CoCo . 5 55 . 1 7 * 2 20. Juhrnung Bezugspreis: Für den Monat Dez. 1.40 Goldmark, frei ins Haus. Anzeigenpreis: Die einſpalt. Petitzeile 15 Goldpfg. Reklamen: 60 Goldpfg. Bei Wiederholung Rahatt. Beilagen: Illuſtriertes Unterhaltungsblatt(wöchentlich). — Fall, 3. Dezember 1026 Bote Tages- und finzeigenblatt für Seckenheim uns Umgebung flo. 282 Erſcheinungszeit: Täglich, mit Ausnahme der Sonn⸗ und geſetzlichen Feiertage. Beſtellungen in der Geſchäftsſtelle Hildaſtraße 68 oder durch unſere Träger. Fernſprecher Rr. 16.— Poſtſcheckkonto 78439 Karlsruhe. Neues in Kürze. 16: Im Auswärtigen Amt ſind die Natifizierungs⸗ Urkunden des deutſch⸗lettländiſchen Handelsvertrages aus⸗ getauſcht worden. i 28: Die polniſche Regierung beſchwert ſich in einer Note an Deutſchland über eine Aeußerung eines Reichs⸗ tagsabgoordneten, der das Wahlergebnis in Oberſchle⸗ ſien als deutſchen Erfolg pries. a f 2s: Es hat den Anſchein, daß Frankreich mit ſeinen neuen Kontrollfon derungen Zeit gewinnen wilt, um die Kontrolle möglichſt lange aufrecht zu erhalten. 22: Nach einer Milt ⸗ilung in der franzöſiſchen Kam⸗ mer ſind im ehemaligen franzöſiſchen Kampfgebiet rund 341 000 Häuſer wieder aufgevaut. u: In Bukareſt ſoll die Bildung einer Konzentra- tionsregierung unter General Averu cu bevorſt'hen und eine Rege niſchaf. der Könien Maria geplant fin. — Oſtfraaen im Reichstag. Die finanzielle Förderung der Grenzgebl. e. „ Borlin, 2. Dezember. Der Reichstag ſetzte heute die zweite Beratung des Nachtragsetats für 1926 fort, und zwar be⸗ handelte er bei dem des Reichsinnenminiſteriums das Pro⸗ gramm der öſtlichen Grenzgebiete. Der Haushaltsaus⸗ ſchuß hatte in ſeiner heutigen Vormittagsſitzung beantragt, die von der Regierung für dieſe Zwecke ausgeworfene Summe von 32 Millionen auf 41 Millionen zu erhöhen. Abg. Henſel⸗Oſtpreußen(Du.) bezeichnete die ſchleunige Behebung der Kreditnot des Mittelſtandes im Oſten als die dringendſte Aufgabe. Er bedauerte, daß der i e ſich monatelang den Verhandlungen des Oſtausſchuſſes ferngehalten habe. Bei aller Anerken⸗ kung der kulturellen Bedürfniſſe ſei im Augenblick doch die Milderung der wirtſchaftlichen Nöte dringender. Der Aus⸗ ſchußbeſchluß ſei eine erfreuliche Verbeſſerung der unzuläng⸗ lichen Regierungsvorlage. Abg. Ulitzka(Z.) gab ſeiner Freude darüber Aus⸗ druc, daß dem deu ſchen Oſten beſonders geho fen werden ſolle. Der Oſten habe unter der willkürlichen Grenz⸗ giehung des Verſailler Vertrages und unter der unge⸗ rechtfertigten Zerreißung Oberſchleſiens be⸗ ſonders ſchwer gelitten. Das Reich müſſe alles tun, um die Oſtgebiete als beſonderes Bollwerk und Magnet des Deutſchtums zu erhalten. Oberſchleſien ſei durch die lan⸗ gen Wahlkämpfe erſt lange nach dem Friedensſchluß zu wirklicher Wiederaufbauarbeit gekommen. Das Ent⸗ ſchädigungsverfahren werde leider in einem Geiſte durchgeführt, der bei den Betroffenen große Er⸗ bi terung hervorrufe. Der Reichstagsausſchuß ſollte ein⸗ mal die Oſtgebiete bereiſen, um ſich von der dort herr⸗ ſchenden Not zu überzeugen. Der Redner empfahl die Annahme des Ausſchußankrages und ſprach die Erwartung dus, daß für die gefährdeten Gebiete Oberſchleſiens bal⸗ digſt die geforderten zwei Millionen bereitgeſtellt würden. N Abg. Jadaſch machte die deutſchen und polniſchen ö Sozialdemokraten für die ſcharfen nationaliſtiſchen Kämpf im Oberſchleſien verantwortlich. Die Folge dieſer Kämpf, lei die furchtbare Not der Proletarier in Deutſch⸗ und Pol⸗ niſch⸗Oberſchleſien. Die Wohnungsnot ſei dort utſenac Irm weiteren Verlauf der Reichstagsdebatte verlangte Abgeordneter Fehr(Bayeriſcher Bauernbund), daß die Hilfe ausgedehnt werde auf die an die Tſchechoſlowakei grenzenden bayeriſchen Gebiete. Sobald dieſe dringende Forderung nicht erfüllt ſei, könnten ſeine Freunde nicht dem Ausſchußantrag zuſtimmen, ſondern ſie würden ſich der Stimme enthalten. Abgeordne er Dr. Pfleger(Bayeriſche Volkspartei) gab für ſeine 18 9 155 die gleiche Erklärung ab. Von dem Abgeordneten Dr. Frick(Natſoz.) war m⸗ zwiſchen ein Antrag eingegangen, der den Hilfsbetrag auf 48 Millionen Mark erhöhen will, von denen 2 Millionen 5 für die bayeriſchen Grenzgebiete beſtimmt ſein 1 n.