Amtlicher Teil Bekanntmachung. Betr.: Durchführung des Meliorationsarbeits⸗ und Siedlungsprogramms; hier: Die Erhebung der Zahl der Siedlungs willigen. Nachſtehende Richtlinien bringen wir hier⸗ mit zur öſſentlichen Kenntnis mit dem Bemerken, daß ſich Siedlungsintereſſenten am Freitag, den 15. ds. Mts. nachmittags von 2 bis 6 Uhr im Sitzungsſaal des Rathauſes melden können. Für die Ausfüllung der Fragebogen ergeht beſonders Ladung. Viernheim, den 12. Sept. 1933. Heſſ. Bürgermeiſterei Viernheim In komm. Vertretung Bechtel. Vorläufige Richtlinien für die Vornahme der Siedlung im Rahmen des Meliorationsarbeits- und Siedlungsprogramms. Als Verkaufspreis für das Siedlungsland iſt für den Morgen(2500 qm) ein Durchſchnitts⸗ ſatz in Höhe von 500 RM. angeſetzt. Je nach Lage und Bonität der Grundſtücke erhöht oder vermindert ſich der Erwerbs⸗ preis pro Grundſtück. Für die Siedlung kommen in Betracht: A) Die Anliegerſiedlung d. h. Landzuteilung an ſchon beſtehende, bäuer⸗ liche Betriebe unter 20 Morgen, welche die not⸗ wendige Ackernahrung zum Erhalt ihrer Familien nicht aufweiſen unter der Vorausſetzung, daß die Landbewerber eine volle Eignung als Bauern beſitzen. 5 Bei dem Erwerb von Land zum Zwecke der Anliegerſiedlung wird in der Regel eine An⸗ zahlung, prozentual der Landzuteilung, verlangt. B) Die Werks⸗ oder Kurzarbeiterſiedlung. Die Stelle mit 1 bis 2 Morgen Land. Der Erwerbspreis einer ſolchen Stelle beträgt freibleibend a) für den Morgen(2500 qm) b) für ein ausbaufähiges Haus mit Kleinviehſtall, je nach Ausführung 3000 NM. und mehr. Die Koſten für die Erſtellung der Gebäude können durch Selbſthilfe des Siedlers beim Bau zum Teil abverdient werden. Für dieſe Siedlerſtellen kommen in Betracht: Vollbeſchäftigte, die gegen Zuſicherung einer Siedlerſtelle zur Kurzarbeit übergehen. Familien, deren Einkommen aus Rente oder Arbeit das durchſchnittliche örtliche Einkommen von erwerbsloſen Familien nicht weſentlich über⸗ ſteigt und ſchließlich Familien mit 5 und mehr minderjährigen Kindern, auch wenn der Siedler in voller Arbeit ſteht. Meldeberechtigt ſind ferner unterſtützte Kurz⸗ arbeiter, ſowie ſolche Kurzarbeiter, die keine Unterſtützung aus öffentlichen Mitteln beziehen und nicht mehr als 32 Stunden wöchentlich be⸗ ſchäftigt ſind. C) Die gärtneriſche Vollerwerbsſiedlung. Die Stelle mit 4 Morgen Land(10000 qm). Der Erwerbspreis einer ſolchen Stelle beträgt freibleibend a) 4 Morgen Land, a 500 RM. 2000 RM. b) für ein ausbaufähiges Haus mit Kleinviehſtall, je nach Ausführung 3000 RM. und mehr. Die Koſten für die Erſtellung der Gebäude können durch Selbſthilfe des Siedlers beim Bau zum Teil abverdient werden. Eine ſolche gärt⸗ neriſche Vollerwerbsſiedlerſtelle kann auch durch weitere Zuteilung von Ackerland ſo geſtaltet werden, daß ſie in Kriſenjahren die für die Er⸗ haltung einer Familie notwendige Ackernahrung erbringt. Für dieſe Siedlerſtellen kommen in Betracht: Erwerbsloſe Volksgenoſſen, die den Nachweis erfolgreicher Ausbildung als Gärtner erbringen und ſolche, die bereits eine Umſchulung als gärtneriſche Siedler erfahren haben. Zu 8 und O: Für die gärtneriſche Vollerwerbs⸗ und Werks⸗ oder Kurzarbeiter⸗Siedlung iſt ein Eigenkapital bis zu 1000 RM. erforderlich, das jedoch bei Erſtellung der Gebäude durch Selbſthilfe teil⸗ weiſe erſetzt werden kann. 0) Die landwirtſchaftliche Vollerwerbsſiedlung. Die Stelle mit 20 Morgen Land(50000 qm). Der Erwerbspreis einer ſolchen Stelle beträgt freibleibend: a) 20 Morgen Land a 500 RM.= 10000 RM. b) für eine zu erbauende Hofreite— 6000 bis 7000 RM. Die Baukoſten können durch Selbſthilfe zum Teil abverdient werden. Für den Erwerb einer land wirtſchaftlichen 500 RM. * Vollerwerbsſiedlerſtelle iſt ein Eigenkapital von 4000 bis 5000 RM. nachzuweiſen. Für dieſe Siedlerſtellen kommen in Betracht: Zweit- oder Drittgeborene Bauernſöhne, deren Stammgut die für die Erhaltung der Nachkom⸗ men notwendige Ackernahrung nicht aufweiſt und die durch dieſe Siedlung ihre landwirtſchaftliche Exiſtenzmöglichkeit gründen wollen. Tilgungsplau für die Siedler. Die Tilgungszeit für die nicht, durch das Eigenkapital des Siedlers oder deſſen Mithilfe bei der Erſtellung, gedeckten Koſten für die Siedlerſtelle ſoll ſich in der Regel auf 25 Jahre erſtrecken, ſie kann jedoch bis zu 33 Jahren er- weitert werden. Die jährliche Tilgungsquote für die Ab- geltung der Siedlerſtellen ſetzt ſich zuſammen aus den Jahresleiſtungen: a) für das bereitgeſtellte Siedlungsland, b) für die erſtellten Gebäude. Zu a) Die jährlichen Tilgungsraten betragen bei einem Mittelwert des zugeteilten Siedlungslandes von 500 RM. pro Morgen, bei einer Laufzeit von 25 Jah- ren für den Morgen- 25 RM. bei einer Laufzeit von 33 Jahren für den Morgen- 20 RM. Zu b) Die jährlichen Tilgungsraten für die er⸗ ſtellten Gebäude werden nach den Sätzen berechnet, die bei der Kapitalbeſchaffung zu Grunde gelegt werden. Dem Siedler iſt es jedoch geſtattet, höhere Tilgungsbeträge als die ſich hieraus ergebenden Jahresbeträge zu zahlen. Allgemeine Bedingungen. Zur Erhaltung eines ſeßhaften, geſunden Bauern- und Arbeitertums ſoll das Anerbrecht auf die Siedlerſtellen grundbuchrechtlich gewahrt werden. Dasſelbe gilt für das Gut desjenigen Grundeigentümer der im Wege der Anliegerſied⸗ lung Land erwirbt, inſoweit die Landzuteilung die Fläſche des Eigenbeſitzes überſteigt. Der Reſtkaufpreis der Siedlerſtellen iſt an erſter Stelle im Grundbuch hypothkariſch ſicher⸗ zuſtellen. Alle Rechtsbeziehungen, die ſich aus dem Vertragsverhältnis zwiſchen dem Träger des Unternehmens und den Siedlern ergeben ſind einer beſonderen Behandlung unterworfen. Darmſtadt, den 6. September 1933. Wagner. Suche 3 Ammer Wohnung möglichſt mit Telefon und Garage, zu mieten. Angebote unter E. W. 101 an den Verlag die⸗ ſer Zeitung erbeten. 7 , 55 1 7 4 * * * * W 1 * 4 2 9 * * * e Danksagung. Für die uns anläßlich unseres Brandunglückes zu Teil gewordene rasche und tatkräftige Hilfe danken wir allen recht herzlich. Insbesondere der titl. Feuerwehr, der Polizei, der SA und SS sowie unserer werten Nachbarschaft ein herzliches Vergelt's Gott! Fülnine abhanges ahr. fas ie Hnoaus Uunkler J. 15 8855525558555 35585 * Faſt neuer Kinder⸗ wagen billig zu verkaufen. Von wem, ſagte der Verlag. e Desde und eindrucksvoller wirkt von allen Werbearten die Tallungs-Anzeige Tausende haben es mit Erfolg erprobt 58 Hosen in großer Auswahl Ml. 3.75, 4.50 üb. Mar ua. A. 889925595222 S SS CCC CCE * Durch Genehmigung des Neichsaufsichtsamtes Berlin hat die Maauenunlerstukzungs rasse-Mothilte' Deutscher Landwirte und freier Berufe, außer dem Familientarif für Mk. 1.25, noch einen Einzelperson- tarif von Mk. 0.78 pro Woche eingeführt. Durch die dauernd steigende Mitgliederzahl hat es die Hauptverwaltung verstanden seit einigen Jahren der Kasse eine Existenzfähigkeit zu sichern. Es kann sich daher jedermann gegen diese niedrige Wochenbei- träge ohne jedes Risiko der Krankenunterstützungskasse „Nothilte“ anschließen. Aufnahmealter bis 65 Jahre Mitgliederstand 1932: 24000. Rechnungsaus- zahlung 1932: 490000.— Die Kasse untersteht der Kontrolle des Reichsaufsichtsamtes Berlin. Auskunft erteilt: Verwaltungsstelle Viernheim Joh. Jak. lee, Friedrichstr. 41 C Inserieren bringt Gewinn! N 5 24 1015 5 409 N J n S1% ad das Sollen Ka 8.238Oů 3 Zum Waschen und Putzen: Hellgelne Hernselte Ste ab 6 Weine Nernseiffe Sek 14% Weide Rernseife Ster 18 90 (Marke Schreiber) b Weine u. gelbe Schmierseife Sunlichtseife Stck. 10, 18, 22, Schreibers Sellenllochken Be. gei- 30 Seffengulper, Persil, Benko, 8 l Soda, Ala, ln, Um, Jumbo 8 Rein amerik. Ternenlind! Pig. 46 Terpentinersatz Pfand 32.9 Amieitia 09 E. V. V'heim. Sportplatz im Wald mit 0 N Reſt.„Zur Waldſchenke“ Donnerstag, den 14. September, abends /8 Uhr findet im Vereinshaus eine Verſammlung ſämtlicher Aktiven ſtatt. Sämtliche Fußballer, Handballer und Schwerathleten haben zu erſcheinen, da die Verſammlung wegen Beginn der Verbands- ſpiele ſehr wichtig iſt. Der Führer. Am Sonntag, den 17. Sept. nachm. 3 Uhr 1. Verbandsſpiel gegen 07 Mannheim Vorſpiele: 2. Mannſchaft um 1 Ühr, 3. Mannſchaft um 11 Uhr. Viernheimer Sportfreunde zu dieſen Spielen freundlichſt ein und bitten durch zahlreichen Beſuch unſerer Mannſchaft den notwendigen Rückhalt zu geben. Der Führer. Eintrittspreiſe: Sitzplatz 80 Pfg., Allgemeiner Stehplatz 50 Pfg., Erwerbsloſe, Mitglieder und Damen, ſowie Angehörige der nationalen Ver⸗ bände, letztere nur in vollſtändiger Uniform, 25 Pfg., Jugendliche 15 Pfg. u. Schüler 10 Pfg. Mitglieder und Erwerbsloſe haben ihren Aus⸗ wels vorzuzeigen anſonſt der verbilligte Eintrits⸗ preis nicht gewährt wird.%. Wir laden die Bouenöl, Leinölfirnis, Bodenfarbe, Bodenlack, Bodenwachs, Bodenbeize Krätft. Putztücher Sick. ah 20. Bürsten, Besen, Schruhber Slahlsnane, Ptzwolle, Pofferideker Medizinal⸗ Verband. Sonntag, den 17. September, nachmittags 3 Uhr, findet im Gaſthaus zum„Stern“(bei Franz Ehrhardt) eine außerordentliche General⸗Verſammlung ſtatt. Tagesordnung: Statutenänderung. Wegen Wichtigkeit der Sache iſt es Pflicht eines jeden Mitgliedes, zu erſcheinen. Der Vorſtand. Gründlichen Klavier-Unterricht erteilt Trudel Lipp staatl. gepr. Klawier- Pädagogin Weiß emailliert mit Mickelschiff weit unter Preis abzugeben bei: 7 Mannheim au 5, 3 Vereins Anzeiger. nahe Strohmarkt Tel. 227 02. Männergeſangverein 1846. Morgen Donners⸗ tag abend punkt 8 è½ Uhr vollzählige Sing⸗ ſtunde, zu der alle aktiven Sänger dringend um ihr Erſcheinen gebeten werden. Der Führer. diernhelmer Anzeiber Sternhelmer Tageblatt— Eiernheimer Nachrichten) eint täglich mit Ausnahme der Sonn- unb Feiertage. Wanne monatl. wöchentl. das achtſeitige illuſtrierte k. frei ins Haus gebracht.— ee 1 15 e„Sonntagsblatt“, 11 0 ich einen Fahrplan ſowie einen Wand⸗ kalender.— Annahme ö von Abonnements täg in ber Geſchäftsſtelle u. beim Zeitungsträger Erſtes, älteſtes u. erfolgreichſtes Lokal⸗Anzeigeblatt in Viernheim 5: Anzeiger, Bi- Poſtſchecktonto Nr. 21577 Ant Ek ech eng. Dru u, Barlag: 905. Martin Ges terer. Viernheimer Zeitung (Sternheimer Bürger-Btig.— Sternh. Volksblatt) Anzei e Die 5 e Pet bei Wiederholung abgeſtufter Rabatt.— 1 koſtet 25 Pfg., die Retlamezeile 60 Pfg., nnahmeſchluß für Inſerate und Notizen vor⸗ mittags 8 Uhr, größere Artikel einen Tag vorher.— Annahme von Anzeigen in unſerer Geſchäftsſte u. von ſämtlichen Annoncen ⸗Expeditionen Deutſchlands u. des Auslands Amtsblatt der Heſſiſchen Bürgermeiſterei und det Polizeiamtes bel i 5 1 Möglichkeit berückſt 5 eine igt.