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Ganz beſonders hingeriſſen aber wurde das Publikum durch das reizende Duett: „Reich' mir die Hand, mein Leben, Komm' in mein Schloß mit mir.“ Der Applaus wollte kein Ende nehmen und ſtürmiſch wurde das Duett da capo verlangt. Da geſchah es, daß bei der Stelle: „So dein zu ſein auf ewig, Wie glücklich, o, wie ſelig, Wie ſelig werd' ich ſein“ der Blick des jungen Mediziners mit beſonderer Aufmerkſamkeit auf den In⸗ ſaſſen der erwähnten Proſceniumsloge ruhte. Da fiel plötzlich das ſchweifende r Säule im Parket und die Auge Aureliens auf die Jünglingsgeſtalt an de Blicke des Kanfmannsſohnes und des Grafenkindes trafen ſich. Die in Folge der hohen Temperatur des durch Hunderte von Wachskerzen erleuchteten Zu⸗ ſchauerraumes ſchon leicht gerötheten Wangen Aureliens wurden plötzlich pupur“ farben und ſie ſenkte das Haupt. Ihre Angehörigen ſchienen nicht zu merken, was in der Seele des jungen Mädchens vor ſich ging. Aurelie vergaß„Don Juan“ und„Zerline“ und die wundervolle Scenerie, denn plötzlich ſtand vor ihrem geiſtigen Auge das Gartenfeſt zu Lautern und in ihren Ohren klang die Improviſation des Kaufmannsſohnes. Erſt der Beginn des Finales riß das junge Mädchen aus ſeinen ſüßen Träumereien. Da kam der hinreißende Chorſatz: „Hoch ſoll die Freiheit leben!“ eine Stelle, die jedem Hörer des„Don Juan“ unvergeßlich bleiben wird. Kaum waren die letzten Worte dieſes Chores verhallt, als ein brauſender Jubel aus dem Parterre aufſtieg. Aber ſofort wurde aus den Logen und ganz beſonders von Seiten der Emigranten eine Gegendemonſtration, die in Ziſchen und wüthendem Niederſchreien des enthuſtasmirten Parterre's beſtand, laut. Theaterverhältniſſe waren die kritiſchen Vorgänge im nahen Frankreich ungemein günſtig. Iffland ſchreibt in dieſer Beziehung:„Die Re⸗ volution in Frankreich warf ſehr bald eine Menge Flüchtlinge nach Deutſchland. Sehr groß war die Anzahl, welche in Mannheim oder der umliegenden Gegend ſich nieder · ließ oder durchreiſte. Der lebhafteſte Charakter der Franzoſen war bald im Schau⸗ ſpielhauſe ſehr bemerklich.“ Vergl. Dr. Koffla's erwähntes Werk vag. 186. „) Für die Mannheimer (Gortſeßung folgt.) ————ꝛ donie reichhaltiges Lager in sämmtlichen Trieottagen. 15482 Roman Beilage „General⸗Anzeiger“ (Mauubeimer Volksblatt.— Gadiſche Volkszeitung.) 15 Aus ſchweren Tagen. Erzählung aus der letzten Zeit der Regierung Karl Theodors. Von Eduard Joſt. (Nachbrug verbsten.) (Fortſetzung.) „Man melde der Frau Gräfin Goldſtein meinen Beſuch für die elfte Stunde, ſchnarrte der Hofmarſchall. „Sehr wohl, Euer Gnaden,“ ſagte Theodor. „Die Jungfrau,“ fuhr der Freiherr fort,„begiebt ſich wieder zu der Frau des Kellermeiſters und erwartet dort meine oder der Frau Grafin Goldſtein Befehle ab.“ Gretchen knixte und warf einen ſcheuen Blick auf Theodor, deſſen bleiches Antlitz ſie erbeben machte. „Und nun zu Sereniſſimo,“ näſelte im Bewußtſein ſeiner Würde der Hofmarſchall, indem er nach einem reich galonirten dreieckigen Hütchen griff, die Linke auf den zierlichen Galanteriedegen legte und dieſen in eine horizontale Lage brachte. „Er, Retzer,“ wandte ſich hierauf der Hofmarſchall an Theodor,„ſorgt dafür, daß das kleine Cabinet nach dem Parke zu, für heute Abend ſich in der beſten Ordnung befindet; ich werde dort ſoupieren.