„ 3 * 8 Der Reichsinnenminiſter Dr. Külz wies dar⸗ auf hin, daß der Reichstag bei der Einſetzung des Oſt⸗ Ausſchuſſes urſprünglich nur daran dachte, durch ein Hilfs⸗ programm der oſtpreußiſchen und der oberſchleſiſchen Grenzbevölkerung den Dank abzuſtatten für die außeror⸗ dentliche Treue, mit der ſie auf ihrem wirkſchaftlich ſchwe⸗ ren Poſten ausgehalten habe. Wenn Bayern daber nicht befüchichtigt würde, ſo liege darin keine Anfreundlichkeit biete Preußens wie die übrigen Bundesſtaaten be⸗ biete len in Verhandlungen eintreten, um auch dieſe Ge⸗ Diete zu be rückſichtigen. f Ste(S.) ſtimmte dem Sofortpro⸗ gramm zu und e in den Etat für 1927 ausrei⸗ len rderung aller Grenzgebiete einzu⸗ aue been 5 Uhr vertagte ſich das Haus auf Freitag 12 Das Pfänderſpiel am Nhein. Zur Rede des franzöſiſchen Außenminiſters. 5 de Berlin, 2. Dezember. Die Rede, die der franzöſiſche Außen miniſter in der Kammer hielt, hat inſofern eine gewiſſe Klärung in den neuerdings wieder ſtark komplizierten Beziehungen zwi⸗ ſchen Deutſchland und Frankreich gebracht, als der verant⸗ wortliche Leiter der franzöſiſchen Außenpolitik ſich erneut zu der Politik von Locarno und Thoiry bekannt hat. Wenn Briand wiederum mit ſtarker Betonung erklärt hat, daß die Verſtändigung zwiſchen Deutſchland und Frankreich die unerläßliche Vorausſetzung für die po⸗ litiſche Befriedung Europas iſt, ſo unterliegt es für uns keinem Zweifel, daß dieſe Worte ehrlich ge⸗ meint ſind und daß ſie der innerſten Ueberzeugung des franzöſiſchen Außenministers entſprechen. Daß dieſe Auf⸗ faſſung in Frankreich immer mehr an Boden gewinnt, möchten wir gleichfalls als zutreffend unterſtellen. Dagegen erſcheint es uns höchſt zweifelhaft, ob bereits heute in der geſamten Politik Frankreichs, die ja Briand allein heute weniger denn je beſtimmt, der Wille zu einer aufrich⸗ tigen Verſtändigung mit Deutſchland leitendes Prinzip geworden iſt. Wir ſehen nicht nur keinen Fortſchritt in der praktiſchen Verwirklichung des Friedensgedankens, ſon⸗ dern im Gegenteil hat in den letzten Wochen der ſo ver⸗ heißungsvoll begonnene Entſpannungsprozeß ſchwere Rückſchläge erfahren. Wir können auch nicht über die Tatſache hinwegſehen, daß das Friedensprogramm des franzöſiſchen Außenminiſters von einem großen Teil des franzöſiſchen Parlaments mit kühler Gleichgültigkeit, teil⸗ weiſe ſogar mit eiſiger Kälte, aufgenommen worden iſt. Dem gegenüber möchten wir die Tatſache ſtellen, daß in der vergangenen Woche das Verſtändigungsprogramm des deutſchen Außenminiſters im Reichstag nicht nur von einer einwandfreien Mehrheit gebilligt worden iſt, ſondern daß eine große Partei, die bisher den Ver⸗ ſtändigungsmöglichkeiten ſkeptiſch gegenüberſtand, offen ihre Zuſtimmung zu der Verſtändigungs⸗ und Aus⸗ gleichspolitik Dr. Streſemanns gegeben hat. Wo bleiben Locarno und Genf? Gerade weil wir von der Ehrlichkeit der Abſichten Briands überzeugt ſind, bedauern wir es, daß er in ſei⸗ ner Rede teilweiſe Anſichten ausgeſprochen hat, die man gerade bei ihm bisher nicht vermutet hätte. Das gilt ins⸗ beſondere für das, was Briand hinſichtlich der Rhein⸗ landbeſetzung geſagt hat. Er meinte, Frankreich ſei nicht im Rheinland, um Deutſchland herauszufordern. Die Beſatzung habe vielmehr lediglich den Charakter eines „Pfandes“. Dieſe Pfändertheorie ſcheint uns in höchſtem Maße bedenklich. Man fragt ſich, wozu ſollen dieſe Pfänder dienen? Für die Neparationszahlungen? Bisher waten wir immer der Meinung, daß es ausgeſpro⸗ chener Sinn und Zweck des Dawespaktes geweſen iſt, Frankreich ausreichende materielle Sicherungen für die Aufgabe ſeiner Pfänderpolitik zu geben. Oder ſoll das Rheinland ein Pfand für die„bedrohte Sicher⸗ heit Frankreichs“ ſein? Welchen Sinn hätte dann Lo⸗ carno? Welchen Wert der gerade von Briand ſo hoch⸗ geſchätzte Völkerbund? Ans ſcheint, daß Herr Briand in einer Kardinalfrage der deutſch⸗franzöſiſchen Verſtän⸗ digung völlig an dem objektiven Tatbeſtand vorbeiſieht. Jede Eeſetzung eigenen Territoriums durch fremdes Mili⸗ tär wirkt herausfordernd, auch wenn die betreffende Re⸗ gierung beſtrebt wäre, die Beſetzung ſo human wie möglich zu geſtalten. Mit einer aufrichtigen Friedens⸗ und Ver⸗ ſtändigungspolitik iſt die Aufrechterhaltung der Be⸗ ſatzung ſchlechterdings unvereinbar. Die ungelöſte Kontrollfrage. Auf die anderen Punkte, die die Verſtändigungs⸗ atmoſphäre immer noch vergiften, iſt Briand über⸗ haupt nicht eingegangen. Ueber den Standpunkt Frankreichs in der Kontrollfrage ſind wir demnach auch heute noch völlig im Unklaren. Briand hat ſich ganz allgemein auf die Bemerkung beſchränkt, daß er die be⸗ ſtimmte Hoffnung hege, ſich mit Streſemann über die noch beſtehenden Meinungsverſchiedenheiten noch verſtän⸗ digen zu können. Daß auf deutſcher Seite der Wille zur Verſtändigung vorhanden iſt, braucht nicht wieder betont zu werden. In Frankreich ſollte man ich aber endlich darüber klar werden, daß auch der gute Wille Deutſchlands beſtimmte Grenzen hat. Deutſchlands Entwaffnungsforderungen, f Ein britiſches Anerkenntnis. 8 g London, 2. Dezember. f Zu der deutſchen Forderung, an den Anterſuchun⸗ gen des Völkerbundes in nichtdeutſchen Ge⸗ bieten auf Grund ſeiner Völlerbundszugehörigkeit be⸗ teiligt zu werden, bemerkt der diplomatiſche Korreſpon⸗ dent des„Daily Telegraph“, daß damit wohl die vor⸗ mals Deutſchland freundlichen Länder Oeſterreich und Bulgarien gemeint ſeien. Vom lonalen Standpunkt aus könne Deutſchland als Mitglied des Völkerbundes nicht aus dem Perſonal der Völkerbundskommiſſionen ausgeſchloſſen werden, außer in Fällen, wo es Ffelbſt die in Frage kommende Partei iſt. 5 0. g Ene enropäſche Schickſalsſrage. * Als das Ergebnis der jüngſten Kommunalwahlen in Oſt⸗Oberſchleſien vorlag, und einen ſtarken deutſchen Erfolg erkennen ließ, wurde in Deutſchland übereinſtim⸗ mend feſtgeſtellt, daß die Wahlen ſelbſt nach Lage der Dinge nun einmal eine innere polniſche Angelegenheit ſeien, daß uns indeſſen niemand verwehren könne, an dem Schickſal der gewaltſam vom deutſchen Mutterlande losgeriſſenen Stammesgenoſſen nun erſt recht Anteil zu nehmen. Und es wurde hinzugefügt, daß man den dringenden Wunſch hegen müſſe, die maßgebenden Stellen in Polen möchten aus dieſem Wahlausfall die rechte Lehre ziehen. Er war ja auch in mehr als einer Beziehung höchſt aufſchlußreich. Gewiß war es ſein Hauptmerkmal, daß das deutſche Element ſich bei der Abſtimmung ſo kraftvoll und zahlenmäßig ſo ſtark zur Geltung gebracht hatte, und diejenigen, die der ununter⸗ richteten, aber gläubigen Welt einſt vorgetäuſcht hatten, daß die Deutſchen in dem dann auch richtig polniſch ge⸗ wordenen öſtlichen Teile Schleſiens eine ganz unerhebliche Minderheit darſtellten, ſind aufs allerdeutlichſte Lügen ge⸗ ſtraft worden. Aber die Lage in Oſtoberſchleſien wurde ganz beſonders doch durch die Tatſache beleuchtet, daß ganz zweifellos auch polniſche Stimmen„deutſch“ ab⸗ gegeben worden ſind, denn es hat ſich unzweifelhaft ge⸗ zeigt, daß an vielen Orten, in denen ſeinerzeit bei der von den Alliierten vorgeſchriebenen Volksabſtimmung keine deutſche Stimme abgegeben worden iſt, diesmal in ſtarkem Maße„deutſch“ geſtimmt worden iſt. Aus dieſen Einzelheiten ergeben ſich nun zwei Er⸗ kenntniſſe. Zunächſt einmal die. daß man polniſcher⸗ ſeits mit der bisher befolgten Menderheitspolitit prak⸗ tiſch einen völligen Fehlſchlag erlitten hat, weil weder die Drangſalierung der Deutſchen noch auch die ſtark betri-bene polniſche Zuwanderung es zu verhindern vermochten, daß das deutſche Element jetzt bei der Wahl mit Nachdruck ſein Recht auf Mitbeteiligung an der Ge⸗ ſtaltu à der kommunalen Entwicklung der Zukunft be⸗ tonte. Die zweite, beinahe noch weſentlichere Erkenntnis in⸗ deſſen geht dahin, daß die deutſcherſeits bei der gewalt⸗ ſamen Zerreißung des wirtſchaftlich⸗n Geſamtkörpers Schleſiens vorausgeſagten ſchlimmen Folgen zu Zuſtän⸗ den geführt haben, gegen die auch der polniſche Teil der Bewohner