In der Poſtliſte ein unter Badiſche Boltszeitung.) Nr. 2429 Abonnement: 50 Pfg. monatlich. Bringerlohn 10 Pfg. monatlich, durch die Poſt bez. inel. Poſtauf⸗ ſchlag M..90 pro Qnartal. Inſerate: Die Colonel⸗Zeile 20 Pfg. Die Reklamen⸗Zeile 60 Pfg. Einzel⸗Nummern 3 Pfg. Doppel⸗Nummern 5 Pfg. der Stadt Maunheim und Umgebung. annheimer Journal. Amts, und Kr (102. Jahrgang.) Erſcheint wöchentlich ſieben Mal. eisverkündigungsblatt (Mannheimer Volksblatt.) „Jonraal Naunheim.“ Berantwortlich: für den politiſchen u. allg. Wenl; Chef⸗Redakteur Dr. Hamel, für den lokalen und prov. Theil: 925 15 er, für den eratentheil: Karl Apfel. Wotationsdruck und Berfag der Dr. H. Hass'ſchen Buch⸗ druckerei, (Das„Naunheimer Jonenal in Sisenthum des 4als liſen Bürgerhoſpitals.) ſämmtlich in Nanndeim. Nr. 210.(Celephon⸗Ar. 218.) Der Weiſe von Darzin. Mannheim, 2. Auguſt 1892. Man hat bisher geſagt, Fürſt Bismarck habe Deutſchland in den Sattel geholfen, reiten müſſe es nun von ſelber lernen. Dies Wort wird man von jetzt ab ändern muſſen. Die letzten an politiſchen Gedanken reichen Reden des Fürſten in Kiſſingen und Jena lehren über⸗ zeugend, daß der Fürſt dem edlen Roſſe Politik, auf dem das Reich bisher nur mangelhaft ſattelfeſt geworden, die nechten Gangarten beizubringen ſucht. Aus der Fülle der Erfahrungen einer fünfzigjährigen politiſchen Thätigkeit lehrt der Fürſt die Deutſchen, was ſie thun müſſen, um zu einem wirklich nicht blos dem Schein nach konſtitutionellen Staatsweſen und zu einer weſentlich nationalen Politik zu gelangen. Die Betrachtungen, die er über das Partei⸗ weſen anſtellt, ſind durchweg zutreffend, ſind goldene Worte. Wir werden den reiflich überlegten Bemerkungen und Andeutungen des Alt⸗Reichskanzlers in folgenden Nummern dieſes Blattes noch öfter Betrachtungen wismen. Sie verdienen und heiſchen eine tiefere Würdigung, weil ſie das Haupthinderniß einer erfolgreichen inner⸗ politiſchen Entwicklung Deutſchlands mit klaren Worten barlegen: Die Zerriſſenheit des Reichstags in mehr oder minder ohnmächtige Fraktionen und Fraktiönchen, gegen⸗ uͤber der Hauptgefahr für das Reich, der Centrums⸗ politik; den noch viel zu ſchwach entwickelten Sinn für wahren allen abſolutiſtiſchen Velleitäten kraftvoll wider⸗ ſtrebenden Conſtitutionalſsmus und den Mangel an einer wirklich nationalpolitiſchen Auffaſſung vieler wichtigeren Fragen. In allen dieſen Dingen tritt Fürſt Bismarck nunmehr als eigentlicher Lehrer und Berather der Nation auf. Offenbar hat er die Richtigkeit ſeiner jetzigen Lehren an ſeinem eigenen Wirken und an ſeinen eigenen zum Theil trüben Erfahrungen erprobt und mit dem Muthe des tüchtigen Charakters fürchtet er ſich nicht davor, daß ihn ſeine Feinde in dieſem und jenem Punkte mit ſeiner eigenen früheren Praxis im Widerſpruch befindlich hinſtellen können. Für die Wahrheit— das ſollten die Gegner bedenken— iſt es übrigens gleichgiltig, wer ſie ſagt und auf welchem Wege und durch welche Irrthümer pilgernd man zu ihr gelangt; ſie bleibt darum doch wahr. Der greiſe Fürſt aber gibt in ſeinen Andeutungen und Lehren Beweiſe einer ſeltenen geiſtigen Friſche und Anpaſſungs⸗ fähigkeit auch noch im hohen Alter. Denn zu manchem von dem, was er ſagt, iſt er offenbar jetzt erſt als zu dem Ergebniß der Etfahrungen und des Nachdenkens be⸗ ſonders ſeiner letzten Jahre gelangt. Fürſt Bis marck zeigt damit auch deutlich, daß ſein perſön⸗ liches Werk noch nicht beendet iſt; daß er immer noch genug am Reichsbau mitzuſchaffen und in vieler Hinſicht ſogar erſt noch die Direktive zu geben hat. So wird er zum Lehrer und Weiſen für die Nation, nach⸗ dem er ihr Lenker geweſen. Und lehrend, das iſt ganz unleugbar, lernt er; manches Wort, manche Aeußerung wäre noch vor wenigen Jahren in ſeinem Munde un⸗ möglich geweſen. Um ſo höher ſind ſeine Betrachtungen und Weiſungen zu ſchätzen; ſie können zu einem Kanon für die Entwicklung der Nation zu politiſcher Reife werden, und ſollten ſich in der Gegenwart die Männer nicht finden, die geeignet ſind, jener hohen nationalen Richtſchnur handelnd und ſchaffend zu folgen, ſo wird die kommende Zeit in den Lehren des Weiſen von Varzin die einzig richtigen und zu erreichenden nationalpolitiſchen Ziele erblicken. Wir verweiſen zunächſt noch auf die inhaltsſchweren Worte der Rede, die der Fürſt in Jena gehalten und die wir im Nachfolgenden abdrucken. —————— Aeber Ffürſt gismarcks Aufenthalt in Jena entnehmen wir der Nat.⸗Z1g. noch folgende Mittheilungen: Als am erſten Abend gegen 11 Uhr das Hochrufen noch nicht verſtummte, trat Fürſt Bismarck wieder heraus und bat freundlich, die Rufe einzuſtellen.„Wenn Sie mal 78 Jahr alt ſind, werden Sie auch Ihren Schlaf nöthig gebrauchen. Alſo gute Nacht!“„Gute Nacht, Durchlaucht!“ Und von jetzt an lag der„Bär“ im tiefſten Schweigen.— Als man am andern Morgen um 9 uhr ins Veſtibül trat, war noch auf großem Plakat zu leſen:„Ruhe für den Fürſten Bismarck!“ Aber ein hübſches kleines Mädchen von etwa 12 Jahren kam mit ſeligem Antlitz die Treppe herab. Es hatte dem Fürſten einen Strauß zum Morgengruß gebracht und einen Kuß Geleſenſte und verbreitetſte Zeitung in Man dafür erhalten.„Das werde ich wahrſcheinlich nie ver⸗ geſſen,“ ſagte das Kind zu den wartenden Eltern. Um 10 Uhr brachte die Kurrende dem Fürſten ein Ständchen, darauf bis 11 Uhr der Geſangverein. Beiden wurde vom Balkon herab vom Fürſten gedankt. Um 12 Uhr fand Kommers auf dem Marktplatz ſtatt. Unter dem ſtattlichen erhöhten Zelt fanden ſich die geſammte fürſtliche Familie und Begleitung, das Feſteomits und alle Profeſſoren zuſammen. Im Uebrigen waren auf dem Platz, auf dem für etwa 5000 Perſonen Sitz⸗ gelegenheit hergerichtet war, wohl 20,000 Menſchen zu⸗ ſammengekeilt, die nicht gerechnet, die alle Fenſter ſäumten, die alle Dächer bedeckten. Die erſte Anſprache hielt Bürgermeiſter Singer.„Sie haben geſtern dieſen Boden klaſſiſch genannt,“ ſagte er, zum Fürſten gewendet,„von jetzt an iſt er hiſtoriſch. Noch in ſpäter Zeit wird man ſagen: Hier weilte Bismarck.“ Er ſchloß mit einem Hoch auf den Furſten, das dröhnend widerklang. Nun folgte der Vertreter der Studentenſchaft, der einen Salamander zu Ehren Bismarcks kommandirte. Als ein gewaltiges Nachklappen anhub— wohlverzeihlich bei der ungeheuern Zahl der Reibenden— lachte der Fürſt herzlich. Es wurde ihm nun ein Prachtexemplar von einem„Ziegenhainer“ überreicht. Außerdem ein „Lichtenhainer Kännchen“ und eine mächtige, inſchrift⸗ gezierte Studentenpfeife. Profeſſor Häckel war der Bringer dieſer letzteren. Darauf ſprach der Vertreter der Städte und überreichte ein prächtiges Blumenarrange⸗ ment aus Erfurt. Nun erhob ſich der Fürſt zu einer etwa halbſtündigen Rede: „Meine verehrten Mitbürger vom Thüringer Lande. An Thüringen knüpfen ſich für mich die mannigfachſten Erinner⸗ ungen. Hier babe ich, ein Kind des nordiſchen Flachlandes, zuerſt Felſen, Berge, Burgen geſehen. Hier habe ich zuerſt den Reiz geſchichtlicher Erinnerungen kennen gelernt. Der Name„Jena“ war mir, dem Sohn einer preußiſchen Militär⸗ familie, von Haus aus ſchmerzlich. Erſt ſpäter habe ich ein⸗ geſehen, welchen Ring in der hiſtoriſchen Kette er bedeutet. Mein Herz kann ſich bei dieſer Erinnerung nicht freuen, aber mein Verſtand ſagt mir: ohne Jena kein Sedan. 1832 habe ich die Univerſität bezogen, mehr burſchenſchaftlich als lands⸗ mannſchaftlich geſinnt. Aber das Jahr 48 hat mich doch mit tiefer Bitterkeit erfüllt. Auch auf dem Erfurter Parlament war die deutſche Einheit noch nicht reif. Man mußte dem lieben Gott Zeit laſſen, die Deutſchen durch die Wüſte zu führen nach dem gelobten Land, in dem wir uns jetzt zu be⸗ finden glauben. Wir wollen keine weiteren Kriege führen, nur Ungeſchick könnte heute einen Krieg ver⸗ anlaſſen. Kabinetskriege gehören dem vorigen Jahrhundert an. Die Nation, die ſich heute dazu zwingen ließe, hätte nicht die richtige Verfaſſung. Die Konſolidirung im Innern liegt uns heute näher. Fertig iſt die Aufgabe nicht. Wir brauchen ein ſtarkes Parlament, aber ein Parlament kann nicht ſtark ſein, wenn es von Parteien zerriſſen iſt, wenn der Fraktions⸗ gandel blüht, die do-ut-des-Politik. Wir müſſen nationale Politik treiben. Darum brauchen wir eine nationale Volksvertretung. Keine Fraktion kann allein herrſchen. Namentlich nicht das Centrum. Unſere katholiſchen Landsleute wollen ſich ung bhängig machen und leiſten ihm darum Heeresfolge. Es wäre vortheilbafter, im nationalen Intereſſe, direkt mit dem Papſt zu verkehren oder mit einem von ihm eingeſetzten Nuntius, denn das Centrum iſt gefägrlicher als irgend ein Nuntius ſein könnte. Eines ſollten wir vom Centrum lernen: die Disziplin, das Zuſammenwirken zu einem Zweck. Die verſchiedenſten Politiker innerhalb der Partei— alle wirken zuſammen, wo es heißt: für die Kirche. Wir haben keine nationale Kirche, aber könnte der nationgle Gedanke nicht das Heiligthum ſein, um das ſich alle Parteien ſchaaren? Jede Frage ſollte darauf geprüft werden, ob ſie national, wie im Centrum, ob ſie kirch⸗ ich iſt. Vom Feinde ſoll man lernen. Und das Centrum balte ich nach wie vor für einen Jeind des Reichs. Wenn die Regierung ibre leitenden Männer dem Centrum entnähme, ſo wäre das ein Unglück und eine Gefahr für das Reich. Wenn man mir vorwirft, ich hätte antimonarchiſche Tendenzen, ſo verweiſe ich auf die Verfaſſung, die eine Kritik der Räthe der Krone voll zuge⸗ ſteht. Ich verweiſe an dieſer Stelle auch auf Goethe und ſeinen Götz von Berlichingen, der ein durchaus kaiſertreuer Mann iſt, aber zu dem kaiſerlichen Rathe ſpricht:„Trügſt Du nicht das Abbild kaiſerlicher Majeſtät am Hals, das ich auch im geſudelten Konterfei noch verehre, Du ſollteſt Bismarck deutete mit einer Handbewegung das Ende des Citats an und fuhr dann fort: und zu dem abgeſandten Com⸗ miſſar ſpricht er noch bezeichnendere und zu weit größerer Berühmtheit gelangte Worte. Alſo man kann ein treuer An⸗ hänger ſeiner Majeſtät ſein und braucht doch nicht allen— „Kommiſſaren“ beizupflichten. Ich thue das nicht und werde nie ſchweigen, wo ich Reden für meine Pflicht halte.“ Nach dieſer Rede brach ein endloſer, ſich immer wiederholender Beifallsſturm aus. Das war der Höhe⸗ punkt des Tages. Was nun noch folgte: Bismarck's Rundgang durch die auf dem Platz verſammelte Menge, inmitten einer Studenteneskorte mit gezogenen Schlägern, das große Frühſtück im„Bären“, bei dem Profeſſor Delbrück das Hoch auf den Fürſten ausbrachte, Fürſt Bismarck als Erwiderung auf die Damen toaſtete und nheim und Amgebung. Mittwoch, 3. Auguſt 1892. Profeſſor Häckel's witzige und mit hinreißender Luſtig⸗ keit vorgetragene Tiſchrede, in der er den Fürſten Bis⸗ marck zum Ehrendoktor der philogenetiſchen Fakultät, der Fakultät der Stammesgeſchichte, die nur in Jena exiſtirt, aber bis heute kein Doktorat hat, ernennen ließ— es würde zu weit führen, dies Alles noch ausfuͤhrlich zu berichten. — Politiſche Ueberſicht. Mannheim, 2. Aug. Um die Behauptung der „Hamb. Nachr.“ zu entkräften, daß Graf Caprivi im März 1890 der Candidat des Centrums fuͤr den Reichskanzlerpoſten geweſen ſei, berichtet die „Freiſ. Ztg.“ Folgendes:„Caprivis Name iſt bei einer ganz anderen Gelegenheit genannt worden. Im Jahre 1888 iſt bei dem zweimaligen Thronwechſel in vielen Kreiſen von der Möglichkeit geſprochen worden, Bismarck könne abgehen; ſo auch im Frühjahr 1888 eines Tages im Foyer des Reichstages. Dabei wurde erklärlicher Weiſe die weitere Frage erörtert, wer wohl den Kanzler⸗ poſten übernehmen könne. Windthorſt, der ſich an dieſer Unterhaltung betheiligte, ſagte, es müſſe ein General ſein, und nach einigem Ueberlegen nannte er Caprivi, der auch um deswillen ſich eigne, weil er in parlamentariſchen Formen gewandt und beim Reichstage von der Zeit, da er Staatsſekretär der Marine war, wohlgelitten ſei.“ Ferner hat der Centrumsabgeordnete Dr. Lieber in ſeiner neulichen Rede in Neiſſe u. A. geäußert:„Die Aufgabe Windthorſts beſtand darin, dem herrſchgewaltigen Manne(Bismarck) gegegenüber die geſammte Kraft katholiſchen Wollens und Könnens in einem Einzigen zu verkörpern.“ Die„Hamb. Nachr.