2. Blatt zu Mr. 221 Freitag, 22. Sept᷑. 1983 Von Woche zu Woche Politiſche Betrachtungen zum Zeitgeſchehen. Reichsminiſter Darre hat in ſeinem Vortrag vor der Preſſe grundſätzliche Ausführungen über die Neugeſtaltung der deuͤtſchen Agrarpolitik gemacht. Das Ziel ſeiner Bauernpolitik iſt, das Bauerntum zu feſtigen und es unab⸗ hängig zu machen von den Schwankungen der Wirtſchafts⸗ konjunktur. Mit dem ſtändiſchen Aufbau iſt da⸗ berufsſtän⸗ diſch körperſchaftliche Weſen der Landwirtſchaft endgültig eine Angelegenheit des Reiches geworden und aus der Zuſtändigkeit und der Machtſphäre der Länder herausge⸗ nommen. Wirtſchaftlich geht die neue Agrarpolitik von dem Gedanken aus, daß das Vauerntum eine ſtaatliche und volkliche Notwendigkeit iſt und deshalb im Boden feſt ver⸗ wurzelt und von den Folgewirkungen einer ſpekulativen Wirtſchaftspolitik befreit werden muß. Daraus entſteht der Grundſatz des„feſten“ und„gerechten“ Preiſes für die landwirtſchaftlichen Produkte. Dabei ſollen nur diejenigen Produkte einen geſetzlich feſtgelegten Preis erhalten, die der Volkswirtſchaft unentbehrlich ſind. Im weiteren Verlauf wird der ſtändiſche Aufbau des Bauerntums die Preisge; barung ſelbſt zu regulieren in der Lage ſein. Wie Miniſter Darre betonte, iſt durch die neue Bauernpolitik eine ganz neue Grundlage für das Bauerntum geſchaffen. Es wird in Zukunft auch keine beſondere Stützungsaktion für land⸗ wirkſchaftliche Produkte mehr erforderlich ſein, vielmehr iſt der Nährſtand ſelbſt der Garant für eine bäuerliche Wirt⸗ ſchaft, die dem Volksganzen zu dienen hat. Damit wird aber auch dem deutſchen Bauern, Miniſter Darre hat das ausdrücklich betont, ein beſonderes Maß von Vertrauen ent⸗ gegengebracht. Wer dieſes Vertrauen mißbraucht, wer glaubt, die ſtändiſchen Vollmachten ausbeuten zu können, muß ſich auf ſtaatlich⸗polizeiliche Zurechtfertigung gefaßt machen. Die Entſcheidungen, die hier auf agrarpolitiſchem Gebiet gefallen ſind, ſind Entſcheidungen, die weit über den Rahmen engverſtandener beruflicher Intereſſen hinaus das Schickſal der deutſchen Nationalwirtſchaft grundlegend formen und beſtimmen werden. Darin liegt die grundſätz⸗ liche Bedeutung des Werkes, nicht nur für die Landwirt⸗ ſchaft, ſondern für das ganze Volk. Sie ſchafft allen Teilen eine hohe Verantwortung. Vor dem Generalrat der Wirtſchaft haben der Reichs⸗ wirtſchaftsminiſter Dr. Schmitt und Reichskanzler Hitler ſelbſt geſprochen und die vom Kabinett vorgeſehenen neuen Wirtſchaftsmaßnahmen erläutert. Reichswirtſchaftsminiſter und Reichskanzler haben darauf hinweiſen können, was in den letzten ſieben Monaten alles getan worden iſt, um die Wirtſchaft vorwärts zu treiben und damit den allge⸗ meinen Wohlſtand zu heben und ſie haben auch darauf hinweiſen können, daß alles, was unternommen worden iſt, bislang überraſchenden Erfolg gehabt hat. Man konnte von vornherein annehmen, daß die Reichsregierung ſich mit dieſem Anfangserfolg nicht begnügen und daß ſie nicht ſtillſtehen, ſondern daß ſie vorwärts gehen würde. Ziele und Wege zu dieſen Zielen ſind nun vor dem Generalrat aufgezeigt worden. Die Grundlinien des großen Planes der Reichsregierung ſind neben der Geſundung der Kom- munalfinanzen und der Löſung der Starre auf dem Geld⸗ und Kapitalmarkt die energiſche Weiterführung der Ar⸗ beitsbeſchaffung. Es iſt oft genug von den Staats⸗ männern des neuen Reiches ausgeſprochen worden, daß die Wiedereingliederung der Millionen unfreiwillig Feiern⸗ der in den Arbeitsprozeß eine der Hauptaufgaben der neuen Staatsführung ſein werde, daß die Frage der Wie⸗ derbeſchäftigung der Arbeitsloſen eine Schickſalsfrage für das Reich ſei, die in poſitivem Sinne gelöſt werden müſſe. Dieſer poſitiven Löſung dienen die vor dem Generalrat beſprochenen neuen Wirtſchaftsmaßnahmen. g 0 Bundeskanzler Dollfuß hat das öſterreichiſche Kabinett umgebildet. Das iſt das Ergebnis der für Mittwoch abend angeſetzten Kabinettsberatung, deren Aufgabe es ſein ſollte, die„Meinungsverſchiedenheiten“ zu klären, die ſeit Ende vergangener Woche im Regierungslager ſichtbar ge⸗ worden ſind. Das Stichwort für dieſe Meinungsverſchie⸗ denheiten hat die Parole des Fürſten Starhemberg gege⸗ ben, der ſich zum faſchiſtiſchen Syſtem bekannte. Dieſer „Heimwehrfaſchismus“ iſt von den Kreiſen um den Vize⸗ kanzler Winkler, vom Landbund und von einem Teil der Chriſtlichſozialen abgelehnt worden. Dieſe Kreiſe wünſchen zwar auch einen ausgeſprochen autoritären Regierungs⸗ kurs, auch ſie ſind für gewiſſe Verfaſſungsänderungen, die den Parlamentarismus einengen, vielleicht ſogar beſeitigen ſollen, aber ſie lehnen die ſtaatsrechtliche Form, die Star⸗ hemberg propagierte, ab. Es iſt bis zuletzt verſucht wor⸗ den, die Gegenſätze im öſterreichiſchen Kabinett zu über⸗ brücken, die verſchiedenen Meinungen auf eine