Henern Abonnement: 50 Pfg. monatlich, Bringerlohn 10 Pfg. monatlich, durch die Poft bez. inel. Poſtauf⸗ ſchlag M..90 pro Quartal. 4. Blatt. der Stadt Mannheim und Umgebung. Badiſche Volkszeitung. Mannheimer Volksblatt. 2 5 1 Sonntag, 11. März 1888. Grſcheint tägtlich, Sonn- und Feſttage ausgensmmen. Nr. 61. Seltſente und verbreitetſte Zeitung in Maunheim und Aungebung. Celegramme. Die Heimkehr des Kaiſers Friedrich. Abreiſe von San Remo. San Remo, 10. Marz. Um 9 Uhr 15 Minuten Vormittags fuhren nacheinander aus der Villa Zirio erſt die Hof⸗ chargen, dann die drei Prinzeſſinnen, hierauf der Kaiſer mit der Kaiſerin und Dr. Mackenzie im geſchloſſenen Landauer auf der Straße hinaus. Es regnete ein wenig. Bei der Krümmung, wo der Weg von der Villa in die Straße mündet, fuhr der Wagen ganz langſam. Man konnte den Kaiſer im ſchwarzen Anzuge, wie er auf die ehr⸗ furchtsvollen Grüße der Umſtehenden den umflorten Cylinderhut lüftete, deutlich ſehen. Sein Ausſehen er⸗ ſchien, allerdings im Schatten des Wagens, ganz günſtig. Dann ging es in ſcharfem Trabe den langen Weg durch die Stadt zum Bahnhofe, wo eine große Volksmenge zuſammengeſtrömt war. Unſere Lands⸗ leute waren darunter ſtark vertreten. Als der Wagen am Eingange hielt und der Kaiſer in auf⸗ rechter Haltung, eine ſehr ſtattliche Erſcheinung, ausſtieg, begrüßte ihn ein donnerndes Hurrah, das ſich wiederholte, bis er mit der Kaiſerin im Eingange verſchwand. Es war der erſte Gruß, den das deutſche Volk ſeinem neuen Herrſcher auf fremder Erde brachte. Am Bahn⸗ hofe waren bei der Abfahrt der Bürgermeiſter, die Honoratioren der Stadt, die Conſuln, das Offtzierkorps und eine ziemliche Anzahl Privatper⸗ ſonen verſammelt. Zwei große in Verbindung geſetzte Schlafwagen waren ſo in den Zug einge⸗ fügt, daß der Kaiſer beim Eintritt auf den Bahn⸗ ſteig dem Eingange ſeines Wagens gegenüber war. Die Herrſchaften wurden beim Erſcheinen von den unter den Verſammelten vorwiegenden Deutſchen mit ſtürmiſchem Zuruf begrüßt. Der Kaiſer, den Hut abnehmend, grüßte, ſich verbeugend, nach rechts und links, ebenſo die Kaiſerin, die wie die Prinzeſ⸗ ſinnen mit den herrlichſten Sträußen beſchenkt wurde. Es fiel namentlich ein großartiger Veilchen⸗ ſtrauß und mehrere, die durch ſchwarz⸗ gelbe Streifen als Gaben öſterreichiſcher Gäſte kenntlich wurden, auf. Die Kaiſerin und von den Töchtern die Prinzeſſin Victoria waren tiefbewegt. Der Kaiſer ſtand in ſeinem Abtheil am offenen Fenſter, während die Kaiſerin von dem nächſten Abtheil mit dem Bürgermeiſter ſprach, der auch die Ehre hatte, Ihrer Majeſtät die Hand zu küſſen. Darauf dampfte der Zug aus der Station. Wohl eine halbe Stunde weit hatte jeder Uebergang ſeine Beſatzung von Zu⸗ ſchauern. Der Kaiſer ſtand am geſchloſſenen Fenſter und grüßte freundlich die Menge. Erſt gegen 10 Uhr wurde hier bekannt, daß König Humbert in San Pier d Arena— das benach⸗ barte Genua