TWonnemenk: Tägliche Ausgabn 70 Pfennig monatlich. Bringerlohn 20 Pfg. monatlich⸗ durch die Poſt bez. inel. Poſts aufſchlag M..42 pro Quartal⸗ Einzel⸗Nummer 5 Pig Nur Sonntags⸗Ausgabe: 20 Pfennig monatlich, ins Haus od. durch die Poſt 25 Pf. Oie Colonel⸗Zeile 70 Die Reklams⸗Zeile (Badiſche Volkszeitung.) E 6, 2. „20 Pfg. der Stadt mannheim und Umgebung. Unabhängige Tageszeitung. Erſcheint wöchentlich zwölf Mal. Geleſeuſte und uerhreilelſte Zeitung in Maunhein und Augebnükz. Schluß der Inſeraten⸗Annahme für das Mittagsblatt Morgens 9 Uhr, für das Abendblatt Nachmittags 3 uhr. (Mannheimer Volksblatt.) Telegramm⸗Awreſte „Journal Mannheim““ In der Poſtliſte eingetragen unter Nr. 3022. — Telephon: Direktion und Druckerei: Nr. 341 Redaktion: Nr. 877 Expedition: Nr. 218 E G, 2. 5 1 Auswärtige Fulferate 5 0„ Filiale: Nr. 815 10 —— Nr. 16. Sountaa, U. Januar 1905, 2 Blatt.* Ferien! Reiſe⸗Briefe von Jacob Strauß,. 155—5 Nachdruck verboten. (Abfahrt— Reiſegeſellſchaft— München— Das Puſter⸗ thal— Trieſt— Die„Meiſterſinger“ italieniſch Zum Dampfer.) 7— 193 Ferien! Ob der Menſch jung oder alt iſt— ein eigenartiger — Zauber erfaßt ihn, wenn das kleine Wort Ferien die Alltagsge⸗ danken kreuzt. Heraus aus dem Gleichklang der Stunden, aus dem altgewohnten Jauf der Dinge— unter neuen Sternen wölbt ſich auch ein neuer Horizont und weit gebaut iſt die Welt und hat Platz für Alle! Neue Eindrücke häufen ſich und verdrängen die alten; wie neugeboren ſchaut das 2 langſam ſchwinden die Gedanken an zund Beruf und Schulden. erſten!— Fing in der Schule die Ferienzeit nur einen dann revoltirte die ganze Klaſſe. Heute iſt der Menſch zu faul, ſich ſelber Ferien zu gönnen. Jeder hat 3 dazu(s braucht grad nicht nach G60 fen zu gehen)— ſie wol len aber nicht. Meinetwegen. Ich packe, ſobald der Januar kömmt, Haus und Hof, Die letzteren vergeſſen an Pflicht ſich am aller⸗ Tag zu ſpät an, wohlgemuth die heimathlichen Penaten, draußen in der Welt ausſieht. Und wahrlich: Anders, als ſonſt vom Waſſerthurm aus, malt ſich die Welt! Taß es aber gerade 1 0 ſo viel geregnet hat dafür kann ich nichts.—„Abſchließen“— die üblichen Küſſe 11105 Wiederſehenswünſche— der ſchrille Pfiff der Lokomotibe— und lafigſam, aber ſicher, entführte mich der Schnollg üg aus der geliebten Vaterſtadt. „„Friedrichsfeld!“ muß dies ſein? Jemand aus⸗ oder gar eingeſtiegen?— Der⸗ FJürcgring⸗mir gegenüber verduftet; er hat eicht was er wollte: ex wäre gerne„Nichtraucher“ gefahren und die zwei Damen, die in jenem Coupee ſaßen, rauchten. Schrecklich. Sie mußten die Cigaretten weglegen und ich blieb dadurch allein in meinem Abtheil, allein bis München und ſchlief den Saf des Gerechten. Neben mir— erſter Klaſſe— eine ältere Dame mit einer Krankenſchweſter. Ich mag ſie auf Meiſen leiden, als die geſunden. en Drei Stunden Aifenthak Langt's ins Hofbräu⸗ haus? Bei dem Wetter? Ich bleibe am Bahnhof und ſchreibe im Geiſte eine längere Abhandlung über„München im Regen“. Man kann auch ſagen: Roſenheim im Regen— es iſt dasſelbe und iſt jedenfalls ſchon ſehr oft geſchrieben worden⸗ Alſo nicht drucken. Mein Wagen München⸗Trieſt iſt leer und bliebes beinahe bis Trieſt. Ich hatte alſo die denkbar beſte Reiſegeſellſchaft! Nur kurz vor Juns⸗ brück, wo der Regen aufhörte und der Schnee anfing, ſtiegen einige Uniſchau 811 halten, wie s FJußhoch lag der Schnee am Brenner, eitler Sonnenſchein über die öſterreichiſ ſchen Lande. Von Goff ſenſaß au ſtieg der Nebel in den Thälesn auf und als der 3 derſame Puſterthal einbog, war die Sonne geſünken und die Himm⸗ liſchen ließen den grauen Verwandlungsvorhang herunter. Warum, weiß ich nicht. Nebelſchleier deckten die Dome und Thürme der Dolomiten zu— ſcließlie braucht der Menſch nicht Alles auf einmal zu ſehen und von den Dolomiten a den Pyramiden wird ſich noch Manches bieten! 8 Kurz vor Trieſt erwachte ich; der„Rothe“ von Lienz hat durſtig gemacht. Da— ein Silberſtrahl: der Mond. Alſo doch! Hurrah — kein Nebel, kein Regen— hoch vom Betge herab erſchaut das naoch ſchlaftrunkene Auge eine weite, unendliche Fläche: das Meer! Thalata! Und unten, der kleine, wechſelnde⸗ Lächeſchein: thurm von Trieſt! Siamo arrivati! an zu— Himmel, haſt du keinen Regenſchirm? 5„ maèstri cantori“ las ich— ſo hatte mein Trieſter Aufent⸗ halt doch einen Zweck, denn„mi'm Barablee kann ich aa in Mannem krumlaafe“ heißt's in der heimathlichen Muadart. Alfo, Sperkſitz. Schön. Köſtet? Acht Ganz wie bei uns. Nur die Aufführung nicht. Heiliger Wagner! Wenn Du Dich wegen jeder einzelnen Kürzung im Grabe herum⸗ drehen müßteſt, dann hätteſt Du in Ewigkeit die Drehkrankheit. Um halb acht ging's los und um zehn Uhr fünfundviersig Minuten hatte ſchon Hans Sachs den Kranz auf ſeinem 7 0 Reſpekt vor ſolchem Streichinſtrument, das mit blauem kräftz Zug, ſeiten⸗ und bogenweiſe die Partitur zuſammenſtrich! K 8= David ein Viertel und Beckmeſ ſer gar ein Fünftel ihrer Rolle. Eva kam etwas beſſer zu Wort und der edle Stolzing 5 ſchminkte ſich nicht allein ſeine Narbe im Geſch, ſogar das ganze Preislied weg. Man denke an das prachtvolle Vild u f exes Haus Sachs das muntere Geſpräch des Lehrbuben aus ſeiner Träumerei auf⸗ geſchreckt, ſich das Sprüchlein von Sankt Johannis aufſagen läßt— dem Italiener iſt dies zu viel Poeſie David ſingt die Einleitungs⸗ takte(bis zur Wurſt!) und mit einem kühnent Sprunge ſetzt Sachs wiederum mit der Hälfte des iee e ein.„Wie fried⸗ ſam, treuer Sitten, getroſt 5 Gerade zu komiſch waren⸗ ahlr dis Ziguren 5 Meiſterſinger. Haben denn die italieniſchen Regiſſeure noch nie ein Koſtümbuch in der Hand gehabt? Walter Stolzing mit— die Lene mit ſtrohgelber Knabenfriſur und die Lehrbüben mit Walkürenperrücken. Im Chor ſah man Salonkleider, monte⸗ griniſche und türkiſche Jäckchen und der reizende, einfache Walzer 7 ward zum Vale Wenn 15 daran beß luge in die unbekannte, neue Welt und geit, Jeder hat auch die Mittel meinee ſieben Sachen(diesmal waren es aber mehr) Und verlaſſe. Iſt da ſchon einmal irgend Leuté ein— aber von Toblach ab blieb ich wieder der Einſiedler. Zug an Franzens sfeſte vorbei in das wun⸗ Der Leucht⸗ Aber kaum feſten Fuß gefaßt, fängts wieder ner und Pa gner ſangen knapp die Hälfte, Sachs ein Drittel, im 8. Akt, wie er ſinnend in dem alten Foliänten lieſt, wie er durch 5 reich beſchenkt hatte! Und der dann zum Lohne alles in ihr eine Krone ſo viel iſt, wie eine Mark— dann muß man immer zivei — es wäre zum Heulen! Das Orcheſter war gut, wenn 1 elwas zu ſtark— groß in der Wirkung war eigentlich nur das Vorſpiel und der„Wach auf!