— fff folgenden Brief Montag, 30. Juni. hei Abend⸗ Ausgabe. erGenomls 1919.— Nr. 293. dzeiger 1 lleton: Hans Gäfgen, —.— 25 Tchs kürcker, für Augeigen: kFinten Grieſer, Drug und Beriag: Brudenei pr beimer Senerdl⸗ Rnzeiger G. m. d. Hj., jämfiich in maunheim. Poſtſcheck⸗Honto Mr. 17590 Karlsxuhe in Baden.— Fr 5 ſchriftlettung: Dr. Pt ldendau erantwortiich für Politik: Dr. Goldendaum. ſg Leene e de dsger.bat e len Eeg Fert e „ as ann⸗ Kbr. General. Marnbelss Ant Manuhe Me. 1608- 0 EBadiſche Neueſte Nachrichten Amtliches Verkündigungsblatt eigenprelſe: Die Ipalt. Nolonelzeile 50 Pf., Finanzfinzei — men. Peſldezug: Piertelf.J2 einſchl. Juſtellungsgebühr. Bei der Poſt abgeholt M..70. Einzel⸗Nx. 10 Pig. * und Anzeigen von Derſicherungs⸗ Reklamen M. 2 30. Annahmeſchluß: Mittagblatt 8/ Uhr,—— nacch · ür Anzelgen an beſtimmten Tagen, Stellen und Ausgaben wird keine Verantwortung monatlich M..50 mit— peris in mannheim und Umgebun Abſchiedsworle an Biſſon. Herr Wilſon, die große Hoffnung und Enttäuſchung der europäiſchen Demokratien, verläßt Europa und hinterläßt nicht viele Freunde. Nicht in Deutſchland, aber auch nicht in den neutralen Ländern. Eine Schweizer Stimme mag hier wiedergegeben werden als des Volkes Stimme, als Europas Stimme. Der„Baſler Nationalzeitung“ hat„ein Schweizer“ eſchrieben, der„ohne Verantwortung der Redaktion“ als„Mitteilung aus dem Publikum“ veröffentlicht wird: An den Präſidenten Wilſon! 8 18 „Herr Präſidentl Der deutſche Friedensvertrag iſt unter⸗ zeichnet: es herrſcht heute nicht mehr der geringſte Zwei el. daß das dämoniſche Werk Ihrer Bundesgenoſſen zuſtande gekommen iſt. Nicht daß wir das Deutſchland des 15 Wilhelms II. nicht richtig einſchätzten; gewiß hat es ſich entſetzliche Fehler zuſchulden kommen laſſen(Kriegsentfeſſelung, Unterſeebootkrieg, überhaupt die Art ſeiner Krtegſührung): mit einem derarrigen Frieben geven Sie der Menſch⸗ heit indeſſen die notwendige Ruhe nicht zurück. Ganz im Gegenteil. Die Saat des Vertrages zu Verſailles wird giftig aufgehen: die Ernte wird gräßlich ſein. Wir wiſſen, daß Sie, Herr Präſtdent, mit guten Vorſatzen nach Europa kamen: die Menſchheits⸗ freunde der ganzen Welt glaubten an Sie, ſtützten ſich auf Sie: Sie haben alle jammervollenttäuſcht. Sie haben ſich be⸗ ſchwatzen lellen: Sie ſind umgefallen, wie nur ein ſchwa⸗ cher, hilfloſer Menſch unfallen kann. Sie, den wir ſtark und von den heiligſten ethiſchen Prinzipien erfüllt wähnten: Sie haben für Amerlka und Ihren Kandsniann Waſhington keine Ehre ein⸗ gelegt, Herr Präſident; nie wird Ihr Name mit Ehrfurcht ge⸗ nannt werben als ber eines wahrhaft großen Staatstaannes von überlegenen Qualitäten, von ſeltener Energie des Willens in der Verfolgung ſeiner erhabenen Grundſätze; man wird Ihrer gedenken als eines urſprünglich reinen guten Mannes von proſeſſorenhaftem Anſtrich, der ſich— wohl wider Willen— mit dem Odium des fluch⸗ würdigſten Friedensvertrages, der je verfaßt und einem auf der Folterbank Liegenden abgepreßt wurde, behaften mußte Reiſen Sie, Herr Präſident; Europa, die Menſchheit braucht Sie längſt nicht mehr; all dies wäce auch ohne Sie gegangen. Sie waren ohnehin eine Epiſode, das Beſte wäre, Sie verſchwänden nun möglichſt raſch und unbemerkt. Niemand wird Ihnen eine Träne nachweinen, viele werden Ihnen, wohl verdient, aber nicht unbegreiflich, die Fäuſte nachſtrecken. Wären Sie nie nach Paris gekommen, es hätte Ihnen beſſer ungeſtanden. Wie ſchlau doch Ihre Alliierten waren, Sie zum Mit⸗ ſchuldigen an ihrem Verbrechen zu machen; es wird Ihnen ſchwer fallen, ſich des üblen Geruchs dieſer Mittäterſchaft zu entledigen. Was ſind nun alle Ihre wohlgemeinten Reden über Menſchenrechte, Freiheit, Selbſtbeſtimmung und anderes als abgenützte Redensarten, nach denen kein Hahn mehr kräht? Wäcen Sie in 1 blieben, Ihr untadeliger Ruf wäte nicht a auf etaſtet maeb haben Sie ſich ſelbſt düf das Sch chſte preisgegeben, untreu Ohrer S8ce die Sie mit ſo viel Pathos verkündet haben. In Refer Trauer gedenken alle Freunde menſchenwürdigerer Zuſtände Ihres guten Willens, den Sie in die Tat zu ſetzen nicht Mut und Ueber⸗ zeugung genug beſaßen.“ chmählichſte Vielleicht tommt Herr Wilſon hier noch zu günſtig fort. War er wirklich nur ſchwach! Uebrigens wird er in Amerika auch nicht mit eitel Jubel empfangen werden. Ein Wilſon⸗ feindlicher Feldzug iſt in Zeitungen und Zeitſchriften der Vereinigten Staaten zu erkennen, die bis zum letzten Augen⸗ blick mit größter Energie Wilſons 14 Puntte verteidigt haben. Man macht dem Präſidenten zum Vorwurf, er habe vor den curopäiſchen Staatsmännern Kkapituliert, ſeinen urſprünglichen Gedanken eines wirklichen Völkerbundes aufgegeben und ſei auf ein gefährliches Bündnisſyſtem zurückgefallen, wodurch er unter Preisgabe der iſolierten Stel⸗ lung der Vereinigten Staaten ſich bereit erklärt habe, in Europa einzugreifen, das der Vertrag mit neuen Kriegen bedrohe. Beſonders die bis jetzt ſo warm Wilſon⸗ freundliche„New Republic“ iſt zu beachten. In einem „Europa ſchlägt vor“ überſchriebenen Artikel iſt zu leſen: Für alle, die, wie wir, für den Grundſatz einer vollen Teil⸗ nahme Amerikas am Volkerbunde eingetreten ſind, war doch die Vorausſetzung dieſer Stellungnahme, was Wilſon vor zrei Jahren ſagte:„Damit der künftige Friede dauerhaft ſei, muß er von der organiſterten Mehrheit der Menſchen gebilligt werden.