u1 n — S 0 9 32 Telegramm⸗Adreſſe: „Journal Mannheim.“ In der Poſtliſte eingetragen unter Nr. 2736. Abonnement: 60 Bfg. monatlich, Bringerlohn 10 Pfg. monatlich, durch die Poſt bez. inel, Poſtauf⸗ ſchlag M..30 pro Quartal. Inſerate: Die Colonel⸗Zeile 20 Pfig. Die Reklamen⸗Zelle 60 Pfg. Einzel⸗Nummern 8 Pfg. Dahhbel⸗Nummern 5 Pfg E 6, 2 unhei der Stadt Maunheim und Umgebung. mer It (107. Jahrgang.) Erſcheint wöchentlich ſieben Mal. Seleſeuſte und verbreilelſte Jeilung in Maunheim und Kmgegend. Durnal. Verantwortlich; für den politiſchen u. allg, Theil;: Eruſt Otto Hoppß. für den lokalen und pray, Theil; Ernſt Müller. für den Kark pfel,. Rotationsdruck und Verlag der Dr. H. Haas'ſchen Büch⸗ druckerei, (Erſte Mannheimer Typograph, Anſtalt.) (Das„Mannheimer Jouengl“, iſt Eigenthum des katholiſchen Bürgerhoſpltalt.) (Mannheimer Volksblatt.) E 6, 2 ſämmtlich in Mannheim, Nr. 293. Zweites Blatt. Weltpolitik und„uferloſe“ Flottenpläne. Hierüber ſchreibt„ein bayeriſcher Centrumsmann“ in der „M. Allg. Ztg.“: Es gibt noch ſolche Länder auf unſerm Planeten, Länder, die nach Boden und Klima durchaus geeignet ſind, deutſche Länder zu werden, d. h. deutſche Bauern und Kleingewerbe⸗ treibende aufzunehmen. Die überzeugendſten Beweiſe hierfür liegen vor. Trotz aller offiziellen Abmahnungen und trotz aller ſonſtigen widrigen Umſtände iſt in Südbraſilien und in den Laplata⸗Staaten ein Stamm deutſcher Anſiedelungen herangewachſen, der mächtig genug iſt, um uns zu zeigen, wohin wir unſere Kraft hauptſächlich zu wenden haben. Die amtlichen Erlaſſe der deutſchen Regierungen, die ſeit nahezu 50 Jahren vor der Auswanderung nach Südamerika warnten, mögen ja immerhin eine gewiſſe Berechtigung gehabt haben, — aber doch eben nur eine gewiſſe. Sie warnten ab im Hinblick auf die traurigen politiſchen Verhältniſſe der betreffen⸗ den ſüdamerikaniſchen Staaten: es bliebe dabei aber immerhin noch zu erörtern, ob es nicht einer ausgedehnteren deutſchen Einwanderung doch gelungen wäre, dieſe Verhältniſſe etwas weniger traurig zu geſtalten! Wer gibt denn den Pankees das Recht, zu ſagen: „Amerika gehört uns!?“ Auf welchen Satz des natürlichen, göttlichen Rechts können ſie ſich— da ſie doch keine autoch⸗ thonen„Indianer“ ſind— berufen? Oder können ſie für ihre ungeheuerlichen Prätenſionen auch nur das Recht der Macht in Anſpruch nehmen? Sie bilden ſich's offenbar ein und Europa glaubt es; es iſt ja gewohnt, vor„Bruder Jonathan“ auf dem Bauch zu liegen und ihn für eine Groß⸗ macht zu halten. Deutſchlands nächſte Aufgabe wird ſein, die„Monroe⸗ Doctrin“, ſei es in Güte, ſei es mit Gewalt, zu beſeitigen. Dieſes Ungeheuer hat auch nicht den Schein einer Daſeins⸗ berechtigung mehr! Seine Exiſtenz iſt eine Verhöhnung aller Culturnationen Europa's, und ſeine Conſequenzen werden, wenn die europäiſchen Mächte dieſes ſchamloſe„Geſetz“ ferner⸗ hin reſpectiren, für ganz Europa die ſchlimmſten ſein. Das iſt unſres Erachtens der Hauptgrund, der für das Deutſche Reich eine ſtarke Seemacht als unbedingtes Er⸗ forderniß erſcheinen läßt. Sollte es unſerm Volke gleichgültig ſein, ob der Ueber⸗ ſchuß an Kraft, den Deutſchland allzährlich erzeugt, anderen, uns zum mindeſten wirthſchaftlich feindlichen Staaten zufließt und in denſelben verloren geht, oder ob wir in Ländern, die für die volle Bethätigung deutſcher Energie geradezu prädeſtinirt ſind, ein neues Deutſchland erſtehen laſſen können, zu fort⸗ dauernder Stärkung unſerer Nation?! Daß in dem höchſt wahrſcheinlich bevorſtehenden Conflicte zwiſchen Spanien und der Union unſre Stellung nur auf der Seite Spaniens ſein kann, bedarf nach dem Vorgeſagten wohl keiner beſonderen Begründung; ebenſo verſteht es ſich wohl von ſelbſt, daß dieſe Stellungnahme nicht ſchlechthin nur eine „platoniſche“ ſein darf. Spanien hat, wie die Dinge zur Zeit liegen, für ganz Europa die Rolle des vorgeſchobenen Poſtens, oder, wenn man will, der Avantgarde; es wäre unverantwortlich, wenn wir es im Stiche ließen. Zur Erfüllung dieſer und ähnlicher Pflichten und noch mehr zur Löſung der nach dem Begräbniß der„Monrbe⸗Doctrin“ mit Nothwendig⸗ keit ſich ergebenden weiteren Aufgaben bedürfen wir auf 20 bis 25 Jahre hinaus einer Kriegsflotte, die ſtark genug iſt, um, ohne ihre Obliegenheiten in anderen Gewäſſern darum vernachläſſigen zu müſſen, doch mindeſtens einer Seemacht dritten oder vierten Ranges(z. B. der Union) auf jedem be⸗ liebigen Platze mit voller Siegeszuverſicht entgegenzutreten und Seemächten zweiten Ranges wenigſtens gehörigen Reſpect einzuflößen. Alle Einwendungen, die gegen eine ſolche Verſtärkung