⸗Chor; die Kringelſcene war ein Tohu Wabohu mit drei f. Ein Aufgehen in das Tonwerk kennt der Italiener Rih Er ſingt. Wer gerade zu Wort kommen ſoll, der tritt— ohne jede Rück⸗ ſicht auf den Vorgang auf der Bühne— direkt an die Rampe, ſingt ſeine Stelle und verſchwindet wieder. So hätte ſich der arme Stolzing geſtern beinahe ſeine Waden am Rampenlicht verbrannt; da er's merkte, iſt anzunehmen, daß ſie ächt waren! Auch die Charakteriſirungskunſt ſcheint den hieſigen Sängern zu fehlen. Ob Beckmeſſer oder David— alles lächelt im Singen, oder ſingt mit Lätheln, wie man will; aber ſingen können ſie alle— das hat ihnen Mutter Natur mitgegeben und deswegen brauchen ſie auch nichts mehr dazu zu lernen. 5 Der Fremde aber muß lernen. Kronenwährung iſt nur eine halbe Sache. Zuerſt rechnen— denn die Wenn man meint, daß Kronen dafür bezahlen und kauft man ſich einen Schiffsplatz, ſo koſtet der ſo und ſo viel Gulden und zwar in Gold. Goldgulden giebt's aber nicht und deswegen werden zwanzig Prozent dazu ge⸗ rechnet. Sehr nett, aber auch ſehr koſtbar. Ich bin neugierig, ob die Schiffe des öſterreichiſchen Lloyd den Vergleich mit denen vom norddeutſchen Lloyd aushalten. Werden's ja ſehen. Draußen im Hafen liegt die„Bohemia“ unter früh geht's nach— Egypten. Bier und Chianti iſt an Vord. Dampf. Morgen Drei und ein halb. T dage dauert's und die Gedanken haben ſo lange: Ferten! FFF Skigzz e von E. Fahrg w. (Nachdrück. beibole 11.) In einem baufälligen Vorſtadthauſe wohnte ſte, weit genug von der Stadt entfernt, um Ruhe zu haben und doch nicht zu weit, um ihre Kundſchaft bequem erreichen zu können. Niemand wußterd ſich über das Gebahren Trude Wächters. Sie war ja immer ſo unglaublich ſtolz geweſen— früher ſchon, als ihr Vater noch der reiche Färbermeiſter war, und nächher erſt recht.— Ja, erſt recht.— Jedermann in der kleinen Stadt erinnerte ſich, wie es nach dem ſchmählichen Bankerott in der Wwächler ſchen Familie zugegangen, obgleich das nun ſchon zwan⸗ zig Jahre her war. Der alte Wächter hatte ſich todtgeſchoſſen, weil er keinen Ausweg mehr aus den ſelbſtgeſchaffenen Wirren ſah. Er hatte weit über ſeine Verhältniſſe gelebt.— Dann war 11 8 Bräutigam verſchwunden, nachdem er dem verlaſſenen Mädchen den Ring unter einigen ſchwächlichen Redensarten zurückgegeben. Und hierauf war Trude's unbändiger Stolz ſo ſichtbar zum Ausbruch gekommen. Keine Hilfe hatte ſie angenommen, nein, nicht einen Rath. „Ich bin mündig“, hatte ſie erklärt,„und handle nach meinem eigenen Ermeſſen.— Alle Gläubiger ſollen ihr Geld bekömmen, und ich werde mich durch Nähen und Schneidern erhalten.“ 2 5 Und wirklich, ſie hatte es durchgeſetzt. Nachdem das väterliche Grundſtück mit allem Jubentat ver⸗ kauft, nachdem Trudes mütterliches Erbtheil und ſelbſt ihr Spar⸗ kaſſenbuch geopfert war, konnte Trude in Ehren abziehen— ie Ehren und bettelarm. Aus dem ehemabigen Logirzimmer hatte ſie einigen 9 rath, gerade nur das allernothwendigſte mitgenommen und ſich damit Kammer und Stübchen in jenem halb verfallenen Vorſtadt⸗ hauſe eingerichtet. Dann hatte mehrmals ein Inſerat in der Zeitung geſtanden, daß Gertrud Wächter ſich zur Anfertigung von Damen⸗ und Kindergarderobe empfehle. An Kundſchaft fehlte es ihr nicht.— Alle die gutherzigern früheren Bekannten kamen und brachten ihr Arbeit. Und nun ſaß ſie und ſchnitt zu und ſtichelte, und das einzige Geräuſch, das ſie hörte, war das Klappern ihrer Nähmaſchine. Denn draußen in dem Garten, worauf ihr Fenſter blickte, war es ſchon im Sommer ſtill, wenn die Sonne auf den verwil⸗ derten Beeten brütete,— wie viel ſtiller noch im Herbſt! Trude wollte gerade dieſe Lautloſigkeit. Sie liebte es, wenn ſie Feierabend gemacht hatte, aus 1 0 Fenſter in den Garten zu ſchauen und durch nichts, nicht einmal durch einen Ton abgelenkt zu werden. Dann ſah ſie freilich nicht die grünen oder kahlen Bäume, nicht den höchgewucherten Buchsbaum, der ſelbſt durch den Winterſchnee f ſo hoffnungsfreudig hervorzuleuchten pflegte. Für Trude ga5 es keine Hoffnung' mehr.— Sie ſah di Gegenſtände, welche ſie anblickte, hindurch, in ihre Vergangenheit zurück und in die Zukunft hinaus. Denn ſo unaufhaltſam die Jahre 100 hinrollte, ſie hielt — gleichviel wann. Kommen würde ſie ſchon, dieſe Stunde der Rache, das wußte ſie in ihrem Herzen ganz ſicher. O, wie ſie ihn treffen wollte, den Treuloſen, den Verbrecher, den ſie einſt ſo ſehr geliebt! Dem ſie ihr junges, warmes Herz ſo willig hingegeben, den ſie mit ihrer bräutlichen Zärtlichkeit Seefeſt bin ich und gut öſterreichiſch ſelben nun auch wirklich ausführen. wo Rudolphs Eltern und— ſeine zweite Braut lagen. Wächter'ſchen Bankerott hingegangen waren, hatte ſil genöthigt, die Stadt zu verlaſſen, in der ihm nichts mehr ge als zwei Gräber und ein überſchuldetes Häuschen. ſchaffen.— Jetzt ſollte er ſich ganz allein erhalt Rudolph“ eine ſchloßähnliche Villa auszubauen ſei Häuschen zum Verkauf— keiner wollte es haben Friedſhaß ſtieß und innen und außen reparaturbe ch die immer er in der Welt weilte, würde er ſich in Scham und Zorn verzehren—— ach, 55 ſol eine Luſt für ſie ſein! feſt an einem Plan, den ſie verwirklichen wollte— eines Tages Trude von ihrem Bankier— ſie hatte jetzt einen Ba „Nachricht, daß ein Staatsloos, welches ſie be ſaß, mi gerbrachen 5 verwüſtet el hatte, als f ſte 705 weiches Mädchen meht war!— In ihrem empfindlichſten Ich hatte er ſie getroffen, in ihrem Stolze. Zum Gegenſtande des Mitleids oder gar des Spoktes in der ganzen Stadt war ſie geworden, ſte, die ſchöne Trude, die ſitzengelaſſene Braut! Aufwärts in ihre verblühten Wangen ſchoß das Blut, ſobald ſie daran dachte. Der Stachel ſaß feſt in ihrer Seele, zu fef als daß ihn je die Zeit lockern konnte. Niemals würde ſte di Schmach vergeſſen, die er ihr damals angethan, und ſie würde ſte ihm heimzahlen— mit ginſen— wenn es endlich ſo weit war! Seit zwanzig Jahren hatte ſie Groſchen für Groſchen, Mark für Mark beiſeite gelegt. Sie hatte gerechnet und geſpart, ja zuweilen gedarbt, um nur die Summe zu vergrößern, welche ſo langſam, ſo furchthar langſam, aber doch ſo ſicher anwuchs. Von Jahr zu Jahr hatte ſich dabei i01 Groll geſteigert, war ſie verbitterter und härter.