Bezugspreis: Für den Monat Juni 1.40 Goldmark, frei ins Haus. Anzeigenpreis: Die einſpalt. Petitzeile 15 Goldpfg. Reklamen: 60 Goldpfg. Bei Wiederholung Rabatt. Beilagen: Illuſtriertes Unterhaltungsblatt(wöchentlich). Tag lenolug 8. Jun 1926 ed get für Seckenheimuns Umgebung Erſcheinungszeit: Täglich, mit Ausnahme der Sonn⸗ und geſetzlichen Feiertage. Beſtellungen in der Geſchäftsſtelle Hildaſtraße 68 oder durch unſere Träger. Fernſprecher Rr. 16.— Poſtſcheckkonto 78439 Karlsruhe. Neues in Kürze. 25: Die belgiſche Kammer hat mit 111 gegen 3 Stim⸗ N men die Waſhingtoner Konvention über den Achtſtunden⸗ tag ratifiziert. 25: Unter Muſſolinis perſönlicher Aufſicht ſoll das italieniſche Luftminiſterium Pläne für einen Luftdienſt ausarbeiten, der ganz Südeuropa und Nordafrika mit einem Netz von italieniſchen Luftlinien überziehen würde. 1: Warſchauer Meldungen berichten von ſchweren Un⸗ ruhen in Oſtgalizien; über die Stadt Tarnopol und den * 2 — — * ſollen; dieſe Unterlaſſungsſünde kann jedoch noch jahr angeſehen werden. das heraus, was wir als die Bild Dienſt leiſten. ganzen Bezirk iſt der Belagerungszuſtand und über Lem⸗ berg der Ausnahmezustand verhängt worden. Beginn der Wirtſchaſts quete *. 8 N 1 5 1 e Am 7. Juni verſammelten ſich im Plenarſaale des vorläufigen Reichswirtſchaftsrates in Berlin erſtmalig die Mitglieder des Ausſchuſſes zur Anterſuchung der Erzeugungs⸗ und Abſatzbedingungen der deutſchen Wirtſchaft. Der Reichstag ent⸗ ſandte elf Mitglieder und elf Erſatzleute, neun Mit⸗ glieder wurden vom vorläufigen Reichswirtſchaftsrat in Vorſchlag gebracht, während die Reichsregierung nach freiem Ermeſſen ſelbſt neun Mitglieder berufen hat. Die Reichstagsabgeordneten verteilen ſich auf alle Parteien, die Sozialdemokraten und die Deutſchnationalen ſtellen je zwei Vertreter. Unter den Mitgliedern des Reichswirt⸗ ſchaftsrates ſind Arbeitgeber, Arbeitnehmer und freie Berufe gleichmäßig vertreten. Die von der Regierung Be⸗ rufenen ſind im weſentlichen Beamte und Wiſſenſchaftler. Allerdings hätte man den Vertretern der Wirtſchafts⸗ wiſſenſchaft eine etwas größere Zahl von Sitzen des ei der vorgeſehenen Hinzuziehung weiterer ſechs Mitglieder wie⸗ N gemacht werden. Die Tagesordnung der erſten Sitzung beſchränkte ſich auf die Eröffnungsforma⸗ litäten und auf die Aufſtellung gewiſſer Richt⸗ linien für die kommende Arbeit, die mit Rückſicht auf den Umfang der dem Unterſuchungsausſchuß geſtellten Aufgaben längere Zeit in Anſpruch nehmen dürfte. Die Vorgeſchichte der Wirtſchaftsquete geht bis in den Sommer des vorigen Jahres zurück. Das Jahr 1925 kann, zwar nicht was Umfang der Erzeugung, Ren⸗ tabilität der Unternehmungen, Geſtaltung der Preiſe, und Beſchäftigung der Arbeitnehmer anbelangt, aber doch was die Zurückgewinnung der Vorausſetzun⸗ gen einer geſunden Wirtſchaft betrifft, als das ſeit der Beendigung des Krieges günſtigſte Wirtſchafts⸗ Der Inflationsſchleier wurde in den Jahren 1923 und 1924 endgültig zerriſſen. Der ſeit der Ingangſetzung des Dawes⸗Abkommens im Auguſt 1924 überreichlich einſetzende ausländiſche Kreditzufluß nahm im Jahre 1925 normale Formen und Ausmaße an. Es kriſtalliſierte ſich nach und nach ſachlichen Voraus⸗ ſetzungen des neuen deutſchen Wirtſchaftslebens anzuſpre⸗ chen haben werden. In logiſcher Konſequenz dieſer Tat⸗ ſache nahmen die wirtſchafts⸗ und finanzpolitiſchen Aus⸗ einanderſetzungen des vorigen Sommers ihren grund⸗ ſätzlichen Charakter an, der ſie von der vorangehenden Kette der Einzelmaßnahmen recht weſentlich unterſchied. 9005 Bei dieſen Auseinanderſetzungen zeigte es ſich, daß die volkswirtſchaftichen Tatſachen, welche die Fundie⸗ rung für die Ausgeſtaltung unſerer künftigen Finanz⸗, Zoll- und Handelsvertragspolitik abzugeben hatten, im größten Umfange unbekannt waren. Man ſah ſich vielfach auf Mutmaßungen und auf recht an⸗ fechtbare Vergleiche zwiſchen heute und früher angewieſen. Wenn man ſich trotzdem nicht von entſcheidenden Maß⸗ nahmen zurückhalten ließ, ſo geſchah das zum Beiſpiel in der Zollpolitik in dem klaren Bewußtſein, daß man einen Schritt ins Dunkle wagte. Es war daher folgerich⸗ tig, daß am 12. Auguſt, dem Tage, an dem dieſer Schritt unternommen wurde, der Reichstag die Regierung in einer Entſchließung aufforderte, eine