“ Wir Ame⸗ rikaner erringen durch den vorliegenden Vertrag weder Gebiets. zuwachs noch Wiederherſtellungen, wohl aber ſollen wir eine Laſt auf uns nehmen, nämlich die Anwendung der amerikaniſchen Macht, um den gegenwärtigen Vertrag zu garantieren und einen beſtän⸗ digen Zuſtand in Europa, Afrika und Aſien. Die zur Uebernahme dieſer Berantwortlichkeit angeführten Gründe beruhen lediglich auf der Annahme, daß die Möglichkeit eines Krieges beträchtlich ver ⸗ ringert werden und ſomit allen Völkern ermöglicht werde, ſich in aller Sicherheit der Verbeſſerung ihrer Lebenshaltung zu widmen. Im Augenblick iſt feſtzuſtellen, daß die Zerſtörung de⸗ deutſchen Imperialismus keine Verringerung, ſondern eine Verſtärkung der anderen Imperialismen mit ſich gebracht hat. Der gegenwärtige Friede wird niemals vollſtändig ausge⸗ führt werden, die Deutſchen werden immer wütender werden und dabei die wachſende Unterſtützung der Arbeiter ganz Europas finden. Vom amerikaniſchen Geſichtspunkt betrachtet kann dieſer Vertrag nur das Vorſpiel neuer Zwiſtigkeiten in einem tiefgeſpaltenen und haßerfüllten Europa ſein. Die Welt, die aus dieſer Urkunde hervor⸗ gehen wird, wird in nichts der Welt gleichen, die dem Präſidenten vorſchwebte, als er nach Paris aufbrach. Er iſt mit ſeinen Grund⸗ ſätzen geſcheitert. Der Vertrag iſt das Werk der europäiſchen Staats⸗ männer, nur hier und da von Wilſon gemildert. Es handelt ſich um eine Löſung im Geiſte der alten traditjonellen europäiſchen Diplo⸗ matie. Es wäre reine Verrücktheit für eine Nation in der Lage der unſrigen, ſich in das Netz dieſer Diplomatie zu verſtricken. Und da dieſer Vertrag das Geſetz Europas wird, müſſen ſich die Amerikaner kaltblütig entſchließen, bis zu welcher Grenze ſie im Völkervertrage mit ihren Verpflichtungen haften wollen. 8 Das Blatt„Nation“ äußert ſich noch heftiger. Ein Artikel iſt überſchrieben:„der Wahnſinn von Verſailles. Es heißt darin: Man hat in Verſailles eine arrogante Autokratie von 5 Mächten gekrönt, von denen zwei praktiſch in der Hand der drei anderen ſind. Dieſe Autokratie kennt nur ihren eigenen Wiſlen, ſie berät heimlich, verteilt Privilegien und Gebiete gemäß ihren Intereſſen: ſie iſt taub gegen Proteſte und ſchließt die Augen vor den Tatſachen ſie weiß nichts Beſſeres als politiſche Kompromiſſe und entſcheidet über alles gemäß ihren eigenen Ideen, um die Völker möglichſt bequem zu beherrſchen. Dieſe Verſailler Autokratie übernimmt die Rolle des Weltdiktators! Die größte Verantwortlichkeit für dieſes dunkle Werk fällt auf den Präſidenten Wilſon zurück. Ihn muß man tadeln wegen ber e de Freiheit und Demokratie erlitten haben. Wilſon war die Hoffnung der Demokratie und die Furcht, die er ſeinen Feinden einſtößte, ſteigerte das Vertrauen ſeiner Freunde. * Und nun weiß alle Welt, wie Wilſon dem Glauben der Völker ent⸗ ſprochen hat. Das alte Götzenbild der Demokratie iſt heute diskredi⸗ tiert und verurteilt. Seine rhetoriſchen Phraſen, ein welker und zer⸗ riſſener Flitter, in den er ſeinen Gedanken einhüllte, von dem man heute nicht mehr weiß, ob er je daran glaubte, werden niemals wieder mit hupnotiſchem Zauber an die Ohren der gierigen Maſſe klingen. Die Maske ſeiner Moralſätze und ſeiner politiſchen Philo⸗ ſophie, welche die Welt ſo lange geblendet hat, iſt herabgeriſſen worden, nund die Völker der Welt ſtehen nicht mehr vor einem bis zum Ende treuen Freunde, ſondern vor einem anmaßenden Auto⸗ kraten und Kompromißpolitiker.“ In der„Humanite“ meint André Pierre, die Völker könnten Wilſon nicht verzeihen, daß er ſie betrogen hat. Der Vertrag, den er mit den anderen unterſchrieben hat, iſt nur eine jämmerliche Karikatur ſeiner Theorien. Den Völ⸗ kern Europas bleibt nichts übrig, als dieſe Papier⸗ fetzen zuzerreißen und dieſe unfähigen Greiſe zu ver⸗ jagen, welche die heißerſehnte Stunde des wahren Friedens allzu weit hinausgeſchoben haben, des Friedens der Verſöh⸗ nung unter den Menſchen. Breſt, 29. Juni.(WB.) Reuter. Wilſon und ſeine Be⸗ gleitung ſind um 11.10 Uhr hier angekommen. Breſt, 30. Juni.(WB.) Reuter. Wilſon fuhr nach Newyork ab. Eine Arkunde der neuen Weltordnung. Paris, 30. Juni.(WB.) Havas. Wilſon hat eine Botſchaft veröffentlicht, in der er erklärt, daß der Friedens⸗ vertrag unterzeichnet ſei und daß er, wenn ſeine Beding⸗ ungen vollſtändig und aufrichtig eingehalten würden, eine Urkunde der neuen Weltordnung(9) darſtelle. Der Vertrag iſt hart bezüglich der Pflichten und Strafen, die Deutſchland auferlegt werden, aber er iſt hart, weil das von Deutſchland begangene Unrecht groß iſt und wieder gut ge⸗ macht werden muß. Der Vertrag legt Deutſchland nichts auf, was nicht erfüllt werden kann, und es kann den Platz der Ehre in der Welt mit Recht wieder für ſich gewinnen durch prompte und ehrliche Einhaltung der Bedingungen. Aufrechlerhallung der Blockade. Verſailles, 30. Juni.(WB.) Clemenceau ließ dem der deutſchen Friedensdelegation folgende Note zugehen: Herr Präſident! Ich habe die Ehre, Ihnen mitzuteilen, daß das Waffenſtillſtandsabkommen die Aufrechterhal⸗ tung der Blockade vorſieht und daß dieſes Abkommen ſolange in Kraft bleibt, bis der Austauſch der Noten über die Ratifizierung ſtattgefunden hat. Die Alliierten ſind aber bereit, die Blockade gufzuheben, ſobald die Ratifizierung ihnen durch die deutſche Regierung angezeigt worden iſt. Genehmigen Sie, Herr Präſident uſw. gez. Clemenceau. Paris, 30. Juni.