Amtlicher Teil utlicher Teil. Bekanntmachung. Betr.: Fleiſchverſorgung. Für die laufende Woche ſtehen jeder verſorgungsbe⸗ rechtigten Perſon über 6 Jahre 250 Gramm und jeder Perſon unter 6 Jahren 125 Gramm Fleiſch zur Verfügung. Die Zuſatzmarken haben ihre volle Gültigkeit. Die Ausgabe erfolgt in der üblichen Weiſe. Viernheim, den 19. Juli 1917. Großh. Bürgermeiſterei Viernheim Lamberth. Bekanntmachung. Betr.: Einmachzucker. Nachdem in den letzten Tagen viele unberechtigte Per⸗ ſonen wegen Zuweiſung von Zucker zu Einkochzwecken bei uns vorſtellig geworden ſind, welche zweifellos von bekannten Maulhelden, die ſchon längere Zeit, namentlich bei der Hin⸗ und Rückfahrt nach Mannheim ihr Unweſen gegen uns treiben, falſch belehrt und aufgeſtichelt wurden, ſehen wir uns veranlaßt auf Nachſtehendes hinzuweiſen: Bei der Zuweiſung des Einkochzuckers wurde die Ein⸗ wohnerzahl der letzten Volkszählung zu Grunde gelegt, die mehrere hundert Perſonen weniger als die Zahl der in den Kundenliſten der Händler Eingetragenen aufweiſt. Die Folge hiervon war, daß uns nahezu 11 Ztr. Zucker weniger zugewieſen wurden als in Wirklichkeit nach der Einwohner zahl notwendig waren. Eine Nachlieferung konnte nicht erfolgen und ſo mußte im Einvernehmen mit der zuſtändigen Behörde die urſprünglich feſtgeſetzte Zuckermenge von 4 Pfund pro Kopf gekürzt werden, damit allen Einwohnern Zucker gegeben werden konnte. Der von dieſer Kürzung ſich noch ergebende Ueberſchuß dient einerſeits zum Ausgleich für den uns ſtets zu wenig gelieferten Monatszucker, andererſeits wird er für den ſich von Tag zu Tag immer ſtärkeren Zu— gang und für Kranke verwendet. Ein kleines uns zur Verfügung ſtehendes Quantum hat an einzelne jedes Jahr mit Zucker bedachten Obſtbaum— beſitzer, die dutzende von Einmachgläſern aufzuweiſen ver— mochten, unter Zugrundlegung des früheren Verteilungplans Verwendung gefunden. Dieſe Maßnahme deckt ſich voll und ganz mit den Richtlinien des Kriegsernährungsamtes. Aus der Tatſache, daß hunderte hieſiger Familien ihren für dieſen Zweck zugewieſenen Zucker nach aus wärts verkauft, oder denſelben gegen andere Nahrungsmittel um⸗ getauſcht haben(hauptſächlich in Heddesheim und den um⸗ liegenden Hofgütern) geht zur Genüge hervor, daß dieſe Familien nicht die Gewähr dafür bieten, daß der Zucker dem Zweck zugeführt wird, dem er dienen ſoll. Daß dieſes Vor⸗ gehen ſich als ein Unfug erſter Ordnung darſtellt, wird jeder anſtändig u. ehrlich denkende Menſcho hne weiteres zugeben. Das dicke Ende aus dieſer Handlungsweiſe kommt hinten nach, inſofern, als die in Frage kommenden Perſonen über keinen Brotaufſtrich verfügen und dann wieder den Bürger— meiſter wegen Herausgabe von„Schmierſel“ plagen. Wir verbieten uns daher für die Folge eine frivole und unberechtigte Kritik einer behördlichen Anordnung, die ſich durchaus im geſetzmäßigen Rahmen bewegt und werden gegen alle uns bekannt werdenden Perſonen, die ſich in dieſer Rolle gefallen, unnachſichtlich behördliches Einſchreiten veranlaſſen. Wir bemerken daher nochmals zu allem Ueber— fluß, daß nach alledem Niemand Anſpruch auf 4 Pfund Zucker pro Kopf erheben kann. Viernheim, den 18. Juli 1917. Großh. Bürgermeiſterei Viernheim Lamberth. Bekanntmachung. Beſchlagnahme der Gerſte aus der Ernte 1917. Wir weiſen darauf hin, daß gemäߧel der Reichs— getreldeordnung für die Ernte 1917 vom 21. v. M.(Reichs⸗ Geſetzbl. S. 507 ff.) die Gerſte neuer Ernte reſtlos für den Betr.: Kommunalverband beſchlagnahmt iſt, in deſſen Bezirk ſie gewachſen iſt. i Landwirte der Frühdruſchgebiete, die Gerſte erntern, ſind daher verpflichtet, den geſamten Ernteertrag mit alleiniger Ausnahme des Saatgutes abzuliefern. Heppenheim, den 6. Juli 1917. 5 N Großherzogliches Kreisamt Heppenheim v. Hahn. Obige Bekanntmachung bringen wir zur allgemeinen Kenntnis und empfehlen genaue Beachtung. Viernheim, den 17. Juli 1917. Großh. Bürgermeiſterei Viernheim Lamberth. Verordnung Betr.: Vorbeugende Maßregeln gegen Verwahrloſung der Jugend. Gouverneur der Feſtung Mainz wird Ziſſer 4 der Verordnung des ſtellvertr. Generalkommandos vom 2. Februar 1916(IIb Nr. 2098/90) mit Rückſicht auf die Einfüh⸗ rung der Sommerzeit dahin abgeändert, daß Jugendlichen der Auf⸗ enthalt auf den Straßen und öffentlichen Plätzen in der Zeit bis J, Im Einvernehmen mit dem Oktober bis 10 Uhr abends geſtattet wird. Frankfurt a. M., den 8. Juli 1917. Stellvertretendes Generalkommando 18. Armeekorps. Der ſtellv. Kommandierende General: Riedel, Generalleutnant. Obige Bekanntmachung bringen wir hiermit zur öffentlichen Kenntnis und weiſen nachdrücklichſt auf die empfindlichen Strafen, die im Nichtbeachtungsfalle dieſer Anordnungen heraufbeſchworen werden, hin. Unſer Polizelperſonal iſt entſprechend bedeutet, Viernheim, den 16. Juli 1917, Großh. Bürgermeiſterei Viernheim Lamberth. * preiſe feſtgeſetzt: 0 Bekanntmachung. Betr.: Butterverſorgung. Samstag, den 21. ds. Mts. wird in nachſtehen⸗ der Reihenfolge und nur an die angeführten Nummern Butter abgegeben. Vormit. von 00 705 8 Uhr die Nummern 9. 5 1 201 7 10% 401„ 600 11 601„ 800 60 17% 801„1000 Nachm.„ 1, 1001„1200 Viernheim, den 19. Juli 1917. Großh. Bürgermeiſterei Viernheim. Lamberth. Bekauntmachung. Höchſtpreiſe für Gurken.. 8 Die Preiskommiſſion hat für Einmachgurken folgende Höchſt⸗ 400 77 Betr.: Kleinhandels⸗ höchſtpreis Mk. 3.30 Großhandels— höchſtpreis Mk. 2.70 Erzeuger— höchſtpreis Unter 10 em Mk. 2.50 per 100 Stück Ueber 10 em ö 10 per 100 Stück Mk. 3.50 Mk. 3.75 5 Mk. 4.50 1 Salatgurken fallen nicht unter die Höchſtpreiſe. Die Preiſe verſtehen ſich nur für marktfähige Ware erſter Güte. Zuwiderhand⸗ lungen gegen dieſe Höchſtpreiſe werden nach den Beſtimmungen des Geſetzes, betr. Höchſtpreiſe vom 4. Auguſt 1914, beſtraft. Der Vorſitzende der Preiskommiſſion für das Großherzogtum Heſſen. gez.: Dr. Schreiber. Strohſeile Reiſig⸗Beſen hat zu verkaufen. à Stück 55 Pfennig bei Michael Belz, Ludwigſtraße F. Fun Reiſe Ernſt Ludwig Str. Nr. 17 Milch⸗Schweine Strohſeile hat zu verkaufen D. Mr. Konrad Brechtel, 0 ee Waſſerſtraße 33. Bäckerei, Bürſtädterſtraße. Eutlaufen Im ein rebhuhnfarbiges Huhn. Fruchtahmachen Um gefl. Rückgabe bittet empfiehlt ſich J. Kühlwein 7. Lorſcherſtr. 21. Johann Sander, im neuen Friedhof. Eutlaufen am letzten Sonntag ein graues und geſtern Mitt⸗ woch ein gelbes Huhn. Derjenige, welcher über den Verbleib der Hühner Aus— kunft geben kann oder dieſelben zurückbringt, erhält gute Be— lohnung. Franz Buſalt 2. Wilhelmſtr. 6 8 13 Wir drucken alles von der Viſitenkarte bis zum größten Werk in bekannt ſauberſter : Ausführung Muſter u. Preiſe zu Dienſten. guchdruckerei J. Martin Viernheim. Ein Waggon Eutlaugen⸗Kalk friſch eingetroffen. Ztr. 2 Mk. Math. Trüger. Makulaturpapier abzugeben. Buchdruckerei Martin. Zu mieten geſucht 2 bis 3 Zimmer ⸗ Wohnung event. ganzes Wohnhaus. Von wem, zu erfragen in der Expedition d. Blattes. Gottesdienſt⸗Ordnung der israel. Gemeinde 21. Juli. 2. Av. + — 1 aſſe Sabatt-Anfang 825 Uhr „ Morgen 800 Uhr „ Nachmittag 400 Uhr „ Ausgang 1020 Uhr Wochentag Abend 860 Uhr 5 Morgen 660 Uhr Die eggendorſer Bläfter sind das schönste farbige Witzblatt für die Fumiſie Vierteljährl. 13 Nrn. nur Mk. 3.-, bei direkt. Zusendg. wöchentl. vom verlag Mk. 3.25, dureh ein Postamt Mk. 3.05. Das Abonnement kann jederzeit begonnen werden. Am besten unterrichtet Über den Inhalt ein Probe- band, der 6 Nummern in buntem Umischlag ent- hült und bei jeder Buchhandlung nur 50, fofg. kostet. Gegen weitere 20 Pfg. für Porto auch direkt vom Verlag, München, Perusastr. 5 zu beziehen. — Wochenabſchni M SM E 2 Mato Pere 1Frachtbriefe ſind ſte tes zu haben in der Expedition dieſer Zeitung. 