— Wenn ſie auch keine Hi nung mehr hatte— was man ſo Hoffnung nennt— ein Dü nach Glück und Licht— ſo hatte ſie doch noch einen Lebens we — eben ihre beabſichtigte Noche. Es war ein durchſichtiger, begreiflicher Plan. an i e Freundin, die alte Frau Doktor Weber, begriff ihn wohl auch, wie ſie alles Menſchliche begriff. Aber immer, wenn Trude ih davon ſprach, ſchüttelte ſie ihr weißes Haupt und ſah die Näheri nachdenklich an. Widerſprechen mochte ſie ihr nie bei dieſen Gelegenheit Wußte ſie doch, daß ſie der einzige Menſch in der Welt war, dem Trude ſich anvertraute, und daß dieſes verhärmte, enttäuſch gerlaſſene Gemüth einen letzten Troſt darin fand, ſich der alten, mütterlichen Freundin gegenüber füceltes auszuſprechen. „Trude“, ſagte ſie dann wohl,„Du haſt doch den Rudolph ſehr geliebt. Iſt es denn möglich, daß ſo elnas Hee zu lchem Rachegift werden kann?“ 3 Darauf ein kurzes Aufblicken der großen, grauen Augei, un ein ironiſches Lächeln. „Es giebt ja Gifte, die auch f ſüß ſind.“ Und dann ſeufzte die alte Frau Doktor und 4995 ch, wieder nach der Stadt zurückzuwandern.— Hier konnte ſie mehr ändern— mit aller Menſchenliebe und Güte nichts Trude aber ſaß nach ſolchem Zwiſchenfall lange ſtill am F. ſtarrte hinaus und gedachte der lange, lange entflohenen ſelig Zeit, da ſie auf den Tritt des geliebten Mannes dräußen im F Saauſch wie auf Paradieſesbotſchaft. 5 Wurden ihr die Augen feucht bei dieſem Hinausſtar 8 die Dämmerung?— Wenn es ſo war, ſo wollte ſie doch n davon wiſſen. Sie preßte die hagere, zerſtochene Linke auf Herz und biß die Zähne feſt aufeinander. Sie fühlte, wie ſh die Hände zitterten— Und'dann ſtand ſie gewiß auf und die aufgeſparten Summen, bis ihre Hände wieder ganz ruhig waren, und die ſchmalen Lippen ſich in gewohnter Weiſe bi lich zuſammenzogen. Es war nachgerade ein hübſches kleines Kapital gewi was da in ihrem eichenen Schränkchen lag.— Es reichte jetzt aus zur Verwirklichung ihrer Abſichten; und zu Oſtern wolk ie die⸗ ſol um Das kleine ſchmucke Haus wollte ſie kaufen, das am Ende der oberen Stadt lag, und an welches der kleine Friedhof ſtieß, Denn er war zurückgekehrt, nachdem einige Jahre ſeit de chm verlobt— wieder mit einem reichen Mädchen. Aber er hattt glück, der ſchöne Rudolph— dieſe Braut berlor er; ſie arb. — Und dann kam weiter Schlag auf Schlag: ſeine Mutte und er mußte ſie neben der Braut begraben; er ſelbſt Arbeiten hatte er nie recht gekonnt, der jung lebte gern flott und fand, daß es eine ſelbſtverſtä des Schickſals ſei, ihm die Mittel zu einem beque der 19 die e von der er 1 das elterliche von aulen; 1 15 und den Leuten zeigen, daß aus dieſem„Stammh Ach, dieſe hohlen Redensarten!— Lä Trude erſtehen.— Si be dieſes Stammſchloß einziehen er würde es doch erfahten; 1 Und nun wollte es Braut, würde als Herrin in Der Kauf wurde vollzogen. Und wie Unglück und Glück fie 191 85 ſehnlichen Gewinn gezogen ſei. beraze deſe Seaksbarte hatte ſie vo Trude lachte bitter auf, als ſie die Nach Gut, praktiſch, billig a. MAOGGI-VRZE 9. Seite, * Weneral⸗Anzeiger Mannßbeim, 11. Januar. ———ö ä— gekauft!— Nun war ſie wieder ein wohlhabendes Mädchen nach den Begriffen ihrer kleinen Heimathſtadt! Jetzt, da ſie alt wurde und kein Mann ſie mehr begehren würde. Mit müden, kleinen Schritten ging ſie zu ihrem Beſitzthum hinaus.— Das Häuschen lag friedlich im hellen Sonnenlicht. An den zarten Ranken des wilden Weins ſaßen noch blaue Beeren, über welche ſich eine Schaar von lärmenden Vögeln ſtritt. Alles ſah heimathlich und freundlich aus, auch Gardinen hingen ſchon an den Fenſtern der Villa. Trude wanderte daran vorbei zu dem kleinen Kirchhof, der jetzt nicht mehr benutzt wurde, ſeitdem der neue große Gottesacker am anderen Ende der Stadt ſeiner Beſtimmung übergeben wor⸗ den war. Sie ging gern ſo zwiſchen Gräbern hin und dachte nicht mit Grauen, ſondern mit Zufriedenheit an die Zeit, da ſie ſelbſt ruhen werde unter dichtem Epheu und Raſen. Ein ſchweres Stöhnen drang plötzlich an ihr Ohr. Es kam von dem Grabe von Rudolphs Mutter, und Trübe lenkte ihre Schritte dorthin. Ueber den Hügel hingeworfen, das Haupt in die bleichen Hände vergraben, lag ein Mann. Eine dürre, ſchlecht bekleidete Geſtalt, durchlöcherte Stiefel an den Füßen.. Trude erſchauerte, als ſie das aſchblonde, kurzgelockte Häupt erblickte, und ein leiſer Laut der Ueberraſchung kam von ihren Der Mann richtete ſich auf und wandte ſein durchfurchtes, elendes Antlitz der Kommenden zu. Ein Paar gramvoller, naſſer Augen blickten ſie an.— Einſt,— einſt waren dieſe Augen Trude's Paradies geweſen.— Sie wußte in der erſten Sekunde, wen ſie vor ſich hatte und fühlte ihren Herzſchlag ſtocken. Der Fremde ſah ſie unverwandt an zauderte er, ob er dieſe verblühte, blaſſe Dame kenne— dann ſchlug er beide Hände vor ſein Geſicht, und ein Laut tiefſten Schmerzes rang ſich aus ſeiner Bruſt. Trude, die Vergelterin, wie ſie ſich ſelbſt in allen ſtillen Stunden genannt, fühlte einen ganz kurzen, heftigen Kampf in ſich entbrennen. Zu erſchüttert, um reden zu können, wartete ſie einige Augenblicke, um ſich zu ſammeln. Dann fprach ſie ſanft: „Es geht Dir nicht gut, Hans Rudolph, nicht wahr?“ Er aber, beim Klange dieſer ſanften Stimme pöllig zu⸗ ſammenbrechend, ſank auf die Kniee und ſchluchzte laut. Da quoll ein Lichtſtrahl aus ihren Augen, ſo warm und ſo eigen, und ſie ſagte: „Komm in Dein Haus, Hans Rudolph. Es ſteht bereit, um Dich aufzunehmen.— Ich wußte, daß Du eines Tages tzurückkommen würdeſt; doch thut es mir weh, daß es ſo ſchlimm mit Dir ſteht.— Ich habe Dein Haus gekauft— geh' hin und wohne darin, ich werde für Dich ſorgen, denn Du ſcheinſt krank einige Sekunden „O Gott“, murmelte der Unglückliche,„wie kann es ſolche Engel geben! Ich verließ Dich ſchnöde und ſo vergiltſt Du es mir?“ „Ja“, ſagte Trude mit ſeltſam zitternder Stimme, das iſt meine Vergeltung. Ich glaube, ſie wird mich vollauf befriedigen — ſchwer zu tragen wird ſie ja doch nur für Dich ſein.“ „Ich?“ fagte er und ſah ſie mit einem irren Lächeln an— ich ſterbe ja! Ich habe mich nur noch hierhergeſchleppt, um auf meiner Mutter Grab ſterben zu können—— ich habe die Auszehrung—5 „Komm in Dein Haus“, ſprach ſie zum dritten Mal.— Und ſo ſtark war der Ausdruck ihrer Liebe und ihres Mitleids, daß er ſich erhob und ihr folgte. Es geſchah, wie ſie es gewollt hatte.— Sie und pflegte ihn wie eine Schweſter. Beide waren noch eine Zeitlang glüccklich. Er, lebte nur noch einige Monate, aber doch lange genug, um den Reichthum und die Tiefe eines liebenden Frauenherzens auszukoſten, das zwanzig Jahre der Verbitterung und der Rache⸗ gelüſte ſiegreich überwand, das ſich ſelber nicht gekannt hatte in ſeiner verborgenen Schönheit. Als er geſtorben war, dankbar ſelbſt und Trude zurlücklaſſend für das Glück, das ſie noch gefunden, da behielt ſie auch den Namen in der Stadt weiter, den ihre alte Freundin ihr gegeben, und der bei all' den edlen Thaten fortklang, die forthin ihr Leben 7 ſorgte für ihn Lippen. zu' ſein.