(WB.) Havas. Lloyd George iſt nach London abgereiſt. Ankunft der deutſchen Friedensdelegalion in Berſin. Berlin, 30. Juni.(WB.) Die deutſche Friedens⸗ delegation, welche Samstag abend um 9 Uhr Verſailles im Sonderzuge verlaſſen hat, iſt heute nacht um 4 Uhr am Potsdamer Bahnhof eingetroffen. Reichsminiſter Dr. Bell verließ den Sonderzug in Elberfeld, um ſich nach Eſſen zu begeben, während Reichsminiſter Müller die Reiſe bis Berlin fortſetzte. Der Zug wurde von je einem franzöſiſchen. engliſchen und italieniſchen Offizier bis Olex begleitet. Auf dem Bahnhof Noiſſy⸗le Roi verabſchiedete ſich kurz vor der Abfahrt der Präfekt des Departements Seine et Oiſe, ſowie Oberſt Henry von den beiden Miniſtern. Die Fahrt verlief ohne Zwiſchenfall, jedoch wurden die Inſaſſen des Speiſe⸗ wagens kurz vor Compiegne durch einen kleinen Knall auf⸗ geſchreckt. Es konnte nicht feſtgeſtellt werden, ob es ſich um einen Stein oder einen Feuerwerkskörper handelte, der von der feiernden Volksmenge in das Fenſter des Speiſewagens geſchleudert wurde. Warum China nicht unterzeichnete. Paris, 30. Juni.(W.) Die Weigerung der chineſiſchen Delegation, den Friedensvertrag zu unterzeichnen, wurde von dem Renterſchen Büro amtlich mitgeteilt. In dem Durch⸗ einander, das bei der Unterzeichnung in Verſoilles herrſchte, entging dieſe Tatſache der allgemeinen Aufmerkſamkeit. In der Erklärung, in der die Gründe für dieſen Schritt dargelegt werden, erinnert die chineſiſche Delegation daran, daß ſie die Ungerechtigkeit in der Regelung der Chantungfrage empfinde und daß die chineſiſche Delegation am 4. 5. dem Fünferrat einen Proteſt überreichte. De ee weiterhin dar, daß der Beſchluß“ der Konferenz, Japan die deutſchen Rechte in Chantung zu über⸗ tragen, einen nationalen Proteſt erzeugte, und daher ſei die chineſiſche dahund der oſſentlichen M. im Hinblick auf den vereinten Widerſtand der öff der in Frage kommenden Klauſel abzulehnen. herr Erzberger. Die„Deutſche Allgemeine Zeitung“ brachte, offenbar von Erzberger inſpiriert, die Behauptung, Herr Erzberger habe ſich mit ſeiner ganzen Perſönlichkeit für die Aufrechterhaltung der Ehrenklauſeln eingeſetzt. Die Oeffentlichkeit ſoll alſo glau⸗ ben, daß ex ſchließlich mit der Zuſtimmung zur bedingungs⸗ loſen Unterzeichnung des Friedensvertrages der Gewalt ge⸗ wichen ſei. Leute, die es wiſſen können, behaupten, das ſei eine Geſchichtsfälſchung, ſagen, Crzberger ſei von allem An⸗ fang an der Anwalt der hedingungsloſen Unterzeichnung ge⸗ weſen. Sie halten ihm folgendes entgegen: Der einzige Weg, überhaupt etwas zu erreichen, bliev der des Grafen Brockdorff⸗Rantzau: Nach Möglichkeit und bis zum äußerſten Widerſtand zu leiſten. Nur auf dieſe Weiſe waren mildere Bedingungen zu erreichen. Herr Erzberger aber hat den Grafen Brockdorff durcz ſeine hinterhältigen Wühlereien zu Fall gebracht. Dieſe Tatſache iſt völlig unbeſtreitbar und ſözuſagen gerichtsnotoriſch. Sie wird in allen Parteilagern obne Unterſchied anerkannt. So hat dieſer Tage der demokratiſche Abgeordnete Dr Luppe in einer demokratiſchen Verſammlung in Frankfurt erklärt, Erzberger habe gegen die Nrbeit des Grüfen Brockdorff⸗Rantzau„die ſchfimmſte So⸗ entlichen Meinung die Annahme. botage“ getrieben und von vornherein für die Unterzeichnung des Friedensvertrages gearbeitet. Der Redner erklärte, das ſei ein Ver⸗ brechen, und die Demokratiſche Partei werde nie wieder in einem Kabinett mitarbeiten, in dem ein Erzberger ſitze. Wenn Herr Erzberger ſich auf die Ehrenklauſel zurückzieht, ſo iſt das, wie auch Herr Dr. Luppe in Frankfurt geſagt hat, lediglich blauer Dunſt. Dieſe Ehrenklauſel war von Herrn Erzberger nur vargeſchoben, um die Gegner der bedingungsloſen Unkerzeichnung ſchließlich in eine unrettbare Zwangslage zu bringen. Herr Erzberger hat ſelbſt an die Autoritäten, auf die er ſich zuletzt noch berief, ſicher nicht geglaubt. Man kann ſich bei ihm wohl denken, daß er mit der Berufung auf franzöſiſche Generale oder ähnliche Gewährsmänner andere Gutgläubige in die Falle lockte. Sollte er ſelber in die Falle gegangen ſein, ſo wäre das nur ein Beweis da⸗ für, daß er beſchränkt genug iſt, um ſich auf plumpe Weiſe täuſchen zu laſſen. Dann würde ihm aber nicht nur die moraliſche und ſitt⸗ liche Qualifikation, ſondern auch die verſtandesmäßige Mindeſtvor⸗ ausſetzung fehlen, die er als Miniſter unbedingt nötig hat. Erzberger iſt eifrig beſchäftigt. [IlBerlin, 30. Juni.(Von unſ. Berl. Büro.) Die mehr⸗ fachen Meldungen, daß der Reichsminiſter Erzberger ſich in der Schweiz befindet, ſind, wie wir von zuſtändiger Seite er⸗ fahren, durchaus unzutreffend. Erzberger iſt zur Zeit eifrig mit der Abfaſſung der neuen Steuerprojekte in Berlin beſchäftigt. die Skreillage im Reich. IBerlin, 30. Juni.