1 bis 200 Tolles-Auzgige. Dem kHlerrn über Leben und Tod hat es in Seinem unerforschlichem Ratschlusse gefallen, gestern Vormittag 9 Uhr unseren lieben Vater, Grossvater und Urgrossyater Fanz Jakob Huber! N öfkters gestärkt durch den Empfang der hl. Sterbesakramente, nach kurzem Leiden, im 385. Lebensjahre zu sich in ein besseres Jenseits abzurufen. Um stille Teilnahme die Seelenruhe des bitten Die trauernd Hinterbliebenen. Viernheim, den 19. Juli 1917. und ein Gebet für lieben Verstorbenen Die Beerdigung findet Freitag Nachmittag 0 Uhr statt. f Sofort suchen fleissige Mädchen Mez, Vater& Söhne, Weinheim, Angenehme Arbeit. Ffisch eingetroffen Ein Waggon Thomasmehl, Kalkſtickſtoff, Ammoniak ⸗Supperphosphat und Kalidungſalz empfiehlt Johann Schneider 5. Witwe. 1 Verhalten bei Fliegerangriffen. 1. Ruhe iſt die erſte Pllicht. als Fliegerangriff. 2. Suche Schutz im nächſten Haus! Fort von den Straße! Fort von Haustüren und Fenſtern! Neugter i Tod!* 3. Fehlt Häuſerſchutz, dann Niederwerfen in Gräbe oder Vertiefungen. 1. Nachts kümmere bich um keinen Angriff. Lumpen, Wolle, Achtung! vorliegt Geiſenfelle und Haſenpelze. Zahle ſtets die höchſten Tagespreiſe. S. Schindler. Hand- und Reisekoffer in allen Grössen vorrütig bei Jakob Beyer. Dienstag, Donnerstag u. Samstag Panik iſt gefährlicher, JLironiſchen Leiden ausbilden ſoll. FHleichgültigkeit haben zur Folge, daß ſich die Entzün⸗ f tprozentigem Borwaſſer angefeuchtet iſt. ö e zurückgegangen, ſo folgen alle drei bis vier Stunden Achtung! Kaufe immer noch, ſoweit eine Beſchlagnahme nicht 9. Ern g kime K Geſchäfts⸗ Anzeiger Organ Erſcheint wöchentlich dreimal: für Jedermann Bezugspreis: 40 Pfg. pro Monat frei ins Haus gebracht Gratis-Beilagen: „Illuſtriertes Sonntagsblakt“, illuſtriertes Unterhaltungsblatt„Deutſche Kraft“, Wandkalender und Fahrplan. 1 Vereins- Auzeiger Anzeigenpreis: Alltsblatt der Großh. Bürgermeiſterei Viernheim Euthält alle amtlichen Ankündigungen der Behörden Vieruheims und Uugebung. Inſerate finden in der Bürger⸗Zeitung wirkſamſte Verbreitung.— Für Wohnungesinſerate Ausnahme⸗Tarif. Redaktion, Druck und Verlag: J. Martin, Viernheim, Rathausſtraße Die lſpaltige Petitzeile oder deren Raum 20 Pfg., auswärtige Juſerate 25 Pfg., die Reklame-Petitzeile 40 Pfg. Bei öfteren Wiederholungen und größeren Wuflrügen entſprechender Rabatt. Beilagen im Gewichte bis zu 8 Gramm 6 Mk. fürs Tauſend. Bei Klage-Erhebung, zwangsweiſer Bel— treibung uſw. wird Nabatt hinfällig. 83 — Sulslag, deu 21. Juli Deutſcher Abendbericht. Berlin, 20. Juli.(WTB. Amtlich.) Weſten nur in Flandern ſtarker Artilleriekampf. Im Oſten ſind unſere Truppen zwiſchen Sereth und Strypa in ſcharfem Nachdringen hinter dem weichen— den Feind. A** Die Parteiführer beim Kaiſer. Geſtern waren die Parteiführer vom Kaiſer eingeladen. Mit Ausnahme der Unabh. Sozialdemokraten hatten alle Fraktionen ihre Vertreter entſandt. Seine Majeſtät unter— hielt ſich mit jedem Abgeordneten. Ruſſiſche Niederlage. Deutſche Sturmtruppen haben am 19. Juli das ruſſiſche dreifache Stellungsſyſtem zwiſchen dem oberen Sereth und der Strypa überrannt und bis 15 Kilometer Tiefe durchbrochen. Wenige Stunden nach dem Angriff konnten bereits 3000 Gefangene und 10 erbeutete Geſchütze gezählt werden. Ein Anſchlag auf Kerenski. Petersburg, 20. Juli.(WTB. Nichtamtl.) Meldung des Reuterſchen Büros. In Klozk ſind auf Kerenski Schüſſe abgegeben worden, die ihn aber nicht trafen. Lolale Nachrich blale Nachrichten. S8 Amtlicher Teil. In heutiger Nummer ſind zahl— reiche wichtige Bekanntmachungen abgedruckt, worauf wir die Leſer beſonders aufmerkſam machen. * Kriegsauszeichnung. Julius Oppenheimer, bei einem Infanterie-Regiment, Sohn der Frau Bernh. Oppen— lelmer Ww., erhielt für tapferes Verhalten vor dem Feinde das Elſerne Kreuz 2. Klaſſe. Wir gratulieren! Viehzucht. Augenenkzündungen der Pferde. 5(Nachdruck verboten.) Mitunter paſſiert es, daß ganz plötzlich eine Ent— . zündung des Auges auftritt. Da heißt es, keine Zeit zu bverlieren und ſogleich mit der Behandlung zu beginnen, wenn Krankheit zu einem nicht ſich die Nachläſſigkeit oder anders dung auch auf das andere Auge überträgt oder gar den Verluſt des Auges nach ſich zieht. Die Krank— 0 heit äußert ſich durch Lichtſcheu, ſtarkes Tränen und Bäſſern des Auges. meinen dunklen oder wenigſtens abgeblendeten Stall und Dann bringe man das Tier ſofort lege auf das erhitzte Auge einen feuchten Lappen, der mit Iſt die Hitze— warme Prießnitz⸗Umſchläge mit Borwaſſer. Tritt trotzdem keine Beſſerung ein oder nimmt das Uebel gar zu. ſo iſt unbedingt ſchnellſtens ein Tierarzt zu Rate A ziehen. M. Tr. Neutuchahfälle, Sic, Geflügelzucht. a N Zur Jälterung des Geflügels. 5(Nachdruck verboten.) Vielfach wird noch immer zuwenig Gewicht gelegt auf die Bedeutung des animali ütters fü Gefüügel 9 aliſchen Fütters für unſer 16005 zu Hand hat, oder das jeweilig am billigſten iſt. zer dieſe nur zu oſt einſeitige Fütterung iſt ſtets un⸗ ökonomiſ Man füttert in der Regel mit dem, das man Hüt ch. Wo man nur eine verhältnismäßig kleine habenerſehar hält, oder wo die Hühner freien Auslauf aben können, da ſpielt die animaliſche Futterfrage natur⸗ gemäß nur eine untergeordnete Rolle; denn im erſten Falle wird der Haushaltungsabfall in der Regel ſchon Tiereichen, während in letzterem Falle die Natur den eren den Tiſch deckt. Wo aber eine größere Anzahl lere gezüchtet und dieſe auch noch den größten Teil 15 Jahres eingeſperrt gehalten werden müſſen, da hat Fu Züchter dafür zu ſorgen, daß das verabreichte 9 75 auch die nötigen animaliſchen Beſtandteile auf⸗ Milte die ſeine Tiere zu ihrem Gedeihen benötlgen. 10% Käſeſtoff und Schlachtereiabfälle ſind allen t ern vorzuziehen, dürften aber in fetziger Zeit 177 0 zu beſchaffen ſein, zumal ihre Verfütterung im rosen und aanzen auch verboten iſt. Da mu man Jie Hsssche Front f Abends. Im 0stgaliz denn zu den Erſatzſtoſſen greiſen, die noch irgendwie auf⸗ zutreiben ſind, als Fiſchmehl, Garnelen, Fleiſchmehl u. dgl. Ein ausgezeichnetes Hilfsfutter iſt die Brenneſſel. Im Sommer verfüttert man ſie grün, als Häckſel geſchnitten mit dem Weichfutter vermiſcht. Für den Wintergebrauch häckſelt man ſie gleichfalls und trocknet ſie, am beſten auf einem Boden mit viel Zugluft, wonach man ſie in Säcken an trockenem Ort aufbewahrt. Kein Züchter ſollte es unterlaſſen, ſich einen möglichſt großen Vorrat getrockneter Brenneſſeln für den Winter zu verſchaffen, da dieſes Futter für ihn ebenſo wertvoll iſt, als Getreide. Wo ganzes Korn zur Verfütterung fehlt oder nur in ſehr geringen Mengen verabreicht werden kann, iſt es anzuraten, obige Futtermittel zu ſieben, das feine Mehl mit dem Weich— futter zu vermiſchen, die gröberen Reſte aber in die Scharrſtreu einzurechnen, um den Tieren möglichſt viel Bewegung zu verſchaffen; denn Arbeit und Bewegung bedeuten das halbe Leben. Sch. Kleintierzuchk. Deukſche Rieſenſchecken. (Nachdruck verboten.) Dieſe Kaninchenart zählt mit zu den größten Raſſen. Aber gerade wegen ihrer etwas weniger großen Länge und eines etwas geringeren Gewichtes als die belgiſchen Rieſen ſcheinen uns die Rieſenſchecken mehr Nutzwert zu haben als jene. Sie erreichen eine Länge bis 70 Zenti⸗ meter und ein Gewicht von 13 Pfund. Das Fell iſt zwei— farbig. Der Grund ſoll rein weiß ſein. Die Zeichnung wird ſehr intenſiv und reinfarbig verlangt. Die Zeich— nungsfarbe iſt gleichgültig, alle Farben ſind zuläſſig. Die Anordnung der Farben iſt folgende: Der Aalſtrich auf dem Rücken ſoll möglichſt vom Nacken bis zum Schwanze gehen; mindeſtens 20 Zentimeter Länge werden aber verlangt; er darf weder zu ſchmal noch breit ſein. Die ſogenannte Seitenzeichnung beſteht aus einzelnen Flecken, die unter ſich und mit dem Aalſtrich nicht zuſammenhängen ſollen. Die Ohren ſollen ganz, von der Wurzel ab, ohne Weiß ſein. Die Augen— zirkel und Augenringe ſollen das Auge gleichmäßig breit umſchließen und ſelbſt geſchloſſen ſein. Ferner iſt noch zu nennen der ſogenannte Schmetterling, d. i. die farbige