eeerr Abonnemenrspreis: r Konat 50 Ufg.— Auswärts durch die Poſt 65 Pig Man abonnirt in Riannheim bei der Expedition E 6, 2, ſowie be allen Zweig⸗Expeditionen und Trägerinnen.— Ausw Poſt⸗Anſtalten des deutſchen Reiches und den Briefträgern. Die Babiſche Volkszeitung erſcheint täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ und Feiertage. Herausgeber Or. jur. Dermann Baas in Mannheim. *Ueber den Anarchismus. (Schluß.) Wie anders wirkte das Zeichen der anarchiſtiſchen Agitation! Hier gab es ein großes Geſchrei von Verſchwörern und Verſchworenen, von Bomben und Granaten, von Mord und Todtſchlag, kurzum, hier gab es den ganzen Theater⸗ apparat der Revolution und vor Allem einenztäppiſchen Hansnarren, gegen deſſen Weltzerſtörungstrieb, ſoweit es auf elende und nichtswürdige Prahlereien ankam, Marat ein harmloſer Säugling war, Die Agenten der Polizei ſtürzten ſich auf dieſen höchſt willkommenen Fund; ſie ſchwärmten um Moſt in dichten Schaaren; einer von ihnen verſtand es ſogar, den Expeditions⸗ ſtuhl in der„Freiheit“ zu erklettern; ein anderer theilte gewiſſenhaft ſeine Zeit in Berichte für dies Blatt und in Berichte für den Molkenmarkt. Sie hatten dabei gar nicht einmal nöthig, zu thun, was der Bundestagsgeſandte von Bismarck ihrem Stande nachſagte, indem er ſchrieb:„Die Polizeiagenten, aus Mangel an Stoff, lügen und übertreiben unverantwortlich“, denn das Lügen und Uebertreiben beſorgte Moſt ſehr gern ſelbſt. Aber wohl trat ein, was die eben genannte Autorität in dem Satze ausſpricht:„Die Geſchicklichkeit, Agenten⸗ berichte für Thatſachen zu halten und dieſe aufſchwellen zu laſſen, wie Fauſts Pudel hinter dem Ofen, iſt unſerer politiſchen Polizei im höchſten Grade eigen.“ In der That nahm man am Molkenmarkte die Agentenbriefe über Hans Moſt als poli⸗ tiſche Münze und berichtete in dieſem Sinne in höhere Regionen, ſo daß ein preußiſcher Miniſter am Regierungstiſche im Reichstage die denkwürdige Aeußerung that, die anarchiſliſche Richtung ſei konſe⸗ quenter und ehrlicher, als die ſozialdemo⸗ kratiſche Bewegung, womit denn Hans Moſt amtlich und feierlich beſtätigt erhielt, was er bis dahin vergebens den Arbeitern zu beweiſen verſucht hatte. Was Wunder, daß nunmehr der Teufel kam, der ſo em⸗ ſig und ſo lange an die Wand gemalt worden war! Es iſt unmöglich, hier alle polizeilichen Fehler und Mißgriffe im Einzelnen aufzuzäh⸗ len, welche der anarchiſtiſchen Agitation auf die Beine geholfen haben; man müßte ſchon Feuilleton. — Ein ebenſo gefäbrliches wie un⸗ angenehmes Libentener begegnete jüngſt einer jungen Dame, Namens Louiſe Jour⸗ Einen ſchönen Sonntag Abends, am 18. April, machte Fräulein Journegux in Geſellſchaft eines jungen Mannes, Namens Jules Farne, von St. Heliers, auf der Inſel Jerſey, eine Ruderfahrt in's Meer in einem offenen Boote. Farne ließ beide Ruderſtanngen über Bord fallen und ſprang, da er des Schwimmens kundig war, in's Waſſer, um dieſelben wiederzuholen. Inzwiſchen trieb das Boot mit der jungen Dame in das Meer hinaus, und als Farne die Ruder⸗ ſtangen wieder hatte, war es ſeinen Blicken änzlich entſchwunden. Auf ſeine wieder⸗ olten Rufe erhielt er keine Antwort und mußte allein nach St. Heliers zurückkehren, wo er ſpäter unter dem Verdachte, den Tod des verſchwundenen Mädchens verurſacht zu haben, verhaftet, aber wegen mangelnder Beweiſe wieder entlaſſen wurde, Fräulein Journegux brachte zwei Nächte und einen Tag auf offenem Meere zu und litt ſtark durch Kälte und Näſſe. Am Montag Abend erblickte ſie in weiter Entfernung einen das von Southampton nach Jerſey zurü Paſſagierboot, der ihre Sig⸗ nale indeß nicht bemerkte. Am Dienſtag Morgen ſah ſie, wie ſich ein Schiff ihr näherte. Glücklicherweiſe herrſchte Meeres⸗ ſtille, ſo daß die Leute an Bord das Taſchen⸗ tuch ſehen konnten, welches die Unglückliche o tüchtig ſchwenkte, als ihr erſchöpfter Zu⸗ and dies geſtattete. Es wurde ihr ein Tau zugeworfen, aber ſie war zu ſchwach, um von demſelben Gebrauch zu machen. Das chiff es har ie 1la“ us ſt. Malo. — bei allen Volſtsblat Organ für Jedermann. ein ganzes Buch ſchreiben, wenn man nur alles das ſammeln wollte, was von dem berüchtigten„Zeugen“ Horſch an, der vor dem Reichsgericht in dem erſten anarchi⸗ ſtiſchen Hochverrathsprozeſſe die bekannte Rolle ſpielte, bis