Nr. 276. 2. Blatt. Bad iſche Volks⸗Zeitung. Mittwoch, 24. November 1886. Abonnement: 50 Pfg. monatlich, Bringerlohn 10 Pfg. monatlich, durch die Poft bez. inel. Poſtauf⸗ ſchlag M..90 pro Quartal. Soſialdemottaliſche Wählerverſammlung. Mannheim, den 23. November 1886. Hr. Lange vor der feſtgeſetzten Zeit war der große Saal des Saalbaus bis auf das letzte Plätzchen von einer gewaltigen Schaar, beinahe ausſchließlich der Arbeiterpartei angehöriger Wähler, dicht beſetzt. Selbſt auf der, bei ähnlichen Anläſſen meiſt gemiedenen Gallerie des Saales drängten ſich maſſenweiſe die Zuhörer. Als pünktlichum 8 Uhr Herr Reichstags⸗Abgeordneter Singer durch den beinahe undurchdringlichen Wall von etwa 3000 ſeiner Parteigenoſſen zur Eſtrade ſich durcharbeitete, da erſcholl, als er erkannt wurde, ein tauſendſtimmiger, donnernder Hochruf. Herr Singer iſt ein Mann in den beſten Jahren, von ſtattlicher voller Erſcheinung, das dunkle Haupthaar und der am Kinn ausgeſchnittene ſtarke Bart ſpielen bereits etwas ins Graue. Herr Hänsler eröffnete die Verſammlung und bat dieſelbe, einen erſten Vorſitzenden zu ernennen, als welcher Herr Willig ernannt wurde, als zweiter wurde Herr Erhart erwählt. An dem Tiſche, an welchem ſich das Bureau niedergelaſſen hatte, nahm auch Herr Amtmann Behr, als Vertreter des Großh. Bezirksamts Platz. Herr Willig dankte für das ihm erwieſene Ver⸗ krauen, bittet um Ruhe und ertheilt dem Herrn Reichs⸗ tagsabgeordneten Singer, der mlt nicht endenwollen⸗ dem Jubel empfangen wird, das Wort. Reichstagsabgeordneter Singer(mit ſtürmiſchem Jubel empfangen):„Meine Herren! Ich danke Ihnen herzlichſt für den ſo warmen Empfang, den Sie mir ſoeben bereitet haben. Ich empfinde eine ſehr große Freude darüber, daß es mir vergönnt iſt und daß ich die Ehre habe, hier in Mannheim vor einer ſo zahlreich beſuchten Wählerverſammlung zu ſprechen, in Baden, einem Lande, das für die Wahrung und Hochhaltung der Volksrechte in ſo hervorragender Weiſe eingetreten und die Fahne der Freiheit unter Allen zuerſt erhoben hat. Und ich zweifle auch nicht im Mindeſten daran, daß der Ausfall der Wahl in dieſem Wahlkreiſe, auf den die Augen von ganz Deutſchland gerichtet ſind, wiederum unſerem Volke vor die Augen fuͤhren wird, daß unſere Ideen, die Ideen der Sozialdemokratie, immer weitere Verbreitung finden. Ich habe die beſten Hoffnungen, daß die heutige Verſammlung, die ſo zahlreich beſucht und mit ſo großer Begeiſterung erfüllt iſt, am 26. November alle ihre Kräfte einſetzen wird, daß unſer Candidat aus der Wahlurne hervorgeht.(Beifall.) Ich weiß aber auch, daß es ſich gerade bei der ſozialdemokratiſchen Partei vor allen Dingen darum handelt, nicht nur mit Worten das⸗ jenige zu verfechten und zu preiſen, was man zu thun gedenkt, ſondern auch den Nachweis zu erbringen, daß wir gewohnt ſind, unſere Worte auch in Thaten umzu⸗ ſetzen. Es darf uns nicht blos daran genug ſein, daß wir unſerem Candidaten, dem Candidaten der Sozialde⸗ mokratie, unſere Stimme zu geben, ſondern wir haben auch die Verpflichtung, immer wieder auseinanderzuſetzen, welche Rechte wir für das Volk erhalten wiſſen wollen; es iſt immer wieder nöthig, daß der Reichstagscandidat den Wählern vorführt, was er zu thun gedenkt, wenn er durch Sie, wie ich hoffe, in den Reichstag gewählt wird. Das ſind die Gründe, die meinen Fraktionsge⸗ noſſen, Herrn Auguſt Dreesbach, und mich bewogen haben, in dieſer Verſammlung zu ſprechen. Die politiſchen Verhältniſſe haben ſich in dieſem Wahlkreiſe im Laufe der letzten Jahre weſentlich anders geſtaltet, ſo daß ſich heute nur noch 2 Parteien, die na⸗ tionalliberale und die ſozialdemokratiſche, im Kampfe um den erledigten Reichstagsſitz gegenüberſtehen. Die Gründe, die lokalen Gründe hiefür liegen freilich außer dem Be⸗ reich meiner Kenntniß, ſie gehören übrigens auch gar gar nicht hierher in die Diskuſſton dieſes Abends. Wir ſind hier ja hauptſächlich deßhalb zuſammengekommen, um nochmals in ernſteſter Weiſe zu berathen, auf welche Weiſe wir unſerem Candidaten, Herrn Dreesbach, zum Siege verhelfen können; wir ſind hier zuſammenge⸗ kommen, um uns nochmals an den Grundſätzen unſerer Partei zum bevorſtehenden Kampfe zu ſtärken. Wir wollen dieſen Abend, dieſe zahlreiche Wählerverſammlung aber nicht benützen, um unſere politiſchen Gegner durch perſönliche Angriffe zu verunglimpfen; denn dieſe Mittel haben wir, um zu ſiegen, nicht nöthig.(Beifall.) Es wird ſich vielmehr darum handeln und auch genügen, daß die beiden Parteien, die ſozialdemokratiſche und die na⸗ tionalliberale, welche um die Siegespalme ringen, gekenn⸗ keichnet werden; eß iſt nötbig, den Wäblern vorzuführen Gyſchsiut täglich, Soun- und Feſttage ausgensmmen. was die Vertreter der beiden Parteien bisher im Reichs⸗ tag für das Wohl des Volkes gethan, wie ſie für die Erhaltung der Volksrechte eingetreten ſind und was auch in Zukunft noch von ihnen zu erwarten ſteht. Und dann iſt es Sache der Wähler, die Entſcheidung zu tref⸗ fen, wem ſie die Stimmen zu geben haben. Ich werde nicht in einen perſönlichen Kampf gegen den Seitens der nationalliberalen Partei aufgeſtellten Reichstagscandidaten, Herrn Commerzienrath Dif⸗ fené, eintreten, ich werde von keinen perſönlichen An⸗ griffen Gebrauch machen, denn ich halte eine ſolche Kampfesweiſe für eine unritterliche und verwerfliche. Ich habe nicht die Ehre, den Herrn Commerzienrath Diffene perſönlich zu kennen, aber wie ich vielfach ge⸗ hoͤrt und auch vielfach in der Preſſe zu leſen Gelegen⸗ heit hatte, iſt Herr Commerzienrath Diffens ein ſehr ehrenwerther, hochachtbarer Mann, der ſich manches Ver⸗ dienſt um die Stadt Mannheim erworben hat und der es auch nicht verdienen würde, zum Gegenſtand perſön⸗ licher Angriffe gemacht und ungerecht behandelt zu wer⸗ den. Aber ich muß mich mit der Candidatur des Herrn Diffens beſchäftigen, weil es ſich in ſeiner Perſon um eine politiſche Körperſchaft handelt, die wir Sozialdemokraten bekämpfen, die wir bis auf's Aeußerſte bekämpfen müſ⸗ ſen, ſoll es endlich anders und beſſer werden in unſerem deutſchen Vaterlande.(Beifall.) Wenn ich nun dazu übergehe, Ihnen eine Schilderung deſſen vorzuführen, was die ſozialdemokratiſche Partei bisher für das Wohl des deutſchen Volkes im Reichstage gethan und welche Forderungen ihr vorſchweben, ſo kann ich dies in kurzen Zügen thun, da ich ja bei der großen Begeiſterung für unſere Sache, welche Sie zu meiner großen Freude heute kundgeben, vorausſetzen kann, daß Sie ſich der Ziele, die ſich unſere Partei geſteckt, voll und ganz bewußt ſind. Ich brauche Ihnen nicht erſt, wie ich glaube, den Beweis zu liefern, daß alle die An⸗ ſchuldigungen, welche gerade von der nationallibe⸗ ralen Partei gegen uns geſchleudert wurden und noch werden, in Nichts zerfallen.