unſerer Marine vorgebracht werden mögen, erſcheinen dieſen vitalſten Anforderungen gegenüber vage und leer. Geben wir uns doch keinen Selbſttäuſchungen hin, faſſen wir vielmehr unſere Zukunftsaufgaben feſt und entſchloſſen in's Auge. Wir müſſen uns, mag der Gedanke— da es kaum eine deutſche Familie gibt, die nicht wenigſtens einen Verwandten drüben“ hat— auch zunächſt ſehr ſchwer zu erfaſſen ſein, wir müſſen uns klar darüber werden, daß wir die„Union“ als unſern nächſten Feind zu betrachten haben und den Kampf mit ihr als das nothwendige Vorſpiel eines ſpäteren, ebenſo unaus⸗ bleiblichen Kampfes mit einem viel mächtigeren Gegner, näm⸗ Jlich mit England! Deutſches Reich. Vor der Fluth. Unter dieſem Titel hat O. Mittelſtädt ſechs Briefe ge⸗ ſchrieben; in einem derſelben heißt es:„Indem der Kaiſer, lets ſich ſelbſt und ſeine Perſon repräſentirend, allzu dauernd and allzu perſönlich handelnd fortgeſetzt im ſcharf beleuchteten Dienſtag, 26. Oktober 1897. ſarlephanAr. I Vordergrunde der Staatsbühne ſteht, läuft er Gefahr, ſich ſelhſt, ſeine Krone, ſein königliches Anſehen und ſeine ſouveräne Herrſchaft vor der Zeit zu verbrauchen. Dem iſt in unſern Tagen auch die begabteſte, willensſtärkſte Natur nicht mehr gewachſen, ohne Unterlaß in Action zu ſein, über Alles eine autoritative Meinung zu beſitzen und dieſe Meinung zu jeder Stunde in unanfechtbarer Form auszuſprechen. Es kann gar nicht ausbleiben, daß hierbei Widerſprüche, Verfehlungen des Gedankens oder des Ausdruckes, infolge deſſen unliebſame Mißverſtändniſſe jeglicher Art mit unterlaufen. In der aktuellen Politik muß nicht ſelten derſelbe Mann und dieſelbe Maßregel, die heute geehrt, begünſtigt und gefeiert werden, morgen der Mißgunſt, dem Tadel, der Gleichgiltigkeit anheimfallen. Dem monarchiſchen Prineip iſt es, wie ich glaube, ſchädlich, wenn das Volk ſich gewöhnt, hinter all' derartigem Scenenwechſel wechſelnde perſönliche Stimmungen des Monarchen vorauszu⸗ ſetzen, und die öffentliche Meinung in ihrer geſchäftigen Kritik aller Regierungsmaßregeln offen oder verſteckt immer wieder die Allerhöchſte Perſon antaſtet. Diejenigen demokratiſchen Volksinſtinkte, die bewußt antimonarchiſcher Richtung ſind, er⸗ greifen mit Begier die ihnen gebotene Gelegenheit, ſich feind⸗ ſelig aufzulehnen wider eine, wie ſie behaupten, von menſchlichen Launen willkürlich inſpirirte Tyrannis, und diejenigen anderen Elemente moderner Demokratie, die bereit wären, jedem willens⸗ kräftigen Repräſentanten der Volksgewalt die Geſchicke der Nation als unbeſchränktem Alleinherrſcher anzuvertrauen, werden in ihrem Glauben irre, wenden ſich anderen Geſtirnen zu. Wir befinden uns eben nicht mehr in den ſtillen Tagen altpreußiſchen Königthums mit ſeinen tief in den vaterländiſchen Boden ein⸗ gebetteten geſchichtlichen Wurzeln. Wir ſtehen auf dem heißen vulkaniſch durchwühlten Boden des Deutſchen Reiches, um die Mitte dieſes Jahrhunderts durch eine Revolution zurecht ge⸗ furcht, ſpäter durch Krieg, Eroberung, den Umſturz von Thronen, durch den papiernen Vertrag einer neuen Verfaſſungsurkunde und durch das allgemeine Stimmrecht zuſammengeknetet und ſanctionirt. Ein allzu perſönliches Regiment, das dieſe Lage der Dinge nicht mit aller Schärfe unermüdlich im Auge behält, wird trotz allen individuellen Tugenden und allen edlen Ab⸗ ſichten des Regenten der deutſchen Monarchie früher oder ſpäter eine Kataſtrophe bereiten.“ Von der Anſiedelungskommiſſion für Poſen und Weſtpreußen wurden nach einer amtlichen Statiſtik bis Ende 1896 insge⸗ ſammt 148 Rittergüter und 35 bäuerliche Beſitzungen ange⸗ kauft; die erworbenen Ländereien haben eine Fläche von 92724 Hectar und erforderlen einen Geldaufwand von 56159 196 M. Es wurden 3071 Colonien mit einem Flächeninhalt von 70349 Hectar und einem Werth von 38 000 000 M. angelegt. Die beſiedelte Fläche zerfällt in Rentengüter im Umfänge von 28 036,42.42 Hectar und einem Werthe von 19 199 481.93 M. und in Pachtgüter im Umfange von 6652,80.62 Hectar mit einem Werthe von 2230 179.56 M. Der geſammte Complex iſt an 1975 Coloniſten vertheilt worden; es entfallen daher auf den einzelnen Coloniſten durchſchnittlich 17,56 Hectar mit einem Werthe von ea. 11265 M. In der Zahl der von der Anſiedelungseommiſſion angekauften Güter befinden ſich 34 Rittergüter und 2 Bauernhöfe, deren Vorbeſitzer Deutſche waren; von polniſchen Beſitzern ſind 117 Rittergüter und 38 Bauernhöfe an die Commiſſion übergegangen. Eine polniſche Fibel iſt jetzt von der Regierung verboten worden; dieſelbe enthält u. a. folgendes:„Wer von polniſchen Eltern geboren iſt, bleibt Pol, mag er in der Schule und unter den Leuten noch ſo gut deutſch ſprechen gelernt haben.