“ Jausfüllten:„Die Vergelterin.“ daß ſich ein ſächſtſcher Staatsanwalt finden werde, der die beiden Ihrem Unter⸗Seeboots“— Das iſt in die LTufteg e⸗ Luſtige Ecke. Klagen im öffentlichen Intereſſe erhebt und den p. p Gironflogen!“(Flieg. 2250 Plagiat. Gegen Herrn Giron wurde ſofort nach Be⸗ ſofort konfisziren läßt.(Münchner„Jugend“.) Der Wetterprophet in Verlegenheit. Ich kanntwerden der„Affaire“ von den Herren Pailleron und Oskar Blumenthal eine gerichtliche Klage anhängig gemacht. Herr Pailleron behauptet nämlich, Herr Giron ſei nichts weiter als ein Plagiat ſeines Profeſſors Bellac, und Herr Blumenthal er⸗ klärt ihn gar für einen unbefugten Nachdruck ſeines Klavier⸗ lehrers Krazinsky im„Probepfeil“. Das Dresdner Hof⸗ marſchallamt iſt über dieſe Entdeckung ſehr erfreut und hofft, Schlau.„Ach, Papa, warum haſt Du meine drei Be⸗ werber alle auf dieſelbe Stunde beſtellt?!“—„Warums damite ſe ſich gegenſeitig herunterdrücken de Mitgift!“ (Flieg. Blätter.) Schickſalstücke.„Nun, wie ſteht's mit der von Ihnen erfundenen Flugmaſchine?“—„Die iſt mir leider in's Waſſer gefallen!“—„Und wie weit ſind Sie mit könnte jetzt ſchon einen ſtrengen Winter prophezeien— aber ich hab' noch kein Geld übrig für den Pelzmantel, den meine Frau dann ſofort verlangen würde!“(Flieg. Bl.) Vielverſprechend.„Donnerwetter, beneide Dich um Deine Couſinen! Wirklich ſchneidige Damen!... Studiren Beide, ſagſt Du?!“—„Jawohl!. Und angepumpt haben ſie mich auch ſchon!“ Zur gefl. Beachtung! ————— ORIGINAL EICHIEL. Wein-Bestauramt und Cale ZumGontardhof Gontsrdplatz 3, Lindenhof (Undstation der elektr. Strassenb.) 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Novelle von Peter Nanſen, Nachdruck verboten. Karſten Broberg ſaß in ſeinem Zimmer und erwartete Damenbeſuch. Auf dem Tiſch mitten im Zimmer ſtanden Früchte, Wein und Konfekt. Sobwohl die Hängelampe als auch die Lampe auf dem Schreibtiſch waren angeſteckt. Er ſaß am Schreibtiſch und las, aber ſeine Gedanken beſchäftigten ſich mit dem erwarteten Beſuch. Es war eine neue Bekanntſchaft, ein ſehr hübſches Mädchen, mit dem er wenige Male zuſammengeweſen war; heute ſollte ſie ihn zum erſten Mal in ſeiner Wohnung beſuchen. Es war etwas über acht Uhr; um neun ſollte ſie kommen. Sein Zimmer hatte zwei Ausgänge, einen nach der Hinter⸗ treppe und einen nach dem Flur. Karſten verſuchte, ſeine Gedanken auf das Buch zu kon⸗ zentriren, aber es gelang ihm nicht. Eine gewiſſe Unruhe er⸗ füllte ihn. Konnte nicht etwas dazwiſchen gekommen ſein? Konnte es Mary nicht wieder leid geworden ſein? 8 Außerdem dachte er an ſeine Braut, die unerwartet zur Stadt gekommen war. Das traf ſich ſchlecht, aber glücklicher⸗ weiſe ſollte ſie mit einer Tante, bei der ſie wohnte, heute eine Abendgeſellſchaft beſuchen, zu der er nicht geladen war. Es klopfte, und der junge Maler Hialmar Hoff trat ein. Er wohnte neben Broberg in derſelben Etage. Verwundert ſah er ſich in dem hell erleuchteten Gemach um, und der gedeckte Tiſch erregte ſofort ſeine Neugierde. „Ei, ſieh da— hier wird Damenbeſuch erwartet, wie ich ſehe.“ „Hervorragender Beſuch ſogar.“ „Kann man leicht an den Vorbereitungen ſehen. Mit Ver⸗ laub, lieber Bromberg— Sie ſind noch immer verlobte“ „Gewiß, warum denn nicht?“ „Und ebenſo leichtſinnig? Ich mache Ihnen mein Kompli⸗ ment— was Ihre Moral betrifft, ſind Sie nicht ſchwerfällig — durchaus nicht ſchwerfällig. Sie ſind ein beneidenswerther Menſch, Broberg.“ „Ja, wir haben das ja ſchon früher beſprochen. Ehrlich geſtanden, macht in meinen Augen die Verlobung keinen Unter⸗ ſchied,— die Ehe allerdings, das iſt etwas Anderes!“ „Und Ihre liebenswürdige Braut iſt derſelben Anſichte“ „Sie ſind wohl toll! Glauben Sie vielleicht, daß ich—“ „Lieber Freund, mißverſtehen Sie mich nicht. Ich meinte nur, ob Ihre Braut Ihrer Auffaffung dieſer Frage zuſtimmte“ „Ueber dieſe Dinge reden wir natürlich nicht. Ich ſehe keinen Grund, junge Mädchen in derlei Angelegenheiten einzu⸗ weihen. Sie wollen ja ſelbſt am Liebſten in dem Glauben bleiben, daß wir ebenſo tugendhaft ſind wie ſie,— warum ihnen 5 die Augen öffnen? Etwas leid würde es ihnen doch thun.“ 5 „Ja, das meinte ich eben. Wie ich eben ſagte, lieber Freund, Sie ſind ein beneidenswerther Menſch. Eine ſchöne, reiche Braut, eine ſchöne Geliebte,— was will man mehre Uebrigens gute Nacht, Verehrteſter; ich gehe ins Konzert. Gute Nacht, und viel Vergnügen.“ „Danke, gleichfalls. Gute Nacht, Hoff.“ Broberg nahm ſein Buch wieder auf, aber die Gedanken kehrten zu dem zurück, was Hoff geſagt, oder vielmehr in ſeiner gewohnten anzüglichen Weiſe nur angedeutet hatte. War es denn wirklich etwas ſo Unerhörtes, daß ein verlobter Mann ſein freies Leben als Junggeſelle fortſetzte? Aber war er denn nicht noch ein Junggeſelle? Machte die Verlobung wirklich einen ſo großen Unterſchied? Nein,— nur, daß Andere ſtille ſchwiegen, während er zu offenherzig war; es war nicht klug, von ſolchen Dingen zu reden. .Plötzlich fuhr er auf. Er meinte, draußen auf der 333 ein Frauenkleid rauſchen zu hören. Sollte das ſchon Mary ſein? Nein, ſie würde doch nicht die Hintertreppe benutzen! Es klopfte, ein kurzer, raſcher Schlag, und ein junges, lächelndes Geſicht zeigte ſich in der Thilr. „Darf ich hereinkommen, Karſten?“ 5 293 Du großer Gott, Charlotte, wo kommſt Du denn er*—.— 8 Der Anblick ſeiner Braut brachte den jungen Mann einen Augenblick aus der Faſſung. Er hatte das Gefühl, als ob alles über ihm zuſammenbräche. Er zwang ſich mühſam zu einem Lächeln und ſuchte ſeine aufgeregten Nerven zu beſchwichtigen. „Das nennt man eine Ueberraſchung, was?“ ſprudelte ſie in fröhlicher Laune hervor.„Das hatte er nicht erwartet, der gute Karſten, der mir nicht einmal die Hand zum Willkommen reicht!ꝰ Sie ſtand noch immer an der Thür und fing an, die Hand⸗ ſchuhe auszuztehen. Er ging mechaniſch auf ſie zu und küßte ihr die von der Kälte draußen feucht gewordene Wange. Um ſeine Verwirrung zu verbergen, half er ihr eifrig den Mantel ablegen und ihre Sachen unterbringen. Dabei ſprach er in kurzen, abgebrochenen Sätzen— die Worte ſchienen ihm im Halſe ſtecken zu bleiben—: „Nein— erwartet—— hatte ich Dich—— allerdings nicht. Ich glaubte—— Du ſäßeſt—— Du ſäßeſt wohl⸗ behalten mit der Tante in der Friedrichſtraße.