſtraße bei der Kleinkinderſchule Schöntal ſich am Abend ein ſchweres Motorrad-Un⸗ glück. Der Kraftfahrer Edmund Krennerich aus Oberweiler⸗Tiefenbach fuhr in ein Holz⸗ fuhrwerk hinein, wobei er ſelbſt, wie auch ſein Sozius, der Metzger Otto Gleis aus Wolfſtein, erheblich verletzt wurden. ereignete Aus der Heimat. Gedenktage. 16. November. 1632 Tod Guſtav Adolfs von Schweden bei Lützen.„ 1831 Der preußiſche General und Militär⸗ ſchriftſteller Karl von Ciauſewitz in Breslau geſtorben. 1852 Friedrich Auguſt, Großherzog von Ol⸗ denburg in Oldenburg geboren. Prot.: Buß⸗ und Bettag. Kath.: Edmund Sonnenaufg. 7.19 Sonnenunterg. 16.10 Mondunterg. 10.58 Mondaufg. 17.35. * Gemütlichleit. „Ein Proſit der Gemütlichkeit!“ ſingen die Zecher bei Bier und Wein. Es iſt oft eine Frage aber, ob es bei derartigen Zuſammen⸗ fünften gemütlich hergeht. Schon ſehr viele derartiger gemütlichen Stunden haben, wie männiglich bekannt, mit blutigen Köpfen und Scherben und zuguterletzt mit Gerichtsſtrafen geendet. Die echte Gemütlichkeit auf alle Fälle iſt nicht die, die etwas laut oder allzu laut hinauspoſaunt wird, ſondern ſie ſtellt ſich ganz von ſelbſt ein, ſie iſt einfach da oder nicht da. Gemütlichkeit kann man eben nicht erzwingen, es muß alles, das Heim, die Geſellſchaft, und die Unterhaltung darauf eingeſtellt ſein. Die novemberliche Zeit, die uns wieder in das Haus und ſeine Räume gebannt hat und zu Plauderſtunden unter Bekannten und Freunden einlädt, die langen Abende zumal bringen oft Gelegenheit, gemütliches Beiſam⸗ menſein zu pflegen. Es iſt dies etwas, was nicht einmal von Geld ſo ſehr abhängig iſt, ja, in manchen ärmlichen Behauſungen kann man ſchönere Geſelligkeit antreffen, als in großen, prunkhaften, aber kühlen Räumen, in denen ſich der innere Kontakt zwiſchen Menſch und Menſch nicht einſtellen will. Die Unterhaltung in einem gemütlichen Heim mit guten Bekannten wiegt ſicher manche Zerſtreu⸗ ung auf, die uns durch Konzerte, Vergnü⸗ gungsveranſtaltungen und andere Anläſſe außerhalb der Wohnung geboten werden. Es iſt ſo leicht, ſich ſelbſt Gemütlichkeit ins Haus zu tragen: man braucht ja nur ſich ſelbſt zwanglos und maßvoll zu geben, für eine anregende Unterhaltung zu ſorgen und den Gäſten das Bewußtſein zu geben, daß ſie ſich wie zuhauſe fühlen können. * Verbilligte Briketts für die Winterhilfe. Die Verhandlungen der Deutſchen Liga der freien Wohlfahrtspflege mit dem Rheiniſchen Braunkohlenſyndikat und dem Mitteldeutſchen Braunkohlenſyndikat haben dazu geführt, daß die beiden Syndikate den Organiſationen der Winterhilfe Braunkohlenbriketts zu verbillig⸗ ten Preiſen zur Verfügung ſtellen. Die Ver⸗ billigung beträgt 2 Rm. für die Tonne. * Wohlfahrtsbriefmarken 1932. In die⸗ ſem Jahr werden fünf Wohlfahrtsbriefmarken mit Bildern alter deutſcher Burgen und Schlöl⸗ ſer ausgegeben, die in Stahldruck hergeſtellt ſind. Zur Ausgabe gelangen: eine 4 Pfg.⸗ Marke(Wartburg), hellblau, Verkaufspreis 6 Pfg., eine 6 Pfg.⸗Marke(Schloß Stolzen⸗ fels), grün, Verkaufspreis 10 Pfg.; eine 12 Pfg.⸗Marke(Burg Nürnberg), orange, Ver⸗ kaufspreis 15 Pfg.; eine 25 Pfg.⸗Marke (Schloß Lichtenſtein), blau, Verkaufspreis 35 Pfg.; eine 40 Pfg.⸗Marke(Schloß Marburg), violett, Verkaufspreis 80 Pfg. Eine Wohl⸗ fahrtspoſtkarte iſt mit eingedruckter 6 Pfg.⸗ Wohlfahrtsbriefmarke zum Verkaufspreis von 10 Pfg. ausgegeben worden. Dieſe Karte iſt mit einem Hindenburgbild und einer Marke mit Darſtellung des Tannenbergdenkmals aus⸗ geſtattet. Außerdem gelangen wiederum Mar⸗ kenheftchen zur Ausgabe. * Wetterbericht. Wettervorherſage: Anhaltende trockene Wit⸗ terung, morgens ſtellenweiſe Nebel. Aus dem Rechtsleben. Wer kommt für die Zentralheizung auf? Durch das Reichsmietengeſetz wurden die Rechtsverhältniſſe zwiſchen Hauswirt und Woh⸗ nungsinhabern geregelt. Durch die veränderte Lage des Wohnungsmarktes iſt nun eine bis jetzt faſt unbekannte Rechtsfrage