Linie zu bringen, um wenigſtens für die Genfer Verhandlungen die Stellung des Kabinettschefs Dollfuß zu feſtigen. Das iſt nun nicht gelungen. Charakteriſtiſch für das neue Kabinett Dollfuß iſt die Konzentration der Befugniſſe des Bundes⸗ kanzlers, der nunmehr zugleich Miniſter für Aeußeres, für Heeresweſen, Sicherheitsweſen und Landwirtſchaft iſt. Ju dieſer nahezu diktatoriſchen Gewalt wird aber praktiſch dadurch ein Gegengewicht geſchaffen, daß der bisherige Si⸗ cherheitsminiſter Fey, zweifellos die ſtärkſte Perſönlichkeit des Kabinetts, den für den weiteren Gang der innerpo⸗ litiſchen Entwicklung wichtigen Poſten des Vizekanzlers übernommen hat. Es wird ſich insbeſondere bald heraus⸗ ſtellen, ob der neue Vizekanzler tatſächlich einen ſtärkeren Kurs der ſozialdemokratiſchen Partei gegenüber einſchlägt als es der zurückgetretene Vizekanzler Winkler getan hat. Inwieweit durch die neue Löſung die latenten Gegenſätze zwiſchen Dollfuß und Fey beſeitigt ſind, bleibt ebenfalls abzuwarten. Der äußerſt ſcharfe Konflikt, der durch die de⸗ mokratiſch⸗parlamentariſchen Gedankengänge Winklers zwiſchen ihm und Starhemberg ausgebrochen war, iſt zu⸗ gunſten der„autoritären“ Richtung entſchieden. Durch das Ausſcheiden des Heeresminiſters Vaugoin, der ja leichzeitig Parteiobmann der Chriſtlichſozialen, Partei iſt, oll dieſer„überparteiliche“ und„autoritäre“ Charakter noch unterſtrichen werden, was allerdings nichts an der Feſtſtellung ändern kann, daß es ſich eben doch um ein vorwiegend chriſtlichſoziales Kabinett handelt. Auch die Neukonſtruktion des Kabinetts Dollfuß zeigt keinen An⸗ ſatz zu einer wahren ſtaatspolitiſchen Löſung der eigentli⸗ chen Aufgabe: der auch in Oeſterreich zum Durchbruch kommenden Volksbewegung ihren gebührenden Anteil an der Staatslenkung zu verſchaffen. ———— Der Wirtſchaftsplan des Reiches Der Sinn des neuen Arbeiksbeſchaffungsprogramms. Reichswirtſchaftsminiſter Dr. Schmitt machte in der Reichspreſſekonferenz nähere Ausführungen über den Sinn des Mittwoch verabſchiedeten Arbeitsbeſchaffungspro⸗ gramms. Das Ziel, das mit dem Arbeitsbeſchaffungspro⸗ gramm erreicht werden ſoll, müſſe ſein, daß die heute noch vorhandenen vier bis fünf Millionen Arbeitslosen wieder in den Wirtſchaftsprozeß eingeſchaltet werden. Dies ſei je⸗ doch nicht von heute auf morgen zu erreichen. Vorausſetzung der Rentabilität ſei eine Senkung der öffentli⸗ chen Laſten und Steuern. Im Augenblick ſei es aller⸗ dings noch ſehr ſchwer, dieſe durchzuführen, aus Sorge um die Aufrechterhaltung des Etats. Außerdem ſei es un⸗ bedingt erforderlich, daß die Unkoſten der Kapitalbeſchaf⸗ fung, der Zins, und die Handlungsunkoſten zu⸗ rückgehen. Reichswirtſchaftsminiſter Dr. Schmitt detonte dann die Bedeutung des kommunalen Umſchuldungs⸗ geſetzes im Rahmen der Arbeitsbeſchaffungsmaßnah⸗ men. Der Sinn ſei nicht, daß man zwangsläufig den Zins⸗ fuß herunterkommandieren wolle, ſondern die Gemeinden, die infolge ihrer übermäßigen kurzfriſtigen Verſchuldung ſich in einem überaus ungeſunden Zuſtand befinden, ſollen ſaniert werden. Der Miniſter bezeichnete es als einen wünſchenswer⸗ ten Juſtand, wenn der Zinsfuß allmählich auf eine höhe von 5 oder 4.5 Prozent geſenkt werde. Aber die Grund bedingung ſei, daß die Sparer, und das ſeien insbeſondere die kleinen Leute, Vertrauen darauf ſetzen könnten, daß ſie ihr Geld mit einem ſtabilen Jinsſatz zurückbekommen. So- bald dieſes Verkrauen wieder ganz zurückgekehrt ſei, werde auch das Geld wieder herauskommen, das ſetzt zu Hauſe liege oder nur kurzfriſtig angelegt werde. Der Reichswirtſchaftsminiſter hob unter den betreffen⸗ den Maßnahmen zur Arbeitsbeſchaffung insbeſondere die Bereitſtellung des Betrages von 500 Millionen Mark für Hausreparaturen hervor. Es müſſe jedoch verhin⸗ dert werden, daß im Verlaufe der Auftragserteilungen für e etwa Preisſteigerungen entſtän⸗ en. s Das Reichswirtſchaftsminiſterium werde in ſolchen Fällen rückſichtslos eingreifen. Preisſteigerungen ſeien nur dort zuläſſig, wo gewiſſe Betriebe bisher nachweislich unter dem Selbſtkoſtenpreis gearbeitek haben. Der Redner zitierte ſodann aus der Rede des Reichskanzlers vor dem Generalrat der Wirtſchaft die Stelle, in der ſich der Führer gegen nicht not⸗ wendige Einſchränkungen der Lebensführung ausſpricht. Reichsnaͤhrſtand und Winterhilfswerk Anordnung des Keichsbauernführers. Die Preſſeſtelle des Reichsbauernführers teilt mit: „Um dem großen Winterhilfswerk des praktiſchen So⸗ 8 0 auch auf dem Lande einen durchſchlagenden Er⸗ olg zu ſichern und den geſamten Reichsnährſtand in den Dienſt der Sache zu ſtellen, hat Reichsbauernführer Darre 1 ſämtliche Landesbauernführer folgende Anordnung er⸗ aſſen: Bis zum 1. Gilbhart(Oktober) dieſes Jahres haben laut Verfügung des Führers ſämkliche Landesbauernführer zu