zu dem Spitzel Weiß, der kürzlich vor den Gerichten in Baſel als agent provocateur enthüllt wurde, gerichts⸗ kundig geworden iſt. Wir ſehen hier davon ab, auf dieſe traurigen Dinge einzugehen, denn wir hoffen, daß unſere allgemeinen Andeutungen bereits genügend bewieſen ha⸗ ben, worauf es bei der Ausrottung des anarchiſtiſchen Verbrecherthums einzig und allein ankommen kann. Man höre endlich auf, das Sozialiſtengeſetz— da es nun doch einmal auf weitere zwei Jahre beſteht— mit grund⸗ und zweckloſer Härte zu hand⸗ haben, und man verzichte darauf, die anar⸗ chiſtiſche Agitation zu einem politiſchen Po⸗ panz aufzublaſen! Auf dieſe Weiſe, aber freilich auf keine andere, wird man dem Anarchismus den Stoß in's Herz verſetzen, an dem ſein geſpenſtiſch⸗unheimliches Da⸗ ſein nothwendig verbluten muß. Für eine ſolche Umkehr iſt die gegenwär⸗ tige Weltlage außerordentlich günſtig. Die Vereinigten Staaten haben mit kräftiger Fauſt in das anarchiſtiſche Weſpenneſt ge⸗ griffen; es iſt zweifellos, daß ſie es gründ⸗ lich ausräumen werden. Ebenſo iſt die Schweiz, ſoweit es auf ſie ſelbſt ankommt, mit dem Anarchismus fertig; nach einer gründlichen und umfaſſenden Unterſuchung ſtellt der eidgenöſſiſche Generalanwalt in ſeinem bekannten amtlichen Berichte feſt, daß die Zahl der Schweizer Bürger, welche Anhänger von Moſt ſind, verſchwindend klein iſt. Er führt aus, daß die Anarchiſten in der Schweiz faſt nur Deutſche und Oeſterrei⸗ cher find und fügt er dann hinzu:„Im⸗ mer und immer wieder tritt uns der Kampf gegen die Ausnahmegeſetze beider Länder entgegen, deren Härte die Verbannten eben zu ſpüren bekomm en und welche ſie mit grenzenloſem Haſſe gegen ihre heimath⸗ lichen Einrichtungen erfüllt haben. Die Ausnahmegeſetze treiben uns die anarchiſti⸗ ſchen Agitatoren zu und führen ſie bei uns zu agitatoriſcher Thäͤtigkeit gegen ihr Vaterland.“ Die Frage nach dem Sein oder Nichtſein des Anarchismus ſteht au⸗ genblicklich mehr denn je bei der Dame an Bord. Nach ſechsundzwanzig Tagen wurde Fräulein Journeaux in der Bai von St. George, Neufundland gelandet, wo ſie in der Familie eines Geiſtlichen Auf⸗ nahme fand und ſpäler die Rückreiſe nach Jerſey antrat. — Drei Ohrfeigen und drei Kläger. Aus Paris wird folgende amüſante Gerichts⸗ verhandlung berichtet; Der Präſident läßt die Angeklagte, Mademoiſelle Lilli Brameombe, Chanſonettenſängerin, aufrufen, gegen welche Baron Lambert, der Schauſpieler Blanc und die Kammerjungfer Anne Viani klagbar auf⸗ treten. Mademoiſelle Bramcombe hatte in einem Concerte, das am Abend des 10. Mai ſtattfand, keinen ſonderlichen Erſolg; das machte ſie nervös, und als ſie hinter die Couliſſen trat, 16 ſie erſt dem Schau⸗ pieler Blane eine Ohrfeige, die zweite erhielt aron Lambert, der ſie tröſten wollte, die dritte erhielt die Kammerjungfer, weil ſie, angeblich durch ſchlechtes Arrangement der Toilette, an dem Malheur ſchuldtragend war⸗ Die beiden Herren nahmen die Sache ritterlich auf und wollten von einer Beſtrafung der Künſtlerin nichts wiſſen, allein der weibliche die brünette Anne, brachte ſofort die Klage ein und hetzte ſo—5 is ſich auch die beiden Herren dem Ver ahren anf loſſen, e iſt die Vernehmung der Kläger, garon Kamhert ſagt:„Mademoiſelle Lilli hat ein ſo kleines Händchen, daß eine Ohrfeige von ihr nicht anders iſt, als wenn Einem eine andere Fran ftreichelt.“ Der Schauſpie⸗ ler meint:„Lilli und ich, wir ſind Collegen, und beim Theater nimmt man kleine Inter⸗ msi nicht genau.“ Anne ſagt zornig„Ich habe eine küchtige ausgewachſene Ohrfeige be⸗ (ommen, die nie ine Schnellbbotogranbie fünf ———— europäi⸗ ließ ſodann ein Boor herab und nahm die ſchen und insbeſondere auch der deutſchen Reaktion; daß ſie richtig beantwortet werden wird, läßt ſich nach der neueſten Hand⸗ habung des Sozialiſtengeſetzes leider nicht mit irgend welcher Sicherheit behaupten. Politiſche Ueberſicht. * Mannheim, 10. Juni. Deutſchland. In der geſtrigen Num⸗ mer der„Badiſchen Volkszeitung“ war die früher ſchon einnal gemachte Andeu⸗ tung enthalten, daß die Regierung eine längere Dauer der Reichstags⸗Seſſion im Auge habe. Man vermuthe, daß der Reichstag ſeine Sitzungen zwiſchen dem 25. und 28. Juni wieder beginnen werde. Dieſe Anſchauung findet eine ſehr gewich⸗ tige Unterſtützung durch einen dieſen Ge⸗ genſtand behandelnden Artikel der natio⸗ nalliberalen„Magdeb. Ztg.