(Beifall.) Unſere Partei will, mit kurzen Worten ſei es geſagt, nichts anderes, als daß gleiches Recht für Alle exiſtire nicht blos auf politiſchem, ſondern auch auf wirthſchaft⸗ lichem Gebiete. Unſere Partei will, daß dem Zuſtand, welcher die Majorität des deutſchen Volkes in den Bann des Alles beherrſchenden Kapitalismus zwingt, ein Ende gemacht werde, dadurch, daß das wirthſchaftliche Syſtem, wie es heute beſteht und wie es von den anderen Par⸗ teien verfochten wird, von Grund aus abgeändert wird, (Beifall.) Weil man einſieht, daß die Anſichten und die Lehren der Sozialdemokratie auf wirthſchaftlichem Gebiete mit Gründen kaum zu bekämpfen ſein werden, greift man zu dem Auskunftsmittel, uns mit anderen Parteien zu⸗ ſammenzuwerfen und zu identifiziren, mit Parteien, von denen wir uns unterſcheiden, wie Feuer und Waſſer. (Beifall.) Laſſen Sie mich nur hier jenes berühmte Schlagwort anführen, das der bekannte nationalliberale Reichstagsabgeordnete Oechelhäuſer in einer Bro⸗ ſchüre gebraucht hat, die deutſche Sozialdemokratie ſei im Grunde genommen nichts anderes als der Anarchis⸗ mus.(Rufe: Pfui!) Das aber iſt nichts weiter, als eine abſichtliche Verdrehung und Verkennung der thatſächlichen Verhältniſſe, um der großen Maſſe des Volkes einen Schrecken vor uns, den böſen Sozialdemo⸗ kraten, einzujagen.(Heiterkeit und Beifall.) Es dürfte angemeſſen erſcheinen, darauf hinzuweiſen, daß Niemand in der Welt lebhafter und heftiger von dem Anarchis⸗ mus bekämpft wird als gerade die Sozialdemokratie, (Sehr richtig!) Haben wir doch erſt in den letzten Monaten geleſen aus den Berichten über die Thätigkeit unſeres altbewährten Streiters und Mitkämpfers für die ſozialdemokratiſche Sache, des Reichstagsabgeordneten Liebknecht, welcher zur Zeit in den Vereinigten Staagten von Nordamerika unermüdlich thätig iſt und von den dortigen Anarchiſten auf das Heftigſte angegrif⸗ fen wird, weil er auf dem wirthſchaftlichen Gebiete die⸗ jenigen Reformen vorzunehmen und durchzuſetzen beſtrebt iſt, die abſolut eingeführt werden müſſen, die aber weit entfernt von dem ſind, was die Anarchiſten wollen.(Beifall.) Glauben denn die Herren der anderen Parteien wirklich, daß wir ſo närriſch und lindlich ngiv wären, um zu glauben, daß aus der Zerſtörung der Arbeitsmittel ein beſſerer Zuſtand herporgehen könne?(Sehr richtig!), wenn wir die beſte Waffe, die wir in Händen haben, die Arbeſts⸗ mittel der Vernichtung preisgeben würden? Ich glaube, wir Alle ſind mit den Prinzipien der Nattonalökonomie ſo weit vertraut, um wilſen zu können, daß eine momen⸗ Mannheimer Handels⸗Zeitung. kiger Inſerate: der Stadt Mannheim und Umgebung., Mannheimer Volksblatt. Einzel⸗Nummern 3 Pfg. Doppel⸗Nummern 5 Pfg. tane Theilung des Beſitzes unmöglich iſt, daß der Beſitz nicht um ein Atom verändert werden kann(Sehr richtig) aber das eine wollen wir, die Arbeitsmittel in den Beſttz der Geſammtheit einführen(Beifall). Wir wollen dafür Sorge tragen, daß der Arbeitswerth in den Beſttz derjenigen gelangen, welche durch ihrer Hände Fleiß und Arbeit den Werth ſchaffen.(Beifall.) Das iſt mit kur⸗ zen Worten der Sinn des wirthſchaftlichen Prinzips, welches wir vertreten und wir werden uns in der That durch Vormalung des rothen Geſpenſtes, wie es die Na⸗ tionalliberalen dem deutſchen Volke vormalen, nicht zu⸗ rückſchrecken laſſen, weiter zu ſchreiten 115 dem betretenen Wege und dafür Sorge zu tragen, daß die Ueberzeugung von der Richtigkeit der Sozialdemokratte immer weitert Kreiſe des Volkes erfaſſe. Ich bin für meine Perſon der feſten Ueberzeugung, daß die Zukunft den deutlichen Beweis bringen wird, daß die Sozialdemokratie Recht behält.(Lebhafter Beifall.) Die Forderungen, die wir in dem Arbeiter⸗ ſchutzgeſetz durch Aufſtellung des Riottcn, Normal⸗ arbeitstages, durch Einführung eines Minimallohns, Ab ſchaffung der Frauen⸗ und Kinderarbeit, der Zuchthaus⸗ und Gefängnißarbeit und der Arbeit der Militärökonomie⸗ handwerker geſtellt haben, ſind gerade der Beweis dafür, daß dieſenigen Männer, die da glauben, mit der Arheiter⸗ ſchutzgeſetzgebung, wie ſte jetzt beſteht, ſei dem Arbeiter⸗ ſtande geholfen, es mit der Löſung der ſogen. ſozialen Frage nicht ernſt meinen.(Belfal Wir, die ſozialde⸗ mokratiſche Fraktion, bekämpfen die Arbeiterſchutzgeſetz⸗ gebung in ihrer jetzigen Form, und jene Forderungen, die wir geſtellt haben und wieder ſtellen werden, beweiſen eben, daß wir gewohnt ſind, die Conſequenzen unſere; Grundſätze zu ziehen.(Beifall.) Es klingt geradezu naiv, wenn der nattonalltberale Reichstagsabgeordnete Oechelhäuſer in ſeiner bereits genannten Broſchüre unter Anderem ſagt: die Welt iſt ja gar nicht ſo ſchlecht, wie die Sozialdemokraten immer und immer behaupten. Ich muß nun ſagen, mir iſt noch nie eine ſolche Schrift zu Geſicht gekommen, in der ein ſolches Maß von Frivolität und Unkenntniß der be⸗ ſtehenden wirthſchaftlichen Verhältniſſe zu Tage wäre, als eben die Broſchüre des Herrn Oechelhäuſer. Doch ich würde die Verſammlung zu lange aufhalten, wenn ich auf einzelne Aeußerungen desſelben eingehen wollte. Ich brauche auf das Themg der wirthſchaftlichen Forderungen der Sozialdemokratie nicht näher einzugehen die ja unzählige Male, wahrſcheinlich auch in Ihren Kreiſen, geſtellt worden ſind von allen denen, die unter begeiſterter Treue und unter jubelnder Zuſtimmung ſich unter der Fahne ſchaaren, auf der als Wahlſpruch ſteht: Kampf für Wahrheit, Kampf für Freiheit, Kampf für Recht.(Lebhafter Beifall.) Doch ich will nun auf ein anderes Gebiet über gehen und Ihnen zeigen, was insbeſondere von der na⸗ tionalliberalen Partei in politiſcher Beziehung zu er⸗ warten iſt. Die bevorſtehende Reichstagsſeſſion, welche nächſten Donnerſtag wieder beginnen wird, wird in der That ſehr ernſte Fragen zu löſen haben, von denen das Wohl und Wehe des deutſchen Volkes ebenſo abhängt, Wenn durch die offiziöſe Preſſe die Nachricht verbreitet wird, man werde den Reichstag mit neuen Steuern ver⸗ ſchonen, und wenn man glaubt, damit das deutſche Volk in einen ſanften Schlummer einzulullen, ſo iſt es doch nothwendig, dieſes Thun und Treiben ſcharf in's Auge faſſen. Was die im letzten Reichstag behandelte Branntweinſteuer⸗Vorlage betrifft, ſo verdanken wir deren Ablehnung wahrlich nicht der Thätigkeit dez nationalliberalen Partei.(Sehr richtig!) Die Ablehnung des Branntwein⸗Monopols und der Branntweinſteuer verdanken wir vielmehr dem Kampfe, in welchem das Centrum in kirchenpolitiſcher Beziehung mit der meceee ſteht, ein Kampf, welcher immer mehr zu 11 en des Centrums ſich entſcheiden wird und es wird einſt der Tag kommen, an dem die Centrumspartei mit klingenden Spiel und fliegenden Fahnen in das Lager der Regier ung übergehen wird.