PEHLANZEIGE JAHRGA NE ZEITUNG SHUAMN EF 8 —— mn n r 71 8 5 0 9905 5— Erſcheint wöchentlich dreimal: Dienstag, Donnerstag u. Samstag Bezugspreis: monatlich 60 Pfg. mit Trägerlohn, durch die Poſt pro Quartal 2.08 Beſtellungen können bei unſerer Expedition u. bei allen Poſtanſtalten gemacht werden. Beilagen: Sonntagsblatt, Wand⸗ kalender und Fahrplan. Amtsblatt der Euthält alle amtlichen Bekanntmachungen der Behörden Viernheims und Umgebung. Inſerate finden in der Bürger⸗Zeitung wirkſamſte Verbreitung.— Für Wohnungsinſerate Ausnahme⸗Tarlf Schriftleitung, Druck und Verlag: Joh. Martin, Viernheim, Rathausſtraße. 1——-⁹⁹ůãm n Fernheiner Bürger Zeit Geſchüfts ⸗ Anzeiger Lokal⸗Anzeigeblatt für Viernheim E e Vereins- Anzeiger —U—ä————„— Bürgermeisterei Viernheim h. Anzeigenpreiſe: Reklamen im Textteil 80 Pfg. auswärts 25% Teuerungszuſchlag. Beilagen für 1000 Exemplare 9 Mark. Bei zwangsweiſer Beitreibung wird der gewährte Nabatt hinfällig, desgleichen bei Nichtbezahlung innerhalb drei Monaten. Amt Viernheim. 1 Feruſprecher Nr. 217 ä Samstag, den 3. Jauuar 1920 10. Jahrg. Poſtſcheckkonto Nr. 21577 Amt Frankfurt a. M. Amtlicher Teil Betr.: Einführung von Blehkataſtern. Wir verweiſen, um die Viehhalter vor Beſtrafung zu ſchützen, wiederholt auf die in vorſtehendem Betreff erlaſſene Bekanntmachung des Heſſ. Landesernährungsamtes. Hier⸗ nach hat jeder Viehbeſitzer Beränderungen in ſeinem Vieh⸗ beſtande, ſoweit es ſich um Pferde, Rindvieh, Schweine und Schafe handelt, namentlich jeden Zugang durch Geburt, Kauf uſw. und jeden Abgang durch Verkauf, Hausſchlach⸗ tung, Verenden uſw. binnen 48 Stunden dem Viehkataſter⸗ führer Iſaak Kaufmann anzumelden und ſich über etwaige Abgänge auszuweiſen. 5 Weiter machen wir darauf aufmerkam, daß der genannte Kataſterführer berechtigt iſt jederzeit in die Viehbeſtän de Einſicht zu nehmen und daß die Viehbeſitzer verpflichtet ſind, ihm jederzeit den Eintritt in die Stallungen und ſonſtigen Räumen, in denen Vieh untergebracht ſein kann, zu geſtatten. Wer gegen dieſe Beſtimmungen verſtößt, hat ſtrenge Beſtrafung zu erwarten. — Betr: Erwerbsloſenfürſorge. 5 g In der Kalenderwoche vom 5. bis einſchließlich 10. Januar 1920 werden für Erwerbsloſenunterſtützungsbezieher untenſtehende Kontrollzeiten feſtgeſetzt. Quittungskarte(evtl. Arbeltsbuch) und Kontrollſchein ſind jedesmal unaufgefordert vorzulegen. Nichtbeachtung hat den Verluſt der Unterſtützung fur dle betreffende Zeit zur Folge. Wir machen ausdrück⸗ lich darauf aufmerkſam, daß die feiernden Arbeiter der Chem. Fabrik Wohlgelegen uſw. ſich bei uns ebenfalls in der alpha⸗ betiſchen Reihenfolge dreimal zu melden haben. Alle Mel⸗ dungen ſind in Zimmer 24 zu machen. A bis K einſchließlich am Montag, 5. Jan. vorm. zwiſchen 11 und 12 Uhr L. bis 2 einſchließlich f f am Dienstag, 6. Jan., vorm. zwiſchen 10 u. 11 Ahr A bis K einſchließlich am Mittwoch, 7. Jan., vorm. zwiſchen 9 u 10 Uhr L. bis 2 einſchließlich am Donnerstag, 8. Jan. vorm. zwiſchen 9 u. 10 Ahr Am 79.10 den 9. Jauuar 1920 vor⸗ mittags von 9— 10 Uhr haben ſich zwecks Anwei⸗ ſung der Zahlung nur diejenigen Anterſtützungs⸗ empfänger bei uns zu melden, die ihre Erwerbs⸗ loſenunterſtützung von der Gemeinde kaſſe erhalten. A bis 2 einſchließlich am Samstag, 10. Jan., vorm. zwiſchen 10 u. 11 Ahr Betr.: Ablieferung von Seifenpulvermarkeu. Die Seifenpulvermarken für Dezember 1919 ſind am Dienstag, den 6. Januar 1919 vorm. von den Händlern auf unſerem Büro Nr. 15 zur Ablieferung zu bringen. Die Empfangsbeſtätigungen ſind von den Händ⸗ lern ſelbſt vorzulegen. Betr.: Den Verkehr mit Saatgetreide und Saatgerſte. Die Beſtellung von Saatgetreide von nichtbezugsbe⸗ rechtigten Perſonen hat einen derartigen Umfang angenom⸗ men, daß unſere Blotverſorgung gefährdet wird. Der Kom⸗ munalverband hat daher angeoednet, daß Saatgut nur von ſolchen Leuten beſtellt werden darf, die die Gewähr für ordnungsmäßigen Verwendung bieten. Saakkarten dürfen für die Folge nur hier beantragt werden. Hierbei iſt an⸗ ugeben: f 0 Die Geſamtgröße der Wirtſchaft nach Ar, 2. Namen des Lieferanten, 3. Größe der mit dem gewünſchten Saatgut zu beſtellen⸗ den Fläche, f 90 a 4. Fruchtart, für die die Saatkarte gewünſcht wird, a 5. Menge in Kg., für die die Saatkarte gewünſcht wird, 6. Welche Mengen an ſelbſtgebauten Fruchten der Ernte T—-— 1918 od. 1919 an den Kom.⸗Verband abgeliefert wurden. 7. Genaue Bezeichnung des Grundſtücks(Ge⸗ wann, Flur Nr.) auf welchem das Saatgut verwendet wird. Die Angaben werden hier im Einvernebmen durch das Feldſchutzberſonal nachgeprüft. Bei unrichtigen Angaben muß Anzeige wegen Betrugs erſtattet werden. Viernheim, den 3. Januar 1920. Heſſ. Bürgermeiſterei Viernheim. Lamberth. Gemeindekaſſe. Wegen des Bücherabſchluſſes muß der Zahltag am nächſten Montag, den 5. d. Mts. ausfallen. Dringend nötige Kaſſegeſchäfte ſowie Sparkaſſeangelegenheiten können am Dienſtag Vorm. von 11 bis 12 Uhr erledigt werden. Viernheim, den 2. Januar 1920. Jöſt. Lolale Nachrichten. — Proteſtverſammlung. Wir erhalten folgende Zuſchrift:„Viernheim, 1. Jan. Im geräumigen Saale vom„Schützenhof“ fand heute eine gut beſuchte Verſamm⸗ lung der tabakbauenden Landwirte, ſowie der tabakverarbei⸗ tenden Kleingewerbetreibenden ſtat.. Der Saal war über⸗ füllt. Die Verfammlung verlangte einſtimmig die Beſeiti⸗ gung der Detag, bezw. der Verordnungen derſelben. Die Kom⸗ miſſtonen erſtatteten auch Bericht über die Verhandlungen beim heſſiſchen Miniſterium. Auch wurde eine Reſolution abgefaßt und einſtimmig angenommen mit folgendem In⸗ halt:„Die Verſammlung wird mit allen Mitteln die Be⸗ ſchlagnahme und Enteignung des Tabaks der Landwirte und Kleingewerbetreibenden vereiteln.