Nr. 275. 2. Blatt. Abonnement: 50 Pfg. monatlich, Bringerlohn 10 Pfg. monatlich, durch die Poſt bez. inel Poſtauf⸗ ſchlag M..90 pro Quartal. ur Die Wählerverſammlung der Centrumspartei im XI. badiſchen Reichstagswahlkreiſe Maunnheim⸗ Weinheim⸗Ichwetzingen. Die von uns ſchon fruͤher angekündigte große Wahlverſammlung der Centrumspartei fand geſtern Sonn⸗ tag, den 21. November, Nachmittags im Saale des „Baduer Hof“ in Mannheim ſtatt. Die großen Räume waren von Wählern aus Stadt und Land dicht beſetzt, beinahe jede Gemeinde des weiten Wahlkreiſes hatte ihre Vertreter geſendet; die überaus ſtattliche Verſammlung umfaßte die verſchiedenſten Stände und Berufsarten, auf die ergangene Einladung hin waren namentlich Ge⸗ werbetreibende, Handwerker und Landwirthe zahlreich er⸗ ſchienen, auch die Arbeiterbevölkerung hatte ein ſehr ſtatt⸗ liches Kontingent von Zuhörern geliefert, ebenſo bemerkte man Angeßörige anderer Parteien, welche mit ſichtlichem Intereſſe und geſpannter Aufmerkſamkeit den Reden folgten. Herr Landgerichtsrath Frhr. v. Bu ol eröffnete die Verſammlung mit einigen an dieſelbe gerichteten Worten zes Dankes dafür, daß der Einladung in ſo erfreulicher Weiſe Folge gegeben worden ſei. Er ſchlug zur Leitung ver Wahlverſammlung den Vorſitzenden des Wahlkomite's Herrn Dr. Fiſcher⸗Heidelberg vor, der unter inſtimmiger Acclamation zu dieſem Ehrenamte auch be⸗ tufen wurde. Herr Dr. Fiſcher leitete die Verhandlungen da⸗ nit ein, daß er einen kurzen Rückblick auf die bisherige Thätigkeit der Centrumspartei im XI. badiſchen Reichs⸗ agswahlkreiſe warf und die Gründe beleuchtete, durch welche ſie beſtimmt worden ſei, ſelbſtſtändig in den Wahlkampf einzutreten. Wenn auch die Candidatur zes Herrn Landgerichtsraths Freiherrn v. Buol zur als eine Zählkandidatur zu betrachten ſei, ſo ſei V doch an der Zeit, den feindlichen Parteien zu zeigen, daß auch in dieſem Wahlkreiſe die Centrumspartei ein Faktor ſei, mit welchem gerechnet werden müſſe. Der wärmſte Dank gebühre dem Candidaten, daß er unter jolchen Umſtänden mit Hintanſetzung ſeiner perſönlichen Rückſichten in aufopfernder Weiſe die Candidatur ange⸗ nommen habe; ebenſo aber auch dem Herrn Reichstags⸗ äbgeordneten Lieber⸗Camberg, dem bewährten und gerufenen Streiter für die Sache des Centrums, der don weit hergereiſt kam, um ſeinen Freunden heute zur Seite zu ſtehen. Herr Dr. Fiſcher erklärt ſchließlich, daß eine Diskuſſion in der Verſammlung ausgeſchloſſen, daß aber der Candidat der Partei bereit und erbötig ſei, zuf jede an ihn ergehende ſachliche Anfrage Beſcheid und Antwort zu geben. Er ertheilte ſodann demſelben, Herrn Landge⸗ eichtsrath Freiherru von Buol das Wort. Herr von Buol mit lebhaftem Beifall empfangen: Meine Herren! Wenn ich die Candidatur des Wahlkreiſes Mannheim⸗Weinheim⸗Schwetzingen trotz einiger Bedenken, die ſich mir zu Anfang aufgedrungen, angenommen habe, ſo geſchah dies in der Freude über den Parteibeſchluß, daß die Centrumspartei in unſerem Wahlkreiſe ſich auf eigene Füße ſtellen, ihre eigenen Wege gehen müſſe. Dieſe Freude nur war es, die mich allein bewogen, alle die Mühen und Opfer, welche die Uebernahme der Reichstagskandidatur im Gefolge hat, auf mich zu neh⸗ men; denn ich ſagte mir: ſollte der Wahlkreis Mann⸗ heim⸗Weinheim⸗Schwetzingen allein zurückbleiben, wo unſere Geſinnungsgenoſſen allüberall mit ſo großem, eiſernen Fleiße in die Wahlagitationen einzutreten ge⸗ wohnt ſind und es dahin gebracht haben, daß das Cen⸗ trum in wenigen Jahren nicht nur eine angeſehene, einfluß⸗ reiche geworden, ſondern auch zu einer Macht herange⸗ wachſen iſt, die im Reichstage den Ausſchlag gibt. Jeifall.) In ſechs Jahren iſt die deutſche Centrums: pdetei von etwa 40 Fraktionsmitgliedern auf über 100 geſkiegen, während bekanntlich die damals tonangebende nationalliberale Partei von über 150 Mitglie⸗ dern jetzt auf 50 herabgeſunken iſt. Da iſt denn doch nach meiner Ueberzeugung der Schluß gerechtfertigt, daß der Nationalliberalismus den Boden im deutſchen Volke verloren hat, und daß die Führer dieſer Partei kein Verſtändniß für die Klagen, die Noth und die Bedürf⸗ niſſe des Volkes gehabt haben.(Beifall.) Umgekehrt läßt ſich der Schluß ziehen und rechtfertigen, daß die Führer der Centrumspartei es beſſer verſtanden haben, wahrzunehmen, mo unſer deutſches Volk, wie man zu ſagen pflegt, der Schuh drückt. Darum ſage ich anae⸗ Erſcheint täglich, Foun- und Feſttage ausgenommen. ſichtlich der Erfolge und abgeſehen von den Erfolgen, die das Centrum auf dem kirchenpolititſchen Gebiete er⸗ ungen hat, Erfolge, die lediglich den Wählern von der Nordſee bis zum Bodenſee zu verdanken ſind, angeſichts dieſer Erfolge war und iſt es gerechtfertigt und geboten, einen eigenen Candidaten in dieſem Wahlkreiſe aufzuſtel⸗ len, und es iſt mit Freude zu begrüßen, daß unſere Ge⸗ ſinnungsgenoſſen ſich unter einer Fahne geſammelt haben, um hinauszuziehen in den Wahlkampf. Wenn ich nun gleich von der Anlehnung unſerer Partei ſpreche, ſo möchte ich darauf hinweiſen, daß von einer Anlehnung an die ſozialdemokratiſche Par⸗ tei nie die Rede ſein kann und nie ſein konnte; denn die Forderungen, wie ſie in dem heute Vormittag ver⸗ breiteten Flugblatte der ſozialdemokratiſchen Partei nieder⸗ gelegt ſind, und die ſich, wie ich zugeben muß, in be⸗ ſcheidenen Grenzen halten, erachten wir für praktiſch undurchführbar, denn ſie widerſprechen den Grundſätzen der menſchlichen Natur und vor Allem den Grundſätzen der chriſtlichen Religion. Was nun die nationalliberale Partei betrifft, ſo hat der Herr Reichstagsabgeordnete Dr. Bürklin von Neuſtadt in der öffenlichen natianalliberalen, Wähler⸗ verſammlung unter Anderem erklärt, er halte die Can⸗ didatur des Herrn Commerzienrathes und Handelskam⸗ merpräſidenten Diffens für eine geradezu prädeſtinirte, und er würde für Herrn Diffens ſtimmen auch wenn dieſer ein Demokrat oder Conſervativer wäre. Je nun; da möchte ich denn doch dieſe Behauptung in's gerade Gegentheil umkehren und ſagen: wir, die Centrums⸗ partei, könnten dem Herrn Diffens nur dann unſere Stimme geben, wenn er ein Demokrat oder Conſer⸗ vativer wäre.(Beifall.) Aber wir können mit dieſem Candidaten nicht gehen, wegen ſeiner wirthſchaftlichen und ſocialen Stellung(Beifall.) und aber deßhalb, weil die nationalliberale Partei eine kulturkämpferiſche iſt. (Beifall); daß dies der Fall iſt, das zeigt zum Bei⸗ ſpiel das Expatriirungs⸗Geſetz, nach welchem die Strafe der Ausweiſung aus dem deutſchen Reiche, nament⸗ lich gegen die Geiſtlichkeit ausgeſprochen wird; auch hier heißt es:„Treu ſein,“ aber nicht zu Kaiſer und Reich, ſondern treu zum Culturkampf. Auch hinſichtlich des conſervativen Candi⸗ daten will ich mir ein kurzes Wort erlauben, dem ge⸗ genüber man uns in durchaus ungerechtfertigter Weiſe die Aufſtellung unſerer Candidatur zum Vorwurf macht. Ich habe hierauf zu erwidern: Erſtens waren wir zuerſt auf dem Plan und dann gibt ſich der Herr Ver⸗ treter der Bauern⸗ und Handwerkervereine doch nur als Hauptvertreter der Intereſſen dieſer Kreiſe, während der Centrumswählee doch noch eine ganze Reihe an⸗ derer Forderungen hat, die er auch vertreten haben will, und dann glaube ich nachweiſen zu können, daß die Landwirthſchaft und der kleine Handwerkerſtand durch unſere Partei viel wärmer vertreten würden, als durch die conſervative Partei, die conſervative Partei wird in Zukunft für dieſe beiden Stände nicht mehr thun kön⸗ nen, als wir bereits gethan haben. Nun aber ſind ſie gekommen, das politiſche Pro⸗ gramm meiner Perſon anzuhören. Ja, ſoll ich Ihnen bamit anfangen, daß ich feſtſtehe zu Kaiſer und Reich; das habe ich nicht nöthig; ich bin kein Partikulariſt und erkläre ganz gerne, daß ich die Regelung der kirchenpolitiſchen Frage gerne der Zuſtändigkeit des Reiches überlaſſen würde. Jemand aber, der treu der Kirche iſt, iſt auch Treue dem Staate ſchuldig, deßhalb iſt es auch überflüſſig, die Treue zu Kaiſer und Reich zu betonen und über die Verdächtigungen hebt man ſich mit gutem Gewiſſen und mit Leichtigkeit hin⸗ weg.