“ Danzig, Thorn, Bromberg, Breslau, Oppeln, Beuthen.⸗S. u. a. werden zu den wich⸗ tigſten Städten in den polniſchen Ländern gezählt. Bis zum Jahre 1660 ſeien die preußiſchen Fürſten, die Vorfahren der ſpäteren preußiſchen Könige und deutſchen Kaiſer, als Herren von Königsberg ꝛc., Untergebene der polniſchen Könige geweſen und hätten ihnen auf dem Markte zu Krakau den Eid der Treue geleiſtet. In Gedichten werden die Kinder ein⸗ dringlich ermahnt, an der Mutterſprache und am Vaterlande (Polen) feſtzuhalten. Den Polen iſt es überall nicht um Gleichberechtigung der Nationalitäten, ſondern um Herrſchaft zu thun. Sie betrachten ſich nach ihrem offenen Eingeſtänd⸗ niß nicht als Preußen, ſondern als polniſche Unterthanen Preußens. Solchen Auſchauungen und Beſtrebungen gegenüber würde die preußiſche Regierung ihre erſte nationale Pflicht verſäumen, wenn ſie nicht mit aller Energie und Beharrlichkeit das Deutſchthum in unſeren Propinzen des Oſtens ſchützen würde. Deutſche Parteien, welche ſich mit den Polen alliiren, ſtelleu ſich außerhalb der urſprünglichſten vaterländiſchen Auf⸗ gaben eines Deutſchen. Reform des Militär⸗Strafprozeſſes. Ein parlamentariſcher Berichterſtatter will zuverläſſig er⸗ fahren haben, daß nicht nur von preußiſch⸗militäriſcher Seite, ſondern auch von der Regierung eines anderen Bundesſtaates ſtarke Bedenken gegen die Oeffentlichkeit des Verfahrens bei der Reform des Militär⸗Strafprozeſſes geltend gemacht wor⸗ den ſind. Margarinegeſetz. Der Zentralverband deutſcher Kaufleute, der die Intereſſen der Mittel⸗ und Kleinkaufleute vertreten will, hat beim Bundes⸗ rath petitionirt, betreffs der geſetzlich gebotenen„getrennten Verkaufsräume“ die Anbringung eines Verſchlags im Lokal als genügend zu erklären. Von agrariſcher Seite wird man einem ſolchen Anſinnen wohl eifrig entgegentreten. Die Generalverſammlung des Konſer⸗— vativen Landesvereins für das Königreich Sachſen hat einſtimmig folgenden Beſchluß gefaßt:„Die eben beendigten Landtagswahlen haben die Nothwendigkeit der Feſthaltung am Cartell evident erwieſen. Es iſt dringend zu wünſchen, daß das Cartell auch bei den künftigen Wahlen, iusbeſondere auch bei den bevorſtehenden Reichstagswahlen in vollſtem Maße erneut durch⸗ geführt werde. In die bezüglichen Vorbereitungen für die Reichs⸗ tagswahlen iſt mit thunlichſter Beſchleunigung einzutreten.“ Die Marinevorlage. Gegenüber anderen Darſtellungen erklärt die„Poſt“, die Marineverwaltung befürchte von der Veröffentlichung der Marine⸗ vorlage nicht allein keinerlei ungünſtigen Eindruck, ſondern er⸗ warte grade das Gegentheil. 1 Nervöſe Politik, Ueber dieſes in neueſter Zeit oft behandelte Themg bringt einen höchſt bemerkenswerlhen Leitartikel die„Voſſ. Ztg.“, eſſie der„imtimſten“ Gegnerinnen des Altreichskanzlers. Im Ein⸗ gange heißt es treffend:„Waß die Völker ſagen werden, wenn ſch einmal nicht mehr bin?“„Uff“ werden ſie ſagen, wie von einem Alp befreit.“ Man hat an dieſes Wort des Großen Friedrich erinnert, als Fürſt Bismarck noch im Amte war. Was die Deutſche Nation ſagen würde, wenn einmal der eſſerne Kanzler den Abſchied nehme?„Uff“ haben einzelne Blätter ge⸗ antwortet, als der Gedanke zur That geworden war. Hier oder dort athmete man erleichtert auf. Aber es iſt nicht richtig, daß dieſes Gefühl der Erleichterung das Merkmal der Lage war⸗ Eher war es das Staunen über ein weltgeſchichtliches Ereigniß, die Ungewißheit der Zukunft, die Erwartung deſſen, was der Amtsenthebung des gewaltigen Staatsmannes zur nachträglichen Rechtfertigung dienen ſollte. Manche Parteigruppe jubelte, mauche war bedächtig, manche wollte ihr Urtheil von den Maßregeln abhäugig machen. Alle aber waren bereit, auf dem Boden der vollen⸗ deten Thatſachen zu wirken. Fürſt Bismarck hat guten Grund, der Rechten nachzutragen, daß ſie bei ſeinem Sturze nicht ein⸗ mal ein Wort des Dankes für ihn fand. Die Bewunderung für ihn kam erſt wieder, als auch der Einſiedler vom Sachſen⸗ walde als werthvoller Bundesgenoſſe erſchien. War der Tren⸗ nungsſchmerz bei dem„Begräbniß erſter Klaſſe“, mit dem Fürſt Bismarck von der Reichshauptſtadt ſchied, bei der konſervativen Partei ſo groß, wie ſie heute behauptet, dann hat ſie ihn zu verbergen verſtanden. Indeſſen auf der Rechten wie aufd Linken war man einig, daß eine Maßregel für die Entlaſſung; des Werkmeiſters am Bau der deutſchen Einheit nicht anders vor der Nachwelt erklärk werden könne als durch umfaſſende und einſchneidende Fortſchritte, die unter ihm unmöglich geweſen wären. In dieſem Vertrauen wurde der„neue Kurs von weiten Kreiſen des Volkes begrüßt. Bald aber hieß es:„Der Kurs bleibt der alte.