— Für die Aufnahune t übernommen f Nummer 213 „Werberat der deutſchen Wirtſchaft“ Das Reichskabinett hat, wie bereits be⸗ kannt, ein Geſetz über Wirtſchafts⸗ werbung verabſchiedet, das das geſamte Reklameweſen umordnet. Das Geſetz umfaßt ſechs Paragraphen, die im weſent⸗ lichen folgende Beſtimmungen enthalten: Zwecks einheitlicher und wirkſamer Ge⸗ ſtaltung unterliegt das geſamte öffentliche und private Werbungs⸗, Anzeigen-, Aus⸗ ſtellungs-, Meſſe⸗ und Reklameweſen der Aufſicht des Reiches. die Auſſicht wird ausgeübt durch den Werberat der deutſchen Wirtſchaft. Die Mitglieder des Werberates werden vom Reichsminiſter für Volksaufklärung und Propaganda im Einvernehmen mit den zuſtändigen Staats⸗ miniſtern berufen. Der Werberat unterſteht der Aufſicht des Reichsminiſters für Volks⸗ aufklärung und Propaganda die im Einver⸗ nehmen mit den für die Wirtſchaftspolitik zuſtändigen Reichsminiſtern ausgeübt mird. Wer Wirtſchaftswerbung ausführt, bedarf einer Genehmigung des Werberates. Der Werberat kann die Erteilung einer Ge⸗ nehmigung von der Erhebung einer Ab⸗ gabe abhängig machen, deren Höhe durch Verordnung des Reichsminiſters für Volks⸗ aufklärung und Propaganda und des Reichs⸗ miniſters der Finanzen feſtgeſetzt wird. Die Genehmigung kann an weitere Bedingun— gen geknüpft werden. Der Werberat kann für beſtimmte Fälle der Eigenwerbung Aus⸗ nahmen vom Genehmigungszwang feſt⸗ ſetzen. Der Reichsminiſter für Volksaufklä⸗ rung und Propaganda gibt dem Werberat im Einvernehmen mit den für die Wirt⸗ ſchaftspolitik zuſtändigen Reichsminiſtern eine Satzung. Der Reichsminiſter für Volks⸗ aufklärung und Propaganda ernennt den Präſidenten des Werberates und be— ſtellt die Geſchäftsführer. In der Begründung wird als Zweckdes Geſetzes bezeichnet, auf dem Gebiete der Wirtſchaftswerbung die beſtehenden Miß⸗ ſtände abzuſtellen und die Wirkſamkeit der Werbung durch organiſatoriſche Zuſammen⸗ faſſung und ſyſtematiſche Geſtaltung auf das Höchſtmaß zu ſteigern. Das heutige Werbe⸗ und Reklameweſen leidet an der ſtarken Zer⸗ ſplitterung bei brauchbaren und ſogar her— vorragenden Einzelleiſtungen. Einen ſchweren Mangel bilden die Miß⸗ ſtände, die ſich auf dem Gebiete des An⸗ zeigeweſens entwickelt haben. Die Wirkung jeder Propaganda iſt abhängig von der Glaubwürdigkeit, die man dem Träger entgegenbringen kann. Alle Anpreiſungen müſſen daher wahr ſein und jede Täuſchung des in⸗ und ausländiſchen Publikums ausſchließen. Weiter wird in der Begründung als dringend erforderlich die Beſeſtigung des Auflagenſchwindels bei Zei⸗ tungen, Zeitſchriften und Büchern, der unlau⸗ teren Konkurrenz bei der Anzeigenvermitt⸗ lung, Aufrichtung der Anzeigentariftreue, die Regelung der Stellung der Anzeigenex⸗ peditionen gegen Verleger bezeichnet. Die Anpreiſungen deutſcher Firmen müß⸗ ten würdevoll ſein. Das Geſetz hat zum Ziele, marktſchreieriſchen Widerſprüchen und gröb⸗ lichen Geſchmacksverirrungen entgegenzu⸗ treten. Auch für das Ausmaß in welchem eine geſunde und volkswirtſchaftlich richtige Propaganda ſich unter dem Einfluß der agesmeinungen und Modeſtrömungen ſtel— len darf, muß eine klare Grenze gezogen werden. Auf ähnliche Schwächen und Fehler wird in der Begründung auch hinſichtlich des Meſſe⸗ und Ausſtellungswe⸗ ſens hingewieſen. Die Begründung be⸗ zeichnet als einzige Möglichkeit, dieſen Um⸗ tänden entgegenzuwirken, die Aufrichtung einer einheitlichen Führung durch das Reich, wobef auf das Beiſpiel von England n Vereinigten Staaten, Japan, Dänemark und Holland hingewieſen wird. — 1 Das Winterhilfswert eines Deutschland Berlin, 14. Sept. Im ſogenannten Thronſaal des Propagan⸗ daminiſteriums wurde am Mittwochmittag in feierlichſter Form in Anweſenheit des Reichskanzlers, des Vizekanzlers und faſt aller übrigen Mitglieder des Reichskabinetts ſowie zahlreicher Landesminiſter, der Par⸗ teiführer und vieler Ehrengäſte der Ausſchuß zum Kampf gegen Hunger und Kälte konſti⸗ tuiert. Sofort nach dem Erſcheinen des Füh⸗ rers, den die Verſammlung mit erhobener Rechten grüßte, eröffnete der Reichspreſſe— chef Funk die Kundgebung. Der Plan des Hilfswerks Reichspropagandaminiſter Dr. Göbbels ergriff dann das Wort zu einer mit ſtürmi⸗ ſchem Beifall aufgenommenen Rede. Der Mi⸗ niſter führte u. a. aus, es ſei der Reichsre⸗ gierung nach einer rieſigen Kraftanſtrengung gelungen, die furchtbare Ziffer der Arbeits- loſigkeit um über zwei Millionen zu ſenken. Man müſſe jedoch damit rechnen, daß für den kommenden Winter noch weiterhin eine Millionenanzahl von Volksgenoſſen erwerbs— los bleibe. Die Regierung ſei nicht gewillt, ſie ih⸗ rem eigenen Elend zu überlaſſen. Sie habe den Plan gefaßt, in einem noch nie dageweſenen grandioſen Hilfswerk ſchül⸗ zend an ihre Seite zu kreten und ihnen die Ueberdauerung des Winkers ohne allzugroße Not möglich zu machen. Die⸗ ſes Winkerhilfswerk ſei keine private Fürſorge, ſondern eine Akkion, die von der Regierung ſelbſt geleitet und vom ganzen Volk getragen werde. Jeder ein⸗ zelne Volksgenoſſe ſei mit dafür verank⸗ wortlich, daß ſie gelinge. Niemand wer⸗ de ſich davon ausſchließen dürfen. Was am 1. Mai zum erſten Male demon— ſtrativ in Erſcheinung getreten ſei, das werde hier in der Tat lebendig werden: die Schran⸗ ken, die Bürger und Proletarier von einan— der trennten, ſeien niedergeriſſen. Ein Sonntag für die Hungernden Die Regierung werde Vorſorge treffen, daß dieſes Hilfswerk mit den ſauberſten und anſtändigſten Verwaltungsmethoden durchge⸗ führt werde, die überhaupt denkbar ſeien. Um den Nokleidenden auch äußerlich zu zeigen, daß die ganze Nation mit ihnen fühlt, ſoll in ſedem Monat der erſte Sonnkag ihnen gewidmet ſein. In gro- ßen Skraßen- und Häuſerſammlungen würden die Mittel für die Durchführung dieſer Aktion herbeigeſchafft werden. Die Regierung richte an die geſamke deutſche Oeffenklichkteit den Appell, an dieſen Sonntagen miktags lediglich ein Einkopfgericht zum Preiſe von höchſtens 50 Pfennig pro Perſon zu verzehren. Ein gleiches ſolle auch in und Hotels durchgeführt werden. Die dabei erſparten Gelder würden ohne Abzug in die große Hilfskaſſe hineingegeben. Die Organifation Der Reichsminiſter machte im weiteren Verlaufe ſeiner Rede nähere Angaben über die Organiſation des Winterhilfswerkes im einzelnen und teilte mit, daß an der Spitze des Werkes die Reichsführung des Winterhilfswerkes mit dem Sitz in Berlin ſteht. Bei ihr liegen die Aufgaben der Organiſierung des Winterhilfswerkes. Für das ganze Reich ſind einheitliche Sammelſonntage vorgeſehen. Gaſtwirtſchaften; 1 J ö 5 ö 0 Volkes— der Kampf geg en Hunger und Kal als Vahnbrecher auf ſozialem Gebiet Jür Geldfammlungen ſind mit den An- geſtellten⸗ und Beamtenverbänden Ver- handlungen zwecks geſtaffelter Abzüge zu Gunſten des Winkerhilfswerkes auf- zunehmen. Inhaber von Bank- und Poſtſcheckkonten werden aufgefordert monaklich einen beſtimmten Betrag von ihrem Konko abbuchen zu laſſen. Einen nicht unweſentlichen Ertrag für das Winterhilfswerk ſoll eine über das Reich verbreitete 50-Pfennig-S ßen⸗BVrieflotterie Spender, die monatlich einen angemeſſenen Betrag zeichnen, iſt eine kleine Pla der Aufſchrift„Wir helfen“ vorgeſehen, die Spender an ihren Wohnungstüren befe⸗ ſtigen können und die ſie von weiteren Sammlungen befreit. Bei den Straßen- und Hausſammlungen gelangen beſondere Abzeichen zur Aus- gabe. Plaketten und Abzeichen haben für jeden Monat eine beſtimmte Farbe. Das geſammelte Bargeld ſoll grundſätzlich nur für den Einkauf von anſtaltet werden, die keinen eigenen Herd haben. gen auf dem Lande ſollen möglichſt in der Erntezeit durchgeführt werden. Die Sammiungen bei den Lebensmittel- großhandlungen und bei den kleinen Ge- ſchäften kommen in der Form zur Durchführung, daß von den Geſchäfts⸗ inhabern Menge und Art der zur Ver- fügung geſlellten Waren in Sammel- liſten eingelragen werden, die die Grundlage für die ſpätere Ausgabe von Bezugsſcheigen bilden. In gleicher Weiſe ſoll bei der Brennſtoff⸗ und Kleiderbeſchaffung verfahren werden. Für die Spenden des Winterhilfs— werkes gewährt die Deutſche Reichsbahn Frachtfreiheit. Weiterhin werden durch die örtlichen Ausſchüſſe des Winterhilfswerkes mit Theater-, Film- und Konzertbetrieben Ver⸗ einbarungen getroffen, daß von dieſen Be— trieben in möglichſt großem Umfange Frei⸗ karten für die notleidende Beyölkerung zur Verfügung geſtellt werden. Jerner follen Vergnügungsſtälken den Reinertrag eines Abends abliefern. Als Gegenleiſtung dafür erfolgt die Bekannt⸗ gabe dieſer Vergnügungsſtätten im Rund— funk. Gemeinnntz geht vor Eigennutz Der Reichsminiſter teilte zum Schluß ſet⸗ ner Ausführungen mit, daß die Reichsregie— rung wie bisher ihre repräſentativen Pflich⸗ ten auf das allergeringſte Mindeſt⸗ maß einſchränken werde und ſchloß mit den Worten: Einer kritt für alle ein und alle für ei- nen. Das Volk wird eine Nol- und Brotgemeinſchaft ſein und das Wort, das wir im Kampf um die Macht zu un⸗ ſerer Parole erhoben haben, ſoll nun, da wir im Beſitz der Macht ſind, beglük⸗ kende Wirklichkeit werden: Gemeinnutz geht vor Eigennuh! Nach Schluß der Ausführungen des Reichspropagandaminiſters, die wiederholt von lebhaften Beifallskundgebungen unter⸗ brochen worden waren, gaben die Verſam⸗ melten durch nicht endenwollendes Beifall⸗ klatſchen ihrer Zuſtimmmung zu den dargeleg⸗ ten Grundzügen des Winterhilfswerks Aus⸗ druck. Lebensmitteln, Heizmaterial uſw. verwendet werden. Maſs⸗ f ſenſpeiſungen ſollen nur für diejenigen ver⸗ Die Lebensmittelſammlun⸗ n. 0 es eig nen Volkes, die unzertrennliche Ver⸗ Der Kanzler über die Solidarität Nach Dr. Göbbels trat Reichskanzler Hitler vor das Mikrophon und richtete an die Verſammlung folgende Anſprache: Mei⸗ ne Herren! Viele hre haben wir im In⸗ nern gegen den Gedanken der internationa⸗ len marxiſtiſchen Solidarität gekämpft. Wir haben in dieſer vermeintlichen inter⸗ nationalen Solidarität nur den Feind wirklicher nationaler Einſtellung geſe⸗ hen, ein Phantom, das den Menſchen wegzog von der einzig vernünftigen Solidarität, die es geben kann: Von der Solidarität, die bluksmäßig, ewig begründet iſt. ir ſind uns aber auch immer klar dari zeweſen, daß man dieſe Vorſtellung en beſeitigen kann, ohne die andere an e treten zu laſſen. Daher muß als Mot über dieſer großen Hilfsaktion das Wort ehen: „Nationale Solidarikäk.