(Von unſerem Berliner Büro.) Die Zurückziehung des Noskeſchen Erlaſſes gegen den Eiſenbahnerſtreik hat heute vormittag noch nicht die Wirkung gezeigt, die man ſich davon verſprochen hat. Die Verbände der Eiſenbahner ſind ganz unzweifelhaft gegen den Streik und bemühen ſich auch, die Wiederaufnahme der Arbeit in vollem Umfange zu erreichen. Ihr Einfluß auf die Beamten und den größeren Teil der Unterbeamten iſt auch unverkennbar. Dagegen verſagt er völlig gegenüber jenen Eiſenbahnarbeitern, die im kommuniſtiſchen Fahrwaſſer ſchwimmen. Eine Beſſerung im Eiſenbahnver⸗ kehr iſt heute allerdings feſtzuſtellen ge⸗ weſen, ſoweit der Fernverkehr in Frage kam. Da⸗ gegen iſt es bisher nicht gelungen, die Wanſee⸗Bahn wieder in Betrieb zu bringen und auf der Stadt⸗ und Ringbahn einen normalen Verkehr zu erreichen. Heute fanden in den Mittagsſtunden in den Betriebs⸗ werkſtätten Verſammlungen von Eiſenbahnarbeitern ſtatt, in denen darüber abgeſtimmt worden ſein ſoll, ob man weiter⸗ ſtreiken will oder die Arbeit wieder aufnehmen wird. TCharakteriſtiſch iſt eine Aeußerung, die geſtern pon Vertrauensmännern von ſtreikenden Eiſenbahnern im Eiſenbahnminiſterilum gemacht worden iſt: Ob der Noske⸗ erlaß aufgehoben wird oder nicht, der Generalſtreit kommt am 1. Juli auf alle Fällel Berlin, 30. Juni.(Von unſerem Berliner Büro.) Der für morgen als ſicher bevorſtehende Ausſtand der An⸗ geſtellten der Berliner Straßenbahn, ſowie der Hoch⸗ und Untergrundbahn, denen ſich auch die Angeſtellten der Omni⸗ busgeſellſchaften anſchließen werden, wird über das unglück⸗ liche Berlin eine Verkehrskataſtrophe hereinbrechen laſſen, die das Schlimmſte befürchten läßt. Die Angeſtellten der Berliner Verkehrsinſtitute haben geſtern Ab⸗ ſtimmungen vornehmen laſſen, deren Reſultate keinen Zweifel darüber laſſen, daß erotz aller Einigungsverſuche der Dirertio⸗ nen und aller Hinweiſe auf die ſich durch einen Verkehrsſtreit für Berlin ergebende ſurchtbar ernſte Situation der Streik dennoch mit großer Mehrheit beſchloffen werden wird. Es ſcheint ſich auch hier zu beſtätigen, daß hinter dieſen Streiks, die angeblich rein wirtſchaftlicher Na⸗ tur ſind, politiſche Drahtzieher ſtehen, die das Vorgehen der Streikluſtigen, die ſich über die Tragweite ihrer Handlungen nicht recht im Klaren ſind, für ihre dunklen Zwecke benutzen. Welche Maßnahmen die Regierung gegenüber den Streiks — ſeſt Behebung der Verkehrsnot treſfen wird, ſteht noch icht feſt. ] Verlin, 30. Junji.(Von unſ. Berl. Büro.) In Hamburg iſt zur Zeit alles ruhig, doch herrſcht unter der Bevölkerung eine äußerſt gedrückte Stimmung. Wann der Vormarſch der Regierungstruppen unter Lettow⸗Vorbeck fort⸗ geſetzt wird, iſt zur Zeit noch nicht bekannt. Die 15 Bahren⸗ felder Freiwilligen, die bei der Beſetzung des Rathauſes ver⸗ ſchwunden waren, ſind zur Zeit noch nicht aufgefunden worden. Hamburg, 30. Juni.(WB.) Im Auftrage des Militär⸗ oberbefehlshabers und Geaceenee von Lettow Vorbec gid der Kommandant von Groß⸗Hamburg um Mißverſtändniſſe beim Einrücken der Reichswehr zu verhindern, bekannt, daß für die Dauer der Anweſenheit des Korps⸗Lettow⸗Vorbeck, die Volkswehr beurlaubt wird. Die Mannſchaften beziehen ihre Gebührniſſe bis 31. Juli. DBerlin, 28. Juni.(Von unſ. Berliner Büro.) In Düſſeldorf ſtehen größere Ausſtände bevor. So ſind die ſtädtiſchen Arbeiter in den Ausſtand getreten und die Ar⸗ beiter der Gas⸗, Waſſer⸗ und Elektrizitätswerke dürften ſich ihnen anſchließen. Es handelt“ ſich um die Herabſetzung der Lebensmittelpreiſe. Verhandlungen zwiſchen den Vertretern der Behörden und den Ausſtändigen ſind im Gange. Zur Zeit iſt die Ruhe noch nirgends geſtört. Auch in Eſſen drohen die Arbeiter mit Unruhen, weil die teueren Lebensmittelpreiſe nicht ſofort herabgeſetzt werden. Auftakt zur neichsſchulkonferenz. Das Reichsminiſterium des Innern hat das preußiſche Miniſterium für Wiſſenſchaft, Kunſt und Volksbildung wie außerdem ſämtliche Unterrichtsbehörden der Bundesſtaaten aufgefordert, Vorſchläge zu machen für die Verhandlungen der von dem Reichsminiſterium in Ausſicht genommenen Reichsſchulkonferenz. Im Zuſammenhang damit hat der Unterrichtsmintſter das Zentralinſtitut für Er⸗ ziehung und Unterricht erſucht, in ſeinem päda⸗ gboiſchen Ausſchuß einige wichtige Fragen doer Schiorganz⸗ ——— ——— — ——— — 7 ͤ 41 2. Seite. Nr. 293. Mannheimer General-Anzeiger.(Abend-Ausgube.) Montag. den 30. Juni 1919. ſation, insbeſondere die der ſogenamiten Einheitsſchule zu er⸗ örtern. Die Verhandlungen haben am 20. und 21. Juni d. Js. unter Zuziehung von Vertretern der hauptſächlichen Lehrerorganiſationen und von Hochſchullehrern ſtattgefunden. Man einigte ſich über eine Reihe allgemeiner Grund⸗ ſätze für de/Neugeſtaltung des Schulweſens, von dene ſolg ende bemerkt zu werden verdienen: „Les ſle cunte öffentliche Schulweſen ſoll auf einer ge⸗ meinſaſſen(Grundſchule aufgebaut und vom Geiſte der -eſtrerbiltung und Selbſtregierung durchdrungen ſein.“ Die neue Schulorganiſation muß alle die mannigfachen Schularten, die ſie den Begabungen und Berufen gemäß ein⸗ zurichten hat, in ſtufenweiſer Abzweigung aufbauen, in ein einheitliches Syſtem mit tunlichſt zahlreichen Uebergangs⸗ „möglichkeiten bringen und unter einheitliche behördliche Lei⸗ tung ſtellen.“ „Alle Schulgeſetze dürfen nur Rahmengeſetze ſein, inner⸗ halb deren die Freiheit der einzelnen Schulträger nicht beein⸗ trächtigt werden darf.“ Von Einzelheiten der Neugeſtaltung, über die man ſich mit großer Mehrheit verſtändigte, ſeien folgende erwähnt: »Die gemeinſame Grundſchule muß mindeſtens vierjährig ſein; es ſoll aber den Schulträgern geſtattet ſein, den gemein⸗ ſamen Unterricht bis zu ſechs Jahren weiter auszubauen. Verſuche mit der weiter ausgebauten Grundſchule ſind in möglichſt weitem Umfang ohne Verzug zuzulaſſen.