Prüfung der Grundlagen der deutſchen Geſamtwirt⸗ ſchaft unter beſonderer Berückſichtigung der induſtriellen Wirtſchaft und der Landwirtſchaft ſowie des wechſel⸗ ſeitigen Verhältniſſes beider und ihrer einzelne Son⸗ päter die Notwendigkeit ergab, auch noch dergebiete der deutſchen Wirtſchaft einer Unterſuchung zu unterwerfen, ſo wurde dieſe von der Regierung gefor⸗ derte und vom Reichstag beſchloſſene Generalen⸗ quete eine Sache von höchſter Wichtigkeit. Die Er⸗ gebniſſe der Unterſuchungen und die Stellungnahme des Ausſchuſſes werden dann der Reichsregierung zugeleitet und von dieſer dem Reichstag und dem Reichswirtſchafts⸗ rat vorgelegt. i Der Ausſchuß, der mit außerordentlich weitgehen⸗ den Feſtſtellungs⸗ und Unterſuchungsrechten ausgeſtattet iſt, wird durch Vernehmung wirtſchaftlich maß⸗ geblich er Perſonen und Verbände das anſtreben, in der gegenwärtigen Zeit der wirtſchaftlichen Umſtellung und der für alle Zweige der deutſchen Wirt⸗ ſchaft beſtehenden außerordenklichen Schwierigkeiten ein der geſamten wirtſchaftlichen Verhältniſſe zu er⸗ halten. Gelingt es ihm, ſeine umfangreiche und ſchwie⸗ rige Aufgabe durchzuführen, ſo wird er mit der Schaf⸗ fung einer zuverläſſigen Unterlage für Maßnahmen der Geſetzgebung und Verwaltung der deutſchen Wirtſchaft und dem deutſchen Volke einen kaum zu unterſchätzenden 11 Ver⸗ knüpfung mit der Weltwirtſchaft vorzunehmen. Da ſich Ziel Die Beratungen des Reichskabineits. Erörterung der innerpolitiſchen Tagesfragen. den Berlin, 7. Juni. Zum erſten Male ſeit Pfingſten hat ſich heute das Reichskabinett in einer Sitzung nicht lediglich mit laufenden Angelegenheiten, beſchäftigt, ſondern vor allen Dingen auch politiſche Tagesfragen beraten. Als wichtigſte Pro⸗ grammpunkte ſtanden auf der Tagesordnung der heutigen Kabinettsberatung die Stellung der Reichsregierung zum Volksentſcheid, die Flaggenfrage und ſchließ⸗ lich der Konflikt des Kabinetts mit der Reichs⸗ bahn hinſichtlich der Wahl Dr. Dorpmüllers als Nach⸗ folger des verſtorbenen Generaldirektors Dr. Oeſer. Was den Volksentſcheid angeht, ſo kam in der Beratung die Anſicht der Miniſter zum Ausdruck daß das vom Reichsrat angenommene Geſetz über den Volks⸗ entſcheid noch vor dem 20. Juni im Reichstag zur Durchberatung und Annahme kommen würde, wodurch dann der Volksentſcheid hinfällig werden würde. In parlamentariſchen Kreiſen will man ſich je⸗ doch nicht dazu entſchließen, dieſe optimiſtiſche Auffaſſung der Reichsregierung zu teilen, da das Geſetz, deſſen Inhalt ſich nahezu vollkommen mit dem Kompromiß der Mit⸗ telparteien deckt und welches vor Wochen im Reichstag keine Mehrheit gefunden hatte, auch jetzt keine Aus⸗ ſicht auf Annahme haben wird, da die beiden großen Flügelparteien der Sozialdemokratie und der Deutſchnakio⸗ nalen Volkspartei ſich dieſem gegenüber vorerſt noch ab⸗ lehnend verhalten. Hinſichtlich der Flaggenfrage ſind vom Reichs⸗ miniſterium des Innern verſchiedene Vorſchläge ausgear⸗ beitet worden, welche alle die Farben ſchwarz⸗rot⸗gold und ſchwarz⸗weiß⸗rot in irgend einer Weiſe kombinieren und welche heute gleichfalls vom Reichskabinett beſpro⸗ chen werden ſollen. Hierbei ſoll ſicherem Vernehmen nach vorerſt lediglich geprüft werden, ob das Kabinett in der Flaggenfrage ſelbſt die Initiative ergreifen oder ſie den Parteien überlaſſen ſoll. Bei der Schwierigkeit beſonders dieſes Problems und der vorerſt unnachgiebig ſcheinenden Haltung der unbedingten Verteidiger der alten bzw. neuen Reichsfarben iſt es naturgemäß außerordentlich ſchwierig hier eine auch nur einigermaßen befriedigende Mittellinie zu finden, ſo daß die Anſicht immer mehr an Boden gewinnt, daß auch die heutige Kabinettssitzung reinen Fortſchritt bringen wird, ſo daß die Flag⸗ genfrage aller Vorausſicht nach über die Sommer⸗ ferien vertagt werden dürfte. Wiederbeginn des Reichstages. Das Reichs knappſchaftsgeſetz. g Berlin, 7. Juni. Der Reichstag trat heute nachmittag gegen 3,30 Uhr zum erſten Male nach den Pfingſtferien wieder zuſammen. Präſident Loebe eröffnete die Sitzung mit einem Nachruf auf den verſtorbenen Generaldirektor der Reichsbahngeſell⸗ ſchaft, Oeſer, der fünf Jahre lang dem Reichstag ange⸗ örte und in der Vollkraft ſeiner Jahre tapfer ſeinen ann geſtanden habe. Von der ſchweren