— Ich will Ihnen gar nichts ausmalen, ſondern werde mich lediglich auf den Boden der Thatſachen ſtel⸗ len und Ihnen in gedrängter Kürze zu berichten ver⸗ ſuchen, was das Centrum und zum Theil auch ich in den letzten drei Jahren gethan haben und Ihnen ſteht es dann zu, ob ich recht gethan habe und Schlüſſe zu ziehen, wie ich in Zukunft zu handeln haben werde. Was die Lan dwirthſchaft betrifft, ſo iſt ja allge⸗ gemein anerkannt, daß die Lage derſelben eine ſehr ſchlimme iſt. Nur muß ich mich hiebei wundern, daß gerade diejenigen Herren, welche die von auderen Par⸗ teien gemachten, zur Abhilfe geeigneten Vorſchläge ver⸗ warfen, obwohl ſie die ſchlimme Lage der Landwirth⸗ ſchaft kannten. Es herrſcht allenthalben die Anſicht, daß das Zurück⸗ gehen der Landwirthſchaft in der mißlichen Lage zu ſuchen ſei, in dem Umſtande, daß der Landwirth ſeine Cres⸗ centien nicht mehr oder doch mindeſtens nicht mehr preis⸗ Mannheimer Handels⸗Zeitung. Zeitung. Dienftag, 23. Ropembtr 1886. 9 Inſerate: der Stadt Mannheim und Umgebung. ee Mannheimer Volksblatt. Einzel⸗RNummern 3 Pfß. Doppel⸗Nummern 5 Pfg⸗ würdig verkaufen könne, daß er keinen Abſatz finde und ſein Getreide vielfach auf dem Speicher verfaulen laſſen müſſe; um dieſem Uedelſtande vorzubeugen, hat man eine Schutzwehr gegen die ausländiſche Concurrenz in Form der Schutz zölle geſchaffen. Die übrigen Klagen kom⸗ men ja nicht alle vor den Reichstag und hier müſſen die Mittel zur Abhilfe auf dem Gebiete der Selbſthilfe und in den Landtagen geſucht und gefunden werden. Nun hören wir, daß die Fleiſch⸗ und Holzzölle ze. ꝛc. dem kleinen Manne das Brod vertheuern. Ich aber be⸗ haupte, daß Niemand in der Lage iſt, nachzuweiſen, daß in der That auch nur in dem mindeſten Maße eine Vertheuerung des Brodes eingetroffen iſt; denn zum erſten wäre es überhaupt nothwendig, daß das Getreide theurer würde; das iſt aber bis jetzt nicht der Fall. Der Landmann hat wenigſtens für ſeine Produkte einen Abſatz; ich wenigſtens habe bis jetzt wohl keinen Fall gehoͤrt, daß der Bauersmann ſein Getreide auf dem Speicher verſchimmeln laſſen muß. Wir ha⸗ ben aber auch ferner noch nicht gehört, daß der Preis des Brodes heruntergegangen iſt; aber wenn auch das Brod um einen minimalen Betrag um ca. /— Pfeunig aufgeſchlagen hat, dann glaube ich, muß der Grundſatz hier ſich Geltung verſchaffen:„Leben und leben laſſen“; es muß hier der Grundſatz der chriſt⸗ lichen Nächſtenliebe Platz greifen. Der Satz, daß der Arbeiter da am glücklichſten und wohlſten ſich befinde, wo es am billigſten iſt, dieſer Satz iſt jedoch unwahr. Warum ziehen denn alle Arbeiter hierher, nach Berlin und den anderen großen deutſchen Städten, ganz einfach deshalb, weil dort der Verdienſt ein größerer iſt. Was haben nun die Nationalliberalen für die Landwirthſchaft gethan. Von den 47 oder 48 Mitgliedern der Fraktion haben 24 für, 24 gegen die Einführung der Schutz ölle geſtimmt, alſo ſo, als ob ſie gar nicht vorhanden ge⸗ weſen wären.(Heiterkeit). Auch der Gewerks mann klagt und es iſt nicht zu beſtreiten, daß ein entſchiedener Rückgang des Klein⸗ gewerbes zu bemerken iſt. Der Herr Handelskammer⸗ präſident hat in der letzten nationalliberalen Wähler⸗ verſammlung im Saalbau bei der Behandlung der Handwerkerfrage ungefähr Folgendes geſagt:„Die be⸗ dauernswerthe Lage des Kleingewerbes iſt entſtanden durch die Concurrenz der Großinduſtrie. Augenſcheinlich iſt, daß bei Maſſenartikeln die Handarbeit nicht mit der Maſchinenarbeit in Wettbetrieb treten kann. Das Klein⸗ gewerbe muß ſich deßhalb jenen Feldern zuwenden, auf denen die individuelle Geſchicklichkeit den Ausſchlag gibt. Dieſe Aenderung wird ſich allerdings nicht ganz leicht vollziehen, aber es iſt doch nicht unmöglich, in einer Zeit, welche große Anforderungen an gewiſſe Formenſchönheit ſtellt. Das Gebiet des Kunſtgewerbes iſt die Domäne des Kleingewerbes. Ein wichtiger Faktor, der eine neue Aera der Proſperität für das Kleingewerbe herbeizufüh⸗ ren geeignet ſcheint, liegt vielleicht in der erhöhten Aus⸗ untzung der Elektricität. Das Kunſtgewerbe unſerer Tage hat ja angeknüpft an die beſten Traditionen un⸗ ſerer nationalen Produktion. Wir müſſen Alles auf⸗ bieten, um dieſen Weg gangbar zu machen. In dieſer Beziehung kann auch die Bildung von Innungen, fofern dieſelben ſich nicht als Zwang hinſtellen, ſondern auf der Erkenntniß der durch ſie zu erlangenden Vortheile beruhen, gebilligt werden.“ Alſo es wird anerkannt, daß die Lage des Hand⸗ werkerſtandes eine höchſt mißliche iſt, allein als einziges Auskunftsmittel wird empfohlen, das Kunſt handwerk zu pflegen. Alſo merkt es Euch, Ihr Metzger, Bäcker, Schuhmacher ꝛc., verlegt Euch auf die Pflege des Kunſt⸗ handwerks!— Die Innungen ſind nicht ſür das Kunſt⸗ handwerk, ſondern in aller letzter Reihe für die Ge⸗ werbe, die ſich im Kunſthandwerke auszeichnen können. Aber auch die Kunſthandwerke und die Gewerbe, die noch keine Concurrenz haben, haben ein ſehr großes Intereſſe da⸗ ran, ſich zu Innungen zuſammenſchließen, damit die einzelnen Handwerker nicht mehr als einzelne Atome, fondern als geſchloſſenes Ganzes daſtehen, als gegliederte und orga⸗ niſirte Volksklaſſe, welche gegen den Anarchismus und die Sozialdemokratie einen wirkſamen Schutzdamm bilden. (Bravo.) Es muß den Innungen daran liegen, die Standesehre wieder wachzurufen, hoch zu halten und vor Allem die ganz verfahrene Lehrlingsfrage zu regeln, (Beifall), was das allerwichtigſte iſt. Aber am allerbe⸗ deutſamſten ſind die Innungen für die Gewerbe, welche am meiſten unter der Herrſchaft der Maſchinen zu leiden haben, die Gewerbe der Schuhmacher und Schneider. Eben bei dieſen iſt das Zuſammenſchließen zu organiſtr⸗ ten Verbänden am allernolbwendigſten zum Zweck eines — * reden. N. Seite —— — leichteren und billigeren Einkaufes von Rohmaterialien, durch Errichtung von Verkaufslagern etc., kurz um Alles das durchzuführen, was der Einzelne nicht durchzuführen vermag.(Beifall.) Was thut denn das Kapital an⸗ deres? es vereinigt ſich zu Aktiengeſellſchaften, die ja nichts anderes ſind als Vereinigungen von Einzelnen, die aus dem Boden wie Pilſe hervorſprießen; bald wer⸗ den auch noch die Wahlagitationen auf Aktien betrieben werden.(Heiterkeit.) Bei dieſen Actiengeſellſchaften, ſagt man, hier iſt Leben, hier iſt geſunde Luft, eine herrliche Blüthe des Geſchäfts, aber wenn ſich 30 bis 40 Hand⸗ werker zuſammenthun, dann heißt es, das ſei der dunkelſte, mittelalterliche Zopf, den man je geſehen. Ja wenn ich all' die ſchönen Wirkungen der Innungen nennen möchte, 85 Tönnte ich lange nicht fertig werden. Ich will als Bei⸗ ſpiel nur das eine anführen, daß die Bäckerinnung in „Köln anlehnend an eine Fachſchule eine Fortbildungs⸗ ſchule eingerichtet hat, an welcher ſämmtliche Baͤckerge⸗ ſetlen und Lehrlinge Theil nehmen. Ja, iſt das nicht eine ſchöne Aufgabe?(Beifall.) Da iſt weiter die Flei⸗ ſcherinnung, die ſtärkſte, in Frankfurt, welche eine Auf⸗ forderung, eine Warnung an alle Eltern und Vormün⸗ der erlaſſen hat, ja darauf zu achten, daß die Lehrlinge, welche ihre volle Lehrlingszeit bei Nicht⸗Innungsmeiſtern durchgemacht haben, großen Widerſtand bei ihrem Fort⸗ kommen finden, wenn ſte nämlich nicht den Lehrbrief der Innung haben und auf ihrer Wanderſchaft den anderen Innungen vorzeigen können. Ich bin ferner überzeugt, wenn wir die Innungen ſchon vor Jahren gehabt hätten, wir die Vagabondage nicht haben würden. Ich will nur noch auf die Zwangsinnungen hin⸗ weiſen. In Süddeutſchland haben wir von den freien Innungen noch keinen Gebrauch gemacht, deßhalb kann man bei uns vorerſt von Zwangsinnungen noch nicht Uebrigens hat der Handwerkertag in Köſen zum Beſchluſſe erhoben: wenn nur die Innungen or⸗ dentlich mit Rechten ausgeſtattet werden, ſo daß der Ein⸗ tritt auch begehrenswerth iſt, dann können auch die Zwangsinnungen ganz gut entbehrt werden.(Beifall.) Man verlangt auch von Seiten der Handwerker den ſogen. Befähigungsnachweis. Auch dieſer wird von den Gegnern als etwas ungeheuer Schäd⸗ liches angeführt und als mittelalterlicher Zuſtand hin⸗ geſtellt. Ich verweiſe hiebei blos auf die Kataſtrophen, welche in den letzten 3Z Monaten in Köln, Karlsruhe und Hamburg ſich bei den Häuſereinſtürzen ereignet haben. Ich behaupte, wenn hier der Befähigungsnachweis ſchon be⸗ ſtanden hätte, wenn die betreffenden Bauhandwerker den Nachweis erbracht hätten, daß ſie das Bauhandwerk wirklich erlernt haben, ſo wären jene Unglücksfälle nicht eingetreten.