“ Das Hütchen war inzwiſchen auf die gepuderte Perrücke geſetzt worden und gravitätiſch, der„Jungfrau“ ein gnädiges Lächeln ſchenkend, ſchritt der duftende alte Sünder aus dem Cabinet. Theodor ſtand einige Augenblicke ſtumm da und ſtarrte zur Erde; langſam trat Gretchen zu dem jungen Manne, ergriff ſeine Hand und fragte zitternd: „Was haſt Du, Theodor?“ „Ich bin unzufrieden mit mir,“ einen dummen Streich gemacht.“ „Ich verſtehe Dich uicht,“ ſagte Gretchen kopfſchüttelnd. „Das glaub' ich, argloſes Täubchen,“ antwortele der freiherrliche Kammer⸗ diener,„aber ich verwünſche den Augenblick, wo ich Dir geſchrieben, Du ſollteß⸗ mir folgen, Du könnteſt hier Dein Glück machen. „Warum denn?“ fragte Gretchen in vorwurfsvollem Tone. „Weil ich nicht daran gedacht habe,“ antwortete Theodor finſier,„daß hier ſehr lüſterne Herren ſind, die Dir nachſtellen werden.— Gretchen, ſei auf der Hut! Aber auch ich werde nicht vertrauensſelig in deu Tag hineinleben. Wehe Dem, der es wagt, Dir nahe zu treten!“ autwortete er, ohue aufzublicken,„ich habe

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Gehe Du jetzt Miene.„Wenn Du mich im Laufe der Nacht aufſuchen willſt, ſo wirſt Du zum Kellermeiſter; ich habe hier noch zu thun.“ mich in meiner Wohnung finden, wir können dort ungeſtört über wichtige Dinge Niedergeſchlagen, mit Thränen in den Augen verließ Gretchen das Cabinet. mit einander reden.— Alſo halte feſt, was ich Dir geſagt.— Guten Morgen.“ „Nein, Herr Hofmarſchall,“ murmeſte Theodor vor ſich hin,„dies Blüm⸗ Nach dieſen Worten verließ der Kaſtellan des Gemach faft ebenſo geräuſch⸗ chen blüht nicht für Sie.“ Mit zorniger Haſt begann der junge Mann hierauf los, wie er es betreten hatte, den Neffen in ſeltſamer Aufregung zurück laſſend. das Cabinet in Ordnung zu bringen. XVII. Nach einer Weile wurde die Thür ein wenig geöffnet und der Kopf des„In's Nationaltheater!“ Das war am 27. September 1789 die Loſung alten Kaſtellans Pere Faber, des Onkels, wurde ſichlbar. der Bewohner Mannheim's, der verlaſſenen Kurfürſtenreſtdenz und Feſtung; Der Alte ſchaute ſehr ernſt drein. Alles wollte den„Don Juan“, dieſe neue Oper des„Herrn Wolfgang Amadeus „Iſt die Luft rein?“ fragte er leiſe. Mozart“, deſſen„Entführung aus dem Serail“ und„Figaro's Hochzeit“ wenige „Ja,“ antwortete Theodor mit ſcheuem Blick;„der Hofmarſchall—“ Jahre zuvor die Mannheimer entzückt hatten, ſehen. Wunderdinge hatte man „Hat ſich nach den Appartements der Gräfin Goldſtein begeben,“ fiel der ja ſchon Monate vorher von dieſem neuen Werke des damals erſt 33 Jahre Alte ein,„das habe ich beobachtet, aber ich dachte, daß vielleicht einer der Lakaien alten Componiſten gehört und geleſen. in der Nähe ſei.