“ Wenn er der alte bleiben ſollte, wozu mußte dann der Steuermann gewechſelt werden? Indeſſen es zeigte ſich, daß jenes Wort nicht wörtlich zu nehmen war. Manche Abweichung von dem alten Kurs war unverkeun⸗ bar. Aber nur zu bald bemerkte man auch eine Unſicher⸗ heit ein haſtiges Schwanken des Kurſes. Manche Ver⸗ fügung erregte Befremden auch bei denen, die der neuen Ne⸗ gierung freundlich gegenüberſtanden. Seit dem Schulgeſetz des Grafen von Zedlitz aber iſt das hervorſtechendſte Keunzeichen der Volksſtimmung das Mißtrauen. Freilich der Entwurf wurde preisgegeben. Aber iſt er auch damit für alle Zeit auf? gegeben? Welcher Geiſt die herrſchende Politik beſeelt, hat ſpäter das Umſturzgeſetz gezeigt. Es wanderte in den Papier⸗ korb; aber wird es nimmer eine Auferſtehung feiern? Die Vereinsrecht⸗Novelle war eine nicht vermehrte, aber verſchlechterte Auflage des Umſturzgeſetzes, war ein„kleines“ Soziallſtengeſetz Was hat man zu erwarten, wenn einmal eine Volksvertretung jedem Wunſch der jeweiligen Regierung gerecht wird? Dann erſt wäre die Unruhe, die Unbeſtändigkeit, die Norvoſität dieſer Politik in vollem Mgaße erkennbar. Wenn ſte heute noch einige Stetigkeit zeigt, hat daran die Kraft des Reichsta ges ihren Anthell. Aber je länger deſto tiefer dringt in das Volk die Empfindung der Sorge. Man hat von„Reichsverdroſſen⸗ heit“ geſprochen. Das iſt es nicht, was in dem ſcheinbaren Aufſchwung des Partikularismus zum Ausdruck kommt. Die Freude an dem Reich hat ſich nicht gemindert; aber die Be⸗ fürchtung iſt gewachſen, daß die Reichspolitik nicht auf dem rechten Wege ſei. Bange Zweifel werden mehr gehegt als aus⸗ geſprochen, ob die nervöſe Politik mit ihren haſtigen Mitteln zum guten Ziele führen könne. Liberal regirt hat man auch unter dem Fürſten Bismarck nicht; aber faſt will es ſcheinen, als ob heute das Volk meine, damals habe man ſich noch einer beneidenswerthen Freiheit im Vergleiche mit den heutigen Zu⸗ 0 FC + 2. Seſte. General⸗Anzeiger. ſtänden erfreut. und Schule.“ Unlau' ttbewerb. Das Landgericht Al mourg hat den Schuhmacher Gohr in Dobitzſchen wegen Diebſtahls und unlauteren Wettbewerbs 5 einem Tage Gefängniß und 100 Mk. Geldſtrafe verurtheilt Er war als Stanzer in einer Holzſchuh⸗ und Plantoffelfabrik in Schmölln thätig und ſtanzte ſich vor dem Verlaſſen dieſer Stelle einige Modelle aus. Die dazu erforderliche Pappe im Werthe von 50 Pfg. entnahm er den Vorräthen ſeiner Arbeit⸗ geber. Jene Modelle wollte er in einer Fabrik in Dobitzſchen verwerthen, bei der er Beſchäftigung fand. Das Reichsgericht at die Feſtſtellung des Landgerichts, daß es ſich bei dieſen odellen um Geſchäftsgeheimniſſe gehandelt habe, gebilligt und deshalb die Reviſion des Angeklagten verworfen. Eiſen⸗Produktion und⸗Verbrauch. Für 1896 berechnet man auf den Kopf der Bevölkerung die einheimiſche Das gilt namentlich von der Politik in Kirche K — den Eiſen⸗ Produktion verbrauch en ei 9178 Kil. JJ220,„ 116,„ C 60%„ 55,„ Oeſterreich⸗Ungarn 24,„ 29 I43,5„ 19„ 188 Ver. Staaten von Amerika. 121½„ 118„ Erzeugt wurden 1896 in Deutſchland 6,342,000 Tonnen Roh⸗ eiſen. Werden ſämmtliche Eiſenwaaren und Maſchinen auf Roheiſen umgerechnet, ſo betrug für Deutſchland die Einfuhr 528,000 To., die Ausfuhr 2,106,000 To., der inländiſche Verbrauch 4,764,000 To. Unter den Eiſen produzirenden Ländern der Erde behauptet Deutſchland die dritte Stelle nach England und Norbamerika. Hofnachrichten und Perſönliches. Ueber die Reihenfolge der Vorträge, welche dem Kaiſer an den einzelnen Wochentagen regelmäßig erſtattet werden, theilt man mit: Montags Vortrag des Chefs des Geheimen ivilkabinets und danach die Marinevorträge, Dienſtags des Chefs des Militärkabinets; Mittwochs des Chefs des Ge⸗ heimen Civilkabinets; Donnerſtags des Kriegsminiſters und des Chefs des Militärkabinets; Freitags finden gewöhnlich keine Empfänge ſtatt; Se. Majeſtät arbeitet an dieſem Tage faſt ununterbrochen allein; Sonnabends Vortrag des Chefs des Generalſtabs der Armee und des Chefs des Militärkabinets Ausgewieſen. Der Metallarbeiter Königs aus London, ein Delegirter der ſtreikenden engliſchen Metallarbeiter, welcher in einer e Verſammlung in Kiel ſprechen wollte, wurde vor er Eröffnung ausgewieſen und mußte Kiel verlaſſen. Oeſterreich⸗Ungarn. Aus der Rede des Abg. Türk, der den Antrag auf Miniſteranklage begründete: Graf Badeni hat kein Recht, nachdem wir durch 6 Jahr⸗ hunderte in allen Gefahren des Staates treu zum Hauſe Oeſterreich geſtanden ſind, zwiſchen uns Deutſche und die Krone zu treten. Wir wiſſen wohl, was wir der Krone chuldig ſind, wir wiſſen aber anch, was wir unſerem deutſchen olke ſchuldig ſind. Wir werden die eine Pllicht erfüllen, aber die andere nicht vernachläſſigen. Die Pflicht gegen unſer Volk iſt ebenſo heilig, ja heiliger als die Pflichten, die wir der Krone ſchuldig ſind. Ich habe bisher noch wenig von den Vorfällen in Eger geſprochen.