“, welch' letz⸗ tere zu denjenigen Organen zählt, denen es erlaubt iſt, in Berlin aus einer Quelle von„möglichſter Ungetrübtheit“ zu ſchöpfen, die anderen, namentlich Oppoſitionsblättern, verſchloſſen iſt. Die„Magdeburgerin“ ſchreibt u..:„Es verlautet aus gut unterrichteten und der Regierung nahe⸗ ſtehenden Abgeordnetenkreiſen, daß ein Schluß der Seſſion vor Pfingſten nicht ſtattfinden werde. Man wünſcht den Kom⸗ miſſionsbericht, der bekanntlich am 22. d. M. in der Kommiſſion feſtgeſtellt werden ſoll, abzuwarten und eine Verhandlung über den ablehnenden Beſchluß der Kom⸗ miſſion, bezw. die zweite Leſung des Re⸗ gierungsentwurfs im Plenum des Reichs⸗ tags herbeizuführen. Wenn man ſich auch für dieſe Seſſion keinen praktiſchen Erſolg hiervon verſpricht, ſo hofft man doch und legt Werth darauf, für gewiſſe Punkte, betreffend die Beſteuerung des Beannt⸗ weins, vor dem Lande die Uebereinſtim⸗ mung einer Mehrheit des Reichstags in öffentlicher Verhandlung feſtzuſtellen, und zugleich erhält ſo die Regierung Gelegen⸗ heit, ihren Standpunkt in der Frage nach dem abermaligen Scheitern der Bemuhung, den Spirſtus ſchärfer zur Beſteuerung heranzuziehen, öfſentlich darzulegen. Es wird daher aller Vorausſicht nach etwa am 25. Juni die zweite Leſung der Branntweinſteuer im Reichstag ſtattfinden. Wahrſcheinlich iſt, daß ſchon in einer —— Finger Mabames auf meinem Geſichte zurück⸗ lies, und ich bitte um die Beſtrafung meiner Herxin,“ Nun meldet ſich Mademoiſelle Bram⸗ combe und erkläl„Man macht uns Künſt⸗ lerinnen oft den Vorwurf, daß wir uns lie⸗ ber in Herrengeſellſchaft als unter Frauen 9 9 haben wir da nicht Rechl? Wie mild und vexſöhnlich ſind die beiden Herrrn, wie rachſüchtig iſt das kleine Frguenzimmer.“ Der Präſident unterbricht die philoſophiſchen Expee torationen der Sängerin, indem er ſie zu fünfzig Franes Strafe verurtheilt, welche Summe Bhron Lambert aus ſeiner Brieftaſche erlegt. Mabemoiſelle Bramcombe ſagt im Abgehen zu ihrer Ex⸗Kammerzofe:„Schicken Sie um eine Auskunft zu mir, falls Sie einmal den Poſten wechſeln, ich garantire Ihnen dann ſechs Monate Freiheit.“ — Die weibliche Bergſer auf ver Hoch⸗ zeitsreiſe,„Por Kurzem vermählte ſich der Privatier Eduard Bergot in London mit Miß Helene Mariſon, einem der Mitglieder des Londoner Touriſten⸗Klubs. Das Paar trat die Hochzeitsreiſe an, auf welcher es ſechs Wochen verblieb, und langte am 26 Mai wieder in London an, an wel⸗ chem Tage Mr. Bergot die— Scheidungs⸗ klage gaftrenot⸗ In derſelben erklärt er, es 5 ihm unmöglich länger mit einer Frau zu leben, die ihn jede Nacht zwinge Berge beſteigen, um den Sonnenaufgang zu ehen, die ihn drei Tage nach der Hochzeit auf dem halben Wege zum Gipfel des Mont Blanc hilflos im Skiche ließ, weil er nicht nachkommen konnte, und die ihm endlich in echswöchenflicher Ehe nicht geſtattete, die abzulegen und die Pantoffeln au⸗ f iehen. Mr. Bergot legt auch zwei ärzt⸗ 10 vor, welche beſtätigen, daß er ch a ii eine Knöchelverſtauchuna und Artlertionspreis: Die einſpaltige Petitzeile oder deren Raum 20 Pfg. Reklamen 80 Pfg Anfeigen werden von allen Annoncen⸗Expeditionen, von unſeren Agenturen und Trägerinnen, ſowie im Verlag entgegengenommen Bei größeren Aufträgen Rabatt. Kotgtionsdruck der Or, B. Baas'ſchen Kuchdruckerei E678 neben der katholiſchen Spitallirche in Mannheim, Telephonanſchluß Nr. 218. t und Handeks-Zeitung. Freitag, 11. Juni 1806. Herbſtſeſſton des Reichstags ein aberma⸗ liger Verſuch zur Erzielung hoher Exträge aus dem Branntwein angeſtelt werden wird— falls nicht dem preußiſchen Land⸗ tag, was jedoch ſchwer anzunehmen iſt, noch in dieſem Sommer die oſt erwähnte hohe Lizenzſteuer für den Ausſchank gei⸗ ſtiger Getränke zugeht. Ueberdies hat der Reichstag, in der Beit nach dem Pfingſt⸗ feſte vermuthlich, noch mit dem zu erwar⸗ tenden Nachtragsetat und dem Reliktenge⸗ ſetz ſich zu beſchäftigen, ſo daß er bis in die erſten Wochen des Juli hineinzuarbei⸗ ten haben wird, falls man ſich nicht noch entſchließt, auch dieſe Vorlagen einer zeitig anzuſetzenden Herbſtſeſſion zur Erledigung zu überlaſſen.