“ haben die internationale marxiſtiſche arität innerhalb unſeres Volkes zerbro⸗ „um den Millionen deutſcher Arbeiter ine andere, beſſere Solidarität dafür zu ge— Es iſt die Solidarität unſeres eige⸗ denheit nicht nur in glücklichen, ſondorn h in ſchlimmen Tagen, die Verbundenheit nicht nur mit denjenigen, die vom Glück ge⸗ ſegnet ſind, ſondern auch mit denjeni⸗ gen, die vom Unglück verfolgt ſind. Wenn wir dieſen Gedanken der nakiona⸗ len Solidarität richtig auffaſſen, dann kann es nur ein Gedanke des Opferns fein, d. h. alfſo, wenn der eine oder an⸗ dere ſagt, man würde dabei zu ſtark be⸗ laſtet werden, man müſſe ja immer wie⸗ der geben, dann kann man nur erwi⸗ dern:„Das iſt nun einmal der Sinn ei⸗ ner wirklichen nationalen Solidarität. Im Nehmen kann die wirkliche nakiona⸗ le Solidarität ihren Sinn nicht haben.“ Wenn ein Teil unſeres Volkes durch Ver⸗ hältniſſe, an denen alle mit ſchuld ſind, in Not geraten iſt, und der andere, vom Schick⸗ ſal davon ausgenommen, nur einen Teil der Not freiwillig auf ſich zu nehmen bereit iſt, dann ſagen wir: Es ſoll mit Abſicht einem Teil unſeres Volkes eine gewiſſe Not mit aufgebürdet werden, damit er dadurch hilft, die Not des anderen Teiles erträglicher zu geſtal⸗ ten. Je größer die Bereitwilligkeit iſt, ein ſolches Opfer auf ſich zu nehmen, umſo ſchneller wird man die Not der an⸗ deren Seite dadurch mindern. Jeder muß verſtehen, haupt nur dann im einer wirklichen V Wert hat, wenn di Opfer bedeutet. aß ſein Geben über⸗ cet dgeme 11 1 Nur ſo kann man letz Endes dieſe hö here Solidarität aufbauen, 3 ſtreben müſſen, wenn wir die andere winden wollen. Wenn das ganze Volk richtig erfaßt hat, daß dieſe Maßnahmen für jeden ein Opfer bedeuten müſſen, dann wird aus dieſen Maßnahmen heraus nicht nur eine Milderung der materiellen Not einkre⸗ ken, ſondern es wird noch elwas viel Gewaltigeres herauskommen, es wird daraus die Ueberzeungung machen. daß die Volksgemeinſchaft nicht ein leerer Begriff iſt, ſondern daß ſie wirkſſch ein lebendiger iſt. Wir benötigen in dem ſchweren Kampf der Nation dieſe Gemeinſchaft mehr denn je. Wenn Deutſchland vom Glück geſegnet wä⸗ re, dann könnte man vielleicht ihre Bedeu⸗ tung etwas geringer einſchätzen, da wir aber ſchwere Zeiten zu ertragen haben, müſſen wir uns darüber klar ſein, daß wir ſie nur dann überwinden können, wenn unſer Volk wie ein einziger Stahl⸗ block zuſammenhält. Das werden wir nur dann erreichen können, wenn die Millionenmaſſen, die nicht vom Glück geſegnet ſind, das Gefühl bekommen, daß die vom Glück mehr Begünſtigten mit ihnen fühlen und bereit ſind, freiwillig ein Opfer auf ſich zu nehmen, um damit vor aller Welt die unzerkrennliche Ber- bundenheit unſeres Volkes zu dokumen- tieren. Was das deutſche Volk dadurch heute an Opfern bringt, das wird— deſſen kann jeder überzeugt ſein— mit Zins und Zinſeszins unſerem Volk auf dieſem Wege zurückerſtat⸗ tet werden. Denn was ſind alle materiellen Opfer, die man freiwillig bringt gegenüber dem größten Geſchenk, nämlich dem Geſchenk. ein gemeinſames, einheitliches Volk zu ſein, das ſich als zuſammengehörig fühlt und be⸗ reit iſt, ſeinen irdiſchen Schickſalsweg auch gemeinſam durchzukämpfen. Der Se⸗ gen, der aus dieſer Gemeinſamkeit, aus die— ſer nationalen Solidarität kommt, iſt viel ge⸗ waltiger und viel nützlicher als das Opfer, das der einzelne Menſch nun dafür bringt. Dieſe große Aktion gegen Hunger und Kälte muß unkler dem Mokto ſtehen: „Die inlernationale Solidarität des Prolefariats haben wir zerbrochen. Da⸗ für wollen wir aufbauen die lebendige nationale Solidarität des deutſchen Vol⸗ kes.“ Wie ein Gelöbnis klang das vom Reichs⸗ preſſechef auf den Kanzler und das deutſche Volk ausgebrachte Heil, dem ſpontan das Deutſchland⸗ und das Horſt-Weſſel⸗Lied folgte Gemeinden und Winterhilfswerk Keine eigene Sammeltätigkeit der Gemeinden und Gemeindeverbände. Berlin, 14. September. Der Deutſche Gemeindetag hat unter Hin⸗ weis auf die bereits erfolgten vorbereitenden Maßnahmen für das kommende Winterhilfs⸗ werk der Reichsregierung ſämtliche Gemeinden und Gemeindeverbände erſucht, ſich dieſem gro⸗ ßen Hilfswerk voll und ganz zur Verfügung zu ſtellen. Als Aufgabe des Winterhilfswer⸗ kes, das unter dem Motto„Kampf gegen Hunger und Kälte“ ſteht, wird die Samm⸗ lung und Verteilung von Geldſpenden, Lebens⸗ mitteln, Freitiſchen, Brennſtoffen und Klei⸗ dungsſtücken bezeichnet. Nachdem das Miniſterium für Volksaufklä⸗ rung und Propaganda den Reichsleiter der NS.⸗Volkswohlfahrt, Hilgenfeldt, zum Reichs⸗ führer des Winterhilfswerkes beſtellt habe, ent⸗ falle jede außerhalb dieſes zentralen Winter⸗ hilfswerkes liegende gleichgeartete Sammelak⸗ tion der Gemeinden und Gemeindeverbände. Die jedoch erforderliche Mitarbeit der Ge⸗ meinden in den Arbeitsausſchüſſen und in jeder anderweitigen Unterſtützung müſſe z. B. darin beſtehen, vorhandene Einrichtungen dem Winterhilfswerk unentgeltlich zur Verfügung zu ſtellen. In Frage kommen Lagerräume, Wärmehallen, Gemeinſchaftsküchen, räume, Sitzungsſäle, Leiſtungen des Fuhr⸗ parks und für Werbeveranſtaltungen in Stadt⸗ hallen, Sporthallen oder Jugendheimen. Als beſonders wichtig wird bezeichnet, daß eine Doppelbelieferung Hilfsbedürftiger vermieden werde. Daher müſſe das Wohl⸗ fahrtsamt Hand in Hand arbeiten mit dem Winterhilfswerk. Die Vürgerſteuer für 1934 Erhöhung der Steuerfreigrenze um 20 v. 9. Berlin, 14. Sept. Wie bereits kurz berichtet, hat das Reichs⸗ kabinett die Neuregelung der Bürgerſteuer für das Kalenderjahr 1934 beſchloſſen, wobei jedoch angeſichts der Kürze der zur Verfü⸗ gung ſtehenden Zeit auf eine grundſätzliche Neugeſtaltung verzichtet wurde. Aus den Beſtimmungen für das Kalenderjahr 1934 iſt nun noch nachzutragen, daß ſich dieſe im we⸗ ſentlichen an die für das Jahr 1933 getroffe⸗ ne Regelung anſchließen, doch ſind gleichzei⸗ tig einige erhebliche Neufeſtſetzungen erfolgt. Beſonders hervorzuheben iſt hierbei, daß für das Kalenderjahr 1934 die allgemei- ne Jreigrenze um 20 Prozent erhöhl worden iſt. Damit im Juſammenhang hat man auch die Grenze für die Sozialrentne die bisher bei der Bürgerſteuer einheitlich 900 Mark bekrug, der allgemein 10 ten Freigrenze angeglichen. Eine weitere weſenkliche Aenderung betrifft den Kreis der Steuerpflichtigen. Bisher wa⸗ ren die nicht Wahlberechtigten bürgerſteuer⸗ frei. Für das Kalenderjahr 1934 werden die nicht Wahlberechtigten aber zur Bürgerſteuer Arbeits⸗ herangezogen. Dieſe neue Bestimmung be⸗ trifft einmal jene Perſonen, die am Skichtage (vorausſichtlich der 10. Oktober 1933) das 18. Lebensjahr vollendet haben und deren Ein⸗ kommen 100 Mark monatlich bzw. 24 Mark wöchentlich überſteigt und zum anderen die Angehörigen der Reichswehr, die nicht wahl berechligt ſind, und als ſolche bisher auch kei⸗ ne Bürgerſteuer zahlen mußten. Beide Per⸗ ſonenkreiſe ſind nunmehr auch in Zukunft unker gewiſſen Vorausſetzungen(Höhe des Einkommens) bürgerſteuerpflichtig. Schließlich hat man die Länder, die bis⸗ her einen eigenen Landesſatz der Bürger⸗ ſteuer feſtlegen konnten, ausgeſchaltet. In Zukunft gilt für die Bürgerſteuer nur noch der Reichsſatz, von dem die Gemeinden dann einen entſprechenden Hundertſatz er⸗ heben. Die Regelung iſt nicht für das Rech⸗ nungsjahr 1934/35 getroffen worden, ſon⸗ der nur für das Kalenderjahr 193 4, da man ja in Zukunft eine grundfätz⸗ liche Aenderung vornehmen will. Aufgeklärte Notmorde KPDD.-Abgeordnete als Anſtifter.— 4000 Mark Belohnung für Ergreifung der Täter. Berlin, 14. Sept. Der Mord an den Polizeihauptleuten An⸗ lauf und Lenk, der am Sonntag, den 9. Auguſt 1931 auf dem damaligen Bülowplatz von Kommuniſten begangen wurde, iſt jetzt von der Kriminalpolizei in enger Zuſammen⸗ arbeit mit der Sa reſtlos aufgeklärt worden. Dieſe Bluttat, die keine Einzelaktion fanati⸗ ſcher Parteigänger darſtellte, ſondern von der Oberſten Parteileitung plan⸗ mäßig vorbereitet und durchgeführt worden iſt, iſt zurzeit Gegenſtand einer ge⸗ richtlichen Unterſuchung, die gegen insge⸗ ſamt 21 Kommuniſten wegen gemeinſchaft⸗ lichen Mordes geführt wird. Die bisherigen Ermikklungen haben erge⸗ ben, daß die früheren Reichskagsabgeordne⸗ ten der KPD., Heinz Neumann und Hans Kippenberger für die Mordtaten verantwork⸗ lich ſind. Sie und neun an der Mordtat di- rekt oder indirekt beteiligte Kommuniſten ſind geflohen und werden von der Kriminal- polizei noch geſucht. Für Mitteilungen aus dem Publikum, die zu einer Feſtnahme der Geſuchten führen, iſt eine Geſamtbelohnung von 4000 Mark ausgeſetzt. Außer um Neumann und Kippenberger handelt es ſich um Frau Kippenberger und die Kommuniſten Walter Ulbricht, Erich Mielke, Erich Ziemer, Wilhelm Peſchky, Wil helm Becker, Herbert Doberſalzki, Gerhard Wallitſchke und Paul Kähne. Maßnahmen gegen Kapitalflucht Auch Auswanderer unkerliegen der Anmelde- pflicht. Berlin, 14. Sept. Der Reichswirtſchaftsminiſter hat durch einen Erlaß an die Deviſenbewirtſchaftungs⸗ ſtellen neue Vorſchriften zur Verhinderung der Kapitalflucht erlaſſen, nachdem in der letzten Zeit die Wahrnehmung gemacht wor⸗ den iſt, daß Kapitalflüchtige, insbeſondere Auswanderer, erhebliche Vermögens⸗ werte in Geſtalt von Waren oder durch Ver⸗ rochnung mit Warengeſchäften ins Ausland 5 ſchaffen ſuchen. Auswandere a a ch ren nach dem Auslande ausgeführt ha⸗ ben, ohne den entſprechenden Ausfuhrerlös an die Reichsbank abgeliefert zu haben, müſ⸗ ſen in ihrem Auswanderungsantrag die Mit⸗ nahme dieſer Waren bzw. die beabſichtigte Einziehung ihres Gegenwertes im Auslande angeben, wenn ſie ſich nicht der Gefahr aus⸗ ſetzen wollen, daß eine etwaige Genehmigung wegen unvollſtändiger Angabe wichtiger Tatſachen als erſchlichen angeſehen wird. Jerner ſind Maßnahmen 1 40% wor⸗ den, um die Bezahlung deulſcher Ausfuhr ⸗ waren aus inländiſchen Guthaben von Ka⸗ pikalflüchtigen, die ſich auf Grund dieſer Jahlungen Auslandsguthaben ſchaffen wol⸗ len, zu unterbinden. Trauer um Muchow Deukſche Arbeitfront und 2830 gedenken des token Kameraden. Berlin, 14. Sept. Der Führer der Deutſchen Arbeitsfront, Dr. Ley, hat anläßlich des tragiſchen Todes des ſtellvertretenden Leiters der NSBO. und Amtsleiters der Organiſationsabteilung der Deutſchen Arbeitsfront, Pg. Reinhold Mu⸗ chow, für alle Dienſtſtellen der DA. und der NS. folgendes angeordnet: 1. Alle Kundgebungen der Arbeitsfront und der N50. die nicht durchaus ernſten arbeitsmäßigen Charakter tragen, insbeſon. dere alſo auch alle geſelligen Veranſtaltun. gen, ſind bis zum 1. Oktober 1933 verboten. 2. Sämtliche Fahnen haben bis zu dieſem Termin Trauerflor anzulegen. 3. Sämtliche Uniform kragenden Mitglie. der der NS BO. und der Deutſchen Arbeits. front kragen bis zum 1. Oktober Trauerflor um die Hakenkreuzbinde. 