“ „Als gradlinige Weiterführung der Volksſchulen ſollen Aufbauſchulen als neue Form der höheren Schulen einge⸗ richtet werden. Die Aufbauſchule iſt vornehmlich als Sammelſchule ein⸗ zurichten zur Aufnahme der beſonders beanlogten Schüler und Schülerinnen vom Lande und aus kleinen Städten.“ Ueber den Ausbau der einzelnen Schularten, insbeſon⸗ dere der Aufbauſchule und der Mittelſtufe des Geſamtſchul⸗ weſens mit Einſchluß des Fortbildungs⸗ und Fachſchulweſens, ſowie über die Fragen der Lehrerbildung und der Schüler⸗ ausſeſe ſollen noch beſondere Ausſchußberatungen ſtattfinden. * Der Deutſche Lehrerverein und die Reichsſchulkonferenz. Vom Deutſchen Lehrerverein wird uns geſchrieben: Die Vorbereitungen der Reichsſchulkonferenz ſind in vollem Gange. Die Schulbehörden der einzelnen deutſchen Staaten haben ihre Wünſche und Vorſchläge zu den Fragen, die die Reichsſchul⸗ konferenz beſchäftigen ſollen, größtenteils feſtgeſtellt und dem Reichsminiſterium des Innern mitgeteilt. Der erziehungs⸗ zwiſſenſchaftliche Ausſchuß des Zentralinſtituts für Erziehung und Unterricht hat kürzlich einige beſonders wichtige dieſer Fragen, die ihm vom preußiſchen Miniſterium für Wiſſen⸗ ſchaft, Kunſt und Volksbildung übermittelt worden waren, be⸗ handelt und beantwortet und weitere Fragen an Sonderaus⸗ ſchüſſe zur Bearbeitung und Berichterſtattung verwieſen. Ins⸗ beſondere handelt es ſich um die Grundforderung aller Neu⸗ geſtaltung unſeres Schulweſens, den einhei tlichen Auf⸗ bau und die den Bildungs⸗ und Lebenszwecken euntſprechende Gliederung des Schulweſens. Die Verhaudlungen des genannten Ausſchuſſes laſſen er⸗ kennen, daß erhebliche Abweichungen in den Auffaſſungen insbeſondere auf ſeiten der Vertreter des Volksſchulweſens einerſeits und denen des höheren Schulweſens andererſeits noch beſtehen, daß bei eingehender Ausſprache eine weit⸗ gehende Annäherung der Standpunkte indeſſen wohl möglich iſt, ſo daß die mittlere Linie, auf der eine gedeihliche Neu⸗ geſtaltung erfolgen könnte, gefunden werden dürfte. Wenn dabei Zugeſtöndniſſe auf beiden Seiten nökig ſind, ſo iſt doch zu hoffen, daß den Anſprüchen der Volksſchule, die im alten Staate inbezug auf ihre Stellung im Unterrichtsganzen im unerträglicher Weiſe zurückgeſtellt wurde, bei der Neu⸗ kegelung in genügendem Maße Rechnung getragen wird. Ein paar Flicken auf den alten Schulmantel aufzuſetzen, ge⸗ nügt heute nicht mehr. Das höhere Schulweſen darf nicht in allen Teilen als ein Rühr⸗mich⸗nicht⸗an gelten. Vortreffliches laſſe man beſtehen, minder Vortreffliches wird man in beſchei⸗ denem Umfange dulden können; aber im ganzen muß es auch bier heißen, daß zu jeder Schule freier Weg geſchaffen und daß jede Schulart in den Dienſt der Erziehung des ganzen Volkes geſtellt werden muß. Jede andere Regelung würde ſich in kurzer Zeit als unzulänglich und unhaltbar erweiſen. Es kann nur dringend gefordert werden, daß bei der Neu⸗ geſtaltung auch hier ganze, den neuen ſtaatlichen Verhältniſſen entſprechende Arbeit gemacht werde. Deulſches Reich. Die Erklärung Balockis. Am Freitag hatten wir die Erklärung Batockis über die Bewegung in den Oſtprovinzen wiedergegeben. Die Mann heimer„Volksſtimme“ behauptet heute, wir hätten zu beſtimmten politiſchen Zwecken den maßgebenden Schlußſatz weggelaſſen und bewußt abſichtlich eine unwahre Darſtellung gegeben. In Wirklichkeit liegt es ſo, daß die Frank⸗ furter Agentur des W. T. B. uns den Schlußſatz nicht übermittelt hat, wie wir aus dem noch vorhandenen Stenogramm der Aufnahme der Depeſche beweiſen können. Es ſteht der„Volksſtimme“ zur Einſicht zur Ver⸗ fügung. Es hat uns nichts ferner gelegen, als hetzen zu wollen; wir wünſchen nicht minder als die„Volks⸗ ſt i mm e“ unſerem armen Vaterlande Frieden und wer⸗ den keinen Geſchmack daran finden, unſinnigen Abenteuern das Wort zu reden. Wir dürfen erwarten, daß die„Volks⸗ ſtimme“ ihren Leſern von dieſen tatſächlichen Kenntnis gibt. Daß im heutigen Drange der Geſchäfte eine Redaktion nicht immer Zeit findet, jede Depeſche nachzu⸗ Prüfen, wird die Kollegin wohl aus eigener Erfahrung wiſſen. Nachdem wir auf das bedauerliche Verſehen der Frank⸗ furter Agentur des W. T. B. aufmerkſam gemacht worden ſind, geben wir die Erklärung Batockis mit dem ausge⸗ laſſenen Schlußſatz wieder. Sie lautet: Nach Annahme des Friedens, der uns neben anderen gegen Deutſchlands Ehre und Zukunft gerichtete Friedensbe⸗ dingungen die Poloniſierung der deutſchen Oſtmark bringt, zichteten die Bewohner der Oſtprovinzen an mich das Er⸗ ſuchen, mich mit anderen von ihnen bezeichneten Männern an die Spitze eines der Form nach vorläufig vom Reiche zu trennenden, die Nordoſtmark umfaſſenden Staatsgebildes zu ſtellen, um ſo die Möglichkeit bewaffneter Abwehr der Polen, unabhängig von der durch den Friedensvertrag gebundenen Reichsregierung, zu ſchaffen. In voller Würdigung der vater⸗ länuſchen Abſichten der Urheber dieſes Planes habe ich meine Beteilaung daran abgelehnt und vor ſeiner weiteren Verfolgeng gewarnt. 21 2 Bethmann-Hollweg an Clemenceau. Berün, 30. Juni.