“ „Ja, ich wollte auch erſt mitgehen! Aber auf einmal kam mir die Idee, ſtatt deſſen hierher zu gehen. Weißt Du, ich hatte nicht viel Luſt zu der Geſellſchaft, viel lieber wollte ich mit Dir zuſammen ſein, und ſo führte ich die Tante hinters Licht. Ich ſagte, ich wäre nicht ganz wohl, und als ſie fort war, lief ich ohne weiteres her. Was ſagſt Du dazu, war das nicht ein famoſer Einfall?“ Lachend nahm ſie den Hut ab. Er drehte ihr den Rücken zu und ſtellte ihren Schirm in eine Ecke. „Gewiß, ein ſehr guter Einfall.“ Er ſah ſcheu von der Seite nach ihr hinüber.„Du kannſt Deinen Hut auf die Kommode legen. Aber wie kamſt Du denn auf den Gedanken, die Hinter⸗ treppe zu benutzen?“ Du hatteſt mir doch mal erzählt, Dein Zimmer hätte zwei Eingänge, und ich wollte doch nicht geſehen werden. Aber ich ſtöre Dich doch nicht? Wenn Du zu arbeiten haſt, gehe ich wieder.“* 5 „Nein, nein, durchaus nicht.“ Er legte ſeinen Arm um ihre Schulter, ſtreichelte ihr die Wangen und dachte einen Augen⸗ blick nach.„Aber ich.. ich erwartete heute Abend leider noch Beſuch: ich habe mich nämlich mit Fries verabredet. Aber eine Stunde habe ich gewiß noch Zeit; er kommt ſicher nicht vor halb zehn.“ 4 5 Er warf einen prüfenden Blick auf ihr Geſicht. Ein Schatten flog darüber hin, aber nur für einen Augenblick. Sonſt war nichts darauf zu leſen. Sie hatte ſicher keine Ahnung. „Nein, vor halb zehn kommt er ſicher nicht“, wiederholte er. „Ah, Du haſt ja auch großartige Vorbereitungen getroffen. Das ſehe ich jetzt erſt. Machſt Du immer ſo viele Umſtände, wenn Fries kommte“ Sie traten ins Zimmer vor, ſein Arm lag noch immer um ihre Schulter. Ihr Blick fiel auf den voll beſezten Tiſch. „Nein, ſehe einer an! Wie gut, daß ich gekommen bin. Ich eſſe Weintrauben ſo gern. Sollte Fries wirklich all die ſchönen Dinge haben? Du berwöhnſt ihn, Karſten.“ „Fries hat wie Du eine Schwäche für Weintrauben. Es iſt ein altes Verſprechen, daß ich ihn einmal mit Leckerbiſſen be⸗ wirthen ſolle.— Komm nur, und ſetze Dich.“ Sie ſetzten ſich an den Tiſch, er aufs Sopha, ſie auf einen Stuhl daneben. Sie pflückte Beeren von den Trauben. „Eigentlich komiſch, etwas zu eſſen, was für einen ganz Anderen beſtimmt iſt. Glaubſt Du, daß Fries mir böſe ſein wirdg“ Sie ſteckte bei dieſen Worten eine Beere in Karſten's Mund. „Fries?“— er verſchluckte die Beere.—„Nein, das glaube ich nicht, er darf ja gar nicht wiſſen, daß Du hier geweſen biſt. Was würde er wohl dazu ſagen, daß Du mich ſo ohne Weiteres auf meinem Zimmer beſuchſt? Was würden die Leute überhaupt dazu ſagen“ „Ach was, Karſten. Das iſt uns doch ganz gleichgültig. Nicht wahr, Du ſelbſt findeſt doch gar nichts dabei?“ „Ich nicht, aber meine Begriffe über das, was ſchicklich oder unſchicklich iſt, decken ſich überhaupt nicht mit den allgemeinen. Sein Licht hat er in Düfte gehüllt, Wie erhellt des Winters werdender Tag Sanft den See! Glänzenden Reif, Sternen gleich, Streute die Nacht über ihn aus. Wie ſchweigt um uns das weiße Gefild! Wie ertönt vom jungen Froſte die Bahn! Fern verräth Deines Kothurns Schall Dich mir, Wenn Du dem Blick, Flüchtling, enteilſt.“ Selbſt die zierlichen Bewegungen, die kunſtvollen Schlangen⸗ knien, Kreiſe und Figuren weiß der Dichter in das verklärende Sicht poetiſcher Beleuchtung zu rücken: „Zur Linken wende Du Dich! Ich will Zu der Rechten hin halbkreiſend mich drehn. Nimm den Schwung, wie Du mich ihn nehmen ſiehſt! Alſo nun fleuch ſchnell mir vorbei! Freilich iſt, wie bei jedem Sport, ſo auch bei dieſem Vorſicht don Nöthen, und der Dichter zeigt ſich ſo recht auf der Hühe ſeiner Aufgabe, wenn er den Freund auf die verborgen lauernden Gefahren aufmerkſam macht: zZurück! Laß nicht die ſchimmernde Bahn Dich verführen, weg vom Ufer zu gehn! Denn wwo dort Tiefen ſie deckt, ſtrömts vielleicht, Sprudeln vielleicht Quellen empor So wird man Klopſtock gewiß nicht den Vorwurf un⸗ praktiſcher Schwärmerei und wahrheitswidriger Idealiſtrung der realen Wirklichkeit machen dürfen. Ja, gerade beim Winter⸗ ſport gehört die derbſte Realität zu deſſen duftigſter Poeſie! Was z. B. iſt eine Schlittenfahrt ohne ein verabredetes oder „ganz zufälliges“ Umwerfen? „Luſtig gebettet im weichen Schnee Liegen, ein Thaos, die munteren Gäſte;̃ Keinem entſchlüpft es wie Ach! oder Weh! Scherzen und lachen vereint wie zum Feſte Der höchſte Genuß einer Schlittenpartie aber beſteht keines⸗ wegs in dem ſanften, pfeilſchnellen Dahingleiten über die glatte, weiße Fläche, nicht in dem luſtig in die Ohren ſchallenden Peitſchengeknall und dem harmoniſchen Schellengeläut, das wie zur Andacht ſtimmt und ſelbſt die munteren Renner ſtolzer er⸗ hobenen Hauptes dahinfliegen läßt, auch nicht in der am er⸗ ſehnten Ende der Fahrt winkenden duftenden Bowle— das ſind alles angenehme Zuthaten einer echten Schlittenpartie, die Haupt⸗ ſache iſt es nicht. Haſt Du, freundlicher Leſer, einmal den dunklen, ſchweigenden Tannenwald geſehen, wenn ein weicher flaumiger Schnee auf den Zweigen laſtet und ein glitzernder Rauhreif ſie wie überzuckert erſcheinen läßt? Und lange, ſpitzige Eiszapfen hängen daran herunter, als habe eine unſichtbare Hand die Bäume zum Chriſtfeſte geſchmückt. Und jenſeits über dem weißglänzenden Hügel geht eben der große, ſilberne Mond auf, und die tauſend blinkenden Sterne zu Deinen Häupten funkeln in einem magiſchen Lichtglanze, und die Bäume zur Seite fangen an zu flimmern und zu glitzern, und auf Flur und Feld zur Rechten und zur Linken flammt es auf und blitzt und funkelt wie von Millionen reinſter Diamanten. Kann es etwas Herrlicheres, Erhabeneres geben, als ſolch eine Winter⸗ landſchaft, wie ſie eine Schlittenfahrt, zumal im Gebirge, uns vor Augen zaubert? Iſt es nicht verkörperte Poeſte aus der Märchenwelt, die ſich zu uns verirrt zu haben ſcheinte „Lenz in Blumen, Herbſt in Reben, Sommer Du im Garbenkranz, Wo iſt Eure Schönheit neben Einem Wintertag im Glanzß Wald und Strauch in Silberflocken, Welch ein Hofſtaat, reich und ſteif! Weiße Scſſeier auf den Locken, Und im Haar des Puders Reif; Zarte Flöre, krauſe Spitzen Schmücken zierlich das Gewand, Spangen flimmern, Nadeln blitzen, Junkelnd ſprüht der Diamant. Durch die feierliche Runde Geht ein Hauch von Majeſtät, Der das Lied verbannt vom Munde Und ihn weiht zum Feſtgebet (A. Grün.) Und wenn der nüchterne Proſaiker dem Winter den ſchein⸗ bar berechtigten Vorwurf macht: „Eis Dein Schmuck und fallend Laub Deine Schmetterlinge; Rabe Deine Nachtigall, Schnee Dein Blüthenſtäuben“— ſo weiß der nordiſche Gaſt am beſten, daß heller Kinderjubel zu⸗ weilen lieblicher in den Ohren klingt, als der entzückendſte Nachti⸗ gallengeſang und die Eisblumen am Fenſter in ihren reizvollen Formen reden eine gar verheißungsvolle Sprache. Schneeflocken wirbeln um und um, Im Garten blüht die Weihnachtsblum', Frau Holle fährt im Dach herum— Schnurre, Rädchen, ſchnurrel“ And je dichter, je großflockiger der Schnee zur Erde herab⸗ fällt, um ſo beſſer iſt's! Das giebt, wird's auch keine rechte Schlittenbahn, einen großen Schneemann. In weniger als einer Stunde iſt das Ungethüm vollendet, und des Jubels iſt kein Ende. Wahrhaft ſchreckhaft ſieht er aus, wenn ihn das bleiche Monden⸗ licht beſcheint, und ängſtliche Seelen, die zur Dämmerzeit hier ahnungslos vorübergehen, überlehft es eiſigkalt. Unſere Knaben aber kennen ihn beſſer, den alten Patron, und höhnen jauchzend: „Seht den Mann, o große Nothy Wie er mit dem Stecken droht, Geſtern ſchon und heute noch, Aber Niemand ſchlägt er doch!