4. Sämtliche Dienſtſtellen der Deutſchen Arbeitsfront und der PO. haben am Beiſet⸗ zungskage auf zwei Minuten den Dienſt zu unterbrechen und des verunglückten Kamera- den zu gedenken. Auslands⸗Nundſchau Jortſchritt der Prohibitionsgegner in Amerika. Die Bewegung für Widerruf des amerika⸗ niſchen Prohibitionsartikels hat drei weitere bedeutende Siege errungen. Maryland ent⸗ ſchied mit 15 gegen eine Stimme gegen die Prohibition, Minneſota, der Heimatſtaat des Urhebers des Prohibitionsgeſetzes, ſtimmte mit zwei gegen eine Stimme für den Widerruf, Colorado erzielte gleichfalls eine große Mehrheit für den Widerruf. Das neue ſpaniſche Kabinett. Die neuen ſpaniſchen Miniſter haben dem Präſidenten der Republik heute das Treu⸗ verſprechen abgegeben, das an die Stelle der früheren Eidesleiſtung getreten iſt. Miniſter⸗ präſident Lerroux wird proviſoriſch auch das Außenminiſterium leiten, bis der neue Au⸗ ßenminiſter Albornoz von ſeiner gegenwär⸗ tigen Amerikareiſe zurückgekehrt iſt. Partei⸗ politiſch ſetzt ſich die neue Regierung Ler⸗ roux wie folgt zuſammen: 6 Radikale, 2 Sozial⸗Radikale, ein Mitglied der Republi⸗ kaniſchen Aktion, ein galiciſcher Republika⸗ ner(Partei Orga), ein Mitglied der katalo⸗ niſchen Linken, ein Linksunabhängiger und ein Unabhängiger. Deutſche Agrarpolitik Bauernſunditat gegen Verkaufslonzerne— Oftſiedlung durch Bauernſähne Eſſen, 14. Sept. Am Mittwoch fand in Eſſen der erſte Rheiniſch⸗Weſtfäliſche Landfrauentag ſtatt, der von über 2000 Landfrauen und Päch⸗ tern beſucht war. Im Mittelpunkt der Ta⸗ gung ſtand eine Rede des Reichsobmannes des Landſtandes, Staatsrats Meinberg, der bedeutſame Ausführungen über die Bedeu⸗ tung des Bauerntums in der Agrarpolitik der Reichsregierung machte. Der Redner legte dar, daß der Bauer ſei⸗ nen Hof als Treuhänder zu verwalten und ihn in guter Verfaſſung ſeinen Kindern und Enkeln weiter zu vererben habe. Darum müſſe die geſamke Agrarpolitik der Regie- rung darauf gerichtet ſein, das Bauernſum aus den Händen des mobilen Kopitals zu befreien. Eine der wichtigſten Maßnahmen zu dieſem Zweck ſei das Erbhofgeſetz. Solan⸗ ge es noch liberaliſtiſche Konzerne gibt, er⸗ klärte der Redner, ſetzen wir der Geſellſchaft in Deukſchland, die uns den Preis diktiert, ein Bauernſyndikat entgegen, deſſen Macht größer ſein wird, als die Macht des größten Konzerns, der jemals beſtanden hat. Der Großgrundbeſitz, fuhr Meinberg fort, ſoll nicht zerſchlagen werden.„Aber wer kann von uns verlangen, daß wir mit dem Steuergroſchen des deutſchen Bauern und Arbeiters einen Großgrundbeſitz entſchulden, der bis über den Hals verſchuldet iſt und der nach der Entſchuldung in zwei bis drei Jah⸗ ren aufs neue verſchuldet iſt?“ Man werde den Beſitzern verſchuldeter Güter die Möglichkeit geben, auf neuer colle aufzubauen. aber der überſchie⸗ zende Teil des Großgutes werde dazu be⸗ nutzt werden, weſtfäliſche und rheiniſche Bauernſöhne im Oſten bodenſtändig zu ma⸗ chen. Das ſei vor allem zur Sicherung der deutſchen Oſtgrenze notwendig. Der Neuaufbau des Bankweſens Aufteilung der Großbankfilialen in ſelbſtän⸗ dige Banken? Berlin, 14. Sept. Der von dem Präſidenten des Deutſchen Induſtrie- und Handelstages, Dr. von Ren⸗ telen, berufene Ausſchuß für Kredit⸗, Geld⸗ und Bankweſen beſchäftigte ſich unter dem Vorſitz von Baron von Schröder, Köln, mit Fragen der Neuorganiſation des deutſchen Bankweſens, Der Vorſitzende hielt eine Umbildung der Banken für unbedingt erforderlich. Er ſah das Ziel dieſer Ambildung in einer Auftei⸗ lung der Großbankfilialen in ſelbſtändige re⸗ gionale Banken, die wenigſtens ſolange in ſtaaklicher Hand bleiben ſollten, als nicht eine geſunde Privatwirtkſchaft ſie wieder aus ei. gener Kraft übernehmen kann. Baron von Schröder ſprach ſich weiterhin gegen Fach. banken aus. Reichsbankdirektor Haſſe äußerte ſich da⸗ hin, daß es ihm nicht möglich ſei, angeſichts des Beginnes der Bankenquete zu den hier angeſchnittenen Problemen im einzelnen Stellung zu nehmen. In der Ausſprache er⸗ gab ſich im allgemeinen Zuſtimmung zu den von Baron von Schröder dargelegken Auf⸗ faſſungen. 515 Tele 0 110 1 Meier 5 f ings mißglückte Flucht zweier Deutſcher au der Hölle der Fremdenlegion. Im Hafen 5 Hergla wurden die beiden deutſchen Frem⸗ denlegionäre Wilhelm Schultzky und Peter Bohlen, die ſich von der Truppe entfernt hatten, verhaftet. Bohlen ſoll nach der Meldung verſucht haben, den fran⸗ zöſiſchen Hauptmann durch Veronal, das er in ein Glas Waſſer goß, einzuſchläfern. In⸗ deſſen hatte der Hauptmann den Trunk zu⸗ rückgewieſen. Als ſich der Hauptmann zur Ruhe gelegt hatte, ergriff Bohlen dann, wie der Bericht weiter behauptet, ein paar Stie⸗ fel, einen Photo⸗Apparat und andere dem Hauptmann gehörige Sachen ſowie einen Geldbetrag von 400 Franken und lief davon. Zweihundert Franken hatte er einem Manne übergeben, der ihm verſprochen hatte, ihm zur Flucht auf einen Dampfer nach Malta zu verhelfen. Als die beiden Deutſchen am Ufer in Souſſe ankamen, mußten ſie zur Ueberra. ſchung feſtſtellen, daß der gedungene Freund zum Gauner geworden und verſchwunden war, worauf ſich beide auf den Weg nach Hergla machten. Dort ereilte ſie das Geſchick, indem ſie von einem Jollaufſeher ergriffen wurden. Doch nochmals gelang es den Bei. den in ihrem verzweifellen Freiheitsdrange zu enkkommen, wobei ſie am Ufer ein kleines Book ankrafen. Es kam* einem äußerſt hef. ligen Juſammenſtoß mit dem Führer und hinzueilenden anzöſiſchen Beamlen. Schultz. ky fiel über Bord konnte aber gerettet und feſtgenommen werden. Bohlen, der ſofort ins Waſſer geſprungen war und zum Ufer ſchwamm, wurde dort von den fremden hä⸗ ſchern gefaßt und gleichfalls abkransporliert. Deutſche Tagesſchau Halbmaſt am Veiſetzungstage der weſtfäliſchen b SA⸗ Männer. Aus Anlaß der Beiſetzung der im Dienſte für Volk und Vaterland tödlich verunglückten S A⸗Männer der Standarte 17 ſetzen die Reichsbehörden und Reichsſtellen mit dem Amtsſitz in der Reichshauptſtadt und der Provinz Weſtfalen am Donnerstag, 14. Sep⸗ tember, die Flaggen auf Halbmaſt. Eine ent⸗ ſprechende Anordnung hat der preußiſche Mi⸗ niſterpräſident für die Staats⸗ und Gemeinde⸗ behörden in der Reichshauptſtadt und der Pro⸗ vinz Weſtfalen erlaſſen. Der Reichs miniſter für Volksaufklärung und Propaganda hat an⸗ geordnet, daß während der Beiſetzungsfeier⸗ lichkeiten der verunglückten Bochumer SA⸗ Männer eine viertelſtündige Funkſtille für alle deutſchen Sender eintritt. Im Anſchluß hier⸗ an wird eine weitere Viertelſtunde Trauer⸗ muſik geſendet. Prinz Auguſt Wilhelm zum Gruppenführer ernannt. Wie die SA⸗Gruppe Berlin⸗Brandenburg mitteilt, iſt der Brigadeführer August Wilhelm von Preußen zum Truppenführer z. b. V. der Oberſten SA⸗Führung befördert worden. — Reichskanzler Hitler hat an Prinz Auguſt Wilhelm aus dieſem Anlaß folgendes Tele⸗ gramm gesandt:„Zu Ihrer von mir beſtätig⸗ ten Beförderung zum Gruppenführer ſende ich Ihnen beſte Wünſche.“ Hindenburg wieder in Neude. Nachdem der Reichspräſident bei Darkehnen die Parade als Abſchluß der Brigadeübungen abgenommen hatte, begab er ſich mit den Her⸗ ren ſeiner Begleitung unter den ſtürmiſchen Kundgebungen der Zuſchauer im Kraftwagen nach Darkehnen, wo er den auf dem Bahnhof bereitſtehenden Salonwagen beſtieg, um die Rückfahrt nach Neudeck anzutreten. Reichsdeulſche aus dem Saargebiet ausge- wieſen. Die Regierungskommiſſion des Saargebie⸗ tes hat den Prokuriſten Nebel und den Mon⸗ teur Merker in Saarbrücken, beides Reichs⸗ deutſche, wegen angeblicher Tätigkeit für die NS. aus dem Saargebiet ausgewieſen. Beide beſtreiten entſchieden, nach dem Ver⸗ bot der NSB0O. für dieſe tätig geweſen zu ſein. Merker, der ſeit etwa zehn Jahren im Saargebiet anſäſſig iſt, hat gegen ſeine Aus⸗ weiſung Beſchwerde eingelegt. Er wurde jedoch gezwungen, ſofort das Saargebiet mit ſeiner Familie zu verlaſſen. Politiſches Allerlei Berlin. Reichswehrminiſter von Blomberg wird am 14. und 15. September an einet Uebung der 6. Diviſion auf dem Truppen⸗ übungsplatz Münſterlager teilnehmen und in der Nacht vom 14. zum 15. September in Lüneburg Quartier nehmen. Haag. Die Niederländiſche Große Kam⸗ mer hat den Geſetzentwurf zur 15 55 des Aniformverbotes in das Reichsgeſetzbuch mit 56 gegen 24 Stimmen genehmigt. Teheran. Die Regierung iſt zurückgetreten. Ueber die Gründe liegen bisher keine Meldun⸗ aen vor. 5 5 ptembermorgen Im Rebel ruhet noch die Welt, Noch träumen Wald und Wieſen: Bald ſiehſt du, wenn der Schleier fällt, Den blauen Himmel unverſtellt, Herbſtkräftig die gedämpfte Welt In warmem Golde fließen. Eduard Mörike. Komponiert Hugo Wolf. Wer braucht einen Verteidiger? Von Juſtizoberſekretär Rexhäuſer, Weimar. Es iſt gewiß keine angenehme Sache, vor Gericht als Angeklagter ſtehen zu müſſen. Aber ſelbſt der ehrenhafteſte Menſch kann durch Zufall, Verleumdung oder Verwechſe⸗ lung einmal in eine Strafſache verwickelt werden. Und hat der Staatsanwalt einmal Anklage erhoben, dann iſt es oft ſchwer, ſich aus den Maſchen des Geſetzes wieder zu be⸗ freien. Ohne Verteidiger wird da mancher Angeklagte ſchwer auskommen. Die ſtrafrecht⸗ lichen Vorſchriften ſind nun einmal ſo, daß in vielen Fällen ſich nur der Rechtskundige herausfinden kann. Dieſem Umſtand trägt das Geſetz Rechnung, indem es anordnet, daß in beſtimmten Fällen der Angeklagte einen ene haben muß. In Frage kommen in erſter Linie nur ſolche Strafſachen, in denen ſchwere Straftaten ab⸗ zuurteilen ſind. So iſt eine Verteidigung notwendig in allen Sachen, die in erſter In⸗ tanz vor dem Reichsgericht und dem Ober⸗ landesgericht oder vor dem Schwurgericht zu verhandeln ſind(Verbrechen des Mordes, Totſchlags, Meineids, Hoch- und Landesver— rats uſw.). Eine Verteidigung iſt ferner not⸗ wendig, wenn der Beſchuldigte taub oder tumm iſt. Wenn in dieſen Fällen der Be⸗ ſchalbigte ſich nicht ſelbſt einen Verteidiger ge⸗ wählt hat, ſo muß ihm ein ſolcher von Amts wegen beſtellt werden, und zwar ſelbſt dann, wenn er perſönlich keinen Wert darauf legt. Auch in Strafſachen, die vor dem Amtsrich⸗ ter oder Schöffengericht oder vor der Grozen Strafkammer in erſter Inſtanz verhandelt werden, iſt eine Verteidigung notwendig, wenn es ſich um ein Verbrechen handelt und der ie n oder ſein geſetzlicher Vertre— ler die Beſtellung eines Verteidigers bean⸗ tragt. Ausgenommen ſind hier jedoch ſolche Straftaten, die nur deshalb als Verbrechen anzuſehen ſind, weil ſie im Rückfall begangen ſind(d. h. alſo ſolche Delikte, die an ſich Ver⸗ ehen ſind, aber durch die Rückfälligkeit de⸗ base als Verbrechen qualifiziert wer⸗ den). Den Antrag auf Beſtellung eines Vertei— digers muß der Beſchuldigte(oder ſein ge⸗ U Vertreter) binnen einer Friſt von rei Tagen ſtellen, nachdem er zur Erklärung über die Anklageſchrift aufgefordert worden peſtellt werden. Einen Anſpruch auf Beſtel⸗ lung eines Verteidigers außerhalb der Fälle der notwendigen Verteidigung hat der Be⸗ ſchuldigte niemals, auch dann nicht, wenn er wegen Armut nicht imſtande iſt, einen Wahl⸗ verteidiger zu bezahlen. 