(Beifall.) Es iſt alſo die hoͤchſte Zeit, daß der Befähigungsnachweis endlich verlangt werde. Doch um auf die Arbeiter⸗ auf die ſozialpolitiſche Frage überzugehen, ſo ſollte man meinen, der Arbeiter ſei, wenn man das Flugblatt der ſozialdemokratiſchen Partei in unſerm Wahlkreiſe lieſt, wirklich das Stiefkind der Nation, preisgezeben der Vernachläſſigung und Be⸗ drückung. Nun wollen wir uns aber blos an That⸗ ſachen halten und ich will Ihnen darthun, daß etwas für unſere Arbeiter geſchehen iſt, etwas ganz Erkleckliches; ich will Ihnen darthun, daß ſchon ſeit einer Reihe von Jahren, ja ich behaupte von dem erſten Reichstage an und zu einer Zeit, wo man den Namen„Sozialdemo⸗ kratie“ noch gar nicht gekannt hat, ein Mitglied der Centrumspartei Anträge geſtellt hatu. Jahr für Jahr ge⸗ ſtellt werden(Beifall.) Unter dem, was wir ge⸗ than haben, iſt das Krankenkaſſengeſetz, die Unfall⸗ derſicherung. Wir ſtehen hiebei auf dem Standpunkte, daß man die Pflicht hat, nach einem Schutz der Menſchen⸗ würde des Arbeiters zu ſuchen und dieſem einen Schutz gegen Ausnützung und Ausbeutung zu gewähren.(Bei⸗ fall). Glücklicher Weiſe iſt es ja bei uns nicht ſo arg wie in allen anderen Staaten; aber man braucht bei uns nicht abzuwarten; die Thatſache iſt bekannt, daß es Arbeiter gibt, welche den Grundſatz: Leben und leben laſſen, den Grundſatz der chriſtlichen Nächſtenliebe nicht beachten; darum iſt es vor Allem nöthig, daß die Sonntagsruhe geſetzlich eingeführt werde, denn dieſe halte ich für die Krone der Arbeiterſchutzgeſetzgebung. Da ſagt nun auch der Herr Commerzienrath Diffens, das ſehe ſich ſo leicht an, ſei aber ſehr ſchwer auszu⸗ führen, weil die Einführung der Sonntagsarbeit einen großen Ausfall an Arbeitsſtunden für viele Induſtrien bedingen würde. Ich aber ſage, alle Induſtrien, welche einen derartigen Ausfall nicht ertragen können, ſind über⸗ Hhaupt der Exiſtenz nicht werth.(Beifall). Es iſt vielmehr durchaus nothwendig, daß der Arbeiter einen Tag in der Woche habe, den er nicht blos zur Erholung und zum Vergnügen benützen ſoll, ſondern an dem er ſich auch erinnern ſoll, daß es noch ein Jenſeits gibt, daß er eine göttliche Seele in ſeinem Buſen trägt; es iſt nöthig, daß der Arbeiter einen Tag in der Woche hat, an dem er ſich erbauen, mit ſeinem Gotte reden, das heißt beten kann.(Beifall). Wir haben leider unſere Forderung nicht durchgeſetzt trotz der eifrigen und jahrelangen Be⸗ mühungen. Es iſt dies gerade einer der Anträge, welche der Herr Graf von Galen, der noch heute im Centrum ſitzt und ſchon in demſelben geſeſſen hat, bevor man an eine Sozialdemokratie gedacht, geſtellt und wiederholt geſtellt hat, und welche von einem hier anweſenden Fraktionsgenoſſen Herrn Dr. Lieber auf das Schneidigſte verfochten wurde. Daß wir unſere Forderung nicht durchgeſetzt haben, daran ſind die Herrn Nationalliberalen zum Theil auch die Conſervativen ſchuld, Man hat nichts weiter beſchloſſen als Anſtellung einer Enquete über die Nothwendigkeit und Durchführbarkeit der Sonntags⸗ ruhe, eine Enquste darüber, ob es nöthig iſt, daß man den Sonntag heilige. Ja ich weiß ſehr wohl, daß es einzelne Arbeiten gibt, deren Verrichtung an Sonntagen nicht umgangen werden kann, wie z. B. die Heizung der Hochöfen oder die Reparaturen von Maſchinen. Aber es iſt für mich einfach ein göttliches Gebot, das bei allen Völkern und Religionen ähnlich vorkommt, daß man einen Tag in der Woche zur Ruhe haben ſoll und das ſeinen göttlichen U ſprung nicht verläugnen kann. (Beifall.) Wenn Sie einigermaßen den Unterſuchungen, die in Belgien derzeitig angeſtellt werden, gefolgt ſind, ſo werden Sie das Haarſträubende geleſen haben, daß acht⸗ jährige Kinder ihren Eltern in der Arbeit bereits Kon⸗ kurrenz machen. Bei uns in Deutſchland iſt es gotttob noch nicht ſo ſchlimm, aber auch bei uns muß die Frauen⸗ und Kinderarbeit beſchränkt werden, da⸗ mit der Frau die Möglichkeit nicht benommen werde, ihrem Manne eine angenehme Häuslichkeit zu bilden und die Kinder zu erziehen.(Beifall.) Ich ſchrecke aber auch vor dem Normalar⸗ beitstag nicht zurück, wenigſtens nicht in dem Sinne, daß auch ein Maximalarbeitstag geſetzlich feſtgeſetzt werden ſoll. Ich glaube damit gezeigt zu haben, daß die Cen⸗ trumspartei keine den Arbeitern feindliche Partet iſt und wenn die ſozialdemokratiſche Partei nicht weiter gehende Forderungen hätte, ſo könnte man allen ihren Forderungen zuſtimmen; allein ich habe allen Grund anzunehmen, daß das Flugblatt dieſer Partei nicht alle Forderungen enthält, welche ſie in Wirklichkeit durchzu⸗ ſetzen beſtrebt iſt und wer da behaupten wollte, es ſeien in der That alle Forderungen der ſozialdemokratiſchen Partei in dem Flugblatte niedergelegt, der kennt eben einfach die Tendenzen dieſer Partei nicht und ich glaube auch, daß 80 bis 90 Prozent der Angehörigen dieſer Partei die Tendenz nicht kennt und wenn ſie ſie kennen würden, ſie nicht ausübten.(Beifall.) Denn ſo weit die Tendenzen, wie ich ſie geſchildert habe, gehen und wie auch das Centrum ſie vertreten will, gehen ſie in zuſtand geſchafft werden ſoll, der dem gleichkommt, daß einer Weiſe über, das Maß des Erreichbaren hinaus, daß ſie gegen die menſchliche Natur, wie Religion ver⸗ ſtoßen; denn die ſozialdemokiatiſchen Beſtrebungen gehen zwar dahin, daß getheilt werden, oder daß ein Zukunfts⸗ von dort an, wo der ſozialdemokratiſche Staat beſtehen würde, das was von dem Einzelen erworben wird, nicht mehr ihm als dem Einzelnen gehört, ſondern der Ge⸗ ſammtheit, alſo daß ein ſchoͤner himmliſcher Zuſtand, ein allgemeiner Wohlſtand geſchaffen würde. Das aber wäre ein Zuſtand, welcher der menſchlichln Natur wider⸗ ſtreiten würde, denn wenn dem Einzelnen das, was er durch ſeiner Hände Arbeit erworben hat, nicht mehr gehört, dann hört der Sporn der Arbeit auf und aus dem Zuſtand des allgemeinen Wohlbehagens würde ein allgemeines Nichtsthun und des Nichtshabens hervorgehen.(Beifall.) Es würde zur Folge haben, daß wir das, was wir bis jetzt mühſam erworben haben, wieder von Neuem aufbauen müßten. Deßhalb möchte ich auch den Herren den Rath geben, den Leuten nicht immer von Ausbeutung und Ausnützung vorzureden, ſondern nüchtern, fleißig, ſparſam zu ſein und dann wird, was ja auch unſere Partei will, ein zufriedener Zuſtand hergeſtellt werden.(Beifall.) Aber zur Zufriedenheit gehört auch noch unbedingt etwas Anderes, nämlich die Religion.(Brlifall.) Und wenn man auch ſagt, es ſei eine eigenthümliche Gepflogen⸗ heit, etwas Unkorrectes, wenn man die Frage der Re⸗ ligion mit der ſozialen Frage zuſammenwerfe, ſo ſage ich trotzdem, alle Politik hängt im Grunde mehr oder weniger mit der Religion zuſammen und unſere Rich⸗ tung kann Jemand nur ſo lange vertreten, als er an ein Jenſeits glaubt. Woher rührt es denn, daß alle An⸗ gehörigen der ſozialdemokratiſchen Fraktion ſich ſelbſt als religionslos, nicht blos konfeſſionslos bezeichnen? Es iſt dies eine eigenthümliche Erſcheinung, es ſcheint, als ob die Sozialdemokraten damit ſagen wollten, daß ſich ihr Syſtem nur mit dem Ausſchluß der Religion vertrage. Da iſt aber doch auch wieder ein Zuſammenhang zwiſchen Religion und Politik, wie er auch bei unſerer Partei beſteht. Aber auch die privateigenthümlichen Verſchieden⸗ heiten in den Begriffen Vermögen und Unvermögen, Reichthum und Armuth, ſind nicht blos wirth ſchaftliche Begriffe, ſondern ſind auch in der Religion tief begrün⸗ det.„Im Schweiße Deines Angeſichtes ſollſt Du Dein Brod eſſen“; das ſind Grundſätze, von denen wir aus⸗ gehen und wenn ſie von allen Menſchen befolgt würden, dann könnte gewiß für alle Arbeiter ein glückliches Da⸗ ſein begründet werden.(Beifall.) Da ich nun doch gerade von dem Flugblatte der ſozialdemokratiſchen Partei geſprochen habe, ſo will ich mit einigen Worten noch der Hochhaltung der Volks⸗ rechte gedenken, welche in dem betr. Flugblatt erwähnt werden. Ich frage hier nun: welches verfaſſungsmäßig ga⸗ rantirte Volksrecht ſoll denn preisgegeben werden? Ich antworte: keines. Ich gebe zu, daß das eine oder andere Volksrecht in Gefahr war, allein ich frage: wer hat es hochgehalten? Wer hat die Gefahr abgehal⸗ ten? Vielleicht die Herren Sozialdemokraten? Nein, das Centrum vielmehr war es, welches allzeit mannhaft für Wahrung aller Volksrechte eingetreten iſt(Beifall); denn was das Centrum hochhalten will, das wird hochgehal⸗ ten, und was es fallen laſſen will, das fällt.