“ Jeder Anweſende war an Hand der Ausführungen der einzelnen Redner überzeugt von dem ungerechten Tun und Treiben der Detag den Landwir⸗ ten und Kleingewerbetreibenden gegenüber, was noch ganz grell beleuchtet wurde, durch Bekanntgabe eines Satzes einem Artikel eines Zigarrengroßfabrükanten in der Südd. Tabak⸗ zeitung:„Die Arbeiter wollen ſich als Herren aufſpielen,“ was der reinſte Hohn iſt zu den Worten:„Freie Bahn dem Tüchtigen“. Die Verſammlung wurde geſchloſſen mit dem einſtimmigen Ausrufe: Kein Pfund Tabak der Detag.“ i k. Geſangverein„Flora“. Ein genußreicher Abend verſpricht das morgen im Saale zum„Engel“ ſtattſindende Weihnachtskonzert zu werden. Freunde ſchöner Männerchöre mögen ſich durch frühzeitiges Erſcheinen einen Platz ſichern. Auch für Humoriſtika iſt beſtens Sorge getragen. Dem ſtrebſamen Verein wünſchen wir ein vollbeſetztes Haus. Sport:„Hertha“ kommt! Ein ſelten ſo ſpan⸗ nend erwartetes Spiel, wird morgen Sonntag hinterm Gas— werk ausgetragen. Dem Sport Verein ſtehen die 3 Bom⸗ benmannſchaften„Hertha“ Mannheim geg nüber in der be— ſonders die 1. Mannſchaft in ſtärkſter Aufſtellung antreten wird. Sport-Verein muß alles aufbieten, um die 2 wert⸗ vollen Punkte für ſich zu gewinnen. Drum iſt es Pflicht eines jeden Spielers, ſein Ganzes herzugeben um den Sieg ſicher zu ſtellen. Parole: Auf zum Sportplatz! Zur Aufklärung! Vielfachen Anfragen, wegen Einlöſung der Zinsſcheine, gerecht zu werden, dienen nachſtehende Zeilen: 5 Um eine genaue Kontrolle über den Beſitz des einzel⸗ nen Steuerzahlers an Wertpapieren zu habeu, beſtimmt das Geſetz, daß die Zinsſcheine ſolcher Papfere von Banken und Sparkaſſen nur eingelöſt werden dürfen, wenn dieſe Papiere dem zuſtändigen Finanzamt— alfo für Viernheim dem Finanzamt Heppenheim— angemeldet ſind. Dieſe Anmel⸗ dung kann erfolgen i 1. durch den Beſitzer ſelbſt. Jeder hieſige Beſitzer tellt dem Finanzomt Heppenheim in doppeiter Ausfertigung die Nummer und den Betrag ſeiner Papiere mit, und das Finanzamt giebt eine Ausfertigung mit amtl. Beſcheinigung der Anmeldung zurück. Sollen nun die Zinsſcheine in bares Geld umgewechſelt oder als Spareinlage gutgeſchrieben wer⸗ den, ſo iſt dieſe Beſcheinigung der ſteueramtl. Anmeldung mit den Zinsſcheinen der Bank oder Sparkaſſe vorzulegen. Die Wertpapiere ſelbſt brauchen nie mit vorgelegt zu werden. 2. Durch Banken oder Sparkaſſen. Wer ſich der Mühe der Selbſtanmeldung nicht unterziehen will, über⸗ giebt ſeine Papiere einer Bank. Dieſe beſorgt dann die Anmeldung bei dem zuſtändigen Finanzamt und löſt die Zinsſcheine ein. Daß die bei Banken hinterlegten Papiere nicht angemeldet und ſo der ſteueramtlichen Kontrolle entzo⸗ geu ſeien, iſt ein großer Irrtum. Die Banken berechnen für ihre Mühewaltung 3 bis 4 Mark für je 1000 Mk. hinter⸗ legte Papiere. Allen Mitgliedern, Geſchäfsfreunden und Intereſſenten zur Kenntnis, daß Formulare zur Anmeldung beim Finanz⸗ amt Heppenheim in unſeren Zahltagen ab 4. Januar 1920 erhältlich ſind und löſen wir jeden Zinsſchein gegen Vor⸗ lage der amtlichen Beſcheinigung koſtenlos ein. Allen den⸗ jenigen, welche ihre Papiere bei einer Bank hinterlegen wol⸗ len, empfehlen wir die Vereinsbank Weinheim, eines der größten und beſtgeleiteten Kreditinſtituten auf genoſſenſchaft⸗ licher Grundlage. Die Vereinsbank hat ſich bereit erklärt, gegen eine Gebühr von 50 Pfg. für jedes 1000 Mk. Wert⸗ piere die Aufbewahrung, Anmeldung und Einlöſung der Zinsſcheine zu beſorgen, gewiß eine mäßige Gebühr gegen⸗ über den Sätzen der Großbanken. Zu jeder weiteren Aus⸗ kunft ſind wir gerne bereit. Der Vorſtand der a Spar⸗ und Leihkaſſe Viernheim. Erklärung! Sportverein-Amicitia trafen ſich am erſten Weihnachts⸗ felertage an Stelle Neckarſulm auf dem Sportplatze hinterm Gaswerk. Sportoerein ſandte zwei Mann ins Lokal zum goldenen Stern und forderte an Stelle Neckarſulm Amicttia zu einem Fußballwettkampfe auf. Auch immer war Amicitia bereit, das Spiel auszutragen um keinen Haß gegenüber den Sportkollegen des Sportvereins zu zeigen. Der Spielaus⸗ ſchuß teilte den Mitgliedern mit, das Spiel auszutragen, um den Sportverein nicht in Verlegenheit zu bringen. Wie auch ſchon früher ſo hatte auch diesmal unſere Gutmütig⸗ keit keinen Erfolg, denn wie hier G. H. ſchon erwähnte, daß Sportverein ſeinen Gegner vollſtändig unterſchätzte, während umgekehrt es für„Amicitia“ ein beſonderer Reiz und Ehrgeiz war, in dieſem Spiel ſein Können zu zeigen. Wir bedauern ſehr erwähnen zu müſſen, was überhaupt G. H. von Reiz und Ehrgeiz verſteht. Er ſcheint wohl nicht zu wiſſen, daß„Amicitla“ ſchon wie immer ſeine Gutmütig⸗ keit gezeigt hat, aber niemals belohnt wurde. Auch erwähnte G. H. in ſeinem Artikel, daß die Technik und das leichte Zuſammenfinden der Mannſchaft von„Amtcitia“ anzuerken⸗ nen ſei. Aber begreifen können wir wirklich nicht, daß er dann noch behauptet, daß jeder Durchbruch von„Amicitia“ an den vielen Beinen und Körpern zerſchellte. Es iſt wirk⸗ lich zum Lachen, wenn man ſolch Artikel leſen muß, der überhaupt keinen Sinn hatte. Wir warnen G. H. recht⸗ zeitig davor, ehe er einen Artikel veröffentlicht, ſeine Sachen genauer zu überlegen Nie und nimmer wieder kann unſere Gutmütigkeit in dieſer Art mißbraucht werden. Fußballklub„Amicitia 1909“. Kirchliche Anzeigen der evangel. Gemeinde Sonntag, den 4. Januar 1920. Vorm. 10 Uhr: Gottesdienſt. „ I1„ Kindergottesdienſt. Abends 8 Uhr: Jugendvereinigung Mittwoch, den 7. Januar: Abends 8 Uhr: Bibelſtunde. ———— vr Weihnachts-Konzert am Sonntag, den 4. Januar 1920, abends 8 Uhr im Saale zum goldenen Engel. Reichhaltiges Programm.? Eintritt für Michtmitglieder Mk. 1.