glaubte, demonſtrieren zu müſſen. Hat man nun in Warſchau den Wunſch, aus diesen Tatſachen die ſich geradezu aufdrängenden Folgerungen zu ziehen? Das Verhalten der poln chen Regierung gegen⸗ über dem oberſchleſiſchen Deutſchtum, das jſtematiſche Beſtreben, die vom Völkerbund garantierte Selbſtverwal⸗ tung Oberſchleſiens Stück um Stück„abzubauen“, hat ſchon in der letzten Vergangenheit wiederholt zu der Feſt⸗ ſtellung geführt. daß Oberſchleſien auch nach der ver⸗ hängnisvollen Volksabſtimmung ein europäiſches Problem geblieben iſt. Es ſieht ganz ſo aus, als ob das in der Zukunft in noch erhöhtem Maße der Fall ſein ſollte. Wenn man in Warſchau wirklich die Lehre aus den Kommunalwahlen hätte ziehen wollen, die ſich für jeden unvoreingenommenen Beurteiler ohne weiteres ergibt, dann hätte man ſich auf polniſcher Seite ſagen müſſen, daß eine Wahl eine Willenskundgebung der wählenden Bevölk' rung darſtellt, und daß man den Arſachen nachzugehen hat, die zu dieſer Willenskundge⸗ bung geführt haben. Die Deutſchen in Oſtoberſchleſien haben nach dem Bekanntwerden des Abſtimmungserbeg⸗ niſſes ſofort betont, daß ſie die Wahl nicht als ein poli⸗ tiſches Glaubensbekenntnis, ſondern vielmehr nur und ausſchließlich als die Proklamierung und Begründung einer Forderung betrachten, der berechtigten Forderung nämlich, daß ſie in den Gemeindeverwaltungen künftig den Einfluß auf die Führung der kommunalen Geſchäfte zugeſtanden erhalten, den ihnen die bei der Wahl ſeſtge⸗ ſtellten Mehrheitsverhältniſſe gewährleiſten. Hat man das in Polen vernommen, hat man die Abſicht die⸗ ſem Hinweiſe Rechnung zu tragen? Schon die erſten Nach⸗ richten über das Echo der Wahl in Polen weckten ernſt⸗ hafte Zweifel, und die neueſten Nachrichten weckten noch weit ernſtere Beſorgniſſe. Wenn es zutrifft, daß der pol⸗ niſche Innenminiſter bei einer polniſchen Demonſtration geſagt hat, die polniſchen Aufſtände ſeien eine Not⸗ wendigkeit geweſen, weil das polniſche Recht verge⸗ waltigt worden ſei und wenn der Wojwode Grazynſki derlangt hat, im freien Polen dürften nur Polen re⸗ gieren, und wenn ſchließlich ein Vertreter des polniſchen Weſtmarkenvereins in einer Entſchließung die pöllige Beſeitigung der ſchleſiſchen Autonomie ge⸗ fordert hat, dann ſieht es wahrlich nicht ſo aus, als wenn man in Polen der durch die Wahl geſchaffenen Lage Rechnung zu tragen gedenke. Dann gewinnt es im Gegenteil leider den Anschein, daß die Frage Oberſchleſien in der weiteren Entwicklung den Völkerbund noch häu⸗ fig beſchäftigen dürfte. Denn eine Minderheitspolitik von der Art, die in den eben erwähnten Reden und Entſchließungen auf Betäti⸗ gung drängt, wäre verhängnisvoll, und zwar verhängnis⸗ poll für beide Teile. Mit der Parole:„Polen den Po⸗ len!“ hat man ſich in Warſchau in der Zeit ſeit der Volksabſtimmung z. B. auch dauernd darüber hinweg⸗ geſetzt, daß auch die Alliierten die innere wirtſchafl⸗ liche Zuſammengehörigkeit der beiden getrennten Teile Oberſchleſiens als eine ſtets zu berückſichtigende Tatſache erachtet haben. Nichts kennzeichnet die Situation auch beſ⸗ ſer als der Umſtand, daß der einſtige deutſche Reichs⸗ tagsabgeordnete Korfanty aus ſeiner beſonderen Kenntnis der oberſchleſiſchen Verhältniſſe heraus in ernſte⸗ ſtem Tone vor jeder Beeinträchtigung des oberſchleſi⸗ ſchen Selbſtbeſtimmungsrechtes warnt. Es kann auch Polen nichts daran liegen, zum Schaden ſeines Anſehens die oberſchleſiſche Frage weiter zuzuſpitzen. 