(Beifall.) Das Sozialiſtengeſetz betreffend, habe ich gegen die Verlängerung geſtimmt, weil ich der Ueberzeugung bin, daß dieſes Geſetz denjenigen, welche es zu treffen be⸗ ſtimmt iſt, nicht nur nicht ſchadet, ſondern nützt,(Bei⸗ fall) und weil ferner vielfache willkürliche Anwendungen von demſelben ſtattfinden, wie z. B. die vielen Auf⸗ löſungen von Wahlverſammlungen, welche dem letzten Reichstage Veranlaſſung gegeben haben, verſchiedene Wahlen für ungiltig zu erklären. Ein fernerer Hauprpunkt, der von der ſoſialdend⸗ kratiſchen Partei hervorgehoben wird, ſind die indi⸗ rekten Steuern d. h. alſo die Zölle und Steuern auf Verbrauchsgegenſtände; da heißt es, dieſe ſeien ab⸗ ſolut ungerecht. Ich gebe zu, daß die indirekten Steuern nicht gleichmäßig wirken auf den Armen und auf den Reichen, und ſage auch, auf nothwendige Lebensmittel ſollte eine Steuer nicht gelegt werden. Wir haben nun zwar auch die Kornzölle, aber ich habe bis jetzt noch keinen Nachweis erhalten, daß dieſelben geeignet ſind, das Brod des kleinen Mannes zu vertheuern. Und wenn auch das Brod wirklich um ein Mini⸗ males vertheuert werden ſollte, ſo muß man hier, wis ich ſchon betont habe, den Grundſatz gelten laſſen:„Leben und leben laſſen.“ Es iſt aber auch leicht zu ſagen, die indirekten Steuern müſſen aufgehoben werden, aber dann möchte ich doch auch einen Gegenvorſchlag hören, wie der dadurch bedingte Ausfall gedeckt werden ſoll. Wir wollen gewiß unſeren republikaniſchen Nachbarſtaaten, der Schweiz und Frankreich, nicht den Vorwurf machen, daß ſie darauf ausgehen, dem armen Manne das Brod zu vertheuern, und doch haben beide, und beſonders Frank⸗ reich, weit mehr indirekte Steuern als wir.(Beifall.) Und dann haben wir ja auch hier in Mannheim das ſtädtiſche Oktroi auf Mehl, Fleiſch ꝛc. ꝛc. Sind das nicht auch Lebensmittel? Ich bin ſehr begierig, wenn der Moment gekommen ſein wird, wenn der Herr Stadtrath Dresbach den erſten Schritt machen wird, um das Oktroi zu beſeitigen.(Heiterkeit.) Ich kenne verſchiedene Steuern, die wenn ſie ein⸗ geführt würden, ſehr heilſam wären. Wir das Centrum, haben auch den Grundſatz, eine Börſenſteuer zu ſchaffen. Es hat viele Jahre gedauert, die Regierung hat Vorſchläge gemacht, alle Geheimräthe Berlins haben ſich den Köpf zerbrochen, aber es kam keine Börſenſteuer zu Stande. Wir ſind mit Initiativanträgen vorgegangen; wir habe eine Commiſſion gebildet und in derſelben eine Börſenſteuer entworfen. Die anderen Herren haben uns aber nur Prügel in den Weg gelegt. Wir haben eine Arbeit geliefert und der Herr Reichskanzler, brauchte blos„Ja“ und„Amen“ zu ſagen und in der dritten Leſung haben Alle zugeſtimmt, auch die Na⸗ tionalliberalen, die ſich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hatten. Die Gegenſtände wären noch ſehr zahlreich, aber ich will mich jetzt darauf beſchränken, mit kurzen Worten das Programm der Centrumspartei zu wiederholen: Die Volksrechte, welche durch die Verfaſſung garantirt ſins, hoch zu halten, alle weiteren Ausgaben zu vermeiden, die Kirche aber frei zu ſtellen, wie es nach unſerer Ueberzeugung nothwendig iſt, um den religiöſen Sinn unter dem Volke zu heben. Wenn Sie dieſen Centrumskandidaten IhreStimme geben, ſo wer denSie in derLage ſein, den gegrün⸗ deten Beſchwerden aller Bevölkerungsklaſſen in der Haupt⸗ ſache Rechnung zu tragen. Fördern Sie deshalb auch am 26. d. Mts. die Sache unſerer Partei, indem ich daran die Hoffnung knüpfe, daß die Thätigkeit des Centrums nicht blos für unſere ſchöne Pfalz, ſondern auch für das ganze deutſche Vaterland ſegensreich ſein möge.(Langanhaltender Beifall.) Nachdem der Candidat der Centrumspartei damit ſeine mit andauerndem und rauſchenden Beifall aufge⸗ nommene Rede geſchloſſen hatte, ſtellte der Vorſttzende der Verſammlung den Herrn Reichstagsabgeordneten Dr. Lieber⸗Camberg vor. Dieſes in der Partei ſelbſt hochangeſehene Mitglied ſei gekommen, um an einem Ehrentage der Partei ſeinen Freunden zur Seite zu ſtehen. Mit lang anhaltenden Kundgebungen empfangen, betrat derſelbe nunmehr die Rednerbühne. Reichstagsabgeordneter Dr. Lieber⸗Camberg (mit lebhafteſtem Beifall empfangen): Meine Herren! Zunächſt meinen verbindlichſten Dank für den freund⸗ lichen und wie ich anerkennen muß, unverdienten Em⸗ pfang, den Sie mir ſoeben zu Theil werden ließen. Mich hat hieher geführt der Wunſch zunächſt meinem lieben und verehrten Freunde und Fraktionsgenoſſen, dem Hrn. Reichstagsabgeordneten Freiheren von Buol, dem Can⸗ didaten der Centrumspartei in dieſem Wahlkreiſe einen Beweis meiner Freundſchaft und Hochachtung zu geben. Noch weit mehr aber, was mir derſelbe gewiß am Wenigſten übel nimmt, war es der lebhafte Wunſch, einen Beweis der Hochachtung der Centrumspartei in Mannheim und in dieſem Wahlkreiſe dafür zu geben, daß ſie ſich entſchloſſen hat, in dem bevorſtehenden Wahl⸗ kampf, in welchem diejenige Partei, die dieſen Wahl⸗ kreis Jahre lang als ihre ausſchließliche Domäne be⸗ herrſcht hat, ohne Aufſtellung eines Candidaten in s Hin⸗ tertreffen trat, ihrerſeits mit fliegenden Fahnen in die Wahlſchlacht einzutreten. Nun kann mir nach Anhörung der umfaſſenden Candidatenrede des Herrn von Buol nichts näher liegen, als die Frage aus dem Munde eines Gegners:„Wozu der Lärm? Was ſteht den Herren zu Dienſten?“ Was müht ſich denn der Centrumskandidat in dieſem Wahlkreiſe ſo ſehr ab— wie wir Alle wiſſen, daß er ſchon ſeit geraumer Zeit es thut— da doch nach übereinſtimmender Annahme der Betheiligten keine oder kaum irgend eine Ausſicht vorhanden iſt, den von der demokratiſchen Partei aufgegebenen Wahlkreis für das Centrum zu erobern? Warum? Laſſen Sie mich dieſe Frage einen Augenblick ins Auge faſſen; doch ehe ich di s thue, halte ich es für meine Pflicht, umſomehr, da ich, ein Fremder, unter Ihnen ſtehe, auszuſprechen, daß der Centrumspartei Nichts ferner liegt, als mit perſönlichen Angriffen und Herabwürdig⸗ ungen gegen die politiſchen Gegner vorzugehen, daß ihr nichts ferner liegt, als mit unbegründeten und überflüſſt⸗ gen Herabwürdigungen feindlicher Parteien ibren Wahl⸗ —=——— er. ee FEErerre ——. E 23. November. 8. Seite. kampf zu machen. Es wird in den Herzen Aller, die der Entwicklung der öffentlichen Verhältniſſe in unſerem großen weiten deutſchen Vaterlande ſeit dem Beſtande unſeres ge⸗ einigten deutſchen Reiches mit Aufmerkſamkeit gefelgt ſind, die traurige Wahrnehmung lauter oder le ſer ſich ſchon angemeldet haben, daß der Ton unſerer öffentlichen Verhandlungen von Jahr zu Jahr herab⸗ ſinkt, nicht ſowohl— und das gereicht dem biederem deutſchen Volke zur Ehre— der Ton der öffentlichen Verhandlungen, in denen es ſelbſt handelnd auftritt, ſon⸗ dern auch leider Gottes in den Verhandlungen, in denen die gegenwärtigen Vertreter des deutſchen Volkes mit einander zu berathen und zu verhandeln haben. Aber leider hat ſich dieſes Sinken des guten Tones in den Perhandlungen der Parteien unter einander auch in unſere Wahlverſammlungen verirrt; mußten wir doch erſt in dieſen Tagen aus einer württembergiſchen Wahl⸗ verſammlung wieder ein ſchönes Beiſpiel eines gentle- maän-like'ſchen Benehmens aus nationalliberalem Munde vernehmen. Ich ſage„gentleman-like ſches Benehmen, weil ja nach dem Zeugniſſe eines der Wortführer der nationalliberaler Partei, des Profeſſors Dr. Marquardtſen in Erlangen gerade dieſe Partei im deutſchen Reichstage nöthig iſt, weil es ein Bedürfniß ſei, daß eine Partei der Gentleman unter uns exiſtire.(Heiterkeit). Einer dieſer Gentleman hat ſich kürzlich zu der ſchönen Rede⸗ blüthe verſtiegen, daß diejenige Partei, welche am zahl⸗ reichſten die Sitze des Reichstages einnehmen, den Reichs⸗ tag nur„verhunze.“ Es iſt, wie ich wiederhole, ein wahres Bedürfniß für das deutſche Volk, daß endlich einmal in dieſer Be⸗ ziehung Einhalt geboten werde. Ich erkenne es an, in der Hitze des Gefechts fällt manches Wort, welches in zuhiger, gemeſſener Geſellſchaftsunterhaltung von ſelbſt ſich ausſchließt; aber diejenigen, welche in das Gefecht elntreten, müſſen es thun in der Ueberzeugung, daß auch die Gegner es ehrlich meinen, ſo lange, bis das Gegen⸗ theil handgreiflich und unwiderleglich bewieſen iſt, und müſſen ihre Gegner in dieſem Sinne behandeln. Wenn wir, die Centrumspartei, uns jeder Zeit bereit erklären, dieſen Ge⸗ ſichtspunkt feſtzuhalten, wenn wir ſtets bereit ſind, Jeden un⸗ ſerer Parteigenoſſen zu desavouiren, der dieſe Richtſchnur verläßt, ſo können wir dies ganz entſchieden auch von den anderen Parteien verlangen.