2. Meuikt zu- Wr. 237 — 5 N le MittwWwoch, II. Okt. 1933 Keichszuſchüſſe für Wohnungsinſſandſetzungen () Karlsruhe, 10. Okt. Wie die Preſſeſtelle beim Staatsminiſterium mitteilt, hat der Miniſter des Innern folgenden Erlaß herausgegeben: 3333 Das Reich hat für die Inſtandſetzung von Wohnge⸗ bäuden und landwirtſchaftlichen Wirtſchaftsgebäuden, für die Teilung von Wohnungen und für den Umbau gewerblicher Räume zu Wohnungen dem Lande Baden im erſten Bau⸗ abſchnitt den Betrag von 3 616000 Mark zur Verfügung geſtellt. Hiervon iſt bisher der Betrag von 2056 769 Mark zur Auszahlung gelangt und zwar in 12 868 Fällen für Inſtandſetzungen mit 12 568 360 Mark, in 313 Fällen der Teilung von Wohnungen mit 173004 Mark, und in 565 Fällen wurden für den Umbau von gewerblichen und ſonſtr⸗ gen Räumen zu Wohnungen 315405 Mark ausbezahlt. Im zweiten Bauabſchnitt wurden vom Reich zunächſt 1825 000 Mark für Baden zugeteilt. Ueber dieſen Betrag iſt von den Landräten und den Bürgermeiſtern der Städte über 10000 Einwohner durch Vorbeſcheid überall verfügt, und es hat bereits die Auszahlung der Mittel eingeſetzt. In den letzten Tagen wurde ein weiterer Betrag von 1 665 000 Mark der Regierung zur Verfügung geſtellt. Dieſe Summe wird zuſammen mit der für die nächſten Tage zu erwartenden großen Zuteilung aus dem 500 Millionen-Programm für Inſtandſetzung und Ergänzung von Wohnungen und land⸗ wirtſchaftlichen Gebäuden zur Verteilung kommen. Es ſtehen alſo hier ſehr erhebliche Mittel für eine ſtarke Belebung des Arbeitsmarktes zur Verfügung. Warenhaus⸗ und Filialſteuer in Baden? () Karlsruhe, 10. Oktober. Wie der„Führer“ berichtet, wird die badiſche Regie⸗ rung von der durch das Reichsgeſetz vom 5. Juli ds. Is. gegebenen Möglichkeit, eine Warenhaus⸗ und Filialſteuer einzuführen, durch den Erlaß einer dieſer Tage ergehenden Verordnung Gebrauch machen, Die Steuer ſoll mit Wir⸗ kung vom 1. April ds. Is. in Kraft treten; ſie ſoll im Betrage eines Zuſchlages zur Gewerbeſteuer der Gemeinden und Kreiſe in Höhe von 100 Prozent erhoben werden. Das Land erhebt zu ſeiner Gewerbeſteuer keinerlei Zuſchlag. In der Verordnung werden nicht nur die einzelnen Warenhäuſer, ſondern auch die Einheitspreisgeſchäfte, Ba⸗ zare und die Verſandgeſchäfte erfaßt, die in offenen Ver⸗ kaufsſtellen oder im Wege des unmittelbaren Verſandes an die Verbraucher den Einzelhandel im Großbetrieb und mit Waren betreiben, die nach ihrer Beſchaffenheit verſchie⸗ denen Gattungen angehören. Keine Anprangerung in der Preſſe Erlaß des bayeriſchen Innenminiſters. Der bayeriſche Innenminiſter Hermann Eſſer hat an die bayeriſchen Kreisregierungen ſowie an die Bezirkspolizeibe⸗ hörden einen Erlaß gerichtet, in dem darauf hingewieſen wird, daß in den Zeitungen wiederholt einzelne Perſonen mit Namen und vollſtändiger Adreſſe bekannt gegeben worden ſind mit der Abſicht, das Anſehen dieſer Perſonen und 4255 wirtſchaftlichen Verhältniſſe zu ſchädigen oder verhüllt zu Ge⸗ walttätigkeiten gegen ſie aufzufordern. Der Grund dieſer Na⸗ mensnennungen ſei darin zu erblicken, daß ſich dieſe Perſo⸗ nen nicht in dem Maße zur Beiſteuerungfür Samm⸗ lungen bereit erklärten, wie dies die Leiter der Samm⸗ lungen für angebracht hielten, oder daß ſie in Fragen des eſchäftlichen Wettbewerbs ſich anders verhielten, als der chriftleitung wünſchenswert erſchienen war. f Das bayeriſche Innenminiſterium wendet ſich dann ganz entſchieden gegen die Aufſtellung derartiger„Prangertafeln“ und ſpricht aus, daß derartige Angriffe gegen Einzelperſonen nicht Aufgabe einer Preſſe ſei, die verantworkungsbewußt am Aufbau des neuen Deutſchland mitarbeiten wolle. Herab⸗ würdigende Angriffe und Boykoktierungen gehörten nicht in die Jeitung. Die