“ In Strömen pilgerte der Bürger und Handwerksmann, das Heer der Theodor ſchüttelte den Kopf, worauf der Kaſtellan langſam eintrat und kleinen Beamten nach dem Kunſttempel, und eine herrſchaftliche Equipage nach die Thür ſorgfältig hinter ſich zumachte. der anderen rollte vor das Portal des Nationaltheaters. Lange vor Beginn „Ich ſehe Dir an,“ begann der Alte„daß Du es bereuſt, nicht auf mich der Vorſtellung zeigten ſich alle Räume des Hauſes dicht beſetzt. Ein glänzender gehört zu haben. Jetzt haſt Du's, wie ich Dir's vorausgeſagt habe. Die Gretchen Damenflor, meiſt Gattinnen und Töchter hoher kurfürſtlicher Beamten, prangte war beim Hofmarſchall?“ in blitzender und ſchimmernder Toilette in den Logen. In einer Proſceniums⸗ Der junge Mann nickte finſter. loge befand ſich der Herr Oberamtmann Graf von Schall von Lautern mit „Na, da kannſt Du bald was erleben,“ brummte der Alte Kaſtellan. Gattin und Tochter. Aurelie ließ ihre ſchönen dunklen Augen über die glaͤnzenden „Wenn Du nur auf mich gehört und den unſeligen Brief nicht an das Mädel Erſcheinungen im erſten Rang gleiten und warf dann einige Blicke auf das geſchrieben hätteſt! Aber ſo ſeid Ihr jungen Leute, Ihr wollt Alles beſſer wiſſen, Meer von Köpfen im Parterre. Heiterkeit prägte ſich im ganzen Weſen des als alte, erfahrene Männer.“ jungen Mädchens aus. Da unten aber an einer Säule im Parket ſtand der „O, der Herr Hofmarſchall ſoll ſich verrechnen,“ ſtieß Theodor grimmig Kaufmannsſohn von Lautern, der junge Mediziner, und blickte faſt unverwandt hervor.„Uebrigens ſoll Gretchen einen Dienſt bei der Gräfin Goldſtein erhalten.“ nach der Proſceniumsloge, an deren Baluſtrade das ſchöne Grafenkind ſaß. Wie „Hahaha, lachte der Kaſtellan bitter,„dann kommt ſie gerade in die ſehnlich wünſchte er, daß ſein Blick einmal dem ihrigen begegnen möchte, doch richtige Schule. Gott ſoll das Mädel vor dieſer alten Buhlerin, die ja nur das geſchah nicht; zu ſeinem Schmerz aber nahm er wahr, daß eine gegenüber eines der Werkzeuge des Hofmarſchalls iſt, bewahren.“ befindliche Loge von dem jungen Freiherrn Felir von Dalwigk occupirt war, Theodor ſah den Ohm ſtarr an.„Ich hätte Luſt,“ ſagte er dann mit der die gräfliche Familie grüßte und wiederholt ſein Augenglas nach der hübſchen wachſender Erregung,„noch in dieſer Nacht mit Gretchen das Weite zu ſuchen.“ Aurelie richtete. „Keine Ueberſtürzung!“ ſagte der Alte ruhig.„Vergiß den erſtochenen Der Beginn der Quverture riß den Mediziner aus ſeinen Beobachtungen Franzoſen nicht! Willſt Du mit dem unglücklichen Mädchen den Häſchern in und Grübeleien. die Hände laufen? Nein, höre mich ruhig an, beachte wohl, was ich Dir ſage, Die Mozart'ſchen Klänge gaben den Gedanken des jungen Mannes, der und die Dinge können für Dich, für Gretchen und für mich einen befriedi⸗ ein großer Verehrer der Muſik war und am Clavier Vorzügliches leiſtete, eine genden Verlauf nehmen.“ andere Richtung. Mit wachſender Begeiſterung lauſchte er auf die erſchütternden Der Kaſtellan legte auf die Worte„für mich“ einen ganz beſonderen Ton. Klänge der Ouverture und mit hochklopfendem Herzen genoß er das Paradies von „Verſprich mir,“ fuhr der Alte fort,„daß Du, was auch kommen mag, Schönheiten, die Welt von Empfindungen in dieſer Oper; ja faſt alle Empfin⸗ nichts unternimmſt, ohne mich vorher gehört zu haben.“ dungen, deren das menſchliche Herz fähig iſt, ſind in ihr meiſterhaft ausgedrückt.

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