(Beifall.) Und deßhalb habe ich mich in dieſer Beziehung gegen den Redner der ſozialdemokratiſchen Partei zu wenden, wel⸗ cher vor wenigen Wochen hier im Saalbau in öffentlicher Verſammlung die Thätigkeit der Centrumspartei auf ſo⸗ zialpolitiſchem Gebiete, insbeſondere die Thätigkeit, welche auf die Arbeiterſchutzgeſetzgebung abzielt, als aus unlau⸗ teren Motiven gefloſſen dargeſtellt hat. Uns, meine Herren, wird es nie und nimmermehr einfallen, den Führern der Sozialdemokratie, mögen ſie in für uns noch ſo unbegreiflicher Weiſe handeln, unlautere Motive unter⸗ zuſchieben.(Beifall). Wir ſind überzeugt, daß dieſe Männer es mit der Sache, für welche ſie ſtreiten und, wie ſie es ja auch bewieſen haben, zu leiden ſtets bereit ſind, ehrlich und aufrichtig meinen. Aber wir verlangen von ihnen und ihrer Partei dieſelbe Achtung, daß ſie unſere Thätigkeit nicht verdächtigen und verläumden. (Beifall.) Nachdem ich dies vorausgeſchickt, ſage ich: Die Cen⸗ trumspartei tritt in dieſen Wahlkampf ein in dem Be⸗ wußtſein, daß ſie, wie unſer Herr Candidat in ſeiner Rede bereits betont hat, nach allen Seiten hinlänglich darüber klar iſt, daß ſie eine in ihrem Programm und in ihren Zielen durchaus geſchloſſene, ſelbſtſtändig mar⸗ ſchirende Partei iſt!(Beifall.) In dem Flugblatte, welches die ſozialdemokratiſche Partei dieſes Wahlkreiſes verbreitet, iſt, wie auch Herr von Buol bereits angeführt hat, die Behauptung aufge⸗ ſtellt, daß die Centrumspartei im Weſentlichen eine reli⸗ giöfe, kirchliche Partei ſei. Dieſe Behauptung wird nicht nur von der ſozialdemokratiſchen Partei und deren Flug⸗ blättern, ſondern auch von den offiziöſeſten der ofſtziöſen Berliner und allen anderen Reſidenzorganen verbreitet, und Air ſehen in dieſer Beziehung unſere Gegner von der So⸗ zialdemokratie Arm in Arm und Hand in Hand mit dem Herrn Geheimrath Pindter und Genoſſen gegen uns opponiren.(Heiterkeit). Das Centrum aber, ſage ich, iſt nicht einmal vorwiegend eine religiöſe Partei, es ſei denn in dem Sinne, in welchem ſchon mein verehrter Freund und Vorredner die Stellung unſerer Partei zu den religiöſen Fragen bezeichnet hat und in welchem auch die Sozialdemokratie nicht wird ableugnen können, daß mehr oder weniger jede Partei eine religiöſe oder, natür⸗ lich, antireligiöſe Partet ſei. Ich will mich hierbei nicht auf Autoritäten meiner eigenen Richtung berufen, wohl aber auf eine Autorität, welche die Verfaſſer des ſchon mehrfach erwähnten ſozialdemokratiſchen Flugblattes zweifellos aner⸗ kennen werden, nämlich auf die Autorität des franzöſiſchen Sozialiſten Prudhon, von dem ja die Sozialdemokratie 75% ihrer Parteiweisheit entlehnt hat.(Sehr richtigl). Dieſer Prudhon iſt es, der klipp und klar ſagt, jeder Frage, auch der entlegenſten politiſchen Frage, liegt im tieſſten Grunde die religiöſe Frage zu Grunde.(Bei⸗ fall.) Aber darüber hinaus hat die CentrumsparteidenNamen einer religiöſen, kirchlichen Partei doch nur darum bekommen, weil es für die Rechte und Freiheiten der Gewiſſen einzutreten verfaſſungsmäßig berechtigt und verpflichtet zunächſt in die Lage gekommen iſt, dem Gange der Ge⸗ ſetzgebung folgend, dieſe Freiheit der Gewiſſen für die katholiſchen Reichs⸗ und Landesangehörigen vertheidigen zu müſſen, weil ſie von Anderen angegriffen waren. Darum hat ſich allerdings das kath. deutſche Volk in Maſſe erhoben u. das Centrum ſo ſtark u. zahlreich, ſo ausdauernd u. unerſchütterlich in den Reichstag und namentlich in Preußen auch in den Landtag geſchickt, weil ſeine Ge⸗ wiſſensintereſſen in erſter Linie und faſt ausſchließlich angegriffen und geſchädigt worden ſind.(Beifall.) Es gereicht mir zu beſonderer Befriedigung, dieſes hier öffent⸗ lich auszuſprechen, wie es anderwärts unſererſeits oft genug ſchon geſchehen iſt. Die Rechte und Freihei⸗ ten der katholiſchen Kirche vertheidigen in erſter Linie nicht wir, die Centrumspartei; dafür ſind nach der Ver⸗ faſſung dieſer Kirche ganz andere Organe berufen und, wie die Geſchichte beweiſt, hinlänglich befähigt; dieſe bedürfen wahr⸗ lich unſerer Unterſtützung nicht. Was wir vertheidigen, ſind politiſche Rechte, politiſche Rechte der deutſchen Reichs⸗ und einzelnen Landesangehörigen in Bezug auf die Freiheiten ihres Gewiſſens, und dies insbeſondere in Preußen, wo ja die Wiege der deutſchen Centrumspartei und auch des neu geeinigten Deutſchlands ſteht, und wo dem Wortlaut der Verfaſſung entſprechend unſere Partei es ſich zur ganz beſonderen Aufgabe gemacht hat, die Freiheit der Gewiſſen, die Rechte der religiöſen Ueberzeugung und Uebung auf politiſchem Gebiete zu vertheidigen. Und wir haben dies niemals gethan ausſchließlich in unſerem eigenen Intereſſe, ſondern in dem Jutereſſe aller Derjenigen, die bedroht waren, nicht blos der katholiſchen Chriſten Deutſchlands, ſondern der Chr ſten ſämmtlicher Confeſſtonen, wie auch der Juden; wir ſind ſtets dafür eingetreten, daß die Angehörigen ſämmtlicher Confeſſionen in Deutſchland wie in den einzelnen Staaten allgemein anerkannte, öffentliche religiöſe Uebung genießen.(Beifall.) Da ich nun bei der Beleuchtung dieſer Seite des Charakters der Centrumspartei bin, ſo kann ich der Verſuchung nicht widerſtehen, auch mit einigen Worten die Rede des Herrn Reichstagsabgeordneten Dr. Bürk⸗ lin von Neuſtadt, welche derſelbe vor 14 Tagen in der nationalliberalen Wählerverſammlung im Saalbau ge⸗ halten hat, zu ſtreifen. Der geehrte Herr College hat ſich den harmloſen Scherz erlaubt, zu behaupten, das Centrum ſei gar keine katholiſche Partei, ſondern die ultramontane Partei, und dieſe, wie der Ultramon⸗ tanismus überhaupt, beſitze gerade ſeine erbittertſten Gegner unter der katholiſchen Bevölkerung Deutſchlands. Ich weiß nun nicht, ob mein verehrter Herr College ſchon einmal mit der Diogeneslaterne im Deutſchen Reiche herumgepilgert iſt, um die Feinde des Ultramon⸗ tanismns unter den deutſchen Katholiken zu ſuchen. (Heiterkeit). Ich glaube, er würde hiebei noch keine 1000 Wahlſtimmen aufzutreiben vermögen.(Beifall). Alſo mit dieſem ziemlich abgelagerten Ladenhüter(Heiter⸗ keit) ehemaliger Kämpfer gegen die Centrumspartei iſt es rein gar Nichts. Ich ſage alſo, das Centrum iſt nicht in erſter Reihe und iſt nicht weſentlich eine kirchliche, religiöſe Partei; das Centrum iſt und bleibt und muß bleiben, nach unſerer Verfaſſung eine politiſche Partei, mag auch das ſozialdemokratiſche Flugblatt behaupten, es ſei ein ungeſunder Miſchmaſch der verſchiedenſten Ten⸗ denzen, die durch religiöſe Ziele zuſammengehalten wür⸗ den. Ja, wenn wir eine Partei von geſtern wären; wir ſind aber doch ſchon etliche Legislaturperioden alt (Heiterkeit); wir haben die Feuerprobe der heißeſten und erbitterſten Wahlkämpfe beſtanden und noch jeder Wahl⸗ kampf hat, wenn auch nicht eine Zunahme, ſo doch die Behauptung des vorigen Standes gebracht, Beweis genug, daß ein mächtiger und ein durchaus klarer politiſcher Gedanke unſere Wähler wie anch unſere Reichs⸗ und Landtagsabgeordneten beherrſcht.