(Sehr richtig!) Was die Nationalliberalen in Verbindung mit der Centrum gethan haben, das beſteht darin, daß ſie dit Zölle auf die nothwendigſten Lebensmittel bepilligt daß ſie alles gethan und Alles gut geheißen haben, was die Regierung und der Herr Reichskanzler Fürſt Bis⸗ marck für nothwendig erachteten.(Beifall.) Die natio⸗ nalliberale Partei geht noch weiter, indem ſie ſich durch die Preſſe für die einſtimmige Annahme des Milktär⸗ ſeptenats erklärt hat. Die Militärvorlage ſoll einer der wichtigen Punkte ſein, mit welchem der nächſte Neichstaa üch zu 2. Geite Geueral⸗Anzeiger. 24. Novemper. deſchäftigen haben wird, und in der That wird es ſo ſein. Ich habe in einer heute mir zugekommenen Depeſche die Nachricht erhalten, daß die deutſche Regierung beab⸗ ſichtige, vom nächſten Reichstage die Vermehrung der Heerespräſenzziffer um 15000 Mann zu verlangen, was im Militärbudget eine Mehrausgabe von 20 Millionen per Jahr ausmachen würde. Be der gegenwärtigen poli⸗ tiſchen Lage, in der wir uns in Europa befinden, iſt es allerdings nothwendig, daß wir mit Ernſt und mit durch Prinzipien gefeſtigten Anſichten der Militärvorlage näher treten. Es iſt zweifellos, daß die gegenwärtige europä⸗ iſche Lage zu ernſten Betrachtungen führt und es iſt leb⸗ haft zu bedauern, daß der Verſuch, die deutſche Regierung zu veranlaſſen, ſich über ihre Stellung in der bulga⸗ riſchen Frage auszuſprechen, im Reichstage nicht die nöthige Unterſtützung gefunden hat. Inzwiſchen hat ſich ja, wie Sie wiſſen, die Lage verändert; man hat ſich von Seiten der deutſchen Regierung dahin ausgeſprochen, daß es gelungen ſei, die ſchwarzen Wolken am politiſchen Himmel zu verſcheuchen. Ich jedoch für meinen Theil habe dieſe Zuverſicht nicht. Ich glaube, daß wir uns in einer ſehr ernſten Lage befinden; ich glaube aber auch, daß die Verhinderung eines Krieges weniger dem Einfluß des deutſchen Reichskanzlers im Rathe der europäiſchen Mächte zu verdanken iſt, als der Furcht und der Angſt der Regierungen vor den ernſten Folgen, die ſich in wirth⸗ ſchaftlicher Beziehung an die Entfeſſelung eines euro⸗ päiſchen Krieges knüpfen würden.(Lebhafter Beifall). Dieſe Befürchtungen ſind es, welche das Friedensbedürf⸗ niß ſo ſehr ſtark und wach halten, und dieſe werden es auch ſein, welche den Frieden aufrecht erhalten, ſo lange wie möglich.(Stürmiſcher Beifall). Dieſer Zuſtand aber iſt ja kein beneidenswerther, weder für Deutſchland noch für die andern Mächte. Und wenn man auf die letzten Jahrzehnte zurückſchaut und ſich erinnert, welches kleinen Aulaſſes es bedurfte, um den deutſch⸗franzöſiſchen Krieg her⸗ vorzurufen, ſo iſt kein Menſch in der Lage, zu ſagen, an welchem Ecke und an welchem Ende von Europa der Brand anfangen wird und man wird mir zuſtimmen, wenn ich ſage, trotz aller Bemühnngen, den Frieden zu erhalten, iſt es doch möglich, daß die Brandfackel des Krieges über Europa hereinbrechen wird.(Sehr richtig). Dadurch will ich nur darthun, daß ich und meine Frak⸗ tionsgenoſſen ſich des hohen Ernſtes der Lage vollkommen bewußt ſind. Allein ich glaube auch, dieſe Ueberzeugung und Anſicht legt uns auch die Verpflichtung auf, die ma⸗ terielle Kraft des Landes und des deutſchen Volkes zu ſchonen, nicht noch mehr in Anſpruch zu nehmen als bis⸗ her.(Beifall). Wir, die ſozialdemokratiſche Partei, ſind von jeher dafür eingetreten, daß ſelbſtverſtändlich die Wehrfähigkeit und Schlagfertigkeit unſerer deutſchen Armee nicht geſchmälert werden darf.(Sehr richtig.) Wir er⸗ kennen im Prinzipe die Nothwendigkeit der allgemeinen Wehrpflicht an. Wir wiſſen, daß in dieſer Inſti⸗ tution von vorn herein die Anerkennung des ſozialiſtiſchen Prinzips liegt und wir können es nur wünſchen, daß die allgemeine Wehrpflicht auch in der That allgeme in durchgeführt werde,(lebhafter Beifall), wie es dem Namen derſelben auch wirklich entſpricht. Aber wir haben heut zu Tage eben noch keine allgemeine Wehrpflicht, ſo lange das Inſtitut der Einjährig⸗Freiwilligen beſteht,(Beifall) ſo lange diejenigen, die ſchon von Geburt aus und durch ihre Bildung, durch eine beſſere Erziehung große Vortheile genießen vor den arbeitenden Klaſſen, in Bezug auf die Militärpflicht den Andern nicht gleich geſtellt ſind. Dieſe Vortheile dürfen nicht dadurch noch prämiirt werden, daß man dieſe ohnehin ſchon bevorzugte Klaſſe nur ein Jahr unter die Waffen ruft, während man die niederen Klaſſen des Volkes drei Jahre unter der Fahne zurück⸗ hält und ihrem Berufe entzieht, ſie, die ſo wie ſo ſchon nur ſchwer ihr Brod verdienen können.(Beifall.) Daher iſt es die Pflicht eines Jeden, die allgemeine Wehrpflicht zu einer demokratiſchen zu machen, ſo daß wir in der Wirklichket auch ein Volksheer erhalten.(Beifall). Und ein Aequivalent hiefür liegt darin, daß wir Herab⸗ ſetzung der Dienſtzeit auf 2 Jahre verlangen, weil wir glauben, daß nach Lage der Sache eine 2jährige Dienſt⸗ zeit vollkommen hinreicht, um unſer Heer ſtets tüchtig zu erhalten und unſer deutſches Vaterland, wenn es noth⸗ wendig werden ſollte, vor jeder Gefahr leicht zu ſchützen. (Lebhafter Beifall). Von dieſen Geſichtspunkten aus werden wir uns dem Standpunkte der Regierungsvorlage gegenüber ver⸗ halten. Allerdings werden wir uns gegen das Septe⸗ nat erklären. Wir werden dagegen ankämpfen, daß der Regierung die Macht in die Hände gegeben werde, die langen Jahre hindurch unbekümmert um das deutſche Volk und um die deutſche Volksvertretung die Heeresein⸗ KLlichtungen ſo zu treffen, wie es ihr gut erſcheint.(Bei⸗ fall.) Wir werden nicht zugeben, daß die einzige Macht der Controle dem Volke genommen wird.(Beifall.) Wir werden dafür eintreten, daß man die Ausgaben des Militärbudgets ebenſo jedes Jahr durchberathe, wie alle anderen Punkte unſeres Reichshaushaltsetats(Bei⸗ fall.) Wir werden in dieſer Beziehung alles thun, ohne uns dem ſo beliebten und ungerechten Vorwurf der Vaterlandsloſigkeit auszuſetzen. Für und durch das Volk, durch die Steuern wird die Armee bezahlt, aus ſeinen Riemen wird ſie geſchnitten.(Lebhafter Beifall.) Was nun die Stellung der nationalliberalen Partei zu dem Militärſeptenat betrifft, ſo hat es den Anſchein, als ob dieſelbe lebhaftes Bedauern darüber hegt, daß die Regierung von dem Plane, ſtatt des Sep⸗ zenates das Aeternat zu verlangen, abgekommen iſt. (Heiterkeit. Sehr richtig!) Sie ſelbſt würde jedenfalls jeder Zeit bereit geweſen ſein, auch dieſer Forderung voll und ganz zuzuſtimmen.