(Gelächter rechts.) Dr. Herold hat geſagt, es ſeien nur ſo ideale Hiebe geweſen, welche die tſchechiſchen Poliziſten an die Deutſchen austeilten. Da möchte ich einmal Wünſchen, daß Dr. Herold eine Anzahl ſolcher idealer 1 meinetwegen von einem deutſchen Poliziſten bekäme. Die deutſchen Volksgenoſſen ſahen ſich in Folge des Verſammlungsverbotes genöthigt, nach Waldſaſſen in Bayern zu gehen. Das iſt vielleicht ein figürliches Vorſpiel zu künf⸗ tigen Ereigniſſen.(Hört! Hört!) Redner ſchildert hierauf in ausführlicher Weiſe die zahlreichen Verwundungen und Mißhandlungen, welche friedliche deutſche Bürger, ja ſogar Kinder und Greiſe von Seite der tſchechiſchen Poliziſten in Eger erleiden mußten. Und als die Heldenthaten der Polizei⸗ —— Buntes Feuilleton. — Ein Heirathsſchwindler en gros. In Bern iſt ein abge⸗ feimter Gauner, der Schneidergeſelle Jacob Steiner aus Rechnitz(in Ungarn), abgefaßt worden. Er lebte lange Zeit in der Schweiz als „Dr. med. Stonert“ und verſtand es, ſich im Laufe der Jahre— ſieben Mal zu verloben und drei Mal zu verheirathen! Von ſeiner grenzenloſen Gewiſſenloſigkeit ſpricht aber ein Fall beſonders, indem er eine wunderſchöne, junge Appenzellerin damit zu umgarnen verſtand, daß ſte ihn heirathete, nachdem er einen Theil ihres Vermögens, 7000 fl, ſchon während ihres Brautſtandes entlockt hatte. Die Unglückliche theilte natürlich das Schickſal ihrer Vorgängerinnen. Er wußte die e mit falſchen Papieren in England durchzuſetzen. Aber ſchließ⸗ ch ward er doch von ſeinem Geſchicke ereilt. In Baden(Aargau) kaufte er, ohne Geld zu beſitzen, auf allen erdenklichen ſchwindelhaften Wegen ein Hotel für— 150 000 Mark. Nun wurde er als Hoch⸗ ſtapler entlarvt und vom Aargauer Schwurgericht zu acht Jahren Zucht⸗ haus verurtheilt. — Ein Wörterbuch der Sprache Moliôres. Der franzöſtſche Sprachforſcher Guillaume Livet hat mit vielem Fleiße ein Wörterbuch der Sprache Molieres zuſammengeſtellt. Es war ihm, da in Frank⸗ reich das Intereſſe für ſolche Arbeiten gering iſt, nicht leicht geworden, einen Verleger zu finden. Ein Antiquar übernahm endlich das Riſtco, und es gelang ihm, ſowohl für den Verfaſſer, als für ſich ein annehm⸗ bares Geſchäſt zu machen. In Frankreich freilich waren nur zehn Exemplare dieſes wichtigen Werkes über die Sprache des großen Natio⸗ naldichters abgeſetzt worden, aber die deutſche und engliſche Gelehrten⸗ welt erſchöpfte beinahe die ganze Auflage.„In Frankreich kauft man nur Romane, bemerkte der Buchhändler zum Verfaſſer. Sverdrups Eismeer⸗Expedition. Otto Sverdrup der Begleiter Nanſens auf ſeiner Durchquerung Grönlands und Führer der„Fram“ auf der Nordpolexpedition wird eine neue große Expedition in das Eismeer antreten. Der norwegiſche Staat hat ihm die„Fram“ überlaſſen und noch überdies 20 000 Kronen für den erforderlichen Umbau bewilligt, die übrigen Koſten trägt freiwillig ein norwegiſcher Privatmann. Sverdrup theilte über ſein Unternehmen ſeolgende Einzel⸗ heiten mit. Die Expedition geht Anfang Juni ab. Die Arbeiten am Umbau der„Fram“ ſind in Laurvik bereits in vollem Gange. Ein neues Deck wird eingelegt und das Schiff nach den Erfahrungen der letzten Expedition ſeetüchtiger gemacht. Die Expedition ſoll 16 Mit⸗ 5— lauter Norweger— zählen, alſo mehr als die Nanſenſche bei der Schlittenreiſe. Mehrere Männer der Wiſſenſchaft haben ſich ſchon zur Theilnahme gemeldet. 80 Hunde werden von Grönland, 25 von Injerred(Norwegen) mitgenommen werden. Sverdrup glaubt, daß dieſe wenigſtens ebenſo gut wie die ſibtriſchen Hunde ſein werden. Der mitgeführte Proviant iſt auf vier Jahre bemeſſen, die Expedition wird vorgusſichtlich zwei Jahre dauern. Sverdrup will durch Smiths Manndeim, 26. Oktober. leute vorüber waren, als die Sieger ihren Abzug feierten, da hängten ſie zum Waggonfenſter eine flaviſche Trikolore hinaus! (Hört! Hört! links.) Redner kommt hierauf auf die ironiſche Bemerkung des Abg. Herold zu ſprechen, daß die Deutſchen nur Gott fürchten und ſonſt nichts auf der Welt, und ſagt: Wir Deutſche werden es uns trotz dieſes ſpöttiſchen Wortes nicht nehmen laſſen, die Heldengeſtalt des Fürſten Bismarck zu verehren.