melden, welche mengen an Lebensmikkeln in ihren Lan⸗ desbauernſtänden aufgebracht ſind, um das Winkerhilfs⸗ werk der Bewegung durchzuführen. Ich ordne daher an, daß ſich ſofort die Landesbauernführer mit den Beauftrag⸗ ten der NS. Bolkswohlfahrt in Verbindung ſetzen. um ge⸗ meinſam mit ihren ſämklichen Hauptabteilungen, auch de⸗ nen der Genoſſenſchaften und des Handels, und den kom⸗ munalen Behörden die Sammlung durchzuführen. Die Landesbauernführer haben bis zum 28. dieſes Mo⸗ nats bereits die erſten Angaben der einzelnen Kreiſe zu ſammeln und nach Berlin zum RKeichsobmann für die bäuerliche Selbſtverwalkung durchzugeben. In jedem Kreiſe iſt eine beſondere Liſte über die Beſitzer zu führen, die 55 weigern, für nokleidende Volksgenoſſen Spenden zu geben.“ Reform der Gemeingdeverwaltung Jührerräte ſtakt Gemeindeparlamente. Wie das VD3⸗Büro meldet, wird in gut unterrichteten kommunalpolitiſchen Kreiſen die Bedeutung von Verlaut⸗ barungen des Staatsſekretärs Grauert vom preußiſchen Innenminiſterium unterſtrichen, wonach in Preußen eine Schauplatz des Gau⸗Appells in Karlsruhe. Wer heute die Straße nach Rüppur entlang geht, dem bietet ſich ein unerwartetes, impoſantes Bild. Eine Rieſentribüne in einem Ausmaß von 200 m Länge und 40 m Tiefe iſt im Entſtehen. Laſtwagen fahren, laden Holz und Werkzeuge ab. Stämmige Männer eilen damit zum Bauplatz hinüber. 600 ebm Holz werden heran⸗ geſchafft, werden doch 40 000 lau⸗ fende Meter Dielen benötigt und 30 000 laufende Meter Bauholz. Es iſt badiſckes Holz. Auch diefer Bau kommt wieder der deimiſchen Induſtrie zugute. Dazu 200 Ztr. Eiſenzeug, Klammern, Nägel uſw. Tag und Nacht wird gearbeitet, von morgens 7 Uhr bis abends 7 Uhr und wieder eine zweite Schicht bei Scheinwerferlicht von abends 7 bis morgens 7 Uhr. Es iſt nicht leicht beim nächtlichen Nebel. Aber es wird geſchafft werden. Insgeſamt 10000 bezahlte Arbeitsſtunden wurden ſo vergeben. Während die Zimmerleute hier mit Winkel und Beil hantieren, planjert auf dem weiten Feld der Freiwillige Ar⸗ kommunalpolitiſche Reform bevorſtehe. Die Frage der Wei⸗ terexiſtenz der parlamentariſch⸗demokratiſchen Selbſtver⸗ waltungskörper der Provinzen, Städte, Kreiſe und Land⸗ gemeinden ſei aufgerollt worden. Für die Provinzen ſei dieſe Frage durch den neuen Provinzialrat teilweiſe ſchon beantwortet. In den Kreiſen der Gemeinden werden ähn⸗ liche Gremien als Führerräte gebildet werden, die, beſte⸗ hend aus erfahrenen Männern, dem jeweiligen Leiter der Gemeinde ihr Wiſſen vor ſeiner Entſcheidung nutzbar zu machen hätten. Anſtelle der Gemeindeparlamenten ſei eine Art Gemeinderat zu erwarten. Die neue Kommunalver⸗ waltung in den deutſchen Ländern werde einheitlich aufge⸗ baut ſein. g Die NS. Volfswohlfahrt Ihre Organiſation und ihre Aufgabe. Die nationalſozialiſtiſche Volkswohlfahrt(RS.) iſt, wie die Kreisleitung der NSV. mitteilt, durch Verfügung un⸗ ſeres Volkskanzlers Adolf Hitler ins Leben gerufen mor⸗ den. Sie iſt die jüngſte Organiſation innerhalb der NSDAP. l Der Organiſationsplan der NSV. ſieht eine Reichs⸗, eine Gau⸗, eine Kreis- und Ortsgruppenleitung vor. Der Reichsleitung ſteht der Landtagsabgeordnete Hilgenfeldt als Reichswart vor, der zum Gauwalter Bürgermeiſter Haug, Darmſtadt beſtellt hat. Der Gauwalter ernennt den Kreis⸗ walter und dieſer wiederum den Ortsgruppenwalter. Dem Reichswalter uſw. ſteht der Geſchäftsführer, der Kaſſen⸗ wart und der Preſſewart zur Seite. ö Vielerorts hat man ſich wohl gefragt, war es notwen⸗ dig dieſe Organiſation zu gründen? Man hatte ſo viel von dieſem„Wohlfahrsſtaat“ des alten Syſtems gehört und vielleicht im Stillen gehofft, die Wohlfahrtspflege oder„die Fürſorge“, wie man im Volksmund ſagte, würde ganz ver⸗ ſchwinden. Ja, der„Wohlfahrtsſtaat“, entſtanden aus ei⸗ nem liberaliſtiſch⸗marxiſtiſchen Geiſt muß auch verſchwinden. An ſeine Stelle wird jedoch eine Wohlfahrtspflege und Für⸗ ſorge treten, die von rein nationalſozialiſtiſchem Denken und Wollen geleitet ſein wird. Das Verantwortungsgefühl des Einzelnen ſoll geſtärkt und der Helferwille aller Volks⸗ genoſſen geweckt werden. Von welch falſchen Vorausſetzungen die früheren Regie⸗ rungen bei der Wohlfahrtspflege ausgingen, zeigt ſich in der heutigen Wirtſchaftslage. Jeder Volksgenoſſe muß es am eigenen Leibe verſpüren. Welch ungeheure Arbeit wird noch geleiſtet werden müſſen, bis dieſe Schäden wieder be⸗ hoben ſind. Die NS.