1 1 ſchen Regierung im Verſailler Diktat 75 9 Ne Die deutſche Kolonialfrage. Frankreich gegen jede Nückg abe. Berlin, 2. Dezember. ö Nachdem auf der am Montag beginnenden Tagung des Völkerbundes zwar nicht die Frage des künftigen Schickſals der deutſchen Kolonien, aber doch die grundlegende Frage der rechtlichen Stellung der vom Völkerbund übertragenen Kolonialmandate zur Man⸗ datsmacht und zum Völkerbund zur Sprache kommen wird, nachdem weiterhin auf den Fragebogen der Man⸗ datskommiſ ſion des Völkerbundes, welchen dieſer an die Mandatsmächte zur Beantwortung herausgegeben 23 75 von England und Frankreich eine durchaus ab⸗ lehnende Antwort an den Vi erbund erteilt wurde, machen ſich jetzt in Paris ſowohl, als auch mn London ganz beſtimmte Strömungen bemerkbar, die darauf ab⸗ zielen, die Frage zu Gunſten der Mandats⸗ mächte zu entſcheiden. Von engliſcher Seite wurde, wie ſchon öfters erwähnt, bereits früher der Standpunkt vertreten, daß eine Rückgabe der von Groß⸗ britannien verwalteten deutſchen Kolonien an Deutſchland nicht in Frage kommen könne, während gleichlautende Stimmen aus Frankreich bisher zwar nicht ganz fehlten, aber doch viel ſpärlicher waren und auch unbeſtimmter lauteten.. Es iſt daher ſehr beachtenswert und durchaus kein Zufall, daß ſich nunmehr auch in Paris die offi⸗ ziellen Kreiſe mit dieſer Frage befaſſen und zwar ge⸗ winnt dieſe Tatſache inſofern an Bedeutung, als dieſe Frage in der franzöſiſchen Kammer zur Sprache kam. Der Berichterſtatter für die franzöſi⸗ ſchen Kolon alfragen betonte nämlich, daß Frankreich die Mandate über Togo und Kamer un nicht an den Völkerbund zurückgeben könne, weil dieſe Je⸗ biete inmiitten des franzöſiſchen Kolonialbeſitzes n und dieſe, bei Aebergang an eine andere Macht, 1 r auseinanderreißen würden. Mit dem Hinweis darauf, daß die Deutſchen in Togo und Kamerun Gleich berechti⸗ gung hätten und Grund beſitz erwerben könnten, glaubt man in Frankreich die Frage löſen zu können, ohne daber zu beachten, daß dieſe Beſtimmungen nur in dem auf Zeit laufenden Handelsabkommen Frankreichs mit Deutſchland feſtgehalten ſind, während weiterhin das Souveränitätsrecht des Völkerbundes über⸗ haupt ignoriert wird. Es iſt daher jetzt Pflicht der deutſchen Vertretung beim Völkerbund, daß dieſe höch ſt gefährlichen Strömungen, welche auf eine di⸗ rekte Annektion der deutſchen Kolonien durch die Mandatsmächte hinauslaufen, beizeiten paralyſie rt werden und daß eine Sicherſtellung der berechtigten Zur Klärung der Kriegsſchuldfrage. Oeffnung der engliſchen Archive. O London, 2. Dezember. e di. abe d ſten Bandes d VVV die ſich auf die Arſachen des Ausbruchs des Weltkriegs beziehen. In dieſem Zuſammenhang ver⸗ öffentlichen nun die„Times“ einen Brief, welchen der ehe⸗ malige Botſchaf ter in Berlin, Sir Goſchen, im Jahre 1923 ſchrieb und in welchem dieſer ſich zu einem Aufſatz in einer britiſchen Zeitſchrift äußerte, der auf die Schuld an der Kataſtrophe von 1914 Bezug hatte. Wenn man nun auch nicht verlangen kann, daß eine offi⸗ zielle engliſche Persönlichkeit den auch von der briti⸗ eingenommenen Standpunkt, daß Deutſchland als alleiniger Kriegs⸗ ſchuldiger de Verantwortung für den Ausbruch des Weltkrieges auf ſich zu nehmen habe, öffentlich be⸗ ſtreiten würde, ſo bietet der Brief Sir Goſchens doch ſehr bedeutſame Anha'tspunſte dafür, daß in leitenden engliſchen Kreiſen die Hauptverankerung des Ver⸗ failler Diktats allmählich als unterhöhlt be⸗ Sir Goſchen erklärt nämlich, er glaube, 1. die angebliche große Konferenz rom 5. Juli 1914 in Bertin oder in Potsdam ein Zwiſchen⸗ fall, vor allen Dingen aber ein erheblich 3 Zwiſchenfall geweſen ſei und da. 2. weder Wilhelm II. noch Bethmann⸗ Hollweg noch Jagow den Krieg woll⸗ trachtet wird. daß 0 ten. Zumindeſtens nicht damals. Die Petant⸗ f wortung falle in erſter Linie auf Oeſter reich, das die Lunte ins Pulverfaß geworfen habe. Der N Kaiſer, Bethmann⸗Hollweg und Jagow ſeien ge⸗ ö gen den Krieg geweſen, trotzdem, wenn auch erſt in zweiter Linie, ſo doch in ſehr hohem Grade, ver⸗ antwortlich, da ſie Oeſterreich nicht zurückgehalten hätten und den Frieden nicht unterſtützten, bevor es zu ſpät war. Mit dieſer Feſtſtellung Sir Goſchens kommen wir der Wahrheit über die wahren Schuldigen am Welt⸗ krieg zwar nicht nahe, aber doch erheblich näher, als es die plumpe Beſtimmung des Verſailler Diktats feſt⸗ zuhalten verſucht hatte. Was in Deutſchland überall als Gemeingut angeſehen werden kann, nämlich die Tatſache, daß Deutſchland und ſeine maßgebenden Politiker aus der Zeit vor und während 1914 mit allen Mitteln verſucht hatten, den Krieg zu vermeiden, das