10 1 5 Iſt dem Beſchuldigten ein Offizialverteidi⸗ ger beſtellt worden, ſo wird die Beſtellung vom Gericht zurückgenommen, wenn der Be⸗ ſchuldigte ſich demnächſt einen anderen Ver⸗ teidiger ſelbſt wählt. Dem zum Verteidiger beſtellten Rechtsanwalt werden für die ge⸗ führte Verteidigung die Gebühren aus der Staatskaſſe bezahlt Welt und Wiſſen Die deutſche Reichsbahn. Mit ungefähr 54 000 Kilometern hat Deutſchland das aus⸗ gedehnteſte Eiſenbahnnetz in Europa und in der Netzdichte ſteht es gleich nach England an zwei⸗ ter Stelle. Aber in Schnelligkeit konnten ſich unſere Züge z. B. im Jahre 1930 nur in einzelnen Fällen mit den engliſchen und fran⸗ zöſiſchen meſſen. Vor drei Jahren war man erſt wieder auf den Stand von 1913 gekom⸗ men. Einige Züge wurden beſchleunigt, und man begann mit Expreßlinien. Manche D⸗ Züge fuhren noch lanaſamer als vor dem Krieg, und die Jahl der ſchneilſayrenden Züge hatte ſich gegen 1913 ſogar vermindert. Freilich hatte man die durchſchnittliche Reiſe⸗ geſchwindigkeit unſerer Schnellzüge ſeit 1928 bis 1930 um 3,7 auf 65,3 Stundenkilometer ſteigern können. Die engliſchen Züge fuhren aber 69,9 und die franzöſiſchen 71,1 Kilometer in der Stunde. Die Deutſche Reichsbahn hatte mit außerordentlichen Schwierigkeiten zu kämpfen; das Tempo der Entwicklung wurde allein von den Reparationsabgaben merklich gedrückt. In den letzten Jahren hat es die Reichsbahn jedoch verſtanden, unter der Kon⸗ kurrenz moderner Verkehrsmittel ihre Leiſtun⸗ gen weſentlich zu verbeſſern. Ein pneumatiſcher Wellenbrecher. Im Se⸗ baſtopoler Hafen iſt der erſte Teil des Baues eines pneumatiſchen Wellenbrechers beendet worden. Die Probe, die darin beſtand, eine bis 1 Meter hohe Welle durch Luft zu löſchen, brachte poſitive Ergebniſſe. Der von einem wiſſenſchaſtlichen Forſchungsinſtitut entworfene pneumatiſche Wellenbrecher ſtellt ein Röhren⸗ ſyſtem mit Oeffnungen dar, das auf dem Mee⸗ resgrunde aufgeſtellt iſt. Bei unruhiger See wird durch die Röhren mittels eines Kom⸗ preſſors Luft zugeführt, welche, an die Ober⸗ fläche gelangt, die Wellen zerbricht. Der„Löwe von Belfort“ Zum 125. Geburtstag des Generals von Werder Das waren harte Tage Bei Belfort, Chenebier, Bis wir den Feind geſchlagen, Daß blutrot Eis und Schnee. (Kriegslied 1871.) Wer die Geſchichte des Krieges 1870—71 betrachtet, denkt zumeiſt an den gewaltigen Siegeszug von Weißenburg bis Sedan, dem⸗ gegenüber die ſpäteren militäriſchen Ereig⸗ niſſe zu verblaſſen ſcheinen. Das wäre aber eine Zurückſetzung der Helden, die in den ſchweren Kämpfen nach Sedan große Gefah⸗ ren von Deutſchland fernhielten. Einer der beſten dieſer Heerführer iſt General von Werder, der vor 125 Jahren am 12. Sep⸗ tember 1808 auf dem Vorwerke Schloßberg bei Norkitten in Oſtpreußen das Licht der Welt erblickte. Er genoß die ſpartaniſche Er⸗ ziehung der alten preußiſchen Offiziere. Schon 1866 erwarb ſich Werder bei Gitſchin und Königgrätz den Pour le merite, aber die Höhe ſeines Ruhmes erreichte er erſt im Deutſch-Franzöſiſchen Krieg. Der tatendurſti— ge Führer war ſehr betrübt, daß er Süd⸗ deutſchland decken mußte, indes die Preußen und ihre Verbündeten Schlacht auf Schlacht gewannen. Es war ihm auch nicht recht, als zoſen hatte tatſächlich 120 000 Mann auf die Beine gebracht, die gegen Belfort vorrückten. Waren die inneren Verhältniſſe dieſer fran⸗ zöſiſchen Oſtarmee, die nur einen geringen Kern ausgebildeter Truppen beſaß, auch ſchlecht zu nennen, ſo war die Uebermacht, 120 000 gegen 40 000, gefahrdrohend. Bei den Franzoſen wurden Stimmen laut:„Wir werden Belfort befreien und uns dann nach Baden werfen“. Sie hatten die Rechnung ohne Werder ge⸗ macht, der nach einem ſehr klugen und ſtra⸗ pazenreichen Feldzug in den Vogeſen nicht ohne ſchwere Bedenken den Entſchluß faßte, an der Liſaine den ſtarken Gegner zu erwar⸗ ten. Die Stimmung ſeiner Truppen war vor⸗ züglich.„Hier kommt keiner durch!“ lautete die Parole, und das Wagnis gelang. In einem dreitägigen, äußerſt hartnäckigen Rin⸗ gen wurden in gutbefeſtigter Stellung die franzöſiſchen Angriffe Bourbakis immer wie⸗ der abgewieſen, der nur bei Montbeliard einen bedeutungsloſen Teilerfolg erringen konnte. In dieſen drei Tagen vom 15. bis zum 17. Januar 1871 gingen an der Zähig⸗ keit der von Werder glänzend geführten Truppen alle Anſtürme der franzöſiſchen Oſt⸗ armee kläglich zu Grunde. 5 20 die Bedrohung deutſchen Bodens durch die Franzoſen reſtlos beſeitigt war An hlt. hat es dem General Werder nicht gefehlt. Er erhielt die gleichen Dotatio⸗ nen von 200 000 Talern wie andere verdien⸗ te Generale, mit der er die Güter Grüſſom und Gantzow in Pommern erwarb, und 1879 wurde der greiſe Held in den Grafenſtand er⸗ hoben. Der tapfere, auch als Menſch hochver⸗ ehrte Soldat ſtarb an ſeinem Geburtstage am 12. September auf ſeiner Beſitzung Grüſſow im Alter von 79 Jahren. Am 27. Januar 1889 erhielt das 4. Rheini⸗ ſche Infanterie⸗Regiment Nr. 30 durch Erlaß Kaiſer Wilhelm II. den Namen Inf.⸗Ngt. Graf Werder. In Freiburg i. Br. ſteht das Siegesdenkmal des 14. Armeekorps und kün⸗ det deſſen tapfere Taten unter ſeinem Gene⸗ ral Werder: „Schmückt mit Tannenreis die Halben, Laßt aus allen Kehlen ſchallen: Vivat Werder und ſein Heer!“ Welſche Ohnmacht kam zu Schanden, Deutſche Kraft hat gut beſtanden Hat erſtritten Sieg und Ehr!“ Neues aus aller Welt Im Wirtshaus vergiftet. In einer Wirt⸗ ſchaft in Utting(Oberbayern) hatte ſich ein Gaſt ein Frühſtück beſtellt, bei dem er lange Zeit unbeweglich ſitzen blieb. Als man ſchließlich aufmerkſam wurde, entdeckte man, daß der Fremde ſein Frühſtück mit einem ſchnell wirkenden Gift vermengt hatte und, ohne daß es eine der in der Nähe befindlichen Perſonen bemerkt hatte, auch bereits daran geſtorben war. Kinder als Brandſtifter. In Nieder n⸗ kirchen(Oberbayern) brach in dem Ane⸗ ſen des Bürgermeiſters ein Brand aus der ſich infolge des herrſchenden Windes ſehr raſch ausdehnte. Die Feuerwehr konnte we⸗ gen Waſſermangel nicht viel ausrichten. Während das Wohnhaus des Bürgermeiſters gerettet werden konnte, wurde ein Wohnhaus und ſechs Nebengebäude ein Raub der Flam⸗ men. Auch ſämtliche Erntevorräte und Bau⸗ mannsfahrniſſe fielen dem Feuer zum Opfer. Spielende Kinder ſollen den Brand verursacht haben. 2 4 Luſtige Eile Tünnes und Schäl beſteigen unter heftigem Schwitzen den Eiffelturm in Paris. Stöhnt der Tünnes:„Wenn ich bloß wößt, wat Eau de Cologne op franzöſiſch heiſch, dann dat ick mer direk e Fläſchge kaufe.“ „Krauſe, kannſt du mir ſagen, wer David und Goliath waren?“ iſt. Iſt die dreitägige Friſt verſtrichen, ohne daß der Antrag geſtellt iſt, ſo entfällt die Notwendigkeit der Beſtellung eines Vertei⸗ digers. notwendig in den vor dem Großen Jugend⸗ gericht zu verhandelnden Strafſachen. eine Verteidigung nicht notwendig iſt, kann dem Beſchuldigten auf ſeinen Antrag oder von Amts wegen ein Verteidiger beſtellt wer⸗ den(z. B. wenn der Beſchuldigte im Sprechen ue en iſt oder wenn Zweifel an ſeiner Zurechnungsfähigkeit beſtehen). Zu Verteidi⸗ gern können neben Rechtanwälten auch Ju⸗ ſtizbeamte, die nicht als Richter angeſtellt find(3. B. Rechtspfleger und Referendare), Eine Verteidigung iſt endlich auch In geringfügigeren Strafſachen, in denen man ihm den Oberbefehl über das Belage⸗ rungsheer von Straßburg gab. aber er löſte dieſe Aufgabe ſo glänzend, daß er auf dem Schlachtfelde zum General der ernannt wurde. Am 30. September hielt er ſeinen Einzug in die Feſtung. Das Belagerungskorps wurde nunmehr unter Werder zu einem neuen. 14. Armee⸗ korps vereinigt, das der franzöſiſchen Oſtar⸗ mee, die den Entſatz Belforts anſtrebte und die rückwärtigen Verbindungen des deutſchen Belagerungsheeres zerſtören wollte, entge— gentreten ſollte. Dieſe Aufgabe ſtellte ſich als ſchwierig und verantwortungsvoll heraus. denn der vatriotiſche Fanatismus der Tran⸗ i 48 Herr Heinrich grub und jätete in ſeinem Garten. Da ſtand ein Bäumchen, das ſchien ihm unwert. Er riß es aus und warf es über die Mauer. Juſt ging ich vorbei, ſah das Bäumchen, nahm's und pflanzte es in meinen Garten. Da wuchs es und trug köſtliche Frucht. Könntet Ihr nun als Erbe des Herrn Heinrich ein Recht an dem Baum geltend machen?“ „Ihr haltet mich zum Narren, Rotacker. Der Müller aber ſchüttelte lächelnd den Kopf.„Mit nichten, Herr!— Aber hört, da läuten ſie zum zweiten Male. Da müſſen wir ausſchreiten. Pfarrer Limprecht ſieht es nicht gern, wenn wir zu ſpät kommen, und heute, am Himmelfahrtstage, zumal!— Da iſt auch meine Tochter!“ Henning wandte den Kopf. Eine große, ſchlanke Frau kam den Weg von der Mühle her. Sie war mehr ſtädtiſch als dörfiſch gekleidet. Doch auch ohne die ſilbernen Miederſchnüre und das ſeidene Bruſttüchlein ſah ſie reich und ſeſtlich aus. Sie hielt das Geſangbuch in der Rechten an die Bruſt gepreßt. Faſt ſchien es Henning, als ſähe er in ein fremdes Geſicht. Unter den geſchwungenen Brauen blickten die hellen Augen kühl und ruhig. Der ſchmale Mund war hochmütig und abweiſend. Nur die weißblonden Stirn⸗ löckchen, die unter der ſchweren Bänderhaube hervorſahen, erinnerten noch an das Jungmädchen vor Jahren. Henning Rotacker zog den Hut und wünſchte einen guten Tag. Linda Gebhardt neigte den Kopf ein wenig. Ein flüchtiges Rot flog über ihr Geſicht, aber der Mund blieb hart und verſchloſſen. Müller!“ knurrte Bourbaki mußte den Infanterie auch Hunger, Durſt klamation konnte Moltke gedrängt wurde. beſonders Rückzug antreten, aber auch die Deutſchen waren erſchöpft, denn—.— ſie hatten außer den Strapazen des Kampfes und Kälte müſſen. Am 18. Januar vor der Kaiſerpro⸗ Herrn die Siegesnachricht von der ne vorleſen. General von Werder vereinigte ſich nun mit den Truppen des 5 Manteuffel, unter deſſen Oberbefehl die Ar⸗ mee Bourbakis über die Schweizer Die Heldentaten Werders und ſeiner Truppen bei Beſfort wurden in Deutſchland laut geprieſen, und man nannte ihn den„Löwen von Belfort“. Beſonders in Süddeutſchland löſte der Sieg an der Liſaine „Ja, es waren zwei Konkurrenten!“ 0 2 2 „Wenn der kleine David nicht ſo geſchieudert hätte, gegangen.“ ertragen ſeinem geliebten* Junge Frau Gu ihrem Manne):„Wenn wir uns nicht geheiratet hätten, würdeſt Du mich dann doch lieb haben?“—„Noch viel Liſaine Generals von lieber!“ (London Opinion). Grenze 5 das nicht ſo aufbrauſt. Ich bin ſehr ner⸗ vös.“——(Saag'ſche Couraſtt). begeiſterten Jubel aus, weil arſt nach dieſe: „ſonſt kommen wir zur Predigt zu ſpät!