(Beifall); daß aber die nationalliberale Partei Mann für Mann für das Sep⸗ tenat eintreten wird, iſt ſelbſtverſtändlich und keine an⸗ 0 artel in unſerem deutſchen Vaterlande bat ſich ſtets ſo bereit gefunden und ſich als willenloſes Werk⸗ zeug in den Händen der Regierung und des Herrn Reichskanzler gebrauchen laſſen, als gerade die national⸗ liberale Partei,(Stürmiſcher Beifall), ſie, die auf jeden Wink des mächtigen Reichskanzlers ſich allen Forderun⸗ gen dergtegierung bereitwilligſt fügt, und man kann, wenn die Ausſicht vorhanden iſt, einige Miniſterſeſſel mit Nationalliberalen zu ſchmücken, ſicher ſein, daß dieſe Partei Alles, was die Regierung verlangt, dieſer auf anbieten wird.(Heiterkeit und Bei⸗ all. Aber auch in anderen Fragen hat die nationalliberale Partei das Wort„liberal“ nichts weniger als hoch gehalten. Ich erinnere Sie nur an die Debatte im Reichstage gelegentlich der Berathung über die Polen⸗ Ausweiſungen, bei denen ſich die Herren National⸗ liberalen mit den Conſervativen zuſammengethan haben, um die geſchädigten Menſchenrechte noch mehr in den Staub zu treten. Jeden wahren Menſchenfreund muß Angeſichts ſolcher Vorkommniſſe das Schamgefühl be⸗ ſchleichen, und nur mit ſchmerzlichem Bedauern wird man derſelben ſich erinnern können.(Stürmiſcher Beifall.) Das iſt die nationalliberale Partei, welche die Vater⸗ landsliebe in Erbpacht genommen zu haben ſcheint, welche den Mund nie voll genug nehmen kann, wenn es gilt, für die Intereſſen des deutſchen Volkes ſcheinbar einzu⸗ treten. Welch' großen Rückhalt die Freiheit des deutſchen Volkes an der nationalliberalen Partei hat, das haben die Ausweiſungen im letzten Jahre mehr als genug be⸗ wieſen.(Beifall) Die nationalliberale Partei, deren Name im Laufe der letzten Jahre ſchon ſo ſehr abge⸗ ſchwächt iſt, iſt in der That keine„liberale“ Partei mehr. Das nothdürftige Mäntelchen des bischen Libera⸗ lismus, das ſie noch um ihre Schultern gehängt hat, iſt längſt zu Boden gefallen. Arm in Arm, Schulter an Schulter, marſchiren heute die Nationalliberalen mit jenen Männern, im Reichstage, denen kein Anſturm ſtark ge⸗ nug iſt, um die Rechte und Freiheiten des deutſchen Vol⸗ kes noch mehr zu ſchmälern.(Beifall.) Und wer ſind dieſe Männer. Es ſind die Conſervativen, die Deutſch⸗Conſervativen, welche auf der rechten Seite im Reichstage ſitzen. Glauben Sie, daß in den Händen der Nationalliberalen das bischen Palladium der Volksrechte, das allgemeine, geheime und direkte Wahlrecht geſichert ſei? Glauben Sie nur, wenn es einzig und allein nach dem Willen der Herren National⸗ liberalen ginge, Sie würden wohl kaum mehr an die Wahlurne treten, um dort Ihr Votum abzugeben und Ihr Urtheil zu fällen.(Beifall.) Schwarz, wie ſie ge⸗ worden ſind, würden ſie, n edergedrückt von der Wucht der Regierung, die ſie unterthänig gemacht hat, der Volks⸗ freiheit, dem allgemeinen, geheimen und direkten Wahl⸗ recht freudigen Herzens und kalten Blutes ein Ende machen.(Beifall.) Halten Sie daher dieſes Recht in den Händen der nationalliberalen Partet ja nicht für ſicher!(Beifall.) Wir, die ſozialdemokratiſche Partei, können uns zwar nicht begeiſtern für das jetzige allgemeine, geheime und direkte Wahlrecht. Wir betrachten aber dieſes Recht, die ganze Betheiligung an den Wahlkämpfen, die Be⸗ nützung des allgemeinen direkten Wahlrechts als ein agi⸗ tatoriſches Mittel. Wir erachten es für unſere Pflicht, jede Gelegenheit zu ergreifen, um unſere Ideen in immer weitere Kreiſe zu tragen und immer mehr die Köpfe im deutſchen Volke aufzuklären. Aber auf der anderen Seite iſt nicht zu verkennen, daß wir der Benützung des all⸗ gemeinen direkten Wahlrechts die Thatſache verdanken, daß wir 25 ſozialdemokratiſche Abgeordnete im deutſchen Reichstag ſitzen haben, deren Zahl Sie in den nächſten Tagen durch Ihren Herrn Candidaten Dreesbach noch um einen vermehren werden.(Stürmiſcher Beifall.) Und mit gerechtem Stolze durfen wir auf unſere Partei im Reichstag blicken; denn— es iſt das keine Erfindung von mir, ſondern es ſind Worte des Herrn Reichskanz⸗ lers ſelbſt, der es oft wiederholt zugeben mußte— durch unſere Partei iſt es überhaupt nur möglich geworden, die ſoziale Frage in das Stadinm der Berathung einzuführen.(Beifall.) Es iſt ausſchließlich das Ver⸗ dienſt der ſozialdemokratiſchen Partei, dieſe Frage in Fluß gebracht und den Mächtigen des Reiches die Ueber⸗ zeugung von der Nothwendigkeit der Durchführung einer gründlichen ſozialen Reform aufgedrungen zu haben. Wie ſtellen ſich nun die Herren Nationalliberalen zu dieſen Ausnahmegeſetzen? Wir verdanken ihnen nicht allein die Geſetze, welche die Frucht des Culturkampfes ſind, nein, wir verdanken auch das Sozialiſtenge⸗ ſetz der Zuſtimmung der Nationalliberalen.(Sehr richtig!) Man darf ſich nur darüber wundern, daß dieſen Männern nicht jedesmal die Röthe der Scham in das Geſicht ſteigt, ſo oft ſte den Namen„liberal“ bean⸗ ſpruchen.(Beifall.) Eine ſolche Partei kann in dieſem Wahlkreiſe, in einem Lande, in dem die Bürger von jeher und erſt vor wenigen Jahrzehnten bereit geweſen, für die Freiheit des Volkes ihr Blut zu verſpritzen, nie und nimmermehr die Unterſtützung von Männern finden, welche es mit der Freiheit des Volkes ehrlich meinen.(Beifall.) Das eine glaube ich offen auszuſprechen zu ſollen: ich halte es nimmermehr für möglich, daß die nationalliberale Partei in deſem Wahlkreiſe auf die Hilfe der deutſchen De⸗ mokratie wird rechnen können; ich halte es nie und nim⸗ mer für möglich, daß ein Demokrat, der es ehrlich mit dem Volke meint, jeuer Partei ſeine Stemme geben, (Beifall), auf dem Plane erſcheinen wird, um gemeinſam mit dem Nationalliberalismus mit eigener Hand die Rechte des Volkes zu feſſeln.(Lebhafter Beifall); kein wahrer Demokrat wird das ſchöne Wort des glorzeichen Vorkämpfers für die Freiheit, das Wort Johann Jakoby's vergeſſen können, welches dieſer zuerſt auf das Programm der deutſchen Demokratie niedergeſchrieben hat:„Gleiches Recht für Alles, was Menſchenantlitz hat.(Stürmiſcher Beifall). Die Demokratie dieſes Wahlkreiſes hat es unterlaſſen, einen eigenen Candidaten für die bevorſtehende Wahl aufzuſtellen; ſie hat ſich damit aus der Reihe der aktiven Parteien geſtrichen; ſie würde ſich aber, ſage ich, auch aus der Reihe der Lebenden ſtreichen, wenn ſie bei dieſer Wahl dem Nationalliberalismus ihre Hilſe zu Tyeil werden ließe.