wird jetzt auch ein⸗ mal von England offen ausgeſprochen. Nicht dagegen wird die Tatſache gewürdigt, daß das Treiben der Iswolſki, Poincareee und Delcaſſee direkt auf den Krieg hingearbeitet hatte und daß demge⸗ mäß auch dieſe Männer, die ſich dann ſpäterhin anmaßten, das Richteramt über Deutſchland auszuüben, in erſter Linie für die Kataſtrophe verant⸗ wortlich gemacht werden müſſen. Allein der Verlauf der ſeit 1919 verfloſſenen acht Jahre hat uns zur Ge⸗ nüge gelehrt, daß die Wahrheit auch vor einem Machtſpruch nicht haltmachen wird und daß die Zeit der beſte Bundesgenoſſe für Deutſchland iſt. Es wird daher, nachdem England jetzt auch dazu übergegan⸗ gen iſt, einen Teil ſeiner Kriegsdokumente zu veröffent⸗ lichen, der Weg der Wahrheit immer beſtimmter werden, bis die Zurücknahme des dem wehrloſen Deutſchland aufge⸗ zwungenen Schandparagraphen durch ſeine eigenen Ver⸗ faſſer erfolgt. Dann fällt auch die Grundlage des Verſailler Diktats und damit dieſer ſelbſt und ſchließlich wird dann dadurch auch die Befriedung Europas ſichergeſtellt werden können. Die neue Rückgabebill. Jenstor Borah gegen das Kompromiß. 2 Newyork, 2. Dezember. In einer Konferenz im Weißen Hauſe hat geſtern Senator Borah dem Präſidenten Coolidge die ſo⸗ fortige Rückgabe des deutſchen Eigentums empfohlen. Nach ſeinem Beſuche im Weißen Hauſe er⸗ klärte Borah, daß die Maßnahmen, die jetzt vom Finanz⸗ ausſchuß des Repräſentantenhauſes entworfen werden und die die Rückgabe eines Teiles des deutſchen Eigentums ſofort und des Neſtes in Teilzahlungen während einer Periode von mehreren Jahren vorſehen, vom Kon⸗ greß nicht angenommen werden würden. Borah ſchloß: Unſere Regierung darf nicht ihre Ehre für etwa 280 Millionen Dollar preisgeben. Es würde beſſer ſein, die amerikaniſchen Anſprüche aus Mitteln des 8 zu bezahlen oder Bonds zu ihrer Deckung aus⸗ zugeben. F Die Forderungen der Beamtenſchaft. Die Organiſationen gegen die einmalige Zulage. Berlin, 2. Dezember. Der Allgemeine deutſche Beamtenbund, der Ring deutſcher Beamtenverbände, der Allgemeine freie Ange⸗ ſtelltenbund, der Geſamtverband deutſcher Angeſtellten⸗ gewerkſchaften und der Gewerkſchaftsbund der Angeſtell⸗ ten haben im Anſchluß an die Beſprechung Nit dem Reichsfinanzminiſter Stellung genommen zu der Frage einer Beſoldungsaufbeſſerung für die von ihnen vertre⸗ tenen Beamten und Büroangeſtellten. Hierbei ſtellten ſie als ihre übereinſtimmende Meinung feſt, daß der wirtſchaftlichen Notlage ihrer Mitglieder durch die vom Reichsfinanzminiſter geplante einmalige Zulc ge in ge⸗ ringer Höhe keineswegs abgeholfen werden kann. Die genannten Organisationen erwarten vielmehr vom Reichs⸗ tag, daß er durch eine alsbald vorzunehmende ange⸗ meſſene Erhöhung der laufenden Bezüge für die unteren und mittleren Gruppen und durch An⸗ paſſung des Wo hnungsgeldes an die geſtiege⸗ nen Mi ten endlich die Existenz dieſer Gruppen aun für die kommende Zeit ſichorſtellt. 5 Aus dem In⸗ und Auslande. Nach dem engliſchen Kohlenſtrefk. London, 2. Dez. Das britiſche Kabinett ſoll, wie in politiſchen Kreiſen verlautet, in ſeiner geſtrigen Sitzung die Kohlenausfuhr wieder freigegeben haben. Mitteilun⸗ gen über die Zahl der Arbeitenden werden künftig nicht mehr veröffentlicht. In parlamentariſchen Kreiſen wird die Vorlage des Abänderungsentwurfes zum Gewerk⸗ ſchaftsgeſetz für die nächſte Parlamentsſeſſion erwartet. In dem Entwurf ſollen die Streiks für ungeſetzlich er⸗ klärt und die Gewerkſchaftsführer mit dem Verluſt ihrer Immunität im Streikfall bedroht werden, die ſie bekannt⸗ lich im Falle eines geſetzlich erlaubten Streiks genießen. Ein verhindertes Attentat gegen Primo de Rivera. Paris, 2. Dezember. Von der ſpaniſchen Grenze traf die Nachricht ein, daß ein gegen das Leben Primo de Riveras gerichtetes Attentat im letzten Augenblick verhindert wurde. Es ſoll ſich um ein umfangreiches Komplott handeln, das ſeinen Ursprung in Katalonien hatte. Durch Verrat oder Zufall wurde der geplante Anſchlag entdeckt. Es ſollen bereits zahlreiche Verhaftun⸗ gen vorgenommen worden ſein. ———— Aus dem badiſchen Lande. Mannheim.