“ um ſich dann mit flehentlicher Bitte an die Tageskönigin zu wenden: 8 „Liebe Sonne, ſchein' nur nicht, Sonſt wird er wie Butter weich Und zerfließt zu Waſſer gleich!“ Drinnen aber, im warmen, behaglichen Stübchen ſitzt ein eisgraues Mütterchen und gedenkt wehmüthigen Sinnes der goldenen Jugendtage, die auch ihm dereinſt gelächel haben. Den Lenz des Lebens hat ſie als blühende Jungfrau an der Seite des wackeren Jünglings genoſſen, der ihr dann die Hand zum Bunde für's Leben reichte. Da kam auch für ſie beide die heiße Sommerszeit, in der es zu arbeiten galt im Schweiße des An⸗ geſichts. Aber Gottes Segen ruhte auf der Arbeit, und als die Kräfte abnahmen und der Herbſt des Lebens nahte, da ſahen ſie nicht nur ihre Kinder wohl verſorgt, ſondern ſie felbſt konnten auch ruhig der Zukunft entgegenſehen. Und nun kam der ſchwerſte Schlag, der ſie je getroffen: heute vor einem Jahre war es, da raffte der unerbittliche Tod ihr den treuen Lebensgefährten von der Seite, und einſam und verlaſſen ſteht ſie nun in de fremden Welt da. Es iſt Winter für ſie geworden, wie draußen in der Natur, und der Schnee des Alters ruht längſt auf ihrem gebeugten Haupte... Ihr müder Blick fällt auf die Fenſter⸗ ſcheiben, die mit prächtigen Eisblumen geſchmückt ſind, und draußen wirbeln die Schneeflocken in buntem Spiel durcheinander. Da wird es ihr ſo wunderſam ums Herz, und ſie vermag's nicht zu deuten, was ihr Inneres ſo wehmuthswonnig bewegt. Der Dichter(A. Grün) hat's wohl verſtanden: „Eisblumen, ſtarr, kryſtallen an den Scheiben, Wie ein Gehege gen der Sturmnacht Toſen, Sie flüſtern mir, indeß ſie Flimmer ſtäuben: Wir ſind die Geiſter ſchöner Frühlingsroſen! Gefühle ſteigen auf in meiner Seele, Wie beim Verklingen ferner Sterbeglocken, Die banger Wehmuth Seufzer meiner Kehle, Und reiche Thränen meinem Aug' entlocken. Sie aber ſingen ſauft mir ins Gemüthe: Wir ſind die ſel'gen Geiſter Deiner Lieben, Mit denen Du durchwallt des Frühlings Blüthe, Auf deren Grab nun dieſe Flocken ſtieben 25 heen ee eeee ee enn eeeeen eee e a e Mee eeeee e ee ehg eeenen eee e ec bpr gun duugz usbpl gahv aum flaupg n uunz usebaeg aegese aiu 2 ubm gpg gun guszgchute oſ aig“ d sof„edue dgenß 8c“ apuhlg usdugc usqunente zuu de udg Inbagß wusef uog ae ee eene cee ehee eeee eede; 85.** aaegeza qun zegeia a gnz a0 qun eeee ien e eg ee ic uenc Inv Anzz usule opnag gun ufgick pil as gohhns uuvg aadurd dachr nazgen gun guvch dach uihu e ecee enuene ene en beh cheeune „eueben n ee Inbang c ap zusqnpiß u uusg miu n ten unnene npigz Jlig bpag n& qun une anl sogz“ epot de egur u icn de agg nene e ee en icht een ees eun eeru lnendcee neuse Inb ait apnag pnane zaemune sur ait agahn! d gun „gpchl ne uocpl se dapa epß uspeqzue ne spahge zcnvgaeqn 82 uusa“— ao dng uun uaz uag esbej 4—„gag ſuel“ „eee nee en ne weh eeeen e eehe een e bu Acr en gun de adbn„g uusg n Anich spaß“ plaszunzag ogpae eng Inp gun Jann zenueg sun ai * gog avan gaf zaunue Suf ei ie Lech pen ee eenen eur ecee neeue em e bae gun Len dac un maz ueg een dd geis al nd pnaquich uaute; eeeet eee ee eueen eeen eee een r en e eeee e ee e egnes eeeen he eeee e „ueguviß auu 8e Auupz n zunen eeunee eene e ee de eeſ egef aeg;⸗ unb pies anu robg meadagub gun ustpeachlaegie ne aht gub Hae nee ec unez ge e eg guupclesqp a zwch 29 „dm nc“ Sunnaneg; auze 45f 1 „uenen f Aee bog uc: anm p8 o aval zgunene eteen eene cbentphues ignu nc“ „duallpi uenpas iuebte pnu nc Apr oduvz eid“ Snb cpiaagm gol Gapzh eeelnelnbd un anzd useg ur 0 weee eee zeee be e“ eh ben eh „„ee een eee ee e eſe e nn een eeceee e en e en een h pſeß qusgnz Anzg zut n svan Sehv an uenoß a1 zzuvg Pnzz“ ecedinesnvunh danh ane jhozu en de wuee bei een dun upsunz ppenp 5 guv! 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Daß Du es übers Herz bringen konnteſt, kalt und gefühllos die Freude mit anzuſehen, die Deine lügneriſchen Worte hervor⸗ riefen— das kann ich Dir nie— nie verzeihen. Und das ſage ich Dir frei heraus, das laſſe ich mir nicht bieten: Deine Worte, Deine Liebkoſungen, Deine Küſſe will ich nicht mit einer Andern theilen! Man kann ſo hart in ſeiner Liebe getroffen werden, daß ſie ſtirbt. Man kann ſie aus dem Herzen reißen, wenn die Ehre es fordert. Ich nehme keinen Brief von Dir an; ich wünſche mit wei⸗ Lügen von Deiner Seite verſchont zu werden. Mein Ent⸗ ſchluß ſteht feſt. Aber damit Du nicht ſagen kannſt: Sie wußte ja gar nichts Beſtimmtes— höre noch dies Eine: Ich ſah ſie an Deinem Fenſter, als ich ging. Ich ſchlich mich wieder die Treppe hinauf und hörte alles. Ich hörte, daß Du ſie belogſt, wie Du mich belogen haſt. Das ſollte mir vielleicht ein Troſt ſein, daß Du auch ſie nicht höher achteſt als mich!“— Er hatte ſich im Bett aufgerichtet, um den Brief zu leſen. Jetzt ließ er ihn auf den Teppich fallen und ſah ſich ſcheu im Zimmer um. Er hatte das Gefühl, als habe ihm Jemand ins Geſicht geſchlagen, und war nun bange, ob Einer es geſehen hätte. Dann ſank er in die Kiſſen zurück und ſtarrte vor ſich hin, ohne ſeine Gedanken ſammeln zu können, bis plötzlich ein Strom von Thränen aus ſeinen Augen brach. Eine Wallnacht. Skizze aus dem Geſellſchaftsleben von A. v. Wartenberg. Nachdruck verboten. Die Geigen jauchzten, im rhythmiſchen Walzertakt flogen die Paare durch den kaghell erleuchteten Saal. War das ein Plaudern, Lachen und Flirten, ein Rauſchen von ſchimmernden Seidenroben und Blitzen von prächtigen Uniformen.— Der Regimentskommandeur gab ſein alljährliches Feſt, und was durch Schönheit, Stand und Namen der Geſellſchaft an⸗ gehörte, vereinten die gaſtlichen Räume des militäriſchen Macht⸗ habers.