aufgetaucht, wer für die Zentralheizung aufzukommen hat. Vor dem Kriege war dieſer Punkt ſehr einfach zu löſen. In Häusern, in denen ſich eine Zen⸗ tralheizungsanlage befand, war die Beſchaf⸗ fung der Heizſtoffe Pflicht des Hauswirts. Dafür zahlten die Wohnungsinhaber eine Ent⸗ ſchädigung. f Nach dem Kriege haben ſich andere Zu⸗ ſtände Bahn gebrochen. Der Hauswirt lehnte nämlich die Heizung der Räume ab und ver⸗ pflichtete ſich nur, die Heizanlagen in brauch⸗ barem Zuſtande zu erhalten, während die Mieter die Heizung veranlaſſen mußten. Die Hauswirte waren in dieſe ſchwere Lage ge⸗ drängt worden durch die Entwertung des Grundbeſitzes und die daraus folgende Un⸗ möglichkeit, die Heizkoſten zu bezahlen. Ein ge⸗ wiſſer Teil von Schuſd traf auch das Reichs⸗ mietengeſetz, das als geſetzuche Wiiete den am 1. Juli 1914 gezahlten Mietzins bezeichnete und beſtimmte, daß die Koſten der Zentral⸗ heizung und Warmwaſſerverſorgung getrennt von der geſetzlichen Miete zu berechnen ſeien. Jetzt müſſen ſich bis auf wenige Ausnah⸗ men die Wohnungsinhaber der Häuſer unter⸗ einander verſtändigen, wie die Koſten der Zentralheizung zu berechnen ſind. 5 Eine Frage, die jetzt wiederholt angeſchnitten wird, iſt die, wie ſich die Rechtslage geſtaltet, wenn Wohnungen in einem Hauſe mit Zen⸗ tralheizung leer ſtehen. Die Verpflichtungen der Wohnungsinhaber gingen auch nach dem Kriege nur dahin, ſich an der Sammelheizung derart zu beteiligen, daß ſie die Koſten für die Beheizung der Räumlichkeiten übernahmen. Im Mietverkrag enthaltene Worte wie:„Die Beheizung iſt Sache der Wohnungsinhaber“, oder„Die Wohnungsinhaber bilden eine Heiz; gemeinſchaft“ können nicht ſo ausgelegt wer den, als ob dadurch alles Riſiko auf der Wohnungsinhaber abgewälzt worden ſei Sollte ein Hauswirt allerdings einen gegen, teiligen Standpunkt vertreten, 10 würde zwei. fellos dem Wohnungsinhaber das Recht ein geräumt werden müſſen. vom Mietvertrac ohne Kundigung zuruczutreten, da ihm erne berartige Uebernahme nach Recht und Billig⸗ keit nicht zugemutet werden kann. 30 000 Sternschnuppen in der Stunde. Wenn wir das Glück haben, in der Nacht vom 16. zum 17. November einen unbedeckten Himmel zu haben, werden wir zu dieſem Zeit⸗ punkt vielleicht eine wunderbare Naturerſchei⸗ nung beobachten können, die alle 33 Jahre nur einmal auftritt, aber an Großartigkeit alle anderen Erſcheinungen am Sternenhim⸗ mel weit hinter ſich läßt. In dieſer Nacht werden nämlich die Leoniden für uns ſichtbar, ein Sternſchnuppenſchwarm, der zu den in rage kommenden Terminen ſchon in ſolcher ülle erſchienen iſt, daß die ollen pe. ihn als einen Meteoren⸗Schneeflockenfall be⸗ zeichnet haben. Nicht weniger als 30 000 Sternſchnuppen ſind in einer einzigen Stunde errechnet worden. Alexander v. Humboldt berichtet, daß er im Jahre 1799 in Südamerika die Erſchei⸗ mung beobachtete. Es heißt, daß„kein Stück am Himmel ſo groß als drei Monddurchmeſſer geweſen ſei. daß es nicht jeden Augenblick von Feuerrugein uno Srernſchnuppen gewim⸗ melt hätte“. Selbſtverſtändlich iſt nicht mit Sicherheit vorauszuſagen, ob das Schauſpiel auch dies⸗ mal in einem ſo gewaltigen Umfang und ſo gut ſichtbar in Erſcheinung tritt, aber man wird gut tun, insbeſondere in der Nacht zu Donnerstag und zwar in der Stunde nach Mitternacht ſeine Aufmerkſamkeit auf den nörd⸗ lichen Horizont zu richten. Es wird ſich dann zeigen, daß die Natur immer noch der her⸗ vorragendſte Inſzenator von Senſationen iſt. Deutſche Tagesſchau. 13 Oberpoſtdirektionen ollen abgebaut werden. Im Rahmen der Sparmaßnahmen ſollen von den 45 Oberpoſtdirektionen all⸗ mählich im Laufe der nächſten Jahre 13 Ober⸗ poſtdirektionen eingezogen werden. Es fin⸗ den gegenwärtig über dieſe Frage Verhandlun⸗ gen mit den Ländern ſtatt. Entſcheidungen über die Zuſammenlegungen und die neuen Abgrenzungen der Oberpoſtdirektionen ſind da⸗ her noch nicht erfolat.