⸗Volkswohlfahrt hat es übernommen, hier Abhilfe zu ſchaffen. Sie wird ſich, geſtützt auf den Opferwillen aller Volksgenoſſen, der wirklich unverſchuldet in Not geratenen Arbeitsloſen, ihrer Kinder, des alten alleinſtehenden Großmütterchens uſw. annehmen, um das Los dieſer Armen mildern zu helfen. Selbſtverſtändlich ge⸗ hört auch die Betreuung der Kriegsbeſchädigten, der Klein⸗ Sozial⸗ und Invalidenrentenempfänger in das Aufgaben⸗ gebiet der NS. a Ganz beſonders wird die NSV. beſtrebt ſein, vorbeu⸗ gende Fürſorge zu treiben. Das alte Syſtem ſah eine Haupt⸗ aufgabe darin, aſoziale Elemente zu unterſtützen, ſie für möglichſt viel Geld in Anſtalten unterzubringen. Ein Gei⸗ ſteskranker z. B. koſtet der öffentlichen Fürſorge jetzt noch über 1200 Mark jährlich. Was könnte mit dieſem Geld heute alles angefangen werden, wenn man ſeither verſtanden hätte, Schäden körperlicher und geiſtiger Art bereits im An⸗ fangsſtadium zu erfaſſen und zu bekämpfen. Das Sterili⸗ ſationsgeſetz z. B. gibt jetzt die Möglichkeit, die Volksge⸗ meinſchaft vor derartigen Ausgaben zum größten Teil zu be⸗ wahren. Denn Deutſchland kann nur wieder hochkommen, wenn es geſunde, arbeitskräftige und arbeitsfrohe Menſchen hat. Nicht vollwertige Menſchenkinder dagegen belaſten ſeine Wirtſchaft aufs Unerträgliche. Die erſte große Aufgabe, die die NSV. zu löſen hat, iſt die Winterhilfsaktion für den kommenden Winter. Wenn auch die Arbeitsloſigkeit ſchon merklich nachgelaſſen hat, iſt doch noch ein ganzes Heer von Arbeitsloſen vorhanden, das an den Winter mit Schrecken denkt. Es fehlt an Holz und Kohlen, an Kleidungsſtücken und Schuhwerk. Die NS. will hier eingreifen. Sie betrachtet es als ihre wichtigſte Aufgabe, den armen Kindern Schuhe und warme Kleidung zu verſchaffen. Sie kann dies aber nur, wenn ſie Geld hat. Staat und Reich können ihr keins geben. Die öf⸗ fentlichen Kaſſen ſind leer. Deshalb wendet ſich die NS. an die, die noch Arbeit und Brot haben. Beweiſt, daß Ihr Nationalſozialiſten ſeid, erklärt Euren Beitritt zur NSV. und ermöglicht es ihr, durch einen kleinen monatlichen Bei⸗ trag der großen Aufgabe gerecht zu werden. Die Werber der NS. werden in den nächſten Wochen von Haus zu Haus gehen. Weiſt keinen Werber ab. Denkt daran, wenn Ihr den Werber wegſchickt, muß das Kind Eures Volksgenoſſen frieren und hungern. d beitsdienſt 60 Mann ſtark— das 60 000 Quadratmeter umfaſſende Gelände. Unebenheiten des Bodens werden aus⸗ geglichen, Gräben und Mulden gefüllt, alte Bretterwände abgetragen, der Rieſenplatz abgeſteckt, ein Zaun darum er⸗ richtet und Fahnenmaſten geſetzt„ 1 5 0 Die Fran und der Rundfunk. Die Große Deutſche Funkausſtellung in Berlin war, wie man weiß, ganz hervorragend beſucht, ſo daß ſie um einige Tage verlängert werden mußte, da mehrfach die ſich vor den . ſtauenden Menſchenmengen nicht Einlaß hatten finden können. Erſtaunlich war diesmal die außergewöhnlich große Zahl von weiblichen Beſuchern, die uns zeigte, daß auch die Frauen langſam ein immer größeres Intereſſe am Rundfunk und allem, was dazu gehört, gewinnen. An einzelnen Ständen bemerkte man ſogar, wie Damen ſich von Fachleuten ernſthaft auch die rein techniſche Seite des Rundfunks erklären ließen. Verwunderlich daran iſt vielleicht nur, daß man ſich darüber wundert, denn ſchließlich gehören die Frauen, die viel mehr Zeit als die Männer zwiſchen den vier Wänden der Wohnung verbringen, zu den eifrigſten Rundfunkhörern. Daher ſoll hier ganz kurz einmal verſucht werden, gerade ihnen die Vorzüge der modernen Geräte zu erklären und ſie mit den Fortſchritten bekannt zu machen, die der Rundfunk in der letzten Zeit ge⸗ macht hat. Die vielen Tücken und Umſtändlichkeiten, mit denen der Hörer in vergangenen Jahren zu kämpfen hatte, ſind faſt alle beſeitigt, und die Bedienung der empfindlichen und kompli⸗ zierten Apparate iſt ſo leicht geworden, daß ſie auch der Laie handhaben kann. Wie ſchwer war es doch vor kurzem noch, ine beſtimmte Station, die man gehört und verloren hatte, aus der Menge der den Aether durchziehenden Wellen wieder⸗ zufinden. Und wie anders iſt das heute, wo geeichte Einſtell⸗ fkalen gleich den Stationsnamen angeben. Selbſt das kleinſte Gerät der AEG. zum Beiſpiel, der Geadux 112, hat 36 Stations⸗ namen, während die größeren rund hundert Stationen bringen. Viel wichtiger iſt aber etwas anderes. Die Einſtellung eines Senders nach der Lautſtärke, einmal zu leiſe, dann zu laut und faſt immer mit Geräuſch verbunden, geſtattete nur ſelten die Ausnutzung und das Erkennen der beſtmöglichen Wiedergabe. Um dieſe ohne langes Probieren zu erreichen, hat die ACG. ihre großen Apparate, wie der Super⸗Geadux 60 T, mit der „lautloſen Abſtimmung durch optiſche Kontrolle“ ausgeſtattet. In einem Mattglasfenſter erſcheint der Schatten eines Ma⸗ gneten, der vom Anodenſtrom geſteuert wird und deſſen Schatten ganz ſchmal wird, wenn die Einſtellung gut iſt. Die merkwürdige und von uns allen ſchon oft zu unſerem Leidweſen beobachtete Erſcheinung, daß ein Sender, den wir mit Mühe fanden, plötzlich verſchwindet und ebenſo plötzlich wiederkommt, heißt„Fading“. Die neueſte Erfindung, die uns davon befreit, iſt der ſogenannte„Fadingausgleich“, mit dem auch alle