Bürde, die die Friedensdiktate auf die Schultern Deutſchlands wälzten, ſet Oeſer immer ein großer Teil der Verantwortung zuge⸗ fallen. Er habe ſie auf ſich genommen mit jener Zähigkeit und Lebenskraft, die ſein beſonderes Kennzeichen waren. Der Präſident gedachte ferner auch des Ablebens des ehe⸗ maligen Staatsminiſters von Berlepſch, deſſen Name Jahrzehnte mit der deutſchen Sozialpolitik untrennbar ver⸗ bunden geweſen ſei. Die Abgeordneten hatten ſich zu Ehren der Verſtorbenen von ihren Sitzen erhoben. Das Haus erledigte ſodann zunächſt einige kleinere Vorlagen. Ein Antrag, den Ausſchuß zur Wahrung der Rechtsverhältniſſe der Reichsbahnbeamten aufzulöſen und alle die Reichsbahn betreffenden Angelegenheiten dem Verkehrsausſchuß zu überweiſen, wurde ohne Debatte an⸗ genommen. f 1 1 Hierauf ſetzte das Haus bei ſehr geringer Beteiligung die vor den Pfingſtferien begonnene Debatte über das neue Reichsknappſchaftsgeſetz fort. Der Sozialdemokrat Janſchke begründete eine Reihe Anträge ſeiner Fraktion. die eine Erhöhung der Verſicherungsleiſtungen auf ver⸗ ſchiedenen Gebieten fordert. Der Redner verlangte, da gegen die großen Beitragsrückſtände der Arbeitgeber mit größter Energie vorgegangen werden müſſe. Die Vorlage dab befriedige bei weitem nicht die berechtigten Wünſche er Bergarbeiter. Der Deutſchnationale Dr. Leopold übte an der Vorlage ſtarke Kritik. Namentlich beanstandete er, daß der Entwurf bezüglich der Altersrenten eine ungerecht⸗ fertigte Bevorzugung der Tagesarbeiter gegenüber den Untertagearbeitern im Bergbau ſei und auch ſonſt unter anderem bei der Hinterbliebenenfürſorge und der Beſchädigtenrente der Bergarbeiterſchaft un verhältnismäßig größere Vorteile bringe als der Arbeiterſchaft in anderen Induſtrien. Der Redner warnte ſchließlich vor Ueberſpan⸗ nung der dem Bergbau aufgebürdeten Laſten. Die immer mehr zurückgehende Leiſtungsfähigkeit des Bergbaues könne keine weitere Schwächung mehr ertragen. Im weiteren Verlauf der Debatte wurde von kom⸗ muniſtiſcher Seite die Geſetzesvorlage als nicht weitgehend genug bezeichnet und eine größere Ueberbürdung der Laſtenverteilung auf die Arbeitgeber gefordert. Demgegen⸗ über erblickten verſchiedene andere Redner in einer Ueber⸗ ſpannung der Verſicherungsleiſtungen auf der Seite der Arbeitnehmer, ſowie der Arbeitgeber eine Gefahr für den Bergbau. Damit kam dann die Debatte in das Stadium der Polemik, welche jedoch keine neuen Geſichts⸗ punkte mehr erbrachte. Die 40. Die Trauerfeier für Oeſer. be Berlin, 7. Juni. Die Trauerfeier für den verſtorbenen Generaldirek⸗ tor der Reichsbahn, Oeſer, wurde heute Vormittag 11 Uhr mit einem Muſikvortrag des Streichquartetts der Staatsoper eingeleitet. Der demokratiſche Reichstagsabge⸗ ordnete Paſtor Greue hielt die geiſtliche Anſprache. Nachdem ſprach Reichskanzler Marx im Namen des Reichspräſidenten, der Reichsregierung und der Preußiſchen Staatsregierung dem Verſtorbenen warme Worte der Anerkennung aus. Als Vertreter der Reichsbahnverwal⸗ tung widmete der frühere Präſident des Verwaltungs⸗ rates, Dr. von Siemens, dem Verſtorbenen einen Nachruf. Dann hielten Dr. Dorpmüller, der neue Generaldirektor, und im Namen der Deutſchen Demokrati⸗ ſchen Partei der Reichstagsabgeordnete Erkelenz An⸗ ſprachen. Nachdem Pfarrer Greue Gebet und Segen aus⸗ geſprochen hatte, ſchloß die eindrucksvolle Feier mit einem zweiten Muſikvortrag des Streichquartetts. Unter der großen Zahl der geſpendeten Kränze be⸗ merkte man einen mächtigen Kranz, den die Präſidenten der Reichsbahndirektionen gemeinſam geſtiftet hatten. Be⸗ ſonders fiel der Kranz des Reichspräſidenten auf. Außer⸗ dem wurden prachtvolle Kränze der Beamten und der Arbeiterſchaft der Reichsbahn, der Verwaltung und Reichs⸗ regierung und der einzelnen Miniſterien geſtiftet. 