“ Das ſind ja recht ange⸗ nehme Ausſichten für den deutſchen Reichs⸗ tag. Es frägt ſich nur, wie viele der Herren Abgeordneten gewillt ſind, in der Sommerhitze im Schweiße ihres Angeſichtes Geſetze zu machen, und ob die Zahl der⸗ jenigen, deren Arbeitsluſt auch die Strah⸗ len der Hundstagsſonne nicht zu alteriren vermögen, groß genug iſt, um überhaupt für eine tagende„Volksvertretung“ angeſehen werben zu können.— Daß die Zentrums⸗ partei auf dem Wege zum Schnaps⸗Mono⸗ pol geweſen, möchte die„Germania“ gar zu gerne leugnen. Indeß es gibt nach der„Freiſinnigen Zeitung“ dafür zu viele Zeugen. Daß ihre Mitglieder an den Konferenzen mit den Konſervativen theilgenommen, gibt die„Germania“ ſelbſt zu. Wie ſehr aber die Zentrumsmitglieder in jenen Konferenzen anfänglich geneigt waren, den Vorſchlägen der Konſervativen zuzuſtimmen, beweiſen mancherlei Andeutun⸗ gen konſervativer Konferenzmitglieder in der „Kreuz⸗Ztg.“, in dem„Deutſch. Tghl.“, in der„Zeitſchrift für Spiritus⸗Induſtrie“, ſowie Erklärungen des Kommiſſionsmit⸗ gliedes, Abg. Staudy, in einer kürzlich ſtattgehabten Verſammlung der Brenner in Poſen. Es iſt dem Abg. Windt⸗ horſt jedenfalls nicht leicht gefallen, ſeine agrariſchen Fraktionskollegen im Zügel zu halten. Wie lange wird er's noch können? Oeſterreich⸗Ungarn. Was wir berets in unſerer geſtrigen Rundſchau als wahr⸗ ſcheinlich hingeſtellt, nämlich die Annahme eines Ausnahmegeſetzes“ ſeitens des öſter⸗ auf den„Hörnern von Bize“ bei Montr eine Ahſchürfung der Rückenhaut 10 ezogen. — Man 7 ert von einer mäßig begabten, ſehr häßlichen Schriftſtellexrin und von ihrem ſie zu beſtändiger Probnktion drängenden blaſſen W meiſt fünſter dreinſchaüenden Manne. Eine gute Kollegin behgaptet:„Sie ſteht aus wie das Verbrechen und er wie ein Gewiſſensbiß.“ Theater, Kunſt u. Wiſſenſchaft. Rundſchan über Theater und Kanſt. Zu unſerer vorgeſtrigen Notiz über daß Frankfurter Opernhaus haben wir noch Eniges nachzutragen. Das bereits gemeldett Oherettengaſtſpiel findet am 1. Juli ſigt und beginnt mit dem„Zigennerbaron“; in⸗ zwiſchen gaſtirt Mifte Juni die hekannte Primadonna, Emma Turolſa, ihre erſte Nolle wird die„Lueretia Borgis“ ſein. Felix Schweighofer, Wiens talent⸗ Holler Sohn, der übrigens pon nächſter Sai⸗ ſon an in Berlin engagirt iſt, eleekiſirt das Publikum durch ſeine Komik; beſonders wirk die eben auf der Tagesordnung ſtehende Poſſe;„Ein edler Lump“. Gewöhn lich ver⸗ bietet das Geſetz den Bagabunden und Lum⸗ pen den Eintritt in die ehrſame Staßt Mann⸗ heim, aber einem ſolchen„edlen Lump“ könnten wir für ſein Erſcheinen nur Dank wiſſen. Wenn unſer Comite dem„Lumpen“ ein or⸗ dentliches Almoſen gäbe, käme er gewiß!— Für den ſcheidenden Herrn Salomon ward der Münchener Heldendarſteller, Hers Drach, für daſſelbe Fach derpflichtet.— Auch Stuttgart ſteht im Wende reiſe der Gaſtſpiele. Der Eine gibt dem Andern die Thürklinge in die Hand. Die beliebte„Gäſtin“ der Stuttaarter, Kathi Frank, tritt am Badiſche Volks⸗Zeitung. 11 Juni. lögeorbnetenhauſes, hat ſich jetzt zun Zehntheilen beſtätigt. Wir waren geſtern noch in der Lage, in unſe⸗ rem Blatte eine Wiener Depeſche abzu⸗ ken, laut welcher der Sozialiſtengeſetz⸗ ſchuß den Regierungsentwurf ange⸗ nommen hat, allerdings mit gewiſſen Ab⸗ ünderungen, wie die Einſchaltung des Be⸗ griffes„anarchiſtiſch“ ſtatt„ſozialiſtiſch“ und die Herabſetzung der Giltigkeitsdauer von fünf auf zwei Jahre. Daß dieſem ſo amendirten Geſetze auch das Abge⸗ ordnetenhaus zuſtimmen wird, darf als ſicher angenommen werden. Wie ſich aus dem Vorſtehenden ergibt, ſcheint man alſo ſelbſt in Oeſterreich, das in Bezug auf bürgerliche Freiheiten gewiß nicht als Muſterſtaat gelten kann, Bedenken zu tragen, die Sozialiſten unter ein Aus⸗ nahmegeſetz zu ſtellen; nur dem Anarchis⸗ us will der Geſetzgeber zu Leibe gehen, während das deutſche Ausnahmegeſetz be⸗ kanutlich auch die ſozialiſtiſchen Beſtreb⸗ ungen verbietet.