(Beifall.) Und was iſt das für ein Gedanke? Ich werde ſogleich hierauf kommen, wenn ich noch mit einem Worte ſage, das Cent⸗ rum iſt— und muß es ſein— auf dem Boden der Reichsverfaſſung eine wirthſchaftliche und ſoziale Partei, und insbeſondere iſt es das Centrum des Reichs⸗ tags, denn die wirtſchaftlichen, ſozialen Fragen ſind es, die vorwiegend im Reichstage zur Erledigung kommen und kommen müſſen, wenn es auf die Dauer wohl um das Deutſche Reich und das deutſche Volk in ihm beſtellt ſein ſoll. Wenn ich dies nun behaupte, ſ iſt der politiſche Gedanke, welcher die Centrumspartei beſeelt, der, daß alle Intereſſen, die Intereſſen der Gewiſſen, wie die Intereſſen des Magens und des Geldbeutels, die irdiſchen wie die überirdiſchen, daß, ſage ich, alle geſammten menſchlichen und reichsbürgerlichen Intereſſen Dank der Verfaſſung, die wir beſitzen, nicht allein von einer regierenden Hand, nicht allein von den verbündeten Regierungen in ihrer Geſammtheit, ſondern nur von Ihnen ſelbſt und dem geſammten deutſchen Volke wahrgenommen werden können und ſollen. Ohne die Wahrnehmung dieſer politiſchen Intereſſen gibt es keine Wahrnehmung unſerer höchſten wirthſchaftlichen und ſozialen Intereſſen durch uns; denn in dem Augenblicke, wo das deutſche Volk ſo weit reduzirt ſein wird, ſeine politiſchen Rechte, die in der Verfaſſung niedergelegt ſind, gering zu achten und preiszugeben, in dieſem Augenblicke wäre die ganze Mitwirkung des ganzen deutſchen Volkes null und nichtig, und da wir ſehen, wie ſich die Angriffe gegen die Einrichtungen des Reichstags von oben leider wie von unten häufen, eben darum halten wir unerſchütterlich feſt an der politiſchen Ueberzeugung und Bethätigung, daß wir ſelbſtbewußte, unabhängige Männer in den Reichstag zu ſchicken haben, zahlreich genug, um die Rechte und Freiheiten des deutſchen Volkes, wie ſie in der Verfaſſung niedergeſchrieben ſind, hoch zu halten und wahrzunehmen.(Großer Beifall.) Darum rufen wir allenthalben in den Wahlkreiſen auf zur Wahl, auch in denjenigen, in denen wir zunächſt keine Ausſicht auf Eroberung eines Mandates haben; denn wir wiſſen, daß jede einzelne Wahlſtimme gezählt wird, daß es Beſtreben einer jeden einzelnen Partei in Deutſchland iſt, alle Wahlſtimmen am Tage der Wahl auf die Bahn zu bringen. Ja wenn wir uns durch das trotzige Wort: Sie imponiren mir nicht,„ganz Curopa hat mir nicht imponirt, ich werde mir auch von Ihnen nicht imponiren laſſen“ abſchrecken laſſen würden; aber dem rufe ich entgegen: „wenn ganz Europa nicht im Stande war, zu mpo⸗ niren, ſo war doch Aſien dabei, zu imponiren.“ Dieſem ſtolzen Wort:„Sie imponiren mir nicht“, ruft die Centrumspartei alle ihre Mannen auf in die Bahn, um dem Mann, der das Wort geſprochen, an dem Tage, an dem Wahltage zu antworten:„Auch Du vermagſt uns da nicht zu imponiren, wo wir auf dem Boden des verfaſſungsmäßigen Rechtes ſtehen.“(Rauſchender Beifall). Und hören wir nicht ganz ähnliche Angriffe von unten? Haben wir nicht ſchon vielmal gehört und ge⸗ leſen, daß die ganze Verfaſſung, der ganze Parlamen⸗ tarismus keine blaue Bohne werth iſt, daß man damit aufräumen muß, wenn man zu den letzten Zielen jener Partei, der ſozialdemokratiſchen Partei, vordringen will. Ich weiß nun nicht, was mir lieber wäre; es wäre mir keinerlei Despotismus erwünſcht, aber ſoviel weiß ich, daß mir der Despotismus des Herrn Reichskanzlers mit dem mächtigen Küraſſierſpeer lieber wäre, als der Des⸗ potismus eines Bebel mit ſeiner Broſchüre über die Frauenfrage.(Heiterkeit und lebhafter Beifall.) Es iſt ja unendlich ſchwer— und ich will das hier einſchieben— mit den Herren von der ſozialdemokrati⸗ ſchen Partei eine gründliche, ſachliche Abrechnung zu halten. Es iſt dies deßhalb ſchwer und ſo lange ſchwer, als das Ausnahmegeſetz auf dieſer Partei haftet und ſo lange es ihr unmöglich gemacht wird, ihr Programm voll und ganz zu entwickeln.(Beifall.) Ich habe in meiner engeren Heimath in langjährigen Wahlkämpfeu— denn ich ſitze ſeit dem Jahre 1871 im deutſchen Reichstage (Beifall)—, reichlich Gelegenheit gehabt, mit Vertretern der ſozialdemokratiſchen Partei auf Centrums⸗Wahlver⸗ ſammlungen Meinungsaustauſch zu halten. Dort, bei mir zu Hauſe, wird keine Centrumswahlverſammlun abgehalten,(wenigſtens keine, an der ich nicht Theil nähme, wo nicht freie Betheiligung auch der Mitglieder der ſozialdemokratiſchen Partei zugelaſſen wird, unter der einen Vorausſetzung, daß ſie es nicht zur Auflöſung unſerer Verſammlungen treiben, und nie habe ich mich da aufrichtigen Bedauerns erwehren können, daß es mir nicht vergönnt war, blank zu ziehen mit der ganzen Länge meines Degens, weil ich mich meinem Gegner, der nur mit einem kurzen Dolche bewaffnet iſt, mich gegenüber ſah. Ja, einem politiſchen Gegner gegenüber, der nicht ſein ganzes Programm vertheidigen kann, halte ich es für unritterlich, für unedel, von allen den Waffen Gebrauch zu machen, die mir zu Gebote ſtehen, und die den Gegner, wollte er ſie wieder benützen, nur der Gefahr ausſetzen würden, dem Geſetze anheimzufallen. (Beifall). Deßhalb iſt es in einem Wahlkampfe unend⸗ lich ſchwer, mit der ſozialdemokratiſchen Partei gründlich abzurechnen, trotzdem in ihr, wie in uns das feſte Bewußt⸗ ſein lebt, daß, wenn alle gegenwärtigen Parteien in Deutſchland verſchwunden ſein werden, als letzte und erbittertſte Gegner ſich einander gegenüberſtehen werden die Parteien des Centrums und der Sozialdemokratie. (Beifall). Ich komme nun darauf zurück: Das Centrum iß eine politiſche Partei und vertheidigt die geſammten Intereſſen des geſammten deutſchen Volks nach beſtem Wiſſen und Gewiſſen, in erſter Linie damit, daß es bis auf das letzte Tüpfelchen die politiſchen Rechte und Freiheiten des deutſchen Volkes feſthält.(Beifall.) Da iſt nun von manchen Seiten der Centrumspar⸗ tei der Vorwurf gemacht worden, ſie vertheidige dieſe politiſchen Rechte und Freiheiten nur ſo lange und ſo weit, als ſie damit für ihre eigenen Intereſſen Geſchäfte machen zu können glaube. In dem Augenblicke aber, wo ſie glaube, mit der Preisgebung politiſcher Rechte einen Handel in ihrem eigenen Intereſſe abſchließen zu können, ſei ſte auch bereit, die politiſchen Rechte ür ein Linſengericht preiszugeben. Ich könnte dieſem Vorwurf gegenüber einfach fragen, ob vielleicht derjenige, welcher ihn erhebt, das Centrum darum hinter dem Ofen ſucht, weil er ſelbſt dahinter geſeſſen iſt;(Heiterkeit und Bei⸗ fall) ich will das aber nicht thun, weil ich gerne über⸗ zeugt bin und bis auf das äußerſte Maß überzeugt bin von der ehrlichen Meinung meines Gegners. Ich nehme alſo an, die Herren, die jenen Vorwurf gegen unſere Partei erheben, halten uns wirklich für fähig, einen der⸗ artigen Handel abzuſchließen und da begegnet mit wenn ich meinen Blick ſo rückwärts ſchweifen laſſe, wiederum die ſozialdemokratiſche Partei, die da behauptet, das Centrum halte das Sozialiſtengeſetz künſtlich aufrecht, um damit ihre eigenen Geſchäfte beſſer beſorgen und Zugeſtändniſſe des Reichskanzlers auf einem andern Gebi' te einheimſen zu können. Nun lege ich aus innerſtem Wiſſen und beſtem Gewiſſen Zeugniß dafür ab, daß, wenn heute ein Sozialiſtengeſetz neu zu erlaſſen wäre ebenſowenig eine einzige Centrumsſtimme dafür zu haben wäre, wie damals, als es zum erſten Male erlaſſen wurde Diejenigen Mitglieder unſerer Partei aber, die zu meinem Bedauern, aber nach hartem innerem Kampfe und nach redlicher, reiflicher Abwägung der Verhält⸗ niſſe, für die Verlängerung des Scszialiſtengeſetzes geſtimmt haben, thaten dies nur deshalb, weil ſie wünſchten, wie ja das durch die betreffenden An träge hinlänglich erwieſen iſt, aus dem Zuſtande dieſeß Ausnahmegeſetzes durch ein Uebergangsſtadium herauszu⸗ kommen und weil ſie Bedenken trugen, ohne dieſes Ueber! gangsſtadium das Geſetz plötzlich aufzuheben. Da iſt von einem Commando, wie behauptet wurde, von ſo und ſo viel Stimmen keine Rede. Es wird erlaubt ſein, den Schleier von den Friedensverhandlungen zu lüften, wenn ich bezeuge, daß wir, ich und meine Fraktionsgenoſſen an den Verhand⸗ lungen über dieſes Geſetz hart und lange mit einander discutirt und uns ſchließlich dahin verſtändigt haben, einen Jeden pflichtgemäß, nach ſeiner e genſten Ueber⸗ zeugung und beſtem Gewiſſen ſt mmen zu laſſen, wie wir denn überhaupt in unſerer Partei das nicht haben, was man Partei⸗ oder Abſtimmungszwang nennt. Es gibt Parteien: die ſozialdemokratiſche, die Polen, zum —adſes Gewiſſen. 