großen e der ACG. ausgeſtattet ſind und der ganz automatiſch die oben erwähnten Störungen unmöglich macht. Dadurch haben wir eine größere Sicherheit des Fern⸗ empfangs. Die Empfänger ſind faſt durchweg mit dem Laut⸗ 5 8 15 zuſammengebaut; es iſt aber möglich, einen zweiten autſprecher für Nebenräume einzuſchalten. Da dieſe nach dem elektro⸗dynamiſchen Syſtem arbeiten, iſt größte Lauttreue ge⸗ währleiſtet, und die Lautſtärkeregler geſtatten es, auch nach Fehn Uhr abends ohne Störung der Nachbarn ſich an den Darbietungen des Senders zu erfreuen, ohne daß die Wieder⸗ gabe dadurch leidet. Wie geſagt, die neuen Empfangsgeräte laſſen faſt keinen Wunſch des Hörers und der Hörerin mehr unerfüllt. Die Bedienung ſelbſt der größten Apparate iſt ſo leicht und einfach geworden, daß jeder Laie, der nicht das geringſte von Technik verſteht, ſie ausführen kann, und das mag auch der Grund ſein, weshalb ſich die Frauen neuerdings ganz beſonders für den Rundfunk intereſſieren. Curio. Welche Frau iſt tren? Ein graphologiſcher Verſuch von Fritz Hocke. Die graphologiſche Wiſſenſchaft, die berufen iſt, in allen charakterologiſchen Belangen menſchlichen Lebens wertvolle Aufſchlüſſe 1 erteilen, wird auch über die im Titel geſtellte Frage mit ziemlicher Sicherheit Auskunft zu erteilen vermögen. Es ſei ausdrücklich betont, mit ziemlicher Sicherheit, da es ſich bei der Frage nach Treue um ein Veranlagungsmoment handelt, und nicht abzuſehen iſt, ob nicht durch Milieu, plötzlich aufflammendes, leidenſchaftliches Empfinden und unbefrie⸗ digtes Gefühl in der Ehe Vernunftgründe vorübergehend eine Trübung zu erfahren vermögen und damit das Treueprinzip durchbrochen werden kann. Wenn wir nun aus einer Handſchrift die Veranlagung zur Treue feſtſtellen wollen, müſſen wir vor allem die ihr zugrunde liegenden Charaktereigenſchaften einer näheren Betrachtung unterziehen. Hierzu gehören vor allem: Selbſtbeherrſchung(die die inneren Triebe meiſtert), innere Feſtigkeit, Standhaftigkeit und Pflichtgefühl. Wille und Verſtand müſſen alſo das Ge⸗ fühl, die Triebe lenken, und es iſt vielfach ein Trugſchluß, wenn angenommen wird, daß der ſinnliche Menſch auch ein untreuer ſein müßte. Es muß gewiß zugegeben werden, daß dies in der Mehrzahl der Fälle zutrifft, doch darf dies nicht als Norm hingeſtellt werden, denn durch Selbſtzucht vermag auch eine ſinnliche Veranlagung beherrſcht zu werden. Außer⸗ dem kommt hierbei noch die Vitalität in Frage, die bei 370 0 Ausgeprägtheit das Moment der Treue jedenfalls egünſtigt. Bei Beantwortung der geſtellten Frage können wir natur⸗ gemäß nur allgemeine Anhaltspunkte geben, und müſſen uns auf die pſychiſch normal veranlagte Frau beſchränken, denn inwieweit pathologiſche Momente, vor allem neurotiſche Ein⸗ flüſſe die Treue bedingen— dtieſe Feſtſtellung erfordert nicht nur eingehendes Studium der jeweiligen Handſchrift, ſondern auch weitgehende Kenntniſſe hinſichtlich pſycho⸗pathologiſcher Charaktere. f Vor allem kommt das Regelmaß und die Eben⸗ mäßigkeit einer Handſchrift in Frage: erſteres als Willens⸗ moment für Beſtändigkeit und Feſtigkeit, letzteres als Gefühls⸗ moment für innere Ruhe und Gelaſſenheit, das heißt: Kopf⸗ und Herzgefühle ſollen in einem gewiſſen Gleichklang ſtehen, ſozuſagen 1 abgeſtimmt ſein; als charakteriſtiſche graphologiſche Merkmale werden wir daher für dieſe Eigen⸗ ſchaften vor allem gleichmäßige Höhe der Buchſtaben, Zwiſchen⸗ räume und Zeilenabſtände antreffen.— Eine unregelmäßige Schrift verrät dagegen wenig Zielſtrebigkeit, geringe Selbſt⸗ diſziplin und Beherrſchtheit, während eine unebenmäßige. mit Zeilenverſtrickung, ungleichen Zeilen⸗ und Wortabſtänden auf hohe Gefühlslebendigkeit, auch Erregbarkeit hindeutet und durch das hierdurch gegebene Moment der Beeinfluſſung wenig Anlage zur Treue verrät. Als unterſtützende Merkmale für die Feſtigkeit eines Cha⸗ rakters kommen ferner noch gerade Zeilenführung in Frage, ſowie Winkelbildung, ſpeziell für den Kleinbuch⸗ ſtahen„m“ und„n“, in ihrer Bedeutung für Entſchiedenheit und Standhaftigkeit; weiter deutliche Unterſcheidung von Haar⸗ und Schattenſtrichen als beſondere Kenn⸗ zeichen für Widerſtandskraft und Verläßlichkeit. In jenen blen, wo wir ſchwankende Zeilenführung, die für Stimmungs⸗ und Geſinnungswechſel ſpricht, wahrnehmen, in Verbindung mit druckloſer Schrift und unausgeprägter Bindungsform, werden wir bei der Schrifturheberin wenig Widerſtand gegen Verſuchungen vorausſetzen dürfen; ſpeziell dann, wenn die ſtark nach rechts geneigte Lage für Haltloſigkeit, einen gewiſſen Leichtſinn, die große Schrift für anſpruchsloſes Geltungs⸗ bedürfnis, und geſchmackloſe Schnörkelbildung auf Eitelken hindeuten.. Eine feine, zarte Lintenführung weiſt auf einen ſpirituellen, vergeiſtigten Charakter hin, und wird dieſen Ver⸗ ſuchungen