(Von unſerm Berliner Biro.) Zu dem Schreiben des Herrn von Bethmann⸗Hollweg 5 den Miniſterpräſſdenten Clemenceau wird der B. 3. mitgeteilt: Herr v. Bethmann-⸗Hollweg hat einen gleichen Schritt bereits am 20. Mai unternehmen wollen, ihn aber auf ausdrücklichen Wunſch der Reichsregierung fallen laſſen. Feſtſtellungen Die Reſchsregierung hatte ſich deine mederlage wird dein Sieg werden. Die allierten Mächte haben phyſiſch geſiegt, aber Deutſchland hat wie wohl nie zuvor ein beſiegtes Volk die unge⸗ teilten Sympathien der rechtdenkenden Neutra⸗ len der Welt. Die Entente hätte ihren Sieg auch in gewiſſem Grade moraliſch gewonnen, wenn ſie die zwei Einwände in der Schuldfrage und der Auslieferung des Kaiſers, welche die deutſche Regierung in letzter Stunde machte, angenommen hätte. Aber dieſer Appell Deutſchlands an den Reſt von menſchlichen Ge⸗ fühlen, der vielleicht noch bei den Moralpredikanten in Verſailles zu finden war, wurde mit einem ebenſo hartherzigen und wie un⸗ erhört dummen„Nein“ beantwortet. Damit hat die Entente ihren Sieg mit einer Schande beſudelt, die ihresgleichen in der Welt⸗ geſchichte ſucht. Wir gebrauchen keine zu ſtarken Worte, denn auch dieſe ſind zu ſchwach, um den Abſcheu auszuſprechen, welcher den rechtdenkenden Schweden angeſichts des Büttelwerkes in Verſailles beſeelt. Wir ſind der Anſicht, daß das ganze Gewalt⸗ ſyſtem, welches in dem diktierten Frieden der Sieger ſich verkörpert, keine Schande für Deutſchland, ſondern für diejenigen iſt, die ein derartiges Inferno angerichtet haben. Das gemarterte Deutſchland geht mit Ehre aus dem Krieg hervor. Was es auch verbrochen haben mag, jetzt iſt alles geſühnt. Heil dir, unſer ger⸗ maniſches Brudervolk! Deine Niederlage wird dein Sieg werden. Ohne Golgatha kein Tabor. Das iſt die tiefſte Erfahrung der Geſchichte, die wieder einmal beſtätigt wurde. Hauptmann Erich Liljedahl. damals auf den Standpunkt geſtellt, daß die Schuldfrage entweder im ganzen vor einem neutralen Gerichtshofe oder, wenn ſie ſich lediglich auf deutſche Reichsangehörige beſchränkt. nur von einem deutſchen Gerichtshof geprüft werden könne. Der Schritt des Herrn v. Bethmann⸗Hollweg hätte alſo am damaligen Zeitpunkt ein unerwünſchtes Präjudiz gebildet.. zeichnung des Friedensvertrages, der die deutſche Regierung zwingt, auch Reichsangehörige fremden Gerichten auszuliefern. iſt der Brief an Clemenceau eine Privatangelegenheit des ehemaligen Reichskanzlers. Die Regierung hat daher gegen die Abſendung des Schreibens an den franzöſiſchen Miniſterpräſidenten keine Einwen⸗ dungen zu erheben gehabt. Letzte Meloͤungen. Lloyd Georges in London. London, 30. Juni.(WB.) Lloyd George und die Friedensdelgation ſind heute abend in London eingetroffen und wurden von dem König und den Mitgliedern des Kabinetts am Bahnhof empfangen. In der Downing Street hielt Lloyd George eine Anſprache an die Menge, in der er das Volk aufforderte ſich des Sieges nicht im Geiſt der Prahlerei, ſon⸗ dern im Geiſt der Ehrfurcht zu freuen. Rigas Biffe um Maßnahmen gegen den Bolſchewismus. Berlin, 30. Juni.(Von unſerem Berliner Büro.) Folgendes Funkentelegramm aus Riga traf bei der deut⸗ ſchen Waffenſtillſtandskommiſſion in Spaa am 28. Juni ein: „Der in Vertretung der Stadtverordnetenverſammlung tagende Bürgerausſchuß Rigas, beſtehend aus den Vertretern der lettiſchen, baliſchen, ruſſiſchen und jüdiſchen Bevölkerung, bittet dringend ee e 151—————e wiſchen lettländiſchen und eſthniſchen pen ſofo inha Febbten werde, 5 fonſt Weedeteeh— Holſchewiſtiſchen Schreckensherrſchaft mit allen Greueln als unvermeidlich er⸗ ſcheint. Namenloſes Leid unter der bolſchewiſtiſchen Herr⸗ ſchaft berechtigt die Bevölkerung Rigas, den Zuſammenſchluß aller Kräfte und dazu ſofortige Einſtellung der Feindſelig⸗ keiten zwiſchen lettiſchen und eſthniſchen Truppen zum beuchu gegen den Bolſchewismus zu erbitten. Der Bürgerausſchu als Vertretung der lettiſchen, baltiſchen, ruſſiſchen und füdiſchen Bevölkerung der Stadt Riga.“ Bolſchewiſtiſche Niederlagen in der Krim. Amſterdam, 30. Junj.(W..) Daily Chronicle meldet, daß die Armee des Generals Denikin auf einer Front von 900 Meilen zwiſchen dem Kaſpiſchen Meere und der Krim an allen Stellen Fortſchritte macht. Die Bolſchewiſten räumten Bfolgorod etwa 50 Meilen von Charkow. Der Fall Charkom ſteht unmit⸗ telbar bevor. Die Bolſchewiſten räumten außerdem Fedoſiah. Schweres Erdbeben. Bern, 30. Juni.(WB.) Laut teſegraphiſchen Nachrich⸗ ten wurde geſtern vormittag zwiſchen 5 und 6 Uhr Toskana von zwei außerordentlich heftigen Erdbeben betroffen, die ſich bis nach Bologna und Venedig bemerkbar machten. Unter der Bevölkerung herrſcht große Panik. Tauſende kampieren im Freien. Am ſchlimmſten heimgeſucht iſt das Tal des Mugellos. Nach den letzten Nachrichten ſind die Folgen des Bebens in einigen Gegenden kataſtrophal. Einige Dörfer ſind vollſtändig zerſtört worden. In einigen Städten wurde auch erheblicher Gebäudeſchaden konſtatiert. Man ſprach von hundert Toten. Militäriſche Hilfe iſt aufgeboten. * [I Berlin, 30. Juni.