82— 8 . + 7 r rer e— 3 Schnepfe ſtreicht dem Walde zu. Abonnement: Tägliche Aus gabet 70 Pfennig monatlich. Zringerlohn 20 Pig. monatlich, ducch die Poſt bez. incl. Poſt⸗ 0 ag M..42 pro Quartal. inzel⸗Nummer 3 Pfg. Nur Sonntags⸗Ausgabet 20 Pfennig monatlich, us Haus od. durch die Poſt 25 Pf. Inſerate: Die Colonel⸗Zeile. 20 Pfg. Auswärtige Juſ ſerate Die Reklame⸗Zeile„„ 60„ Gadiſche Voltszeitung) E 6, 2. der Stadt Mannheim und Umgebung. Unabhängige Tageszeitung. Erſcheint wöchentlich zwölf Mal. Geleſenſte und verbreitetſte Jeitung in Maunheim und Amgebung. Schluß der Inſeraten⸗Annahme für das Mittagsblatt Morgens 9 Uhr, für das Abendblatt Nachmittags 8 Uhr. —Für unverlaungte Manuſkripte wird keinerlei Gewähr geleiſtet.— (Mannheimer Volksblatt.) Telegramm⸗Adreſſe: „Journal Mannheim““. In der Poſtliſte eingetragen unter Nr. 3021. Telephon: Direktion und Druckerei: Nr. 841 „ Redaktion: Nr. 377 „ Expedition: Nr. 218 „JFiliale: Nr. 815 E 6, 2. Nr. 501. Mittwoch, 28. Oktober 1905. 2. Mittagblatt.) Jagdmorgen in Finnland. Von A. Theinert. Nachdruck verboten. Dichte Finſternis ringsum. Daß die„Schalaſchka“, die kleine Jagdhütte aus Tannen⸗ reiſig, in der ich ſitze, an einer Einbuchtung des Ladogaſees er⸗ richtet iſt, das weiß ich; leiſes Wellengeplätſcher dringt an mein Ohr. Ich weiß auch, daß mir zur Rechten und zur Linken weite Moorflächen ſich ausdehnen, und daß etliche hundert Schritte landeinwärts der Wald dieſe Moore begrenzt. Doch meine Kenntnis der Szenerie iſt eine unbeſtimmte, ſie ſtützt ſich lediglich auf Hörenſagen; ſehen kann ich von dem Landſchafts⸗ bilde nichts und aufgeſucht habe ich dieſe weltabgeſchiedene Gegend heute zum erſtenmal. Die beiden Ponies, die mich und meinen Gefährten über eine Strecke von zwanzig Kilometern hierher getragen haben, raſch und ſicher, krotz Dunkelheit und ſchlechten Wegen, ſind am Rande des Forſtes an zwei Fichtenſtämmen feſtgebunden, dort warten ſie mit der ihrer Raſſe eigenen, philoſophiſchen Ruhe, bis wir ihrer Dienſte wieder bedürfen werden. Harmloſe, geduldige und geſcheite Tiere, dieſe finnländi⸗ ſchen Ponies, treue, zuverläſſige Freunde ihrer Herren. Vor keinem Hindernis ſchrecken ſie zurück, immer finden ſie Mittel und Wege, es zu überwinden und drum herum zu kommen; erſtaunlich iſt ihre Kraft und Ausdauer. Iſt Kutſcher oder Reiter berauſcht, liegt der Mann beſinnungslos im Stroh des Wagens oder hat er, im Sattel nickend, die Zügel fallen laſſen, dem wackeren Gaul zwiſchen den Deichſelſchäften oder zwiſchen den Schenkeln des Reiters verſchlägt das nichts, er iſt willens und auch imſtande ſelbſtändig zu handeln. Gar manchesmal habe ich hohe Anforderungen geſtellt an die Intelligenz und N Leiſtungsfähigkeit der finniſchen Ponies, und nie haben ſie mich mim Stich gelaſſen. faktotum, zuſammengerollt wie ein Igel, den Schlaf des Ge⸗ rechten und— merkwürdig— er ſchnarcht nicht; das ſchauder⸗ hafte Grunz⸗ und Gurgelkonzert, das er ſonſt bei ähnlichen Ge⸗ legenheiten zum beſten zu geben pflegt, heute ſtimmt er's nicht an. Ich bin hierher