“ ziehen aus dieſen Zeugniſſen den Schluß, daß der 1890 erfolgte Kanzlerwechſel ein ſeit Jahren von Windthorſt und dem Centrum erſtrebtes Ziel geweſen iſt, das in erſter Linie in der Beſeitigung des Fürſten Bismarck, in zweiter Linte in deſſen Erſetzung durch den dem Centrum genehmen General von Caprivi beſtand: „Der Umſchwung im März 1890 erſcheint dadurch geſchichtlich mehr im Lichte einer ſiegreichen Centrumsaktion, und es iſt wohl anzunehmen, daß allmählich immer mehr Indizien darüber geſammelt werden, eine wie große Rolle bei der Beſeitigung des alten Kanzlers und des alten Kurſes das Centrum unter den hierzu vereinigten Kräften geſpielt hat.“ Die weſentliche Gefahr, die von der Vorherrſchaft des Centrums droht, erblickt das Kanzlerblatt nicht ſowohl in den inneren deutſchen Angelegenheiten, als in der Behandlung der polniſchen Frage.„Daß unſere Be⸗ fürchtung keine unbegründete iſt, haben die Ergebniſſe des neuen Kurſes bei Behandlung der polniſchen Frage bis nach Oberſchleſten hinein uns gezeigt.“ Zur Frage der Berliner Weltausſtellung bemerken die„Ham b. Nachr.“:„Unſerer Anſicht nach wird der Erfolg der Ausſtellung weſentlich von dem Ge⸗ ſchick und der Energie der leitenden Kräfte bei uns ab⸗ haͤngen. Wenn dieſe dieſelben ſein ſollten, die wir bei den Handels verträgen am Werk geſehen haben, ſo drängen ſich uns Zweifel auf. Aber wer weiß, welche Leute wir in mehreren Jahren an der Spitze haben; ſchlimmer als jetzt kann es in dieſer Bezieh⸗ ung kaum werden. In anderen Ländern, nament⸗ lich in Frankreich und England, hängt das Schickſal eines Unternehmens, wie eine Weltausſtellung iſt, nicht entfernt in dem Maße von der Regierung ab, wie bei uns. Für Frankreich zum Beiſpiel iſt der Vortheil von Paris allein entſcheidend. Wenn Paris zufrieden iſt, iſt es das Land auch. Paris hat keine Oppoſttion zu erwarten. Alles was Paris in ſolchen Dingen vorſchlägt, gewinnt ſofort einen nationalen Charakter und reißt alle Franzoſen mit ſich fort. Das iſt in Deutſchland bezüglich Berlins in keiner Weiſe der Fall. Bei uns iſt die Haltung der Regierung für den Erfolg aus⸗ ſchlaggebend. Haben wir eine kümmerliche Re⸗ gierung, ſo wird die Weltausſtellung ſicher mißlingen; aber freilich wird auch beint Vorhandenſein einer ener⸗ giſchen das Gelingen ſehr viel mehr Schwierigkeiten, als in Frankreich unterworfen ſein.“ Eine„entſcheidende Stunde“ iſt nach der „Germania“ gekommen. Sie ſchreibt: Hie Kaiſer— bie Bismarck iſt ein Kampfesruf ge⸗ worden; rein und unverfälſcht handelt es ſich zunächſt nur um dieſen Gegenſaz Der Mann von Friedrichsruh, der ſelbſt dem alten Kaiſer Wilvelm, der ihm ſo weithin nachgab, ſo bittere Stunden und Demütbigung bereitete(wir erinnern z. B. an die Titelfrage von Gruners) will jetzt den Enkel des⸗ 2. Seite. SGeneral⸗Anzeiger. Mannheim, 3. Auguſt. ſelben ganz und zar unter die Füße krelen. Bismarcks ganzes Treiben hat keinen anderen Sinn mehr, als den Kaiſer öffent⸗ lich, vor der ganzen Welt, unter den Willen Bismarcks zu zwingen. Und durch irgendwelche moraliſche Skrupel wegen der Herabſetzung der uns ſo nothwendigen ſtarken Monarchie oder gar wegen des Gefühls der Pietät vor der Monarchie und dem Erben ſo vieler Könige wird ja der Mann nicht zurückgehalten, deſſen Egoismus maßlos iſt und der durch unbändige Herrſchſucht und Eitelkeit verzehrt wird. Die „Triumphreiſe“ geht ja jetzt zu Ende. Wir möchten die Hoff⸗ nung noch nicht ganz aufgeben, obgleich ſie gering iſt, daß Bismarck ſelbſt wenigſtens noch ſo viel Selbſtbeherrſchung be⸗ ſitzt, jetzt zu erkennen, was recht und gut iſt. Sonſt muß es ihm beigebracht werden. Pfeifen und Ziſchen auf Straßen und Plätzen iſt ebenſo erlaubt, als Hoch⸗ und Hurrabrufen, und das deutſche Volk darf nicht dulden, daß ſchwache Ge⸗ müther in Deutſchland irre geführt werden und das Ausland, zum Schaden von Deutſchlands Anſehen und dadurch zum Schaden von Deutſchlands Machtſtellung und Sicherheit, eine ſalſche Meinung erhält über die Volksſtimmung in Deutſch⸗ land bei dem Streitruf: Hie Kaiſer— hie Bismarck! Jeder hat da von jetzt ab klar und entſchieden Stellung zu nehmen, und aus dieſer Stellung wird ſich ergeben, ob er Monar⸗ chiſt und Patriot iſt! Unſeres Erachtens dürfte, wie wir zu obigem Artikel bemerken müſſen, die öffentliche Meinung in Deutſchland darin übereinſtimmen, daß die„Germantia“ nach ihrer ganzen Vergangenheit und Gegenwart am allerwenigſten dazu berufen iſt, ſich als Wortführerin des deutſchen Patriotismus und als Vorkämpferin für Kaiſer und Reich aufzuſpielen. Was auß ihrem Erguſſe ſpricht, iſt ledig⸗ lich ihr fanatiſcher Bismarckhaß, der ſich in ſchamloſeſter Weiſe zu äußern pflegt. Der Millionendieb Jäger vor der Strafkammer. Vor der Strafkammer des Landgerichts zu Frankfurt beginnt heute die Verhandlung gegen den früßeren Haupt⸗ kaſſierer des Bankbauſes M. A. von Rothſchild& Söhne, Rudolf Jäger von dort, Mitangeklagt find die Geliebte des Hauptangeklagten, Joſephine Klotz von dort, der Ober⸗ Telegrappenaffilent Peter Müngersdorff von Linersdorf bei Köln, der CTollecteur für das Wiesbadener Rettungshaus Karl Guſtavr Vogt von Hirſchberg in Schleſien, der Eier⸗ händler Heinrich Henſel von Frankfurt, die Ehefrau Jäger, deren Eltern, die Eheleute Clemens, ſämmtlich von dort, das Dienſtmädchen Käthchen Meſſer, deſſen Zwillings⸗ ſchweſter und Schwager, die Eheleute Meſſer von Hofheim am Taunus, die Geſellſchafterin Conſtanze Ochs, der frühere Buchhalter im Hauſe Rothſchild, Fr. Adolf Gerloff, deſſen Mutter die Wittwe Gerloff und endlich deren Tochter, die Clavierlehrerin Charlotte Gerloff, ſämmtlich von Frank⸗ furt. Alle Angeklagten, mit Ausnahme des Collecteurs Vogt und der Wittwe Gerloff, beſitzen Vermögen, ſämmtlich ſind ſie, mit Ausnahme des Cierhändlers Henſel, der wegen Khrperverletzung mit 6 Wochen Gefängniß vorbeſtraft iſt, un⸗ beſtraft. Der Hauptbeſchuldigte Jäger iſt angeklagt der Unter⸗ ſchlagung aus 88 246, 274 Strafgeſetzbuch, der Urkunden⸗ fälſchung aus 89 267, 268 1 Strafgeſetzbuch und der Vernich⸗ tung von Urkunden aus 8 2741 Strafgeſetzbuch, die Uebrigen ſämmtlich der Begünſtigung und Hehlerei aus 88 257, 258, 250 Strafgeſetzbuch. Von der Staatsanwaltſchaft ſind 25 Zeugen und ein Sachverſtändiger geladen und für die Ver⸗ handlung find drei Tage feſtgeſetzt. Unſere Leſer werden ſich noch des ungeheuren Aufſehens erinnern, als es wenige Tage nach dem Oſterfeſt bekannt wurde, daß im Bankhauſe M. A. v. Rothſchild& Söhne in Frankfurt a. M. die Summe von.700,000 M. unterſchlagen worden, der Thäter, der Hauptkaſſierer Jäger, deſſen Vater ſchon die gleiche Stellung bekleidet hatte, verſchwunden ſei und nach einem von Darmſtadt eingelaufenen Briefe an⸗ ſcheinend Selbſtmord begangen habe. In Frankfurt, wo es bekannt war, daß Defraudationen im Hauſe Rothſchild nicht zu den Seltenheiten gehörten, wenn auch darüber nie etwas in die große Oeffentlichkeit gelangte, war das Erſtaunen nicht ſo groß geweſen und, wenn man auch die That verdammte, ſo verhehlte man doch nicht eine gewiſſe Schadenfreude, daß das Welthaus, welches ſeine Beamten bekanntlich ſehr ſchlecht bezahlt, einmal ordentlich„hineingelegt“ worden ſei. Der Defraudant Jäger hatte als erſter Kaſſierer ein Fixum von 4500., ferner 343 M. für die Führung des Privatbuchs des Barons Willy und deſſen verſtorbenen Bruders, des früheren Reichstaasabgeordneten Meyer Karl v. Rothſchild, ein Mancogeld von 240 M. einen Gewinnantheil, der in den letzten Jahren etwa 1000 M. betragen batte, und eine Neu⸗ jahrs⸗Gratifikation von ſage und icreide ſechszig Mark, Alles in Allem alſo etwas über 6000 M. bezogen, für den Haupt⸗ kaſſterer des Welthauſes Rythſchild alſo gewiß nicht zu viel. Der Volkswitz bemächtigte ſich denn auch ſehr bald dieſer Sache; als es ſich um die Beſoldungsfrage des Nachfolgers des Defraudanten gehandelt und der Chef des Hauſes einen Freund gefragt hatte, ob er ſeinem neuen Kaſſierer ſechs⸗ oder ſiebentauſend Mark feſtes Gehalt geben ſolle, habe dieſer ge⸗ ſagt:„Herr Baron, geben Sie Acht!“ Der Angeklagte aber hat, wenn er auch ein„keines Liebesverhältniß“ mit der Joſephine Klotz unterhalten, keines⸗ weas über ſeine Verhältniſſe gelebt, wenigſtens iſt ihm das Gegentheil nicht nachgewieſen, die Klotz hat von ihm einmal für eine Badereiſe nach Langenſchwalbach 250., dann noch 20 M. und ſpäter noch 100 M. erhalten, mit ſeinem Gehalt iſt er ausgekommen, und ſeine Verhältniſſe waren geordnet. Was aber, ſo fragen wir, hat ihn, den jahrelang pflichtge⸗ treuen Beamten, veranlaßt, durch einen kühnen Griff in die ibm anvertraute Kaſſe ſein„Glück“ zu corrigiren“? Wer den Fall obiectiv beurtheilt und den Gang der Vorunterſuchung kennt, wird die Antwort leicht finden: Der Eierhändler Henſel war es, der ſein„böſer Geiſt“ geweſen, der ihm die Veran⸗ laſſung gegeben, vom rechten Pfad abzuweichen, der mit immer neuen Anforderungen an ihn herangetreten war, und dem er nach und nach im Verlauf von etwa 2 Jahren eine halbe Million Mark gegeben hatte. Wie dies gekommen, möoͤge aus folgendem Thatbeſtand erhellen: Jäger war im Jahre 1879 mit der Geflügelmäſterei von Weck und Stockmever in Born⸗ heim-Frankfurk in Geſchäftsverbindung getreten und hatte aus eigenem Bermögen 10,000 M. eingeſchoſſen. An Stelle Wecks war ſpäter Henſel eingetreten, die Geflügelmäſterei, welche nicht glückte, war in ein Eiergeſchäft umgewandelt worden; ſpäter erfolgte guch der Austritt Stockmeyers, worauf Henſel der Schuldner Jägers wurde. Jäger gab nach und nach aus dem von ihm verwalteten Vermögen ſeiner Mutter und Geſchwiſter ohne deren Kennkniß dem Henſel Summen von 500 M. bis 5000., ſodaß im Jahre 1888/89 die Schuld Henſels 102,000 M. betragen hatte. Dann erſt griff er, um Henſels weitere Anſprüche zu befriedigen, Rothſchildſche Gelder an, und zwar anfänglich in der Art, daß er Henſel Geld auf Checks gab, die von einem gewiſſen Reiners auf die hieſige Gewerbekaſſe gezogen und einige Tage vordatirt waren. Ein Jahr lang wurden dieſe Checks auch prompt honorirt, dann aber wurden ſie nicht mehr eingelöſt, worauf Jäger dem Henſel auf deſſen bloßen Gutſchein größere Summen von .—25000 M. gab, bis die Schuld Henſels am 31. Dezember 1891 auf 410,000 M. angewachſen war Wie hat es nun Käner fertig gebracht, dieſes Manko in ſeiner Kaſſe jahrelang zu verdecken? Jäger gidt in einem an den Privatſekrefär des Barons Willy v. Rothſchild, Herrn Jean Kirch, gerichteten eingeſchriebenen Briefe, welchen er nach ſeiner Flucht am 24. April durch den mitangeklagten Collecteur Vogt an denſelben von Darmſtadt aus hatte aufgeben laſſen, ſelbſt die Aufklärung, indem er ſchreibt:„Ich kann Ihnen zu Ihrer Richtſchnur nur ſagen, daß ich infolge von nicht eingeſchriebenen weißen Checks in dem von mir geführten rothen Buche gegenüber dem Gegenbüchelchen der Reichsbank einen im obigen Betrag zu hohen Saldo habe. Wenn Sie die beiden Bücher nach den ausgeſtellten Checks vergleichen, werden Sie finden, wie die Sache liegt.“ Die Caſſenreviſionen waren ihm ſtets vor⸗ her angeſagt worden, er konnte daher durch Schiebungen in den Büchern rechtzeitig dafür Sorge tragen, daß bei der Repiſion ſeine Caſſe intact war, Nur bei der letzten am 3. Januar d. J. vorgenommenen Reviſion war ihm dies nicht möglich, weil die Bücher kurz vorher am 31. Dezember abge⸗ ſchloſſen waren. Da war ihm das Mißgeſchick paſſirt, daß er 100,000 M. zu viel in der Caſſe hatte, was die Reviſoren, zwei Beamte des Rothſchildſchen Bankhauſes, auf einen Additionsfehler zurückführten. Jäger batte nämlich gegen einen Bon aus der Couponkaſſe 300,000 M. entnommen, das Couponcaſſenconto aber in ſeinem früheren vollen Betrage in ſeiner Aufſtellung beſtehen laſſen; den der Couponcaſſe ent⸗ nommenen Betrag von 300,000 M. zählte er dem Caſſen⸗Saldo zu und hatte ſomit einen Ueberſchuß von 600,000., während das Manco damals nur etwa 500,000 M. betragen! Um dem Henſel nun gründlich aufzubelfen, gab er dieſem noch durch deſſen Schwiegerſohn, Herrn Lehrer Zeiſing, an jenem Tage in verſchloſſenem Couvert weitere 90,000., ſo daß alſo Henſel die halbe Million voll hatte. Seit der Re⸗ viſion am 3. Januar d. J. ſcheint ihm endlich der Boden unter ſeinen Füßen zu heiß geworden zu ſein, er trug ſich mit Fluchtgedanken und brachte nach und nach noch 1,200,000 M. auf die Seite. Die Anklage wirft nun der Klotz vor, daß ſie von der beabſichtigten Flucht gewußt, daß ſie dieſelbe mit vor⸗ bereiten geholfen, indem ſie ſchon im März einen hieſigen Schreibmaterialienhändler, der mit Jäger Aehnlichkeit gehabt, um Ueberlaſſung eines Paſſes für einen geiſtesgeſtörten Ver⸗ wandten, der in eine Privat⸗Irrenanſtalt gebracht werden ſollte, gegen Vergütung von 300 M. angegangen habe, was dieſer jedoch ablehnte. Später ſoll ſie ſich in dem Geſchäft einen Atlas gekauft haben und ſich die Route nach Italien und Aegypten haben zeigen laſſen. Durch Hilfe Henſels ge⸗ lang es nun, den Obertelegraphen⸗Aſſiſtent Müngersdorff gegen Zahlung von 1200 M. zur Hergabe ſeines Paſſes, den dieſer für ſich und ſeine Frau hatte ausſtellen laſſen, zu bewegen unter der Vorgabe, daß es ſich um ein Liebesabenteuer eines Freundes von Henſel handele. Als alles zur Flucht vorbereitet war, benutzte Jäger die günſtige Zeit des jüdiſchen Peſachfeſtes, das mit den chriſt⸗ lichen Oſtern in dieſem Jahre faſt zuſammen gefallen war. Im Hauſe Rothſchild herrſcht nämlich der Brauch, daß an allen Sabbatgen und israelitiſchen Feiertagen das Geſchäft ſtreng geſchloſſen bleibt, und da Rothſchild faſt ausſchließlich chriſtliches Perſonal beſchäftigt, ſo wurde auch an den chriſt⸗ lichen Feiertagen wenig oder gar nicht gearbeitet. So kam es, datz das Rothſchild'ſche Geſchäft zu Oſtern faſt eine volle Woche mit geringer Unterbrechung geſchloſſen war und daß Jäger, welcher am Charfreitag Mittag von hier entflohen war, einen Vorſprung von—6 Tagen gewinnen konnte, in unſerer heu⸗ tigen Zeit genügend, um ſich in Sicherheit zu bringen, Das Reiſeziel und der Verſteck Jägers blieb wochenlang in Dunkel gehüllt, kein Menſch glaubte, daß Jäger jemals entdeckt werden könne, ſchien es doch ſo leicht, mit einer Million in der Taſche allen polizeilichen Nachſpürungen aus dem Wege zu gehen. Der Volkswitz batte auch die Flucht Jägers wieder hübſch gloſſirt. Fragte man nämlich zu jener Zeit einen Be⸗ kannten:„Was meinen Sie, wird Jäger über Hamburg, Bremen oder über den Gotthard durchgegangen ſein?