jedenfalls weniger zugänglich ſein als mit einer teigigen, verſchmierten Schrift, die den Sinnen⸗ und Genuß⸗ menſchen offenbart. Sind aber bei letzterem die übrigen Merk- male für die Veranlagung der Treue gegeben, ſo iſt der teigige Duktus von keinem weiteren Belang. Als fernere Kennzeichen für Treue kommen eine ſehr ſteile Schriftlage ſowie Enge der Schrift, beide in ihrer Bedeutung für Selbſt⸗ beherrſchung und Mäßigung in Betracht. Die geringe Größe einer Schrift ſpricht gleichfalls hierfür, da deren Schrifturheberinnen vor allem Pflichtgefühl ſowie Sinn für engen Wirkungskreis aufweiſen, und in der Regel keine Ge⸗ ſellſchaftsdamen ſind; im Gegenſatz zu ihren Schweſtern mit großer Handſchrift, die die Geſellſchaft ſuchen und brauchen, meiſtens gleichzeitig ſehr ſelbſtbewußt und von ihrer Perſön⸗ lichkeit ſehr eingenommen ſind, bewundert und angebetet ſein wollen, ſo daß als weitere Folge Koketterie aufſcheint die harmlos ſein kann, es jedoch in der Mehrzahl der Fälle nicht iſt, ſpeziell dann, wenn hierzu noch Schnörkelbildung als Kennzeichen der Eitelkeit tritt. Dieſe iſt ja vornehmlich darauf berechnet, den Partner anzuziehen; wenn nicht anderweitig genügend Hemmungen vorhanden ſind, iſt hier die Neigung zur Untreue nur zu leicht gegeben. ö Damit ſoll der natürlichen, geſchmackroſlen Eitelkeit des Weibes. die ja ihr Vorrecht iſt, keineswegs werden, und dieſe äußert ſich in der Handſchrift auch bloß durch ein elegantes, geſchmackvolles Gepräge, wogegen die vor⸗ erwähnte, auffallende Eitelkeit(Prunkſucht) eben durch über⸗ mäßige Schnörkelbildung und überflüſſigen Zierat an den Buchſtaben zum Ausdruck gelangt.— Zum Schluß möge noch darauf hingewieſen werden, daß die Veranlagung zur Treue in einer Schrift ſchwer anzunehmen iſt, wo plötzlich auftretende Druckſtellen(meiſtens in der Mitte oder in den Schleifen der Langbuchſtaben) vorhanden ſind, da dieſe für Eitelkeit, Koketterie und geſteigertes Liebesbedürfnis ſprechen. Nicht zu empfindlich ſein! Es gibt ſehr viele Menſchen, die von einer ungeheuren Empfindlichkeit für ihre Perſönlichkeit ſind, dieſe Eigenſchaft aber um ſo mehr an anderen tadeln, als ſie ſelbſt in deren Beſitz ſich befinden, das aber natürlich nicht zugeben wollen. Ste behaupten hartnäckig, daß andere um jeder geringfügigen Kleinigkeit halber auf den Fuß getreten ſeien, und ſind es im 4 1 Grade ſelbſt. In ſolchen Fällen iſt die Empfindlich⸗ eit in ein krankhaftes Stadium eingetreten, deren Urſachen in leiblichen oder ſeeliſchen Störungen, nicht ſelten in beiden zu⸗ ſammen, zu ſuchen und dem Arzt anzuvertrauen ſind. Wo das zutrifft, iſt der unter ſeiner Ueberempfindlichkeit ſchwer leidende und andere mit leiden laſſende Menſch zu den Kranken zu zählen, ſind ihm mildernde Umſtände zuzuſprechen. Wenig⸗ ſtens bis zu einem gewiſſen Grade, denn auch von einem Er⸗ krankten kann und muß man Selbſtzucht, muß man den guten Willen zum Geſundwerden verlangen, wenn dieſes ſich nicht verzögern oder gar in Frage geſtellt ſein ſoll. Mit dieſen Kranken, deren überwiegendes Kontingent die Frauen ſtellen, wollen wir uns hier nicht befaſſen, ſondern ſie der individuellen Behandlung des Arztes überlaſſen. Auch denen, die durch ge⸗ burtliche Belaſtung mit der Ueberempfindlichkeit auf die Welt kommen, wollen wir nur die Verantwortung aufladen, die ſie ihrem Fehler gegenüber von dem Zeitpunkt an haben, der ſie bei anderen dieſelbe unangenehme Eigenſchaft erkennen und be⸗ anſtanden läßt. Aber allen denen, die ſich die Empfindlichkeit oft bis ins Maßloſe angezüchtet haben und ihr bei jeder noch 15 kleinen Veranlaſſung die Zügel ſchießen laſſen, wollen wir n ihrem eigenen und auch anderer Menſchen Intereſſe ein bißchen ins Gewiſſen reden, damit ſie, ſofern ſie Mütter ſind oder es werden können, nicht auch zu Belaſterinnen werden. Es ſind vorwiegend Frauen, die dieſer Art von Empfindlichkeit frönen; aber der Mann trägt nicht ſelten durch allzu große Nach⸗ giebigkeit und Verwöhnung die Schuld am überhandnehmen⸗ den Fehler der Frau, der ein ſehr naher Verwandter der Launenhaftigkeit iſt, der das Wort ganz gewiß nicht geredet ſein ſoll, wenn man von ihr ſagt, daß ſie in vielen Fällen erträg⸗ licher iſt als die immerzu auf der Lauer liegende Empfindlich⸗ keit. Den von ihr Beſeſſenen gegenüber hätte man nötig, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. Sie nehmen es ſozuſagen unter das Seziermeſſer, legen ſich jeden Blick und jede Gebärde ſo aus, daß ihre Empfindlichkeit Kapital daraus ſchlagen kann. Das, was hier geſagt wird, mag manchem übertrieben vor⸗ kommen, und doch ſtimmt es. Wer je mit für ihre eigene werte Perſon überempfindlichen, verwöhnten, anſpruchsvollen Frauen zu tun gehabt hat, kann nicht anders, als das beſtätigen. Der weiß, daß in ihrer Nähe kein Geſpräch, kein Frohſinn, und