gekommen, Wildgänſe zu ſchießen; das iſt der ausgeſprochene und in Iwans Meinung alleinige Zweck des Ausfluges. Ihn, den biederen Muſchik, lüſtert's nach der in ſeine Küche wandernden Jagdbeute, mir aber iſt in erſter Linie daran gelegen, beim Morgengrauen das Tun und Treiben der Vogelſcharen zu belauſchen und zu erſpähen, die zu Tau⸗ ſenden und Abertauſenden die Tümpel und Marſchen des von Menſchen nur ſelten betretenen Geſtades dieſer Einbuchtung des großen Sees bevölkern. meines Zeitmeſſers weiſt beim kurzen Aufleuchten eines Streich⸗ holzes wenig über zwei Uhr; noch lagert der Schleier der Nacht über der Landſchaft. Die myſteribſe, mit allerlei Möglichkeiten erfüllte Finſternis, die lautloſe Stille verſetzen mich in eine ganz eigenartige Stim⸗ mung. Ich bin mir kaum klar darüber, ob ich wache oder träume; mir iſt's, als ſei ich der Erde entrückt, losgelöſt von der Ver⸗ 9 gangenheit. Habe ich wirklich vor einer Stunde erſt Dobrowka berlaſſen, oder liegen zwiſchen jetzt und meinem Abritt zeitliche und räumliche Unermeßlichkeiten? Wenn doch nur ein Wolf heulen wollte. Der Pfiff eines das Quaken einer Wildente würde den Bann re Endlich! Endlich!— Ich hab's im Gefühl; es a. in ber Luft; irgend etwas will laut werden. Jetzt!— Jetzt! VT babesen Mge eine In der Hütte ſchläft mir zur Seite Iwan, mein Jagd⸗ Zunächſt gibt's da freilich nichts zu beobachten; der Zeiger Die höchſte Zeit iſt's, daß ich Fühlung bekomme mit der Wirklichkeit, lange hätten meine überreizten Nerven die hoch⸗ gradige Spannung nicht mehr ertragen, in der nächſten Minute hätte ich wahrſcheinlich hinausgeſchrieen in die Nacht wie ein Beſeſſener und dem ahnungslos ſchlummernden Iwan einen heil⸗ loſen Schrecken eingejagt. Horch!— Der Ruf eines wachehaltenden Kranichs! Schrill ſchmettert er das Morgenſignal aus der Kehle, aber mürriſch und verdroſſen klingt die Entgegnung der Kameraden.„Haſt Dich auch nicht geirrt?“ mögen ſte den Störenfried fragen.„Iſt's wirklich ſchon Zeit, das Tagewerk zu beginnen?“ Aus der Ferne, aber näher und näher kommend mit jeder Wiederholung, durchzittern die Luft melancholiſche Laute. Oefters ſchon habe ich ſie früher gehört, wenn die, welche ſie ausſtießen— wo immer ſie ſein mochten— zur Nachtzeit unſichtbar hin⸗ ſchwebten über die in tieſem Schlafe liegende Stadt. Das ſind die Geiſter der ungetauft Geſtorbenen, ſagte ich mir, die— ſlaviſcher Legende nach— umherirren müſſen ſieben Jahre, Auf⸗ nahme erflehend in die Gemeinſchaft der Gläubigen. Vernimmt und verſteht ein mit frommem, veinem Gemüt geſegneter Chri⸗ ſtenmenſch die Wehklagen, und ſagt er raſch die Taufformel her, dann iſt den armen Seelen geholfen; jubilierend eilen ſie dahin, wo ihre Körper beſtattet wurden, endlich Grabesruh zu finden und hoffnungsfroh den großen Tag der allgemeinen Auferſtehung zu erwarten. Gehen die ſieben Jahre um, ohne daß ein Getaufter der unſtet Umherirrenden ſich erbarmt, ſo ſind dieſe verdammt für alle Ewigkeit; mit einem letzten, langgezogenen Verzweif⸗ lungsſchrei ſtürzen ſie ſich in Fluß oder See, dork als Waſſernixe ein lichtſcheues, menſchenfeindliches Unweſen zu treiben. Meine poetiſchen Gedankenwanderungen ins Sagenland werden durch Iwan geſtört, der der nüchternen Proſa zu ihrem Rechte verhilft. Die Kraniche haben ihn geweckt, und die mir unberſtändlichen Stimmen aus der Höhe hat auch er vernommen. „Still Herr!