— „Ei, ei, unſer Kommandeurstöchterlein benimmt ſich heute aber doch recht ſeltſam“, wandte ſich eine ältere Dame, die Frau des Oberſtleutnants, zu ihrer Nachbarin.— „Nicht wahr, Liebſte?“—„Es iſt mir auch ſchon auf⸗ gefallen“, entgegnete dieſe. „Ja, wo die Mutter fehlt, und dabei dieſe Selbſtſtändigkeit bei einem doch immerhin noch jungen Mädchen. Der gute Oberſt könnte ſich auch eine ältere Dame ins Haus nehmen, es iſt wirk⸗ lich unverantwortlich, daß er die Tochter ganz ſich ſelbſt überläßt und ihr außerdem noch die Laſten der Haushaltführung auf⸗ bürdet. N „Nein, bitte, ſehen Sie nur“, und die Lorgnette an die Augen führend, muſterte ſie ein ſoeben vorüber tanzendes Paar. Es war der Beachtung werth.— Von faſt gleicher Größe, hoch und ſchlank, er mit dunklem Kopf und ausdrucksvollen Zügen.— Die braunen Augen leuchteten mit flammendem Blick in die ſtrahlenden Blauaugen des Mädchens, deſſen roſiges Ge⸗ ſicht zu ihm empor gewandt den Ausdruck hingebender Liebe trug. — Den Beiden ſchien die Welt verſunken, eins war der Mühe des andern bewußt.— Wie eine Offenbarung war es über den jungen Offizier gekommen, als er, der erſt kürzlich aus einer anderen Garniſon in das X⸗te Regiment verſetzt, pflichtgemäß herantrat, die Tochter des Kommandeurs zu begrüßen, die an der Seite des Vaters die Gäſte empfing.— Sekundenlang ſtand er in Anſchauen verſunken, und unwillkürlich formten ſeine Lippen unhörbar das Wörtchen„Du“.— Auch das Mädchen fühlte ſich wunderſam ergriffen, als ſie die dunklen Augen auf ſich ruhen fühlte.— Sie dachte nichts, ſie wußte nur, das war das Glück, wonach bisher ihr Herz ſehnend ausgeſchaut hatte.— Sie lachte, ſie plauderte, ſie tanzte wie gewöhnlich, doch ihret kaum ſelbſt bewußt, denn ihr Denken und Sinnen kreiſte um den Einen, der ſtets unauffällig ihre Nähe ſuchte. Jetzt lag ſie in ſeinem Arm, der ſie ſicher durch das Ge⸗ wühl der Tanzenden führte, völlig hingegeben der Seligkeit des Augenblicks. Die Frau Oberſtleutnant ließ die Lorgnette ſinken. Glau⸗ ben Sie nicht, daß man ein gutes Werk thäte, wenn man Fräulein von Blegern aufklärte.— Der gute Reſtorf hat nichts, ich kenne ſeine Mutter, die ſich mit ihrer ſchmalen Wittwenpenſion müh⸗ ſam durchbringt. Der Sohn bezieht die Zulage aus einer Familienſtiftung.“ 4 „Wie ſchade,“ bedauert die Angeredete weichmüthig. „Es iſt ein ſo ſchönes Paar.“— „Und unſer guter Oberſt hat auch nichts zurückgelegt. Er huldigt zu ſehr dem Grundſatz: Leben und leben laſſen. Sehen Sie nur einmal wieder das Feſt, reizend, ganz wunderhübſch, aber die Koſten!„Mit vernünftiger Eintheilung hätte man es um die Hälfte billiger herſtellen können...“ und nun ver⸗ tieften ſich die Damen in eine Betrachtung über die Sparſamkeit im Allgemeinen, die geringen Fähigkeiten des Gaſtgebers für dieſe löbliche Tugend und über die Annehmlichkeiten ihres auf geſunder, wirthſchaftlicher Grundlage beruhenden, weiſe geleite⸗ ten eigenen Haushalts. 5 Ign einer Tanzpauſe ſah man die Frau Oberſtleutnant in eifriger Unterhaltung mit Fräulein von Blegern. Die alte Dame erzählte von ihrer Jugendzeit, in der ſie mit ihrer Freundin, der hübſchen Julie von Aſten, die Berliner Hofbälle mitgemacht habe. Es ſei ſchade um das ſchöne Mädchen geweſen, daß es den armen Reſtorf gehefrathet habe, es hätte ſo gute Partien machen können, aber es habe es ja nicht beſſer haben wollen. Eine Liebesheirath und kein Geld. Fräulein Hertha werde es ſich ja denken können, wie das ſo gehe. Nun ſei der Mann ſchon jahrelang tod und die arme Wittwe lebe kummervoll in einer kleinen Vorſtadtwohnung und ſpare und darbe, um dem Sohn ein paar Mark zukommen zu laſſen. Die redeluſtige Dame ſchien es nicht zu bemerken, wie das Mädchen an ihrer Seite blaß und bläſſer wurde, und der Glanz aus ihren Augen wich. Der Fächer zerſplitterte unter dem krampfhaften Druck der zarten Finger, und müde erhob ſte ſich, um dem herbeieilenden Tänzer zu folgen, der ſie von ihrer Pei⸗ nigerin erlöſte. Die Frau Oberſtleutnant aber athmete befriedigt auf: ſie hatte ein gutes Werk gethan. Inzwiſchen hatte ein älterer Kamerad dem Leutnant von Reſtorf gegenüber die Rolle des väterlichen Warners übernommen und ihn, als dies geſchehen, in einer Fenſterniſche lehnend, ſeinen Gedanken überlaſſen. Zähneknirſchend mußte der junge Offizier dem Andern recht geben, und doch bäumte ſich in ihm Alles auf gegen ein Schickſal, das, ſo hart wie unverdient, ihm unerträglich dünkte. Ein liebliches Weſen, die Verkörperung ſeines Ideals ſinniger Weiblichkeit gefunden zu haben, ſeiner Gegenliebe gewiß zu ſein und ſtumm vorübergehen zu müſſen, nicht die Hand ausſtrecken zu dürfen, um die köſtliche Blume in den eigenen Garten zu pflanzen. Heiß wallte es in ihm auf. Nein, er wollte ſich ſein Glück nicht rauben laſſen! Dem Geſpött der Welt zum Trotz wollte er es ſich heimholen. Irgendwo in einem ſtillen Erden⸗ winkel würde ſich ſchon ein Plätzchen für ſie beide finden. Da tauchte das verhärmte Antlitz ſeiner Mutter vor ſeinem geiſtigen Auge auf, die ärmliche Stube, das kleinliche Rechnen und Sparen und die zahlloſen Entbehrungen und bitteren Sorgen, mit denen im Elternhauſe der äußere Glanz erkauft worden war.— Auch um jenen weichen, ſüßen Mund würden ſich tiefe Kummerfalten graben und Thränen der Noth und Sorge den Glanz aus den blauen Augen fortwaſchen. Er richtete ſich hoch auf, ein entſchloſſener Ausdruck trat in ſein bleiches Antlitz. Er wußte, ſeine Liebe würde ihm die Kraft geben, ſich ſelbſt zu beſiegen, die Geliebte wollte er nicht mit ſich ins Unglück reißen. Die Geigen jauchzten. Die Paare flogen im kollen Wirbel durch den Saal. Freier wurden die Bewegungen, lauter die ſcherzenden Stimmen. Das Feſt nahte ſeinem Ende. Da ſtand er vor ihr, ſtumm und bleich. Verſtehen lag in dem Blick, mit dem ſie zu ihm aufſah, Verſtehen und tiefe Trauer. Wortlos traten ſie in die Reihen der Tanzenden und löſten ſich erſt wieder aus der Umſchlingung, als die Muſik verſtummte. Diann reichte ſie ihm die Hand und flüſterte mit zitternden Lippen:„Adieu!—“ Mit faſt ſchmerzhaftem Druck umſchloſſen ſeine Finger ihre bebende Rechte, und aus heiſerer Kehle entrang ſich ihm das Wort:„Lebewohl“!— In gewohnter Liebenswürdigkeit und Anmuth nahm Hertha von Blegern die Huldigungen und Dankſagungen der ſich ver⸗ abſchiedenden Gäſte enkgegen, nur wollten einige töchterreiche Mütter beobachtet haben, ſie habe blaß und angegriffen und wenig vortheilhaft ausgeſehen. Und einige ältere Offiziere regten ſich über das unqualifizirbare Benehmen des Leutnant von Reſtorf auf, der es nicht der Mühe für werth gehalten habe, ſich zu empfehlen. In Armidas Zartbergarten. Liebesepiſode aus dem Leben Katharinas II. von Rußland und Antonio Lottis. 