4. Selte., 23 Nopemßber. Theil auch dle freſſinnige Partei, welche einen Partei⸗ Abſtimmungszwang haben. Wir unſererſeits haben keine programmmäßige Verpflichtung; unſere Part i kann kein einziges Mitglied zwingen, gegen ſeine Ueberzeugung mit allen anderen Fraktionsmitgliedern zu ſtimmen. Ich ſtehe als lebendiges Zeugniß vor Ihnen; oft genug habe ich mich ganz allein gegen eine Regierungsvorlage erklärt, für welche meine ſämmtlichen Fraktionsgenoſſen geſtimmt haben. Und doch wurde mir nie deßhalb von meiner Partei ein Vorwurf gemacht, ich wurde vielmehr darob noch höher geachtet und habe die Ehre, dem Vorſtande unſerer Fraktion anzugehören. Durch die Vor⸗ ſchrift, wie ſie in der Verfaſſung nieder⸗ gelegt iſt, daß jeder Abgeordnete nach ſeiner Ueberzeu⸗ gung ſtimmt, iſt ja übrigens kein Vertreter des deutſchen Volkes an eine Juſtruttion, an einen Auftrag ge⸗ 6 Aber wir ind dazu, nach unſerer eigenſten leberzeugung za ſtimmen, auch gehalten durch unſer re⸗ Wie können wir einen Mann binden wollen, die Rechte und Intereſſen des deulſchen Volkes nicht nach ſeiner beſten Ueberzeugung, nach ſeinem beſten Wiſſen und Gewiſſen, ſondern nach dem Majoritätsbe⸗ ſchluß einer zufällig anweſenden Anzahl von Fraktions⸗ genoſſen wahrzunehmen? Ich ſage, dieſer weſentliche und der Centrumspartei eigenthümliche Charakter erklärt un⸗ endlich viel und muß eine ganze Menge von Vorgängen im deutſchen Reichstage erklären, wenn man noch an die Ehrlichkeit deutſcher Männer glaubt; er muß ferner er⸗ klären, wie es kommt, daß ein Theil der Centrumspartei gegen die Verlängerung des Sozialiſtengeſetzes ſtimmen konnte, während der andere Theit Bedenken trug, das⸗ ſelbe Knall und Fall aufzuheben.(Beifall.) Ich habe kuͤrzlich in der„Norddeutſchen Stallge⸗ meinen“(Redner verſpricht ſich— ſtürmiſche Heiterkeit), pardon, wollte ſagen,„Norddeutſchen Allgemeinen“ ge⸗ leſen, daß 32 Centrums⸗Wahlmänner im Kreiſe Hün⸗ feld⸗Gersfeld deutſche Männer waren, und daß dieſe endlich den Anfang gemacht hätten, denjenigen Valet zu ſagen, die zwar juriſtiſch die Eigenſchaft deutſcher Reichs⸗ angehöriger beſäßen, moraliſch aber Reichsfeinde, ja ſo⸗ gar— Sie erinnern ſich vielleicht, es war von dem Fürſten Alexander von Bulgarien die Rede— Hoch⸗ und Landesverräther wären. Nach dieſer Definition der„Norddeutſchen“ Oberoffleiöſen iſt alſo ein deutſcher Mann nur derjenige, welcher für den Landrath ſtimmt (Heiterkeit) und nicht nur das, ſondern der, welcher für den Landrath ſtimmt unter Felonie gegen ſeine Partei und diejenigen, welche ihn zum Wahlmann gemacht haben.(Heiterkeit und Beifall.) Ja, für ſolche deutſche Männer danke ich, und nicht blos die Centrumspartei, ſondern die überwältigende Mehrheit auch der anderen Parteien, vielleicht mit Ausnahme der— Nationallibe⸗ ralen.(Heiterkeit und Beifall). Wir unſererſeits haben für ſolche Angriffe, wie ſchon Herr von Buol ſagte, nur ein kräftiges, ächt deutſches„Pfui“. Dagegen vertheidigen wir uns nicht und am allerwenigſten, wenn ein bei uns das Gaſtrecht genießender Oeſterreicher und erbgeſeſſener Rheinländer uns belehren will, ob wir Deutſche ſind oder nicht. (Beifall). Alſo ſteht es um den politiſchen Charakter unſerer Centrumspartei und da will ich auf dem ziemlich abge⸗ mähten Felde Aehren leſend, meinem verehrten Herrn Vorredner folgen und nur noch eine Frage praktiſcher Politik einen Augenblick berühren. Der Herr Freiherr von Buol— ja ich ſage da, der Herr„Freiherr“, da fällt mir auch was ein, was ich mit einigen Worten erledigen muß. Da fragt man: Warum denn ſo viele Adelige in der Centrumspartei? Ja, das mag ja bei anderen Leuten anders ſein; in unſerer Partei haben wir ſeit dem Beſtande des Centrums zunehmend adelige Wahlkandidaten mit voller Begeiſterung für die bedrohten Rechte des Volkes eintreten geſehen und wir müſſen doch zugeben, daß, wenn von ſo und ſo viel 1000 Waͤhlern eines Wahlkreiſes dem betreffenden Candidaten, nachdem er ſein Programm entwickelt hat, die Stimmen gegeben werden, der Mann ja als Volksvertreter hinlänglich geaicht“ wäre. Ich will aber noch etwas weiter gehen. Wir rechnen es dem Adel der Centrumspartei zur ganz beſonderen Ehre und Verdienſte an, daß er gerade in dieſem Augenblicke auf der Wahlſtatt erſchien, in welchem es galt, die bedrohten Intereſſen und Rechte des deut⸗ ſchen Volkes darum wahrzunehmen, weil leider Gottes die Diätenloſigkeit ſo viele Kinder des Volkes ver⸗ hindert, dies ſelbſt zu thun(Beifall), und wenn Sie einmal nach Berlin und in unſere Centrumskneipe kom⸗ men, ſo ſehen Sie da die Magnaten aus Schleſien und Weſtphalen, die nicht blos, um ein Mandat zu haben, um Ehren und Würden einzuheimſen, nach Berlin ge⸗ kommen find, nein, die Schaden davon gehabt haben, die von den Hofkreiſen ausgeſchloſſen wurden, die von den eigenſten angeborenſten Geſellſchaftszirkeln deßhalb als Parias ſich behandeln laſſen müſſen. Ich glaube, daß dieſe Männer den Beweis geliefert haben, daß ſie im Stande ſind, mit dem Volke zu ſtreuen und zu leiden. (Beifall.) Nun alſo, der Herr Freiherr von Buol hat ſchon vorhin darauf hingewieſen, daß wir unſererſeits in un⸗ ſerem Programm ganz klar und beſtimmt die Forderung daben: keine Vermehrung der öffentlichen Laſten, keine neuen Steuern, es ſei denn zur Erleichterung ungerecht drückender, beſtehender Steuern, und das iſt denn, wenn wir uns die Sache beim Lichte betrachten, das eigentlichſte und weſentlichſte polltiſche Recht, welches das deutſche Volk in ſeiner Reichsverfaſ ſung beſitzt. Der Knopf auf dem Beutel, das iſt das „Schibolet“, mit dem ſich Manches in Berlin erreichen läßt, und immer dringender tritt die Mahnung an die Maͤchtigen des Reiches heran, Einhalt zu thun mit der Ueberbuͤrdung der Regierten.(Bravo.) * Wenn wir ſehen, daß, abgeſehen von den einzelnen Landesbudgets, das Reichsbudget heute, nach 16 ährigem Beſtande des Deutſchen Reiches bereits auf 750 Millio⸗ nen Mark angekommen iſt, wenn wir ſehen, daß, wenn der nunmehr zu ve ubeſcheidende Reichshaushalisetat pro 1887/88 wieder realiſirt ſein wird, die Reichsſchulden nach kaum 16ſährigem Beſtande von 15 Millonen auf 500 Million Mark angewachſen ſind, wofür das deutſche Volk jährlich 23 Millionen an Zinſen aufzubringen hat. Wenn wir ſehen, wie trotz aller ſchönen Handelskammer⸗ und ſonſtiger Berichte über den Nationalwohlſtand die⸗ Verarmung, der Pauperismus um ſich greift, die Noth und das Elend des täglichen Lebens an immer breitere Maſſen des Volkes herantreten, dann ſollte man meinen, müßte in Berlin und allerwärts die ernſteſte Mahnung vor⸗ finden, ſparſam zu ſein mit den Mitteln des Volkes und das in der bisherigen Thätigkeit dargethane Beſtreben der Centrumsvartei anerkennen.(Beifall.) Da tritt in dem ſchönen Bild der berühmten Mittel⸗ partei— neuerdings bekommt die Sache einen elwas anderen Nameu— ein Cartell uns entgegen, welches, unter allen ſogenannten„reichstreuen Parteien“ ge⸗ ſchloſſen werden ſoll. Da wird hauptſächſich für die Bedürfniſſe der Armenverwaltung und des Ma⸗ rineweſens eine unbegrenzte Bewilligungsluſt an den Tag gelegt, und es werden alle diejenigen, welche nicht mitthun wollen, beſchuldigt, der Reichsfeindſchaft, und wie die Namen alle heißen mögen, die ja heutzutage jedes Kind kennt, ſo daß man ſich ſchließlich nicht mehr verwundern darf, wenn die Kinder es auf der Straße Einem zurufen:„Die Reſchsfeinde.“(öH iterkeit.) Es wird geſagt: Ihr wollt die Wehrkraft des deutſchen Reiches ſchwächen; es wird namentlich in den Grenzkreiſen der ſchönen Rheinvrovinz, der Pfalz und in Baden geſagt: Um Gottes Willen, wollt Ihr denn die Zuaven haben? Ja, wir in Naſſau wohnen doch auch nicht weit vom Rhein, und wollen die Zuaven auch nicht haben(Heiterkeii). Aber wir ſagen: Wenn das die Staatskunſt iſt, daß wir nur mit einer unend⸗ lichen Vertheuerung unſeres Heer⸗ und Seevertheidigungs⸗ weſens uns dieſe Feinde vom Nacken zu halten ver⸗ mögen, dann weiß ich nicht warum. Es iſt kein Menſch in unſerem großen, weiten, deutſchen Vaterland, der die Zuaven herbeiwünſchte, weder unter den Socialdemo⸗ kraten, noch den Freiſinnigen, noch den anderen Parteien (Beifall). Die Zuaven müſſen uns vom Leibe ge⸗ halten werden und die Koſaken noch vielmehr.(Heiter⸗ keit.) Aber wo bleibt, wiederhole ich, die ganze Staats⸗ kunſt, wenn wir ſchließlich uns ſelber helfen müſſen? Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß wir nicht zurückbleiben können in der Bewaffnung unſerer Armee, ſo lange unſere Nachbarn bis an die Zähne bewaffnet uns gegen⸗ überſtehen. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß auch wir unſere Armee ſtets kriegsgeuͤbt, kampfbereit und in einer der Vertheidigung unſeres Reiches entſprechenden Anzahl er⸗ halten müſſen. Darüber verliert kein deuiſcher Mann ein Wort.(Beifall); aber es gibt eine ganze Menge von Ausgaben, die füglich ganz entſchieden bei dem Mi⸗ litärbudget geſpart werden könnten. Da müſſen wir zum Exempel Offizierskaſinos bauen. Ja, ſind denn dieſe auch nöthig, um die Zuaven und Koſaken uns vom Leibe zu halten.