(Beifall). Der Candidat der national⸗ lüberalen Partei, Herr Commerzienrath Diffené, ſoll, wie ich gehört habe, zu den Herren gehören, die wenn ich ſo ſagen darf, auf dem linken Flügel dieſer Partei ihren Platz einnehmen würden Ich weederhole, daß mir nichts weniger in den Sinn kommt, als mit perſönlichen Angriffen gegeu den Herrn Diffens vo zugehen. Ich wiederhole, daß es mir durchaus nicht einfallen kann, die Fähigkeiten, die Lauterkeit des Charakters dieſes Herrn auch nur im Gerinaſten in Zweifel zu ziehen. Das müſſen aber die Herren, welche den Herrn Commerzien⸗ rath Diffené auf ihren Schild erhoben haben, zugeben, daß ihr Candidat, wenn er, was ich nicht hoffe, in den Reichs⸗ tag kommen ſollte, nichts weiter iſt als eine weitere Nummer in der Partei, die ſich nicht kümmert um des Volkes Wohl und Wehe, die ſich nicht kümmert, wenn Tau⸗ ſende und Abertauſende weiter ſchmachten in Armuth, Noth und Elend, die ſich nur darum kümmert, was ihr Herr und Meiſter, der Herr Reichskanzler befiehlt. Eine ſolche Pariei kann von wirklichen Demokraten nie und nimmer unterſtützt werden, und diejenigen Leute, welche wirklich Sympathie für die Freiheit des Volkes haben, dürfen ſich, wenn ſie dem Candidaten der national⸗ liberalen Partei ihre Stimme geben, nicht wundern und auch nicht beklagen, wenn ſie mit dieſer Partei in einen Topf zuſammengeworfen werden(Lebhafter Beifall). Die nächſten Tage werden die Entſcheidung bringen, ob der Candidat der Nationalliberalen, Herr Diffene, oder der Candidat unſerer Partei, Herr Dreesbach, aus der Wahlurne hervorgehen wird. Ich gebe mich ich wiederhole es— der zuverſichtlichen Hoffnung hin, daß Herr Dreesbach uns in dem Reichstag vertreten wird(Beifall); ich hoffe, daß die Begeiſterung für unſere Sache, die hier und im ganzen Wahlkreiſe Platz gegriffen, anhalten und den Sieg davon tragen wird. (Stürmiſcher Beifall). Aber ich bin auch der feſten Ueberzeugung, daß unſer Candidat, Herr Dreesbach, es auch verdient, daß alle Arbeiter für ihn eintreten, denn er hat in jahrelangem Streben, in unermüdlicher Thä⸗ tigkeit ſich ſtets bemüht, die Rechte des Volkes auf jedem Gebiete zu erweitern; ich bin ferner überzeugt, daß unſer Candidat uns und dieſem Wahlkreiſe keine Schande machen, daß er vielmehr allezeit beſtrebt ſein wird, im Reichstag überall da, wo es gilt, für Wahrheit, Freiheit und Recht in die Schranken zu treten, gauf dem Platze zu ſein,(lebhafter Beifall), und deßhalb glaube ich auch, daß unſere Partei mit der Aufſtellung der Candidatur des Herrn D reesbach einen recht glücklichen Griff gethan hat und ich gebe mich auch der freudigen Hoffnung hin, daß Herr Dreesbach am 26. November als der 26. unſerer Fraktionsgenoſſen im Reichstag einziehen wird.(Stürmiſcher Betfall). An Ihnen iſt es daher, Mann fur Mann für die Candi⸗ datur des Herrn Dreesbach zu wirken; ſorgen Ste Alle dafür, daß am Tage der Entſcheidung an jedem Ambos, in jeder Dachkammer der Name„Dreesbach“ ſich finde; ſorgen Sie dafür, das Alles, Mann für Mann, an der Wahlurne am Tage der Wahlſchlacht erſcheine und dann ſeien Ste überzeugt, wird dieſe Energie unſerer Sache den Steg verſchaffen.(Beifall). Aber auch darüber ſoll hier kein Zweifel beſtehen, was uns von der bürgerlichen, von der Volkspartei trennt; das was uns von dieſer Partei ſcheidet, das liegt auf wirthſchaftlichem Gebiete. Aber wenn wir auch dieſer Partei politiſch vielleicht am nächſten ſtehen, ſo werden wir doch nie in die Lage kommen, um die Stimmen dieſer Partei zu buhlen.(Beifall.) Wenn aber auch der nationalliberale Candidat mit Hilfe der demokratiſchen Stimmen ſtegen ſollte, ſo werden wir ruhig, unbekümmert und unentwegt unſern Weg weiter ziehen. Wir wiſſen Alle, daß wir für eine heiltge, ge⸗ rechte Sache kämpfen. Tag für Tag können wir das bewundernswerthe Schauſpiel erleben, wie immer neue Streiter für die ſozialdemokratiſche Sache wie Pilze aus dem Boden wachſen. Die Ideen einer Partei, deren höchſtes Ziel es iſt, die Wohlfahrt, ſoweit es menſchen⸗ möglich iſt, zum Gemeingut Aller zu machen und einen glücklichen Zuſtand für die geſammte Menſchheit zu ſchaffen,— und das wiſſen unſere Gegner ganz ge⸗ nau— köunen niemals todtgeſchlagen werden, mag 100 auch Maßregeln anwenden, welche man will.(Bei⸗ all. In einigen Tagen werden Sie Alle Zeugniß dafür ablegen müſſen, daß Sie nur einem wirklichen Freunde des Volkes die Vertretung Ihrer Intereſſen anzuver⸗ trauen gewillt ſind. Sorgen Sie daher Alle dafür, daß jenes unſcheinbare Stückchen weißes Papier, die einzige Waffe, welche das Geſetz uns in die Hand gibt, den Namen„Auguſt Dreesbach“ trage.(Beifall.) Sorgen Sie Alle dafür, daß wir am 26. November in die Lage kommen, nach allen Theilen unſeres Vaterlandes die Kunde hinauszutelegraphiren:„Au gu ſt Dreesbach iſt gewählt.“(Stürmiſcher Beifall). Ich will nun noch zum Schluſſe meine Mannheimen Parteigenoſſen und diei Herren, welche hier au⸗ 24. November. General⸗Anzeiger. 3. Seite deſend ſind und einer andern Partei angehören, auf⸗ ſordern, ſich an der Diskuſſion zu betheiligen; ich werde ſtets bereit ſein, auf jede Frage, die aus Ihrer Mitte heraus an mich geſtellt werden ſollte, zu antworten. Wir ſpez ell in Berlin haben es ſtets ſo gehalten, auch den Gener zum Worte kommen zu laſſen, nicht aber, wie es in den Verſammlungen anderer Parteien in hie⸗ ſiger Stadt geſchehen iſt, die freie Meinungsäußerung der politiſchen Gegner niederzuhalten.(Beifall) Aller⸗ dings mag es ſo viel leichter ſein, einen gifigeſchwollenen Zeilungsartikel gegen unſere Partei zu ſchleudern, als Mann gegen Mann, Auge in Auge den Grundſätzen und den Aeußerungen der Sozialdemokratie Stand zu halten.(Beifall). Die nationalliberale Preſſe freilich wird auch über dieſe Wählerverſammlung ihr Jammergeſchrei erheben, wird als warnendes Wort vor den böſen Sozialdemo⸗ kraten ein Mene Tekel an die Wand malen. Aber ich bin der feſten Ueberzeugung, daß den Nationalliberalen all' ihr Jammern nichts helfen wird, daß vielmehr unſer Candidat, Herr Stadtrath Auguſt Drees bach, am 26. November als Reichstagsabgeordneter aus der Wahl⸗ urne hervorgehen wird.(Lange andauernder, frenetiſcher Beifall.) Der Vorſitzende ertheilte nunmehr dem Kandidaten der ſozialdemokratiſchen Partei, Herrn Stadtrath Auguſt Dreesbach das Wort: Mit großem Jubel empfangen, begann derſelbe da⸗ mit, daß er ſagte, er könne ſich kurz faſſen, nachdem ſein Vorredner in ausführlicher Weiſe alle wichtigen Fragen behandelt und nachdem Redner ſelbſt in der großen ſo⸗ zialdemokratiſchen Verſammlung, welche vor vier Wochen an derſelben Stelle ſtattfand, ſein Programm eingehend vor den Wählern entwickelt habe. Ueber einen Punkt müſſe er ſich aber heute noch ausführlicher verbreiten und das ſei die lehrreiche Agitation der verſchiedenen, der Sozialdemokratie in dieſem Wahlkreiſe gegenüber⸗ ſtehenden Parteien. Er erkenne es dankbar an, daß ge⸗ rade am hieſigen Platze die Behörde der Sozialdemokra⸗ tiſchen Partei keinerlei oder wenigſtens kaum nennenswerthe Schwierigkeiten bei Gelegenheit dieſes Wahlkampfes in den Weg gelegt habe, was aber die Behörde ſelbſt nicht gethan, das habe die national⸗liberale Partei ſich zu Schulden kommen laſſen. Wenn z. B. der Reichstagsabg. Dr. Bürklin in der nat.