— NB. Verlosungs-Gegenstände werden im Casthaus„zum Engel“ dankend entgegengenommen. Italieniſcher Sozialismus. Unſer Mitarbeiter ſchreibt: 6 Die Neuwahlen in Italien haben der römiſchen Kammer ein vollſtändig verändertes Ausſehen gegeben; trotzdem iſt das Miniſterium Nitti aus der erſten Parla⸗ mentsſchlacht, zu der es ſich den Erwählten des Volkes ſtellte, als Sieger hervorgegangen. Zwar nur mit der knappen Mehrheit von 26 Stimmen. Aber der Erfolg reicht aus, um die Stürmer auf der Linken vorerſt einmal zur Ruhe zu bringen, und die Regierung darf hoffen, daß der moraliſche Eindruck ihres Erfolges ſtark genug nach⸗ wirken wird, um ſie bis Ende Januar wenigſtens, bis wohin ſich die Kammer vertagt hat, vor inneren Störungen zu bewahren. Eine Atempauſe jedenfalls, in der mancherlei geordnet werden kann, was der Ordnung dringend bedarf. Der internationale Sozialismus hat, nachdem das ruſſiſche Bollwerk der bürgerlich⸗kapitaliſtiſchen Welt⸗ ordnung aus dem Wege geraͤumt und das deutſche er⸗ ſchüttert worden iſt, das Königreich Italien als nächſtes Angriffsziel ins Auge gefaßt. Der Sieg über die Mittel⸗ mächte, über ſeine Dreibundgenoſſen von einſt, hat dem italieniſchen Volke einſtweilen wenigſtens nicht viel mehr als taube Nüſſe eingetragen. Es darf ſich in Trient und in Bozen, in Trieſt und ſogar auch in Fiume breit machen, aber die Not der Heimat iſt darum nicht um ein Quentchen geringer geworden. Im Gegenteil, ſie wird noch ver⸗ ſchärft durch das immer deutlicher ſich ausprägende Be⸗ wußtſein der Abhängigkeit von den wirklich Großen im europäiſchen Völkerkonzert, von England und Frankreich, ja ſogar von Amerika, die für alles andere eher Ver⸗ ſtändnis zeigen als für Uneigennützigkeit in der Freundſchaft. So war es kein Wunder, daß die Sozialdemokraten ziemlich als ſtärkſte Partei aus dem Wahlkampf hervorgingen; ihre Erfolge können ſich neben denſenigen der deutſchen Genoſſen ganz gut ſehen laſſen. Mit dem Unterſchiede freilich, daß ſich bei uns zwei feindliche Richtungen in ſie teilen mußten, während in Italien die Spaltung gerade noch verhütet wurde. Zu kleinen Abſplitterungen iſt es wohl auch dort gekommen, die Stoßkraft der Partei wurde dadurch jedoch nur un⸗ weſentlich beeinträchtigt. Mit dem ferneren Unterſchiede allerdings, daß in der heißen Luft des Südens die radikale Richtung mit ihren kommuniſtiſch⸗bolſchewiſtiſchen Tendenzen vollkommen die Oberhand gewann, ſo daß alſo die rund 150 Mann ſtarke Kammerfraktion nichts weniger als zu Kompromiſſen mit anderen Parteien ge⸗ neigt an die Arbeit gegangen iſt. Das erſte, was ſie ſich vornahm, war eine weithin vernehmbare Demonſtration gegen den König. Sie iſt in den brauſenden Evviva⸗ e überwiegenden Kammermehrheit wirkungslos verpufft. Das zweite, was ſie erſtrebte, war der Sturz des Miniſteriums; ſie iſt auch in dieſer Frage nicht ans Ziel gekommen. Furchtlos trat der Miniſterpräſident ihren Wortführern entgegen, mit aller Entſchloſſenheit erklärte er, daß er den Staat unter keinen Umſtänden von einer Minderheit vergewaltigen laſſen werde. Und unmiß⸗ verſtändlich wurde er, ohne daß ein beſonderer Hinweis auf dieſe Vorgänge nötig war, durch die Tatſache unter⸗ ſtützt, daß überall im Lande, wo es in dieſen Tagen, ſei es unter dem Druck wahrhafter Not, ſei es vermöge der Hetzarbeit aufrühreriſcher Elemente, zu Ruheſtörungen ge⸗ kommen iſt, weder das Militär noch die Polizei im Dienſte der Regierung verſagt hat. Dieſe Sprache ſpricht ſchließ⸗ lich für ſich ſelbſt. Nicht einmal mit der Forderung nach Aufhebung der Zenſur konnten die Sozialiſten durch⸗ dringen; ebenſo wenig fanden ſie mit dem Verlangen nach Veröffentlichung der diplomatiſchen Dokumente bezüglich der Neutralität Italiens im Kriege irgendwelche Gegen⸗ liebe bei der Kammer. Nein, die Sozialiſten haben, zunächſt einmal, auf der ganzen Linie den Kürzeren ge⸗ zogen. Sie haben nun Zeit darüber nachzudenken, ob ſte ſich von einer Verſchärfung— oder aber pon einer be⸗ Nen Führung des Kampfes beſſere Erfolge verſprechen ürſen. Beschlagnahme der Huslandsguthaben. Zur Ausführung des Friedensvertrages. Der Pariſer Oberſte Rat hat einen neuen Schlag gegen Deutſchland geführt durch folgenden Beſchluß: Der Oberſte Rat hat in ſeiner vorletzten Sitzung auf el der dentſchen Guthaben im neutralen Anslaude fur die Zwecke der Wiedergutmachung zugeſtimmt. Wenn ſich die Neutralen dleſem Beſchluß fügen, iſt der Ruin Deutſchlands um einen weſteren Schritt ge. fördert worden und unſere Valuta wird dann einen überhaupt noch nicht dageweſenen Tieſſtand erleben. Reviſion des Außenhandels. Der Oberſte Rat hat ferner die Antwort entworfen, die der deutſchen Regierung auf ihr Erſuchen um Ge⸗ nehmigung einer Repiſion der Zollgebühren zu geben iſt. Dieſe Erlaubnis wird ihr erteilt werden in dem Maße, als die Wiedergutmachungsfommiſſion ſie im Hinblick der Entwertung bes deutſchen Geldes für gerechtfertigt halten wird. Zu gleicher Zeit wird eine Unterſuchung angeſtellt werden in der Frage der Einfuhrverbote, die die deutſche Reglerung erlaſſen hat, und die hauptſächlich den franzö⸗ ſiſchen Handel freffen. Keinerlei Milde. Wie„Havas“ behauptet, iſt es wahrſcheinlich, daß der Oberſte Rat beſchloſſen hat, die Forderung aufrechtzu⸗ erhalten, daß Deutſchland das Protokoll vom 1. November bezüglich der Ausführung der Waffenſtillſtandsbedingungen und der Lieferung von 400 000 Tonnen Hafenmaterial als Erſatz für die bei Scapa Flow verſenkten Schiffe unter⸗ zeichnet. Indeſſen werden ſich die Alliierten verpflichten, im Falle des Nachweiſes, daß ihre Einſchötzungen des deutſchen Hafenmaterials zu hoch ſind, dieſem Umſtand Rechnung zu tragen und ihre Forderungen entſprechend zu ermäßigen. Politiſche Rundſchau. f Deutſchland. Geiſtlicher Troſt für unſere Kriegsgefangenen. Anläßlich des Weihnachtsfeſtes hat die deutſche Regierung bei der franzöſiſchen Regierung um die Erlaubnis nach⸗ geſucht, daß katholiſche und proteſtantiſche Feldprediger die deutſchen Gefangenenlager in Frankreich beſuchen dürfen. Die franzöſiſche Regierung hat dieſem Geſuch entſprochen. Teuerungszulagen für die preußiſchen Beamten. Nachdem die Reichs finanzverwaltung unter Zuſtimmung des Haushaltsausſchuſſes der Nationalverſammlung ange⸗ kündigt hat, daß den Reichsbeamten für die Zeit vom 1. Januar 1920 bis zum Inkrafttreten der bereits in Ardeit beſindlichen Beſoldungsreform