90 * e e Natstagung des Völkerbundes. Ein umfangreiches Programm. f S Genf, 7. Juni. Die heute beginnende Tagung des Völkerbundrates, die 40. ſeit Beſtehen des Völkerbundes, ſieht auf ihrem Programm eine ganze Reihe von äußerſt wichtigen Fra⸗ gen, in deren vorderſter Reihe das Problem der ſtändigen Ratsſitze und damit die Vorbereitung der zweiten Etappe der Studienkommiſſion ſteht. Als Auftakt ging dieſer Tagung eine Unterredung des engliſchen Außenminiſters Chamberlain mit Briand voraus, die geſtern in Paris ſtattfand und welche alle auf der Tagesordnung ſtehenden Fragen umfaßt 15 oll. Da ein Bericht über dieſe Unterredung, welche ohne naturgemäß alle Vermutungen über den Verlauf der⸗ ſelben auf ſehr dürftigen Unterlagen, doch dürfte es wohl richtig ſein, daß Briand auch dieſes Mal einen Ver⸗ ſuch gemacht hat, die franzöſiſche Anſchauung hinſicht⸗ lich der Ergänzung des Völkerbundrates durchzuſetzen. Denn gerade in dieſer Richtung iſt es ja bekannt, daß ſich die franzöſiſche Diplomatie mit derſelben Gleichgültig⸗ keit über die faſt einheitliche Meinung der Sonderkom⸗ miſſion des Rates, welche unzweifelhaft gegen die Vermehrung der Ratsſitze war, hinweg⸗ ſetzt, wie ſie die überwiegende Mehrheit der Völler⸗ bundsverſammlung, welche gegen die gekünſtelte und deshalb unhaltbare Ernennung neuer„Großmächte“ Stellung genommen hatte, ignoriert. 5 Des weiteren ſteht auf dem Programm der Rats⸗ tagung des Völkerbundes noch die Aufhebung der Kontrolle über Oeſterreich und Ungarn, wo⸗ bet Frankreich bei der letzteren zu widerſprechen beabſich⸗ tigt, was als Quittung für die Frankenfälſchung be⸗ trachtet werden dürfte. Schließlich wird noch über die Vorarbeiten zur Abrüſtungskonferenz, über die kolonialen Völkerbundsmandate, ſowie über das Saargebiet beraten werden, wobei man in eng⸗ liſchen Völkerbundskreiſen glaubt, daß es bei den Saar⸗ beſprechungen zu heftigen Zuſammenſtößen kom⸗ men wird, da der Präſident der Regierungskommiſſion, 5 der Kanadier Stephens, für die vertragsmäßig ſeſt⸗ gelegte Zurückziehung der franzöſiſchen Gar⸗ niſonen aus dem Saargebiet eintreten ſoll, während die Franzoſen eine neue Ausrede gefunden haben, indem ſie erklären, die Truppen müßten bleiben, um„die Eiſen⸗ bahnen zu ſichern.“ Der Beginn der heutigen Ratstagung ließ jedoch von all dieſen wichtigen Fragen noch nichts verſpüren und le⸗ diglich eine Demonſtration des braſilianiſchen Vertreters Mello⸗Franko, der ſich mit Unpäß⸗ lichkeit entſchuldigen, ſich aber gleichwohl nicht durch einen der übrigen braſilianiſchen Delegierten vertreten ließ, neß einige Schlußfolgerungen auf die Haltung Braſiliens in der Kals cage zu. Die Beratung ſelbſt, die ſich zuerſt dem Nachtbackverbot in den Bäckereien zuwandte, dem ſich ein Bericht des Hygiene⸗Komitees und darauf die Mit⸗ teilung Chamberlains von der erfolgten Ratifizierung des Moſſulabkommens durch die Türkei anſchloß, erregte weniger Intereſſe, als der Beſchluß, die nächſte Sitzung am Mittwoch ſtattfinden zu laſſen. i 2 —— 0 Aus dem Beginn der Propagandafeldzuges. 95 a b Berlin, 8. Juni. „Wenn nicht alle Zeichen trügen, wird der Volts⸗ eil ſcheid einen Wahlkampf bringen, wie ihn Deutſchland in einer innerpolitiſchen Geſchichte noch nicht erlebt hat. Beide Parteien haben ungeheure Mengen von Propagandamaterial herſtellen laſſen. Außerdem wird in dieſer Woche der Verſammlungsfeldzug mit voller Wucht einſetzen. Bekanntlich ſind für kom⸗ menden Sonntag im ganzen Reiche große trationen een e in gabe iche groß Demonſtrationeg 3 eugen ſtattfand, nicht ausgegeben wurde, beruhen In⸗ und Auslande. —B 5 2 5 5 1 ö 0 155 1 3 285 1 Senkung des Reichs bankdiskonts. Berlin, 7. Juni. In der heute zuſammengetretenen Sitzung des Zentralausſchuſſes der Reichsbank wurde nach kurzer Beratung beſchloſſen, den Reichsbankdiskontſatz und den Lombardſatz um je ein halb Prozent zu ſenken. Der Reichsbank⸗Diskontſatz beträgt nun 6,5 und der Lombard⸗ ſatz 7,5 Prozent.. Franzöſiſche Manöver in der Pfalz? Paris, 7. Juni. Das„Petit Journal“ erfährt, daß in der erſten Septemberhälfte größere franzöſiſche Mand⸗ ver in der Pfalz und im Flußgebiet der Nahe ſtatt⸗ finden ſollen. Dieſe Manöver werden von der zweiten Diviſion des 32. Armeekorps und allen vorgeſchobenen Elementen der Rheinarmee durchgeführt werden. Die Hauptſtadt der Druſen erobert. 