(Heiterkeit). Da iſt ferner die dreijährige Militärpflicht. Der leider verſtorbene Centrumsmann, Reichstagsabgeordnete Ma⸗ linkrodt hat ſeinerzeit in einer, nach meiner Ueberzeu⸗ gung unwiderleglichen, glänzenden Rede nachgewieſen, daß dieſeſbe gar nicht nöthig ſei. Warum haͤlt man denn ſo feſt an der dreijährigen Dienſtzeit? Iſt es ab⸗ ſolut nothwendig, einen Prozent der Bevölkerung unter die Waffen zu rufen, ſie 3 Jahre lang oder nächſt 3 Jahre unter den Waffen zu halten?— derlei Fragen laſſen ſich noch eine ganze Reihe bei dem Militärbudget aufſtellen. Und unſere Marine? Ja betrachten Sie die neuerdings gemachten neuen Aue gaben für das Torpedo⸗ weſen, die aller Wahrſcheinlichkeit geradezu in das Waſſer geworfen ſind und lange nicht das erfüllen, was man ſich von ihnen verſprochen hat. So gibt es eine große Zahl ſolchee Dinge, ſo daß man ſich ſagen muß, es be⸗ ſteht ganz neben einander der einmüthige Wunſch, das Heer und die Marine in vertheidigungsfähigem Zuſtande zu erhalten und der entſchiedene Wunſch der Centrums⸗ partei und der anderen Parteien, Einhalt zu thun in den ungemeſſenen Anforderungen des Militärbudgets.(Beifall). Vor allen Dingen aber halten wir daran feſt, daß wir kein Aeternat, und nicht einmal ein Septenat bewilligen. Von allen anderen Erwägungen, aus denen wir dies nicht thun, will ich nur die eine hervorheben; es iſt diejenige: wir wollen nicht über unſer Mandat, das wir von unſeren Wählern übertragen er⸗ hielten, hinausgehen, nicht Rechte üben, die uns nicht zuſtehen. Das Armeebudget iſt ein Theil des Reichsbudgeis und dies wird verfaſſungsmäßig jährlich vereinbart, und ein Reichstagsabgeordneter der nicht nur für die Zeit ſeiner vorausſichtlichen, verfaſſungsmäßigen, regelmäßigen Thätigkeit, ſondern noch in die zweite Le⸗ gislaturperiode ſich dieſer ¼ des Reichsbudgets ergibt, geht weit hinaus über ſein verfaſſungsmäßiges Mandat. Aus dieſem verfaſſungsmäßigen Grunde chon wären wir weder für ein Aeternat, noch Septenat.(Beifall.) Aber eines noch muß geſagt werden. Sollen wir uns denn ſelbſt den Hals abſchneiden? Soll denn der deutſche Reichstag das Mißtrauensbotum ſich aus⸗ ſtellen, daß die Reichstagsabgeordneten diejenigen Schufte ſeien, welche unſere deutſchen Provinzen dem Feinde aus⸗ liefern wollen? Nein! Wir Alle ſind feſt über⸗ zeugt: mag eine Wahl ausfallen, wie ſie will, es wird, wenn es darauf ankoumt, immer noch ein deutſcher Reichstag zu Stande kommen, wie jener un⸗ gariſche Reichstag, in dem die Kaiſerin Maria Thereſia von Oeſterreich, mit ihren Erſtaeborenen auf dem Arme erſchien und von den anweſenden ungariſchen weaauaken mit den begeiſterten Zurufen empfangen wurde: moriamur pro rege, ſterben wollen wir für unſern König und unſer Vaterland.(Beifall). Wenn die Bundesregierungen den Reichstag zu ſeinem ſchmerzlichſten Bedauern geringer werthen, als en es verdient und beanſpruchen kann, ſo iſt es Sache des Reichstages ſelbſt, ſich ſelbſt hoch zu halten und zu achten. Ich könnte nunmehr, weiter Aehren leſend, auf daß ſoziale Gebiet übergehen. Allein die Zeit iſt ſchon ſo weit vorgeſchritten und wie ich höre, iſt dieſer Saal bereits auf ſechs Uhr anderweitig vergeben. Ich will deshalb nur noch einem Gedanken Ausdruch verleihen, der mir in der Rede meines verehrten Freun⸗ des, Herrn von Buol, nahe getreten iſt. Ich bin ihm Dank ſchuldig, daß er meiner Erwähnung gethan hat in Bezug auf die Arbeiterſchutzgeſetzgebung, die wir ſeit meh⸗ reren Seſſtonen, leider bis jetzt mit geringem Erfolg, im Reichstage betrieben haben. Ich bin weit entfernt davon, den Mitgliedern anderer Parteien und insbeſon⸗ dere der ſozialdemokratiſchen Fraktion den Vorwurf zu machen, daß ſie nicht aus eigenem Intereſſe für das Recht der bedrückten Arbeiter ihrerſeits ähnliche Anträge eingebracht habe! Nein! auf dieſe Weiſe, mit Ver⸗ dächtigungen und im Parteiwettlauf auf dieſem Gebtiete wird eiwas Segensreiches nicht zu erringen ſein. (Bravo!) Hier kann nur das Zuſammenwirken aller Derjenigen, welche es ehrlich meinen, zum Ziele fuͤhren (Beifall.) Die Sache iſt viel zu heikel, viel zu eruff und vor allen Dingen zu brennend wichtig, um zum Ge⸗ genſtand partikulariſtiſcher Herabwürdigung gemacht zu werden.(Beifall.) Reichen wir uns doch Alle, die es ehrlich meinen, die Hand zu gemeinſchaftlichem Handeln, denn ſonß fürwahr werden wir auf dieſem Gebiete in unſerm deutſchen ſerlande nicht zum Ziele gelangen, wenn die Diplomatie nicht Manns genug ſein wird, die internatlonal Regelung dieſer Frage herbeizuführen Nicht blos alle diejenigen, die es in Deutſchland, in Europa ehrlich meinen, nein alle ehrlich Geſinnten der geſammten civiliſirten und in harter Kulturarbeit ringen⸗ den Welt müſſen zuſammenwirken, um hier zum Ziele, den Arbeiterſchutz auf internationalem Wege zu regeln, zu gelangen.(Beifall.) Die Arbeit iſt international, auch der Arbeiterſchutz muß ein internationaler werden, und eß gereicht mir zur beſonderen Befriedigung, hier in Mannheim ein lautes Echo zu geben jenem ausgezeichneten Sozialpolitiker Grafen de Mun, welcher in Lütterich vor Kurzem den Gedanken ausgeſprochen hat: Wenn es Niemand thut, muß es der Papſt thun, den internationalen Arbeiterſchutz herbeizuführen.(Beifall.) Ja, wollen wir unſerem Reichskanzler ſagen, wenn der Papſt gut genug iſt, zwiſchen Spanien und uns in der Karolineninſeln⸗ Angelegenheit als Schiedsrichter berufen zu werden, wenn hier das Eis gebrochen iſt, wohlan, rufen wir Deutſche den Papſt auf, daß er Alle vereinige durch ein inter⸗ nationales Arbeiterſchutzgeſetz.(Beifall.) Ich bin der Meinung, wer es ehrlich meint, geht dann mit dem Papſt; wir wollen es und die anderen mülſſen, trotzdem es der Papſt iſt.(Heiterkeit und Beifall.) Doch nun zum Schluſſe. Wenn ich den Wahlkampf in dieſem Wahlkreiſe ſo aus meiner Entfernung verfolgt habe, ſo habe ich mit beſonderem Intereſſe das Räthſel wahrgenommen, daß die Angriffe gegen die Centrums⸗ partet gerade aus dem Schooße der Parteien ziemlich reichlich und heftig erfolgt ſind, von denen in Ausſicht ſteht, daß ſie in die Stichwahl kommen werden, nämlich der nationalliberalen und der ſozialdemokratiſchen Partei. Und im Anfange habe ich mir gedacht: wie unklug doch von den Leuten; ſtatt ſich das Centrum ein bischen warm zu halten, pauken ſie beide auf daſſelbe ein.(Hei⸗ terteit.) Ja die Herren kennen eben ihre Leute auch. Sie wiſſen, daß bet uns bei der Stichwahl nichts zu holen ift; und es iſt auch ſo. Wir ziehen in den Kampf mit unſerer Fahne und tragen unſere Fahne wieder mit nach Hauſe zurück; hinter einer anderen Fahne aber laufen wir nicht drein.(Langanhaltender, ſtürmiſcher Beifall.) Nachdem Herr Landgerichtsrath Freiherr v. Buol ſeinen Vortrag beendigt hatte, richtete der Vorſitzende an die Verſammlung die Frage, ob vielleicht Jemand aus der Mitte derſelben irgendwelche Aufklärnug von dem Herrn Candidaten zu erbitten habe. Und da dieſes wirklich der Fall war, hatte derſelbe Gelegenheit, in knapper Form und ſchlagfertig auf mehrere an ihn ge⸗ richte Interpellationen zu antworten. Der Reichstags abge⸗ ordnete Herr Kanzler Roßhirt, nahm hierauf Ver⸗ anlaſſung, den beiden Rednern für ihre trefflichen und und gründlichen Ausführungen Namens der Verſamm⸗ lung zu danken, welche denſelben ein donnerndes„Hoch“ darbrachte. Der Vorſitzende, Herr Dr. Fiſcher⸗Heidelberg ergriff nunmehr zum Schluſſe das Wort, hinweiſend auf den Wahrſpruch der Centrumspartei, welche für„Wohr⸗ heit, Freiheit und Recht“ kämpfe, ermahnte er die An⸗ weſenden das Banner der Partei hochzuhalten, welche der eigenen Fahne folgend in den Kampf eintrete und dieſelbe auch aus dem Kampfe wieder heraustrage, unte! keinen Umſtänden aber und auch nicht in del Stichwahl einer anderen Partei ſich an⸗ ſchließen, vielmehr im letzteren Falle ſich der Abſtimm ung enthalten werde. Er ſchloß mit einem jubelnd aufgenommenen Hoch auf den deutſchen Kaiſer die Verſammlung, welche einen muſtergiltigen Verlauf genommen hatte.(Stenographiſcher Bericht.) — ͤ8— ̃³Ü ͥ T——;..x. Chefredacteur: Dr. jur. Hermanun Haas. Verantwortlich: Für den redactionellen Theil: L Frey.“ a den 8— 85 i nd BVerla 8. ſümmilich in Mannheim.