(Von unſ. Berl. Büro.) Ale⸗ xander Moiſſi iſt wegen ſeiner Zugehörigkeit zur Kommu⸗ niſtiſchen Partei die Einreiſeerlaubnis zu einem Gaſtſpiel am Neuen Deutſchen Theater in Prag von der Tſchecho⸗Slowa⸗ kiſchen Geſandtſchaft in Wien verweigert worden. Handel und Industrie. Oberrheiniſche Verſicherungs-Geſellſchaft in Mannheim. In der heute vormitktag im Sitzungsſaale der Geſellſchaft abge⸗ haltenen Generalverſammlung wurden durch 9 Aktionärxe 2557 Aktien und Stimmen vertreten. Der Vorſitzende des Aufſichts⸗ rats, Herr Kommerzienrat Eswein⸗Bad Dürkheim gedachte zu⸗ nächſt des Hinſcheidens des Aufſichtsratsmitgliedes Ed. Schweitzer, des Gründers der Geſellſchaft, ſowie der im Kampfe fürs Vaterland gefallenen Beamten und Angeſtellten der Geſellſchaft. Zum Ge⸗ denken der Toten erhoben ſich die Anweſenden von ihren Sitzen. Die Regularien wurden hierauf einſtimmig und debattelos ge⸗ nehmigt und Vorſtand und Aufſichtsrat Entlaſtung erteilt. Es ge⸗ langt ſonach eine Dividende mit M. 37.50 für die Aktle zur Auszahlung. Die turnusgemäß aus dem Aufſichtsrat ausſcheidenden Herren Direktor Kommerzienrat Dr Hans EClemm und Bankier Carl Wilhelm Simons⸗Düſſeldorf wurden einſtimmig wiederge⸗ wählt.§ 6 des Geſellſchaftsſtatuts erhält nach der vorgenommenen Satzungsänderung nunmehr nachſtehende Faſſung:„Die Bareinlage auf jede Aktie beſteht in 35 Proz. des Nominalbetrages, alſo Mark 350 neben dem etwaigen Mehrbetrag(Aufgeld u. ſ..). Für die in Mannheim zahlbaren 65 Proz.= M. 650, haftet der tionör.“ Aus der Mitte der Aktionäre wurde hierauf um Auskunft über den Rückgang der Erträgniſſe ſowie über die Ausſichten im neuen chäftsjahr erſucht. Herr Generaldirekter Kommerzienrat Oskar Sternber erwidert: Was den Rückgang der Geſchäftsergebniſſe anbelangt, ſo iſ derſelbe zu erſehen ſowohl aus dem Geſchaſtsberlcht wie auch aus — 15 Jetzt, nach erfolgter Unter⸗ den Abſchlüſſen der Gewinn⸗ und Verluſtrechnung. Der Rückgang der Exträgniſſe iſt auf zweiMomente zurückzuführen. Es iſt vor allem der e kataſtrophale Verlauf des Ein⸗ bruchs⸗ und iebſtahlsverſicherungszweiges, der in früheren Jahren vor dem Kriege ſtets Gewinn gebracht hat. Im vergangenen Jahre aber erbrachte er einen Verluſt von 397 658 Mark. Zum andern iſt der Rückgang der Erträgniſſe zurückzuführen auf den großen Kursverluſt der Kriegsanleihe, der M. 320.000 ausmacht. Dieſe beiden Faktoren ergaben für die Geſellſchaft im ganzen einen Verluſt von M. 920 000. Was den Verlauf des dies⸗ jährigen Geſchäftes anbelangt, ſo iſt derſelbe bis auf die Einbruchs⸗ und Diebſtahlsverſicherungsbranche, die nach wie vor kataſtrophal verläuft, ein normaler. Die Unkoſten ſind aber ſtark gewachſen und werden auch noch weiter ſteigen, ſodaß, wenn die Prämien nicht ebenfalls eine weitere Erhöhung erfahren, von einer Rentabilität des Verſicherungszweiges kaum noch geſprochen werden kann. Es ſind alſo keine erfreulichen Ausſichten, die man für das neue Ge⸗ ſchäftsjahr machen kann. Aus der Mitte der Berſammlung wurde ſodann ſowohl dem Aufſichtsrat wie dem Vorſtande der Dank der Aktionäre für die gute Geſchäftsführung im abgelaufenen Jahre ausgeſprochen. Herr Direktor Kommerzienrat Dr. Hans Clemm trat ſodann der vielfach im Publikum verbreiteten irrigen Auffaſſung entgegen, als ob die Verſſcherungsgeſellſchaften ale gute Geſchäft⸗ machen würden. Das Gegenteil wäre der Fall. Es ſel ganz gul daß die Deffentlichkeit darüber aufgeklärt werde, daß die Verſicherungsge⸗ ſellſchaften abſolut nicht auf Roſen gebettet ſeien. Die Ausſichten für die Verſicherungsgeſellſchaften für die Zukunft ſeien recht ſchlecht. Von Seiten des Vorſtandes wurden die Ausführungen des Vor⸗ redners durch längere Darlegungen ergänzt Das Geſchäftsfahr ſchließt mit einem Netto⸗neberſchuß von M. 322 046 (M. 639 870) ab. Unſere Geſamt⸗Prämien⸗Einnahme belief ſich auf M. 20 42105t(19 339 314), ſodaß wir im Berichtsjahr einen Zugang von M. 1 081 737 zu verzeichnen haben, welcher, verglichen mit dem Jahre 1913, in welchem Jahre unſere Geſamt⸗Prämien⸗Einnahme M. 19 799 076 betrug, erſtmals wieder die Höhe des letzten Friedens⸗ fahres erreicht, reſp. überſchritten hat. Das Mehr in 1918 betrifft in in mehr oder weniger bedeutendem Umfange die fämtlichen von uns betriebenen Verſicherungszweige. Was die Gewinn⸗ und Verkuſt⸗ Rechnung pro 1918 betrifft, ſo wurde das Transport⸗Verſiche⸗ xungs⸗Geſchäft nach wie vor durch den Weltkrieg ſtark beeinſtußt. Die Verhältniſſe und die Unſicherheit, die über dem Geſchäfte der damit verbundenen Kriegsgefahrverſicherung ſchweben, legen uns die Pflicht zu äußerſter Vorſicht in der Bilanzierung auf, ſo daß wir dieſen Verſicherungszweig diesmal praktiſch ohne Ueberſchuß abſchließen und bezüglich der Abwicklung der techniſchen Reſerven desſelben nicht ohne Sorgen ſind. 3 Das Unfall⸗ und Haftoflicht⸗Verſicherungs Geſchäft zeigt abermals eine Aufwärtsbewegung in der Prämieneinnahme. Der Schadenverlauf war ein befriedigender, doch wird das ſchließliche Reſultat des Jahres davon abhängen, wie die mit dem Ausbruch der Revolution in Verbindung ſtehenden Tumult⸗./o. Aufruhrſchäden bei einzelnen der bei uns verſicherten Stadtgemeinden und mit welchen Beträgen ſich endgültig ſtellen. Im Glas⸗Verſicherungs⸗Geſchäft haben wir bei einem kleinen Poltzenzuwachs einen verhältnismäßig größeren Prämien⸗ zuwachs zu verzeichnen, was— wie in den vergangenen Kriegsjahren — auf eine den geſtiegenen Glaspreiſen entſprechende Erhöhung der Verſicherungswerte und damit der Prämien zurückzuführen iſt. Wenn trotz der enorm geſtiegenen Verglaſungspreiſe die gezahlten Schäden gegenüber denjenigen des Vorjahres prozentual zurückgeblieben ſind, ſo beruht das teils auf einer Verminderung der zur Anmeldung ge⸗ kommenen Verſicherungsfälle um ca. 200 Stück, in der Hauptfache aber auf den inſolge Glasmangels mehr als ſonſt zur Regulierung für ſpäter erfolgten Zurückſtellungen. Die vorübergehend in Erſcheinung getretene Verſicherung gegen die Gefahren von Fliegerſchäden iſt in den Ziffern der Glasverſicherung mit Ausnahme der Bewegung des Verſicherungsbeſtandes enthalten; zum Abſchluß kamen 3278 Verſiche⸗ rungen mit einer Verſicherungsſumme von M. 150 605 531.