wird nicht berührt— den Kaiſer begrüßen wird. Begegnung mit dem König von Italien. San Pier d Arena, 10. März. Der Sonderzug mit Ihren Majeſtäten Kaiſer Friedrich und Kaiſerin Victoria und dem kaiſer⸗ lichen Gefolge iſt um 12 Uhr 40 Minuten hier eingetroffen. König Humbert beſtieg den Salon⸗ wagen des Kaiſers. Miniſterpräſident Crispi und das Gefolge des Königs blieben auf dem Bahnſteig. Die Begegnung der beiden Monarchen war überaus rührend. Dieſelben umarmten und küßten ſich. Der Kaiſer wiederholte ſeinen Dank für die Wünſche der italieniſchen Kammer und des Landes und verſicherte dem Könige ſeine unwandelbare Freundſchaft. Nach einem Zuſammenſein, das 10 Minuten dauerte, wurden das königliche Gefolge und Crispi ſowie der deutſche und der engliſche Conſul zugelaſſen, um dem Kaiſer ihre Huldigung darzubringen. Das Ausſehen der Majeſtät war im ganzen befriedigend, der Geſichtsausdruck freundlich. Um 1 Uhr verließ König Humbert den Wagen, der Kaiſer grüßte, am Fenſter ſtehend, noch einmal den König ſowie den Miniſterpräſidenten Crispi und Gefolge. Um 1 Uhr 3 Minuten fuhr der Zug des Kaiſers weiter, während König Humbert um 1 Uhr 22 Minuten nach Rom zurückreiſte. Die„Fr. Ztg.“ erhält hiezu noch folgende Nachrichten: Mailand, 10. März..7 N. Kaiſer Fried⸗ rich mit Gefolge traf um 4 Uhr 40 Min. hier ein. Auf dem Perron befanden ſich Prinz Amadeo, die Spitzen der Militär⸗ und Civilbehörden und ein zahlreiches Publikum. Der Prinz betrat den Salonwagen und küßte den Kaiſer zwei Mal, worauf er die Kaiſerin begrüßte und mit dem Kaiſerpaar den Thee einnahm. Nachdem er ſich verabſchiedet hatte, brach das Publikum in lebhaftes Händeklatſchen aus. Der Kaiſer grüßte dankend und tief bewegt. Sein Geſicht iſt etwas abgemagert, die Farbe normal, das Haar blondmelirt, nicht grau. Um 5 Uhr erfolgte die Abfahrt über den Brenner. *Rom, 10. März,.30 N. Die Unter⸗ redung des Kaiſers Friedrich mit dem König Hum⸗ bert im Salonwagen im Sampier'Arena wurde ſchriftlich mittelſt Papier und Bleiſtift geführt und war außerordentlich herz⸗ lich. Ein auf des Kaiſers Geſinnungen für Italien bezügliches Blatt mit den vom Kaiſer ge⸗ ſchriebenen Worten— beide Souveräne benutzten je ein Notizblockbuch— überreichte ſpäter König Humbert dem Miniſterpräſidenten Criſpi, der es im Parlament verleſen durfte. *Genna, 10. März,.15 N. Die Unter⸗ redung des Kaiſers Friedrich und des Königs Hum⸗ bert auf dem Bahnhof von Sampier d Arena dauerte 15 Minuten. König Humbert unterdrückte nur mit Mühe die Thränen. Er war ſchmerzlichſt da von berührt, daß der Kaiſer kein Wort ſprach. Die Kaiſerin ver doll⸗ metſchte zuweilen die Lippenbeweg⸗ ungen ihres Gemahls. Der König und ſein Gefolge fanden jedoch das Ausſehen des Kaiſers beſſer als ſie erwartet hatten, wiewohl ſie ſich über den Ernſt ſeines Leidens nicht hinwegtäuſchten. Berlin, 10. März. Die Kaiſerin⸗Wittwe iſt aufs tiefſte