8 Von C. Gerhar d. Nachdruck berboten. Silbern ruhte das Mondlicht auf den ſchneeigen Gipfeln, den grünen Matten der Alpen, auf den ſteil anſteigenden Straßen der alten Stadt Bergamo; mit märchenhaftem Schimmer um⸗ wob es ihre Häuſer, berauſchend dufteten die Blumen in den Gärten, rings Stille, tiefe Stille! 115 Plötzlich erhob ſich der Klang einer Geige, erſt leiſe, dann immer ſtärker anſchwellend. Vor einem Häuschen am Berges⸗ rand ſtand ein ſchlanker Mann, das Haupt von dunkeln Locken umwogt. Sehnend, werbend ertönte der ſüße Liebesgeſang, den er dem kleinen Inſtrumente in ſeinem Arm entlockte. Endlich öffnete ſich das Fenſter, und ein holdes Mädchen beugte ſich grüßend herunter.„Antonio mio!“ flüſterte es zärt⸗ lich. Leidenſchaftlicher, inniger wurde der Geſang der Geige, und die Lauſchende verſtand ihre Sprache; leiſe huſchte ſie die Treppe herab, dem Geliebten entgegen. 5 „Antonio!“„Margarita!“ klang es jauchzend, und zwei Lippenpaare fanden ſich. „Verzeih“ Theuerſte, daß ich Dich weckte aus ſüßem Traum!“ „Er hatte mir ein Bild vor die Seele gezaubert, doch wonniger iſt Deine Gegenwart, Du geliebter Mann.“ 9 Arm in Arm ſchritten ſie den Bergpfad hinauf. Vor einem Jahre hatte Antonio Lotti die ſchöne Margarita Brunelli zum erſten Male geſehen, als er nach einer erfolgreichen Tournee durch Italien in ſeiner Heimathſtadt Bergamo öffentlich auf⸗ getreten war. Sein geniales Spiel bezauberte ſeine Zuhörer, ſie hatten ihm zugejauchzt; ein blumenhaft liebliches Mädchen⸗ antlitz aber ſah er von Thränen bethaut, und dieſe Thränen verriethen ihm eine tief empfindende Seele. 5 Bei ſeinem zweiten Konzerte ſpielte er nur für Margarita Brunelli, und bald darauf lernte er ſie kennen. Sie ſtammte aus guter, aber verarmter Familie und ernährte ſich und ihre Mutter durch das Klöppeln feinſter Spitzen. Seitdem ſie Antonio Lotti ins Auge geſehen, ſeinen Tönen gelauſcht, war ſein Bild für immer in ihr Herz gegraben; für ſie war er der einzige, beſte Mann auf Erden, der größte Künſt⸗ ler, den ſie lieben und bewundern mußte, der Gott, zu dem ſie in ſchrantenloſem Vertrauen emporſah. Bald ſpannen ſich zarte Liebesfäden zwiſchen ihnen, und jauchzend nannte er ſie eines Tages ſein Glück, ſeine Braut. Sie aber nahm in ſeliger Demuth das Geſchenk ſeines Herzens an und träumte von einer noch holderen Zukunft. Unter einem blühenden Strauche zog Antonio die Geliebte endlich auf ein Bänkchen. 55 „Margarita mia“, ſagte er weich,„ich muß Dir heute einen Schmerz anthun. Du weißt, ich habe den heißen Wunſch, ein berühmter Künſtler zu werde“n. 5 der Wände, er ſtrahlte wieder in den deckenhohen Spiegeln. „Aber Du biſt es ja ſchon, Jeder nennt Deinen Namen m Anerkennunghl“—. F5„%% „Doch es hat größere gegeben, Verracini, Corelli und vo Allen den herrlichen Tartini. Ihnen will ich gleich werden, darum im Auslande noch ſtudiren und dann aller Arten Lo beeren pflücken.“ 55 „Du willſt fort, mich für Jahre verlaſſen,“ rief ſie bebend. 5 „Es muß ſein, Geliebteſte, obgleich es auch mir ſchwer fallen wird. Doch die Zeit wird im Fluge vergehen, und dann darfſt Du ſtolz auf mich ſein.“ 0 5 „Du wirſt mich da draußen über ſchöneren, vornehmeren Mädchen vergeſſen!“ „Fürchte nichts; immer werde ich meiner kleinen Margarita gedenken, und wenn ich heimkehre, reich an Gold und Ehren, ſoll der Prieſter in San Spirito unſern Bund ſegnen. Dann hört das Leben der Arbeit, der Entbehrungen für Dich auf, Theuerſte; aus dieſen engen Verhältniſſen führe ich Dich fort nach dem ſtolzen Rom oder dem heiteren Neapel. Auf den Höhen der Menſchheit wollen wir leben, und täglich ſollen meine Lippen und meine Geige Dir ſagen, wie ich Dich liebe!“! mit verblaßtem Geſicht, ſchweigend ſchritt ſie an Lottis Sei dem Häuschen der Mutter zu. Aufſchluchzend warf ſie ſich hier in ſeine Arme.%%%»;LTs „Vergiß mich nicht, ſonſt muß ich ſterben“?L? Als die ſchlanke Geſtalt mit dem wehenden Goldhaar in der Thür verſchwunden war, hub die Geige wieder an zu ſingen, und es miſchte ſich ſeltſam in Antonios Spiel der Schmerz d Trennung von der Geliebten mit ſeiner aufglühenden Sehnſucht ins Weite.* **ͥ* Strahlender Kerzenglanz erfüllte an einem Winterabend de Jahres 1764 den prächtigen Nikolgi⸗Saal im Winterpalais z St. Petersburg; er brach ſich in den reichen Goldverzierunge Im Thronſeſſel lehnte die Kaiſerin Katharinga II. im b katenen Gewande, ein funkelndes Diadem im reichen Haar. Sie ſtand damals im Zenith ihrer Schönheit, ihrer Macht, und ein ſtolzes Lächeln ſchwebte um ihren Mund, deſſen Schnitt auf Ge nußſucht deutete; ihre blauen Herrſcheraugen überblickten for ſchend die um ſie Verſammelten. Neben den Trägern alter Adelsnamen, neben ſchönen Frauen in koſtbaren Roben, Offi zieren in glänzenden Uniformen waren Gelehrte, Dichter, Künſt ler anweſend, denn die vielſeitig begabte, kluge Zarin lieb Wiſſenſchaften und Künſte; ſie intereſſirte ſich beſonders für Anſchauungen der franzöſtſchen Encyclopädiſten u Voltaire und Diderot im Briefwechſel. Lebhaft ſprach ſie mit ihren Gäſten, ihre wär und Worte aber galten dem Grafen Gregor Orl Zeit ihr bevorzugter Günſtling war. 8 Nach Beendigung der großen Cour begab ſich die illuſt Geſellſchaft in den Konzertſaal, um einen italieniſchen Geiger zi hören, der in England und Frankreich bereits Lorbeeren gepflückt. Mit edlem Anſtand trat der Künſtler— Antonio Lokti aus Bergamo— vor die Kaiſerin, nach der tiefen Verbegung ihr frei ins Auge ſchauend. Artig, doch ohne Servilität beantwortete er ihre Fragen. Sein Verhalten, wie ſein ſchönes, kühnes Antlitz erweckten ihre Sympathien; gnädig ſagte ſie:„Nun laßt Eur Geige ſingen, Maeſtro, man ſagte mir, ſie töne wie eine Menſchen timme.“ 2 Dieſe Worte zauberten ein ſiegesgewiſſes Lächeln um A tonios Mund, er kannte die Macht ſeiner jetzt vollendete Das erſehnte Ziel hatte er längſt erreicht. 5 8 Seine feurigen Augen ſchweiften über das vornehme Publi⸗ kum, dann ließ er den Bogen über die Saiten gleiten, und da war's, als ſänge eine Menſchen⸗, nein, eine Engelsſtimme, immer heller, immer tönender, immer jauchzender, ſich aufſchwingend 25 er. Sein Spiel malte das da rauſchte das Meer, de Doch dieſes Zukunfksbild übte keinen Reiz auf Margarita; ee — Mannheim, 11. Januar. Beneral⸗Angeiger⸗ 3, Selie H e eg. Fchöner Ecklade zu verm. 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