“ „Ja, Vater!“ „Gott zum Gruß, edler Herr!“ Gebhardt nahm den Hut ab. Henning Rotacker ſah das ſpöttiſche Lachen in ſeinem Geſicht. Er blieb auf dem Wege ſtehen, das Pferd am Zügel, und blickte den beiden nach. Er fühlte ſich gedemütigt von dem ſelbſt⸗ ſicheren Stolz des Müllers, wie ſchon einmal vor Jahren. * 1*. Am Pfingſttag klangen die Fideln vom Dorf herauf zu der Burg. Henning ſaß an dem offenen Fenſter des Turmgemachs, hatte den Kopf in die Hand geſtützt und ſah in das bunte Gewimmel drunten auf dem Dorf⸗ plan. 0 Da kam ihm der Gedanke, ſich einmal unter die Menſchen zu miſchen. Er glaubte, ſich als Herr bei dem Dorffeſt einmal zeigen zu müſſen. Sie ſollten in ihm nicht nur den ſtrengen Fronherrn ſehen. So ſtieg er den Burgberg hinab zum Anger. Der Plan war mit grünen Birken umſtellt. Die Paare ſprangen und drehten ſich nach den quietſchenden Klängen der Geigen. Als die Menſchen den Herrn erkannten, da verſtummte plötzlich die ausgelaſſene Fröhlichkeit. Die Bauern flüſterten und ſtießen ſich mit den Armen an. Henning war in den Jahren ſeiner Einſamkeit un⸗ gelenk im Verkehr mit den Menſchen geworden. Ein Gefühl der Unſicherheit kam über ihn, als er über den Anger ſchritt. Die Leute machten ihm mit ſcheuer Ehrerbietung Platz. Unter den Dorflinden zechten die Alten. Henning ſetzte ſich an einen leeren, rohgezimmerten Tiſch. Kämmer, der Dorfwirt, kam und ſtellte mit einem ungeſchickten Neiger einen Krug Vier vor ihm auf den Tiſch. Henning nickte dankend. Er trank. Das Bier war ſchal und ſchlecht. „Wir müſſen ein wenig eilen, Linda“, ſagte der Müller, Die Bauern an den Nebentiſchen dämpften ihre Stimmen. Henning fühlte, daß er lähmend auf die aus⸗ gelaſſene Freude der Dorfbewohner wirkte. Er fühlte ſich überflüſſig, aber er blieb. Gleichgültig blickte er über die Menſchen hin. Seine Augen blieben an einer aus Tannenreiſer⸗ gefügten Laube haften. Er lächelte bitter. Dort ſaßen die Vornehmen: der Pfarrer, der Schulze mit ſeiner Frau, Müller Gebhardt mit der Tochter und der alte Engel⸗ mann mit ſeinem Sohn und der Schwiegertochter. Früher mochte wohl der Ehrenplatz für die Herrſchaft von der Burg beſtimmt geweſen ſein. Jetzt nahmen ihn die reichen Bauern ein. Die Tanzmuſik hub wieder an. Auf dem Plat ſtampften die Paare auf und nieder. Henning ſah zu⸗ fällig einen hübſchen, ſtattlichen Burſchen auf den Ehren⸗ tiſch zugehen. Er forderte die Tochter des Müllers zum Tanze auf. Die ſchüttelte den Kopf ſtolz und ab⸗ weiſend, Der verlegene Burſche tat Herrn Henning faſt leid. Der Tag brachte Henning eine Ueberraſchung, an die er nicht gedacht hatte. Er war erſtaunt, als er Männer und Frauen ſich um ſeinen Tiſch drängen ſah. Aus der Menge löſte ſich eine nicht mehr ganz junge Frau, knickſte vor ihm und begann in Verſen den edlen Herrn zu be⸗ grüßen. Sie blieb ſtecken, beſann ſich und ſprach dann überſtürzt das Gedicht zu Ende. Sie mochte es vielleicht vor mehr als zehn Jahren vor Herrn Heinrich hergeſagt haben, beſſer und mit hellerer Stimme als heute.— Darauf trat der Schulze vor und bedachte den Herrn mit ſtotternden Worten, und die Menge ließ ihn hochleben. — Der Wirt Kämmer, der ſich inzwiſchen eine weiße Schürze umgebunden hatte, reichte Henning einen Becher voll Wein als Willkommentrunk. Die überraſchende Ehrung brachte Herrn Henning in Verlegenheit. Er ſah die erwartungsvollen Geſichter um ſich. Er ſtand auf. Einige Augenblicke ſuchte er nach Worten. 1 (Fortſetzung folgt.) wäre Goliath nicht daran zugrunde Dame(zum Apotheker):„Geben Sie mir eine Schachtel Brauſepulver, aber ein ruhiges, . 8 erne Zeit 557 FNREHEHSCKHNRAE GEV FEEL 12 Nachdruck verboten. Eiſerne Zeit! Eiſerne Menſchen erfordert ſie, die ſich nicht im Alltäglichen binden! Des Mädchens Geſicht iſt ganz blaß. Aber die blauen Augen leuchten in ſeltſam überirdiſchem Glanz. Ich will mich nicht im Alltäglichen binden, will mir meinen Pfad ſelbſt ſuchen, abſeits der großen Straße des allewigen Geſtern! Ein Lichtlein flackert auf. Sorgfältig ſchützt es Friede⸗ rike, daß ja kein Lichtſchein zu der Eltern Kammer dringt. Und dann— eine Schere blitzt auf. Ein paar trennende Schnitte... Die ſchönen, goldblonden Flechten liegen am Boden. Eine Träne des Bedauerns ſtiehlt ſich wohl in des Mädchens Augen. Iſt es doch immer wegen dieſer Flechten bewundert worden. Aber das iſt nun gleich. Vorwärts, nur nicht auf halbem Wege ſtehenbleiben. Ein Vaterland gilt es ja zu erkämpfen unter Einſatz des eigenen jungen Lebens! Und dieſer Kampf muß ſelbſt Gnade finden vor den ſtrengen Augen Sophie von Saßnitz'. Die Mädchenkleider und die Zöpfe packt Friederike ſorgſam zuſammen, legt ſie zu dem Abſchiedsbrieſchen an ihre Eltern. Und dann— Rock, Hoſe, feſte Schuhe. Die Tür knarrt ein wenig, als das Mädchen ſie öffnet, ſonſt aber iſt alles ſtill. Mutig wirft Friederike den Kopf in den Nacken. Sich nicht binden im Alltäglichen! Sich das Recht auf ein Vaterland ſelbſt erkämpfen! Für einen ſtillen Augenblick kniet die Einſame am Grab Annettes. Kalt fegt der Märzwind über deutſche Erde. Iſt in ihm ſchon Ruch erwachenden Morgens, der aufgehen will in der Kraft der jungen Sonne. Der Morgen aber bedeutet kraft, Sieg, Freiheit und— Vaterland. 15 14. 55 Tabaksrauch erfüllt den Raum der Gaſtwirtſchaft„Zum goldenen Zepter“ in Breslau. Aus und ein fluten die Menſchen, alles Männer, deren Augen leuchten von heiliger Begeiſterung, die Liebe für das Vaterland bedeutet. Und mitten zwiſchen ihnen, an einem rohgeſchnitzten, obigen Holztiſch eine wunderzarte Frauengeſtalt mit licht⸗ Hondem Haar und glühenden Blauaugen. Das iſt Eliſa von Lützow, des Freiſcharenführers junge Frau, die hier gagtäglich die Eintrittserklärung Freiwilliger entgegen- nimmt, die aus allen Gauen Deutſchlands zuſammen— ſtrömen. Und wieder und immer wieder klingt durch den niederen, ſchlichten Raum, in dem in dieſen Tagen heilige Begeiſterung Opferflamme leuchtend angezündet, das Lied des Mannes, den die Franzoſen mit ihrem Haß unabläſſig verfolgen, dem ſie ſelbſt in einem ſogenannten Frieden keine ruhige Stunde gegönnt, den ſie getrieben von einem Schlupfwinkel in den andern. Ernſt Moritz Arndts ſtarkes, opferwilliges Lied brauſt durch den Raum: Der Gott, der Eiſen wachſen ließ, Der wollte keine Knechte. Drum gab er Säbel, Schwert und Spieß Dem Mann in ſeine Rechte. Eliſa von Lützows helle Stimme durchdringt klang⸗ ſcharf den Raum, den Begeiſterte bis zum letzten Platz füllen. „Nur immer ruhig, meine Herren, Lützow kann alle gebrauchen, die ſich für die Freiheit des Vaterlandes opfern wollen. Jeder kommt zum Einſchreiben.“ Und dann ein Hoch, daß das Echo das Gebälk er⸗ ſchüttert. Kalk rieſelt leiſe von den Wänden. „Na, Bürſchchen, willſt dich auch eintragen?“ Eine ſtarke Fauſt legt ſich auf die Schulter des blauäugigen Jünglings. Dem ſchießt das rote Blut plötzlich jäh ins Heſicht. „Zur Majorin von Lützow möchte ich!“ „Da biſt du recht hier!“ Ein kräftiger Mannesarm ſchiebt den Schmalen, deſſen Heſicht noch kindlich weich und ohne den geringſten Flaum, durch die ſonſt undurchdringliche Mauer der Umher— ſtehenden. „Kinder ſelbſt begeiſtert unſere heilige Bewegung. Sie wird aus den Kindern Männer machen!“ Der herkuliſch gewachſene Rieſe, der dem Jüngling bei ſeinem Eintritt ſo kräftig auf die Schulter geſchlagen— iſt der Turnvater Jahn, den jeder Berliner von der Haſen⸗ heide kennt— ruft mit dröhnendem Baß: „Frau Major, hier noch einer, der ſich einſchreiben will!“ Und dann ſteht der Blauäugige vor der Frau, die es verſteht, Tag für Tag Männer von neuem zu begeiſtern für ein Vaterland, dem ſie ſelbſt nicht einmal geboren wurde. „Ihr Name?“ Eliſa von Lützows ſcharfe Augen ſchauen auf. Da blickt ſie in eine Welt der Hilfloſigkeit, in eine Seele, die ſich nicht ſelbſt zu helfen weiß. „Sie haben mir etwas anzuvertrauen?“ Der Knaben⸗ hafte nickt. Scheue Dankbarkeit ſtiehlt ſich in ſeine Blau⸗ augen. f Die Frau Major zieht den Jungen im menſchenleeren Nebenzimmer neben ſich auf eine Bank. Ihrem zarten Forſchen und der Begeiſterungsglut ihrer Augen gelingt, was dem Jungen vor wenigen Minuten noch undenkbar. Sein zarteſtes Geheimnis breitet er vor der Frau Major aus, daß er eigentlich ein Mädchen ſei, Friederike Friedmann heiße. Und dann ein heißes, innerliches Flehen:„Nehmen Sie mich doch! Niemand ſoll es merken! Ich bin unerſchrocken, mutig, an Strapazen durch viele Arbeit gewöhnt. Niemand wird ein Mädchen in mir ver⸗ muten. Es geht doch um das eine, das Große: das Vater⸗ land!“ Das gibt bei Eliſa von Lützow den Ausſchlag. „Haſt recht, kleines, tapferes Ding! Das Vaterland er⸗ ſordert in unſerer eiſernen Zeit Außergewöhnliches. Auch von uns Frauen!“ Ein faſt neidiſcher Blick ſtreift die herbe Geſtalt Friede⸗ rikes.„Sie haben es gut!“ Eliſa von Lützow ſtreichelt über das geſenkte Blondhaupt.„Sie dürfen mitkämpfen, dürfen Ihr Leben einſetzen für die Freiheit des Vaterlandes. Faſt könnte ich Sie beneiden!“ Und dann küßt die Frau, deren zarten Körper faſt die heilige Begeiſterung für das Vaterland des Gatten ver⸗ zehrt, wie im Gebet Friederikes weiße Stirn.„Ich weiß, daß weder Vater noch Mutter dich ſegnend küßten, als du von daheim fortgingſt. So ſei mein Kuß dir denn Segen, kleine, tapfere Friederike. Er möge dich behüten, dich be⸗ gleiten in das blutige Männerringen um die deutſche Frei⸗ heit, um das deutſche Vaterland!“ Da ſinkt Friederike in die Knie und liegt in ſtummer Andacht vor der, die ihr den Weg zum Recht auf das Vater⸗ land ſo leicht gemacht.„Ich danke Ihnen unausſprechlich, Frau Major!“ Eliſa von Lützow zieht den neu eingeſchriebenen jungen Freiſchärler mit ſich in den Raum, auf deſſen Bänken dicht gedrängt die Kameraden ſitzen. f „Der jüngſte Lützower: Max Weber. Ich empfehle ihn eurer beſonderen Fürſorge an!“ Eliſa von Lützows wunderſchöne Blauaugen wecken bei den Männern helle Begeiſterung. Fäuſte greifen nach Friederike, ziehen ſie weg über die Tiſche, bis ſie neben dem alten Turnvater Jahn ſitzt. Und dann eine einzige Welle vaterländiſcher Begeiſterung. „Das Volk ſteht auf, der Sturm bricht los, Wer hält noch die Hände feige im Schoß? Pfui über dich Buben hinter dem Ofen, Unter den Schranzen und unter den Zofen! Biſt doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht! Ein deutſches Mädchen küßt dich nicht, Ein deutſches Lied erfreut dich nicht Und deutſcher Wein erquickt dich nicht! Stoßt mit an Mann für Mann, Wer den Flammberg ſchwingen kann!