5 Paris, 7. Juni. Painleve teilte in der Kabinetts⸗ ſitzung mit, daß die im Djebel Druſe operierenden fran⸗ zöſiſchen Truppen Sulkhad, die Hauptſtadt der dortigen Druſen, erobert hätten. Die Widerſtandskraft der Djebel⸗ Druſen könne nunmehr als gebrochen angeſehen werden. Gefangennahme Wupeifus? Peling, 7. Juni. Nach einer bisher noch unbeſtätigten Meldung ſoll Wupeifu auf der Reiſe von Jaoting nach Peking von aufrühreriſchen Elementen ſeiner eigenen Ar⸗ mee angehalten und gefangen geſetzt ſein. Wupeifu wollte von Peking nach Tientſin weiterfahren, um dort mit Tſchangſolin zuſammenzutreffen. Die Meldung von der Gefangennahme Wupeifus hat hier große Beſtürzung hervorgerufen. Für Sparſamkeit im Rheinland! Die Pariſer Liga für Menſchenrechte veröffentlichte eine Note, in der ſie gegen die Verſchwendungspolitik der franzöſiſchen Regie⸗ rung im Rheinland proteſtiert und erklärt, im Rhein⸗ land ſollte in erſter Linie geſpart werden, wenn es der Regierung mit der Frankenſtützungsaktion ernſt ſei. Im Rheinland gebe Frankreich gegenwärtig leider ein ſchlechtes Beiſpiel ſeiner Verwaltungsfähigkeit. Die ägyptiſche Kriſe. Nach den letzten aus Kairo vor⸗ liegenden Meldungen ſcheint die ägyptiſche Kriſe ihrem Ende entgegenzugehen. Zaglul Paſcha hat ſeinen Freun⸗ den mit Tränen in den Augen ſeinen Entſchluß mit⸗ geteilt, auf die Uebernahme der Regierung zu verzichten. Er beanſpruche aber unter allen Umſtänden für ſich den Vorſitz im Parlament, um auf dieſe Weiſe Adly Paſcha, dem manche Führer der Partei Zaglul Paſchas Mißtrauen entgegenbringen, zu überwachen. Am Sonntag iſt Adly Paſcha vom König empfangen worden. Die Einberufung des Parlaments und der Rücktritt Ziwar Paſchas dürften demnächſt erfolgen. Die Partei Zaglul Paſchas zeigt jetzt England gegenüber eine auffallend gemäßigte Haltung. Lord Lloyd ſcheint aber gewillt zu ſein, den Einfluß Englands auf die innere Politik Aegyptens in energiſcher Weiſe für immer zu ſichern. Aus dem balliſchen BUnile. Mannheim.(Urkundenfälſchung.) Der 55 Jahre alte Händler Chriſtian Fingerle, durch den Alko⸗ hol auf ſchiefe Bahn gekommen, erhielt wegen Urkunden⸗ fälſchung eine Gefängnisſtrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Der Staatsanwalt hatte Zuchthaus beantragt. Mannheim.(Behebung der Gefrierfleiſch⸗ not.) Der Reichsminister für Ernährung und Landwirt⸗ 5 hat ſich bereit erklärt, aus der noch zur Verfügung ſtehenden kleinen Reſerve ein Kontingent zollfreies Ge⸗ frierfleiſch zur Belieferung der Mannheimer Verkaufsſtel⸗ len freizugeben und der Einkaufs⸗ und Verwertungsgenoſ⸗ ſenſchaft der Fleiſcher⸗Innung e. G. m. b. H. Mann⸗ heim, die ſeit 14 Tagen ohne Gefrierfleiſch iſt, zu über⸗ weiſen. Letztere hat den Berechtigungsſchein über 20000 Kilogramm inzwiſchen erhalten. Es iſt bereits ein Wag⸗ gon argentiniſches Maſtochſen⸗Gefrierfleiſch ab Seehafen unterwegs. Schwetzingen.(Vom Zuge getötet.) Bei der Station Walldorf wurde der Eiſenbahnſchaffner Weiß aus Karlsruhe vom Perſonenzug überfahren und ge⸗ tötet. Weiß befand ſich im Dienſt und es erſcheint rät⸗ ſelhaft, wie der Verunglückte während der Fahrt unter die Räder kam. Die Unterſuchung wird das weitere er⸗ Schönau i. W.(Zum Wiederaufbau der Brandſtätte.) Eine beſondere Kommiſſion, beſtehend aus je einem Vertreter der Regierung, der Gemeinde, der Baugilde, des Bundes Deutſcher Architekten, hat Richt⸗ linien für den Wiederaufbau Schönaus herausgegeben. Ein einheitlicher Plan wird aufgeſtellt, dem ſich jedes Haus einfügen wird. Für die Proſektbearbeitung hat das Miniſterium des Innern einen Betrag zur Verfügung ge⸗ ſtellt. Zur Sicherung der Einheitlichkeit des Wiederauf⸗ baues hat das Bürgermeiſteramt beſondere ortspolizeiliche Vorſchriften erlaſſen. Mit der Räumung des Brandplatzes durch die Arbeitsloſen der Gemeinde Schönau wird be⸗ reits in den nächſten Tagen begonnen werden. Für die Brandgeſchädigten werden ſofort fünf Wohnbaracken er⸗ ſtellt. Ferner ſoll eine der Ausſtellungshallen der Ge⸗ werbeausſtellung Lörrach angekauft werden. Triberg.(Folgen ſtarken Regenfalles.) Durch den ſchon ſeit einigen Tagen anhaltenden Regen, der ſich teilweiſe zu wolkenbruchartiger Heftigkeit ſtei⸗ gerte, löſten ſich auf der Strecke Hornberg— Triberg der Schwarzwaldbahn bei dem Bahneinſchnitt an der Stelle des abgetragenen Kaiſertunnels Felsmaſſen los, die größtenteils durch die dort befindliche Stützmauer aufgehalten wurden. Etwa 50 Kubikmeter ſtürzten auf das Bahngeleis, ſo daß das Geleis der Fahrtrichtung Hornberg— Triberg verſperrt wurde. Bis zur Wegräu⸗ mung des Hinderniſſes wird die Strecke eingleiſig be⸗ trieben. Das geſperrte Geleis iſt etwa fünf Stunden nach dem Abſturz geräumt und wieder betriebsfähig. Per⸗ ſonen wurden nicht verletzt. Zugverſpätungen ſind nicht eingetreten. 