⸗lib. Wahlverſammlung geſagt habe, daß die Sozialdemokratie theilen wolle, daß ſie ſage;„Komm Bruder, wir wollen theilen!“ ſo ſei das eine ſo abge⸗ ſchmackte Behauptung, daß eine ſolche ſelbſt von dem Schulzen des entlegenſten Dörfchens auf dem Erdenrunde nicht mehr geglaubt werden und daß dieſe kaum mehr dem ängſtlichſten Bäuerlein weiß gemacht werden könne. Wenn Herr Dr. Bürklin es aber wage, ſo etwas vor einer intelligenten Wählerſchaft un⸗ ſeres Wahlkreiſes auszuſprechen, ſo ſei nur zweierlei denkbar: entweder Herr Dr. Bürklin hat das aus geſprochen in ſeiner bodenloſen Un wiſſenheit oder als eine böſe und abſichtliche Lüge. Er überlaſſe es dem Herrn Dr. Bürklin, von dieſen zwei Möglichkeiten diejenige für ſich auszuwählen, welche er als die paſſendſte erachte. In derſelben nationalliberalen Verſammlung habe der Herr Commerzienrath Diffens ſeinen Wählern alles vorgezählt, was in der liberalen Aera für den armen Arbeiter geſchehen ſei, aber das Wort„Dank“ für alle dieſe Wohlthaten, welche die Arbeiter den Nationallibe⸗ ralen zu verdanken hätten, habe er, Herr Diffens, noch niemals gehört. Ja für was ſollen denn die Sozial⸗ demokraten den Nationalliberalen danken? Vielleicht dafür, daß ſie mitgeholfen haben, das Sozialiſtengeſetz zu machen, Zwangskaſſen zu errichten, ein Unfallverſicherungsgeſetz herbeizuführen, welches den Arbeiter zwinge, aus ſeiner Taſche den größten Theil der Unfälle zu bezahlen, welche ihn im Betriebe des Unternehmers treffen? Man be trachte doch ſonſt auch den Arbeiter als ein Werkzeug und der Unternehmer ſorge dafür, daß beſchädigte Werkzeug⸗ wieder ausgebeſſert würden, warum wolle man denn da beim Arbeiter, der auch ein Werkzeug ſei, einen Unterſchied machen und dieſen zwingen, ſich auf ſeine eigenen Koſten aus⸗ beſſern zu laſſen? Man habe gar keinen Grund dazu, den Nat.⸗Liberalen zu danken, man habe vielmehr dafü⸗ zu ſorgen, daß der Arbeiter Schutz finde gegen die maß⸗ loſe Ausbeutung des Kapitalismus.(Stürmiſcher Beifall.) Herr Dr. Bürklin habe auch ausgeſprochen, die nat.⸗lib. Partei habe einen ſehr glücklichen Griff mit den Auſſtellung des Herrn Diffené gethan, er Bürklin, würde ihn wählen, auch wenn Herr Diffens ein Freiſinniger oder Demokrat wäre; die 7 Buchſtaben des Namens Diffene, der ein Mann ſei aus dem ff, wären den anderen Parteien gewaltig in die Glieder gefahren.“ Rednec erinnerte daran, daß die nat. lib. Partei bisher ſtets einen ſehr glücklichen Griff mit der Aufſtellung ihres Candidaten ge⸗ macht habe. Als die Nat.⸗Lib. einſt ihren Geh. Rath La⸗ mey aufſtellten, da haben ſie ſich ob dieſer Wahl gegen⸗ ſeitig beglückwünſcht und geſagt: keine andere Partei dürfe es wagen, einem ſolchen Manne gegenüber mit einer eigenen Candidatur aufzutreten. Aber ſchon bei der nächſten Neuwahl haben die Herren Nationalliberalen gefunden, daß Herr Seip io ein noch geeigneterer Can⸗ didat ſei, und als ſpäter der Reichstag aufgelöst worden ſei, iſt Herr Bankdirektor Eckhardt der erkorene und ge⸗ eignete Mann geweſen, der den in den Miſt gefahrenen Karren des Nationalliberalismus wieder herausholen ſollte. Aber die Herren Scipio, Lamey und Eckhardt ſeien glänzend durchgefallen, darum haben jetzt die National⸗ lüberalen den glücklichſten Griff gemacht und Herrn Diffens als den„geeigneteſten“ Candidaten aufgeſtellt und im Jahre 1887 wuͤrden die Nationalliberalen einen noch„glͤcklicheren“ Griff machen und Herrn Diffene, wenn dieſer durchfalle, bei Seite ſetzen. Dieſe Partei 2 85 habe nicht einmal ſelbſt Zutrauen zu ihrem Candidaten, aber dem Wähler werde ein größeres Zutrauen zuge⸗ muthet. Er ſei ſicher, daß wenn Kopfer nicht abgelehnt hätte, die Demokraten gewiß ihrem Kopfer treu geblie⸗ ben ſein würden. Und gerade ſo wie bei den Demo⸗ kraten, ſei es auch bei den Sozialdemokraten, welche in dieſer Beziehung einen gewiſſen Perſonencultus hätten u. fal 1 5 bewährten Männern getreulich feſthielten.(Bei⸗ all. Redner wendet ſich nunmehr zur Verſammlung der Centrumspartei vom letzten Sonntag, in welcher Herr Reichstagsabgeordneter Dr. Lieber ausgeſprochen habe, daß die Centrumspartei als erſte unter allen für das Wohl der Arbeiter eingetreten, und daß ſie zu einer Zeit mit ihren Vorſchlägen hervorgetreten ſei, als es noch gar keine ſozialdemokratiſche Partei gegeben habe. Das ſei eigentlich lächerlich, wenn Herr Dr. Lieber ſich zu einem ſolchen Ausſpruche verſteige; die Ultra⸗ montanen hätten ſich der Arbeiter angenommen, als es noch gar keine Socialdemokratie gegeben habe. Aber gab es nicht lange vor den Ultramontanen einen Laſalle und andere Vorkämpfer für die Arbeiter⸗ ſache, und wer anders als dieſe, haben die Forderungen und Anſprüche der Arbeiterwelt an die Oeffentlichkeit gebracht? Wenn die katholiſche Kirche es ernſtlich gemein haben würde mit der Schaffung von Aenderungen zun Beſten der Arbeiter, ſo habe ſie ehedem auch die Mag dazu beſeſſen, damals konnte ſie zeigen, daß es ihr Ern: war! Allein die katholiſche Kirche und Partei wirke nur da für ſoziale Probleme, wo ſie dazu gezwungen ſei, im Intereſſe der Beſitzloſen etwas zu thun. Wa⸗ das Centrum in neueſter Zeit für die Arbeiter getha hat, das lebe noch ganz friſch im Gedächtniſſe. Ih n danke man mit die Verlängerung des Sozig liſtengeſetzes. Wenn auch die Herren von Buo und Dr. Lieber dagegen geſtimmt haben, ſo kon gte ſie ſich dieſen Scherz ganz ruhig erlauben, da ſie j. wußten, daß ſo und ſo viele ihrer Freunde dafün ſtimmen würden und jedenfalls genug, um die Verlänge⸗ rung durchzuſetzen. Herr von Buol habe ferner in ſeiner Rede ausgeſprochen:„Auch die Sozialdemokraten könnten nicht gegen indirekte Steuern ſo boͤſe geſinnt ſein, denn der Herr Auguſt Dreesbach, der ja im Stadt rathe ſitze, habe noch nichts dafür gethan, daß da⸗ ſtädtiſche Oktroi, das ja auch eine indirekte Steuer ſei, aufgehoben werde. Er, Redner, könne dem Herrn von Buol nur das zur Antwort geben, was er Herrn Dr. Bürklin bereits geſagt habe: entweder iſt das abſichtlicke Fälſchung Seitens d Herrn Landgerichtsraths v. Buo oder aber Herr v. Buol weiß nicht, was unter ſeine Augen in der Stadt paſſirt, in welcher er wohnt. Für das Oktroi im Mannheimer Stadtrathe haben ſtets die Nationalliberalen und leider auch zum The die Demokraten geſtummt; er, Dreesbach, aber habe in, mer in erſter und eniſchiedener Weiſe bei allen Ven handlungen über das Oktroi gegen daſſelbe geſprochen und geſtimmt. Der Charakter und die Kampfesweiſe der Natio nalliberalen zeige ſich auch noch deutlich in ihre⸗ Charakterloſigkeit durch das Verhalten der nationa liberalen Preſſe vor und nach der Erklärung des Herr! von Feder. Früher ſeien die Demokraten als ein ehrloſes, verkommencs Geſindel, als Reichsfeinde gleich den