“ ſo war man ſicher, zur Antwort zu erhalten:„Wo denken Sie hin, der Jäger iſt über— Peſach durchgegangen!“ Jäger war alſo am Charfreitag Mittag von hier abge⸗ reiſt, ſeine Geliebte, die Joſephine Klotz, welche ſich nach Heidelberg abgemeldet hatte, war ihm einen Tag nach Darm⸗ ſtadt vorausgereiſt, wo ſie im Eiſenbahnhotel als eine Frau Fiſcher aus Hamburg Wohnung genommen hatte. Kurz vor ſeinexr Flucht hatte Jäger die von ihm verwalteten Vermögen der Frau Grosmann, wofür er jährlich 700 Mk. und der Frau Dr. Hoch aus Kaſſel, wofür er jährlich 400 Mk. erhalten, ſowie ſeiner Mutter und Geſchwiſter und der beiden Schweſtern Ochs, deren Vermögensverwaltungen er unent⸗ geltlich beſorgt hatte, zurückgegeben. Das Vermögen der beiden Schweſtern Ochs hatte ſeiner Zeit 1920 Mk. betragen, bei der Heimzahlung gab er 5072 Mk. zurück und erklärte der Mitangeklagten Ochs auf Befragen, daß ihre Guatemala⸗ actien gezogen worden ſeien. Dann hatte er in ſeiner Wohnung 20,000 Mk. für ſeine Frau verſteckt, und dem mitangeklagten Dienſtmädchen Meſſer die Verſtecke— im Chriſtuskopfe im Sockel, in der Hausapotheke und in einer Blechdoſe im Zimmeraquarium— bezeichnet. Ferner hatte er dem Henſel, der, wie wir lnoch nachträglich bemerken wollen, in ſeinem hieſigen und Mainzer Geſchafte monatlich etwa 30—40.000 Mark umſetzte, trotzdem aber keine Bücher führte, noch 50,000 Mark gegeben, ſodaß dieſer alſo im ganzen 550,000 Mk, er⸗ balten batte, ſeinem Schwager hatte er als angeblichen Erb⸗ theil 50.000 Mk. geſchenkt, der Conſtanze Ochs eine Caſſette mit 100,000 Mk., wovon ſie 50,000 Mk. an ſeine Frau geben und 50,000 Mk. für ſich behalten ſollte, ſeiner Schwieger⸗ mutter, der mitangeklagte Clemens, 50,000 Mk., dem Käthchen Meſſer eine Caſſette mit 70,000 Mk., wovon 50,000 Mk. für Frau Jäger, 20,000 Mk. für Käthchen als Gratification für treue Dienſtleiſtung beſtimmt waren, ſeinem mitangeklagten Vetter Gerloff für ſich 100,000 Mk., deſſen Mutter und Schweſter 150,000 Mk. und der Klotz endlich 50,000 Mk. ein⸗ gehändigt Den Reſt mit etwa 550,000 Mk. behielt er für ſich. Nachdem er auf dieſe Weiſe ſein Haus beſtellt und für die Zukunft ſeiner Familie Sorge getragen hatte, löſte er von hier ein direktes Billet nach Marſeille, traf mit der Klotz in Darmſtadt zuſammen und fuhr am ſelben Abend 11 Uhr mit dem Courierzug über Baſel nach Marſeille. Um die Behörde auf eine falſche Spur zu lenken hatte er, wie bereits kurz erwähnt, durch den Collekteur Vogt, der dafür im Ganzen 220 Mk., und zwar 100 Mk. von Jäger und den Reſt von deſſen Frau erhalten, von Darmſtadt aus zwei Briefe auf⸗ geben laſſen. Der erſte, unterm 16. April aufgegebene, war an eine Bekannte, Frau Dr. Hoch in Kaſſel, gerichtet und von dieſer ſofort an das Rothſchildſche Bankhaus abgegeben worden. Der zweite, aus welchem wir oben bereits eine Stelle mitge⸗ theilt, war an den Privatſekretär 11 Jean Kirch adreſſirt, der Umſchlag war mit einem Trauerrand verſehen und ſchwarz geſiegelt, unter der Ueberſchrift befand ſich ein Kreuz. In dieſem Briefe ſchrieb Jäger, daß er in Folge von Börſen⸗ ſpekulationen in Frucht, zu welchen ihn ein falſcher, jetzt von Frankfurt verſchwundener Makler veranlaßt habe, im Laufe dieſes Jahres den Betrag von 1,700,000 M. verloren habe, natürlich nicht ſein Geld, ſondern ihm anvertrautes. Zugleich bat er, dem Chef des Bankhauſes ſeinen Wunſch auszu⸗ drücken:„Von dieſer Sache nichts in die Oeffentlichkeit ge⸗ langen zu laſſen im Intereſſe der Seinen, da es ja keinen Zweck habe. Das Geld ſei und bleibe verloren und der un⸗ glückliche Miſſethäter habe ſeine Schuld mit dem Tode be⸗ zahlt, allein von Gott noch Gnade erwartend.“ Es war klar, daß Jäger auf die bekannte Nachſicht ſeines Thefs gerechnet und ſich in dem Wahne gewiegt hatte, daß derſelbe ſeinen Verluſt verſchmerzen und die Sache vertuſchen würde. Wenn Herr Baron Willy v. Rothſchild hierzu viel⸗ leicht auch geneigt geweſen wäre, das Londoner Haus hätte es, abgeſehen davon, daß ſich bereits die Staatsanwaltſchaft der Sache bemächtigt hatte, nicht zugegeben, und es iſt That⸗ ſache, daß der Londoner Rotbſchild die Verfolgung des De⸗ fraudanten energiſch in die Hand nahm. Die Behörde war denn auch ſchnell auf der Fährte des Flüchtigen, und der mit⸗ angeklagte Müngersdorff befand ſich noch im Dienſt, als ihm eine Depeſche des hieſigen Polizeipräſidenten nach Colombo durch die Finger lief, daß die Eheleute Müngersdorff, welche ſich auf dem Dampfer„Sophalin“ in Marſeille eingeſchifft, mit dem flüchtigen Paare Jäger⸗Klotz identiſch ſeien. Jäger wWar aber nicht nach Colombo gegangen, ſondern mit ſeiner Geliebten in Suez veranügt ans Land geſtiegen, wo er, das Nichtbeſtehen eines Auslieferungsvertrages bauend, im Lande der Pharaonen ſeinen Raub in Ruhe zu verzehren ge⸗ dachte. Das Paar wiegte ſich in vollſter Sicherheit, machte Ausflüge nach den Pyramiden, beſuchte öffentliche Vergnügungs⸗ plätze, und Jäger ſtand bereits im Begriff, einen Caſſaſchran zu kaufen, um ſein„Vermögen“ vor Räubern und Dieben zu ſchützen, als ihn und ſeine Begleiterin am 10. Mai im„Holel Miramare“ in Ramleh das Geſchick ereilte. Bei ſeiner Ver⸗ haftung machte Jäger einen Selbſtmordverſuch, der aber miß⸗ lang, Von dem unterſchlagenen Gelde wurden zunächſt 489,779 M. 21 Pfa. gefunden, davon unter den in den Koffern liegenden Sachen der Klotz, in ein Toilettenkiſſen eingenäht, zwiſchen der Pferdehaarfüllung in einer Leinwandhülle verſteckt, 34.000 Mark; ferner Werthſachen, 2 Revolver, ein Notizbuch u. ſ. w. Bei der zwei Tage ſpäter vorgenommenen noch⸗ maligen Hausſuchung wurden im Innern eines Kopfkiſſenz weitere 100,000 Mark entdeckt, wodurch die beſchlagnahmle Summe auf 589,779 M. 21 Pfg. ſtieg. In dem Notizbuch befand ſich unter dem Deckel verklebt eine Zuſammenſtellung der veruntreuten Beträge und deren Verwendung in abge⸗ kürzter Form. Nach Erledigung der Formalitäten wurde das flüchtige Paargausgeliefert und am 7. Juni hier wieder eingeliefert. Inzwiſchen waren die übrigen Mitangeklagten ſämmtlich verhaftet worden und ſind auch nach Schluß der Vorunter⸗ ſuchung bis auf den ſchwerkranken Müngersdorff in Haſt verblieben. Den ſämmtlichen Angeklagten wird zur Daſt gelegt, daß ſie gewußt, die von ihnen in Verwahrung ge⸗ nommenen Summen ſeien Rothſchild'ſche Gelder geweſen, Was iſt nun aus dieſen geſchehen und welche Gelder ſind wieder zur Stelle geſchafft? Bei Jäger⸗Klotz wurden be⸗ ſchlagnahmt: 489,779 Mark 21 Pfa., in der Jägerſſchen Wohnung wurden gefunden 20,000.; die Ochs hatte ihre Caſſette mit 100,000 Mark an Gerloff abgeliefert, welcher ſie wieder der Frau Jäger übermittelte. Dieſe hatte die Summe ihrem Vater übergeben, welcher einen ſichexen Verſteck ſür dieſelben wußte, indem er ſie in ſeinem Muſlerkoffer ver⸗ horgen nach Mainz ins„Hotel zum Karpfen“ ſpediren ließ Auch dieſe 100,000 Mk. ſind wieder beſchafft. Die 70,000 Mi, welche Käthchen Meſſer erhalten, hatte dieſe ihrem Schwager zur Aufbewahrung übergeben, welcher ſie auf ſeinem Acler vergrub. Auch dieſer Schatz konnte wieder, ohne daß mitter⸗ nächtlicher Zauberſpuk zu Hilfe genommen werden mußte, geboben werden. Die 150,000 Mark, welche Gerloff ſür Mutter und Schweſter erbhalten, wurden ſpäter von Jägerz Mutter der Polizei übergeben, auch 100,000 Mark, welche Gerloff weiter für Frau Jäger erhalten hatte, konnten wieder ermittelt werden, und von den 100.000 Mark, welche in der Gerloff'ſchen Wohnung verſteckt geweſen, fehlen nur einige Tauſend⸗Markſcheine, welche Charlotte Gerloff zerriſſen und ins Cloſet geworfen hatte. Das geſchädigte Bankhaus hat alſo bis auf die 550,000 Mark des Henſel faſt das ganze veruntreute Geld zurückerhalten, den Uebelthäter aber, der ſich und ſeine ganze Jamilie in namenloſes Unglück geſtürzt, erwartet jetzt die gerechte Strafe. die guch in ihrer vollen Schärfe gegen den alles leugnenden Henſel erkannt werden mag, 5* 8 Die Verhandlungen nahmen geſtern ihren Anfang. Mit Rückſicht auf die große Zahl der Angeklagten und den ſtarken Andrang der Zuhörer iſt der Schwurgerichtsſaal dafür be⸗ ſtimmt worden. Die Anklage vertritt der Erſte Staatsanwalt Übles, Die Zahl der aufgerufenen Zeugen beträgt 31, außer⸗ dem iſt als Sachverſtändiger der Bankdirektor Iſage Lahn⸗ ſtein zur Stelle. Der Vorſitzende fragt jeden Angeklaaten, ob ſie ſich ſchuldig bekennen. Jäger iſ. in vollem Umfange geſtändig⸗ Die Klotz ſagt: Ich gebe die Begünſtigung der Flucht in⸗ ſofern zu, als ich mit ihm ging, aber daß es des Vortheiles wegen geſchehen ſei, muß ich entſchieden beſtreiten. Ich wäre auch mit ihm gegangen, wenn er nichts gehabt hätte,— Vorſ.: Haben Sie von dem Gelde uichts bekommen?— Klotz: Nein.— Vorſ.: Auch nicht den Schmuck?— Klotz: Ja.— Vorſ: Sie wollen alſo doch nicht ganz geſtändig bleiben.— üngersdorf erklärt: Ich habe meinen Paß meinem Freunde Henſel übergeben zu einem Liebesabenteuer für einen hochanſtändigen Herrn.— Vorſ. Gut; alſo leugnen Sie die That.— Vogk bekennt ſich eben⸗ falls für ganz unſchuldig, und Henſel erklärt die Anklage gegen ihn für eine unerhörte Anſchuldigung; er habe von Jäger keine Rothſchildſchen Gelder bekommen.„Das bat der Herr Jäger 155 erdacht und wälzt jetzt Alles auf mich.“— Frau Jäger, ihre Eltern und das Dienſtmädchen ſind eben⸗ falls geſtändig. Clemens bemerkt nur, er habe die Gelder unter dem Drucke der Hausſuchung nicht zurüdgegeben, aber die Packete nicht geöffnet. Dagegen erklärt die Conſtan Ochs: Der Jäger hat nicht die Wahrheit geſagt. Vorſ Sie wollen es auch nicht eingeſtehen; das thut mir leid. weiß nicht, was das nützen ſoll. Die Familie Gerloff bleibt bei ihrem Geſtändniß. Der Angeklagte Jägler erzählt dann auf Befragen, wie er dem Henſel für ſein Eiergeſchäft fortgeſetzt Geldbeträge ge⸗ geben bat und wie dann am 3. Januar d. J. die Kaſſenrebi⸗ ion ſtattfand.— Vorſ.: Faßten Sie damals ſchon den lan durchzugehen?— Jäger: Gefaßt hab' ich den Plan noch nicht, aber ich ſprach mit Frl. Klotz darüber und ſagte; Es bleibt mir keine Wahl, als mir eine Kugel vor den Kopf zu ſchießen. Aber das Durchgehen, natürlich mit Geld, ver⸗ ſchob ich immer in der Hoffnung, von Henſel hier— er deutet mit ausgeſtrecktem Arm auf den Mitangeklagten— herausgeriſſen zu werden, der mir auf ſein Ehrenwort ver⸗ ſprochen hatte, mich nicht ſtecken zu laſſen.— Vorſ.: In dieſer Hoffnung wurden Sie betrogen. Wann haben Sie nun den Entſchluß gefaßt, wegzugehen?— Jäger: Etwa im Monat März, weil ich(weinend) mir klar machte, daß ich betrogen war von einem Menſchen, dem ich Alles geoßfert hatte.— Vorſ.: Sie wollten aber für Ihre Zukunft ſorgen? Jäger: In erſter Linie für meine Familie.— Vorſ.: Warum haben Sie gerade 1,700,000 M. aus der Kaſſe ge⸗ nommen?