(Beifall.) Wir Deutſche in Oeſterreich haben allerdings erfahren, daß wir noch etwas Anderes fürchten müſſen als Gott, und das ſind die heimtückiſchen Pläne, die Sie ſchmieden und die Sie mit aller brutalen Gewalt zur Ausführung zu bringen bemüht ſind. Ein großer deutſcher Mann hat einmal ausgerufen:„Hier ſtehe ich, Gott helfe mir, ich kann nicht anders.“ Auch wir Deutſche rufen aus: Hier ſtehen wir, hier bleiben wir, wir weichen nicht, wir wanken nicht!(Beifall links.) Nächſt Gott aber vertrauen wir auf unſere eigene Kraft, auf unſer Volk und auf die Gerechtigkeit unſererer Sache; das Vertrauen auf die öſter⸗ reichiſchen Regierungen, ſowohl auf die gegenwärtige als auf alle künftigen haben wir längſt verloren. Das Deutſchthum, das die Slaven ſo gerne niederringen möchten, das Deutſch⸗ thum, dem ſie am liebſten das Todtenlied ſingen würden, das wird ihnen noch manche Lehre ertheilen, und Sie werden zur Einſicht gelangen, daß im deutſchen Volke noch die alte Helden⸗ kraft des Germanenthums fortlebt.(Lebhafter Beifall und ſtürmiſche Heilrufe links.) Italien. Rückgang des Socialismus. Eine römiſche Meldung der„Polit. Corr.“ ſtellt deu ſeit einiger Zeit wahrnehmbaren Rückgang des Socialismus in Italien feſt. Insbeſondere gelte dies von Sicilien, wo die ſocialiſtiſche Organiſation der„Fasci“, die vor mehreren Jahren einen beunruhigenden Charakter angenommen und ernſte Er⸗ eigniſſe herbeigeführt hatte, ſeither vom Schauplatz faſt voll⸗ ſtändig verſchwunden iſt. Rußzland. Zur Finanzlage. Nach dem durch die Reichskontrole revidirten Kaſſenaus⸗ weis für die Finanzgebahrung des Jahres 1895 ſtellt ſich die Bilanz im Auszuge folgendermaßen. Die Einnahmen im Ordinarium belaufen ſich auf 1369 Millionen Rubel. Dazu kommen 59 Millionen Ueberſchüſſe aus den Budgets früherer Jahre. Die Einnahmen im Extraordinarium betragen 43 Millionen Rubel, denen 3 Millionen aus den Ueberſchüſſen früherer Jahre hinzuzurechnen ſind. Unter Hinzurechnung von 10 Millionen aus dem freien Baarſchatz dey Reichsrentei ſtellt ſich ſomit die Geſammtſumme der Einnahmen auf 1484 Millionen Rubel. Die Ausgaben betragen im Ordinarium 1229 Millionen Rubel, im Extraordinarium 255 Millionen Rubel, zuſammen 1484 Millionen Rubel. Der Baarſchatz der Reichsrentei betrug am 1. Januar 1896 274 Millionen. Ihm wurden nur 2 Millionen entnommen gegen 120 Millionen, wie dies im Voranſchlag angenommen war. Das äußerſt günſtige Reſultat der 5 iſt, wie der„Wjeſtnik Finanzoff“ ſchreibt, zum Theil auf Rechnung zufälliger, nicht alljährlich ſich wiederholender Faktoren zu ſetzen. —— Die Generalverſammlung des Militärvereins, welche am Samſtag Abend im Vereinslokale„Gabrinushalle“ ſtattfand, war ſo zahlreich beſucht, daß der geräumige Saal die Erſchienenen faſt nicht zu faſſen vermochte. Der II. Vorſtand, Herr J. Kuhn, welcher die Verſammlung leitete, begrüßte zu⸗ nächſt die Anweſenden mit herzlichen Worten und bedauerte, daß es dem erſten Vorſtande, Herrn Prof. Mathy, leider wegen Unpäßlichkeit nicht möglich ſei, der Verſammlung beiwohnen zu können; bevor in die Tagesordnung eingetreten wurde, gedenkt der Vorſitzende, nach alter Soldatenweiſe, des hohen Protektors des badiſchen Militär⸗Vereins⸗Verbandes, unſeres allverehrten Großherzogs, und bringt demſelben ein ſtürmiſch aufgenommenes dreifaches Hoch. Der erſte Punkt der Tagesordnung bildete die feierliche Aufnahie einer größeren Anzahl neueingetretener Vereinsmit⸗ glieder, welchen durch den Vorſitzenden unter entſprechenden Worten das Verbandsabzeichen überreicht wurde. Sund gehen und dann der nordweſtlichen Küſte folgen, bis das Eis ſeine Schifffahrt hindert. Dann wird das Winterquartier bezogen werden, von dem aus eine Schlittenexpedition geplant iſt, um den nördlichſten Punkt Grönlads zu beſtimmen. Außerdem will Sverdrup mehrere wichtige wiſſenſchaftliche Aufgaben löſen. Es iſt nämlich noch eine Streitfrage, ob das Eis hier im Meere gebildet iſt oder von dem Inlande Grönlands kommt. Die geologiſchen oder meteorologiſchen Verhältniſſe Grönlands bieten das größte Intereſſe. Sverdrup hält es nicht für ausgeſchloſſen, daß er der Pearlbyſchen Nordpolexpeditton begegnet, während der Pol für Sperdrup von geringerem Intereſſe iſt. Auch daß er Nachrichten von Andree bringt, hält er nicht für ausge⸗ ſchloſſen, wenn dieſer auf Grönland gelandet ſei. — Caſimir Perier als Radfahrer. Von dem frühern Präſi⸗ denten der franzöſiſchen Republik, Caſimir Perier, wird folgendes Radfahrerſtückchen erzählt. Er iſt ein eifriger Radfahrer und nutzt die Morgenſtunden bei gutem Wetter reichlich aus. Wo er grade zur Frühſtücksſtunde eine anſprechende ländliche Wirthſchaft findet, läßt er ſich nieder, um ein einfaches Mahl einzunehmen. Neulich vermochte eine Wirthin bei Champigny⸗ſur⸗Honne ihm nicht mehr zu bieten als Eier und Sardinen. Iſt es nicht möglich, ein Beefſteak aufzutreiben? fragte der unbekannte Reiſende.