— Nachſchrift: Man arbeitet in Wien mit Dampfkraft. Das Geſetz iſt bereits angenommen. Siehe die Wiener Depeſche. Schweiz. Die Preßfreiheit der Schweiz ſteht doch nicht blos auf dem Papier. Von einer Behörde war das Verbot einer Schrift feantragt, welche von den Mormonen aus⸗ hing und die Vielweiberei empfahl. Das Bundesgericht urtheilte: Indem die Schrift es unternimmt, die Polygamie als eine Glaubenslehre der Mormonen zu rechtfer⸗ tigen und zu vertheidigen, tritt ſie aller⸗ dings mit dem ſittlichen und ſtaatlichen Prinzip der Monogamie in Widerſpruch; allein die Schrift einzig deshalb und ohne iuch dieſelbe die Sicherheit des Staa⸗ er die öffentliche Sittlichkeit verletzt „als ſittenlos zu verbieten und deren ttung beſtrafen, hieße offenbar die irte Preßfreiheit illuſoriſch machen. egen Preßerzeugniſſe der vorliegenden Art cht die Strafe, ſondern einzig die 1g, zu welcher man ſich wieder der edienen kann, das zuläſſige und kſame Mittel. Ein Glück wäre wenn man ſich zu dieſer Rechtsan⸗ ſchͤuung auch auf anderen Gebieten und in auderen Ländern bekenney würde. Deutſches Reich Mannheim, 10. Juni! Wie De⸗ veſchen aus München melden, ſteht der denbe Schritt“, d. h. bie Eiuſetzung Aner bayeriſchen Regentſchaft unmittelbar beyb Es ſollen wiederholt Konferenzen des eniſterlums mit dem Prinzen Luit⸗ pold ſtattgefunden haben, welc, Letzterer die Regierung noch im Laufe dieſer Woche ühernehmen ſoll. Wie verlautet, ſeien die Graſen Holuſtein und Törring eſtimmt, die Uebernahme der Regentſchaft durch Prinz Luitpold, welcher ſich im Gebirge befindet, dem König mitzutheilen. Das ſieht ja einer förmlichen Abſetzung ſo ühnlich, wie ein Ei dem anderen. Das alſo wäre das Ende der Herrſcherlaufbahn bes einſtens ſo vielgefeierten Königs. Wir wollen nicht unterſuchen, ob nicht diejenigen auch einen weſentlichen Theil der Schuld an dieſem traurigen Ausgange haben, deren Pflicht es geweſen wäre, bei Zeiten dem Monarchen Vorſtellungen zu machen und ihn vor allen Dingen jener weltab⸗ geſchloſſenen Einſamkeit zu entreißen welche L ds ihren„Urlaub“ an. Die öffeutliche Abſchiedsvorſtellung der Künſtlerin führte in Folge der bekannten Theaterintriquen keinem unliebſamen Vorkommniß. Frl. rank wünſchte ſchon lange in einer ihrer Rollen, in„Fedorg“ aufzutreten, allein immer ſcheiterte die Vorſtellung an den intri⸗ „Krankheitszufällen“ der Rivalin der n, Frl. Brandtmann. Zur Ahſchieds⸗ Loch die Kr eſtimmte man abermals„Fedora doch die Krankheit traf wieder ein; Frl. Frank —2 ſich dies ſo zu Gemüthe, daß ſie wäh⸗ der Vorſtellung von Krämpfen befallen Wurde. So geht es in dem„heiteren Lande der Kunſt zu, nicht nur in Stuttgart, ſon⸗ dern auch anderswo. Es gibt„exempla von Beiſpielen“ und es iſt oft gut den Vorhang vor dieſen Bühnenbildern nicht zu lüpfen, was man durch die Löcher des Vorhangs ſieht, genügt vollſtändig uns die Luſt am Kunſtleben“ zu nehmen.„Aber ich will näch⸗ ſtens unter euch treten und fürchterliche Muſter⸗ ung halten!“ Wenn Dinge, wie die erzähl⸗ ten, ungeſtraft vorfallen dürfen, dann ade deutſche Kunſt.“— Damit indeſſen die Künſt⸗ lerin zu ihrem Recht gelangt, gibt man am 16. d. M. doch„Fedora“ und zwar zum Be⸗ ſten der Bühnengenoſſenſchaft; gleichzeitig ver⸗ abſchiedet ſich Dr. A. Baſſermann in der⸗ ſelben, da er in nächſter Saiſon in Hamburg wirkt. Mierzwinsky trat unter allge⸗ meinem Beifall mehrere Mal auf, wir möch⸗ ken nochmals unſere hieſige Theater⸗ dehörde bitten, uns bier dieſen Künſtler vorzuſtellen, die Kaſſe wird nicht darunter leiden. Girar ditritt demnächſt ſein Gaſtſpiel im„Verſchwender“ an, dasſelbe Umfaßt2 mal den„Zſupan“(Zigeunerbaron) 2 mal den Bennoszo im„Gasparone“, welcher bei ieſer Gelegenheit zum erſten Male in Stutt ⸗ als die Quelle all' dieſer„königlichen Extravaganzen“ gelten kann, die ſchließ⸗ lich die Kataſtrophe herbeiführten. Wir ſind begierig, wie diejenigen Blätter jetzt orakeln, die noch vor Kurzem die„Sache des Königs“ ſo ſchneidig vertreten haben. Der alte Erfahrungsſatz wird nunmehr wieder zur Geltung gelangen, daß die Ratten das finkende Schiff verlaſſen. Vom badiſchen Mittelrhein ſchreibt man uns über den Zuſtand der ſogen. kathol. Bolkspartei: Dieſe Partei exiſtirt als ſolche augenblicklich nicht, da eine Scheidung in zwei Lagen eingetreten iſt. Der Abg. Wacker, Pfarrer von Zähringen, erklärte in einer Rede, die derſelbe un⸗ längſt im Vereinshauſe zu Freiburg ge⸗ halten, daß die entſtandene Kluft nicht mehr zu überbrücken ſei, indem die Mit⸗ glieder der Kammerfraktion, von der er ſich getrennt, nicht in das von ihm und Genoſſen dirigirte Lager der„Entſchie⸗ denen“ übertreten wollten. Es hat ſich in der That der Gegenſatz zwiſchen beiden Lagern auf eine Schärfe zugeſpitzt, daß an eine Wiedervereinigung nicht zu denken iſt. Der