— Jäger: Der Gedanke entſtand durch meine Verzweiflung. Ich dachte, beim Hauſe Rothſchild kommt es guf eine halbe Million mehr oder weniger nicht an, und nahm ſo viel, weil es gerade eine Million Gulden war.— Vorſ.! Alſo aus Liebbaberei für den alten Münzfuß.— Jäger: Einerlei aus welchem Motiv.— Vorſ.: Hat Ihre Frau von Ihrer Flucht gewußt?— Jäger: Ich glaube nit(heſtig weinend). Ich habe Alles gethan, um es ihr zu verbergen. — Vorſ.: Nun, Sie haben doch auch mit Ihrer Schwieger⸗ mutter darüber geſprochen.— Jäger: Erſt am letzten Tage, kurz bevor ich ging.— Der Angeklagte erzählt dann, wie er die veruntreuten Gelder verthellte, wie die Klotz 50,000 M. erhielt, um die Vorbereitungen zur Reiſe zu freffen und aus⸗ ländiſches Geld einzuwechſeln u..w. Auf die Einzelbeiten der Vertheilung kann er ſich nicht mehr entſinnen. Wenn man, ſo ſagt er, im Geſchäft den ganzen Tag gehetzt iſt eeeerenee erbe r eeenre ee eeeee ee eee ere cc Nrr Nannbeim, 3. Auguſt. Seneral⸗Anzeiger. 8. Seite. Nachts nicht ſchlafen kann vor Sorgen und Angſt, dann kommt man auf einen Standpunkt wo das Nervenſyſtem nicht mehr mitthut.— Vorſ.: Ja, Sie haben die Sache ſehr ſchlau anzufangen geglaubt und doch ſehr kopflos ge⸗ handelt.— Jäger: Es mag ſein.— Vorſ.: Was hat Sie veranlaßt, den Vogt mit der Beſorgung der Briefe von Darmſtadt aus zu beauftragen? Er hat in demſelben Re⸗ gimente mit Ihnen gedient.— Jäger: Ich wollt' ihm etwas zuweiſen.— Vorſ.: Sie behaupten in den Briefen, Sie hätten das Geld durch Börſenſpekulationen verloren. Warum haben Sie dieſe unwabre Angabe nach Ihrer Ver⸗ haftung in Alexandrien wiederholt?— Jäger: Das ging den Konſul doch nichts an. Ich habe die Ausſage wegen des Benehmens des Konſuls gemacht. Ich wollte mein Taſchen⸗ luch aus der Taſche holen, der Konſul meinte, ich wolle einen Revolver ziehen, den ich auch in der Taſche hatte, aber im Futteral, und ließ mich binden.— Vorſ.: Das iſt eine Thorheit, uns ſo etwas weiß machen zu wollen. Der Eier⸗ händler Henſel ſoll 550,000 Mark von Ihnen erbalten haben. Können Sie uns ſagen, wo er mit dem Gelde geblieben iſt? Es muß ein ſündbaft ſchlechtes Geſchäft ſein, wenn man eine halbe Million ſpurlos verliert.— Jäger: Er hat geklagt, daß er in den Händen von Wucherer ſei. Die Klotz, welche jetzt vernommen wird, will nicht ge⸗ wußt haben, woher Jäger die Gelder hatte, wenigſtens An⸗ fangs nicht. Sie habe auch nichts davon gehabt. Vorſ.: Sie haben doch von dem Gelde gelebt.— Klotz: Ja, aber ſehr ſparſam haben wir gelebt.— Vorſ.: Natürlich, Sie wollten lang daran haben, und es hätte auch lange gereicht. Warum haben Sie den Jäger gebeten, Sie mitzunehmen. —Klotz(leiſe und verſchämt): Weil ich ihn gern Vorſ.: Jäger hat Ihnen in Alexandrien für 2000 Mark Schmuckſachen gekauft.— Klotz: Das war eine Ueberraſchung, damit ich etwas„präſentiren“ ſollte.— Die Klotz erzählt dann weiter, daß Jäger ihr ſchon am 3. Januar nach der Kaſſen⸗ reviſion von der großen Schuld Henſels erzählt habe. Jäger wird deßhalb gefragt, wo denn die Schuldſcheine Henſels ge⸗ blieben ſeien, und erwidert, er habe die Schuldſcheine dem Henſel vor der Flucht in die Hand gegeben, um ſie los zu werden, denn Henſel habe ihm ſein Ehrenwort gegeben. Der nächſte Angeklagte, Obertelegraphenaſſiſtent Müngers⸗ dorf, ſagt aus, wie ihm am Palmſonntag ſein Freund Henſel erzählt habe, er kenne einen Herrn aus einer hochanſtändigen Familie, der müſſe mit einem Mädchen über die Grenze ver⸗ ſchwinden; es ſei kein Räuber, kein Mörder und kein Dieb. Dieſer Ausſpruch, Herr Präfident, wird mir ewig vor der Seele ſtehen. Henſel verſicherte mich ſeiner treuen Freund⸗ ſchaft, obwohl ich, wie er ſagte, ein Preuße ſei, und es handle ſich blos um ein harmloſes Liebesabenteuer. Ich hoffe zu Gott, daß er jetzt auch der Wahrheit die Ehre gibt.— Aerf Aber die 1000 M. von Henſel für Ueberlaſſung des Paſſes haben Sie genemmen?— Müngersdorf: Da ich ſie nun einmal hatte, habe ich ſie zu anderen Geſchäften ausgegeben. — Staatsanwalt: Und am 7. Mai haben Sie noch ein⸗ mal 200 M. von Henſel verlangt, obwohl Sie ſchon am 20. April aus der Zeitung wußten, daß Jäger geflohen war— Müngersdorf weiß darauf nichts zu erwidern und der Vor⸗ ſitende geht zur Vernehmung des Eierhändlers Henſel über. Dieſer ſtellt Alles in Abrede und leugnet namentlich ſeine Mitwirkung bei der Beſchaffung des Paſſes. Der Vorſitzende bemerkt deßhalb: Wenn Sie ſo einfache Geſchichten leugnen, ſo verderben Sie ſich die ganze Vertheidigung. Aber Henſel bleibt bei ſeinem Leugnen, ſo daß der Vorſ. ruft: Wollen Sie wieder anfangen, wie in der Vorunterſuchung, wo Sie jeden Verkehr mit Jäger in Abrede geſtellt haben? Henſel will keine Idee davon gehabt haben, daß Jäger Gelder aus der Rothſchild'ſchen Kaſſe nahm, und die 1000 Mark für den Paß waren ein Darxlehen, das er dem Müngersdorf vorher gegeben gaben will. Von dem Paß weiß er nichts, als daß der Müngersdorf zu ihm kam und ſagte, er ſolle ihm ans einer großen Kalamität helfen und die Sache übernebmen, es koſte höchſtens 60 Mark. Dem Jäger will er noch vor ſeiner Flucht geſagt haben, der Müngersdorf will ſein Ding wieder haben. Der Vorſitzende deutet an, daß Henſels Geſchäftsver⸗ bindungen auch bei dem noch ſchwebeuden Wucherprozeſſe zur Sprache kommen werden. Aus Stadt und Jand. *Maunheim, 3. Auguſt 1892. DTral Thetbedt f. Tberbeae 1. In welch hohem Anſehen Herr Fabrikant Franz Thor⸗ becke, welcher leider allzufrüh ſeinem irdiſchen, ſo umfang⸗ reichen und vielſeitigen Wirkungskreis entriſfen wurde, bei der geſammten hiefigen Bürgerſchaft ſtand, beweiſen die warmen Nachrufe, die dem Verblichenen auch von ſeinen politiſchen Gegnern— perſönliche hatte der Verſtorbene bei ſeinem leutſeligen, einfachen und liebenswürdigen Charakter wohl keine— gewidmet werden. So ſchreibt die hieſige demo⸗ kratiſche Neue Badiſche Landeszeitung: Cebensirrungen. Von Emily Lovett. Antoriſirte Ueberſetzung aus dem Engliſchen von Marie Schultz. Nachdens verboten. ⁰ Fortſetzung.) Aber während ich eingeſchüchtert und unentſchloſſen zu Stephan Hardcaſtle aufblickte und nicht recht wußte, was ich zunächſt ſagen ſollte, wandte er ſich plötzlich um und ſchloß mich geftig in die Arme. Mein Herz— mein Liebling!“ rief er mit ſo jäb und ungeftüm ausbrechender Leidenſchaft, daß er mich geradezu erſchreckte, und drückte mich feſt an ſein Herz, verſuchte aber nicht, mich zu küſſen.„Was thäte ich nicht um Dich zu der Reinen zu machen? Welche wahnfinnige Tollheit würde ich nicht deshalb begehen— in welche Tiefen des Verderbens würde ich niederſteigen, wenn ich Dich dadurch nur endlich gewinnen würde?“ Und dann ſtieß er mich armes, erſchrecktes Kind, das bebend und eingeſchüchtert zurückwich, von ſich, und als ge⸗ kraue er ſich nicht, noch ein Wort weiter zu ſagen, ließ er mich allein, und nach fünf Minuten fiel unten die Hausthür hinter ihm ins Schloß und verkündete nur, daß er fort ſei. Und während der ganzen Zeit wußte er— wußte er die Wahrheit und ſagte ſie mir nicht. Capitel XI. Wie ich einen Brief erhalte. Wie traurig iſt das mit den armen Menſchen, welche don den ſchrecklichen Wilden in Weſtindien niedergemetzelt worden ſind,“ ſagte Frau Hardcaſtle einige Tage darauf zu mir, während ſie Morgens am Frühſtückstiſche die„Times auseinander faltete und die goldene Brille aufſetzte,„hier he ich wieder einen Bericht darüber.“ 5 Wie war es damit, Frau Hardcaſtle?“ fragte ich, ohne indeſſen ſo biel Antheil für den traurigen Gegenſtand zu ver⸗ „Nach bierher gelangter Nachricht iſt Herr Fabrikant Fr. Thorbecke geſtern Abend in Aroſa im Engadin, wo er mit ſeiner Familie und verſchiedenen Mannheimern ſeit wenigen Tagen weilte, plötzlich an einem Herzſchlage geſtorben. Wohl wurde ſchon öfters geſagt, daß Herr Thorbecke leidend ſei, doch konnte die Außenwelt Angeſichts ſeiner hervorragenden geſchäftlichen und politiſchen Thätiskeit nichts davon merken. Unſere Stadt, Land und Reich hat mit Herrn Thorbecke einen ſchweren Verluſt erlitten. Als Bürger und Patriot war er gleich hervorragend. Allen öffentlichen Intereſſen brachte dieſer bedeutende Führer der.⸗l. Partei gleiches lebhaftes Intereſſe entgegen, und jede Undill, welche er den gegneriſchen Parteien und Perſonen im Kampfe etwa zufügte, mußte An⸗ geſichts ſeiner uneigennützigen Beſtrebungen bald vergeſſen ſein. Seine Thätiakeit im Dienſte ſeiner Partei war eine un⸗ ermüdliche. Bei Wahlen kannte der„Organiſator“ keine Tag⸗ oder Nachtzeit. Aber auch gleich tüchtig war der Verlebte in ſeiner geſchäftlichen Thätigkeit. Mit ſeinem Eintritte in das elterliche Geſchäft, der Firma A. H. Thorbecke u. Co., kam neues Leben und wußte der früher viel Gereiſte dasſelbe zu einem der hervorragendſten am hiefigen Platze zu geſtalten. Zahlreiche wohlverdiente Ehren wurden dem Verledten zu Theil. Er war Mitglied der Handelskammer, Handelsrichter, Mitglied des Schatzungsraths, Aufſichtsrath verſchiedener Aktiengeſellſchaften u. ſ. w. und trat im vorigen Jahr wieder in das Stadtverordnetenkollegium, dem er ſchon früher ange⸗ hörte, ein. Thorbecke hat ein Alter von nur 49 Jahren er⸗ reicht. Mit ſeiner Frau, der zweiten Tochter des im vorigen Jahre verlebten Julius Baſſermann, führte er ein muſterhaftes Familienleben, und weinen mit der Gattin ſieben Kinder an der Bahre. Die Leiche wird zur Beſtattung hierher verbracht werden. Das Andenken Thorbeckes bleibt in den weiteſten Kreiſen in Ehren!“ Die ſozialdemokratiſche Volksſtimme ſagt: „Wie wir ſoeben vernehmen, ſoll Herr Franz Thor⸗ becke, der Führer und Organiſator der hieſigen national⸗ liberalen Partei an einem Herzſchlag in Baden(Schweiz) plötzlich verſtorben ſein. Die nationalliberale Partei verliert in dieſem Manne einen ihrer fähigſten und begeiſtertſten An⸗ hänger, die ſozialdemokrotiſche Partei Mannheim einen ihrer erbittertſten aber einen ehrlichen Gegner. Die Achtung, als ehrlicher und überzeugungstreuer Menſch ſeine Prinzipien mit Entſchiedenheit vertreten zu haben, wird von Seiten der Sozialdemokratie dem Herrn Thorbecke nicht verſagt werden.“ Im Anſchluß hieran theilen wir folgendes uns aus Arbeiterkreiſen zugekommenes Schreiben mit, welches das vortreffliche Charakterbild des Verblichenen nach einer Seite hin beleuchtet, die nicht genug gewürdigt und hervorgehoben werden kann. Das Schreiben lautet: „Soeben finde ich die heute Vormittag dereits ver⸗ nommene aber noch unbeſtimmte Kunde über den plötzlich eingetretenen Tod des Herrn Franz Thorbecke, Kaufmann bier, in Ihrer Zeitung durch die Todesanzeige und den Nachruf, den Sie dieſem Herrn weitken, beſtätigt. Bei Durch⸗ leſen des Letztereren finde ich, daß Sie den Herrn Thorbecke ſeiner Eigenſchaften als Kaufmann, als guter deutſcher Patriot, als angeſehener Mitbürger als Muſter eines Familienvaters und als treuen Freund Ihres Blattes rübmen. Ich geſteze Ihnen, daß, wenn ich auch als junges nationalliberales Mitglied dieſen Mann verhältnißmäßig wenig zu beobachten Gelegenheit hatte, ich obengenannte ſchöne Eigenſchaften nur beſtätigen kann. Aber, verehrl. Redaktion, die Perle ſeiner guten Eigen⸗ ſchaften vermiſſe ich in Ihrem Nachruf und geſtatte ich mir Ihnen dieſelbe vorzulegen. „Herr Thorbecke, der ein guter Redner war und ſo recht gus dem Herzen und zu 1 5 zu ſprechen verſtand, legte ſo manchmal ein warmes Wort für die Minderbegüterken und Unbemittelten, für die arbeitende Klaſſe ein. Wohl hat ſchon manch anderer angeſehener Mann daſſelbe gethan; er aber blieb nicht allein bei den ſchönen Worten, nein und das iſt die Perle: er blieb auch mit den Thaten nicht aus und wird mancher ehrliche Mann, der ihn um ſeinen Rath und Beiſtand bat, beſtätigen müffen, daß Herr Thorbecke ein offenes Herz und eine liebe Hand in unverfälſchter Treue zu ſeinem Nebenmenſchen, ob reich oder arm, ob hoch oder nieder, hatte. Darum Ehre ſeinem Andenken! Ein tieftrauernder Geſinnungsgenoſſe Ernennung. Der Großherzog hat dem Privat⸗ dozenten der Chemie Dr. Hermann Kaſt an der Techniſchen Hochſchule in Karlsruhe den Charakter als außerordentlicher Profeſſor verliehen; ferner wurden 1. die Amtsvorſtände Oberamtmann Frans Keim in Bonndorf und Oberamtmann Wilhelm Lamey in Eppingen in gleicher Eigenſchaft, und zwar Erſterer nach Eppingen, Letzterer nach Ettlingen ver⸗ ſetzt, 2. der Amtmann Otto von Senger in Engen zum Oberamtmann und Amtsvorſtand daſelbſt, der Amtmann Dr. Adolf Waßmannsdorff in Lörrach zum Oberamt⸗ mann und Amtsvorſtand in Bonndorf, der Amtmann Anton Beck in Karlsrutze zum Oberamtmann ernannt; 3. der Referendär Dr. Albert Mays von Heidelberg unter Er⸗ nennung zum Amtmann dem Bezirksamt Lörrach als Beamter beigegeben. Dem Reviſionsaſſiſtenten Guſtav Meyer bei Großh. Oberſchulrath iſt die etatmäßige Amtsſtelle eines rathen, wie es Menſchlichkeit und Menſchenliebe eigentlich verlangt hätten. Denn wenn Jemandem, von dem man nie vorher gebört hat, jenſeits des Weltmeers ein Unglück zuſtößt, ſo geht uns das gewöhnlich nicht ſehr nahe. Man ruft wohl aus:„Wie entſetzlich!