Schnauze, und die Augenflecken neben den Augenringen. Wenn der Aalſtrich durchbrochen iſt und die Seitenflecken leicht zuſammenhängen, ſo gilt das als leichter Fehler; das iſt auch der Fall, wenn einer der Augenflecken fehlt oder mit dem Augenringe zuſammenhängt. Schwere Fehler ſind: Weiß in den Ohren, ſchlechte Seitenzeichnung— ſchlechter Schmetterling uſw. Es ſei hier bemerkt, daß die Farbe der Schnauze und der Ohren den Fellwert in keiner Weiſe ungünſtig beeinfluſſen, auch dann nicht, wenn der Fellwert auf die Zeichnung des Felles begründet ſein ſollte. Die Zucht dieſer Raſſe iſt intereſſant. Der Züchter muß aber über gruße Stallungen verfügen und gut füttern, wie bei allen Rieſen. Die Schecken liefern dann recht viel Fleiſch, uud ihre Felle ſind auch ungefärbt zu Pelzſachen zu verarbeiten. Das Haar iſt nicht ſo kurz wie bei anderen Raſſen, was aber als Vorzug gelten kann. Kl. Gartenbau. Abgeernkele Garlenbeeke. (Nachbruck verboten.) Alle abgeernteten Beete müſſen ſofort nach dem Ver— brauch der Pflanzen abgeräumt und umgegraben wer— den. Es ſieht nicht nur ſchlecht aus, wenn Bohnen— und Schotenranken, Salat- und Krautſtrünke umherliegen und wenn das Unkraut emporſchießt, ſondern Ungeziefer aller Art findet auch Unterſchlupf und legt ſeine Eier an die im Boden verbliebenen Strünke, während der Unlkraut— ſame auf die anliegenden Beete fliegt. Der Boden wird in der Hige des Sommers hart wie eine Tenne, macht beim Graben im Herbſt doppelt Arbeit und verliert ſeine Gare. Leer gewordene Erbſenbeete können dagegen aus— genutzt werden zur Anzucht von Herbſtrüben. Sie werden beim Graben gejaucht, und der Same wird vor dem Aus— ſäen einige Tage gewäſſert und zur Saat mit feinem Sand vermiſcht. Auf andere abgetragene Beete kann man außer Salat auch noch ſpäte Oberrüben, Winterrettiche und vor allem alle breitblätterigen Spinatſorten mit ſtachelloſen Samen ſäen. Am beſten gibt man dem Boden vorher noch eine Düngung von Superphosphat und Ammoniak und ſpäter eine Kopfdüngung von Chiliſalpeter. M. S. Obſtbau. Die Obſtmade— der größe Obſtfeind. (Nachdruck verboten.) Der größte Schädiger des Obſtbaumes iſt zweiſellos die Obſtmabe. Bald nach Anſatz der Früchte legt der Schmetterling ſeine Eier an dieſe ab. Daraus entwickelt ſich ein Würmchen, das die Frucht anbohrt und das Kern— haus auſſucht. Eine ſolche Frucht wird notreif und hat für den Genuß nur halben Wert. Sie fällt vorzeitig ab. Die Raupe, falls ſie ſich nicht ſchon an einem Fädchen zur * burchbrochen Erde gelaſſen hat, verläßt die Frucht, um ſich in der Erde zu verpuppen. Sie bleibt über Winter dort, entwickelt ſich im nächſten Frühjahr zum Schmetterling, der dann die nächſte Generation wieder vorbereitet. Wird der Stamm von allen Schlupfwinkeln, Flechten, Moos, Rinden— borke befreit, ſucht die Raupe zur Verpuppung auch die Fanggürtel auf, wo ſie dann vernichtet werden kann. Im übrigen ſoll man die würmſtichigen, abgefallenen Früchte ſofort aufſuchen und die noch darin beſindlichen Maden unſchädlich machen. JS. Teichwirkſchaft. Halfung und Pflege des Goldfiſches. (Nachdruck verboten.) Leider werden die armen Tierchen noch recht oft ſtief— mütterlich behandelt, teils aus Nachläſſigkeit, teils aus Unwiſſenheit, und manch ein Tierchen ſtirbt, ohne daß man den eigentlichen Grund bazu kennt. Faſt immer iſt aber unrichtige Pflege ſchuld. Da iſt zunächſt das Futter. Man reiche dem Fiſchchen kleine Würmer, Eidotter, Fliegen, Ameiſeneier, aber nur ſo viel, als es nur gerade frißt, hin und wieder ein Blättchen Salat oder Brunnen— Semmel und getrocknetes Brot iſt den Tieren ſich leicht Brand ein, die Tiere i bekommen Verſtopfung und gehen Ferner ſind die Behälter, in denen die Tiere gehalten werben, meiſt ungeeignet. Ein zu euges Bei— ſammenſein können ſie nicht vertragen. Auf einen Fiſch rechnet man 1½½ Liter Waſſer. Sie lieben es aua, auf⸗ und abg igen, weswegen höhere Gefäße vorzu— ziehen ſind. Gläſer, die ſich nach oben verengen, ſino nicht zu empfehlen. Gegen das Herausſpringen ſpanne mem eim leichtes Netz über das Glas; auf den Boden ſtreue man etwa fingerbreit hoch mittelſtarken Sand ung einige kleine glatte Kieſelſteine. Es iſt recht gut, wenn man einige Waſſerpflanzen einſetzt, nur darf man des Guten nicht zuviel tun, damit die Fiſche in ihrer Be— wegung nicht gehindert werden. Das Waſſer öfter erneuert werden und immer von derſelben Art ſein: es muß ſtets aus derſelben Leitung, demſelben Brunnen, Bach oder Fluß genommen werden. Auch darf es nicht zu lalt ſein; es muß ungefähr dieſelbe Temperatur haben wie das, das man eben forigetan hat. Zum Ausfangen bediene man eines kleinen Netzes. Mit der Hand dürfen die nicht angefaßt werden. Auch die Steine und d f wieder zu erneuern. Bei Beachtung obiger Winke wird man immer ſeine Freude an den muntern Tierchen haben, die bei liebe— voller hohes Alter erreichen können. M. Vr. .———— muß Hiſche der Sand ſind hin und und ſaͤchgemäßer Pflege ein Gemeinnütziges. Gewürztränter gufzubewahren. Nachdruck verboten.) feuchten Aufbewahrungsarten Unter den verſchiedenen ſicherſte und billigſte: Gus iſt folge es Das ellfachſte vorleſen, laßt wan das Laub, welches abgeſtreift wurde, J bis 6 Minuten lang in kochendem Waſſer wallen. Dem Waſſer gibt man auf Liter 20 bis 30 Gramm Salz zu. Dann läßt man die Blätter auf einem nicht zu eng— maſchigen Haarſteb abtropfen und treibt ſie dann durch. Der Brei wird in Flaſchen gefüllt, die zuvor ausgekocht ſind oder 24 Stunden mit Salzwaſſer gefüllt geſtanden haben. r Flaſchenhals wird ſofort mit einem Watte— pfropfen und ßergamentpap erſchluß darüber geſchloſſen. 5 muß ſlteriliſſerte erband-) Watte genommen werden. Zwiſchen Watte und Inhalt muß 2 bis 3 Zentimeter Luftraum bleißen. Vor dem Verbinden mit Papier, aber mit dem Wattepfropfen kocht man die Flaſchen eine halbe bis dreiviertel Stunde, bis an den Hals im Waſſer ſtehend. E. N. Bogellränkung im Sommer. An den heißen Sommertagen haben natürlich auch die Vögel arg unter dem Durſt zu leiden, und man hat herausgefunden, daß ſie dann öfters die Obſtbäume heim— ſuchen. Damit iſt nun nicht geſagt, daß ſie nur aus Durſt in die Kirſchen gehen; aber man kann ſich ſein Obſt doch beſſer erhalten, wenn man für eine Vogeltränke ſorgt. Es ſollte darum in jedem Garten, in jedem Park an ſchattiger Stelle eine ſolche eingerichtet werden. Eine täglich mehrmals mit friſchem Waſſer gefüllte flache Schüſſel oder ein Blumentopfunterſatz iſt völlig aus- reichend. Dieſe Arbeit kann auch kleineren Kindern an— dertraut werden, die gewiß ihre Freude daran haben werden, wenn ſich die Tierchen an dieſe Tränke gewöhnen uind zu Dutzenden herbeigeflogen kommen, um ſich zu rquicken. Man achte aber darauf, daß das Waſſer ſtets auber iſt und häufig erneuert wird. Man wird bei olcher Einrichtung bald feſſtellen können, daß in einem bſtgarten mit Vogeltränten die Beerenſträucher und Obſt⸗ äume nicht gar ſo ſehr ihrer Früchte beraubt werden wie ort, wo ſolche fehlen. M. Tr. 142 — Es iſt vaterländiſche Pflicht, Kleingeld in Umlauf zu bringen. Der Kanzlerwechſel. Mit dem Kanzlerwechſel iſt ein Teil der inneren Kriſe gelöſt. Die Zukunft muß lehren, inwieweit dieſer Wechſel Vorbedingung für eine gedeihlſche Entwicklung der Dinge für die äußere und innere Politik Deutſchlands war. Acht Jahre lang, vom 14. Jult 1909 bis zum 18. Juli 1917, hat der Reichskanzler v. Beth⸗ mann Hollweg an der Spitze der Reichsgeſchäfte geſtanden. Als er zum erſten Male als Kanzler im Reichstag das Wort ergriff, ſprach er vom Zwang zum Schaffen, der uns alle beherrſcht. Das war ein Wort, geboren aus der ſtrengen und ernſten Pflichtauffaſſung, die nur die Sache kennt, nichts Perſönliches will, den Dienſt am Staate als einziges Geſetz anerkennt. Von jenem erſten Worte bis zu ſeinem Abſchied geht ſein Handeln in einer geraden und klaren Linie. ö Als Herr von Bethmann Hollweg ſein Amt ubernahm, ſo ſchreibt dem Scheidenden die „Nordd. Allg. Ztg.