“ Und das Brauſen geht über deutſches Land, weckt Echo, überall Widerhall. Es läßt der Bauer den Pflug, der Dichter die Feder, der Handelsherr ſeine Rechnungen, der Schiffer ſeine Schiffe. Sie alle treibt nur eins: Freiheit des jahrzehntelang geknechteten Vaterlandes. Und ſie alle ſchwingen den Flammberg, den ſegengeweihten. 24.** Die kleine helle Kirche zu Rogau iſt ganz durchdrungen vom Sang der Orgel, die heute beſonders feierlich ſpielt. Drunten im Kirchenſchiff aber ſtehen ſie alle, Kopf an Kopf: Lützows ſchwarze Jäger, die ihren Auszug ſegnen laſſen wollen. Ernſt klingt Theodor Körners eigens für dieſen Tag gedichtetes:„Wir treten hier im Gotteshaus mit frommem Mut zuſammen!“ Jubelnd ſchwillt es an: „Gott weckt uns jetzt mit Siegerluſt Für die gerechte Sache. Er rief es ſelbſt in unſre Bruſt: Auf, deutſches Volk, erwache!“ Und dann der Spruch des frommen Paſtors Peters. Für die Heiligkeit des Vaterlandes mit Gott! Durch den ſchlanken Jüngling in der erſten Reihe geht ein Zittern. Vaterland! Erkämpfen werde ich es, Frau Sophie von Saßnitz, erkämpfen, wie deine Väter es taten, daß ich nimmer mehr wegſchauen muß vor deinen ſtrengen Augen. ö Segnende Hand ſchwebt über der kleinen ſchwarzen Schar und ihrem verwegenen Führer. Tief, ganz tief neigt Friederike den blonden Kopf. Herr, gib Segen, gib mir Kraft, mein Ziel zu erreichen! Da— ſchon ſteht die kräftige Geſtalt Lützows vor ſeiner Freiſchar, nimmt ihr den Treuſchwur ab. Und wie ein einziges, blutdurchpulſtes Wort durchbrauſt es die Kirche, drin in den Bänken manch greiſes Elternpaar, manch blühende Braut und Schweſter naſſen Auges kniet, das kraftvolle:„Ich ſchwöre!“ Und endlich dann das trutzige, felſenerſchütternde:„Ein feſte Burg iſt unſer Gott!“ Die Töne der Orgel wollen faſt berſten vor Kraft und begeiſtertem Ungeſtüm. Marſchmäßig, Schritt für Schritt, gehen die Lützower dem Ausgang zu, alles eiſerne, entſchloſſene Geſichter, die von dem Schwarz der Uniform ſeltſam ſcharf unterſtrichen werden. „Nehmen ſie den Leib, Gut, Ehr', Kind und Weib— Das Reich muß uns doch bleiben!“ 21. 5* „Einen neuen Vorgeſetzten bekommt unſere Abteilung. Schon zum Rittmeiſter iſt er befördert, der Leutnant von Saßnitz.“ „Wer 2“ Friederite richtet ſich aus ihrer lieg den Stellung am Lagerfeuer auf.. „Nun, Weber, was machſt du denn für ein Geſicht?“ Kameradſchaftlich klopft Heinrich Weiſer, einſt ein flotter Student zu Halle, dem Freund auf die Schulter.„Haſt denn noch nicht von dem Leutnant Helmut von Saßnitz gehört. Ein Teufelskerl und ein toller Draufgänger. Viel hält der Major auf ihn.“. Vor Friederikes Augen beginnt ſich alles zu drehen. Helmut, Helmut von Saßnitz! Wenn er ſie erkennt! Nach Hauſe wird er ſie ſchicken. Ganz beſtimmt. Nun gilt's doppelten Mut, eiſerne Entſchloſſenheit und beſondere Nervenanſpannung, daß ſie nur ja nicht aus der Rolle fällt. „Aufgeſeſſen!“ Scharfe Stimme klingt durch das Däm⸗ mern des Abends.„Herr Rittmeiſter von Saßnitz!“ a Helmut von Saßnitz' Blick überfliegt die Kameraden, die ſo ſtramm vor ihm zu Pferd ſitzen. „Mit denen werde ich etwas anfangen können, Herr Major!“ Er wendet ſich an den hinter ihm reitenden Lützow.„Nur der letzte Mann...“ Seine Hand weiſt gegen Friederike, die abſonderlich ſchlank und ſchmal zwiſchen den anderen ausſchaut. „Auf den können Sie ſich verlaſſen, Saßnitz.“ Lützow winkt dem Rittmeiſter.„Uebrigens im Vertrauen: meine Frau hat den Jungen mir beſonders ans Herz gelegt. Sie hält etwas von ihm. Und Eliſa verſteht ſich auf ſolche Dinge!“ Helmut von Saßnitz iſt es zufrieden, wendet den prüfenden Blick von Friederike, die meint, ihr Herz müſſe zerſpringen vor dieſen blauen, energiſchen Augen, die Tollkühnheit und Unerſchrockenheit ſprühen. „In fünf Stunden“— Helmut von Saßnitz rechnet— „brauche ich ein paar Mann, die mit mir einen Erkun⸗ dungsritt reiten. Freiwillige vor!“ Friederike kämpft mit ſich. Sie braucht nicht vor⸗ zutreten, ſie weiß es; niemand wird es ihr als Feigheit auslegen. So lieb haben die anderen ja den kleinen blonden Kameraden, der ſo geſchickte Finger hat, immer ſo hilfsbereit iſt. Dann aber überkommt das Mädchen jähe Angſt um den Geliebten, der ſie nicht erkannt hat. Wenn ihm etwas zuſtößt— nicht gefahrlos iſt ſolch Erkundungs⸗ ritt, ſie weiß es ganz genau—, helfen kann ſie ihm dann vielleicht, zum mindeſten ihm nahe ſein. „Noch einen brauche ich!“ Helmut von Saßnitz' klang⸗ volle Männerſtimme ſchallt friſch und klar durch den kleinen Wald, in dem die Lützower lagern. Da tritt Friederike vor.„Sie?“ Nicht ſehr erfreut muſtert der Rittmeiſter die junge Geſtalt.„Es iſt ganz freiwillig.“ „Ich melde mich auch freiwillig!“ Friederike hält dem ſcharfen Blick ſtand. „Gut alſo, in fünf Stunden...“ Dämmernd ſinkt der Abend auf das Land. Irgendwo aus der Ferne kommt der Duft von eben erblühten Roſen, ſeltſam ſüß und ſchwer. Träumend ſtarrt Friederike in die züngelnden Flam⸗ men des Wachtfeuers. So, genau ſo blühten im vorigen Jahr die Roſen, als Annette Gaſton de Guillié kennen⸗ lernte. Eine Welt liegt zwiſchen jenem Tag und heute. Die Roſen im Garten von Saßnitz—— Bilder ſieht die Junge an ſich vorüberziehen, Bilder voll Süße und inniger Liebe. Helmut! Weicher Wind trägt Blätterſäuſeln vom Wäldchen herüber. Traum! Friederike iſt hintenüber ins raunende Gras geſunken, müde, ſelig müde. Traum! „Weber!“ Heinrich Weiſer rüttelt den Kameraden an der Schulter.„Es wird Zeit, daß du wach wirſt!“ Langſam ſchlägt Friederike die großen Blauaugen auf. „Wird Zeit?“ Der Freund lacht.„Weber, wärſt du nicht ſonſt ſolch ein feiner Kerl, wirklich, ich möchte ſagen: zum Soldaten taugſt du nicht.“ Da hat das Mädchen ſich ſchon wieder völlig in der Gewalt.„War nur ſo ein wenig eingenickt!“ entſchuldigt ſie ſich, ſchaut dann um ſich, ob die anderen Freiwilligen ſich auch ſchon rüſten. Noch aber liegt Ruhe über der kleinen ſchwarzen Schar. Ueberall flackern die Wachtfeuer, Flämmchen züngeln durch die warme Frühſommernacht, und in ihrem Schein ver⸗ wegene dunkle Geſtalten, halb as liegend, in den Geſichtern Todesmut und letzte oſſenheit. Bis einer am mittelſten Feuer ſich aus ſeiner halb liegenden Stellung erhebt. „Körner!“ Ein hörbar Atmen geht durch die Reihen. „Ein neues Lied wird er uns ſchenken!“ Heilige Weiheſtunde ſchwebt über der kleinen Schar. Wie im Gebet hat Friederike die Hände über den Knien gefaltet. Theodor Körners dunkle Feueraugen ſuchen Widerhall im Kreiſe der Gefährten, finden gleichgeſtimmte Begeiſte⸗ rung. Durch das Haar fährt ſeine feſte und doch ſo weiche Hand, die geſegnete Hand von Leier und Schwert. Und dann durch das Halbdunkel der Frühſommernacht, erſt geheimnisvoll, dann immer ſtärker anklingend, mit der Inbrunſt reiner Jugend das Lied der ſchwarzen, ver⸗ wegenen Schar, die der Feind ob ihrer Tollkühnheit mehr fürchtet als manche weit größere Streitmacht. „Was glänzt dort vom Walde im Sonnenſchein? Hör's näher und näher brauſen Es zieht ſich herunter in düſteren Reih'n, Und gellende Hörner ſchallen darein, Erfüllen die Seele mit Grauſen. Und wenn ihr die e Geſellen fragt: Das iſt Lützows wilde, verwegene Jagd. „Brauſend fallen die Kameraden ein. Und der Wald trägt es fort mit jubelnder Stimme, hin über das Land. Und überall, wo deutſche Herzen ſchlagen, klingt's hoff⸗ nungsgläubig, begeiſtert:„Das iſt Lützows wilde, ver⸗ wegene Jagd!“ 3 Fortſetzung folgt.) Bürgermeiſter Bechtel am Rundfunk. Das Dreigeſpräch, welches am Dienstag Abend am Frankfurter Sender gehalten wurde, bewegte ſich in folgendem Rahmen: Herr Dr. L. Neundörfer beginnt mit dem Hinweis, daß bei dem früheren Kloſter Lorſch ein großer Wald liegt. ö Herr Bürgermeiſter Bechtel erwiderte, daß zu dieſem Forſt der große ſtaatliche Viernheimer Wald gehöre, der heute noch ein Gebiet von 3000 Hektar umfaßt. Eine der erſten geſchicht⸗ lichen Ueberlieferungen erhielten wir aus dem Jahre 902, als der königliche Lehensträger Re⸗ ginbodo das ihm von Kaiſer Arnulf geſchenkte Viernheim mit Leibeigenen und Waldungen an das Kloſter Lorſch verkaufte. Dr. Neundörfer berichtete, daß ſtändig Streit um den Beſitz und um die Nutznießung des Waldes geführt wurde. In dieſem Streit zwiſchen den Grund- und Landesherren und den Gemeinden hatten erſtere im Laufe der Jahre die Herrſchaft über die Waldungen an ſich geriſſen. So hat noch im Jahre 1561 Kurfürſt Friedrich der Dritte die Gemeinde um Holzlieferung angegangen, was ihm auch gewährt wurde. Jedoch wurde aus⸗ drücklich betont, daß keine Verpflichtung dazu beſtehe. — Kaum mehr als 100 Jahre ſpäter, im Jahre 1668, mußte dann die Gemeinde, wie aus einem Schriftſtück des Erzbiſchofs Johann Philipp, Kur⸗ fürſt von Mainz, hervorgeht, anerkennen, daß die Waldungen das undisputierliche Eigentum des Erzbiſchofs ſeien. Hieraus geht zur Genüge hervor, welcher Umſchwung in der Zeit vom Jahre 1561 bis 1668 hinſichtlich der Rechte über den Beſitz des Waldes eingetreten war. Bezeichnend iſt ein Sprichwort aus jener Zeit, das beſagt:„Wenn das Holz geht dem Reiter an die Sporen, ſo hat der Untertan ſein Recht verloren. Oberfinanzrat Dr. Kratz bemerkte, daß ſich im Laufe der Jahrhunderte immer mehr und mehr die Einwirkung des Römiſchen Rechts be⸗ merkbar machte. Dr. Neundörfer ging auf die Vorteile der einzelnen Verträge von 1717—1786 ein. Dr. Kratz erwiderte ihm, daß die damali⸗ gen Beſchlüſſe keine Bau⸗ Subventionen ſeien, denn den Kurfürſten hätten ſicherlich keine be⸗ völkerungspolitiſchen Abſichten geleitet, ſondern er hatte nur Intereſſe daran, ſeinen Wildbann zu wahren. Dr. Neundörfer meinte hierzu, daß der Kurfürſt dann unbewußt etwas getan habe, was heute für einzelne Gemeinden von großer be⸗ völkerungspolitiſcher Bedeutung iſt. In ſeinen weiteren Ausführungen brachte er dann den be— rühmten Abſchnitt Zehntens des Waldrezeßver⸗ trags von 1786 zum Verles, der beſagt: „Die Kurfl. Hofkammer verbindet ſich zu der unentgeldlichen Abgabe des nötigen Tannen⸗ und Eichen⸗ Bau Holzes dergeſtalten, daß ſolches mit Inbegriff der Grippen, Leiterbäumen, Tabaksſtangen und Stichholzes, nach vorge⸗ gangener Beſichtigung eines, insbeſondere hier- zu zu beeydigenden Zimmermanns und des Kurfl. Revier Jägers, auch nach beigebrachtem gerichtlichen Atteſt, daß der Baubedürftige in jenem Jahr zu bauen imſtande ſey, auf forſt⸗ mäßige Anweiſung und gegen die bisher üb- liche Forſtgebühr verabreicht werde: Und ſind zu den äußeren Wänden Eichen⸗ und zu den übrigen Erforderniſſen Tannenſtämme abzu- geben. Weſſen des die Gemeinde ſich um die Anweis⸗ und Fällung in der feſtgeſetzten Friſt bei der Kurfl. Hofkammer Supplicando melden und das angewieſene Holz zur rechten Zeit aus dem Wald verſchaffen muß, wobei beſon⸗ ders ausbedungen wird, daß jenes Bauholz, ſo über ein Jahr in den Waldungen erliegen bleibt, gnädigſter Herrſchaft zur anderweiten Benutzung verfallen ſey. Jenes Gemeins⸗ Glied aber, ſo einiges Bauholz ans dem Orte verkauft, zu Bezahlung des doppelten Werthes angehalten und derjenige, ſo das erhaltene Bauholz, ohne erweisliche hinreichende Ver⸗ zögerungs⸗Urſache nicht in dem nämlichen Jahre verbaut, zur Erlegung einer Herrſchaftlichen Strafe von 20 Reichsthalern verbunden ſeyn ſolle.