nationale Regierung verlange auf Grund ihres Programms, daß ihr die angeprangerken Tatſachen direkt und nicht erſt durch die Preſſe bekanntgegeben werden. damit ſie ſelbſt gegen die Volksſchädlinge einſchreiten könne. Das Verbot des Horſt Weſſel⸗Films Ein Interview mit Reichsminiſter Dr. Goebbels. Das große Aufſehen, das das Verbot des Horſt Weſſel⸗ Films in Deutſchland erregt hat, veranlaßte das WTB, Reichsminiſter Dr. Goebbels um eine aufklärende Unterre⸗ dung zu bitten. Mit großem Ernſt und teilweiſe tiefer Erre⸗ gung ſchilderte Dr. Goebbels im einzelnen die unzulängliche künſtleriſche Geſtaltung dieſes Filmes. Die nationalſozialiſtiſche Regierung hat niemals verlangt, daß SA-Jilme gedreht werden. In vielen Jällen ſchon hat ſie kilſchige Verſuche durch gütliche Vorſtellungen verhindert. Wenn nun doch eine Firma an die Darſtellung der Erleb⸗ niswerte unſerer 5A oder der nationalſozialiſtiſchen Idee herangeht, dann muß dieſer Film auch von allererſter künſt⸗ leriſcher Qualität ſein. Ich habe den Verfaſſern von vornherein geſagt, daß ihr Film nur dann laufen könne, wenn er den Anſprüchen höch⸗ ſter Kunſt und edelſter Geſinnung in vollem Maße genüge. Je größer die Idee iſt, die zur Geſtaltung kommt, deſto hö⸗ here künſtleriſche Anſprüche müſſen geſtellt werden. Was an dieſem Film wirklich großartig erſcheint, iſt die Muſik. Sie iſt neben den Maſſenſzenen, die, unter Zuhilfenahme großer Teile der Berliner SA gedreht, wirklich vorbildlich ſind, das Wertvollſte an ihm. Im übrigen aber bewegt ſich dieſes Werk in einer vielfach ganz unmotivierten loſen Zuſammen⸗ reihung von Szenen, die zum Teil ganz unklar wirken. Horſt Weſſel iſt das größte Thema der nationalſoziali⸗ ſtiſchen Revolution. Ich bezweifle, daß es heule überhaupt ſchon an der Zeit iſt, dieſes Thema zu geſtalten. Wenn man aber an dieſe Aufgabe herangeht, dann muß ein wahres und wirkliches Kunſtwerk daraus entſtehen.“ Eine deutſche Ahnentafel Das Jiel der Familienforſchung.— Forderung des Schriften⸗ Denkmalsſchutzes. Der Referent Dr. Tornau vom Aufklärungsamt für Bevölkerungspolitik und Raſſenpflege äußerte ſich über das wichtige Gebiet der Familienforſchung. Nur durch die Bemü⸗ hungen eines jeden einzelnen werde das Ziel erreicht, zu dem wir ſtreben, eine Ahnentafel unſeres geſamten Volkes aufzuſtellen. Verſchiedene Quellen könnten zur Erkundung der Jami⸗ bi dienen. An erſter Stelle ſtänden die Kir ch e n⸗ ücher. Es ſei eine unbedingte Forderung aller Familienforſcher, dieſe wichtigen Dokumente unter„Schriften-Denkmalsſchutz“ zu ſtellen. Es befänden ſich ſchätzungsweiſe noch ungefähr 90 v. H. aller Kirchenbücher in Händen der Geiſtlichen, die ſſe nicht immer ſo aufbewahren könnten, wie es nötig wäre. Die Urkunden müßten auch jedem zugänglich gemacht werden. Da aber je ein Exemplar vorhanden ſei, ſei es zweckmäßig, die Bücher mehrfach zu photographieren und die Abzüge auf Karten zu kleben, ſo daß auf dieſe Weiſe eine Sippenkartei für ganz Deutſchland entſtehe. Neben den Kirchenbüchern gebe es noch alte Bür⸗ ger und Innungsb üer bei Stadiwerwaltungen oder Zünften. Einheitsbewertung erſt wieder 1935 In der Einheitsbewertung für die Grundſtücke, die die Baſis für die Grundſteuern der Gemeinden in Zukunft bil⸗ den ſoll, iſt eine bedeutſame Entſcheidung des Reichsfinanz⸗ miniſters ergangen. Der Miniſter ſtellt feſt, daß die von ihm eingeleiteten Schritte zur Vorbereitung einer neuen Einheitsbewertung insbeſondere durch die Sammlung von Kaufpreiſen nur dürftiges Material ergeben haben, weil für gewiſſe Grundſtückarten und für gewiſſe Bezirke gegen⸗ wärtig kein ausreichender Grundſtücksmarkt vorliegt, ſo daß eine zuverläſſige Bewertung nicht möglich erſcheine. Die wenigen Fälle, in denen Verkäufe ſtattgefunden hätten, ſeien meiſt durch außergewöhnliche Umſtände, z. B. Not⸗ lage oder Reichsflucht des Verkäufers, beeinflußt. Dazu komme, daß die Verhältniſſe gerade jetzt, angeregt durch die wirtſchaftspolitiſchen Maßnahmen der Reichsregierung, ganz beſonders im Fluſſe ſind. Das treffe nicht nur für den ſtädtiſchen Grundbeſitz zu, ſondern auch für die Landwirr⸗ ſchaft. Bei der Landwirtſchaft ſei zum Beiſpiel auf die Auswirkungen der amtlichen Getreidepreisfeſtſetzung uſw. hinzuweiſen. 