— Ja, dann müßte ich nach dem Dorfe, und das iſt ein ganzes Ende weit, wohl eine halbe Stunde. Wenn Sie vielleicht mit der Maſchine...— das Beefſteak holen gingen? — Warum nicht? Herr Perier ſchwang ſich lachend in den Sattel und fuhr nach Champigny zum Schlächter als Bote der Wirthsfrau, die erſt am andern Tage erfuhr, welchen Gaſt ſie bedient hatte. — Nicht zu den Alltäglichkeiten kann es gezählt werden, wenn eine Jungfrau von 70 Jahren zum Altare geht. Und wenn dieſer „jungen Braut“ dann prophezeit würde, ſie werde noch den Silber⸗ kranz des fünfundzwanzigjährigen Ehejubiläums tragen, ſo dürften Wenige ſolcher Vorherſagung Glauben ſchenken. In dem Dorfe Bracht beti Dülken Regierungsbezirk Düſſeldorf) iſt aber dieſer ſeltene Fall zu verzeichnen. Am Montag den 18. Oktober waren fünfundzwanzig Jahre verfloſſen, ſeit der damals neunundfünfzigjährige Bräutigam Math. Domges mit der ſiebzigjährigen Jungfrau Katharina Borſch ſich ver⸗ mählte. Jetzt zählt der Mann 84, die Ehefrau der Jahre 95, und beide Ehegatten erfreuen ſich noch heute einer Rüſtigkeit, um die mancher Jüngere ſie beneiden könnte; er baut ſeinen Acker mit Fleiß, und ſie die häuslichen Verrichtungen und hilft bei den ländlichen Arbeiten. — Juriſten Humor. Der alte Schöffenrichter B. einen würdigen Förſter mit violetter Kneipnaſe vor der Eidesleiſtung: „Und nun, Herr Zeuge, vergeſſen Sie für eine halbe Stunde voll⸗ kommen, daß Sie Förſter ſind und ſagen Sie uns mur die volle, reine Wahrheit!“ Im Examen fragt man den Abiturienten nach der Grafſchaft, in der das Städtlein X. liege. Die richtige Antwort wäre die geweſen verwarnt Nunmehr folgte die Verleſung des Jahresberichts durch den Schriftführer, Herrn P. Reiß. Wir entnehmen demſelben Folgendes: Der Verein zählte am 1. Oktober d. Js. 1349 Mitglieder und zwar 9 Ehren⸗, 1323 ordentliche, 14 auswärtige und 3 außerordentliche Mitglieder, iſt alſo jetzt der ſtärkſte Verein des badiſchen Landes. Durch Tod ſind im abgelaufenen Jahre 22 Kameraden ausgeſchieden, deren Hinterbliebenen das ſtatuten⸗ mäßige Sterbegeld ausbezahlt wurde. Der Zugang an neuen Mitgliedern betrug 162 Mann. Spenden und Geſchenke erhielt der Berein im abgelaufenen Jahre 118 Mk., welche an hilfs⸗ bedürftige Kameraden vertheilt wurden; die Vereiuskaſſe zahlte 487.50 Mk. an kranke Kameraden und 65 Mk., an durchreiſende alte Soldaten, während an bedürftige Wittwen verſtorbener Mit⸗ glieder 77 Mk. verabfolgt wurden. Schließlich verbreitet ſich der Bericht noch über die Verhältniſſe des Badiſchen Militär⸗ vereinsverbandes und den Rhein-⸗Neckar⸗Militär⸗Gauverband. Herr Conrads erſtattete den Bericht über die Vereins⸗ bibliothek, welche zur Zeit 533 Bände enthält.— Den Bericht über die Sanitäts⸗Abtheilung, welche zur Zeit 52 Mann ſtark iſt, erſtattet Herr Philipp. Der erſte Rechner, Herr Jäſchke, verlas ſodann den Rechenſchaftsbericht über das abgelaufene Jahr; danach balanciren die Einnahmen und Ausgaben der Vereinskaſſe mit M. 9813.15, während das Vermögen M. 7159.74 beträgt, davon entfallen M. 5888.05 auf den Werth des Inventars. Die Sterbekaſſe vereinnahmte, incluſive eines Kaſſenbeſtandes von M. 3593.87 aus dem Vorjahre, M. 7468.66 und hatte eine Ausgabe von M. 2934.52. Das Vermögen dieſer Kaſſe betrug auf 1. Okt. d. J. M. 4627.74. Das Geſammtvermögen des Vereins be⸗ trägt ſonach M. 11,787.48, davon bar oder angelegt M. 5772.53 gegen M. 4 620.53 vom 30. Sept. 1896. Ueber die Schüͤtzenabtheilung, welche 37 Mann zäͤhlt, er⸗ ſtattete Herr Conrads Bericht. Namens der Rechnungsreviſionskommiſſion referirte Herr Bankprokuriſt Pauly; die Reviſion habe keinerlei Beanſtan⸗ dung ergeben und dankt derſelbe dem Rechner für ſeine muſter⸗ hafte Geſchäftsführung. Dem Vorſtand und Verwaltungsrath wurde hierauf einſtimmig Decharge ertheilt. Der nächſte Punkt der Tagesordnung bildete die theilweiſe Erneuerungswahl des Vorſtandes und des Verwaltungsrathes. Herr Kuhn theilte den Anweſenden mit, daß der erſte Vor⸗ ſtand, Herr Prof. Mathy, ſchon vor längerer Zeit dem Verwaltungsrath mitgetheilt habe, daß es ihm fernerhin wegen anderweiter Verpflichtungen nicht mehr möglich ſei, die Stelle des I. Vorſtandes im Militärverein beizubehalten. Doch habe er(Redner) Alles daran geſetzt, dieſen verdienten, trefflichen Mann dem Vereine zu erhalten(Stürmiſche Zuſtimmung), und es ſei ihm auch gelungen, zu erreichen, daß Herr Prof. Mathy das Amt des J. Vorſtandes unter der Vorausſetzung weſenk⸗ licher Entlaſtung durch andersartige Geſchäftstheilung beibe⸗ halten wolle.