“ Bürgermeiſter Bechtel wies auf die günſtige Ausgeſtaltung dieſes Vertrages im Sinne der Bautätigkeit hin. In dieſer Zeit iſt auch die Galoppſtraße(ſo genannt wegen der ſchnellen Bautätigkeit) erſtanden.(An den alten Häuſern dieſer Straße ſieht man noch die Verwendung des Holzes.) Aber trotz allem ruhte der Streit nicht. Es wurden verſchiedene Prozeſſe der Gemeinde gegen den Staat angeſtrengt. Um den Schwie⸗ rigkeiten aus dem Wege zu gehen, hat ſich der Staat entſchloſſen, die Naturalleiſtungen in eine Geldrente umzuwandeln. Die Gemeinde und auch die Ortsbürger haben dieſe Ablöſung durch eine jährliche Geldrente freudig begrüßt, denn der Bauholzberechtigung ſtand eine der Entwick- lung der Induſtrie entſprechend ſachgemäße Ver- wertung der Holzerträge entgegen, außerdem hin⸗ dert ſie die Einführung der ſoliden Bauart. Dr. Neundörfer: Wie kam aber nun die Geldrente zuſtande? Bürgermeiſter: Bei der Ausarbeitung der Verträge wurde vereinbart, daß bei der Feſt⸗ ſetzung der Beträge die im Durchſchnitt der Jahre 1864 bis 1875 geleiſteten Abgaben zu⸗ grunde gelegt werden. In dem zuſtande gekommenen Vertrag von 1878 wurde ein jährlicher Betrag von 41605 Mark feſtgeſetzt und zugleich anerkannt, daß dieſe Geldrente als wirkliche Reallaſt auf dem Viernheimer Wald laſtet. Hinſichtlich der Größe Viernheims iſt zu erwähnen, daß im Jahre 1786 Viernheim 333 Ortsbürger zählte 1875 aber ſchon 1100 be— trug. Bei der letzten Volkszählung wurden von 11968 Einwohner 3065 Ortsbürger ge— zählt. Im Jahre 1923 wurde nach dem dritten Steuer⸗Notverordnungsgeſetz der Rezeß mit 15 Prozent aufgewertet, dann nach§ 31 des Auf- wertungsgeſetzes mit 25 Prozent. Bürgermeiſter Bechtel betonte noch, daß die Gemeinde Rechtsträger der Ortsbürgerrechte ſei und demgemäß noch eine perſönliche Forder- ung an den Staat geltend mache. Wenn auch in dem Vertrag von 1878 erwähnt wurde, daß die Rente als wirkliche Reallaſt auf dem Wald laſtet, ſo kann daraus doch nicht abgeleitet wer— den, daß die Aufwertung nach dem erwähnten § des Auſwertungsgeſetzes erfolgen ſoll. Letzten Endes wurde die Anerkenntnis nicht von der Gemeinde, ſondern nur ihr gegenüber erklärt. Die bisherige Regelung mag mit Rückſicht auf die geſpannte Finanzlage entſchuldigt werden. Dann muß aber auch der Staat das Geld an die Gemeinde zur Auszahlung an die Ortsbür— ger abführen. Es kann meines Erachtens der Gemeinde nicht verwehrt werden, bei Einkehr ruhiger Zeiten eine Erhöhung der Geldrente zu erſtreben. Dr. Neundörfer machte den Vorſchlag gel⸗ tend, daß die Gemeinden im Vorraum der Großſtädte Zuſchüſſe erhalten ſollen, um den 2 und 3. Sohn von der Stadt fernzuhalten. Oberfinanzrat Dr. Kratz machte darauf aufmerkſam, daß dies eine Belaſtung des Staa⸗ tes von jährlich 2 Millionen bedeuten würde, und daß dem nicht näher getreten werden könne, ſolange die Wohlfahrtslaſten in dieſer Höhe ſind. Bürgermeiſter Bechtel konnte ſich der An⸗ ſicht von Dr. Neundörfer nicht verſchließen und betonte, daß die wirtſchaftlichen Vorteile gewahrt bleiben müſſen, daß bei dieſem Vorſchlag die Gemeinden ihre Baugelder wieder erhalten würden, wenn auch in neuer zeitgemäßer Form. Zum Schluß wies Dr. Neundörfer darauf hin, daß ſo der alte Streit um den Wald aus der Welt geſchafft werden könne und daß der Rund⸗ funk ſeinen Teil dazu beiträgt. Letzte Nachrichten Abrüſtungsbeſprechungen Diplomatiſcher Meinungsauskauſch zwiſchen England, Frankreich und Italien. Paris, 14. Sept. Wie berichtet wird, findet gegenwärtig ein diplomatiſcher Meinungsaustauſch zwiſchen England, Frankreich und Italien über ſämt⸗ liche ſchwebenden Fragen des Völkerbundes und vor allem der Abrüſtungskonferenz ſtatt, über die der Unterſtaatsſekretär im Foreign Office, Eden, am 18. September mit Mini⸗ ſterpräſident Daladier und Außenminiſter Paul⸗Boncour verhandeln werde. Eden wer— de nach der Pariſer Ausſprache nach Rom reiſen, ehe er an den Genfer Beratungen keil— nehmen wird. Der amerikaniſche Delegierte Norman Davis werde erſt 24 Stunden nach der Ankunft Edens in Paris erwartet. Keine Konkurrenz durch Arbeitsdienſt. Berlin, 14. Sept. Die Reichsleitung des Arbeitsdienſtes macht darauf aufmerkſam, daß die in einigen Kreiſen immer noch beſte⸗ hende Befürchtung gegenſtandslos ſei, als ob der Arbeitsdienſt der freien Wirtſchaft ir⸗ gendwelche Arbeiten fortnehme. Der Arbeits— dienſt verrichte vielmehr nur zuſätzliche Ar⸗ beiten, die in der freien Wirtſchaft ſonſt nicht durchgeführt werden könnten. Um dieſen Grundſatz in jedem Falle durchzuſetzen, habe die Reichsleitung noch beſondere Anordnun— gen getroffen. Danach werden in Zukunft nur ſolche Arbeiten durch die Gewährung von ſtaatlichen Zuſchüſſen anerkannt werden, bei denen der Träger der Arbeit eine Ge— meinde, ein Gemeindeverband oder eine ſonſtige öffentlich-rechtliche Körperſchaft iſt. S A- Gruppenführer ins berufen. Berlin, 14. Sept. Der preußiſche Kultus⸗ miniſter Ruſt hat an die Spitze der Schulab— teilung des Kultusminiſterums den Studien— rat Guſtav Zunkel aus Weimar berufen, der als Gruppenführer dem Stab des Oberſten SA⸗Führers zugeteilt und vom Stabschef Röhm zu dieſem Zweck beurlaubt worden iſt. Zunkel ſtand ſeit 1929 an der Spitze der SA in Thüringen. Im Jahre 1932 wurde er zum Gruppenführer, im Frühjahr 1933 vom thüringiſchen Reichsſtatthalter Sauckel als Vertreter der SA zum thüringiſchen Staats— rat ernannt. Spenden zur Winterhilfe Ueber 2 Millionen Mark am erſten Tage. Berlin, 14. Sept. Das Reichsminiſterium für Volksaufklö— rung und Propaganda meldet: Die Kundge— bung zur Eröffnung des Winterkampfes ge— gen Hunger und Kälte hat ein unerwartetes Ergebnis gezeitigt.. Es ſind bereits am erſten Tage über zwei Millionen für das große ſoziale Hilfswerk der Reichsregierung geſpendet worden. Mehrere große Unternehmungen, die mit ih⸗ ren Schweſtergeſellſchaften zuſammen ge⸗ nannt werden ſollen, haben gleichfalls größe re Summen angezeigt. Kultus miniſterium Der Rieſenbrand in Oeſchelbronn. Unſer Bild zeigt rau⸗ chende Haustrümmer nach zwölfſtündiger Be⸗ kämpfung des Rieſen⸗ feuers, dem über 300 Gebäude zum Opfer fielen. Weinheimer Obſtmarkt. Weinheim, 13. Sept. Es koſteten: Pfirſi⸗ che 8 bis 21, Bohnen 13 bis 18, Tomaten 3 bis 4, Waldbrombeeren 23, Aepfel 6 bis 12, Birnen 4 bis 17, Zwetſchgen 6,8 bis 8,4 fennig. Angefahren waren 300 Zentner, bſatz befriedigend. Aus der Pfalz Ludwigshafen, 14. Sept.(Zuchthaus für Fahrraddiebſtahl.) Der ſchon häufig, u. a. mit viereinhalb Jahren Zucht⸗ haus, vorbeſtrafte Schiffer Eugen Bär aus Ludwigshafen war Anfang Juli aus dem hieſigen Amtsgerichtsgefängnis ausgebro⸗ chen. Einige Tage darauf, am 6. Juli, ſtahl er in Frieſenheim ein Fahrrad im Werte von 80 Mark, das er am folgenden Tag verkau⸗ ſen wollte. Der Strompolizei gelang es mit Hilfe der Mannheimer Polizei, ihn einzu⸗ kreiſen und feſtzunehmen. Bär beſtritt den Diebſtahl, behauptete vielmehr, das Fahrrad in Mutterſtadt gekauft zu haben. Diesmal erhielt er vom Amtsgericht Ludwigshafen wegen Diebſtahls im wiederholten Rückfalle 1 Jahr 3 Monate Zuchthaus. Aus der Heimat Gedenktage 14. September. 1760 Der Komponiſt Luigi Cherubini in Florenz geboren. 1769 Der Naturforſcher Alexander v. Hum— boldt in Berlin geboren. 5 1817 Der Dichter Theodor Storm in Huſum geboren. 1852 Der engliſche Feldherr Sir Arthur Wellesley, Herzog von Wellington, Fürſt von Waterloo, auf Walmer Caſt⸗ le geſtorben. Sonnenaufg. 5,31 Sonnenunterg. 18,19 Mondunterg. 16,30 Mondaufg. 23,56 Prot. und kath.: Kreuzes-Erhöhung. * Volk und Knecht und Ueberwinder, Sie geſtehn zu jeder Zeit, Höchſtes Glück der Erdenkinder, Sei nur die Perſönlichkeit. Joh. W. v. Goethe (W. O. Diwan) * Wenn der Drachen ſteigt. Der Wind fegt über die Stoppeln. Da er⸗ wacht in der Bruſt eines jeden echten deut⸗ ſchen Jungen die Luſt zum Drachenſteigen⸗ laſſen. Hurtig wird der papierene Freund aus dem Vorjahre von der Rumpelkammer geholt, ſchadhafte Stellen ausgebeſſert, und dann geht es mit einer dicken Rolle Bindfa⸗ den in der Hand hinaus aufs Stoppelfeld. Meiſt freilich muß der Vater oder der gute Onkel ſeine Zeit opfern und einen neuen Drachen bauen, weil der alte gar zu mitge⸗ nommen iſt oder es eben einmal wieder ein neuer ſein muß. Und weiß Gott, wie es kommt. Dem Vater oder dem Onkel wird ſo ganz eigen bei der Arbeit. Er denkt an die Jahre zurück, als er ſelbſt noch ein Bub in kurzen Hoſen und mit knollroten Backen den Drachen ſteigen ließ. Und ganz eifrig wird er dann bei der Arbeit. Er vergißt, daß er heute doch gar kein Bub mehr iſt, ſondern ein Mann in reifen Jahren, ein Mann von Amt und Würden vielleicht. Und dann nimmt er den Jungen bei der Hand und geht mit ihm aufs Feld, um den Drachen ſteigen zu laſſen. Und er ſchaut zu ihm auf, wie er ſich im Septemberwind miegt, und freut ſich heute wie damals darüber, Und der Junge neben ihm freut ſich und fragt ihn vielleicht, ob er früher auch habe den Drachen ſteigen laſſen. O ja, ſagt der Vater. Das habe er ſchon Und er lächelt dabei. Ein ganz ſeli⸗ ges Lächeln iſt das. Goldene Er ennerung ſpricht aus dem Lächeln, und es ſchlägt ſeine Brücken über Jahrzehnle wie eige Nacht über zwei Tage, wenn der Drachen ſteigt über Stoppelfelder und der Herbſt das Laub an den Bäumen zu färben beginat. ** Im Dreſcherkakt. Früher, als der Bauer die Frucht und Hafer noch mit dem Flegel droſch und das Geſinde die Dreſchmühle oder Dreſchmaſchine noch nicht kannte, da ging es allein, zu fünfen, ja zu ſechſen im Dreſchertakt. Allein unterließ man das Flegeln freilich am liebſten; denn allein gedroſchen, iſt wie allein getanzt. Zu zweien aber da gab es ſchon einen ganz brauchbaren Dreſchertakt, „Strumpfſock“ hieß ihn der Schwabe.— In Dreitakt klang es den Ahnen wie„friß Roßdreck“.— Der Viertakt war ſchon appetit⸗ licher und hieß:„Suppen ſchlappen“.— Der Fünftakt wurde„Schultes, du Zipfel“ benannt.— Vom Sechstakt lautete das Tü⸗ binger Sprüchlein:„D' Katz hat d' Suppen g'ſchlappert“.— Auch heute noch hört man in Landorten bisweilen troſt techniſchem Fort⸗ ſchritt alten Dreſchertakt. Wer mit Muſe zu⸗ hört, hört das eine oder andere Merkſätzlein heraus. Natör/, 5 eh hren de Har doreh N Nr 7 gfelogz. erhöſt dos Hodf ge fund 4