5 Waldſee.(Verbrüht.) Das etwa drei Jahre alte Kind des Fabrikarbeiters Franz Hackmann fiel rücklings in einen Kübel mit kochendem Waſſer und verbrühte ſich derart, daß es ſtarb. 5 Waldshut.(Verurteilung.) Das hieſige Schwur⸗ gericht verurteilte wegen gefährlicher Körperverletzung den Albert Thomann aus Wallbach zu einer Gefängnisſtrafe von acht Monaten unter Anrechnung einer einmonatigen Unterſuchungshaft. Kandern.(Der Vermißte aufgefunden?) Wie ſeinerzeit berichtet, wird hier ſeit Wochen der Bren⸗ ner Hermann Meier vermißt. Die Gendarmerieſtation Wittenweier(Amt Lahr) teilte nun mit, daß dort ein Mann im Rhein gelandet wurde, der u. a. am Arm eine Tätowierung der Regiments 113, 1. Kompagnie, auf⸗ wies. Da der vermißte Meier Nied de Kompagnie des Infanterieregiments diente, das Verbleiben des Verſchollenen Klarheit gebracht wer⸗ den. Neuenburg.(Feſtgefahren.) Auf der Bergfahrt iſt trotz des zurzeit günſtigen Waſſerſtandes der Anhang⸗ kahn des Dampfers„Stadt Baſel“ bei der Iſteiner Schwelle feſtgefahren. Auch der„Helvetia“ gelang es kürzlich nicht, die Iſteiner Schwelle zu paſſieren ſie mußte vielmehr von dem Schleppdampfer„Bern“ über die Schwelle geſchleppt werden. Friedensweiler b. Müllheim.(Zu Tode geſtürzt.) ier ſtürzte der 16 Jahre alte Rudolf Schwörer aus dem J die Kellertreppe hinunter. Er erlitt ſo ſchwere Verletzungen, daß er ſtarb ohne das Bewußt⸗ ſein wiedererlangt zu haben. Aus Nah und Fern. Maxdorf.(Ein Mietſtreit.) Ein Mietſtreit mit böſen Folgen entſtand hier in der Marſtraße. Im Ver⸗ lauf desſelben erbrach der Hausherr die Tür zur Woh⸗ nung des Mieters und ſchlug in voller Wut noch den Verputz von der Zimmerdecke los, ſo daß ſich die Woh⸗ nung in einem verwahrloſten Zuſtande befindet. Frankenthal.(Seltſamer Unglücksfall.) Auf ſeltſame Weiſe ums Leben gekommen iſt der Arbeiter Georg Freimeier von hier. Er hatte in Ludwigshafen mit einem Freund gezecht und war abends eine Treppe Wen ee Sein Freund verband die dabei er⸗ ittene Kopfwunde und legte ihn in ſeiner Wohnung zu Bett. Freimeier ſtand aber auf und ſetzte ſich in die Küche. Dabei muß er den Gashahn mit dem Ellbogen aufgeſtoßen haben; am anderen Morgen fand man ihn tot in der Küche vor. Frankenthal.(Todesſturz aus dem Zuge.) In dem in den erſten Mittagsſtunden verkehrenden Per⸗ ſonenzug Wiesbaden— Mannheim war in Worms eine etwa 40 Jahre alte Frau eingeſtiegen, die, als ihre Frage, ob der Zug in Oggersheim halte, verneint, wurde, ſehr aufgeregt war und ſich ſtändig in der Nähe der Tür auf⸗ hielt. Zwiſchen Bobenheim und Frankenthal ſprang die Frau plötzlich aus dem Zug und war ſofort tot. Der Kopf war durch den ſchweren Sturz aus dem fahrenden Zug völlig zertrümmert. Die Leiche wurde nach Franken⸗ thal überführt. Worms.(Leichenländung.) Geländet wurde in der Nähe des Pfaffenwinkels die Leiche eines noch un⸗ bekannten Mannes, der ſich anſcheinend ſelbſt das Leben N haben dürfte. Die Leiche muß ſchon ſehr ange im Waſſer gelegen haben, da ſie vollkommen un⸗ kenntlich war. Spuren von Verletzungen weiſt der Tote nicht auf. Worms.(Ein Lebensretter.) Einem franzöſi⸗ ſchen Soldaten das Leben gerettet hat der Wormser Hans Sötthöfer, der ſich gerade im Badeanzug am Ufer be⸗ fand, als er bemerkte, daß ein franzöſiſcher Soldat ſtrom⸗ abwärts getrieben wurde. Kurz entſchloſſen, ſprang er in den Rhein, und es gelang ihm, den Soldaten unter großen Schwierigkeiten an das Ufer zu bringen. Im Verein mit einem anderen franzöſiſchen Soldaten unter⸗ nahm Sßötthöfer ſofort Wiederbelebungsverſuche, die auch von Erfolg gekrönt waren. Bad Nauheim. Eine Verſorgungsanſtalt für Kriegsbeſchädigte.) Eine neue ideale Unter⸗ kunft iſt den Kriegsbeſchädigten mit der hieſigen Verſor⸗ gungsanſtalt erſtanden, die jetzt ein neues Heim bezogen hat. Die Anſtalt iſt aus dem früheren Militärkurhaus hervorgegangen, in dem in Friedenszeiten durchſchnittlich 400 Gäſte im Jahr Aufnahme fanden. Die jetzige Ein⸗ richtung unterſteht dem Reichsarbeitsminiſterium und ent⸗ ſpricht durchaus den Anforderungen, die man an ein neu⸗ zeitlich geleitetes Sanatorium ſtellen kann. Es ſtehen 56 Betten in 35 behaglichen Zimmern zur Verfügung, ſo daß bei etwa 10 Jahreskuren etwa 560 Gäſte im Laufe eines Jahres Aufnahme finden können. Soweit es der Platz erlaubt, werden neben Kriegsbeſchädigten auch Reichs⸗, Landes⸗ und Gemeindebeamte als Beſucher zu⸗ gelaſſen. Für Angehörige der Reichswehr iſt die Anſtalt jedoch nicht beſtimmt. Koblenz.