“ hat aber wahrſcheinlich nach fünf Minuten die Sache ſchon vergeſſen. „Haben Sie es nicht geleſen?“ fuhr Frau Hardcaſtle ſort,„Du meine Güte, das wundert mich; ungefähr vor acht Wochen waren alle Zeitungen voll davon: es war ein Boot mit Seeleuten, die unvorſichtiger Weiſe auf einer der kleinen, unerforſchten Koralleninſeln landeten— ſie gebörten zur Mannſchaft eines Kriegsſchiffes— mein Gott, wie heißt es 255 noch—„Antimon“— ach, nein,„Antigone“ war der ame.“ Wie!“ rief ich, und der Löffel, mit welchem ich gerade die Flamme der Spirituslampe ausgedrückt hatte, fiel mir aus der Hand und klirrend auf den Fußboden nieder. Frau Hardcaſtle fuhr zuſammen 10b 15 meine Güte, Magaie, wie Sie mich erſchreckt aben „Bitte, ſagen Sie mir ſchnell was Sie darüber wiſſen“, ſiel ich ihr erregt in's Wort.„Was waren es für Leute? Wie heißen ſie? Wurden ſie getödtet? Ich— ich habe Jemanden gekannt, der auf der„Antigone“ war. Er war natürlich nicht dabei“, ſagte ich vor mich hin und beſchwich⸗ tigte damit die Todesangſt, die ſich ſo thörichter Weiſe in meinem Herzen regte. Natürlich war er nicht dabei— denn war er nicht in Italien— geſund und wohl— bei Helene Marsden? Ja, geſund und wohl— dafür ſei dem Himmel wenigſtens Dank. Aber ſchon die Thatſache, daß dies furcht⸗ bare Schickſal ſeinen früheren Schiffsgenoſſen widerfahren war, genügte, um mein volles Intereſſe für das geauenvolle Exeigniß zu erregen. 5 5 „Bitte, erzählen Sie mir davon,“ bat ich auf's Neue ruhiger und ſuchte Herr meiner Erregung zu werden.„Es hätte meinen— Bekannten treffen können, fügte ich mit leiſer Stimme hinzu. „Ach nein, mein Kind, ich glaube nicht, daß ein Bekannter von Ihnen darunter geweſen iſt, es waren alles gemeine Matroſen, ſo viel ich mich erinnere. Das mildert das Ent⸗ Sekcefärs dem Revifonzaſſſßenten Mar Schleſcher 5ai Großh. Miniſterium des Innern die etatmäßige Amtsſtell eines Reviſors, dem Regiſtraturaſſiſtenten Friedr. Schlere bei Großh. Miniſterium der Juſtiz, des Kultus und Unter⸗ richts die etatmäßige Amtsſtelle eines Regiſtrators und dem Finanzaſſiſtenten Karl Leutz von Eberbach die etatmäßige Amtsſtelle eines Reviſionsaſſiſtenten, ſämmtliche dei Großh. Oberſchulrath, übertragen worden. Ernennung. Geometer Karl Dreß in Donau⸗ eſchingen wurde zum Vermeſſungsreviſor ernannt und der Großh. Eiſenbahnbauinſpektion Karlsruhe zugetheilt. 5 *Militäriſches. 2. Bad. Grenadier⸗Regiment Kaiſer Wilhelm I. Nr. 110: Ziegler, Secondelieutenant, in das Füſilier⸗Regiment von Steinmetz(Weſtfäl.) Nr. 37 perſetzt, IZn den kaiſerlichen Gäſten auf Schloß Urville bei Metz gehört außer den beiden bayriſchen Prinzen Leopold und Ludwig, dem König von Sachſen, dem Erzberzog Wil⸗ helm von Oeſterreich und dem greiſen Erzherzog Albrecht von Oeſterreich auch der Großherzog von Baden. Eine auch weitere Kreiſe intereſſirende Mit⸗ theilung hat das Großh. badiſche Miniſterium der Juſtiz. des Kultus und des Unterrichts an den Freiburger Stadtrath gerichtet. Letzterer batte auf das Bekanntwerden der Ent⸗ ſchließung der Kal. preuß. Staatsregierung über die Organi⸗ ſation der preußiſchen Oberrealſchulen und deren Befugniſſe für das Königreich Preußen— um Aufklärung darüber zu erhalten, ob für die Stadt Freiburg die Errichtung eines Realgymnaſtums oder einer Oberrealſchule anzuſtreben iſt— ſich an die Großh. Oberſchulbehörde mit einer Anfrage ge⸗ wendet, ob für das Großberzogthum Baden ein auf fraglichem Gebiete geſetzgeberiſches Vorgehen nach dem Vorbilde von Preußen zu erwarten ſtehe. Hierauf iſt eine Entſchließung des Großb. Miniſteriums der Juſtiz, des Kultus und Unter⸗ richts eingelangt, wonach von letzterer Behörde in Ueberein⸗ timmung mit den bei dieſer Frage weiter betheiligten Miniſterien dem Stadtrath zu erkennen gegeben wird, daß in Baden für etwa zur Entſtehung gelangende Oberrealſchulen eine ähnliche Ordnung des Berechtigungsweſens, wie dieſelbe für einzelne Zweige des Reichsdienſtes und für Preußen neuerlich eingeführt worden, nicht in Ausſicht geſtellt werden könne. Aufgefunden. Im Bereiche des hieſigen Hauptbahn⸗ hofes wurde am 19. Juli eine Geldbörſe mit 389 M. 8 Pf. aufgefunden. Ferien! Schulſerien! ein Wort von elektriſirender Wirkung. Je nachdem das Urtheil, das deim Schulſchluß geſprochen auf„verſetzt“ oder„nicht verſetzt“ lautet, eilen die einen fröhlich dem Elternhauſe zu, ſchleichen die andern durchs Hinterpförtchen hinauf ins ſtille Kämmerlein, um dort über die Ungerechtigkeit der Welt im Allgemeinen, die ihrer Pro⸗ ſeſſoren im Beſonderen Klage zu führen. Warum auch batte man ihren Fleiß niemals anerkennen wollen?! Man war doch immer ſo fleißig geweſen wenn es galt, ein Exercitium vom Nachbar abzuſchreiben, und ſo beredt, wenn es ſich da⸗ rum bandelt, ſich wegen ſeiner Faulheit zu entſchuldigen, und ſo beſcheiden ſtill, wenn man lateiniſche Vokabeln auſſagen oder aus der ſchrecklichen Geheimſchrift des alten heidniſchen Kenophon einen Sinn ermitteln ſollte. Und nun trotz allem ſitzen geblieben! Freilich, es geht nichts über gewiſſenhafte Gründlichkeit und repetitio est mater studiorum,— aber der Vater!— Die Väter ſind ja meiſtens ganz anderer Meinung wie die Herren Söhne und nun gar in einem ſolchen Falle, da heißen ſie Gründlichkeit— Leichtſinn und Repetitionseifer — Hang zur Faulheit. Was jetzt? Eine gute Lehre aus dem Nichterfolg der letztjährigen„Thätigkeit“ ziehen und fleißig werden. Daneben auch ſich weniger luft⸗ und waſſer⸗ ſcheu zeigen, vor allem jetzt in den Ferien! Täglich baden kalt baden! An Zeit fehlt es ja nicht und die Gelegenheit iſt günſtig. Nur wenn der Körper gekräftigt,— und das beſte Mittel hierzu iſt kalt baden— kann der Geiſt ſeine Thätig⸗ keit thun. Das gilt auch für Euch, Väter, die Ihr glau mit den Leiſtungen Eurer Kinder unzufrieden ſein zu dürfen. Sorgt dafür, daß ſie ſich genügend in friſcher Luft bewegen und laßt ſie täglich kalt baden. Beginnt damit gleich im Anfange der Ferien, ſetzet es aber auch nach Beginn des Unterrichts regelmäßig fort und Ihr werdet ſehen, die nächſi⸗ jährigen Noten lauten anders, beſſer, vorausgeſetzt, das es Euerm Kinde nicht an geiſtiger Begabung ſehlt. Dagegen hilft freilich kein Waſſer. Verbandstag ſüddentſcher RNollerſcher Steno⸗ graphen. Am pergangenen Sonntag fand in Karlsruhe Unter zahlreicher Betheiligung der Vereine Mannheim, Karls⸗ rube, Baden, Pforzheim und Neuenbürg der Verbandstag der ſüdd. Rollerſchen Stenographen ſtatt. Bei den ſtaxi beſuchten Preisſchreiben errang im Schreiben von 220 bis 240 Silben pro Minute Herr Lehrer Götz in Karlsrube den Preis, in dem Wettſchreiben von 180 bis 200 Silben pro Minute erhielten die Herren Habich, Lehrer in Mann⸗ beim und Schwarz in Karlsruhe Preiſe. Mit der Leitung des Verbands für das nächſte Verbandsjahr wurden folgende Herren betraut: Störer(Mannheim) Vorſitzender, G5 Farlsrube) Schriftfübrer, Wolf(Pforzheim) Kaſſier, Scholder(Pforzheim)H und Müller(Baden) Beiräthe. Die Ausfubr nach Nord⸗Amerika aus dem Kon⸗ ſulatbezirk Maunhbeim, welcher auch die Pfalz umfaßt, betrud vom 1. Juli 1891 bis 30. Juni 1892: Dollars .184.241.17, gegen Dollars.491.111.74 im Vorfahre, hat ſo⸗ mit eine Zunahme von Dollars 693.129.43 zu verzeichnen. ſetzliche etwas, fügte die gute alte Dame naiv hinzu,„da Keiner aus unſerem Stande dabei um's Leben kam. Es i ia natürlich ebenſo ſchlimm für die armen Menſchen, aber unſer Einem geht es doch nicht ſo nabe. Oh nein, es waren nur gemeine Matroſen, die armen Teufel! Aber da fällt mir ein,— ein Officier war doch dabei; ich kann mich nicht mehr befinnen, wie er hieß, obgleich es mir damals auffiel, daß er denſelben Namen hatte, wie Jemand, den ich kannte. Laßfen 7 5 einmal nachdenken— vielleicht komme ich wieder arauf.“ „Ob, es kann mein— mein Bekannter nicht ſein, denn ich erinnere mich jetzt, daß er nicht mehr auf dem Schiffe iſt. Aber erzählen Sie mir, bitte, was eigentlich vorgefallen iſt.“ „Sie ſcheinen auf einer jener ſchrecklichen Inſeln in dem Wahne, daß ſie unvewohnt ſei, gelandet zu ſein und als ſie nicht zurückkehrten, ſtellten ihre Gefährten am nächſten Tage Nachforſchungen nach ihnen an und fanden nur die Ueber⸗ bleibſel eines großen Feuers, zahlloſe menſchliche Fußſpuren im Sande und allerlei entſetzliche Ueberreſte von den Kleidern und Waffen ihrer unglücklichen Genoſſen, ja, ſogar verſchie⸗ dene Körpertheile. Ja, liebes Kind, das iſt ſchauderhaft— es überläuft Einem ganz kalt dabei, nicht wahr? Von den Elenden, die die Armen ermordet hatten, war nichts zu ent⸗ decken, aber ſie ſahen ein Paar Kanoes mit Schwarzen in einer Entfernung von einigen Seemeilen über das Meer nach einer benachbarten Inſel rudern. Man vermuthet, daß es Kannibalen geweſen ſind.“ „Wie entſetzlich!“ rief ich und mir wurde ganz ſchwarz vor den Augen, als ich mir den Greuel ausmalte.„Aber ſagten ſie nicht, daß beute wieder etwas darüber in der Zei⸗ tung ſtände?“ „„Ja gewiß,“ antwortete die alte Dame, während ſie ihre Brille zurecht rückte und die Spalten des Morgenblattes mit den Augen überflog.„Wo war es doch? Ach, hier ſteht es: „Durch einige der Eingeborenen iſt das Gerücht nach Jamafca gelangt, daß zwei Weiße als Gefaugene bei einem der Kanni⸗ balenſtämme leben; man hat hierfür natürlich keinen anderen Anhalt als das Wort dieſer Menſchen, aber ſollte es wirklich der Fall ſein, ſo gehören ſie möglicherweiſe zu den Ueber⸗ lebenden der unglücſeligenBemannung der Antiaon⸗“ orti. 0 . Sele. SGeneral⸗Anzeiger. Mannheim, 8. Anguft. Was die verſchſedenen Arten der E portgegenſtände betrifft, ſo ſtehen in erſter Reihe Droguen, Chemikalien, Oele, Farben 2c. mit Doll. 1963.584 Leder und Häute mit Doll..001.550.44, Cement mit Doll. 266.554.93, Wein und Branntwein mit Doll 279.124.85 und Holzſtoffe(Sulfit⸗Celluloſe und Holz⸗ ſchliff) mit Doll, 357.657.17. *Der Ausſchuß der hieſigen nationalliberalen Partei hielt geſtern Abend eine Sitzung ab behufs Berathung über die Beerdigungsfeierlichkeiten für den verſtorbenen, um die Partei hochverdienten zweiten Vorſitzenden der⸗ ſelben, Herrn Franz Thorbecke. Der Ausſchuß war⸗ ſoweit die betreffenden Mitglieder hier anweſend ſind, nahezu vollzäblig vertreten. Wie aus den Mittheilungen, die in der Sitzung gemacht wurden, hervorging, hofft die Familie des Verblichenen die Erlaubniß zu erhalten, die Leiche nach ihrer Ankunft auf dem hieſigen Bahnhof in das Trauerhaus zu überführen, ſo daß die Beerdigung von da aus ſtattfindet. Die nationalliberale Partei wird ſich voll⸗ zählig an den Begräbnißfeierlichkeiten betheiligen. Zahreiche Mitglieder derſelben, welche gegenwärtig in der Sommerfriſche weilen, haben ſchon im Laufe des geſtrigen Tages die Mittheilung nach hier gelangen laſſen, daß ſie ſofort die Rückreiſe anzutreten gedenken, um an der Beerdigung des ver⸗ dienten Mannes theilzunehmen. Vorausſichtlich wird die Grenadierkapelle engagirt werden. Hieſige Geſangvereine haben ſich bereit erklärt, am Grabe Trauerlieder zu ſingen. Wie tieſſchmerzlich der Verluſt des Hrn. Thorbecke bei ſeinen Freunden und Parteigenoſſen empfunden wird, das konnte man in der Sitzung des Ausſchuſſes an den bekümmerten und beſtürzten Mienen der Anweſenden ableſen, welche die unabänderliche Thatſache kaum für möglich hielten. Doch auch in der ganzen übrigen Bürgerſchaft weiß man, was die Stadt und das ganze Land an dem Verblichenen verloren hat. Wohin man kam, hörte man unter dem Aus⸗ druck tiefen Bedauerns und ſchmerzlicher Bewegung von nichts anderem ſprechen als von dem Tode dieſes hervorragenden Mannes, vernahm man nur Worte der Anerkennung und des Lobes über die vortrefflichen Eigenſchaften ſeines Tharakters und Geiſtes. Das Erdbeben, welches am vergangenen Montag früh ½6 Uhr an verſchiedenen Orten des badiſchen Ober⸗ landes bemerkt wurde, beſaß eine größere Ausdehnung, als wie man urſprünglich vermuthete. Das Erdbeben ging von Süden nach Weſten. Man hörte zunächſt ein dumpfes Rollen, auf welches ein Stoß erfolgte und zwar ſo, daß die Leute aus dem Schlaf gerüttelt wurden, der Stoß kam von unten nach oben, ſo daß man förmlich etwas in die Höhe geworfen wurde. * Verlooſung. Unter der Leitung des Herrn Polizei⸗ kommiffärs Mitſch wurde geſtern die Auslooſung eines Herrn Peter Gräff gehbrigen Blumentiſches im Werthe von 120 M. vorgenommen. Hierbei fiel der Gewinn auf Nr. 438. Körperverletzung. Geſtern warf überm Neckar ein 13 Jahre altes Mädchen einem Ajährigen Buhen einen Stein guf den Kopf, ſodaß der Knabe eine nicht unbedeutende Ver⸗ letzung erlitt. Selbſtmordverſuch. In einer hieſigen Herberge wolite ein junger zugereiſter Burſche ſeinem Leben durch Er⸗ ſchießen ein Ende machen, jedoch ging der Schuß fehl, ſodaß ſich der Lebensmüde nur eine nicht lebensgefährliche Ver⸗ letzung beibrachte. Der Burſche wurde in's Allg. Kranken⸗ haus verbracht. *Ein großer Meuſchenauflauf entſtand geſtern Abend gegen 8 Uhr auf der Straße zwiſchen 6 6 und P 6. Daſelbſt ſladtt wegen groben Unfugs ein in betrunkenem Zuſtande be⸗ udlicher Burſche verhaftet werden. 