(Lebhaftes Bravo.) Bei der hierauf folgenden Vorſtandswahl wurden die Herren Prof. Mathy als erſter, J. Kuhn als zweiter Vorſtund und L. Pauly als erſter Vorſtand⸗Stellvertreter einſtimmig per Acclamation ge⸗ wählt: als Schriftführer und erſter Rechner wurden die Herren P. Reiß und Jäſchke ebenfalls mit großer Majorität wiedergewählt. Als Beiräthe wurden ſodann die Herren Th. Sohler, L. Weber, Adelmann, Conrads und Philipp wieder⸗ und für den freiwillig auszeſchiedenen Herrn Hechler Herr Kromer neugewählt.— Als Rechnungs⸗ reviſoren wurden gewählt die Herren Hodopp, Epting, Stiefvater, Bayer und Schwen demann. Den Schluß der Verſammlung bildete die Beſprechung von Vereinsangelegenheiten. Aus deuſelben heben wir hervor: einen Antrag des Vorſtaldes, wonach zur wirkſameren Aus⸗ geſtaltung des Unterſtützungsweſens alljährlich einmal ein frei⸗ williger Beitrag bei den Mitgliedern erhoben werden ſoll, en Vorſchlag, der ſeitens der Anweſenden einſtimmige Annahme fand. Nachdem ſodann noch ſeitens des Herrn Bayer dem Vorſitzenden, Herrn Kuhn, für ſeine Mühewaltung gedankt und deſſen beſondere Verdienſte um den Millitärverein hervorgehoben und durch ein Hoch anerkannt wurden, fand die Generalver⸗ ſammlung nach 12 Uhr mit einem Hoch des Vorſitzenden auf das fernere Wachſen, Blühen und Gedeihen des Mili ärvereins ihren⸗Abſchluß. „Grafſchaft Glatz“. Um ſie dem Prüfling finden zu helfen, feretcht ſich der wohlwollende Profeſſor bedeutungsvoll mehrmals über ſeinen kahlen Schädel, ſo an die Glatze erinnernd. Der Unglückliche aber, dem er ſo beiſpringen will, iſt aus Dummsdorf gebürtig und antwortet freudig aufathmend:„Grafſchaft Lauſitz!“ Ein jugendlicher, allzu feuriger Staatsanwalt plaidirt mithwilder Energie gegen einen Angeklagten, der den Rinderdiebſtahl im Großen betrieben hat, und ſeine Rede gipfelt in der Phraſe:„Bedenken Sie die unerhörte Frechheit des Angeklagten, meine Herren Geſchworenen. Dieſer eine Mann hat nicht weniger denn vierundzwanzig Ochſen ge⸗ ſtohlen. Welche Zahl! Das ſind zweiwal ſo viel wie Sie, meine Herren Geſchworenen!“ Von wunderlicher Logik iſt die Gedankenblüthe eines Diebes, der einſt klagte, man hätte ihn wegen eines übrigens ſehr geſchickt ausge⸗ führten Diebſtahls an einem Regenſchirm ſo hart verurtheilt:„Sehen Sie, Herr Doctor, wenn ich mir eine Frau nehme, dann lobt man mich und gratulirt mir; wenn ich einen Regenſchirm nehme, dann tadelt man mich und ſteckt mich ein. Da iſt doch eine Frau viel weniger werth, wie ein Regenſchirm!“ Ein Gerichtspräſident ermahnt bei der Urtheilsverkündung den Angeklagten:„Und als Letztes ſage ich Ihnen, hüten Sie ſich vor ſchlechter Geſellſchaft.“— Der Angeklagte verbeugt ſich und antwortetz „Ich hoffe, nie wieder mit Ihnen zu 15 zu haben, Herr Präſident. — Spitzbubenhumor. Ein luſtiges Stückchen wird aus dem Paſſage⸗Panopticum berichtet. Unter den dort ausgeſtellten Wachs⸗ figuren befindet ſich auch die Dichterin der„Goldenen Hundertzehn“, die in ſitzender Haltung wiedergegeben iſt, den Kopf ſinnend gebeugt, in der einen Hand eine Papierrolle, in der anderen einen Bleiſtift. Vor Kurzem verſchwand dieſer und auch in der Folgezeit wurden die ſtets erneuerten Bleiſtifte escamotirt. Die Direction erſetzte darauf den Bleiſtift durch einen an der Spitze geſchwärzten Holzſtift von gleichem Ausſehen. Auch dieſer verſchwand ſpurlos. Dafür erhielt die Direction einen Brief aus Magdeburg folgenden Inhalts: „Anbei ſende Ihnen die Imitation des Bleiſtifts, den ich bei meinem Dortſein in der Annahme, daß es ein echter ſei, der„Dichterin der Goldenen 110“(ſiehe Katalog 126) für immer entliehen habe, zurück. Solch harte Nu nmer iſt mir noch nicht vorgekommen. Sie haben mich entſchieden damit betrogen. Von einem Strafantrag wegen Vorſpiegelung falſcher Thatſachen will ich vorläufig noch abſehen. Ich⸗ 7 — . 9 4* r ner 2 bin allwöchentlich in Kleptomanie⸗Angelegenheiten drüben und werde beim nächſten Dortſein controliren, ob dann ein Original(ich empfehle Faber Nr. 2 als meine Lieblingsnummer) an Stelle dieſer raffinirten Imitation getreten iſt. Ich überlaſſe es Ihren Gerechtigkeitsgefühlen, mir das Porto zurückzuerſtatten. Auf Wiederſehen! Fränzchen Lang⸗ finger, Schriftführer des Internationalen Verbrecherverbandes.“ In dem Briefumſchlag, der den Vermerk„Vorſicht! Ausſtellungs⸗ object!“ trug, befand ſich der falſche Bleiſtift. * 77