(Drei Wochen Gefängnis we⸗ gen 20 Pfennigen.) Der Bauführer Martin Burck⸗ hardt von Arboldereut nahm an einem ſchon gebrauchten Straßenbahnbillete von der Neckarſtadt nach Sandhofen eine Radierung vor. Aber ein ſolcher blauer Strich iſt nicht leicht wegzubringen und der Schaffner merkte es. Wegen dieſer Lappalie verſchaffte ſich der Mann vor dem Großen Schöffengericht drei Wochen Gefängnis. Mannheim.(Die neuen Rheinbrücken.) Nach einer Berliner Meldung hat der Reichsverkehrsminiſter auf eine Anfrage mitgeteilt, daß die Deutſche Reichsbahn⸗ hauptverwaltung auf Grund eines einſtimmigen Regie⸗ rungsbeſchluſſes die drei Projekte Karlsruhe, Speyer, Mannheim gemeindam bearbeitet habe. Heidelberg.(Heidelberg kauft Mannheimer Waſſer.) Zwiſchen der Stadt Heidelberg und Mann⸗ heim iſt ein Vertrag zuſtande gekommen, nach welchem die ſtädtiſche Waſſerwerksgeſellſchaft Rheinau m. b. H. Mannheim zum Zwecke der Verſorgung Heidelbergs mit Waſſer ein beſonderes Maſchinen⸗Aggregat auffſtellt, das in der Lage iſt, täglich bis zu 12 000 Kubikmeter ge⸗ reinigtes und filtriertes Grundwaſſer zu pumpen. Die Rohrleitung von rund 12 Kilometer Länge wird auf Heidelberger Koſten hergeſtellt und dürfte etwa 800 000 Reichsmark koſten. Die Arbeiten werden zur Zeit aus⸗ geſchrieben. Karlszuhe.(Aus Sehnſucht nach der Zelle.) Mit einem alten Stammkunden der Juſtiz beſchäftigte ſich das Karlsruher Schöffengericht. Es handelte ſich um den 44jährigen Maurer Ludwig Stolz 1 aus Teutſchneureut, der bereits 47 Vorſtrafen, darunter im Jahre 1916 eine ſolche von ſechs Jahren Zuchthaus, auf dem W hat. Während der letzten drei Jahre hat er ſich nicht wieder ſtrafbar gemacht. Daß er doch wieder rückfällig wurde, daran war nach ſeiner eigenen Meinung nur ſein ſteifes Bein ſchuld. Wegen dieſem konnte er nicht arbeiten und ſah ſich deshalb gezwungen, alles daran zu ſetzen, um wieder ins Gefängnis zu kommen. Aus dieſem Kon⸗ flikt heraus, entſchloß er ſich zur Entnahme zweier Fahr⸗ räder, eines aus dem Hofe des„Moninger“ und eines bei der„Badiſchen Preſſe“. Die Polizei und die Staats⸗ anwaltſchaft widmeten dem Armen alsbald wieder ihr näheres Intereſſe, und ſo kam es, daß N vor den Schranken des Gerichts erſchien. Das bis zu zwei Jahren Zuchthaus— Rechnung. Bir indo fbi Wu ds u.(Von der Handdreſch maſchine die Hand abgeriſſen.) Das zweiein⸗ halbjährige Kind des Poſtſchaffners Buchmann von Igel ſchlatt brachte die linke Hand in eine Handdreſchmaſchine, wodurch dem Kind die Hand abgeriſſen wurde. Es wurde ſofort nach Bonndorf ins Krankenhaus verbracht. Oeflingen bei Säckingen.(An einer Bohne er⸗ ſtickt.) Das zweijährige Kind des Landwirts Ludwig Rotzler kroch unter den großen Kachelofen und ſteckte von den aufgeſtellten Bohnen eine in den Mund. Die Bohne blieb dem Kind in der Luftröhre ſtecken; es erſtickte jäam⸗ r merlich, ehe ärztliche Hilfe zur Stelle war. Das Glück der Andern i Original⸗Roman von kkrich Ebenſtein 38. Fortſetzung. für ein junges Mädchen ziemt.“ „Ich werde mich hüten. Modeſta hat noch nie einen Rat von mir angenommen.“ (Nachdruck verboten.) „Dann müßteſt du ihr begreiflich machen, was ſich deu ö es geſchähe, wäreſt du nicht glücklich? Wäre das nicht Maanus ſchleuderte plötzlich ſeine nur halb ge⸗ cauchte Zigarre in weitem Bogen über die Brüſtung. Schweigend ſtarrte er hinab auf den Kiesplatz. Plötzlich legte ſich Evelyns Hand auf ſeine Achſel und ihr weißes Geſicht blickte lockend zu ihm auf. „ Marum biſt du auf einmal ſo nachdenklich, Mag⸗ nus? Den ganzen Nachmittag fiel es mir ſchon aaf, und ich fragte mich vergebens um die Arſache. Biſt du über etwas verſtimmt?“ „Ich? Nicht im mindeſten!“ „Was ſprachet ihr denn gar ſo angelegentlich heute, du und Graf Wirbna?“ 8 „O, nur über Politik.“ „Darf man davon gar nichts erfahren?“ „Es wird dich kaum intereſſieren. Wir ſprachen von den Chancen der Wahlen hier, wo ein freigewor⸗ denes Mandat unſeres Kreiſes zur Neuheſetzung kommt 8 von dem jähen Ableben Marinowitſchs in erlin.