wären beide noch ſo harmlos, ungetrübt dauern, daß die ſchönſte Stimmung plötzlich ein jähes, unliebſames Ende finden kann. Es gibt, auch in der Jetztzeit, der Männer, die ihre jungen Frauen zu ſolchen unerfreulichen Erſcheinungen heranziehen, weit mehr, als man annehmen ſollte. Sie ſelbſt haben es, und das mit Recht, zu büßen, haben es ſich ſelbſt zuzuſchreiben, wenn ſich aus dem ehemals ſo forſch und feſch und nicht ſo leicht auf den Fuß zu tretenden Mädel eine durch ihre Emp⸗ findlichkeit ewig ungemütliche und wie ein rohes Ei behandelt 1 5 wollende Frau entwickelt hat. Traurig und ſchlimm aber ſi es, wenn Kinder kommen und das Muttergefühl nicht die Kraft zur Bekämpfung des unwürdigen Zuſtandes auslöſt, wenn die bereits belaſteten, vorwiegend der mütterlichen Er⸗ ziehung anheimgegebenen Kinder nicht nur unter dem ſchwer⸗ wiegenden Fehler ihrer nächſten Hüterin leiden, ſondern ihn auch mehr und mehr annehmen. Solche Kinder ſind tief zu beklagen, weil ihre ſchönſten Jugendjahre ſchon durch die ihnen angeborene und anerzogene Empfindlichkeit überſchattet werden. Wer will ſie zu Spielgefährten haben, die immerzu Spiel⸗ verderber ſind? Man kann es oft beobachten, wie derartige Kinder von der ungehemmt froh ſein wollenden Schar der anderen gemieden, ja, von ihr ausgewieſen werden Sollte ſich nicht jede von der Empfindlichkeit beſeſſene Mutter das Schmerzliche eines ſolchen Vorganges zu Herzen i Gefährliche Märchen. Von R. Kaulitz⸗Niedeck. Schrecken und Grauen, verurſacht durch die Märchen⸗ erzählung von Blaubarts blutigen Schändlichkeiten, hängen noch in der Kinderſtube, als die Kleinen längſt in ihren Betten liegen. Ihre zuſammengerollten Körper flattern. Und wenn ſich eines die heiße Angſt vom gefolterten Herzen reden will, dann flüſtert es mit bebendem Stimmchen und mit tief ein⸗ gezogenem Atem. Die gruſeligen Bilder des Märchens ſchieben ſich vor ihre Augen, quälen und laſſen ſie lange nicht einſchlafen, ja, ſie be⸗ drohen ſie noch im Traum. Am anderen Morgen wundert ſich die Mutter, wie unausgeſchlafen, blaß und zerſtreut ihre Kinder aus den Betten klettern. Welchen Sinn hat es, Kinder mit Märchen zu unterhalten, die einen grauſamen Inhalt haben oder grelle Unwirklichkeiten Wie etwa die Geſchichte vom Däumling und dem Menſchen⸗ freſſer, oder wie das Märchen von der Fee, die jedem Kinde, das eine Lüge ausſpricht, einen Glasſplitter ins Auge zaubert, ſo daß es alles verkehrt ſieht und nie den Weg nach Hauſe findet. Sollte ſich in dem letzteren Märchen vielleicht gar eine Lehre verbergen, ſo iſt das Hilfsmittel dazu reichlich roh ge⸗ wählt und etwas weit hergeholt. Dieſe Auswüchſe, Uebertreibungen und Grauſamkeiten, die einige Märchen enthalten, können ſehr ſchädlich auf die Kinder wirken. Beſtimmt gibt es Kinder mit einer ſo wundervollen robuſten Weſensart, an der alles Düſtere und Grauenhafte einer Märchenerzählung einfach abprallt— Kinder mit einer aewiſſen geiſtigen Ueberlegenheit, die ſich wie im Selbſttroſt nahegetreten 1 ſagen: Es iſt ja alles bloß erfunden. Doch es gibt auch Kinder, deren weiches Gefühlsleben alles Lichte und Dunkle, Gute und Böſe einer Erzählung nur zu willig aufſaugt; es ſind die ver⸗ ängſtigten Kinderſeelen, die ſich einſpinnen in Träumereien und heimliche Vorſtellungen. Für ſie kann eine Märchen⸗ erzählung ein Erlebnis werden, ein fröhliches oder— und das iſt das Schlimme— ein qualvolles. Für ſie iſt der Ausſpruch von einem„gefährlichen Märchen“ recht getroffen. Es ſind aber viele der Märchen, die uns durch unſer eigenes Kinderland einſt begleitet haben, ſogenannte gefährliche Märchen. Sie hetzen ein Kind hinein in die Angſt, ſo daß es ſich bangt, ein dunkles Zimmer zu betreten, oder daß es an Geſpenſter und garſtige Kobolde glaubt und ſeine Aengſte und Nöte um Ungewiſſes, Unfaßbares und Unheimliches mit durch Nächte und Tage ſchleppt. Gefährliche Märchen laſſen ſich leicht durch Wahrgeſchichten erſetzen mit harmloſen, freundlichen Bildern, mit lehrreichem Kern und Beobachtungen des heutigen Lebens. Dieſen neuen Geſchichten braucht es nicht an Vielgeſtaltigkeit und folgli Reizvollem zu fehlen, ſo daß ſich die muntere Ki darin einfühlt. Möchte man aber dennoch einer Märchengewand nicht nehmen, ſo vermeide man u alle drohenden Schatten und jede grelle Beleuchtung. Ale Kunſt der Salgtbher Eſſigfurcht— ein überwundener Standpunkt. Es wird von intereſſierter Seite neuerdings! ſäureverwendung zur Salatbereitung an Stell gebrachten Eſſigs das Wort geredet und die 8 verfahren als das natürlichere, mithin als das diätetiſch und geſchmacklich wertvollere hingeſtellt. Dieſe Auffaſſung iſt, von einem zeitgemäßen ernährungs⸗ phyſiologiſchen und mediziniſchen Standpunkt aus betr unbedingt als überholt anzuſehen; dank der wiſſenſchaftliche Arbeiten der bekannten