eine Erhöhung der laufenden Teuerungszulagen um 50 00 gewährt werden ſoll, hat das preußiſche Staatsminiſterium beſchloſſen, vorbehaltlich der ſpäter einzuholenden Zuſtimmung der Landesverſammlung den preußiſchen Beamten die gleiche Zulage zukommen zu laſſen. Der Wunſch nach Neuwahlen in Heſſen. Die Deutſche Volkspartei will auf dem Wege einer Volks⸗ abſtimmung Neuwahlen zur heſſiſchen Volkskammer ver anlaſſen. Nach ihrer Anſicht beſitzt die Voltskammer in ihrer jetzigen Zuſammenſetzung nicht mehr das Vertrauen der Wähler. Verfaſſungs rechtlich ſind die Neuwahlen für April 1921 vorgeſehen. Nach den Wünſchen der Deutſchen Volkspartei ſollen ſie bereits im April, ſpäteſtens Herbſt nächſten Jahres ſtattfinden. i Das bayeriſche Zentrum gegen den Einheitsſtaat. Der Landesausſchuß der bayerischen Volkspartei(Zentrum) hat ſich im Anſchiaß an die bereits bekann Erklärung der Landtagsfraktion gleichfalls aufs allerſchckeſſte gegen den Einheitsſtaat ausgeſprochen. Bayern dbae eine ganze Eigengeſetzgebung und die Rechte ſeiner ſtaatlichen Selbſtändigkeit nicht aus der Hand geben. Die bayeriſche Volkspartei werde deshalb jeden weiteren Zentraliſierungs⸗ verſuchen den allerentſchledenſten Widerſtand entgegen. ſetzen: dieſe ſeien für die Relchsfreudigkeit, nicht nur in bayeriſchen Gebieten, ſehr gefährlich. Die Einberufung der Landesverſammlung der bayeriſchen Volkspartei wird für die erſte Hälfte des Januar verlangt. England. Zwei Parlamente für Irland. Unterhauſe befaßte ſich Lloyd George iriſchen Frage. Die Pläne der Regierung für eine Neu- regelung ſeien in großen Zügen etwa folgende: Es ſollten in Irland zwei Parlamente gebildet werden, eins für Irland und eins für Ulſter, die ſich, falls ſie es wünſchen, vereinigen könnten. Die Parlamente erhalten vollſtändig geſetzgebende Macht. Sie dürfen Geſetze, welche nur auf Irland Bezug haben, vorſchlagen und annehmen und alle In ſeiner Rede im ausführlich mit der Grund des Verſailler Friedens vertrages der Beſchlagnahme Rechte ausüben, die nicht ausdrücklich dem Reichsparla⸗ ee 0 Sammelmappe für bemerkenswerte Tages und Zeiterelaniſſe. „Per Führer der deutſchen Abordnung in Paris, Freihe v. Lersner, empfing die Antwort der All ierten in der Sache der Entſchädigung ſür Scapa Flow und reiſte, um neus 0 einzuholen, mit der ganzen Abordnung nach erlin. „ Die Entente hat die Rückbeförderung ber deutſchen Ge⸗ fangenen aus Sibirien unterſagt, »Das Reichskabinett hat zum Bau von Beramanns⸗ nee beſondere Mittel aus einer Sonderkohlenabgabe ewilligt. e Das vreußiſche Staatsminiſtertum bat beſchloſſen, allen preußiſchen Beamten ebenfalls eine Teuerungszulage von 50% des Gehaltes zu bewilligen. 0 „Der Landesausſchuß des bayeriſchen Zentrums wendet ſich in einer Entſchließung ſcharf gegen den Einheitsſtaat. „Mer Reichs⸗ und Stagtskommiſſar für Schleſien. Gorda hat den erbetenen Abſchied erhalten und iſt von ſeinem zurückgetreten. Der emal deutſche Kronprinz wird die Welbnachts⸗ tage bei ſeinem Vater in Amerongen zubringen. „ Der holländiſche Kriegsminiſter iſt wmrückgetreten, weil je Kammer von ſeinem Etat 1800 000 Gulden geſtrichen bat. „Per Papſt iſt leicht erkrankt und hat, da ihm die Arste 1 anempfohlen haben, mebrere Audienzen abſagen aſſen. Nach einer Melbung aus Batum iſt dort die Mutter Trotzkis verhaftet worden. «In Soſia fanden große Kundgebungen ſtatt, bei denen die Abdankung des Zaren Boris gefordert wurde. ment vorbehalten find. Die iriſchen Parlamente dürfen über Unterhalts⸗, Wohnungs⸗, Arbeitsfragen, Fragen der lokalen Verwaltung, der Eiſenbahn, der Polizei, lokale Rechtsfragen, über Wege und Brücken entſcheiden. Ferner ſoll der Schutz der Minderheiten gewährleiſtet werden. Für die Reichsperwaltung ſoll Irland jährlich 18 Mil⸗ lionen Pfund Sterling beiſteuern. Schweiz. 29 000 Deſerteure. Ein Bericht des Schweizer Bundesrats enthält intereſſante Angaben über die Zahl der Deſerteure, die bis zum Mai d. Is. von der Bundes⸗ behörde in der Schweiz feſtgeſtellt wurde. Die Geſamt⸗ zahl beläuft ſich auf ungefähr 29 000. Hiervon waren ungefähr 12 000 Italiener, 7000 Deutſche, 2500 Franzoſen und eine kleine Anzahl Engländer. Amerika. Die Friedensformel des Senats. Aus Waſhington wird gemeldet, daß der Senatsausſchuß für auswärtige Angelegenheiten die neu entworfene Entſchließung des Senators Knox, in der der Friedens zuſtand mit Deutſch⸗ land erklärt wird, mit ſieben gegen drei Stimmen gut⸗ geheißen hat. Die Entſchließung tritt ein für Friedens⸗ erklärung, für Beibehaltung aller materiellen Vorbehalte, die für die Vereinigten Staaten aus dem Vertrage von Verſailles erwachſen, und für die Bekräftigung der allge⸗ meinen Unterſtützung praktiſcher Pläne für einen inter⸗ nationalen Friedensbund durch die amerikaniſche Re⸗ gierung. 4 Berlin. Die deutſche Regierung bat von der hollän⸗ diſchen Regierung die Auslieferung des wegen der Er⸗ mordung von Roſa Luxemburg verurteilten Leutnants Vogel verlangt. Die Entſcheidung des bolländiſchen Gerichtshofes ſteht noch aus. Danzig. Die Nachricht, daß die Polen in Danzig die Wahlen angefochten haben, beſtätigt ſich nicht. Alle Parteien baben die Wahlen beſtätigt. London. Das Unterhaus hat einen Abänderungsantrag zum Fremdengeſetz angenommen, demzufolge früher feind⸗ liche Ausländer nur dann ausgewieſen werden dürfen, wenn eine begründete Anklage gegen ſie vorliegt. Lon don.