—, die ver⸗ einnahmte Prämie betrug M. 199891 und die bezahlten und zurſütck⸗ geſtellten Schäden ſtellen ſich ohne Rückverſicherung auf M. 128 808. Die Einbruch⸗ und Diebſtahl⸗Schaden⸗Verſicherung hat im Berichtsfahr einen nicht unbedeutenden Prämienzuwachs zu ver⸗ zeichnen, der auf denſelben Urſachen berußt, wie im Vorfahre, näm⸗ lich vermehrter Nachfrage nach Deckung einerſeits, Erhöhung des Ent⸗ gelts andererſeits. Leider ſind indes auch die Schadenziffern aber⸗ mals enorm geſtiegen ſie zehren die Prämieneinnahme, trotz des erheblichen Zugangs an Neuprämten, vollſtändig auf und geben ſomit ein treffendes Bild von der troſtloſen Lage, in der ſich das Einbruch⸗ Diebſtahl⸗Verſicherungsgeſchäft befindet. Die Gründe ſind bekannt. ſie finden in den derzeitigen Verhältniſſen ihre Erklärung. Leider zeigen die Schäden auch bei Abfaſſung dieſes Berichts keine Minderung. In der„Verſicherung iſt die Prämieneinnahme im Berichtsjahre wiederum etwas geſtiegen, während die Schadenziffern ſich in Ausbreitung dieſes Zweiges liit nach wie vor unter der notleidenden Organiſation. Im Feuer Nückverſicherungs⸗ Geſchäfte verlief das Geſchäft günſtig. Maunheimer Effektenbörſe. Ein kleiner Poſten Aktien der Aktien⸗Geſellſchaft für Seil⸗ Induſtrie wurde zu 100 Prozent gehandelt. Höbere Notierungen verzeichnen: Anilin, Weſteregeln und Benz. Schwächer lagen: Emaillierwerke Maikammer und Waggonfabrik Fuchs⸗Aktien. Frankfurter Weripapierbörſe. Frankfurt, 30. Juni 1919.(WB.) Die Börſe hat ſich während der langen Zeit der Friedensverhandlungen einer Zurückhaltung be⸗ fleißigt und auch die Unterzeichnung des Friedens ließ die Spekula⸗ tion unberührt. Ruhig blieb das Geſchäft. doch war die Stimmung feſt. da man die wirtſchaftlichen Verhältniſſe beſſer auffaßte, ſowie auch die politiſche innere Lage ſich erträglicher geſtaltete. Lehhaftere Umſätze vollzogen ſich in Kriegsanleihen, welche zu 76½ umgingen. auch Schatzanweiſungen lagen feſter, Beſonders waren alte deutſche Anleihen weiter gefragt und fähiger. Im freien Verkehr blieben deutſche bis 224 geſucht, ſchwächten ſich ſpäter jedoch wieder ab. Heloͤburg, ſowie Venzaktien waren 204 genannt, unterlagen aber ebenfalls Schwankungen. Höher gingen Südweſt um, welche bis 146 gehandet wurden. Auf dem Gebiet der Induſtriepapiere entwickelten ſich regere Umſätze, auch A..⸗G., welche nahezu 4% anzogen. Gefragt ſind ferner Schuckert, Badiſche Anilin fanden mit 334/ erneute Kurserhöhungen. Auch Farbwerke Höchſt, ſowie Scheideanſtalt fanden Beachtung. Beſcheiden waren die Umſätze in Dafmler und Kleyer, deren Kurſe ſich behaupteten, Schantung und Lombarden be⸗ feſtigt. Schiffahrtsaktten kaum beachtet. Am Montanmarkte erfuhren Phönix, Luxemburger und Gelſenkirchner Kursbeſſerungen. Verhäkt⸗ nismäßig wenig berührt wurden von der Tendenzbeſſerung Bankaktien, 1 welches ſich nur geringes Intereſſe bemerkbar machte. Am Markte er mit Einheitskurſen notierten Papiere war die Preisgeſtaltung nicht einheitlich, doch überwog det feſte Grundton. Das Geſchäft blieb auch im weiteren Verlauf ruhig, doch konnte ſich die Feſtigkeit des Marktes bis zum Schluß behaupten. Privatbiskont 35½ 00. Berliner Wertpapierbörſe. Berkin, 30. Juli. Die Tendenz der Börſe war heute entſchieden ſe ſt. Namentlich in Aktien von Unternehmungen, die für den Aus⸗ fuhrhandel in Betracht kommen, wurde rege gekauft. Von Hütten⸗ und Bergwerksaktien gewannen Bochumer, Harpener und Phönix —6 d6, Farbwerke erzielten bei teilweiſe größeren Umſätzen die 3 Erhöhungen. Elberfelder Farben ſtiegen ſogar um 10%. uch Kaliwerte,—75— Deutſche Waffen und Vereinigte Köln⸗Rott⸗ 1 und Orenſtein und Koppel waren um mehrere Prozent ge⸗ eigert. Schiffahrtsaktien wurden gleichfalls ziemlich lebhaft umgeſetzt und notierten höher. Kolontalwerte erfreuten ſich eines regeren Intereſſes zu anziehenden Kurſen. Auslandsaktien waren ungleichmäßig. Orient⸗ bahn und Türkiſche Tabak waren—7 höher. Deutſche Anleihen begehrt, angeblich ebenfalls für ausländiſche Rechnung und zum Teik anſehnlich höher. Kriegsanleihen 76½—½. Oeſterreichiſche Renten teilweiſe gebeſſert, ungariſche ungefähr behauptet. Stahlwerksverband und Preisfeſtſetzung. r. Düſſeldorf, 20. Junk.(Pr⸗Tel.) Wegen einer in Berlin ſtatt⸗ findenden Beratung mit dem Reichswirlſchaftsminiſterſum wurde die Verſammlung des Stahlwerksverbandes und der übrigen Eiſen⸗ verbände zur Preisfeſtſetzung für das dritte Quartal verſchoben. Sie wurde nunmehr auf Freitag, 11. Juli nach Düſſeldorf einberufen. Am gleichen Tage finden auch die Verſammlungen für Stabeiſen, Walzdrahtröhren und Grobbleche ſtatt, während die Drahtverfeine⸗ rung am 12. Juli ihre Preisfeſtſetzung vornimmt. Gut informierte die Rohſtoffe geſtiegen ſind, nicht daran, daß die Halbzeugpre + werden. Bei unveränderten e ee köonke auch für die übrigen Eiſenerzeugniſſe von einer Preisbewegung damit Verteuerung apgeſehen werden, nach oben Sülſ endlich einmal die zum mäßigen Grenzen halten. Die ———