Sozialdemokraten bezeichnet worden, und nun, w⸗ es ſich darum handle, ihre Stimmen zu bekommen, ſeie ſie auf einmal zu ganz acht⸗ und ehrbaren Menſchen avancirt. Das geſchehe ganz einfach zu dem Zwecke um den Herrn Diffens nach links den Demokraten und nach rechts den Conſervativen mundgerecht zu machen Jetzt richte ſich die ganze Wuth gegen die Sozialdemo kraten, vor welchen man den Wählern eine Gänſehaut beibrin en möchte. Ja, bei der letzten Stichwahl zw ſchen Kopfer und Eckhardt, da war es ganz anders: d hat mun ſich bei den Nationalliberalen nicht geſchämt, um die Stimmen der Sozialdemokraten zu betteln Jenes Plakat, von Franz Mai, einem Manne, der um jene Zeit ſchon ſeit drei Jahren nach Amerika aus gewandert geweſen ſei, lebe noch in aller Erinnerung Eben dieſes Plakat, durch welches die Sozialdemokraten zur Wahlenthaltung im Intereſſe der nationalliberalen Partei bewogen werden ſollten, iſt eine Fälſchung dieſer Partei geweſen. Aber dazumal waren eben die Sozialdemokraten gut genug. Daraus könne ma erſehen, mit welchen Mitteln der Wahlkampf geführ worden ſei. Den Nationalliberalen ſtehen in allen Ge⸗ neinden die Bürgermeiſter als Vertrauensmänner zu; Seite, ſo bequem ſei es den Sozialdemokraten nicht ge macht, die von Ort zu Ort ziehen müßten und ihre Plakate nicht an die Bürgermeiſter zur Beſorgung der Wahlverſammlung ſenden könnten. Aber heute ſtehe man trotzdem auf einem anderen Standpunkte als vor zwei Jahren: damals hatten wir in dem Wahlkampf nur die Stimmen zu zählen, heute aber um mit Beſtimmtheit zu ſiegen.(Anhaltender Beifall.) Noch eines moͤchte er erwähnen, das er beinahe zu ſagen vergeſſen habe. Herr Commerzienrath Diffené habe in ſeiner Wahloerſammlung auch Stellung ge⸗ nommen zur ſogenannten„Judenhetze“. Er, Redner, aber frage: Wer iſt es denn geweſen, der in Deutſch⸗ land gemeinſam mit den Conſervativen die Judenhetze betrieten habe? Der Nationalliberalismus iſt es ge⸗ weſen, der den Vater der Jundenhetze, den Hofpre diger Stöcker gemeinſam mit den Conſervativen nach Berlin in den Reichstag geſchickt hat. Jetzt aber will man daran nicht mehr erinnert werden, man will das weit von ſich abweiſen, um ja die Stimmen der Juden zu bekommen. Die Sozialdemokratie aber habe ſich mit dieſer Hetze niemals befaßt, und an den Sozialdemo⸗ kraten haben die Antiſemiten mit ibrem Stöcker ibr Sedan erlebt. Die Sozialdemokraten machen dataus keinen Ruhm für ſich, ſie ſind ſich eben nur wie immer conſequent geblieben, ſie betrachten jeden als ebenbürtig, möge er einem Stande, einer Confeſſion oder einer Nation angehören, welcher er wolle. Die Ssozialdemo⸗ kraten wollen eben nur, aber auch immer:„Das gleiche Recht für Alle!“(Rauſchender Beifall). Auf die Anfrage des Vorſitzenden, ob Jemand zu den Ausführungen der Redner das Wort zu ergreifen wünſche, meldete ſich Herr Erhart⸗Ludwigshafen. Er müſſe in dieſem Wahlkampfe ganz beſonders die objektive Haltung ſeines Genoſſen Dreesbach bewundern, der bei den Ränken und Kniffen, welche die National⸗ liberalen gegen ihn diesmal zur Anwendung bringen, ſeine Ruhe und Kaltblütigkeit zu bewahren gewußt habe. Es ſei von jeher die Taktik der Liberalen geweſen, den ſozialdemokratiſchen Candidaten da anzugreifen, wo er nicht anweſend, alſo nicht im Stande geweſen ſei, Rede und Antwort zu ſtehen. Während die ſozialdemokratiſche Partei Jeden und bei jeder Verſammlung zur Diskuſſion zulaſſen, ſei das Gegentheil bei den Nationalliberalen der Fall, welche ängſtlich einen Austauſch der Gedanken vor der Oeffentlichkeit einer Verſammlung vermeiden, weil ſie einen ſolchen eben zu fürchten hätten. Um namentlich draußen auf dem Lande den Sozial⸗ demokraten das Reden zu erſchweren, hätten ſie die Praxis, ſämmtliche größere Wirthslocale zu miethen, ſo habe denn die Arbeiterpartei mit Schwierigkeiten all⸗ iberall zu kämpfen, um nur überhaupt zum Worte zu emmen, während in 31 Gemeinden des Wahlkreiſes 29 Zürgermeiſter der Gegenpartei als ſehr geeignete Ver⸗ rauensmänner zur Verfügung ſtänden, welchen man die Glakate zum Anſchlag ſende zc. Ueber einzelne Mand⸗ zer der Nationalliberalen müſſe er ſich doch noch etwas auslaſſen: Herr Diffens habe z. B. in der nat.liberalen Wahlverſammlung erklärt, daß Handwerk und Gewerbe ulerdings tief darniederliegen und unter der gefährlichen Concurrenz fabrikmäßiger Induſtrie ſchwer zu leiden haben. Herr Diffene hat dann dem Kleinhandwerk inen Knochen hingeworfen, an dem es während ſer Wahlperiode herumknappern könne: Das Kunſthandwerkl Das ſei purer Unſinn, denn ſerade die wahre Kunſt gehe betteln! Das Licht in Neu⸗ tadt, Herr Dr. Bürklin ſeinerſeits habe geſagt, daß venn es eine Stichwahl gebe, alle Parteien zuſammen ind gemeinſam gegen den Reichsfeind und Umſtürzler ſtimmen werden; er aber(Redner), habe den felſenfeſten, imerſchütterlichen Glauben, daß der Wahlkreis von nun n den Sozialdemokraten gehöre.— Herr Dr. Baſſer⸗ nann, der ein recht ſcharfſinniger Advokat ſein könne, habe ſich in Weinheim zu dem Ausſpruche verſtiegen: „die Sozialdemokraten ſagen Ihnen blos das, was Sie zren können, aber nicht auch das, was Sie nicht hö⸗ en ſollen!“ Aber gerade die Partei des Herrn Dr. Baſſermann iſt ſchuld an dem Geſetze, das den So⸗ ſaldemokraten den Mund verbindet. Das komme ihm dor, wie wenn man einem Hund den Beißkorb anzieht ind dann ſagt: Geh hin und gib dem Köter inen Tritt, reize ihn nur, er beißt ja doch nicht! Wie die nat,⸗liberale Partei überhaupt ihre Wahlen nacht, das gehe aus dem Agitations-Plane hervor, wel⸗ her der ſoz.⸗dem. Partei in die Hände gefallen ſei: in dem und dem Tage ſind die Herren Nat.⸗Liberalen in dem und dem Orte, ſo und ſo viel Plakate an den Bürgermeiſter! ꝛc. Der Bärgermeiſter in den kleinen gemeinden draußen auf dem Lande werde zum Partei⸗ enecht gemacht! Aber noch ein anderes intereſſantes Schriftſtück, und eine weitere Probe dafür, wie die Nat.⸗ Liberalen eine Wahl machen, ſei ihm in die Hände ge⸗ allen. Da habe er einen Brief, in welchem der Name Abreſſaten, der natürlich ein Bürgermeiſter iſt, noch auszufüllen ſei und in welchem geſchrieben ſteht:„die Aaslichlen der nat.⸗liberalen Partei ſind glänzend, wit affen ſchon im 1. Wahlgange zu ſiegen, es muß aber uch dafür geſorgt werden, daß am 26. November kei⸗ ner unſerer Wähler von der Wahlurne ferne bleibt. Um nun ganz beſtimmte Leute zu gewinnen, deren Auf⸗ labe es ſein wird, die Säumigen zur Wahl zu bringen, ſenden wir Ihnen den Betrag von— Mark, welche Sie zu dieſem Zwecke zu verwenden belieben.