7 5 widerſfetzte ſich jedoch ſeiner Feſtnahme aus Leibeskräften, ſo daß man ſich anſchickte, ihn auf einen Karren zu laden. Als der ſaubere Burſche dies merkte, ſchien er zu der Ueberzeugung zu kommen, daß es jedenfalls beſſer für ihn ſei, wenn er ſich auf Schuſters Rappen ins Amtsge⸗ richtsgefängniß begebe, als mittelſt eines ſo primitiven Ge⸗ fährts ſein Nachtquarkier aufzuſuchen. Der Vorfall lockte natürlich eine große Menſchenmenge an. Ein geriebener Schwindler treibt in den benach⸗ barten Städten ſein Weſen und da es leicht möglich iſt, daß derſelbe auch in Mannheim ein Gaſtſpiel gibt, wollen wir rechtzeitig vor ihm warnen. Aus Mainz wird über den Gauner folgendes gemeldet: Bei dem Juwelier S. erſchien ein elegant Herr, der ſich Bohnhardt nannte und angab, aus London zu ſein; er ließ ſich eine Anzahl Brillant⸗ ringe vorlegen, da er einen ſolchen ſeiner Braut zum Geſchenk machen wolle, die in der Uferſtraße wohne. Zwei von ihm ausdeſuchte Ringe bat der Fremde nach dorten zu ſenden. Die ſehr werthvollen Ringe wurden einem Mädchen verab⸗ folgt, welches die Ringe auch nach der Uferſtraße trug; kaum dorten angekommen, kam der angebliche Bohnhardt bereits dem Mädchen entgegen und ſagte demſelben, daß ſeine Braut im Augenblick nicht zu Hauſe ſei, ließ ſich die Ringe geben und bat das Mädchen, mit ihm in ſein Hotel zu gehen, er werde ihm daſelbſt das Geld einhändigen. Dabei eilte er aber ſo raſch hinaus, daß ihm das Mädchen nicht zu ſolgen dermochte und die Spur verlor. Nun eilte das Mädchen zur Bolizei und wurde alsbald ermittelt, daß der Fremde in einem Hotel in der Rheinſtraße geweſen, daß er aber auch die Ringe auf dem Pfandhaus um 300 M. verſetzt hatte und ſofort mit dem nächſten Zug von hier verſchwunden war⸗ Muthmafſtliches Wetter am Donnerſtag, 4. Auguſt. Der geſtern erwähnte Luftwirbel über Südſkandinavien und der Oſtſee wendet ſich langſam ſüdoſtwärts. Der Hochdruck von 770 mm in Irland hält an, rückt aber nur langſam oſtwärts vor, da er nicht nur den erwähnten Luftwirbel, ſondern guch die in Ober⸗Italien weiter vertiefte Depreſſion auszugleichen hat. Die kühle nordweſtliche bis weſtliche Luftſtrömung dauert deshalb noch fort und bringt, wie er⸗ wartet, nach kurzer ſcheinbarer Beſſerung immer wieder neue Bewölkung und vexeinzelte Niederſchläge. Doch iſt für Donnerſtag ein Nachlaſſen der letzteren, für Freitag lang⸗ ame Aufheiterung und Zunahme der Temperatur in Aus⸗ ſicht zu nehmen. Meteorologiſche Beobachtungen der Station Mann⸗ heim vom 3. Auguſt Morgens 7 Uhr. mete Thermometer dri„ Höchſte und niederſte Tem⸗ 8 in Celſius eeee beratur des verg, Tages in mm Trocken Feucht Stärke Maximum Minimum 756 0 18 4 11.8 WNW 4 18.5 14.2 60 Windſtille: 1 ſchwacer Luftzus; 2: etwas ſtärker ꝛc.; 8: Sturm: 10: Orkan. Regenmenge: 03 mm. Ants Jer Grogherogthunut. Elzach, 2. Aug Im Hinter⸗Prechthal ſchlug der Blitz in einen Bauernbof ohne zu zünden. Die Magd welche ge⸗ rade in der Küche beſchäftigt war, wurde vom Blitz erſchla⸗ en. Sie war im 18. Lebensjahr und einziges Kind ihrer Ulter. Altbreiſach, 2. Aug. Hier wollte ein an der Dreſch⸗ HKaſchine des Stadraths Hau hier beſchäftigter Taglöhn r Namens Wehrle wegen einer Zurechtweſſung von Seiten Eigenthümers dieſen erſchießen. Zu dieſem Zwecke ging derſelbe in ſeine Wohnung, probirte dort ſeſnen ſechsläuftgen Revolver mit zwei Kugeln und nachdem ihm dieſe Probe zuſagte, ſuchte er dem J. B. Hau von hinten beizukommen, was glücklicherweiſe zwei andere Arbeiter bemerkten, die den Mordkandidaten ebenfalls rücklings packten und ihm die Waffe abnahmen. Bei ſeiner Verhaftung erklärte Wehrle, er habe die feſte Abſicht gehabt, den Hau zu erſchießen; mehr als den Kopf werde es ihn jetzt nicht koſten. Uebrigens iſt dieſer Menſch ſchon längſt als ein gefährliches Subjekt be⸗ kannt. Freiburg, 2. Aug. Für den erledigten Lehrſtuhl des Strafrechts iſt der Profeſſor extr. o. W. v. Rohland in Dorpat hierher berufen worden. Wfänliſch⸗Seſſiſche Rachrichten. „ Speier, 2. Auguſt. Sonntag Nacht entſpann ſich zwiſchen einigen balbwüͤchſigen Burſchen in einer Wirhſchaft ein Streit, der auf die Straße fortgeſetzt wurde, Hierbei ſpielte das Meſſer eine Rolle und wurde der hier in Arbeit ſtehende Steinhauer Türk von Dürkheim durch einen Stich in die Lunge verwundet. Er ſchleppte ſich noch eine Strecke weit fort und blieb dann leblos liegen. Es ſoll wenig Hoffnung guf Erhaltung des Lebens beſtehen. 5 * Webenheim, 2. Auguſt. Der 23jährige ledige Ludwig Schwarz wollte ein Pferd zur Tränke führen. Durch den Blitz wurde das Thier ſcheu und ging durch. Schwarz hatte die Kette um die Hand gewickelt, wurde nachgeſchleift, an einen Wagen geſchleudert, über einen Schleifſtein u. ſ. w. geriſſen, ſo daß der Kopf faſt vollſtändig vom Rumpfe getrennt wurde, 85 9 und Finger fehlen, und das Hirn lag auf der traße. Pirmaſenus, 2. Aug. In der Nacht von Samſtag auf Sonntag geſchah hier eine blutige That. Es wurde bei einem Raufhandel ein 28 Jahre alter Schuſter Namens arl Baier aus Kirſchberg in Württemberg durch drei Burſchen mit Meſſerſtichen derart vearbeitet, daß er todt am Platze blieb. Der Genannte erhielt im Ganzen s Stiche, war jedoch wie man hört ein Raufbold, der ſchon wegen Meſſeraffairen längere Freiheitsſtrafen zu verbüßen hatte. Verhaftet wurden Chriſtian Jakoby und Max Strez; der Hauptthäter Namens Heinrich Jakobp iſt flüchtig. Aeneſie Nachrichten und Crlegrammt. Berlin, 2. Aug. Die Zurückberufung des ruſſi⸗ ſchen Finanzminiſters v. Wiſchnegradsky aus Stock⸗ holm nach Petersburg, die unmittelbar nach der Rückkehr des Zaren aus Kopenhagen erfolgte, ließ darauf ſchließen, daß neue Schritte bevorſtänden, um die ruſſiſche Volks⸗ wirthſchaft und die Geldlage zu heben. Jetzt verlautet aus zuverläſſiger Quelle, daß die ruſſiſche Regierung ſich angeſichts der bevorſtehenden Aufhebung des Roggen⸗ Ausfuhrverbots entſchloſſen hat, Verhandlungen mit der deutſchen Reichsregierung herbeizuführen, um eine Be⸗ ſeitigung des zur Zeit in Kraft befindlichen höheren Zolles auf ruſſiſche Getreideeinfuhr zu er⸗ langen. Die deutſche Reichsregierung nimmt bekanntlich im Einklang mit der großen Mehrheit des deutſcheu Reichstages und des deutſchen Volkes den grundſätzlichen Standpunkt ein, daß die an die Handelsvertragsſtgaten bewilligte Herabſetzung des Getreidezolles von 5 M. auf 3 M. 50 Pfg. nur geſchehen iſt auf Grund entſprechen⸗ der Gegenleiſtungen ſeitens der Vertragsſtaaten und daß eine weitere Ausdehnung dieſer Herabſetzung auf andere Staaten nur unter der Vorausſetzung entſprechender Gegenleiſtungen erfolgen wird. Man wird alſo daranf geſpannt ſein könuen, zu hören, welche Ge zenleiſtungen Rußland der deutſchen Ausfuhr dorthin jetzt zu bewilligen bereit iſt. Deutſchland hat kein Intereſſe daran, mit Rußland in einen Zollkrieg verwickelt zu werden; es hat aber auch noch weniger Intereſſe daran, Rußland wichtige Zollherabſetzungen zu bewilligen, ohne dafür voll⸗ werthige Gegenleiſtungen zu erzielen. Berlin, 2. Aug. In der letzten Staatsminiſterial⸗ ſitzung ſind die Miguelſchen Steuerreform⸗ pläne ſicherem Vernehmen nach angenommen worden. Auſ Grund derſelben werden jetzt die Vorlagen für das Material für die Herbſttagung des Landtages ausge⸗ arbeitet werden. Da bekannt iſt, daß Miniſter Herr⸗ ſurth ein grundſätzlicher Gegner der Miquel'ſchen Steuerreform iſt, ſo haͤlt man den Rücktritt Herr⸗ furths für unmittelbar bevorſtehend. Derſelbe dürfte alsdann durch Graf Botho von Eulenburg erſetzt werden, der das Miniſterium des Innern zum Miniſterpräſidium übernehmen werde. Berlin, 2. Auguſt. Zur Bismarck⸗Reiſe bemerkt die„Nationalzeitung“, die Kundgebungen drücken unzweideutig aus, daß jede Regierung, die den unglück⸗ lichen Verſuch machen ſollte, ſich auf das Centrum und die Hochkonſervativen mit einer polniſchen Hilfstruppe im Reich und Preußen zu ſtützen, das geſammte deutſche Bürgerthum ohne Unterſchied der Konfeſſion zu ein⸗ müthigem unbeugſamem Widerſtand gegen ſich vereinigt finden wuüͤrde. Zu Virchow's Wahl zum Rektor der Berliner Univerſität iſt zu bemerken, daß der Forſcher ſchon vor einigen Jahren als Kandidat aufgeſtellt war, damals aber durchfiel, weil man befürchtete, nach oben Anſtoß zu erregen und die Beſtätigung der Wahl nicht zu erlangen. Geſtern wurde Virchow mit etwa/ Mehr⸗ heit gewählt. Ulm, 2. Aug. In der heutigen zweiten Sitzung des Anthropologen⸗Kongreſſes beſprach Luſchau (Berlin) die anthropologiſche Stellung der Juden. Kollmann(Baſel) die Entſtehung und kulturelle Bedeutung der europäiſchen Menſchenraſſen. Nueſch(Schaffhauſen) eine neuaufgedeckte Niederlaſſung aus der Rennthierzeit. Heuerli(Zürich) über Bronzefunde im Kanton Wallis. Cowes, 2. Aug. Heute findet in der Bucht von Cowes eine Segelregatta ſtatt; an der Wettfahrt um den Ehrenpreis der Königin nimmt die kaiſerliche Hacht Meteor theil. Der deutſche Kaiſer begab ſich Vormittags 10 Uhr an Bord des Meteor. Der Wind iſt leicht, das Ende des Wetlkampfes iſt vorausſichtlich erſt gegen Abend zu erwarten. Für Donnerſtag hat der Kaiſer Einladungen zu einer Feſtlafel an Bord des Kaiſeradler ergehen laſſen, am Freitag dinirt der Kaiſer bei der Königin Victoria in Osborne.— Obgleich zwiſchen Osborne und Helgoland viele Telegramme gewechſelt wurden, iſt bis jetzt das Programm für den Aufenthalt des Kaiſers in Cowes nicht bekannt. Der Kaiſer ſelbſt ließ geſtern die Bemeekung fallen:„Ich habe kein Pro⸗ grämm, wünſche abſolut frei zu ſein.“ Der Beſuch ſoll eben ſtreng privat bleiben, daher fiel geſtern auch die Ehrenwache auf der Landungsbrücke fort, obgleich auf der Fahrt nach dem Schloß von Osborne eine Abtheilung von Schützen Spalier bildete. Die Königin hatte dem Kaiſer an Bord des„Kaiſeradlers“ einen Willkommbrief geſchickt, MNannheimer Handelsblatt. Mannheimer Effektenbörſe vom 2. Auguſt. An der heutigen Börſe notirten Verein Deutſcher Oelfabrſken 81 bez. Sonſtiges unverändert. Frankfurter Mittagsbörſe vom 2 Auguſt. Mehr als ſeither kamen heute die ſchon oft an dieſer Stelle hervorgehobenen Factoren zur Geltung, nämlich die vorzügliche deutſche Ernte und der billige Geldſtand. Seit einigen Tagen ſind auch die Getreidepreiſe in ſtärkerem Rüc⸗ gang begriffen, weiten Kreiſen der Bevölferung erßffnet ſich daher die Möglichkeit bei billigeren Preiſen der Lebensmittel ſparkräftiger zu werden als in den letzen Jahren. Schon oft haben dieſe Motive zu einer Steigerung der Effectencourſe geführt und nach laugen Wochen der Geſchäftsſtille war es heute der erſte Tag, wo ſich die Börſe dieſer Verhältniſſe und ihrer Rückwirkung erinnerte. Auf allen Gebieten ge⸗ ſtaltete ſich die Tendenz durch dieſe ſo mannigfachen An⸗ regungen freundlich und ſchlugen die Courſe ſteigende Rich⸗ tung ein. Für die leitenden Effecten des Montanmarktez beſtand ſehr lebhafte Kaufluſt. Bochumer ſind cg. 2 pett, Laura 1 pEt. hinaufgegaugen, während Kohlen⸗Actien ſht geſtriges Preisniveau gut behaupten konnten. Deutſche Stagtspapiere, namentlich ZpCt. Fonds notiren etwas feſter. — Privatdiskonto 1% pCt. Fraukfurter Effeeten⸗Societät v. 2. Aug., Abends 6½ Uhr. Oeſterr. Kredit 266, Diskonto⸗Kommandit 191.55, Berliner Handelsgeſellſchaft 143, Darmſtädter Bank 138.80, Dresdener Bank 146, Banque Ottomane 112.65, Oeſterr. Ung. Staatsbahn 260, Lombarden 877¾, Mittelmeer 100.20, Prince Henri 65.70, Heſſ. Ludwigsbahn 115.80, Nordd. Lloyd 110.30, La Veloce 78.30, Alpine 56.50, Bochumer 184.20, Concordia 81.50, Gelſenkirchen 187.30, Harpener 148, Hi⸗ bernia 117, Laura 114.90, 1860er Looſe 125.90, Türkenkooſe 27.90, 8proz. neue Anleihe 87.80, Zproz. Portugieſen 22.50, Spanier 63.30, Ottom. Zoll⸗Obligat, 91.40, Aproz. Griechen 58.40, Kölner Trambahn 118, Gotthard⸗Aktien 144.20, Schweizer Ceutral 130, Schweizer Nordoſt 107.20, Union 67.50, Jura⸗Simplon St.