neue Erzbiſchof, wenn er kommt, den Metropolitanſitz in Freiburg einzu⸗ nehmen, triſft in ſeiner Diözeſe(badiſchen Antheils) Verhältniſſe an, daß„es nicht mehr ſchön iſt“, wie der Volksmund zu ſagen pflegt. Ein häßlicher Hader von perſönlicher Natur, der im größeren Theile der katholiſchen Blätter von Perſonen des geiſtlichen Standes gegen Amtsgenoſſen, die zu den Würdigſten zählen, geführt wird, die man ſozuſagen vor dem Volke in die Pfütze zieht, kann den künftigen Oberhirten nur mit dem Gefühle des tiefſten Unbehagens erfüllen. Die Ge⸗ mäßigten, welche die Mehrheit in der Kammer wie im Lande bilden, haben zur Abwehr und Vertheidigung blos ein ein⸗ ziges Preßorgan zur Verfügung, den kleinen Anzeiger von Lahr, geleitet durch den Dekan Förderer daſelbſt. Andererſeits führen die„Entſchiedenen“ im„Bad. Beobachter“,„Pfälzer Bote“ und„Frei⸗ burger Bote“ die Befehdung der Ge⸗ mäßigten, obgleich ſolche längſt erſchöpft und abgedroſchen, voll giftiger Animoſität weiter. Den Gemäßigten iſt zugleich die geſammte katholiſche Preſſe in ganz Deutſch⸗ land verſchloſſen, welchen Bann eine liſtige, perſide Ausbeutung der Worte Lenders bewirkt hat, die derſelbe in der Kammer ausgeſprochen über ſeine ſchmerzliche Er⸗ fahrung ſeitend des„Bad. Beobachters“ und aller anderen Blitter, die den Im⸗ puls von„Bad. Beobachter“ ausgehend empfangen haben. Während in der erſten Phaſe der Schlachtruf lautete:„Hie Kauſen!“„Hie Lender!“ nennt man der⸗ malen ein Trifolium, in der Mehrheit Geiſtliche, welches Speere nach dem Ver⸗ theidiger der Gemäßigten, nach dem Dekan Förderer ſchleudert. Es iſt ſehr fraglich, ob die Intranſigenten in Folge der Be⸗ ſetzung des erzbiſchöflichen Stuhles von ihrem leidenſchaftlichen, agitatoriſchen Eifer ablaſſen werden, indem ihr Streben darauf gerichtet iſt, das Volk gegen die Träger der gemäßigten Richtung einzunehmen und durch fortgeſetzte Aufhetzung den kirchen⸗ politiſchen Streit auf die Höhe vergange ner Erhitzung zurückzuführen. Wir dal⸗ ten ihre Rechnung für ein⸗ falſche, de das Volk überdrüſſig geüimmt iſt, ivi. — ————————— art aufgefuhrt Aurd, und zugieich die leoe Novität vor den Ferien bildet.— In Mün⸗ chen gaſtirte aufleéngagement Frau Hänſel⸗ Link als Klärchen“, ohne beſonders zu ge⸗ fallen.— Recht intereſſant ſind die Engage⸗ mentsverträge der verſchiedenen Wiener Künſtlerinnen. So trat am 7. Mai Frl. Bianchi ihre contractlichen Ferien von 7 Monaten an, Frau Materna gilt nur vom 1. September bis 31. Dezember als engagirtes Mitglied und Frau Lucca bringt auch den größten Theil des Fahres auswärks zu; die einzige, die ſich längere Zc'! im Jahr verpflichtet, iſt Frau Papier.— Eine Wiener Künſilerin feiert nächſtes Jahr ihr 25jähriges Bühnenjubiläum, es iſt dies die Hofburgſchauſpielerin Charlotte Wol⸗ ter. Eigentlich trat dieſelbe ihr Engage⸗ ment bereits am 7. Juni 1861 an, jedoch vorerſt auf ein Probejahr ohne Gage. Ueber den vorgeſtern gemeldeten Erfolg des Herrn Brucks aus Hambura in Prag er⸗ fahren wir, daß derſelbe zum Contract, und zwar auf 6 Jahre geführk. Die Prager beſitzen nun zwei vorzügliche Baritoniſten in den Herren Beck und Brucks.— In Cincinatti fand neulich ein Muſikfeſt ſtatt, das bewies, daß auch die Amerikaner für claſſiſche Muſik Verſtändniß haben. In 7 Concerten gelangten neben kleineren Werken von verſchiedenen Componiſten Gdarunter Berlioz und Wagner), zur„Die Schöpfung“ von Haydn,„.moll⸗Meſſe“ von Bach,„Bamnation of Faust“ von Berlioz, zder Thurmbau zu Babel“ von Rubinſtein. Derartige Leiſtungen kommen unſeres Wiſſens in Deutſchland nicht vor. E R. dies auch der Ausfall der letzten Land⸗ tagswahlen gezeigt hat, und wie es bei den nächſtjährigen Landtags wahlen noch ſchärfer hervortreten dürfte. Der Auflöſungsprozeß der Partei begann bei den Wahlen von 1883, indem ſie die Kraft nicht beſaß, das bei der Landtags⸗ wahl von 1881 Errungene feſtzuhalten. Das Wahlergebniß von 1881 hatte be⸗ kanntlich die über 20 Jahre lang behaup⸗ tete Kammermehrheit der Nationalliberalen geſprengt. Einer organiſirten kräftigen wirklichen Volkspartei gegenüber würde der Nationalliberalismus einen ſchwe en Stand haben. München, 9. Juni. Soeben iſt eine Deputation, beſtehend aus den Miniſtern Lutz, Fäuſtle und Crailsheim, den Grafen Holſtein, Toerring und Malſen, den Aerz⸗ ten Gudden und Erb und dem erforder⸗ lichen Wärterperſonal nach Hohen⸗ ſchwangau abgegangen.