(maubüberfall auf einen Brief⸗ träger.) Ein frecher Raubüberfall wurde in der Nähe von Kyllburg auf einen Poſtboten verübt. Vier junge Burſchen drangen auf den Briefträger ein, ſchlugen ihn nieder, entriſſen ihm die Taſche und raubten aus ihr 600 Mark und mehrere Wertbriefe. Die Täter entkamen unerkannt. i Cochem(Moſel).(Schwere Bluttat.) Eine ſchwere Bluttat wurde auf der ſchönen Ausſicht verübt. Ein junger Mann verſuchte ein Mädchen zu vergewal⸗ tigen und als ſich ſein Opfer ſträubte, zog er einen Re⸗ volver und tötete das Mädchen durch einen Schuß in das Herz. Der Mörder konnte bereits feſtgenommen werden. Böſenſell(Weſtfalen).(Vom Zuge getötet.) Zwei Rottenarbeiter, die vor Beginn der Arbeitszeit einen Stoppapparat zum Ausbeſſern des Geleiſes aus⸗ probieren wollten, wurden von einem D⸗Zug erfaßt und auf der Stelle getötet. Brun.(Ein Brief mit 10000 Dollar ver⸗ aich wunden.) Die American Expreß⸗Company in Ber⸗ lin erhielt von ihrem Newyorker Haus 10 eingeſchriebene Briefe, in denen ſich insgeſamt über 100 000 Dollar be⸗ ſanden. Von dieſen 10 Briefen, die die Poſt ordnungs⸗ gemäß dem Hauptzollamt zur weiteren Behandlung und zur Auslieferung an den Empfänger übermittelte, fehlte, als ſie der Geſellſchaft übergeben werden ſollte, ein Brief, in welchem ſich 10000 Dollar in Noten zu 15 und 20 Dollar befanden. Bisher weiß man nicht, wer den Brier entwendet hat. Schwerin.(Zwei Todesopfer bet einem Autounfall.) Auf der Landſtraße Gadebuſch— Schwerin überſchlug ſich auf der ſchlechten Straße ein ö ö „ Kraftwagen. Von den vier Inſaſſen wurden zwei ge⸗ tötet. Der Direktor Frank des Erſparnisinſtituts Schwerin und der Direktor Schütz von der Holzinduſtrie A.⸗G. Schwerin. Der Bruder Schützes iſt ſchwer, der Chauffeur leichter verlent. geben. Liebe erweckt Liebe. 4 Original⸗Roman. Längſäm ging er an den lanzenden Paaren vor⸗ über. Er hätte ſich wohl mit ſeinen achtunddreißig Jah⸗ ren noch zu der tanzluſtigen Jugend rechnen können, und vielleicht hätte er gerne die eine oder andere im Tanz umſchlungen, wenn er nur des Tanzens kundig ge⸗ weſen wäre. Aber in ſeiner Jugend hatte er ſich keine Zeit gelaſſen und keine Gelegenheit gehabt, Tanzſtunde zu nehmen, und ſpäter— da war er ſich ſchon zu alt dazu erſchienen. 2 N Seine Augen ruhten jedoch wohlgefällig auf den graziöſen, eleganten Frauen und Mädchen, die ſo leicht beſchwingt über den blanken Fußboden dahinglitten. Er hatte ſchon damals eine große Vorliebe für ſchöne, elegante Frauen gehabt, als er noch für ein beſcheide⸗ nes Monatsgehalt auf dem Kontorſchemel ſaß, hinter ſeinem Pult in dem Kaſſenzimmer des großen Bank⸗ auſes. Schon damals war ſtets ein ſeltſames Sehnen n ihm erwacht, wenn er ſeidene Frauenkleider rauſchen hörte, wenn er elegante Frauen, in koſtbare Pelze und duftige Spitzen gekleidet, an ſich vorübergehen ſah, oder wenn er einen ſchmalen, elegant beſchuhten Frauenfuß auf dem Trittbrett eines Wagens erblickte. Dann hatte ſein Herz geklopft, vor ſeinen Augen war ein roſiger Nebel geweſen und er hatte ſich in leuchtenden Farben ausgemalt, wie es ſein müſſe, wenn man ſolch ein zar⸗ tes, feines, wohlgepflegtes Geſchöpf in den Armen hal⸗ ten könne. Und wenn ihn etwas noch hätte anſpornen können, zu ſeinem raſtloſen Schaffen, ſo wäre es wohl der Ge⸗ danke geweſen, eines Tages ein Ziel zu erreichen, das ihn gleichberechtigt an die Seite einer ſolchen Frau ſtellte. 1 Nun hatte er dies Ziel längſt erreicht, aber ſeine Hände, die kühn und genial nach allen Lebensgütern gegriffen hatten, vermochten ſich nicht verlangend auszu⸗ ſtrecken nach ſolch einer Lichtgeſtalt. Er hatte die ele⸗ ganten Frauen näher kennen gelernt und ſah, daß viele von ihnen nur hohle, gedanken⸗ und herzloſe Puppen waren. Er wollte aber ein Weib beſitzen, das nicht nur ein ſchönes, elegantes Ausſehen, ſondern auch einen hoben, inneren Wert beſaß, ein Weib mit einer reichen Seele, und das hatte er bisher nicht gefunden. Da blieb er einſam. 