„Dally Telegraph“ meldet aus Paris, daß mehr als 350 deutſche een e dsc nach Paris übergeführt wurden, wo ſie wegen Verbrechen im Kriege abgeurteilt werden ſollen. Tokio. Der japaniſche Miniſterrat faßte den Beſchluß, in 1 0 weiter offenſiv gegen die Bolſchewiken vor⸗ zugehen. Dee en CTbTTTCCT0TCTCT0T0T0T0TbTbTbTbTbTTTKb Am ein Erbe. 4 Novelle von Karl Meiſner. ö 9 Machbruck verboten.) „Für Sie liegt gewiß in meinen eigenen Worten eine Mahnung zur Vorſicht mir gegenüber. Aber ich hoffe, dieſen Ihren Gedanken dadurch widerlegen zu können, daß ich Sie darauf aufmerkſam mache, daß ich hier die weltabgeſchiedene Einſamkeit aufgeſucht habe. Wer ſeinen Mitmenſchen Schaden zufügen will, der muß ſte aufſuchen, nicht vor ihnen fliehen. Wer aber von ihnen keine Enttäuſchungen mehr erleiden will, der meidet ſie und ſucht die Stille, wie ich. Vor allen Gefahren, die Ihnen von Menſchen hier drohen könnten, kann ich Sie wohl ſchützen, Fräulein, denn ich will den Reſt der Nacht auch noch für Sie wachen. Sollte es not tun, ſo kann ich jederzeit den alten Friedlieb, der rüſtig noch ſeinen Mann ſteht, herbei⸗ rufen. Sie dürfen alſo ganz beruhigt ſein. Verſuchen Sie daher nun, noch ein wenig zu ſchlummern. Mitternacht iſt längſt vorüber.“ Ehe Binchen noch ein Wort der Erwiderung oder des Dankes fand, hatte er ſich herumgedreht und ſchritt wieder der Türe zr. An derſelben aber drehte er fich noch einmal um und fragte im Tone tieſſter Beſorgnis und Teilnahme:„Iſt es wahr, Sie wollen nach Schloß Liechtenberg?“ Binchen bejahte beklommen die Frage. Da traf ſie wieder ein Blick, ſo mitleidsvoll und beſorgt, daß ſie ſich mehr wie wundern mußre. Es war ihr, als tun ſie ein großes Unrecht, das Schloß zu betreten, und doch war ſie ſich keiner Schuld bewußt. Seltſam! Der„tolle Einſtedler“ aber ſagte kein Wort, ſchüttelte nur unmerklich den Kopf und verließ das Zimmer. Wie fotgeſlogen waren alle Schreckniſſe der Nacht und der Einſamkeit. Sie dachte nicht einmal daran, die Türe wieder zu verriegeln. Aber den Gedanken an das ſonderbare Benehmen ihres Gaſtgebers wurde ſie ſchwer los. Wollte er Schloß überhaupt zu betreten? Sie faltete fromm die Hände und warf alle ihre Sorge im Gebet auf den, der der Menſchen Schickſale lenkt, und ohne deſſen Willen kein Sperling vom Dache fällt. Beruhigt ſiel ſte bald in einen friedlichen, er⸗ quickenden Schlaf. i Lichter Sonnenſchein ſlutede durch das grſinliche Glas des Fenſters und warf ſonderbare Reflexe auf den Tiſch und die darauf ſtehenden ſeltſamen Gegenſtände. Die Lampe im Zimmer brannte immer noch. Da trat der alte Friedlieb ein. Verwundert blieb er in der Türe ſtehen, als er Binchen immer noch feſt ſchlafend im Seſſel ſitzen fand. Mit geradezu väter⸗ lichem Wohlwollen betrachtete er die Schlafende lange Zeit. „Was für ein herzig liebes Geſicht,“ dachte er,„und wie zart und roſig die Wangen vom Schlaf gefärbt ſind. Die hat ſicher in ihrem Leben noch nichts Böſes getan, wird auch kein Unrecht tun, da Gott ſte behütet. Wie ein Engel ruht ſie da. Schade um den ſüßen Schlaf, aber ich muß ſie wecken. Ich habe keine Zeit mehr und muß weiter durch das Revier. Und! mein Bub' wartet auch ſchon zwei Stunden, um den Weg nach dem Schloß zu machen. Und dann wird Herr Valthaſar auch froh ſein, wenn er ſeine Wohnung wieder bekommt. Es hat mich eigentlich doch gewundert an ihm, daß er ſofort auf meine Bitte einging. Wo er ſelbſt nur die Nacht geblieben ſein mag? Bei mir in der Hütte war er nicht. Gewiß bat er hier irgend⸗ wo in der Ruine noch einen alten Raum, der Schutz gegen das Unwetter bietet, entdeckt und dort geſchlafen. Luft aber will ich vorerſt hier machen.“ Damit ging er leiſe auf den Zehen zum Nebengemach und öffnete weit das Fenſter, daß die wür⸗ zige, friſche Waldluft Eingang in das Zimmer fand. Dann löſchte er die Lampe und trat zurück an die Türe. „Guten Morgen wünſche ich Ihnen, Fräulein,“ rief er dann mit lauter Stimme. 4 Binchen erwachte aus tiefem Schlaf. Liebliche Träume mochten es ſein, die ſie umgaukelt hatten und noch umfangen ſie warnen vor dem Schloß Llechtenberg und deſſen Bewohnern? daa etwas Ungebiriges darin 1 hielten, denn ſte lächelte den alten Waldwart an. Dann rieb ſte tür ein junge Mödchen, das ſich die Augen und bllkte erſtaunt um ſich. s 5 Friedlieb lachte. „Ich babe Ihnen guten Morgen gewünſcht, Fräulein. Wenn Sie ſich aber nicht beeilen, wird der gute Kaffee kalt, der auf Sie wartet.“ Binchen richtete ſich auf. „Ich habe aber mal gut geſchlafen,“ ſagte ſie und reichte dem Alten freundlich die Hand.„Schönen guten Morgen. Und Kaffee haben Sie ſogar für mich gekochte“ Friedlieb lächelte geheimnisvoll „Hier habe ich Ihnen einen Krug frtſchen Quellwaſſers mitgebracht, damit können Sie ſich den Schlaf aus den Augen reiben. Ich will jetzt gehen, kommen Sie aber bald nach. Ich knicke einige Zweige in Schulterhöhe, damit Sie den Weg beſſer finden können.“ Als er fort war, netzte Binchen mit dem friſchen Waſſer ihr Geſicht. Dann ordnete ſie ihre Toilette. Mit der Friſur wollte es nicht ſo recht gehen, deshalb bielt ſie Umſchau nach einem Spiegel, den ſte auch bald an dem Pfeiler fand. Als ſie fertig war, trieb ſte die weibliche Neugier, ſich ein klein wenig in dem Raum umzublicken, der ihr gaſtlich ein Nacht⸗ quartier gewährte. In wirrem Durcheinander lagen auf dem Tiſch Bücher, große und kleine, dazwiſchen Schreibpapier, getrocknete und friſche Blumen, Vergrößerungsgläſer und ähn⸗ liche Dinge. In der Ecke war ein Bücherbrett, vollgeyfropft mit Büchern. Ganz oben ſtanden weitbauchige Flaſchen, die tote Tiere in einer Flüſſigkeit bargen. Die Titel der Bücher, von denen ſie einige zaghaft betrachtete, waren ihr unbekannt, ebenſo die Sprache, in ver ſie geſchrieben waren Da war es ihr, als hörte ſie draußen vor dem Fenſter ein Geräuſch. Schnell trat ſie zurück aus Furcht, beim Durch⸗ ſtöbern fremden Eigentums ertappt zu werden. Sie nahm ihr Handtäſchchen, warf ſchnell noch einen Blick in den Spiegel und verließ dann das Gemach, um ſich zu der Schutzhütte zu begeben. Den Weg dorthin fand ſie leicht. Surüahaltung der gefangenen m Sibirien. 