“ flüſtert er aufgeregt. Das ſind die Gänſe!“ Krampfhaft umklammert er meinen Arm, und die Aufre⸗ gung packt auch mich. Werden ſie hier ſich niederlaſſene: Werden ſie verweilen bis Tagesanbruch? Ganz deutlich höre ich letzt das Flappen der großen Schwin⸗ gen. Die Vögel rücken an in geſchloſſener Phalanx. Ein Durcheinandergeſchnatter.— Ein Rauſchen.— Das Finer der Hütte raſchelt unter dem Luftdruck.— Ein dumpfer Aufſchlag: Der Anführer der Schar iſt eingefallen.— Tutt!— Tutt!— wieder und wieder. Sie ſind da. Nach dem Lärm da draußen zu urteilen, müſſen an die hundert Wildgänſe das Moor von der Schalaſchka beſetzt haben. Eifrig ſchwatzen ſie miteinander, aber das klingt anders als die Töne, die vorhiw an mein Ohr gedrungen waren. Das ſind nicht mehr Wehklagen verdammter, raſtlos umherirrender Seelen, das ſind Kundgebungen freudig gehobener Stimmung. Eine Ge⸗ ſellſchaft müder Reiſender hat— ſozuſagen— das Ziel der Fahrt, ein behagliches Wirtshaus erreicht, wo der Tiſch für ſie gedeckb iſt. Es fängt an zu dämmern. Die Kranichreveille hat die Nacht mobil gemacht, hat ſie daran gemahnt, daß es für ſie Pflichten zu erfüllen gibt weiterhin nach Weſten. Zögernd bricht ſie auf, langſam hebt ſie den Schleier. Wo im Oſten der Himmelsdom auf der Seefläche ruht, verkündet ein blaſſer Schim⸗ mer das Kommen des Tages. Schrill pfeifend, trippeln Strandläufer hin und her. Ein Pärchen huſcht an der Hitte vorbei, ſo nahe, daß meine aus⸗ ſpähenden Blicke es gewahren, aber einen Moment nur, und nur in unſicheren Umriſſen zeigen ſich die zierlichen Geſtalten, wieder verſchwinden ſie wie Phantome. Sind das Pfähle, die dort gegen den grauen Horizont ſich abhebens Ich ſchaue ſchärfer hin und ſehe Bewegung; Pfähle alſo ſind's nicht. Das klappt zuſammen, das ſchnellt wieder auf und verändert den Standort.— Aha, die Kraniche! ihr Ruf kommt aus jener Richtung. Doch, wo ſtecken die Gänſe? Ich höre ihr Geſchnatter, doch ſie bleiben unſichtbar. Dicht überm gern noch eine Weile die bunten, wechfelndem Bilder mend. Hätte ich die erſte Gans in den Kopf getroffen, meir danm gäb's jetzt zweie für ihn zu holen anſtatt nur ein Boden läßb ſich auf zwanzig Schritte Entfernung noch nichts unterſcheiden, und die gierigen Freſſer heben die Köpfe keinen Augenblick. Horch!— Wieder unheimliches Gewimmer: ein zweite Gänſeſchar iſt im Anzuge.