“ „Maxrinowitſch war Legationsrat, nicht wahr?“ „Ja. 5 5 77 „Magnus—“ 5 ſchmiegte ſich inniger an ihn, „wäre es nicht möglich, daß man nun dich an ſeine Stelle beruft? „Möglich wohl.“ e.. Ihr Atem ging raſch und ihre Augen chteten ihm aus dem Halbdunkel entgegen,„wenn einzig ſchön? Berlin! Denke nür. Bexlinll!“ Sie zitterte förmlich. B deutlich ſehen, denn es lag im Schatten einer Sand⸗ hörte ſie befremdet, die mit müdem, gleichgültigem Klang ſagte:„O ja, ich hätte nichts dagegen. Da du nun ein⸗ mal nicht hier bleiben willſt... und übrigens iſt es ja vielleicht wirklich das beſte...“ n dieſem Augenblick näherte ſich ihnen diskret ein Diener. f „Eine Depeſche für den Herrn Grafen.“ Magnus nahm ſie in Empfang und trat damit in den hellerleuchteten Eßſaal, wo ſeine Mutter und Mama Loſenſtein bereits weilten. „Von meinem Chef,“ ſagte er eine Minute ſpäter. „Ich muß heute abend noch fort. Wahrſcheinlich han⸗ delt es ſich um die in Berlin freigewordene Stelle.“ Eine wahnſinnige Freude ließ Evelyns Herz höher ſchlagen. Sie war doch wirklich ein Glückskind! Alle Wünſche erfüllte ihr das Schichſal! And wie eine leuchtende Fata morgana tauchte die Millionenſtadt vor ihr auf, die immer ihre Sehnſucht geweſen war.—— „Armes Kind, nun wird dir die Zeit wohl recht lang werden?“ ſagte die Gräfin am anderen Tage mit⸗ leidig und tätſchelte zärtlich Evelyns Hand.„Wollen wir Beſuche machen oder Leute einladen?“ N Um Evelyns Lippen zuckte es wie verhaltener Spott. War Mama wirklich ſo naiv, dieſe Dinge für AUnterhal⸗ tung zu halten? a „Danke“, ſagte ſie dann laut,„ich will lieber Mag⸗ nus Abweſenheit benützen, um meine Fertigkeit als Rei⸗ terin auszubilden. Kitty Melbers lud mich ohnenhin ſchon öfter ein, mit ihr ſpazieren zu reiten.“ Die Gräfin nickte. N „Wie du willſt. Aber reite nicht ohne den Reit⸗ knecht und nimm lieber„Beſſie“.„Zaza“ iſt zu wild.“ Evelyn lächelte. Den zweiten Rat wollte ſie befol⸗ gen, den erſten ſicher nicht. Was brauchte ſie den Reit⸗ knecht hinter ſich?. 9 5 Er blieb ganz ruhig. Sie konnte ſein Geſicht nicht ſteinfigur, die neben ihm aufragte. Aber ſeine Stimme leich nach dem Frülhſtück brach ſie auf und ritt in beſter Laune nach Luſtbühl, dem Schloß der Mel⸗ bers. Kitty war ja noch die einzige hier, die ihr ſym⸗ pathiſch war. Wie ein gefangener Vogel, der plötzlich die Freiheit erhalten, kam ſie ſich vor. Wie angenehm, endlich einmal von dem Zwang befreit zu ſein, Mag⸗ nus“ langweilige Unterhaltung mit liebenswürdiger Mien zu quittieren! f In Luſtbühl angekommen, erfuhr ſie, daß die Herr ſchaften ſchon in aller Frühe ausgeflogen ſeien. Auch gut. Nein— um ſo beſſer!“ dachte ſi „Es iſt zu köſtlich, ſo allein dahinzureiten!“ f Den Rückweg nahm ſie über Berdſtetten. Dabei mußte ſie hart an der Parkmauer von Buchegg vor⸗ über. f Evelyn wandte zwar den Kopf nicht, ſah aber doch aus einem Augenwinkel über die Mauer nach dem kaſtell“ artigen Herrenhaus hinüber. Alles hermetiſch verſchloſſen. Tor und Fenſter. Keine ericht trug ſei⸗ nen Sehnſüchten nach der ſtillen Klauſe weitgehend— Menſchenſeele zu ſehen weit und breit. Aber das war ja gut ſo Da es noch früh war, beſchloß Evelyn, ein Stang gegen den Kaiſerpaß hinaufzureiten, zu dem von Berd⸗ ſtetten eine ſchöne Waldſtraße führte. 85 Hier war es um dieſe Stunde völlig einſam. Ab und zu zweigte von der Straße ein Weg ab, der tiefer 5 hineinführte in das köſtlich lockende Dunkel des Wal des. Evelyn ſchlug aufs Geratewohl einen derſelben ein Er führte nach einigen Wendungen auf eine einſame Wald⸗ wieſe, in deren Mitte eine verlaſſene Holzknechthült⸗ ſtand. Felstrümmer und eine herrliche, alte bemooſt Lärche ragten daneben auf. 720 „Wie hübſch!“ dachte ſie, flüchtig darüber hinweg, ſehend. Aber ſchon im nächſten Moment riß ſie„Beſſie zurück, als wäre der Boden unter ihr glühendes Feuer. Neben dem Stamm der Lärche hatte ſie einen Mann erblickt. der vor einer Staffelei ſaß und malte, bei ihrem Anblick jedoch jäh aufſpra ng. SGottorb! Es war Paul Gottorb... jo 5 5 5 N olgt. Fortſetzung