“ befand ſich unſer Land in liefem inneren Zwieſpalt. Die Kämpfe um die Reichsfinanzreform hatten Gegenſätze hinterlaſſen, für deren Heilung es kein anderes Mittel gab, als die volle Hingabe an jene Staatsgeſinnung, welcher der Reichskanzler den ſchlichteſten und wahrſten Ausdruck gegeben hatte. Sein Programm war das der nüchternen und angeſtrengten Arbeit, des inneren Ausgleichs, der Zuſamenfaſſung der geſamten Volkskraft. In dieſem Sinne arbeitete er heſonders daran, die Arbeiter dem Staate zurückzugewinnen. Der Erfolg dieſer Politik hat ſich gezeigt, als der Krieg kam. Wie im Reiche, ſo war in Preußen die Lage bei der übernahme der Geſchäfte bei Herrn v. Bethmann Hollweg ſchwierig. Erinnert ſei nur darau, daß die Bewegung für eine durchgreiſende Wahl- reform bereits ſtark angewachſen war. Dazu kam die tiefe Unruhe, die durch die engliſche Einkreiſungspolitik über Europa ge- bracht worden war und mit den ſchwerſten Ent— ladüngen drohte. Die Gefahr unſerer Lage hatte der Reichskanzler von Anfang an mit ſicherem Auge erkannt. Seine Bemühungen waren darauf gerichtet, zunächſt auf dem Wege der Verſtändigung mit England uns den Weg zu friedlicher Entwicklung zu ſichern. Die Ver⸗ ſuche hierzu gehen bis in die erſte Zeit ſeiner Kanzlerſchaſt zurück. Den wachſenden Gefahren Rechnung, die unſerer militäriſchen Kraft den größten Zuwachs ſeit der Gründung des Reiches brachten. Dann brach der Krieg herein, als ein Ver— hängnis, das aufzuhalten und abzuwenden er alle Kraft eingeſetzt hatte. In meiſterhaften Reden, die als Denkmal unſerer Zeiten beſtehen werden, hat der Reichskanzler die deutſche Sache vor der Welt geführt. Aufrecht und mannhaft, tapfer und ehrlich hat er für ſein Volk geſtritten, immer bedacht auf die Größe un— ſeres Vaterlandes, der gerechten Sache ge⸗ wiß, niemals den Schein für Wahrheit nehmend, immer ſich Rechenſchaft gebend von der furchtbaren Gefahr, die uns umdrohte. Unter den Staasmännern dieſes Krieges wird er ſeinen überragenden Platz behaupten. Haß und Verleumdung haben ihn aus allen feind— lichen Ländern umſpritzt, ſind ihm im eigenen Lande nicht erſpart geblieben. Dies düſtere Kapitel des Weltkrieges und unſerer eigenen Geſchichte zu ſchreiben, wird einer ſpäteren Zeit vorbehalten bleiben. Wir werden dereinſt ruhiger und gerechter urteilen lernen. Dann wird unſer Volk begreifen, was ihm in ſeiner ſchwerſten Prüfung der Reichskanzler v. Beth— mann Hollweg geweſen iſt als Menſch, als Deutſcher, als Staatsmann. Der zum Reichskanzler ernannte Unterſtaats— ſekretär Dr. Michaelis iſt eine in ſich gefeſtigte und geſchloſſene Perſönlichkeit von tieſem Ernſt, reichem Wiſſen, großer Erfahrung und, was die Hauptſache iſt, von feſtem Willen. Er wurzelt in den beſten Überlieferungen des preußiſchen Beamtentums. Als er das Amt des Er— nährungskommiſſars für Preußen übernahm, fanden ſich in ſeiner Antrittsrede im preußiſchen Abgeordnelenhauſe die Worte: „Das grauſige Elend, was käme, wenn wir mit einem Male im Laufe der letzten Monate des Kriegsjahres merkten: es reicht nicht, es geht nicht, durchzuhalten— das Elend, was dann käme, iſt nicht zu beſchreiben, und darum ſtellen wir den Gedanken, was werden ſolle, wenn es nicht gelänge, die nötige Nahrung für unſer Volk zu beſchaffen, beiſeite und ſtellen den Gedanlen in den Vordergrund, den wir brauchen, damit wir arbeitsfreudig bleiben und daß wir von uns aus das Gefühl der Sicherheit und Beruhigung in die hineinbringen, die es von der Staats⸗ regierung erwarten. Das iſt der Sieg auch auf dem inneren Gebiet. Dieſer Sieg auf innerem Gebiet ſteht mir vor Augen und meine volle und ſchwere Verantwortung vor Gott und dem Volk; weiter nichts! Und Sie können es mir glauben: mich beirrt keiner! Wer mich Reichskanzler Dr. Michaelis. kennt, weiß das. Ich übernehme kein Amt, das ein Schwert ohne Schärfe iſt, und ich behalte auch kein Amt, was mir irgendwie nach dieſer Richtung das Schwert ſtumpf machen ſollte; ſondern ich will im Aufblick zu dem, der mir hilft und der dem deutſchen Volke hilft, das Amt durchhalten und will das meine dazu bei— tragen, daß wir auf dem Gebiet des inneren Wirtſchaftskampfes den Sieg davontragen.“ Ein Mann, der ſo energiſche Worte findet und der auf dem ſchwierigen Gebiete des Wirt— ſchaftskrieges mit ſo unwandelbarer Ausdauer ſeine ſchwere Arbeit geleiſtet hat, darf das Ver— trauen für ſich in Anſpruch nehmen, daß er ſich der neu übernommenen ungleich ſchweren Auf— gabe gewachſen fühlt. neuen Kanzlers wird es nun ſein, die Kräfte der Nation zuſammenzufaſſen, um wieder den einheitlichen Siegeswillen herzuſtellen, der alles hinter ſich läßt und nur das Ziel im Auge hat: Sieg! Das ganze deutſche Volk ſieht der Amtsführung des neuen Kanzlers mit Vertrauen entgegen. Möchten ſich alle Hoffnungen er⸗ füllen, die Dr. Michaelis beſeelen und die das deutſche Volk an die Wahl des neuen Mannes knüpft. DBerſchiedene Uriegsnachrichten. England erwartet eine neue deutſche Kriegsziel⸗Erklärung. Im engliſchen Unterhauſe beſprachen die Parlamentarier unter ſich die Regierungskriſis in Deulſchland. Mit Herrn v. Bethmann werde die letzte Regierung der kriegführender Länder, die ſeit Kriegsbeginn noch am Ruder war, ver— ſchwinden und die Verbündeten erwarten dann eine neue Erklärung über Deutſch— lands Kriegsziele. Nach der Preſſe iſt Englands Intereſſe groß, welche Ziele die neue Regierung verkündet. * Drohung irgendwelcher Der verlorengegangene Offenſivgeiſt. Über den verlorengegangenen Offenſivgeiſt der franzöſiſchen Armee ſchreibt Guſtave Hervé bei einer Beſprechung der ruſſiſchen Oſſenſive in der„Victoire“ vom 11. Juli: Wie ſchade, daß unſere„blökenden“ Pazifiſten unſerer Armee, deren Moral ſie durch ihre Panik vom 16. und 17. April untergraben haben, nicht ſo ſchnell jenen glänzenden Offenſivgeiſt wiedergeben können, der ihr jetzt nach Wieder⸗ aufleben der ruſſiſchen Front ermöglichen würde, mit unſeren engliſchen Freunden zuſammen in einigen Wochen das große Befreiungswerk zu vollenden. * Wieder einmal Vorſchuß⸗Lorbeeren. Der engliſche Premierminiſter Lloyd George beglückwünſchte drahtlich Fürſt Lwow zu den Erfolgen der ruſſiſchen Offenſive, die eine große Ermutigung für ſämtliche Verbündete ſei.„Rußland“, heißt es in der Drahtung weiter,„habe jetzt erkannt, daß ein dauerhafter Friede und Wiederaufbau nicht möglich ſei, ſolange nicht Serbien, Belgien und andere geplünderte Nationen von der vernichtenden Tyrannei der militäriſchen Gewaltherrſchaft be⸗ freit worden ſeien und ſolange die Verant- wortung der Regierungen den Völkern in ganz Europa gegenüber nicht klar ſeſtgeſtellt worden ſei.“ Lloyd George bittet den Fürſten Lwow, auch Kerenski ſeinen Glückwunſch zu übermitteln zu dem glänzenden Anteil, den er an dem Triumph der ruſſiſchen Waffen habe. * Feſte Haftung Hollands. Nach Amſterdamer Blättern hat der nieder⸗ ländiſche Geſandte in Waſhington in einem Preſſegeſpräch erklärt, die Niederlande würden ſtreng neutral bleiben, außer wenn ſie angegtiffen würden. Kein Druck, der auf die Bevölkerung ausgeübt werde und keine Art würden an der Haltung des Landes irgend etwas ändern. Die Niederlande führten mehr nach England aus als nach Deutſchland und ſie würden mit der Ausfuhr nach Deutſchland nicht aufhören, ohne gleichzeitig auch die Ausfuhr nach England ein— zuſtellen. Wenn die Ver. Staaten kein Ge⸗ treide mehr nach Holland ausführten, ſo würde das bedeuten, daß die Kriegsgeſangenen und die Belgier, die im Lande verpflegt werden, kein Brot mehr erhalten würden. Die Hauptſache für Holland ſei eine durchaus unpar⸗ teiiſche Neutralität. Aber man dürfe deshalb nicht denken, daß Holland keinen Krieg führen könne. Wenn ſeine nationale Ehre auf dem Spiele ſtände, würde die Gefahr einer Die erſte Aufgabe des 1 1 1 0 0 0 1 1 möglich Niederlage das Land nicht vor dem Kriege zurückſchrecken. Politiſche Rundſchau. Deutſchland. *Kaiſer Wilhelm hat den bisherigen Reichskanzler v. Bethmann Hollweg in Abſchiedsaudienz empfangen. Im Anſchluß daran empfing die Kaiſerin den ſcheidenden Reichskanzler. * Wie amtlich feſtgeſtellt wird, entſpricht die Reutermeldung, wonach die diplomatiſchen Be— ziehungen zwiſchen Deutſchland und Argentinien abgebrochen worden ſeien, nicht den Tatſachen. Auf eine von Argentinien an die deutſche Regierung gerichtete Note wegen Schiffsverſenkung iſt eine Antwort noch nicht erfolgt, es iſt indeſſen zu hoffen, daß die An— gelegenheit eine freundſchaftliche Regelung finden wird. * Da die Abordnung des ruſſiſchen Arbeiter— und Soldatenrats und der holländiſch-ſkandi— naviſche Ausſchuß die Internationale Sozialiſten— tagung zum 15. Auguſt nach Stockholm einbe— ruſen haben, hat der ſozialdemokratiſche Partei⸗ vorſtand beſchloſſen, den Würzburger Parteitag, der am 19. Auguſt und den folgenden Tagen ſtattfinden ſollte, zu ver— ſchieben. 