⸗Act 45.80, 5proc. Italiener 91.40, Maunheimer Produktenbörſe vom 2. Aug Weizen per Rovember 17.75, März 93 18.10; Roggen per Nov. 16.20, März 16.15 Hafer per November 14.55, ärz 93 15.—; Mais per Nov. 11.85, März 93 11.90 M. Tendenz: ſeſter⸗ Die Tendenz an heutiger Börſe war infolge beſſerem Ame⸗ rika und trübem Wetter eine feſtere. In Weizen und Roggen fanden mäßige Umſätze ſtatt, während Hafer und Mafs ber⸗ kehrslos blieben. Maunheimer Hafen⸗Berkehr vom 1: Auguſt, Schiſſer enr. Kav Schiff Kommt von Ladung Tir Hafenmeiſterei!. Lopum Elberfeld Köln Stückgüter— Müske Vietoria Rotterdam 4— Kempers Wilhelmine 7 5— Hafenmeiſterei Verwy Mannheim 21 Rotterdam Stückgüter 14124 Dreis Nuhrort18 1 5 16066 Adler Vereinigung 1 Antwerpen 9018 Flettner Ehriſting öln 70 250⁰ Laſſert Martahilf Antwerpen 4 10240 Klein Badenſg 1 Rubrort 7 1800 Schheider D..-Geſ. 2 Antwerpen 5 24108 Irmers Vereinigung 12 5 17289 Eberk Katharina Köln— 414² Heuke Eben Ezer Rotterdam FPitſch Pine 11679 Aurich Juſtina Uerdingen Stückgüter 180⁰ Haſenmeiſterei Iy. Harting Abr Kanhengießer Ruhrort Kohlen 21400 wecks Der junge Hermannuß 5 4400 Kuypers Johanna 7 14506 Stel Marta 7 16400 Faſterich Königin Louiſe 5 7 14700 Demmer T. Schürmann 1 5 5 19020 Borgards Fortuna 7 5 102⁵8 Falkenburg Ruhrort 26 75 5 19900 Sertges Hubertus Duisbure 7 1804⁰ Bemerbueg 1 d. D. R 5 15 12250 Banspach ara 5 Terjung Johann Marſa Hochfeld 4 570⁰0 Lorenz G elel 5 75 3400 Avetzer Hermann Heilbronn Bretter 50⁰0 Bock Emilie Eberbach Steine 50⁰ Schweickert Jebr, Vaumann Altrip 6⁰⁰ Sein Caprivi Ruhrort Kohlen 16000 New⸗Pork, 2. Auguſt.(Draßtbericht der„Red Star Linie“). Der Dampfer„Waesland“, am 23. Juli ab Ant⸗ werpen, iſt heute hier angekommen. Mitgetheilt durch die General⸗Vertreter Gund lach& Bärenklau in Mannheim. Waſſerſtands⸗Nachrichten. ein R Konſtanz, 2 Aug. 28 m 10] Bingen, 2. Aug. 2 28 m= 0½05 Hüningen, 2 Aug. 397 m + 0 1] Kaub, 2. Aug. 2 50 m— 90.06 Kehl, 2 Aug 3 35 m. 4-.5 Koblenz, 2 Aug..52 m 0 04 Sauterburg, 2 Aug. 442 m— 0 08 Köln, 2. Aug. 2 67 m— 0,04 Marau, 2 Aug 4½1 m + 08 Ruhrort, 2. Aug..05 m.— 0 08 Neckar Sermersheim, 20. Jul.85 m.20 i Mannheim, 3 Aug 455 m 770.08 Mannheim, 3 Aug.61 m+ 9 05. Mainz, 2. Aug 1 75 m 05 Heilbronn, 3 Aug 0 75 m +.28 Rheinwaſſerwärme am 1. Auguſt 176 R. Geld⸗Sorten. Dulaten Mk..60—55 Ruſſ. Imperials Mk. 16.70—69 20 Fr.⸗Stücke„ 16.25—21 Dollars in Gold„.40—18. Engl. Souvereigns„ 20.39—34 „Aähmaſchinen nur allein zu haben bei Martin Decker 4 35 4 Mehr wie je begegnet man beutzutage der Sucht renom⸗ mirte Gebrauchsartikel zu fälſchen reſp. nachzubilden. Das Gemeingefährliche dieſes Manbvers liegt darin, doß die Nachbildung in allen Fällen nichts anderes iſt, als eine ab⸗ ſolute Verſchlechterung eines guten Artikels, und die Abſicht des Truges ergibt ſich daraus, daß man ſolch qualitativ ſchlechtere Waare unter dem Deckmantel der getreuen Copie aller in das Auge fallenden Aeußerlichkeiten des Originals dem Käufer als ächte Waaxe in die Hand zu ſpielen ſucht. Dieſes Manöver konnten wir erſt dieſer Tage wieder wahr⸗ nehmen und zwar bei einer Toilette⸗Seife, die zwar als Doerings Seif, ang boten wurde, thatſächlich auch den Namen Doering's Seife führte, aber mit der wirklichen Doering's Seife, welche die Bezeichnung„mit der Eule träat, was Qualität, Werth und Wirkung betrifft, gar nichts gemein hat. Was bei dieſer nachgeahmten Seife am meiſten auffie], iſt daß ſie eine ſo täuſchend ähnliche Ausſtattung trägt wie die renommirte Doering's Eulen⸗Seife, ſo daß ein wenig aufmerkſamer Käufer durch dieſe Unterſchiebung ſehr leicht düpirt werden könnte. Zur Vermeidung allenfallſigen Schadens halten wir es für unfere Pflicht, unſere Leſer und Leſerinnen auf dieſes Falſum aufmerkſam zu machen, un geben denſelben den wohlgemeinten Rath beim Einkaufe von Doering's Seife zu prüfen, ob der dargereichten Seife die Eule als Schutzmarke aufgedruckt reſp. eingeſtempelt iſt. Doering's Seife ohne die Eule iſt ein für allemal nicht ächt. + Dieſes Erkennungszeichen iſt einfach aber untrüglict. ereeee 1 eree Senetal⸗Angeiger 5. Seite; 272 822 Wid Bekanntmachung. Die Nothlaufſeuche der Pferde betr. Wir bringen hiermit zur öffentlichen Kennt⸗ erden der hier garniſonirenden III. Abtheilung a Nr. 1 der Rothlauf n zu ermöglichen, ihren Pferdebeſtand tzen, weiſen wir auf die nachſtehende Be⸗ die Vorbeuge gegen dieſe Krankheit hin. rmeiſterämter des Landbezirks baben dieſe Verfüg⸗ ung, ſowie Belehrung ortsüblich bekannt zu machen. Den Fleiſchbeſchauern und Abdeckern iſt wiederholt zu eröffnen, daß ſie von dem Auftreten der fraglichen Krankheit alsbald dem Bürgermeiſteramte Anzeige zu erſtatten haben. Mannheim, den 1. Auguſt 1892. Großh. Bezirksamt: Seitz. gegen? lehru Belehrun über die Influenza der Pferde ünd die Vörbeuge gegen dieſelbe. Mit dem Namen„Jufluenza“ wird eine anſteckende, oft in 8 bis 14 Tagen ablaufende Krankheit des Pferdes bezeichnet, die unter verſchiedenartigen Erſcheinungsformen guftritt und dieſem ent⸗ ſprechend,„Bruſtſeuche“, Pferdeſtaupe“ oder anſteckende Hals⸗ entzündung(„Stkalma“) benannt wird. 1. Der Bruſtſenche(anſteckende Lungenbruſtfellenentzündung) gehen in der Regel während einiger Tage Verboten voraus. Die Pferde zeigen wenig oder nur abwechſelnd Freßluſt, unreine, ia belegt ſchmier Schleimhaut des Maules und gelbliche Verfärbung der Schl ite des Auges, der Naſe und des Maules. Die Thiere ſind träge, abgeſpannt und gerathen leicht in Schweiß. In den ſeltenen Fällen, in welchen die ebengedachten Verboten aus⸗ bleiben, ſetzt die Krankheit mit einer gewiſen Heftigkeit unter Auf⸗ ritt von Fie be rerſcheinungen ein. Die Thiere erſcheinen auffallend hinfällig, ſtützen den Kopf zeitweiſe auf die Krippe, blicken ſtier oder ſtarr vor ſich hin, wobei die Augen thränen und halb geſchloſſen, oft auch die Lider geſchwollen ſind; ſie hehen die Hinterfüße ab⸗ wechſelnd in die Höhe und ſchildern, wobei oftmals ein Knacken in den Gelenken hörbar wird. Die Bewegung iſt matt und träge, die Hinterhand ſchwankt hin und her, wie wenn das Thier taumelte 0 mit dem Hintertheil ſich nicht mehr auf den Beinen halten önnte. Die Erkrankung beginnt zuweilen auch mit einem Schüttelfroſt. n der Regel fühlen ſich im Anfange der Rumpf heiß und die Gliedmaßen kühl an, wobei die Haare ee ſträubt und gelegt werden. Die der Augen, der Naſe und des Maules röthen ſich unter Beibehaltung eines gelblichen Tones; das Maul iſt trocken, die Freßluſt gering oder ganz geſchwunden und der Durſt vermehrt. Der Koth wird in Geſtalt von kleinen, mit Schleim überzogenen, gewöhnlich hell gefärbten Ballen ſpärlich abgeſetzt, oder es tritt Durchfall ein, welcher einige Tage anhält. Der ſelten und in kleiner Menge entleerte Harn iſt trübe, gelbbraun und ſchleimig. Aus den Naſenlöchern fließt allerdings in nicht ſehr reichlicher Menge eine gelbliche oder gelbrothe, oder roſtfarbene klebrige Flüſſigkeit welche an dem Naſeneingang antrocknet und dunkel gefärbte harte Kruſten zurückläßt. Manchmal iſt der Ausfluß Die Thiere athmen raſch und angeſtrengt(20—40 mal in der inute), und bewegen dabei die Naſenflügel und Flanken lebhaft, Es ſtellt ſich ein kurzer und trockener, ſchmerzhafter Huſten ein, welcher ſtoßweiße erfolgt. Beim Druck auf die Bruſtwandung zeigen die Thüre Schmerz, indem ſie dem Druck auszuweichen ſuchen und oft ſtöhnen. Sie legen ſich nicht zu Boden und bleiben ſtets ſtehen oder lehnen fich an. Beim Aushorchen der Rippenwände wird an der erkrankten Seite ſtatt des regelmäßigen murmelnden Lungengeräuſches ent⸗ weder Pfeifen, Schnarren, Raſſeln oder Plätſchern, oder ein Geräuſch vernommen, ähnlich demjenigen, welches durch Reiben von Papier auf Papier entſteht. Die Krankheit erreicht gewöhnli Tage und geht entweder in vollſtändige oder unvollſtändige eder in Tod aus. Bei der Oeffnung von Pferden, welche an der Bruſtſeuche ge⸗ zatten haben, findet man die Lungen dunkelroth gefärbt, aufgedunſen und ſtark mit Blut überfüllt, Die erkrankten Lüngentheile ſind ver⸗ dichtet, fiigen ſich härter als geſunde Lungen an. Der Lungen⸗ überzug iſt rauh, mit Gerinſeln oder mit einem häutigen Ueberzug belegt; ähnliche Auflagerungen befinden ſich oft am Bruſtfell, das ſtreiſig geröthet iſt. Auf dem Durchſchnitt der erkrankten Lunge erſcheinen gelbliche, verſchieden große und geſtaltete Stellen und ſulzlge Streifen. Eine derartig beſchaffene Lunge ſinkt im Waſſer unter. Außerdem enthält die Bruſthöhle in der Regel eine 1198 5 Menge röthlicher oder trüber und mit Flocken nermiſchter Flil ſigkeit. 2. Die Pferdeſtaupe(von Einigen„Rothlaufſenche“ der Pferde genannt) verbreitet ſich raſcher als die Bruſtſeuche und herrſcht daher e ſeuchenartig. Die Krankheit entwickelt ſich in in—9 Tagen ihre Höhe eneſung, ganzer kurzer Zeit, meiſt ſchon im Verlauf von 12 Stunden und ohne daß ihr Vorboten vorausgehen. Die Pferde äußern zunächſt große Mattigkeit und Müdigkeit. Der Gang iſt ſchwerfällig und langſam, zuweilen ſchwankend im Nierde u die Ohren hängen ſchlaff herab; in Staälle ſind die Pferde unaufmerkſam auf die Umgebung, ſenken den Kopf oder ſtützen 119 auf und ſchildern. Daneben beſtehen die Fe e eines oft hochgradigen Fiebers, der Rumpf iſt heiß, die Füße ſind kühl, der Herzſchlag iſt pochend. Weiterhin erkranken die Augen. Es tritt Thränenfluß, Schwellung und der Augenlider und der weißen Augenhaut, manchmal auch Trübung der durch⸗ ſichtigen Hornhaut ein, Das Auge wird weil es gegen Licht ſehr empfindlich iſt, geſchloſſen. Aus der Naſe fließt eine Anfangs wäſſerige, ſpäter grauweiſe ſchleimige Flüſſigkeit. Die Schleimhaut der Naſe iſt geröthet und geſchwollen, diejenige des Maules ſchmutzig krocken und heiß, die Zunge belegt, manchmal ſchwärz⸗ lich. Die Athmung geſchieht regelmä 191 oder iſt nür wenig ver⸗ mehrt; daneben beſteht Huſten. Der unterdrückt, oder gering, der Durſt dagegen vermehrt, der Koth, anfangs normal, päter brerig und von rothbrauner Farbe. Die Pferde gühnen häufig und belecken gerne kalte Gegenſtände. Die unteren Theile der Gliedmaß en ſchwellen regelmäßig mehr f oder minder an, zuweilen auch die Lippen, die Unterbruſt und der Schlauch. 4975 Obgleich die Krankheit eine raſche Abmagerung der ferde zur Folge hat geht ſie bei rſchtger Behandlung 55 ſſch in der Patienten meiſt in Geneſung aus. Als Nachleiden ſtellen ſich indeß nicht ſelten Sehnen⸗ und Sehnenſcheidenentzündungen, ſowie auch Durchfälle und Gehirnentzündung ein. Vei der Oeffnung von an der Pferdeſtaupe umgeſtandenen Pferden erſcheint das Blut locker oder gar nicht geronnen, von dunkelm Ton und ſtark abfärbend. Das Herzfleiſch iſt blaß, mürbe, wie gekocht. Der Herzbeutel und die Bruſthöhle entgalten blutig Ade Flüſſtgkeft. Die Lungen ſind blutreich, die Leber iſt ver⸗ größert, mürbe, brüchig und von grauröthlicher Farhe. Sämmtliche Schleimhäute ſind verdickt und bläulichroth verfürbt, am ſtärkſten gewöhnlich diejenige des Darmes, wo es zur Bildung von ſchlottern⸗ ten Wülſten kommt. 5 3. Die anſteckende Halsentzündung— Skalma— ſeuchen⸗ artiger Katarrh der oberen Luftwege befällt nicht immer ſämmtliche 0 eines Beſtandes, 1110 vorausbeſchriebenen rankheitsformen gewöhnlich der Fall iſt. Reben einer aa Ermüdung bekunden die erkrankten Aten zunächſt einen kurzen, rauhen, nicht ſelten ſchmerzhaften uſten. Nach einigen Tagen ſtellt ſich ein wäſſeriger, zäher Naſenaus⸗ fluß ein, der ſplter dickflüſſig wird. Der Ausfluß lätzt in manchen Fällen nach kurzer Dauer wieder nach oder er hält 10—14 Tage an. Manchmal enthält er Theilchen von zerkautem Futter, welche ge⸗ wöhnlich unmittelbar, nachdem das Pferd Waſſer aufgenommen hat, ſch Vorſchein kommen. 