0 Das neueſte Verbot der Entente. Das Schickſal der deutſchen Gefangenen in Sibirien, das immer der Gegenſtand der ernſteſten Beſorgnis ge⸗ weſen iſt, hat eine weitere Verſchlimmerung erfahren. Durch einen ſetzt geſaßten Beſchluß des Oberſten Rates in Paris iſt der deutſchen Regierung ſede Möglichkeit ge. nommen worden, mit dem Abtransport zu beginnen, gleich es gelungen war, japaniſche Tonnage für dieſen Zweck zu beſchaffen. Die Reichszentralſtelle für Kriegs⸗ fund Zivilgeſangene teilt darüber mit: f Kriegsgefangenen nicht eher aus Sibtrien abtransportiert werden dürſen, als bis ſämtliche in Stbirten beſindltchen Tſchecho⸗Slowaken heimgeſchafft ſind. Die an die Entente gerichtete Bitte, zwei deutſche Dampfer, die bis Ende sieſes Monats fertiggeſtellt ſind, für den Oeimtransport der deutſchen Gefangenen aus Sibirien freizugeben, iſt ebenfalls abgelehnt worden, da dieſe Schiſſe an die alliierten und aſſoztierten Regierungen abgeliefert werden müßten. ö Die Frage der Heimſendung der deutſchen Gefangenen ſoll der Gegenſtand einer beſonderen Vorlage bei der Entente ſeſn, die bereits geäußert hat, daß ſie in ihren diesbezüglichen Entſchlüſſen auf die große Zahl ihrer eigenen in jenen Gegenden weilenden Untertanen Rückſicht zu nehmen hat. Die deutſche Regierung hatte jeden nur möglichen Weg beſchritten, um den Heimtransport der Gefangenen aus Sibirien zu erwirken, doch alle Be⸗ mühungen ſind an dem vom Oberſten Rat festgehaltenen Standpunkte geſcheitert. Die gefährdete Oltgrenze. Lettiſche Truppen vor Memel. „Vor einigen Tagen ſtanden lettiſche Truppen in Stärke von eiwa 4000 Mann vor Memel. Sie tragen lich offenbar mit der Abſicht, die Stadt anzugreiſen. Aus bisher unbekannten Gründen erhielten ſie aber Gegen⸗ befehl und rückten wieder ab. Starke Truppenanſamm⸗ lungen werden bei Langscargen gemeldet. Es handelt ſich um Litauer und Letten, die ſoſort nach der Ratifizie⸗ rung des Friedensvertrages in das abzufretende Gebiet eintreten ſollen. Das Gebiet nördlich der Memel iſt, wie beſtimmt verlautet, von der Entente den Litauern ver⸗ ſprochen worden. Es liegt die Möglichleit vor, daß die lettiſchen und litauiſchen Truppen, die ſich jetzt als Sieger betrachten, unter Verletzung des Friedensvertrages in Tilſit einrücken werden. Das Tilſiter ſozialdemo. kratiſche Organ, die Volksſtimme, ſpricht von einer nahen Gefahr. Aus Kowno werden ſtarke bolſchewiſtiſche Um⸗ triebe gemeldet: Der bolſchewiſtiſche Gedanke gewinnt in Litauen mehr und mehr die Oberhand. Viele Soldaten find bolſchewiſtiſch geſinnt. Der Rote Soldatenbund ge⸗ winnt täglich an Ausdehnung. g Sorlales Leben. . Bergmaunswohnſtätten. Das Reichskabinett hat Peſchloſſen, zum Bau von Bergarbeiterwohnſtätten be⸗ ſondere Mittel zur Verfügung zu ſtellen, die aus einer Abgabe von der geförderten Kohle aufgebracht werden ſollen. Vorausſetzung für die Unterſtützung aus öffent⸗ lichen Mitteln iſt die Trennung von Arbeits- und Wohn⸗ werhältnis. Soweit daher die Wohnungen nicht von vorn. herein durch gemeinnützige Baupereinigungen errichtet werden, müſſen ſie nach Jertigſtellung ſolchen Genoſſen⸗ ſchaften zum Eigentum übertragen werden. Die Ber⸗ teilung der Mittel ſoll unter Beteiligung von Vertretern der Arbeſtnehmer und Arbeitgeber umgehend erfolgen, ſo daß mit dem Bau der Wohnungen begonnen werden 6 ſobald es die Jahreszeit zuläßt. Anträge ſind an die bisher für die Gewährung von Baukoſtenzuſchüſſen zuſtändigen Stellen zu richten. g 5 Die Ausſichten der Brotgetreſveverſorgung. Die Meldung, daß die Reichsgetreideſtelle bereits für das ganze Wirtſchaftsjahr verſorgt ſei und daß die Ernte über die höchſten Erwartungen hinaus ausgefallen ſei, iſt leider nicht in vollem Umfange richtig. Die Ernte iſt allerdings ſentgegen dem ungünſtigen Ergebnis ber Ernteſchätzung micht unerheblich beſſer als im Vorjahre ausgefallen. Es kann aber keineswegs davon geſprochen werden, daß die Meichsgetreideſtelle bereits für das ganze Wirtſchafts ahr ſeingedeckt wäre. Allerdings iſt ſte für die nächſte Zeit 1 ob⸗ 4 Der Oberſte Rat hat angeordnet, daß die dentſchen verſorgl. Aber von einer Sicherung ber Brotverſorgung für die spätere Zeit des Wirtſchaftsjahres iſt bisher ſo wenig die Rede, daß zur Förderung der Getreideablieſe ⸗ rungen beſondere Maßnahmen vorgeſeleen werden mußten. Demgemäß ist denn auch, wie bereits in der Ofſeutlſchkeit mitgeteilt, eine Verordnung ergangen, durch die beſoudere Ablieferungsprämſen für Broigetrelde und Gerſte ein⸗ geführt werben. Erhöhung der Butter⸗ und Margarinepreſſe. Zwei Verordnungen der Reichsſtelle für Speiſefette erhöhen die Produktions- bzw. Großhandels- und Kleinhandelspreiſe für Butter und Margarine. Sie ſetzen erhöhte Zuſchläge feſt, die ſich z. B. in Berlin auf 60 Mark für den Zentner Margarine bzw. Butter im Kleinhandel belauſen. Neue Lohnforderungen im Ruhrgebiet. Die vier Bergarbelterverbände kündigten den am 25. 10. 19 abgr⸗ ſchloſſenen Lohntarif. Sie erſuchten den Zechenverband bis zum 31. Januar 1920 einen neuen Tarif auf der rundlage höherer Löhne mit ihnen abzuſchließen. Freter Hanvel mit Wild. Der Reichsrat hat be⸗ ſchloſſen, die geſamſe Regelung des Verkehrs mit Wild aufzuheben. Damit fallen die Zwangsablieferung des erlegten Wildes, die Höchſtpreiſe und der Fleiſchmarken⸗ zwang für Wild fort. Amerikaniſcher Lebensmittelkredit. Der Präſident der Getreide ⸗ Corporation Barnes hat dem Plane Hoovers, an Mitteleuropa Lebensmittel auf Kredit unter Benutzung des Kapitals der Getreide⸗Corporation zu liefern, zugeſtimmt. Er ſchlägt vor, daß der Kongreß die Ermächtigung zu einer Anleihe von 100 Millionen Dollar für dieſen Zweck erteilen moge. Von Nah und Fern. Dampferverkehr London—Köln. Wie mitgeteilt wird, find nunmehr alle Anſtalten getroffen worden, um einen unmittelbaren Dampferperkehr zwiſchen London und Köln aulzunehmen. Das erſte Schiff ſoll in der erſten Woche des neuen Jahres von London nach Köln fahren. Hamburg ohne Gad. In Hamburg wird höchſt⸗ wahrſcheinlich die Gasabgabe nach den Feiertagen ganz eingeſtellt werden müſſen, wenn nicht noch im letzten Augenblick eine— leiber kaum zu erwartende— Beſſerung eintritt. Leider muß auch damit gerechnet