1 Norwegen. * Die deutſche Anwortnote in der Bombenangelegenheit wird von ſämtlichen Blattern an erſter Stelle abgedruckt. Blütter betonen, daß dieſe Note auf di⸗ öſſen, ö liche Meinung in Norwegen beruhigend wirken werbe, hesſonders weil, wie„Aſtenpoſten“ hervor, hebt, die Erklärung der deutſchen Regierung ihren aufrichtigen Willen zeige, ein freundſchaſl⸗ liches Verhällnis zwiſchen Deutſchlana, und Norwegen aufrechtzuerhalten. Spanien. *Der neutraliſtiſche Frauenausſchuß üer reichte dem König mehrere Albums mit über 500 000, Unterſchriften ſpaniſcher Frauen, denen dieſe dem ſehnlichſten Wunſche der ganzen Nation nach Aufrechterhaltung der Neutralität Spaniens Ausdruck geben. Griechenland. „Venizelos ließ dem König einen Bericht vorlegen, der auseinanderſetzt, daß der König von Griechenland nur das erbliche Haupt einer konſtitutionellen Republik iſt, der nur die Beſtimmungen der Verfaſſung auszulegen ha. Nach einer ſcharfen Anklage gegen König Kon— ſtantin ſchließt der Bericht: Das griechiſche Volt hat vor dem 31. Mai 1915 ſeine Politik dadurch beſtimmt, daß es die liberalen Führer zur Macht berief. Es wird damit die Wiederberufung jener Kammer verlangt, die König Konſtantin auflöſte, weil ihre(venizeliſtiſche) Mehrheit den Krieg verlangte. Amerika. * Das Repräſentantenhaus der Ver. Staaten hat die Vorlage über einen Kredit von 640 Millionen Dollar für den Bau von 22000 Flugzeugen einſtimmig angenommen. * Der Präſident von Kuba hat die ver⸗ faſſungsmäßigen Bürgſchaften au. gehoben und eine außerordentliche Sitzung des Kongreſſes einberufen. Als Grund wird der Krieg zwiſchen Kuba und Deutſchland an— gegeben, doch glaubt man, daß politische Meinungsverſchiedenheiten zwiſchen dem Prä⸗ ſidenten und dem Kongreß über innere An⸗ gelegenheiten den Schritt veranlaßt haben. Aus Kanada kommen ſeltſame Meldungen. Die ſeparatiſtiſche Bewegung der kanadiſchen Franzoſen nimmt jetzt die Form einer offenen Revolte an. Die franzöſiſchen Führer organiſieren bewaffneten Widerſtand gegen die Durchführung der Wehrpflicht. Sie ließen der Regierung die Erklärung zu— gehen, die franzöſiſchen Kanadier würden eher mit den Waffen in der Hand fallen als ſich zwingen laſſen, für die Ziele der engliſchen Politik zu kämpfen. Aſien. * Trotz der überaus ſtrengen Zenſur wird jetzt bekannt, daß in Britiſch⸗Indien eine Anzahl bekannter Perſönlichkeiten, und zwar nicht nur Inder, ſondern auch mehrere Engländer, unter der Beſchuldigung verhaftet wurde, durch Unterſtützung einer repuhli⸗ kaniſchen Bewegung im britiſchen Reich und durch die Forderung der Selbſtregierung für Indien, die Sicherheit des Reiches gefährdet zu haben. Es heißt, die Bewegung ſei über das ganze Land verbreitet. Volks wirtſchaftliches. Verminderte Fleiſchration, vermehrte Mehlration. Entgegen der Meldung, daß Brotration vom 15. Auguſt wieder auf 1900 Gramm Brot erhöht werden ſoll, teilt uns das Kriegs— ernährungsamt mit, daß dieſe Nachricht inſoſern un zutreffend ſei, als eine Erhöhung der Brotratton nicht eintreten werde. Vielmehr wird bereits An— ſang Auguſt der Fleiſchzuſatz in Wegfall kommen und infolgedeſſen eine Erhöhung der Mehlration entſprechendem Maße ſtattfinden. Die Verhand lungen des Kriegsernährungsamtes mit den Bundes regierungen ſind aber hierüber noch nicht ab geſchloſſen. Zunahme der böhmiſchen Braunkohlen ausfuhr nach Deutſchlaud. Eine ausgiebige Belieferung böhmiſcher Braunkohlen an Deutſchlan iſt für die nächſte Zeit zu erwarten. Wie in! letzten Sitzung des Zittauer Bezirsausſchuſſes mi geteilt wurde, haben die wegen der Kohlennot Wjen geführten Verhandlungen zwiſchen den leitende öſterreichiſchen Stellen, dem Reichskommiſſar und ben ſächſiſchen Behörden zu dem Ergebnis geführt, daß monatlich 350000 Tonnen böhmiſche Braunkol nach Deutſchland ausgeführt werden ſollen n Die eiſerne Not. 4] Kriegsroman von G. v. Brockdorff. (Fortſetzung.) „Vielleicht hat Hans geſchäftliche Sorgen,“ warf Sabine ein.„Bedenke doch, wie alle Handelsbeziehungen gelitten haben.“ Uber Beates volles, roſiges Geſicht glitt ein etwas hochmüliges Lächeln. „Ich bitte dich, Sabine, wir ſind doch keine Firma, die von heute auf morgen fällt. Das iſt natürlich Unſinn. Wer ſoll's denn aus— halten, wenn wir's nicht können.“ Sabine ſchwieg einen Augenblick. blaſſe, ſorgendurchſurchte Geſicht des Bruders lrat vor ihre Seele. Sollte die Lage nicht doch ernſter ſein, als Beate ſie bewertete? Ihr Blick gilt durch das Fenſter auf den Hafen hinaus, wo die Maſten der Schiffe in das roſige Nachmittagslicht hineinragten, ruhig, ſtolz, königlich. Beinahe mußte ſie über ihren Argwohn lächeln. Gewiß,— Beate hatte recht. Die Grotenius' würden ſich halten können, und wenn der Krieg noch ein volles Jahrzehnt währte. Und es ſah aus, als ob das enfkſetzliche Blutvergießen noch immer lein Ende haben ſollte. Unten im Garten leuchteten die weißen Flieder⸗ dolden auf und erloſchen wieder, wie hohe Szepler brangten die Feuerlilien auf den Beeten und die Roſenbüſche ſtanden in einem Meer von Blüten. 5 Ilalien halte den Krieg erklärt, Warſchau war gefallen, und die deutſchen Truppen rückten mit Rieſenſchrilten gegen die Burgen des ſeind⸗ 1 Das lichen Oſtens vor. Aber noch gähnte die Un⸗ ermeßlichkeit des flawiſchen Reiches wie ein offener Rachen vor der deutſchen Front, und die Schützengräben im Norden Frankreichs lagen ſtarr und trotzig gleich ehernen Burgmauern vor den Angreifern. Und der Auguſt lam mit ſchwerem, ſeuchtem Nebel über dem Hafen, ehe die ſonnigen Herbſt⸗ lage des Septembers blau und klar wie heller Türkis einen hohen, ſtrahlenden Himmel über das ſtille Land breiteten. Noch immer kein Ende, nicht einmal die Ausſicht auf ein Ende.—— Sabine Asmuſſen ſaß noch immer am Fenſter und ſtarrte auf das wogende Waſſer zu ihren Füßen. Die Handarbeit war längſt ihren Händen entglitten, ſtill und müde hatte die junge Frau den Kopf gegen die Lehne des Seſſels gepreßt und dachte an Vergangenes und an die Zukunft. Sie hatte müßige Zeit heute. „Die Verwundeten im Lazarett waren ent⸗ laſſen worden, nun ſollte täglich neuer Nachſchub eintreffen. Diesmal ſollten Schwerverwundete kommen, und eine große Zahl als ſonſt, hatte der Ober⸗ arzt erklärt. Sabine freute ſich auf die Arbeit, auf die Tapferen, denen ſie ihr Leiden erleichtern durfte. „Ich bin dir ſo dankbar für deinen Rat, ins Lazarett zu gehen,“ ſagte ſie zu Beale. Dieſe lächelte geſchmeichelt. „Siehſt du, Kind, das iſt das Beſte gegen unnötige Gedanken. Und dann, finde ich, iſt es Pflicht für einen jeden, das Seine zu tun.“ Beate ſprach nicht ohne Selbſtbewußtſein 0 1 1 von ihrer ausgedehnten Tätigkeit in der Kriegs⸗ fürſorge, und Sabine empfand ein leiſes Unbe⸗ hagen dabei, ſo oft ſie die Schwägerin die eigene Tüchtigkeit ſo offen zur Schau ſtellen hörte. Unterzog Beate ſich wirklich nur der großen vaterländiſchen Sache wegen ihren neuen Pflichten? „Es macht mir ſo viel Spaß, überall dabei zu ſein, alles durch meine Hand gehen zu laſſen.