1 15 iſt regelmäßig und nur in weren Fällen vermehrt und ſchwierig. Die Schleimhaut des Auges und der Naſe iſt blaßroth, die des Auges ſchmutzig grauweiß und trocken, zuweilen gelblich. Freßluſt iſt in der Regel vorhanden, das Futter wird aber langſam aufge⸗ nommen und gekaut. Neben dieſen Erſcheinungen nimmt man Sträubern der Haare, Kühle der Gliedmaßen und Erhöhung des Pulſes und Herzſchlages(Fieber) wahr. Im Gefolge der Krankheit ſtellt ſich zuweilen eine Bruſtfellentzündung ein, welche einen tödt⸗ lichen Ausgang veranlaſſen kann In dieſem Falle ſteigern ſich die eben genannten Fiebererſcheinungen, die Athmung geſchieht ſehr an⸗ und die Patienten bekunden beim Druck auf die erkrankte ruſtſeite Schmerzen. Bei der Dettion ſolcher Pferde findet man die Bruſthöhle mit Müſigkeit angefüllt. Von dieſen Ausnahmefällen abgeſehen, geht die ſeuchenartige Halsentzündung in der Regel in völlige Geneſung über. Wie aus der Beſchreibung der im einzelnen angeführten Krank⸗ heitsformen hervorgeht, beſtehen trotz der vorhandenen Abweich⸗ ungen in dem Krankheitsbilde gewiſſe Merkmale, welche mehr oder minder allen drei Leiden zukommen und in früherer Zeit die Ver⸗ anlaſſung dazu gegeben haben, die gedachten Erkrankungen einheit⸗ lich als Influenza aufzufaſſen. Das Fieber, die Aeußerüngen einer erheblichen Ermattung und Ermüdung ſowohl bei der Arbeit als im Stalle, das unregelmäßige Ausſehen der ſichtlichen Schleimhäute des Kopfes, ein mehr oder minder ausgeſprochener Huſtenreiz, der Naſenausfluß, die üngleichmäßige Vertheilung der Körperwärme auf der Haut u. ſ. w. ſind gemeinſchaftliche Erſcheinungen. Vor allem aber iſt es die Beobachtung, daß jede der gedachten Krank⸗ heitsformen ſich auf dem Wege der Anſteckung weiterverbreitet, weßhalb angenommen werden muß, daß das influenzakranke Pferd einen beſtimmten Stoff(Krankheitsſtoff) erzeugt, welcher auf ge⸗ ſunde Pferde übertragen, dieſe wieder krank machen kann. Die Uebertragung des Anſteckungsſtoffes kann unmittelbar von Pferd zu Pferd oder mittelbar durch Perſonen oder Gegenſtände, welche mit den kranken Pferden in Berührung gekommen ſind und denen deßhalb der Anſteckungsſtoff anhaftet, geſchehen. Demnach iſt jede Berührung geſunder Pferde mit kranken, leichgiltig ob im Stalle oder im Freien, zu verhindern; und der erkehr von Perſonen in Stallungen, in welchen die Influenza aus⸗ gebrochen iſt, zu vermeiden, deßgleichen der Bezug von Gegenſtänden, als; Stallgeräthe, Geſchirre, Futter, Stroh, Bung u. ſ. w. aus ver⸗ ſeuchten Gehöften. Beim Ankauf von Pferden, namentlich aus ſeuchenverdächtigen Gegenden, empfiehlt es ſich, die angekauften Thiere während—10 Tagen nicht zu den übrigen Pferden der Mirthſchaft zu bringen, ſondern abgeſondert von dieſen aufzuſtellen und zu verwenden. Bricht die Influenza in einem Pferdebeſtand aus, ſo läßt ſich manchmal durch ſofortige Abſonderung der noch geſund ſcheinenden Pferde von den kranken oder der Seuche verdächtigen Thiere eine weitere Erkrankung aufhalten. Die erkrankten Pferde bedürfen einer ſehr ſorgfältigen Auf⸗ merkſamkeit und Pflege, wenn Verluſte verhütet werden ſollen. Die letzteren entſtehen erfahrungsgemäß oftmals nur aus Mangel an Schonung, Wart und Pflege. Nach dem Erlöſchen der Seuche iſt nicht zu unterlaſſen, die Stallungen, die Stallgeräthe, den Dünger u. ſ. w. gründlich zu desinfiziren. Btkanntmachung. (171) No. 63709. Im Hinblick auf die zahlreichen Uebertretungen der„Ordnung für die ſtädtiſche Badeanſtalt“ Ortspolizeiliche Vor⸗ ſchrift vom 3. Juni 1874) bringen wir dieſe Vorſchrift mit dem An⸗ fügen in Erinnerung, daß im Zu⸗ widerhandlungsfalle ſtrenge Be⸗ ſtrafung erfolgt. Insbeſondere legen wir den Eltern, Vormün⸗ dern und Erziehern nahe, die ihrer Aufſicht unterſtellten Per⸗ ſonen auf die unten fettgedruckten Handelsregiſtereinträge. Zum Handelsregiſter wurde ein⸗ getragen: 5 44401 1. Zu.⸗Z. 198 Firm⸗Reg. Bd. IV. Firma:„Ferdinand Mayer“ in Mannheim. Der am 15, April 1892 zwiſchen Ferdinand Mayer und Amalie Kätz in Mannheim errichtete Ehevertrag beſtimmt: „Das Vermögen der zukünftigen Ehegatten ſoll durchaus getrennt bleihen; es behält die zukünftige Ehefrau die völlige Verwaltung ihrer beweglichen und unbeweg⸗ ppetit iſt entweder ganzſ ß lichen Güter und den freien Ge⸗ nuß ihrer Einkünfte. Bad..⸗R. S. 1536 55 2..„Z. 170 Firm. ⸗Reg. Bd. IV. 19 4 A. M. Orth“ in Mannheim. Vie Firma iſt Vorſchriften ausdrücklich hinzu⸗ werdnung kür die ſtädtiſche Ordnung für die ſtä e Bade⸗Anſtalt. § 1. Die Badeanſtalt iſt täglich von Morgens 5 Uhr an bis zum erloſchen. Eintritt der Dämmerung geöfſnet. 3. Zu.⸗Z. 126 Geſ.⸗Reg. Bd. 5 8 ienſ 199 e ee 17555 A. Boller& Cp. er Dienſtag un reitag jeder i 15005 f Woche beſtimmt, an welchen Tagen 91 en i „8. 199 Fixm.⸗Reg. es den männlichen Beſuchern un. 4 Zu.8 terſagt iſt, die Anſtalt zu henützen. Bd. 10. Firma:„Theodor Henz⸗ ler“ in Mannheim. Inhaber iſt ſlich 05 find oi 5 10 5 geltlich; jedoch ſind die Beſucher verbunden, folgende Vorſchriften Mabnden e 5. Zu.⸗Z. 98 Firm.⸗Reg. Bd. genau einzuhalten: Is(wurde aufgehoben durchII. Firma:„Friedrich Auguſt Müller“ in Männheim. Karl vom 26. Juni 1 Otto Alewyn in Mannheim iſt 84. Alle Beſucher der Anſtalt! aig Prdenei beſtel em ohne Ausnahme dürfen nur in] 8, Zu.⸗Z. 481 Geſ.⸗Reg. Bd⸗ geeigneter Bekleidung baden; yI. Firma:„Traumann& Cp.“ ohne dieſe iß das Baden nicht ge⸗ in Mannheim. Auguſt ſtattet. iſt durch ſein, am 7. Juni d. Js. Außerhalb der Anſtalt darferfolgtes Ableben aus der Geſell⸗ Niemand entkleidet umhergehen, ſchaft ausgeſchieden. Das Ge⸗ oder ſich ins 1 begeben. ſcat wird von den übrigen Theil⸗ 5 5. Das Benutzen der habern CTonſul Eduard Trau⸗ größeren Baſſins, ſowie der mann und Kaufmann Richard Douche iſt nur erwachſenen Traumann unter derſelben Firma erſonen geſtattet. fortgeſetzt. Vgimlich Beſucher ſind ge Mannheim 30. Juli 1892. alten, ſofort nach genommenem r. Amtsgericht: Vade die Anſtalt zu verlaſſen. Noralh. §. 6. Schulpflichtige dürfen während der beſtimmten Schul⸗ ſtunden die Anſtalt nicht beſuchen, und werden etwa Entgegenhan⸗ delnde weggewieſen. § 7. Niemand ſoll baden, ohne ganz abgekühlt zu ſein und ohne auf die allgemein bekannten diätiſchen Regeln gehörige Rück⸗ ſicht genommen zu haben. 8. Man erwärtet von jedem Beſucher der Anſtalt ein anſtän⸗ diges Betragen. Zuwiderhan⸗ delnde werden ausgewieſen. Unfug in den Baſſius durch übermäßiges Spritzen, Sto⸗ Ackerverpachtung. Montag, den 8. Auguſt 1892, Nachmittags 2 Uhr werden im ſtädtiſchen Bauhofe nachbenannte, auf Martini d. J. pachtfrei werdende ſtädtiſche Aecker auf mehrjährigen Zeitbeſtand loos⸗ weiſe öffentlich verſteigert, 2555 war: 442 Von der Kuhweide, 2. Gewann: hectar ar qm Loos 6 bis 63, zuf. 20 32 34 Von der cebte. 2. Theil: Loos 1 bis 19, zuf. 7 09 56 ſien und dergleichen iſt ver⸗ Von der Oberhellung oten. Egbch. No. 156— 22 95 8 9. Das Tabakrauchen in der„„ 204— 47 92 Anſtalt, ſowie das Mitbringen 1 7 iſt ſtrengſtens unter 9908 1 6188, luf. 9 10. Beſchwerden können bei Von der Schaafweide Labch. No. 981 alt dem Badekommiſſär vorgebracht (neu 500) Von dem Altwaſſer: werden, welcher mit Handhabun der Badeordnung beauftragt iſt. — 18 54 § 11. Uebertretungen dieſer Igbch. No. 945/948 alt Bade⸗Ordnung werden gemäß 5 lneu 518— 92 92 des.⸗St.⸗G.⸗B. an Geld bis Von den Sellweiden: zu 150 Mark beſtraft. Loos 9 bis 21, zuf. 4 88— Mann 7 5 11 5 Von e and⸗ roßh. Bezirksamt: 5 Sgbch. No. 1874 alt Dr. Schmid. 1 1289 Von ne Sand⸗ ewann: Heſfentlicht Lerſteigtrung. 2c. g8. 184 alt Am 44400(neu 1347) 17 Donnerſtag, 4. Anguſt d.., Mannheim, 30, Juli k8ss. Vormittags 11 uhr Die Culturcommiſſion. werde ich unter der Neckarbrücke Bräunig. dahier N here in Fiſchraften Submiſſion. im Vollſtreckungswege gegen baare Zahlung öffentlich verſteigern. Mannheim, den 3. Auguſt 1892. öbner, Gerichtsvollzieher. N 4, 4. Verſteigerung. alber verſteigere ich Wegzugsh ſteig 14800 Die Zimmer⸗ und Dachdecker⸗ arbeiten für die auf dem neuen Gaswerk zu erſtellende Coacshalle ſollen im Submiſſionswege ver⸗ geben werden. 44383 Angebote hierauf ſind ſpäteſtens Montag, den 15. Auguſt, Vormittags 11 Uhr mit entſprechender Aufſchrift ver⸗ am ſehen, auf unſerem Verwaltungs⸗ Donnef ſiß⸗ den 4. Auguſt, büreau K 7, 2 einzureichen, Mittags 3 Uhr woſelbſt ſolche in Anweſenheit im Stephanienſchlößchen, Schwetz⸗ etwa erſchienener Bieter geöffnet werden. Die Pläne ſowie die Lieferungs⸗ bedingungen ſind auf dem Büreau des neuen Gaswerkes(Lindenhof) einzuſehen. ingerſtraße: 3 vollſtändige Betten, Waſch⸗ tiſche mit Marmorplatte, Anrichte Stühle, Tiſche, Küchenſchrank, 1 Couliſſentiſch, Wand⸗Uhren und Verſchiedenes. Mannheim, 2. Auguſt. 1892. Mayerhuber, Direction der Stäbt. Gas⸗ und Auctionator. Waſſerwerke Mannheim. Gr. Bad. Staatseiſenbahnen. Herſtellung nener Hafenanlagen in Mannheim. Die Ausführung der oberen, 441 m langen Strecke der Kai⸗ mauer am Rhein längs der Mühlau al in Mannheim zwiſchen km 254,959 und km 255 400 ſoll im Sub⸗ miſſionswege vergeben werden. Die näheren Erläuterungen für die Bauausführung, die Pläne, das Bedingnißheft, ſowie das für die Angebote zu benützende For⸗ mular liegen auf dem Geſchäfts⸗ zimmer des Unterzeichneten zur Einſicht auf. 44166 Angebote ſind ſpäteſtens Donnerſtag, 11. Auzuſt 1892, Vormittags 10 Uhr, de welcher Zeit die Eröffnung erſelben erfolgt, an den Unter⸗ zeichneten einzureichen. Zuſchlagsfriſt 14 Tage. Mannheim, den 28. Fuli 1892. SGr. Bahnbauinſpektor. Steigerungs⸗Ankündigung. In Folge richterlicher Verfüg⸗ ung werden den Georg Jakob Zahn, Maurers ECheleuten hier, die nachverzeichneten Liegenſchaf⸗ ten am 43468 Donnerſtgg, 11. Auguſt 1892, Nachmittags 2 Uhr im Rathhauſe dahier öffentlich verſteigert, wobei der endgiltige Zuſchlag erfolgt, wenn der Schätz⸗ ungspreis mindeſtens geböoten wird. Beſchreibung Aegenſchaften. 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Js., des Nachmittags um ein Uhr im Saale der Re⸗ ſtauration Peter zu Oggers⸗ heim werden im Gae gegen baare Zahlung verſteigert, 8. 44382 eine Parthie, etwa 200 Mille Cigarren, beſſere Sorten, etwa 60 Päckchen Schnupftabak, 1 noch faſt neuer Kleiderſchrank, 3Cigarren⸗Arbeitstiſche, 8 große Hängelampen, 2Dezimalwaagen Fournier⸗Schneidmaſchine, 1 Pärthie Tabak, Pfälzer Ein⸗ lage, etwa 2 Centner, wie Sonſtiges. Die Verſteigerung ſindet be⸗ ſtimmt ſtatt. Frankenthal, den 29. Juli 1892. Theato, L. Gerichtsvollzieher. Heffentliche Verſteigerung. Freitag, den 5. Auguſt d.., Nachmittags 20f0 werde ich im Pfandlokale Q 4, 5: 2 Faß⸗ und mehrere Fußwinden gegen Baarzahlung im Auftrage öffentſich verſteigern. 4407 Mannheim, 2, Auguſt 1892. Tröndſe, Gerichtsvollzieher, U 5, 27. Heffentliche Nerſttigerung. Im Auftrage werde ich Donnerſtag, 4. Auguſt l.., Nachm. 2 Uhr auf dem Lagerplatz der Firma Krguß⸗Bühler hier am Binnen⸗ 44²68 hafen 1200 und 200 Ceutner la, gewaſchene Ruhr⸗Nuß⸗ Schmiedekohlen, ſchwerſte Sorte, franco hier, Ziel ein Monat öffentlich perſteigern. Mannheim, 31. Juli 1892. 5 5 Gerichtsvollzieher. Heffentliche Verſteigerung. Donnerſtag 4. Auguſt d.., Nachmittags 2 Uhr werde ich im Pfandlokal Q 4, 5 im Auftrage des Konkursver⸗ walters Herrn Rechtsanwalt Dr. Dührenheimer die zur Konkurs⸗ maſſe des Wirths Wilhelm Gerber hier gehörenden Gegenſtände als: 1 Kommode, 1 Nähmaſchine, ſowie im Vollſtreckungswege 1 noch neuer Winterüberzieher gegen Baagrzahlung öffentlich e Mannheim, 3. Auguſt 1892. Schuhmacher, 44409 Gerichtsvollzieher, B 5, 11½. Die 33952 andſchuhwaſcherei L. Jähnigen, befindet ſich nunmehr H ock. 7 + 9 Ad ee e. Avis für Damen. Braut⸗, Ball⸗, Geſellſchafts⸗ und Photographie⸗Friſuren werden von mir ſelbſt auf das Geſchmackvollſte ausge⸗ 5 führt. 650 Mäßige Preiſe. F. X. 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Wolff und Herr Schulze aus Ludwigshafen in liebenswürdiger Weiſe ihre Mitwirkung zugeſagt. Zum Eintritt berechtigt die Fecht⸗ ſchulkarte pro 1892 à 50 Pfg. welche an der am 14. November d. J. ſtatt⸗ findenden Verlooſung von Werth⸗ gegenſtänden theilnimmt. Dieſelben ſind zu haben bei den Herren Stephan Keſſelheim, Cigarren⸗ 5— handlg., D 1, ½8. Adolf Schneider, Cigarrenhandlg., O 2, 5. Theodor Sohler⸗ Nuſikalienhandg, O 2 1. Friſeur Bieger, P 8, 13. Ludwig Häffner, P 1, 1. Jakob Sternheimer, B 4, 17. Zilcke& Co,, E 2, 16, ſowie bei den Herren Vorſtandsmitgliedern Karl Arnold H 4, 27. Wilhelm Walter, T 2, 8. Der Vorſtand. ciped-Jabrig urger& Offenstein, Nürnberg, Vietoria-Werke. Fabrikate erſten Ranges. Lieferanten der meiſten europäiſchen Armeen und vieler Staatsanſtalten. Nyr um Jahy Fyr das Walge n= Hlays in Laßrte⸗ 9 General⸗Vertreter: 7 Wilh. Printz. Karlsruhe und Mannheim. 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