werden, daß in Hamburg in den Weihnachts feiertagen der Straßenbahn⸗ verkehr eingeſtellt werden muß. Vielleicht werden auch die Hochbahn und die Alſterdampfer ihre Betriebe ſtill⸗ legen müſſen. Millionenſtiftung zu Schmierzwecken. Der Inhaber eines großen Unternehmens in Berlin, Verlagsbuchhändler, Lotterieeinnehmer uſw. gründete, nach der Neuen Berliner Zeitung, im März 1918 in Form einer Geſellſchaft m. b. H. eine Kriegsunterſtützungsgeſellſchaft, in deren Aufſichtsrat er an erſter Stelle ſtehende Beamte berlef. Ferner wurden Staats⸗ beamte als Kuratoren herangezogen. Zweck der ganzen Stiſtung und der Heranziehung beamteter Perſonen ſoll geweſen ſein, große Druckaufträge zu erhalten. Die N. B. 3. be⸗ merkt dazu: Hier liegt eine großzügige Korrumpierung von Reichs⸗ und Staatsbeamten vor, die einer ſchleunigen Unterſuchung bedarf. Ein Verfahren ſoll bereits er⸗ öffnet ſein. Wieder„Zabrze“. Die Gemeindevertretung der Ortſchaft Hindenburg bat auf Antrag der polniſchen Mit⸗ glieder beſchloſſen, den Namen der Ortſchaft wieder in Zabrze zurückzuverwandeln. Der Beſchluß wurde mit 20 gegen 16 Stimmen gefaßt. Während des Krieges wurde Zabrze in Hindenburg wngetauft. Verhaftung einer Bande von Eiſenbahnräubern. Amfangreiche, planmäßige Zugberaubungen, die auf der Strecke Hanau—Aſchaffenburg ſtattgefunden haben, ſind jetzt aufgedeckt worden. Die Täter ſind auf die Eiſenbahn⸗ zuge aufgeſprungen, in die Güterwagen eingedrungen und haben die dort lagernden Waren hinausgewor fen. Helfers⸗ helfer ſtanden bereit, um die Waren in Empfang zu nehmen. Bisher wurden 16 Perſonen verhaftet. Große Poſten Leder und Stoffe, dite von ſolchen Diebſtählen her⸗ rühren, wurden beſchlagnahmt. ö Graf Areo Valley dauernd nerhandlungs unfähig. Wie aus München berichtet wird, ſoll die ärztliche Unter⸗ ſuchung ergeben haben, daß Graf Arco Vallen, der Mörder Eisners, dauernd verhandkungsunfähig iſt. Drei Gutachten hätten übereinſtimmend ergeben, daß eine Ver⸗ Um ein Erbe. Novelle von Karl Meisner. 0 Nachbruck verboten.) Freundlich wurde ſie vom alten Frieblieb und ſeinem Sohne empfangen. Vor der Hütte, im Schatten einer mächtigen Buche, ſtand eine Bank und davor, mit ſchneeweißem Linnen gedeckt, ein Tiſch, der ein regelrechtes Frühſtück präſentierte: Kaffee⸗ kanne, Milchkännchen, Taſſe mit Unterſatz, Zuckerſchale, ein Teller mit Brot, einer mit Butter, Meſſer, Kaffeelöffel— alles war da. Binchen war ganz erſtaunt. „Wie in aller Welt haben Sie das bier in der Waldein⸗ ſamkeit fertig gebracht? Das iſt ja das allerliebſte und appetit⸗ lichſte Tiſchlein⸗deck⸗dich, das ich je geſehen.“ Friedlieb lächelte vielſagend. „Leider muß ich das Verdienſt von mir abweſſen, ich hätte ſelbs mit dem beſten Willen dies Ihnen hier im Walde nicht bieten können. Der tolle— o, ich wollte ſagen Herr Balthaſar iſt beute in aller Frühe meinem Sohn faſt bis in das Dorf entgegen gegangen und hat ihm genau aufgetragen, was er alles holen ſoll. Dann hat er ſich nachher zum Teil ſelbſt damit bepackt und bier hinaufgetragen. Dann baben wir, ſo gut es ging. den Tiſch zuſammengeflickt, die Bank hatten wir noch hier in der Hütte. Herr Balthaſar hat dann ſelbſt den Tiſch für Sie gedeckt und mich unterwieſen, wie ich den Kaffee zubereiten ſollte. Er iſt vorzüglich, denn wir haben den Reſt, der nicht mehr in die Kanne ging, ſelbſt getrunken Den kleinen Raub werden Sie uns wohl nicht übelnehmen.“ Binchen war rot geworden. Eine ſolche liebevolle Fürſorge hatte ſie nicht erwartet. Befangen fragte ſie, wo denn jetzt Herr Balthaſar ſei, ob er nicht mit frühſtücken wolle. Ja, wer kann es wiſſen, wo der ſich jetzt befindet! Er iſt wie der Wind, wan weiß nicht, von wannen er kommt, noch 10 wo er hingeht. Als er mich abgeſchickt hatte, Sie zu holen, iſt * Tgstührbins ebenen würde, 5f Alte ber * N em Mörder nach der Tat von dem das Landtagsgebäude bewachenden Poſten nachgeſandt wurde, loſe im Gehirn ſitzt und hier fortwährende neue Eiterungen hervorruft. Die Burg Stergard niedergebrannt. Die Burg iſt von einer Feuersbrunſt vollſtändig vernichtet worden. Die Akten des Amtes Stargard ſind dabei verbrannt. Der Burgbau wurde 1259 vollendet. Er wurde mark⸗ gräfliche, dann herzogliche Neſidenz. Das Bauwerk war flankiert von zwei kurzen Flügeln, nah welcher Bauart das Gebäude das„Krumme Haus“ genannt wurde. All⸗ mählich verlor die Burg Stargard nöllig das Ausſehen eines Fürſtenſitzes. Friedrich I. befahl 1708 den Abbruch des alten Schloſſes, welche Arbeit erſt einige Jahre ſpäter fertig wurde. Todesſtrafe für Schieber in Polen. Einen Fall von Vollziehung der für Schieber in Poſen feſtgeſetzten Todesſtrafe meldet der„Kurjer Poraunv“. Der Millionär Brolheim, der drei für die polniſche Armee beſtimmte Güterwagen mit Nahrungsmitteln für ſich unterſchlagen hatte, wurde vom Gericht in Teſchen zum Tode ver⸗ urteilt. Das Urteil iſt ſofort burch Erſchießen vollſtreckt worden. Folgen der Wohnungsnot in Prag. Blatt bringt die Meldung, daß in der Totenhalle des jüdiſchen Friedhofes bereits ſeit drei Monaten eine ſechs⸗ köpfige jüdiſche Familie wohne, die in Prag keine Woh⸗ nung finden konnte. Von den Kindern ſind zwei ſchul⸗ pflichtig, während die übrigen zwei noch klein ſind. Die Familie ſchläft auf Strohſäcken, die auf die Steinflieſen der Totenhalle gelegt werden. Tunnel unter der Schelde. Der Miniſter für öffentliche Arbeiten Anſeele hat ſich entſchloſſen, den Plan eines Tunnels unter der Schelbe, der die beiden Schelde⸗ ufer bei Antwerpen verbinden ſoll, ausarbeiten zu laſſen. Vermilchtes. Lady Aſtors Parlamentskoſtüm. Der Einzug der Laßy Aſtor, des erſten weiblichen Parlamentsmitaltedes in England, in das Unterhaus vollzog ſich unter den üblichen Zeremonien. Nach alter engliſcher Parlaments⸗ ſitte wird jedes neue Mitglied durch zwei Paten ein⸗ geführt. Für dieſen beſonderen Fall hatten der Miniſter des Außeren Balfour und der Miniſterpräſident