“ ſagte ſie einmal. Sabine ſchwieg dazu, aber ſie begriff plötz⸗ lich, warum ſie es nie über ſich hatte gewinnen können, die Schwägerin zu ihrer Vertrauten zu machen. 5 Die vielen von Beate ins Leben gerufenen Wohltätigteitsveranſtaltungen zugunſten des Krieges und der Kriegswitwen brachten es von ſelbſt mit ſich, daß die beiden jungen Frauen ſich ſeltener ſahen. Bisweilen— wenn ihre Zeit es ihr er⸗ laubte— vertrat Sabine bei den Mahlzeiten im Hauſe ihres Bruders die abweſende Hausfrau. Jedesmal fiel es ihr dabei von neuem auf, wie ſchweigſam Hans während der letzten Mo⸗ nate geworden war. Sogar für die Fragen und kindlſchen Späße des kleinen Johannes hatle er oft nur ein zerſtreutes Lächeln. „Du mußt dich ſchonen,“ bat Sabine.„Ich ſehe jede Nacht noch nach zwölf Licht in deinem Fenſter. Du biſt überarbeitet, Hans.“ Er lachte kurz auf und fuhr ſich mit der Hand nerpös durch das dichte Haar. „Ich bitte dich, Sabine, fang du nicht auch noch an! Beate quält mich gerade genug mit ihren ewigen Vorhaltungen. Es iſt ein wahres Glück für mich, daß ſie iet ſo viel außerhalb des Hauſes zu tun hat.“ Sabine ſah ihren Bruder forſchend an. „Haſt du Sorgen, Hans?“ f „Liebes Kind,“ er war jäh aufgeſtanden unt ſtieß einen Seufzer des Unwillens aus.„Ih könnt einen, weiß Gott, verrückt machen, ml euren Fragen. Kümmere du dich um deine Verwundeten und überlaß mir bitte das anden Seit Werner im Felde iſt, habe ich die volle Verantwortung für die Firma. Ich weiß, wa! das auf ſich hat und tue, was in meinen Kräften ſteht.“ Er lachte wieder ein wenig gezwungen. „Daß es für mich eine Menge Arbeit gib, jetzt, wo ſo viele von den Leuten eingezogen ſind, das iſt doch klar. Und daß man gerade in dieſer Zeit höͤlliſch auf dem Poſten ſein muß, verſteht ſich von ſelbſt. Alſo bitte— keine un. nöligen Fragen, die einem nur den Kopf warm machen und die Gedanken ablenken und vol allem: keine Sorgen meinetwegen.“ Sabine, die es bei den erſten Worten des Bruders wie eine ſchwere Ahnung durchzuck hatte, atmete erleichtert auf. Beale halte recht: ſie war eine Närrin ge weſen, ſich überflüſſige Gedanken zu machen. Natürlich hatte der Bruder ſeinen Kopf voll ſicher waren auch allerlei Verluſte zu verzeichnen, denn der überſeeiſche Handel ſtockte doch und die afrikaniſchen Handelshäuſer der Firma waren zum Teil vernichtet. Leicht war etz immerhin nicht, aber Gott ſei Dank doch nicht ſo, daß das ſlolze alte Handelsſchiff der Grolenius zum Sinken gebracht werben konnte. f AUler wollte den Krieg? Neue Beweiſe für Englands Schuld. Mit der Erörterung der Friedensprobleme iſt auch wieder die Schuldfrage in den Vorder⸗ grund der poliliſchen Dehalten gerückt. Ein Buch des ſchwediſchen Schriftſtellers Robert Weſterlund,„Engliſche Warnungen vor dem Weltkriege“, befaßt ſich im beſonderen mit der Frage, wer nun eigentlich von den heutigen Gegnern den Krieg hat kommen ſehen, ohne ihm vorzubeugen? Das Buch iſt eine Samm⸗ lung engliſcher Dokumente von verſchiedenen Verſaſſern. Der Wert der engliſchen Erklärungen, daß England vor Kriegsausbruch keine Ver⸗ abredungen mit anderen europäiſchen Mächten getroffen habe, ſie in einem Krieg gegen Deutſch— land zu unterſtützen, wird in einer hier wieder⸗ gegebenen Rede trefflich beleuchtet, die Lord Roſebery bei Eröffnung der Offizierskurſe der Glasgower Univperſität hielt, und die in der „Times“ am 13. Januar 1912 ſtand. Er äußerte damals u. a.: „Wir ſind Verbindungen eingegangen, deren Natur ich meinerſeits nicht kenne, die aber nicht weniger bewußt und bindend ſind, weil ſie un⸗ geſchrieben ſind und die uns jeden Augenblick — jedenfalls deute ich ſo die Zeichen der Zeit — in eine der größten kriegeriſchen Heim⸗ ſuchungen hrneinziehen können, wie ſie mitunter Europa verheeren, und die größer ſein wird als irgendein anderer Krieg, von dem wir ſeit Napoleons Fall gehört haben... Wir haben gewiſſe unbeſtimmte Vereinbarungen, deren Natur ich zwar nicht genau kenne, aber in Hin— ſicht auf welche jedermann die Behauptung wagen kann, daß ſie unter gewiſſen Umſtänden, die leicht eintreffen können, eine direkte Ver⸗ pflichtung enthalten, in einem rieſigen Kriege mitzugehen.“ Wie intim die engliſchen außenpolitiſchen Intereſſen mit den franzöſiſchen verbunden waren und wie leicht ſie ſich von dieſen beeinfluſſen ließen, geht aus den Auslaſſungen über den Marokko-Konflikt hervor, die 1912 von E. Morel in ſeinem Buche„Marocco in Diplomacy“ und 1915 von M. P. Pride in„The diplomatic History on the War“ veröffentlicht wurden. Wie England und Frankeich gemeinſam daran arbeiteten, Deutſchlands Entwicklung zu hemmen, zeigt der Verſaſſer deutlich: 1900 verweigerte England ſeine Mitwirkung, als es galt, den Vertrag über die Bagdadbahn zum Abſchluß zu bringen, und kurz darauf verſuchte Frank— reich, die Tür ſür den offenen Handel in Marokko zuzumachen. Auf dieſelbe Weiſe bewahrte England ſein Recht auf den Meeren, allein alle Seelinien zu lontrollieren. Dieſe waren natürlich von größter Bedeutung für die Zufuhren von Lebensmitteln nach England, aber ſie mußten allmählich von gleicher Bedeutung für die Zu— fuhren von Rohmaterialien für Deutſchlands Induſtrie werden. Eine Gelegenheit, Deutſch— lands Beforgniſſe für die Sicherheit ſeines Handels über die Meere zu zerſtreuen, wurde ungenutzt gelaſſen, als England auf der letzten Haager Konferenz ſein Veto gegen den ameri— kaniſchen Vorſchlag einlegte, die Schiffahrt in Kriegszeiten frei zu machen. In Prices „Diplomatie History“ wird die ganz durch— greifende Arbeit klargelegt, die die Konſtellation England-Rußland-Frankreich-Belgien zur gemeinſamen Aktion vorbereitete. Man verſteht, daß die von Lord Roſebery genannten Verpflichtungen kurz vor dem Start- ſchuß, der ruſſiſchen Mobiliſierung, ziemlich feſt geknüpft waren, wenn man Prices Darſtellung üher das Geſpräch lieſt, das Fürſt Lichnowsky mit Sir Edward Grey an einem der kritiſchen Tage hatte. Der engliſche Miniſter des Außern konnte ſich damals„nicht darüber äußern“, ob England ſich verpflichten wolle, neutral zu bleiben, wenn Deutſchland das Verſprechen gäbe, Belgiens Neutralität nicht kränken zu wollen. Der Fürſt drängte den Miniſter dann, ob dieſer die Bedingungen formulieren könne, unter denen England neutral bleiben wolle: Er deutete ſogar an, daß die Integrität Frankreichs und einer Kolonien garantiert werden könnte. Aber Sir Edward Greys Antwort lautete ganz be— ſtimmt:„Ich fühle mich genötigt,“ ſagte er, „nich beſtimmt zu weigern, irgendein Ver⸗ sprechen bezüglich der Neutralität auf ähnliche Bedingungen hin zu geben, und ich kann nicht mehr ſagen, daß wir unſere Handlungsſreiheit behalten können.“ Dieſe„Handlungsfreiheit“ hatte Sir Edward Grey ſeit längerem vorbereitet, was unverblümt von ſeinen eigenen Landsleuten in den„War⸗ nungen“, die hier beſprochen ſind, bewieſen wird. Von Nah und fern. Ergebnis der Schülerwerbetätigkeit für die ſechſte Kriegsanleihe. Nach den in der„Zentrale für Kriegshilſe der Schulen“ eingegangenen Meldungen haben ſich weit mehr als 60% aller Schulen an dem vom Reichs⸗ bankdirektorium empfohlenen Verfahren der Zu— ſammenarbeit von Schule und Sparkaſſe be⸗ teiligt.— Bei der ſechſten Kriegsanleihe iſt die bisherige Höchſtleiſtung der Werbung zu ver— zeichnen: Es ſind durch 504 Schulen mit 27775 werbenden Schülern und Schülerinnen insgeſamt 52 291 901 Mark geworben worden. Während bisher vor allem die Schulen in kleineren und mittleren Städten die Land- bevölkerung„bearbeiteten“, haben ſich diesmal zahlreiche Großſtadtſchulen durch hohe Werbungs— ergebniſſe hervorgetan. Ein Schleichhändler von einem Poſten erſchoſſen. Genen Schußverletzung erlegen iſt im Plauener Krankenhauſe der Buchhalter Konrad Schindler, der vor etwa vier Wochen von einem zur Verhinderung des Schleichhandels mit Lebensmitteln aufgeſtellten Poſten unweit der Stadt angeſchoſſen wurde, weil er nach ſeiner Verhaftung flüchtete und trotz Haltruſs des Poſtens nicht ſtehen geblieben war. Schindler war als notoriſcher Wilderer bekannt. Bekanntlich hat die Stadtbehörde gegen eine zu ſcharfe Handhabung der Vorſchriften über den Waffengebrauch der Flurpoſten Verwahrung eingelegt. 