niedergeſchlagen, doch iſt bewunderns⸗ werth, zu ſehen, mit welch demüthiger Ergebung die körperlich ſo außerordentlich leidende hohe Frau das Schickſal, das ſie ſo ſchwer betroffen hat, er⸗ trägt. Die genaue Zeit der Ankunft des Kaiſers und der Kaiſerin in Charlottenburg, die keines⸗ falls vor 8 Uhr ſtattfinden wird, wird vorerſt noch geheim gehalten, da der Kaiſer bei ſeiner Ankunft Niemanden zu empfangen noch zu ſprechen wünſcht. *Berlin, 10 März, 10 U. 15 M. Nachm. Die Leiche des Kaiſers Wilhelm iſt heute Nachmittag ſecirt worden. *Berlin, 10. März. Kaiſer Friedrich hat alle Mitglieder des Miniſteriums auf morgen Sonntag Nachmittag 5 Uhr nach Leipzig be⸗ fohlen. Die Ueberführung der Leiche des Kaiſers Wilhelm nach dem Dom wird Montag oder Dienſtag erfolgen. Die öffentliche Aufbahrung fin⸗ det an den drei folgenden Tagen, die Beiſetzung am Freitag oder Samſtag der kommenden Woche ſtatt. * Berlin, 10. März. Das Befinden des Reichskanzlers iſt leidlich. Er iſt zwar ſehr nieder⸗ geſchlagen und abgemattet, doch hält er ſich mit voller Thatkraft aufrecht. *Berlin, 10. März. Heute Nachmittag iſt die Vereidigung der Truppen erfolgt. *München, 10. März. 8 Uhr Vormittags. (Telegramm.) Kaiſer Friedrich hat Abends gegen 10 Uhr die italieniſche Grenze bei Ala überſchritten, iſt um halb ſieben Uhr bei Kufſtein auf deutſches Gebiet angelangt und in wenigen Augenblicken wird der kaiſerliche Zug hier erwartet. Das Frühſtück wird im Wagen eingenommen, der Bahnhof iſt vollſtändig abgeſperrt und jeder Empfang ver⸗ beten. * Paris, 10. März. Ein Telegramm Kaiſer Friedrichs, welches das Beileidstelegramm des Prä⸗ ſidenten der Republik, Carnot, beantwortet, iſt ſehr herzlich gehalten. Der Kaiſer ſpricht ſeinen Dank für die ihm von zahlreichen Franzoſen bewieſene Sympathie und die Hoffnung auf eine herzliche Geſtaltung der Beziehungen beider Länder aus. Präſident Carnot wird ſich bei den Beſtattungs⸗ feierlichkeiten durch einen General nebſt Gefolge vertreten laſſen. Die Wahl der betreffenden Per⸗ ſönlichkeiten iſt noch nicht getroffen. Paris, 10. März. Unter den deutſchen Arbeitern in Faubourg du Temple, in Villete und Montrouge wird eine Geldſammlung zur Abſendung von Blumenkränzen nach Berlin veranſtaltet. Am Montag werden die deutſchen Arbeiter ſich in der Avenue des Gobelins verſammeln, um eine Adreſſe an den neuen deutſchen Kaiſer zu entwerfen. *Paris, 10. März, 7 U. 18 M. Nachm. Sarrien theilte dem Miniſterrath mit, daß er die Kolporteure von Karrikaturen auf den To d des Kaiſers Wilhelm habe verhaften und die Blätter, ſowie eine fingirte beleidigende Todes⸗ anzeige, die auf den Boulevard verbreitet wurde, habe beſchlagnahmen laſſen. Ueber dreißig Kol⸗ vorteure ſind verhaftet. Auswärtige Preßſtimmen. *Wien, 10. März. Das„Fremdenblatt“ hebt hervor, daß des Fürſten Bismarck Reichstagsrede eine denkwürdige Leiſtung ſei, die, aus dem Kern des einfachen