— Jetzt iſt ſie gerade über uns. Rede und Gegenrede wird gewechſelt zwiſchen denen unten und denen oben, aber dieſe fallen nicht ein, ſie ſetzen den Flug fort. Wurde die Einladung abgelehnt? Oder war's keine Einladung; war's eine Abweiſung; haben die Weidenden erklärt, hier ſei kein Platz mehr, Zuſpruch neuer Gäſte ſei nicht erwünſchte Die Helle nimmt zu, nach dem Seeufer hin ſehe ich plumpe graue Körper im Graſe herumwatſcheln; der nächſte iſt nur ein Steinwurf von mir entfernt. Der erſte Sonnenſtrahl durchpringt die wallenden Nebel⸗ ſchwaden, ſte erglühen in roſigem Schimmer, ſie verflüchtigen ſich blendend flimmert und glitzert der Waſſerſpiegel. Tauſende ge⸗ fiederter Sänger begrüßen den neuen Tag, ihre Jubelhymnen hallen vom Walde her. Wie anbetend wenden die Kraniche die Köpfe nach Oſten, die Gänſe aber, die materiellen Tröpfe, ſchen⸗ ken dem Erſcheinen der Licht⸗ und Wärmeſpenderin nicht die mindeſte Beachtung, ihnen kommt's nicht in den Sinn, das tergeſchäft auch nur eine Sekunde zu unterbrechen. Schau die Enten, hier ein Pärchen und 558 ein Pärchen, wie ſie hingleiten über die leuchtende Flut, wie ſie dippen und tauchen und Schauer funkelnder Diamanten von den Flügeln ſchütteln. Sie haſchen einander, ſie quaken, ſie ſpielen und koſen; man merkt es ihnen an, daß ſie ſo recht zufrieden ſind mit ſich und der Welt. 5 Hoch oben im Aether ſchwebt ein Fiſchadler. Nur die Spitzen der Fittiche zittern, der Körper verharrt regungslos. Bald wird er miederſtürzen, in dem aufſpritzenden Waſſer verſchwinden und mit einem Fiſch in den Fängen dem Horſte zuſtreben, wo die brütende Gattin ſeiner wartet.— Da! er ſauſt herab.— Platſch — Er hat das Ziel gefehlt, den auserkorenen Schuppenträge nicht gefaßt. Ein heiſerer Schrei, ein par graziöſe, aufwärts führende Spiralen, und wieder ſchwebt der Räuber über Muß ich denn wirklich losknallen, Jwan? Ich möch aufnehmen, es widerſtrebt mir, ſtörend einzugreifen in die meinen Augen ſich abſpielende, freie Naturleben. Doch der gute Iwan verſteht mich nicht, für ihn hat 5 müßiges Schauen keinen Reiz, ihn reizt hier nur die ch auf Gänſebraten. „Schießem Sie, Herr, ſolange 8 Zeit iſt!“ ziſchelt zund ſeien Sie kein überſpannter Narr,“ mag er für ich den Satz ergänzen. Alſo:— Pfiff!— 1 Der Vogel, dem die Schrotladung agebi hebt ſich mit den Genoſſen, der dichte Federpanzer h geſchützt. Der zweite Schuß auf die Davonfliegenden hinten her abgegeben, hat ſeine Miſſion erfüllt: auf dem liegt in Todeszuckungen eine Iwans Begierde geopferte Gans Der Pulverdampf iſt verweht, ich halte Umſchau: Eb⸗ macht der letzte der Kraniche ſich davon; fünfzig Schritte hüp er, ehe er im Flug kommt, ſchwerfällig über den Boden hin, 5 Neuling des Veloſports im Begriff ſeine Maſchine zu igen. Ein paarmal kreiſen die aufgeſcheuchten Enten Schalaſchak, dann ſchwenken ſie ab nach Norden. D phalanx der Gänſe ſteuert ſüdwärts. Der Fiſchadler meinem Geſichtsfelde verſchwunden; nur die Strandlär fer hauptem noch den Platz. „Hole Deinen Braten, S0„ U Für heute iſt's vorbei. laß uns den Heimweg antreten.“ Der Muſchik kratzt ſich den Kopf, ſpukt berüch Boden, etwas von ſchlechtem Schießen dabei in den Ba Ein tiefer Zug aus der ihm gereichten Cognacfla 1 5 die Wolken. Wir marſchieren dem Walde zu und we den Ponies mit gedämpftem Freudengewieher beg— ield! 50f. Geld! Gebe Vorſchuß auf Waren u. 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