3000 Eier gehamſtert. In Köln be⸗ ſchlagnahmte die Polizei im Hauſe eines Privat⸗ mannes nicht weniger als 3000 gehamſterte Eier. Hiervon waren höchſtens noch 250 ge— nießbar, die anderen waren faul und konnten uur noch als Schweinefutter verwendet werden. Familiendrama. In Augsburg hat der Kaufmann A. Fackler in einem Fremdenzimmer eines Gaſthofes ſeine Eheſrau und ſeinen drei— einhalbjährigen Sohn getötet und iſt ſodann geflohen. Großer Zuckerkartenſchwindel in Lem⸗ berg. Die„Lemberger Montagszeitung' meldet die Aufdeckung eines ſeit langer Zeit betriebenen großen Zuckerkartenſchwindels. Der Lemberger Magiſtrat übergab regelmäßig den Druck der für die Stadt beſtimmten 200 000 Zuckerkarten der„Druckarnia Polſka“, deren Direktor Pelſki es trotz Magiſtratskontrolle gelang, heimlich monatlich 8000 Karten zuzudrucken und mit ihnen ſchwungvollen Handel zu treiben. Pelſki wurde ins Landgericht eingeliefert. Es wurde ein hoher Geldbetrag und große Mengen Zucker⸗ karten vorgefunden. Aufſehenerregende andere Verhaftungen ſind bevorſtehend. Ein polniſcher Städtebund. Der War⸗ ſchauer Stadtrat nahm den Satzungsentwurf des polniſchen Staädtebundes an. Die all⸗ gemeinen Aufgaben des Städtebundes bezwecken, den Wohlſtand der Städte durch Unterſtützung und Verallgemeinerung der Einrichtungen zu erſtreben, die für die zum Bunde gehörigen Städte nützlich ſind. Brotmangel in Frankreich. Franzöſiſche Blätter berichten, daß die vorausſichtlich durch die Brotkarte auf den Kopf der Bevölkerung entfallende Menge 500 Gramm, für Landarbeiter 700 bis 800 Gramm betragen wird. Sollten die Brotmengen weiter herabgeſetzt werden müſſen, ſo würde die Verordnung über fleiſch⸗ loſe Tage für ungültig erklärt werden. Ein Unfall des Exzaren. Der ehe⸗ malige Zar, der in Begleitung ſeines früheren Hofmarſchalls Graf Benckendorff allmorgentlich im Park eine Fahrradtour unternimmt, iſt vom Rad geſtürzt und hat ſich eine Verletzung des linken Fußes zugezogen. Der Zar erlitt einen Ohnmachlsanfall und wurde von der herbei⸗ gerufenen Wache in das Schloß getragen. Amerikaniſche Erfinderfabeln. Der amerikaniſche Erfinder Ediſon hat, nach hollän⸗ diſchen Blättern, eine neue Erfindung gemacht, welche für die Kriegführung von allergrößter Bedeutung ſein ſoll. Es verlautet nicht nur nichts über die Art der Erfindung, ſondern ſie ſoll auch hergeſtellt werden in einer beſonders gebauten Fabrik, die vollſtändig abgeſchloſſen von der Welt liegt und mit hohen Mauern um⸗ geben iſt. Die Arbeiter, die dort eintreten, er⸗ halten ſehr hohe Löhne, dürfen aber zehn Monate hindurch das Grundſtück nicht verlaſſen und auch keinen ſchriftlichen Verkehr mit der Außenwelt unterhalten. Arras 1917. — Der erſte Anprall.— Der erſte große Durchbruchsverſuch am Oſter⸗ montag war vorbereitet durch wochenlanges planmäßiges Wirkungsſchießen der feindlichen ſchweren Artillerie, das in zuſammengefaßten, oft krampfartigen Feuerüberſällen die einzelnen Strecken und Punkte unſeres Grabennetzes, ſo⸗ weit ſie ihrer Erdbeobachtung zugänglich waren, zuſammentrommelte und allmählich unſere Gräben in Trichterſtellungen verwandelte. Der durch das Wetter metertief aufgeweichte Boden ließ eine Wiederherſtellung der zerſchoſſenen Grabenteile nicht zu. Wo die Unterſtände nach⸗ gegeben hatten, ſtand die Beſatzung ſchutzlos in Froſt und Feuer. Die Beſchießung wuchs von Tag zu Tag an Stärke, ſetzte wie zu einer letzten Pauſe der Sammlung zwei Tag vor dem großen Angriff plötzlich aus, begann am Abend des 8. April aufs neue mit zermürbenden Feuerwellen auf unſere Infanterie und Gas⸗ beſchuß auf unſere Batterien und ſchwoll am 9. früh nach 5 Uhr mit größter Heftigkeit zu einem gewaltigen Trommelfeuer an. Die ganze Linie Souchez—Heénin ſur Cojeul ſtand für zwanzig Minuten im Wirbelſturm auſſpritzender Erd— ſontainen, blitzender Rauchwolken und krachend zerſtiebender Eiſenmaſſen. Von einer für menſchliche Begriffe geradezu unerträglichen Wucht war das feindliche Artillerie- feuer bei der Straße Neuville St. Vaaſt— Thelus, dem Schauplatz jahrelanger Graben— kämpfe, und weiter ſüdlich bei der Straße St. Laurent—Athies— Fampoux, wo die Engländer nach eigener Angabe auf eine Breite von fünf Kilometern 456 Feldgeſchütze, 240 ſchwere und ſchwerſte Geſchütze und 268 Grabenmörſer auf unſere Linien wirken ließen. Der Infanterieangriff fand einen durch die engliſchen Geſchütze, die nach Gefangenenaus⸗ ſagen an dieſem Tage Rad an Rad ſtanden, wohlvorbereiteten Boden. Zwar wurden die erſten Angriffswellen von unſeren noch kampf— fähigen Maſchinengewehren und dem Sperr— feuer unſerer Artillerie größtenteils aufgerieben; dem nun folgenden Anſturm engliſcher Maſſen konnte jedoch die erſte und zweite Linie unſerer vorderen Stellung keinen Widerſtand leiſten. An den beiden obenbezeichneten Einbruch⸗ ſtellen gelang es den Engländern infolge der ganz unerhörten Artillerievorbereitung, ziemlich tief in unſere Stellung einzudringen, ſo daß ihnen die Möglichkeit tatſächlich eröffnet war, dort die noch unerſchüttert gebliebenen Teile unſerer Linie von Norden nach Süden zu um⸗ faſſen. Dieſe Abſicht gelang ihnen im Süden nur bis zur Linie Weſtraud Roeux— Weſtrand Heénin ſur Cojeul. Im Norden verblieb preußiſchen Regimentern der Oſtteil der Vimy⸗Höhen, während weſtlich Givenchy und nördlich davon uns nicht einmal die vorderſte Linie verloren ging. Im Raume zwiſchen den Straßen Arras— Lens und Arras— Gavrelle ſahen ſich Teile einer bayeriſchen Re⸗ ſervediviſion der drohenden Umſaſſung aus Thelus, Farbus im Norden und Fampoux im Süden gleichzeitig ausgeſetzt. Dank dem ent⸗ ſchloſſenen Eingreifen beherzter Unterführer ge⸗ lang es, bei aller Unklarheit der Lage durch einen glänzend durchgeführten Gegenſtoß in wurde. Am Nachmitlage des 9. April fügten Söhne der bayeriſchen Hochebene aus ihren ſchuell eingerichteten Stellungen im Vereine mit einigen gut wirkenden Batlerien den in der Gegend von Thelus und Farbus eingeniſteten ſchottiſchen Hochländern derartige Verluſte bei, daß ſie an eine weitere Ausdehnung ihres Ge⸗ winnes an dieſem Tage nicht mehr denken konnten. Das Ergebnis des erſten Schlacht⸗ lages war für die Engländer die Eroberung eines buſenförmig in unſere Front vorgeſchobenen Gebietes. Die Dörfer Thelus, Farhus, St. Laurent, Athies, Fampoux, Fenchy, Dilloy und Neuville⸗Vitaſſe waren für uns verloren. Erdöl als Heilmittel. Vielſeitigkeit des Petroleum a. Baß das Erdöl früher einmal als Heilmilrek angewandt wurde, dürfte vielen nicht bekannt ſein, und doch war dies bis in die erſten Jahr⸗ zehnte des 19. Jahrhunderts der Fall. Nament⸗ lich dem hannoverſchen Steinöl ſagte man heilende Kraft nach. Eine Arbeit des Phyſikus Dr. Biermann aus Peine, die 1820 erſchien, ſagt u. a.:„In mediziniſcher Hinſicht bedient ſich der Landmann des Erdöls beim Vieh, be— ſonders bei Kühen, bei denen die Milch eine veränderte Beſchaffenheit anzensmmen hat. (Das Ol wurde mit Waſſer verſiedet und ge⸗ miſcht und ſollte nach Anſicht der Bauern die Menge und Güte der Milch weſentlich erhöhen.) In großem Rufe ſteht bei dem Landmann in hieſiger Gegend das Ol gegen das kalte Fieber, wogegen es nach Maßgabe des Alters und der Konſtitution des Individuums zu 15—25 Tropfen eingenommen wird.