— Der Landtag tritt am 16. d. Pets. zuſammen. Berlin, 9. Juni. Der Kaiſer nahm Vormittaas in Gegenwart des eingetroffe⸗ nen Großfürſten Michael und deſſen Sohn eine Truppeubeſichtigung auf dem Tempel⸗ hofer Felde vor. * Dem Puttkamer'ſchen Verſammlungs⸗ verbot ſind in Berlin 47 Verſammlungen im Monat Mai polizeilich zum Opfer ge⸗ fallen, gegen Z im Monat April. Vom Verbot betroffen wurden 30 gewerkſchaft⸗ liche Verſammlungen, 11 Arbeiter⸗Bezirks⸗ Verſammlungen, 5 Arbeiterinnen⸗Verſamm⸗ lungen und eine gewerbliche Verſammlung. Außerdem wurden 11 Verſammlungen polizeilich aufgelöſt gegen 15 im Monat April, und zwar: 6 Arbeiter⸗Bezirksver⸗ eins⸗ und 2 gewerkſchaftliche Verſammlungen, 1 Volks⸗, 1 Mantelnäherinnen⸗ und 1 Ar⸗ beiterinnen⸗Verſammlung. Dafür erfolgte aher im Monat Mai die polizeiliche Schließung des Fachvereins der Maurer, der Preßcommiſſion der„Bauhandwerker“, des Vereins zur Vertretung der Intereſſen der Arbeiterinnen, des Vereins der Ar⸗ beiterinnen Berlins, des Fachvereins der Mautelnäherinnen. Ausland. Wien, 9. Juni. Mit den von der Lif⸗ ken beantragten Amendements nahm die Abgeordnetenkammer in zweiter Leſung das Sozialiſtengeſetz mit 179 gegen 39 Stim⸗ men an. Oeſterreich hätte nun glücklich auch ſein„Ausnahmegeſetz.“ Budapeſt, 9. Juni. Die Exzeſſe der heutigen Nacht waren die ſchlimmſten aller bisherigen. Um 11 Uhr wurde Militär requiritt. Vom Pöbel mit Steinwürfen und Schimpfworten begrüßt, ging das Militär mit blanker Waffe los und ſäu⸗ berte im Sturm mit gefälltem Bajonet die Straßen. Zuſammenrotkungen fanden an den verſchiedenſten Punkten der Stadt his ein Uhr Morgens ſtatt. Das Mili⸗ tär verhaftete 28, die Poltzei 8 Wider⸗ ſpänſtige. Zwei Poliziſten wurden ver⸗ wundet, ebenſo einige Exzedenten. Der Pöbel machte auch Plünderungsverſuche, die haber mißlangen; er wollte die Wolizeika⸗ ſerne ſtüͤrmen was gleichfalls verhindert wurde. Erſt in den Morgenſtunden iſt Ruhe eingetreten. An den Demonſtratio⸗ nen war ausſchließlich Pöbel betheiligt. London, 9. Juni. Gutem Vernehmen nach beſchloß das Kabinet geſtern, der Königin die Auflöſung des Parlaments E bad. Hof⸗ und National⸗Theater in Mannbeim. Mittwoch den 9. Funt 1886. Der fliegende Holländer. Oper von Richard Wagner. .B. Seit Schiller's drei revolutionären den Räubern, dem Fiesco und der Luiſe Millerin iſt doch niemals wieder ſo kräftig überzeugend, ſo drangvoll ſelbſtbewußt, 0 nachhaltig einer Kunſt⸗ und Lebensauffaſ⸗ ung der Krieg erklärt worden, als es durch Richard Wagner's Trias Holländer, Tann⸗ häuſer und Lohengrin geſchah. Der Gang, den Wagner von der gewohnten großen Oper bis zu jener Geſtaltung des Muſikdrama's zu thun hatte, er war künſtleriſch ſchwieriger zu⸗ rückzulegen, als jenem großen Friedrich Schiller die Erſchaffung des deutſchen Schauſpiels ge⸗ lingen konnte, wenn auch dieſem in ſozialer Weſenheit die Flügel noch kürzer beſchnitten waren, als dem gezwungen Vaterlandsloſen von 1848. Ich moͤchte mich gar zu gerne et⸗ was eindringlicher über den„Holländer“ äu⸗ ßern— was gäbe es für einen begeiſterten Anhänger Wagner'ſcher Kunſt nicht alles zu ſagen gerade über dieſes Stück Menſchheits⸗ geſchichte— aber die geſtrige Viſite, die den „Holländer“ einem ſehr kleinen Kreiſe theil⸗ nahmsvoller Hörer zu machen hatte, war von ſo ungewöhnlich ſtörenden Bufällen begleitet, war ſo wenig dem erhabenen Sinn ſeines geiſtigen Vaters entſprechend, war eigentlich ſch nicht werth, daß man in dieſer Hinſicht ehr viel Worte macht. Ich glaube keines⸗ wegs, daß Rich. Wagner den Holländer kom⸗ ponirt hat, damit die ideal geleiteten Hof⸗ theater denſelben aufführen, wenn Maurer und Schloſier, Silvana und Stradella un⸗ anzurathen. Die Antwort der Königin wird heute Abend erwartet. Neueſte Nachrichten. Berlin, 9. Juni. Der Bundeßralh wird ſich mit der Einſetzung der Regent⸗ ſchaft in Bayern erſt zu beſchäftigen haben, wenn dieſe von den beyeriſchen Kammern genehmigt und vollzogen iſt, und zwar wird dann im Bundesrath eine Prüfung der Legitimation des Regenten ſtattfinden. — Dem Bundesrath iſt heute eine Denk⸗ ſchrift das über deutſche Schutzgebiet von Angra⸗Pequena zugegangen. Peſt, 9. Juni. Abends 8 Uhr haben