“ Es wird alſo, am 26. November laut dieſem Cir⸗ cular ein förmliches Keſſeltreiben veranſtaltet werden! ſtedner kommt nun nochmals auf das Manöver der Nationalliberalen zu ſprechen, welche, um die Sozialde⸗ mokraten an der Abhaltung einer Wahl zu verhindern, am letzten Sonntag in Weinheim ſämmtliche Säle ge⸗ niethet hatten. Dafür aber ſei an dem betreffenden Tage Herr Bouquet von Mannheim dort geweſen, velcher es ſich zur Aufgabe gemacht habe, die Führer der Sozialdemokraten auzugreifen und Hrn. Dreesbach als einen bezahlten Agitator dieſer Partei hinzuſtellen. Herr Bouquet greife überhaupt die Sozialdemokraten nur draußen an und zu einer Zeit, wenn dieſe nicht da ſeten; in dieſem Augenblick aber ſei Herr Bouquet nicht hier zu finden, um zu ſagen, was er an den Sozial⸗ demokraten auszuſetzen habe, wiewohl ihm dieſe hiezu das Gaſtrecht und die Gelegenheit gewähren. Herr Bouquet erinnere ihn, den Redner, überhaupt vielfach an einen anderen früheren Gegner, der aber jetzt auch nicht mehr zu finden ſei; ſo werde es auch Herrn Bouquet gehen. In einem Dorfe des Wahlkreiſes habe bei Gelegen⸗ heit einer ſeiner Wählerverſammlungen Herr Diffene zu einigen Wählern geſagt:„Was, Sie wollen Dreesbach wählen? Wiſſen Sie denn nicht, daß in dieſen Tagen ſieben ſeiner Genoſſen in Chicago gehängt werden? Was würde Herr Diffene wohl dazu ſagen, wenn wir vor ſeine Wähler hintreten und ſagen wollten: Euerem Can⸗ didaten, der ja ein ſo warmer Freund der Juden iſt, hängen eine Eſther Solimoſſo und die Neuruppiner⸗ Seit. Weneral-⸗zunzeiger. 24. Nopenſder; Affaire an den Rockſchößen. Damit iſt aber die Taktik der Nat.⸗Liberalen noch nicht erſchöpft, das kraſſeſte Bei⸗ ſpiel werde erſt noch kommen. Am VPorabende vor der Wahl werde ein nationalliberales Flugblatt erſcheinen, das deßhalb ſo ſpät ausgegeben werde, damit die Soz.⸗ Demokraten nicht mehr darauf antworten können. Da⸗ her wolle er jetzt ſchon ſagen, was darinnen ſtehe: In dieſem nationalliberalen Flugblatte werde ein ſoge⸗ nannter delkkater Vorfall aus geſch lachtet werden und zwar diesmal auf der großen öffent⸗ lichen Freibank, nachdem Herrr Bou quet bereits im engeren Kreiſe Stücke daraus herausgeſchnitten habe. Die ſozialdemokratiſchen Führer ſeien bekanntlich zu 3 Monaten Gefängniß wegen Untreue verurtheilt worden, das ſei das Ereigniß, um welches es ſich hier handle. Die Sozialdemokratie habe bisher ſtets ſo gehandelt, daß ſie die Preſſe von der Sache zu trennen gewußt habe und es ſei ihr nie eingefallen, die ganze katholiſche Partei dafür verantwortlich zu machen, wenn einer ihrer Prieſter wegen Unſittlichkeit in's Gefängniß gewandert ſei. Wenn man für Vergehen Einzelner eine ganze Partei verant⸗ wortlich machen wollte, ſo wäre das das ſchreiendſte Unrecht. Die ſozialdemokratiſche Partei ſei nicht die⸗ jenige, welche über Auswüchſe in der eigenen Partei das ſchützende Feigenblatt decke, wie etwa die nationalliberale, welche er an jenen ſächſiſchen nationalliberalen Reichs⸗ tagsabgeordneten erinnere, der wegen Betrugs mit zwei Jahren Gefängniß beſtraft worden ſei. Bis jetzt aber ſei über dieſe delikate Sache das letzte Wort noch nicht geſprochen, denn die Entſcheidung ruhe noch bei dem noch dieſelben Ehrenmänner die ſie früher und vor dem Urtheil waren. Wenn das Flugblatt komme, ſo mögen die Wähler daran denken, daß die Sozial⸗ demokratie keine Preſſe beſitze und nicht reden könne, wie ſie wolle.(Lebhafter, anhaltender Beifall.) Herr v. Buol habe am letzten Sonntag hier in Mannheim für ſeine Partei das Vorrecht in Anſpruch genommen, daß dieſelbe zuerſt ſoziale Reformen beantragt habe; in Neckarau, wo er vor ſozialdemokratiſchen Wählern ſprach, habe er das Gegentheil geſagt und ſagen müſſen, und der Sozialdemokratie dafür gedankt, daß ſie als die erſte den Anſtoß zu dieſen Reformen gegeben habe. Dieſe ſozialen Reformen ſeien das Ziel und die Aufgabe der Sozialdemokraten, welche am 26. November, einem für die Nationalliberalen bedeutſamen Tage, ihren Kandidaten gewählt ſehen werde.(Rauſchender Beifall.) Nach Herrn Erhart nahm noch Herr Reinert Veranlaſſung, der Verſammlung mitzutheilen, daß die Nationalliberalen beſchloſſen hätten, als Sozialdemokraten verkleidet, der heutigen Verſammlung anzuwohnen und vor dieſen„Wölfen“ in„Schafskleidern“ zu warnen. Bei dem Vorſitzenden war während der Vorträge der einzelnen Redner eine ſchriftliche Interpellation ein⸗ gereicht worden, welche namentlich bezweckt den ſozialdemo⸗ kratiſchen Candidaten über die Stellung ſeiner Partei gegenüber dem Semitenthum zur Aeußerung hierüber zu veranlaſſen. Dieſe Interpellation umfaßt drei Punkte: 1881— 1883. 2) Die derzeſtige der einzelnen ſozialdemokratiſchen Abgeordneten in Bezug auf den Antiſemitismus. 3) Die Ausſicht, welche die Sozialdemokratis der iſraelitiſchen Bevölkerung gegenüber dem Antiſemitismus gewähre. Für ſeinen Ge⸗ noſſen Dreesbach nahm Herr Singer die Gelegenheit wahr, die Interpellation zu beantworten. Wir behalten uns vor, auf dieſen Theil des Vortrags, in welchem Herr Singer die Stellung der Sozialdemokratie gegen⸗ über der Religion präziſirte, in nächſter Zeit zurückzu⸗ kommen. Die Ausführungen deſſelben culminirten in den beiden Sätzen: 1) daß der Sozialismus die Religion völlig erſetze und 2) daß die Juden vor dem Antiſe⸗ mitismus am beſten geſchützt ſeien, wenn ſie Sozial⸗ demokraten ſind oder werden. Zum Schluſſe nahm Herr Willig das Wort, um der Verſammlung, welche beinahe drei volle Stunden Stellungnahm gewährt hatte, und den Rednern ſeinen Dank darzu⸗ bringen. In ein Hoch auf die Sozialdemokratie ſtimmte die impoſante Verſammlung unter donnerndem Zu⸗ rufe ein. ———''vvr.. ñ Chefredacteur: Dr. Jur. Hermann Haas. Verantwortlich: Für den redactionellen Theil: L. Frey 1) Die Stellung der Sozialdemokraten zur conſervativen Partei und dem Antiſemitismus in den eEh. Für den Reklamen⸗ und Inſeratentheil: J. A. Werle,. Rotationsdruck und Verlag der Dr. H. Aaasſcken Duch druckerei, ſämmtlich in Mannſeim Reichsgerichte. Aber ſelbſt wenn dieſes das Urtheil be⸗ ſtätige, ſo ſeien für ihn, den Redner, die Verurtheilten — Abonnemenks⸗Einladung auf den „General⸗Anzeiger“ Der General⸗Anzeiger der Stadt Mannheim und Um⸗ gebung erſcheint wöchentlich 7 mal— je—16 Seiten groß— und koſtet pro Monat nur 50 Pfg.(nebſt 10 Pg. Traggebühr). Auswärts durch alle Poſtanſtalten pro Monat 65 Pfg., durch den Briefträger frei ins Haus gebracht. Der General⸗Anzeiger hat unter allen in Mannheim er⸗ ſcheinenden Blättern nachweſslſch die größte Abonnentenzahl und wird gleichmäßig von allen Ständen und in allen Volksſchichten geleſen und gehalten. Der Geueral⸗Auzeiger iſt gänzlich unabhängig, gehört keiner Partei an, berichtet über alle Vorkommnſſſe des Föffentlichen Lebens ſtreng ſachlich und äußerſt ſchnell, ſo daß wir in der promplen Berichterſtattung anderen Blättern voraus ſind. 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