“ Daneben wurde das Petroleum äußerlich gleichſam als Salbe benutzt. Darüber ſagt der Gewährsmann:„Man bedient ſich des Erdöls als eines allgemeinen Mittels bei Wunden ſo⸗ wohl bei den Menſchen als auch beim Vieh. Auch bei roſenartigen und rheumatiſchen Er⸗ krankungen(Entzündungen) hat ſich das Erdöl den Ruf eines Spezifikums erworben, in welchen Fällen es jedoch viel Vorſicht erfordert.“ Das klingt zwar ein wenig ſteptiſch; daß aber Dr. Biermann an die Heilkraft glaubte, geht aus dem Geſamtton ſeiner Abhandlung hervor. Er führt zahlreiche Heilungen auf die Ver⸗ wendung des Erdöls zurück. Wie ernſt man die Sache in dieſem Falle nahm, geht auch aus der Konferenz eines hannoverſchen Medizinal⸗ kollegiums hervor, das ſich mit dem Heil⸗ werte des Ols beſchäftigte, als 1730 bei Linden(Hannover) eine Olquelle entdeckt Sein Gutachten ging dahin,„daß das Ol von einem erfahrenen Chirurgen äußerlich mit Vorſicht gebraucht werden könne. Bei innerlichen Kuren aber hätte er billigerweiſe Bedenken, dieſes Heilmittel wegen ſeiner durch⸗ dringenden hitzigen Kraft einem Menſchen zu verordnen.“ Das Kollegium ließ alſo das Erd⸗ öl nur als Wundmittel unter beſchränkenden Vorausſetzungen gelten, lehnte es indes ſonſt ab. Hofmedikus Taube ſchrieb 1766:„Ich vermute, daß in dieſem Teer ein gutes Vor⸗ beugungsmittel wider die Hornviehſeuche zu finden ſein wird. In äußerlichen Sachen tut er gewiß große Dienſte.“ 5 a Heute hat das Petroleum allen Nimbus eines Heilmittels verloren; dafür hat es ſich mit ſeinen Nebenprodukten in anderer Hinſicht eine Welt erobert. Gerichts halle. Leipzig. Das Reichsgericht verwarf die Revi⸗ ſion des Grafen Mielzynsky, Rittergutsbeſitzer im Kreiſe Schroda, der vom Landgericht Poſen am 30. März d. Js. wegen Gerſteſchiebung, Höchſtpreis⸗ überſchreitung und Preiswuchers beim Gerſteverkauf ſowie wegen Preiswuchers mit Mehl und Trocken⸗ ſchnitzel zu insgeſamt 6 Monaten Gefängnis und 426420 Mark Geldſtrafe verurteilt worden war. Poſen. Der Landſchaftsrat Gutsbeſitzer Her⸗ mann Telitz wurde wegen Überſchreitung der Höchſt⸗ preiſe in fünf Fällen von der Strafkammer zu 6150 — ſüdweſtlicher Richtung aus Gegend Bailleul einerſeits und beſonnener Gruppierung der vor⸗ handenen Kräfte nach Nordweſten und Weſten andrerſeits den Flankenſtoß abzuwehren. Ehefrau zum Tode. Mark Geldſtraſe verurteilt. Bielefeld. Das Schwurgericht verurteilte den 36jährigen Tiſchler Tolte wegen Ermordung ſeiner unbot M. A νεν⁰f, ,. u. 4. H., 26 Von nun an verbannte Sabine alle geſchäft⸗ lichen Sorgen aus ihren Gedanken. „Es wurde ihr nicht ſchwer, denn ihre Tätig⸗ leit im Lazarett war eine andere geworden und nahm ihre volle Zeit in Anſpruch. Das ganze Rieſengebäude unter der Flagge des Roten Kreuzes— ein ehemaliges Hotel— lag voller Schwerverwundeter. Sabine erkannte jetzt, daß ihre bisherige Tätigkeit in der Krankenpflege bloße Spielerei geweſen war, und das Bewußtſein, endlich ein⸗ mal im Ernſte mithelfen zu können, machte ſie ſtolz und glücklich. Jetzt lernte ſie die Nächte am Bette Sterbender kennen: junges Blut mit zerſchoſſenen Gliedern, das unzuſammenhängende Worte, Namen, Flüche ſtammelte, das ſich in Schmerzen wand und von der trockenen Glut des Fiebers wie gehetztes Wild hin⸗ und hergejagt wurde. Sie lernte die grauen Morgenſtunden kennen, wenn ſie mit müden, verwachten Augen in das bleiche Licht ſtarrte, das fahlroſig über dem Hafen heraufdämmerte und den großen Saal, der den unſäglichen Jammer ſo vieler junger Menſchenkinder barg, mit ſeiner matten Hellig⸗ leit füllte. Aber ſie erkannte auch, wieviel Segen die Liebe hier ſtiſten konnte und lächelte manchmal ſtill vor ſich hin, wenn ſie der Gattinen und Mütter gedachte, denen ſie, ohne ſie zu kennen, ihre Galten und Söhne geſund pflegte. Geſund? Wieviele von denen, die hier lagen, würden wie vorher ſein, wenn ſie als hellt entlaſſen wurden? Sabine Asmuſſen allgerte, ſo oſt ſie daran dachte. Schon hinkten die erſten Krüppel durch die großen Säle. Sie mußte die Augen ſchließen, weil ſie den Anblick nicht extragen konnte. Dabei ſtaunte ſie immer von neuem über die Fröhlichkeit der Leute, über den unge⸗ brochenen Mut in den jungen Geſichtern.„Wir haben unſere Pflicht getan,“ ſagte ein junger Student, der im Schützengrabenkampf den rechten Arm verloren hatte.„Das Bewußtſein iſt auch etwas wert, Schweſter.“ Und ein wenig nachdenklich fügte er hinzu:„Ich habe früher viel von Pflicht und Vaterland ge— ſprochen; jetzt iſt mir's, als ob das alles nur leere Worte ohne Sinn geweſen wären. Den eigentlichen Sinn, den lernt man erſt da draußen.“ 6 „Man kann ihn auch hier in der Heimat lernen,“ dachte Sabine Asmuſſen und ließ ihre Blicke über die weißen Betten wandern. Jetzt war die Leere und Einſamkeit aus ihrem Leben verſchwunden. Den ganzen Tag wurden ihre Kräfte in Anſpruch genommen. Beate ſah ſie Wochen hindurch nicht, weil ſie ihr Heim in dieſer Zeit höchſtens für Stunden auſſuchen konnte. Jetzt war nicht mehr die Rede vom Entbehrlichſein und einem Überfluß der angebotenen Kräfte.. Neue Pflegerinnen waren eingeſtellt: viele junge, kindliche Geſichter lugten unter den weißen Hauben hervor, Augen, die ſich vor Entſetzen weiteten und ſtarr wurden beim An⸗ blick all des Elends, das von den Schlacht⸗ feldern im fremden Lande in die Heimat hin⸗ uͤbergewandert war. abine ſah mit einem Gefähl, das balb! ich gerichtet, ſie in ein blaſſes, ernſtes Ge⸗ ſicht bee e Au, Die Fremde mochte eſwa dreißig Jahre alt ſein; doch lag Neid, halb Mitleid war, auf all die jungen Frauen und Mädchen. Mußte die naive Fröhlichkeit der Jugend hier nicht dahinſchwinden wie die Blüte unterm Nachtreif? Und dennoch—, konnten Deutſchlands Frauen daheim die Hände in den Schoß legen, während ihre Söhne, Gatten und Brüder unter ihren Wunden ächzten und ſtöhnten? Wie viele von den Helferinnen im blau⸗ weißen Kleide hatten ein teures Gut unter den Kämpfern da draußen! Sabine belauſchte einſt die Unterhaltung einer Krankenſchweſter mit einem Schwerverwundeten. „Es ſind jetzt wieder Kämpfe bei Lionville, nicht wahr?“ „Seit zwei Monaten— ja.“ „Viele Verluſte?“ Der Mann zuckte die Achſeln. „Nicht beſonders. Ein paar Kopſſchüſſe und Leichtvenwundete. Der Gegner iſt nicht ſtark.“ „Ihre Kompanje hat lange Ruhe gehabt?“ „Während der erſten ſieben Monate haben wir ganz ſtill geld Es ſah aus, als wollte die Schweſter, von der man nicht recht ſagen konnte, ob ſie Frau oder Müdchen war, noch weitere Fragen ſtellen; da traf ihr auf ine, welche dem Ge⸗ ſpräch gefolgt war. 6 Einen blick lang fühlte dieſe zwei oße, ſanfte Augen mit 1 0 Frage auf der 10 iſſer i Zauber über Al Sabine fühlte, wie ſie unter dem fragenden Blick der großen Augen errötet war. Ein plöͤtz⸗ licher Unwille gegen die Fremde hatte ſich ihrer bemächtigt. Gewiß hatte es ihr fern gelegen, die Lauſcherin zu ſpielen, nur hatte ihr Ohr das Wort Lionville aufgefangen. Den Ort kannte ſie aus Werners Briefen, die aus Lionville datiert waren; ſo war es natürlich, daß ihr Intereſſe für die Unterhaltung erwachte. Wollte die Fremde ihr mit ihrem Blick ſtumme Vorhaltungen machen? „Schweſter Franziska!“ klang die Stimme des Oberarztes. Die Pflegerin wandte ihren Blick von Sabine ab, erhob ſich und ſchritt eilig zwiſchen den Betten der Kranken entlang ins Neben⸗ zimmer. Sabine ſah das abgemagerte Geſicht, die ſchmächtige Geſtalt, zart und gebrechlich wie die einer alten Frau. Ihr Unwille war untergegangen in einem Gefühl des Mitleids, das jäh iu ihr auſwallte. Wer mochte wiſſen, wen dieſe Frau da draußen bei Lionville im Felde hatte, um welches teure Leben ſie jetzt zitterte und bangte, Sie betrachtete Schweſter Franziska von nun an mit einer Art neugierigen Intereſſes und verſuchle wiederholt, ſich ihr zu nähern. Dabei glaubte ſie zu bemerken, daß dieſe ihr auswich; wenigſtens bekam Sabine auf ein paar Fragen nur kurze, haſtige Antworten, und das Geſicht der andern hatte ſich dabei mit einer tiefen Möle der Ballen bededt. aortſezung folgt.)