abermals große Volksanſammlungen ſtatt⸗ gefunden. Die geſammte Polizei iſt auf⸗ geboten, Militär beſetzte die belebteſten Punkte der Stadt. Bisher ſind keinerlei Ausſchreitungen vorgekommen. Die De⸗ monſtranten beſtehen faſt nur aus Arbei⸗ tern und Angehörigen der unterſten Volks⸗ klaſſen. Loudon, 9. Juni. Gutem Vernehmen nach hätte die Königin den Antrag Glad⸗ ſtone's betreffend Auflöſung des Parla⸗ ments, angenommen, der Zeitpunkt der Auflöſung ſei jedoch noch nicht feſtgeſetzt. Nom, 9. Juni. Cholerabulletin. Es erkrankten reſp. ſtarben von geſtern bis heu te Mittag in Venedig 21/11, in Bari 4/2 Perſonen. Vom Tage. * Kunſtſtickerei. Die Frl. Geſchwiſter Weber fertigten dieſer Tage eine, für den deutſchen Kriegerverein in San Fran⸗ zisko beſtimmte Fahne, die geſtern fertig wurde und noch am gleichen Tage wohlver⸗ packt nach Bonn abging; denn die Fahne war der Bonner Fagnenfabrik in Auftrag gegeben, die die Ausführung den Frl. Weber hier übertrug, was wohl das beſte Zeugniß für deren Kunſtleiſtung iſt. Wir haben uns die Fahne, d. h. nur die beiden Flächen der⸗ ſelben kurz vor der Vollendung angeſehen und halten ſie für das Vollkommenſte, was wir auf dieſem Gebiete ſahen und zwar ſo⸗ wohl in Bezug auf geſchmackvolle Zeichnung, als auch in Bezug auf exakte Ausführung Die eine Seite zeigt im Grund die deutſchen Farben In der Mitte iſt in diverſen Farben der deutſche Reichsadler, umgeben von einem Siegeskranz von Eichen⸗ laub und Lorbeeren eingeſtickt und um dieſen leſen wir die Inſchrift in Goldſtickerei: Deutſcher Kriegerverein San Franzisko“, Die andere Seite zeigt uns auf blauem Grund(Seidenpeluche) in der Mitte auf weißem Grund die„Germania auf der Sner 80 am Rhein)“, gleichfalls in ſehr ſchöner Farbenſtickerei und um das Bild in Goldbuchſtaben den Wahlſpruch: Gehorſam, Treue, Tapferkeit, des deutſchen Kriegers Ehren⸗ kleid.“ Beide Theile haben außerdem noch prachtvolle Eckverzierungen, die das Ganze ſehr ſympathiſch abſchließen. Wir freuen uns, daß in unſerer Stadt auch dieſe Kunſt⸗ induſtrie heimiſch iſt und möchten wir den Vereinen, die einer Fahne bedürftig ſind, rathen, ſich direkt an die Geſchwiſter Weber 6 7 8 zu wenden. Beſitzwechſel. Herr Rechtsanwal S S immex bas Haus G. 2. 9 zum Preis vo M. 66,500. Mißſtand. Durch den Stren der Ar⸗ deiten in den Kaiſerslauterer Steinbrüchen iſt in den hieſigen Neub auten ein ziemlicher Stillſtand eingetreten. Die Arbeiter weigern ſich, die Arbeit zu den ſeither bezahlten Löhnen aufzunehmen, was für die hieſigen Bauunternehmer, welche die behauenen Steine von dorther beziehen, ſehr unangenehm iſt. Ausſtellung. In der Sohler'ſchen Kunſt⸗ und Muſikalienhandlung iſt die Fahne des Veteranenvereins Neckarau von heute ab guf einige Zeit ausgeſtellt. moglich geworden ſind, ich bachte auch in meiner naiven Unſchuld gar nicht daran, daß man den Muth haben könnte, Werke von der Art dieſes Holländer hörbar vorbereitungs⸗ los mit einer neuen Senta und einem in dieſem Falle neuen Capellmeiſter, ſo ganz ungenirt ſerauszuwerfen. Der Theaterzettel gibt, ſo viel ich weiß, keine Kunde von einem kranken oder beurlaubten Capellmeiſter Paur, alſo warum der Wechſel in der Perſon des Dirigenten, noch beſonders in einem kritiſchen Falle! Ja kritiſch war der Fall geſtern, aber nicht dazu angethan, ihn durch Kritik zu beleuchten. Man ſagt in ſolchen Fällen anſtandshalber, die Vorſtellung ent⸗ zieht ſich wegen mannigfacher Vorkommniſſe der kritiſchen Beſprechung. Ich will dieſe Anſtandsregel auch dieſes Mal zu der mei⸗ nigen machen, denn ich müßte eigentlich die Partitur des„Holländer“ hier zum Abdruck bringen, wollte ich nach Beckmeſſers Art all' die Fehler mit Kreide anſtreichen. Ja das iſt ſo Kriegsbrauch, wie Herr Starke in„Carmen“ ſagt und wird ſo lauge Kriegsbrauch bleiben, bis wieder einer kommt, der als Kunſt⸗Meſſias die Vorhalle des Tempels reinigt, don dem man ſagen könnte, wie es in der Offenbarung Johannes u leſen, daß ſein Name heißt„Treu und Weererfg und daß er ſtreitet„mit Gerech⸗ tigkeit'. Es geht raſend ſchnell bergab mii der erzwungenen Bewahrung Wagner'ſcher Kunſtprinzipien; wie lange wird's dauern und wir ſitzen troz dem„Ring“ und„Par⸗ ſifal“ wieder ſo tief im Sumpf, als wir je⸗ mals vor dieſen erlöſenden Kunſtthaten darin geſeſſen haben!