Lloyd George das Patenamt übernommen. Lady Aſtor ſoll bei der zopfigen Zeremonie ruhiger geweſen ſein als die beiden an ſo viele bedeutende Ereigniſſe gewohnten Staats⸗ männer. Die Zeitungen beſchreiben bis in alle Einzel⸗ heiten die Toilette der Lady: Blanes Jackenkleid mit weißem Kragen und kleines Samthütchen. Dieſe Kopf⸗ bedeckung wird beſonders lebhaft beſprochen. Der denk⸗ würdige Tag brachte auch ein Novum auf der Journaliſten⸗ tribüne: zugleich mit dem erſten weiblichen Abgeordneten dane 93 Journaliſtinnen ihre Tätigkeit im Parla⸗ ment auf. 1 Was iſt eine Sardine? Vor dem Polizeigericht der Londoner City führten zwei große Firmen einen Prozeß, der auf die fernere Geſtaltung des Handels mit Olſardinen nicht ohne Einfluß bleiben dürfte. Seit vielen Jahren gibt es im Handel Olſardinen, die, wie Sachverſtändige behaupten, alles andere eher ſind als Sardinen; es ſeien kleine Fiſche von ganz anderer Art, die in Meergebieten gefangen würden, wo Sardinen gar nicht oder doch nur ſelten vorkämen, und das Fleiſch dieſer Fiſche habe eine udere Farbe und einen andern Geſchmack als das der zechten“ Sardinen. Nun hat eine Firma, die echte Sardinen auf den Markt bringt, gegen eine andere Firma, die imitierte Sardinen verkauft, einen Prozeß wegen un⸗ lauteren Wettbewerbes angeſtrengt. Vier oder fünf Sach⸗ verſtändige haben bereits ausgeſagt, daß die beklagte Firma in ihren Schachteln kleine Heringe und andere Fiſche von minderer Qualität, ſogar kleine Kabeljaus, als Sardinen verkaufe. Die beklagte Firma beſtreitet das gar nicht, be⸗ hauptet aber, daß faſt alle Sardinengroßhändler dasſelbe täten, da die Meere nicht einmal halb ſoviel Sardinen lieferten, wie in der Welt verbraucht würden; im übrigen aber könnten, wenn die kleinen Fiſche eine Zeitlang in Ol lägen, ſelbſt die beſten Feinſchmecker die eine Art nicht von der andern unterſcheiden. In Frankreich zum Beiſpiel zählt man 178 Olſardinenfirmen, und dieſe bringen jährlich etwa 60 Millionen Schachteln in den Handel; man kann Ein Prager handlung gegen den Grafen eine unmittelbare Lebens⸗ A eee e eee eee e eee eee. 5 CCC —.—— renne———— 2 ruhig annehmen, daß die Hälfte davon nicht die Spur einer Sardine aufweiſt. i a 5 ee. et not“s ven..., NN. N i Aber wenn er auch Ihnen aus dem Wege ging und nicht mit Ihnen ſprechen wollte, ſo meint er es doch gut mit Ihnen wie Sie ja ſehen. Uns verwundert dies Über alle Maßen, da wir ſo etwas an ihm noch nie wahrgenommen haben. Nun aber greiſen Ste ordentlich zu. Ich wünſche Ihnen einen recht geſegneten Appetit.“ Binchen ließ ſich auf ber Bank nieder. Dem Frühſtück tat ſte alle Ehre an, dazwiſchen aber erfreuten ſich Auge und Ohr an dem wundervollen Morgen. Wie gam anders ſah doch jetzt der Wald aus! Goldig ſpielte das Sonnenlicht durch das wogende, rauſchende Blättermeer und malte zitternde, phan⸗ taſtiſche Gebilde auf den Boden. Muntere Vögel ſangen ihr Morgenlied, und ein würziger Duft ſtieg aus Gras und Kraut empor. Noch nie hatte Binchen einen ſolch wundervollen Mor⸗ gen verleht. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. „Wie iſt man eigentlich auf die Idee g onumen, daß Herr Balthaſar geiſtesgeſtört ſein ſoll,“ fragte ſie.„Hat er ſich denn ſchon einmal bei irgendeiner Gelegenheit ſo benommen?“ „Nein, Fräulein, ganz ſicher nicht! Das, was man ſo eine rechte Verrücktheit nennt, habe ich noch nie an ihm bemerkt. Aber überlegen Sie es ſich doch ſelbſt einmal! Wird ein vernünftiger Menſch mit geſunden Sinnen herkommen in dieſe Waldeinſam⸗ keit, ſich in einem Trümmerhaufen vergraben und alle Menſchen meiden und nur das Allernotwendigſte mit ihnen ſprechen? Ich bin ja auch oft allein im Walde, tagelang, das iſt wahr. Aber das bringt eben mein Beruf mit ſich. Ich freue mich aber jedesmal, wenn ich mit Menſchen zuſammenkomme und mit ihnen ſprechen kann. Im Winter bin ich auch länger in meinem Dorf, da dann ſich nur ganz ſelten meine Gänge bis über die Nacht hinaus erſtrecken. Dann gehöre ich mehr meiner Familie an. Würde Herr bh klarem Verſtande ſein und nur zu ſeinem Vergnügen den Sommer über im Walde wohnen, ſo wäre er doch nicht ſo menſchenſchen und ſchweig⸗ ſam.“ 5 b „Wenn man ſeine Lebensweiſe ſo betrachtet,“ miſchte ſich nun der etwa zwanzigjährige Sohn zum erſten Male ins Ge⸗ ſpräch,„muß man Herrn Balthaſar allerdings für nicht ganz richtig im Kopfe halten. Spricht man aber mit ihm, ſo merkt man nichts davon. Im Gegenteil! Er iſt ſehr klug und gelehrt. Es gibt keinen Stein, kein Tier und keinen Halm, die er nicht ganz genau kennt. Auch die fremden, lateiniſchen Namen weiß er ſogar davon.“ Binchen wollte die Wahrnehmungen des jungen Mannen beſtätigen, beſann ſich aber anders. Hatte Herr Balthaſar es nicht für nötig befunden, dem alten Friedlieb von ſeinem nächt⸗ lichen Beſuch in der Ruine und dem Geſpräch etwas zu er⸗ zählen, ſo war es ihre Pflicht, ebenfalls darüber zu ſchweigen⸗ Immer wieder drehte ſie ſich nach jedem Geräuſch, das ſich vernehmen ließ um, in der Hoffnung, ihr ſonderlicher Gaſt⸗ geber würde noch einmal wiederkommen. Aber er ließ ſich nicht mehr blicken. Gedankenvoll beendete ſie ihr Früh ſtück und bereitete ſich zum Aufbruch vor. Der junge Mann, Hermann nannte ihn ſein Vater, haze ihr Gepäck ſchon auf einen Schiebekarren gepackt und war fertig zum Abmarſch. f Binchen reichte dem alten Waldwart die Hand zum M. ſchied und bedankte ſich herzlich für ſeine ihr erwieſenen Go⸗ fälligkeiten. a „Bitte, richten Sie auch Herrn Balthaſar meinen ſchönften Dank aus für das delikate Frühſtück.“ Binchen folgte nun ihrem Begleiter durch die perſchlunge nes Waldpfade. Bald dachte ſie an die Zukunft, an die neuen Verhöltniſſe, in die ſie treten würde, bald ſchweiften ihre Gen danken zurück zu den Ereigniſſen der letzten vierundzwanzes Senden. ö Endlich lichtete ſich der Wald. „Das iſt das Schloß Liechtenberg,“ ſagte Hermann. Cortſetzung folgt.)