19 15 er ſuchte noch immer eine Frau, die ſeinem Ideal gleichkam, die mit äußerer Schönheit, klu⸗ gem Sinn ein weiches, gütiges Herz vereinte. Man merkte dieſem Manne nicht an, daß er auch Träumen und Idealen nachſtreben konnte. Alle, die ihn kannten, wußten, daß er ein Mann der Tat, des kühnen Erfaſſens war. Er erſchien kurz entſchloſſen, un⸗ bewegt, faſt hart— ein Menſch, der unbeirrt ſeinem Ziele zuſtrebt, der klar und nüchtern ſeinen Vorteil ab⸗ wägt. Seine Züge waren hart und ſcharf, wie in Mar⸗ mor gemeißelt. Er beſaß eine kantige Stirn, die ſich über tiefliegenden, ſtahlblauen Augen wölbte, ein brei⸗ tes Kinn und einen herben, ſchmallippigen Mund, deſ⸗ ſen charakteriſtiſchen Linien durch einen ſehr kurz gehal⸗ tenen Lippenbart nicht verdeckt wurden. Dieſer Mund war faſt immer feſt geſchloſſen, ſeine mittelgroße, ſehni⸗ ge Geſtalt war gut proportioniert, ſeine elaſtiſchen, ziel⸗ bewußten Bewegungen hatten etwas Beherrſchtes, Ge⸗ zügeltes an ſich. 5 5 Meiſt blickten ſeine Augen ſcharf und kühl. Sie funkelten wie geſchliffener Stahl, wenn er erregt war, und ſahen kühn und zufaſſend ins Leben, zugleich auch ſcharf abwägend. Niemand wußte, daß dieſe Augen in ſeltenen Stunden auch weich und zärtlich blicken konnten— nur ſeine Mutter wußte das— und die ver⸗ riet es niemanden, denn ſie ſtand ſeinen jetzigen Geſell⸗ ſchaftskreiſen fern und kam mit keinem dieſer eleganten Menſchen zuſammen. Hans Ritter war der Sohn eines ſchlichten Hand⸗ werkers, der ſeinem Beruf zum Opfer fiel, als ſein Sohn zehn Jahre alt war. Die Mutter hatte dann für ſich ſelbſt und ihr einziges Kind Brot ſchaffen müſſen und ſich redlich gemüht, daß Hans die Realſchule, auf die ſein Vater ihn geſchickt hatte, weiter beſuchen konnte. Schwer war es ihr manchmal geworden, aber ſie hatte es durchgeſetzt, weil es des Gatten und des Sohnes Wunſch geweſen war. Sie war eine ſchlichte Frau, be⸗ ſaß jedoch einen bewundernswerten Opfermut und ein reiches Herz, das ſie über ihre enge Sphäre hinaushoh. Nachdem Hans dann die Realſchule mit vorzüglichen Zeugniſſen verlaſſen hatte, kam er zu einem kleinen Bankier in die Lehre. Dieſer erkannte bald die hervor⸗ ragende Begabung des jungen Mannes und verkchaüte ihm nach beendeter Lehrzeit eine aute Stellung in einem engliſchen Bankhauſe. In dieſer Stellung vermochte er ſeinem Chef durch kühnes Erfaſſen des Augenblicks einen großen Dienſt zu erweiſen, wodurch derſelbe vor dem Verluſt einer großen Summe bewahrt blieb. Man be⸗ förderte ihn und zahlte ihm eine Gratifikation von 2000 Pfund. Dieſe Summe war der Grundſtein zu ſeinem jetzigen Vermögen. Nach einigen Jahren wurde ihm ein führender Poſten an einer großen deutſchen Bank „ Er kehrte zurück und nahm dieſe Stellung Sein Vermögen vermehrte ſich durch kluges, vor⸗ ſichtiges Handeln. Sein großer Fleiß, ſeine eminente Tüchtigkeit, brachten ihn ſchließlich als Direktor an die Spitze ſeiner Bank. Dann kaufte er eines Tages, als er zum Beſuch ſeiner Mutter wieder einmal in ſeiner Vaterſtadt weilte, ein großes, weites Wieſengelände für billiges Geld. Kurze Zeit darauf wurde dieſes Gelände, in dem Hans Ritter faſt ſein ganzes erworbenes Vermögen angelegt hatte, zu induſtriellen Zwecken gebraucht. Hans Ritter verkaufte es— faſt für den zehnfachen Preis— und war ein reicher Mann geworden. Seine Stellung als Bankdirektor gab er nun auf, er wollte frei ſein für großzügiges Wirken und Schaf⸗ fen, wozu ihm in ſeiner emporblühenden Vaterſtadt Ge⸗ legenheit geboten wurde. Die wenigſten Menſchen wuß⸗ ten, daß er in dieſer Stadt ſeine Laufbahn begonnen hatte. Sein Lehrmeiſter, der alte Bankier, war längſt geſtorben und ſonſt erkannten ihn wenig Menſchen wie⸗ der. Er ſprach auch nie von ſeiner Vergangenheit. Man hatte ihn in den Aufſichtsrat verſchiedener Ge⸗ ſellſchaften gewählt und trotz ſeiner noch jungen Jahre war er ſchon eine einflußreiche Perſönlichkeit. Niemand fragte ihn, aus welchen Kreiſen er ſtammte, alle Türen ſtanden ihm offen. Er war auſwärts geſtiegen mit einer zähen Be⸗ harrlichkeit, mit einer unentwegten Zielſicherheit. Nicht einmal hatte er dabei das Gefühl des Schwindels ge⸗ habt. Je höher er ſtieg, deſto ſicherer wurde ſein Blick. Schen u 1 5 55 3 en mit kühnen, feſten Schritten. Er hatte etwas von einem unwiderſtehl Eroberer an ſich. 5 9 e 13