deutſchen Weſens, ein hervorleuchtendes Bild des verblichenen Kaiſers eindrucksvoller für alle Zeiten in den deutſchen Gemüthern einprägen werde, als jedes Denkmal es könnte. Die Rede ſei eine mächtige Kundgebung des wahren National⸗ gedankens und der aus demſelben ſich ergebenden Pflichten. Von dem neuen Kaiſer erwarte man mit Recht, daß er an der großen Aufgabe Deutſchlands, den Frieden Europas zu bewahren, unentwegt feſt⸗ halten und jede frevelhafte Störung zurückweiſen werde. — Die„Neue Freie Preſſe“ ſagt, das Teſtament des ſeligen Kaiſers, ſowie das Programm ſeines Sohnes, des jetzigen Kaiſers, beſtehe darin, daß die Nationalpolitik des deutſchen Volkes eine Frie⸗ denspolitik ſei. Dieſer Gedanke eröffne durchaus tröſtliche Ausſichten. Die Worte des Fürſten Bis⸗ marck im Reichstage dürften wohl in dem Sinne gedeutet werden, daß auch das Bündniß zwiſchen Deutſchland und Oeſterreich zu jenen Fundamenten gehöre, welche durch keinen Perſonenwechſel berührt werden.— Die„Preſſe“ verweiſt auf die würdige Ruhe, mit welcher ſich die Thronfolge vollziehe. Kaiſer Friedrich bringe die Kraft und Treue ſeines Vaters mit und ſo ſehe das deutſche Volk einer ſehr würdigen Zukunft entgegen.— Die„Deutſche Zeitung“ ſagt: Oeſterreich und Deutſchland werden auch künftig gegen alle Ränke und Gefahren im innigen Bunde zuſammenſtehen. * Rom, 10. März. In einem ſchwungvollen Leitartikel feiert die„Riforma“ den Kaiſer Friedrich. Das Blatt ſagt, in dieſen Tagen ſei Deutſchland einiger, als in den Tagen des Tri⸗ umphes; Niemand wage es anzugreifen. Deutſch⸗ lands Einheit werde keinen Wechſelfällen des Schick⸗ ſals unterworfen ſein, ſeine Stärke liege in ſeiner moraliſchen Kraft. Der Name des neuen Kaſſers bürge für den Frieden. Aehnlich ſprechen ſich faſt alle Blättter aus. London, 10. März. Von den Morgen⸗ blättern erſcheinen die„Times“ und der„Daily Telegraph“ ſchwarzumrändert. Die„Times“ bringt achtzehn Spalten Telegramme über den Trauerfall und eine Biographie des Kaiſers. Sie ſagt im Leitartikel: Der Kaiſer unternahm zwei Feld⸗ züge, welche den Lauf der Geſchichte auf Genera⸗ tionen änderten, Deutſchland einigten, Italten regenerirten. Ungarn emancipirten, Oeſterreich dem liberalen Fortſchritte wiedergaben, Frankreich abſetzten, die napoleoniſchen Ideen ſprengten, Euro⸗ pas Mächten unter ſich einen 18jährigen Frieden gaben und nicht allein das Vertrauen auf die deutſche Friedensliebe kräftigten, ſondern auch Deutſchlands Kraft, den Frieden zu bewahren, ſo ſtärkten, daß ſelbſt des Kaiſers Tod den Frieden nicht mehr er⸗ ſchüttern kann.— Der„Daily Telegraph“, der bekanntlich ſehr deutſchfreundlich geſinnt iſt, ſchreibt am begeiſtertſten und feiert den Kaiſer als den Wiederherſteller des alten Ideals der Monarchie im edelſten, reinſten und wohlthätigſten Sinne. Verantwortlich: J ulius Katz. Druck und Verlag der Dr. H. Hags' ſchen Buch⸗ druckerei in Mannheim.