Ernährungsphyſiologen und Mediziner Prof. Dr. Bickel(Berlin) und Prof. Dr. K. von Noorden (Wien) iſt in den letzten Jahren der einwandfreie Beweis bracht worden, daß die früher eine Zeitlang in den Kre der Geſundheitsfanatiker verpönte Säure des Eſſigs aus harmloſes Genußmittel darſtellt, das von alle mit normalen Verdauungsorganen zuſammengeſetzte Säure gilt. heute ein überwundener Standpunkt. Gibt es denn in der Tat eine natürlichere Säure als den Eſſig, der auf dem Wege der biologiſchen Säuerung aus weingeiſthaltigen Flüſſigkeiten wie Wein, Obſtwein oder verdünntem Sprit gewonnen wird? Und ſtellt nicht die Zitronenſäure im Gegenſatz dazu ein geſprochenes Kunſterzeugnis dar, das man aus Zitronenſaf in chemiſchen Fabriken durch komplizierte Reinigungsprozeſſe herzuſtellen pflegt und das viel mehr als der Eſſig einer weit⸗ gehenderen Verdünnung mit Waſſer zur Salatbereitung bedarf? Es trifft auch nicht zu, daß die mit Eſſig bereiteten Satate ſich weniger gut halten als ſolche, bei denen Zitronenſäure Verwendung gefunden hat. Eſſig iſt im Gegenteil außer⸗ ordentlich haltbar, und es iſt keinesfalls richtig, daß er die pflanzlichen Stoffe„zerſetzt und vergärt“. Aber abgeſehen davon iſt es auch rein küchentechniſch gar nicht üblich, fertig⸗ geſtellte Salate längere Zeit aufzubewahren. Man denke nur an den grünen Salat, der erſt kurz vor dem Verbrauch an⸗ gerührt wird. Die ganz außerordentlich konſervierende Kraft des Eſſigs iſt ſchon ſeit Jahrtauſenden bekannt, noch bevor man überhaupt daran dachte, Zitronenſäure als Erſatz des Eſſigs zu verwenden. Die feine Küche des Mittelalters ver⸗ dankt ihre Berühmtheit nicht zum wenigſten dem Weineſſig, den die Feinſchmecker von jeher ſehr zu ſchätzen wußten. Wenn man, was ſehr wichtig iſt, in unſerer heutigen Zeit praktiſche nationale Wirtſchaftspolitik treiben und wenn man beſonders der deutſchen Landwirtſchaft, die den Kartoffel⸗ branntwein zur Herſtellung eines feinen Eſſigs liefert, in ihrer Notlage helfen will, dann iſt es Pflicht jeder deutſchen Haus⸗ frau, nur den aus deutſchen Rohſtoffen berei⸗ teten Eſſigein der Küche zu verwenden, während die Zitronenſäure bekanntlich ausſchließlich aus eingeführtem Zitronenſaft gewonnen wird, deſſen urewert die deutſche Hausfrau mit einem nicht unerheblich höheren Preis erkaufen muß, ohne einen Vorteil davon zu haben. F. Backen in Butter und Schmalz Butter gibt dem Backwerk unſtreitig den feinſten Ge⸗ ſchmack. Auch gutes Schweineſchmalz iſt zum Ausbacken ſehr gut geeignet, oder man nimmt halb Butter, halb Schmalz. Man darf nicht zu kleine Mengen nehmen, weil das Gebäck in reichlichem Fett weniger davon aufnimmt und dadurch einen angenehmen Geſchmack erhält. Das Fett zum Backen muß ſo heiß gemacht werden, daß eine hineingelegte Probe ſofort nach oben geworfen wird. Je ſchneller ſich das Ge⸗ bäck bräunt, deſto weniger vermag das Fett einzudringen. Doch darf das Fett auch nicht zu ſtark erhitzt ſein, ſonſt muß der Topf einige Minuten vom Feuer entfernt werden. Das Gefäß, am beſten ein breiter, gußeiſerner, email⸗ lierter Tiegel, muß ſo tief ſein, daß die Kuchen darin ſchwim⸗ men. Man lege immer nur ſo viele Kuchen mit einem Male hinein, daß ſie reichlich Platz haben, und verſäume nicht, den Tiegel während des Backens leicht hin und her zu ſchütteln. Nachdem das Gebäck unten dunkelgelb geworden 5 wird es mit der Gabel umgewendet und, wenn auch dieſe Seite gebräunt iſt, herausgenommen. Darauf legt man es zum Abtröpfeln des Fettes einige Minuten auf Löſchpapier und beſtreut es danach mit Zucker. Koch⸗Nezepte Saurer Schweinebraten. Die Keule von einem jungen Schwein häute man ab, ſalze ſie, lege ſie nebſt in Scheiben geſchnittenen Zwiebeln, Gewürz, einigen Wacholderbeeren, etwas Salbei und Thymian in ein Gefäß und gieße ſo viel abgekochten kalten Biereſſig darüber, daß das Fleiſch davon bedeckt iſt. Die Keule bleibt einige Tage darin liegen und wird täglich zweimal umgedreht. Sie wird dann mit einem Teile der Marinade unter fleißigem Begießen gar gebraten. Hamburger Nierenſuppe. Die Hälfte der Niere, die man zur Suppe brauchen will, wird in Scheiben geſchnitten und in Fett bräunlich angebraten. Die übrige Niere ſetzt man mit zwei Liter Waſſer und zerſchnittenen Suppenwurzeln auf. ſchäumt die Brühe gut, wenn ſie kocht und gibt darauf die gebratenen Nierenſcheiben, 75 Gramm Sago, Salz, ein halbes Lorbeerblatt und ein Stückchen Muskatblüte hinein und kocht die Suppe 30 Minuten. Sie kommt drei Stunden in die Kochkiſte. Vor dem Anrichten ſchneidet man die Niere in Stückchen und gibt ſie nebſt für ſich gekochten jungen Erb⸗ ſen und Blumenkohlröschen in die Suppe, aus der das Lor⸗ beerblatt und die Muskatblüte entfernt werden. Die Suppe wird mit Salz und Pfeffer nach Bedarf abgeſchmeckt. Dieſe Eſſigfurcht iſt demnach