5 Es würde verfehlt ſein, aufgrund der bisherigen Vorarbeiten landwirtſchaftliche Einheitswerte zu ermitteln, deren Richtigkeit ſofort wieder zweifelhaft ſein würden und die vielleicht ſchon in einigen Monaten überholt wären. Es ſei noch zu bedenken, daß den künftigen Einheitswerten eine außerordentliche Bedeutung zukomme. Sie ſollen, ins⸗ beſondere ſoweit die Landwirtſchaft in Betracht komme, die Bemeſſungsgrundlage für die Grundſteuern der Gemeinden bilden. Wegen der mit der Feſtſtellung verbundenen erheb⸗ lichen Koſten wäre an eine baldige Wiederholung nicht zu denken. Der Miniſter ordnet daher an, daß, zugleich auch um der kommenden Steuerreform nicht vorzugreifen, die näch ſte Einheitsbewertung auf den 1. Januar 1935 verſchoben werde. Bis dahin werde die jetzt noch ſtark in Fluß befindliche Wirtſchaftsentwicklung zu einer Stetig⸗ keit gelangt ſein, die die Gewähr für zweckmäßige Einheits⸗ bewertung ergebe. Bloörſe und Handel (Ohne Gewähr.) Maunheimer Großviehmarkt vom 10. Oktober. Zufuhr und Preiſe: 230 Ochſen, 23 bis 32; 95 Bullen, 25 bis 30; 211 Kühe, 11 bis 26; 338 Färſen, 24 bis 33; 768 Kälber, 25 bis 44; 57 Schafe, 21 bis 2; 2889 Schweine, 50 bis 9 8 Ziegen nicht notiert. Marktverlauf: Großvieh und Kälber ruhig, langſam geräumt; Schweine mittel, Ueberſtand; Ar⸗ beits⸗ und Schlachtpferde ruhig. Mannheimer Pferdemarkt vom 10. Oktober. Dem Pferdemarkt am Dienstag waren zugetrieben: 50 Arbeits⸗ pferde und 55 Schlachtpferde. Bezahlt wurden pro Stück in Reichsmark: Arbeitspferde 300 bis 900, Schlachtpferde 25 bis 120. Der Handel war in Arbeits- wie in Schlacht⸗ pferden ruhig. Karlsruher Schlachtviehmarkt vom 10. Oktober. Auf⸗ trieb: 37 Ochſen, 36 Bullen, 23 Kühe, 113 Färſen, 261 Kälber, 950 Schweine. Bezahlt wurden pro 50 Kilo Lebend⸗ gewicht in Reichsmark: Ochſen 27 bis 31, 25 bis 27, 24 bis 26, 22 bis 24, 20 bis 22, 19 bis 20; Bullen 28 bis 29, 23 bis 26, 22 bis 23, 19 bis 22; Kühe—, 22 bis 2, 16 bis 20, 11 bis 16; Färſen 27 bis 33, 19 bis 25; Kälber —, 37 bis 39, 34 bis 37, 30 bis 34, 18 bis 24; Schweine —, 32 bis 55, 51 bis 54, 48 bis 52, 46 bis 48,—, 38 bis 40. Marktverlauf: beſte Qualität über Notiz bezahlt; mit Großvieh langſam, geringer Aeberſtand; mit Schweinen mittelmäßig, geringer Ueberſtand; mit Käbdern langſam, ge⸗ räumt. 15. 1— g e. 2 5 5 8 Badiſch-pfälziſche Häukeauktion am 17. Oktober. Die Süddeutſche Fettſchmelze bringt zu der auf den 17. Oktober g angeſetzten Häuteauktion für das badiſch⸗pfälziſche 9 in Karlsruhe insgeſamt 46 078 Stück Häute und Felle der ihr angeſchloſſenen Innungen und Verwertungsgenoſſenſchaften zur Verſteigerung. Es ſind dies 18 854 Stück Großviehhäute, 25 852 Stück Kalbfelle und 12 372 Stück Hammelfelle. .* Marktbericht der Badiſch⸗Pfälziſchen Eier⸗Zentrale. Man erzielte in den letzten Tagen für deut andels⸗ klaſſeneier G 1 in Pfennig je Si ße Kbeinhendel S über 65 Gramm 11.50 bis 12.50, im Großhandel bezw. Berliner Notierung vom 9. 10. 33: 10.75 bis 11.25 bezw. 11; A 60 bis 65 Gramm 11 bis 11.75; 10.40 bis 10.57 bezw. 10.50 B 55 bis 60 Gramm 10.50 bis 11; 9.90 bis 10.25 bezw. 10.25; C 50 bis 55 Gramm 10.25 bis 10.50; 9.60 bis 9.90 bezw. 9.50) D 45 bis 50 Gramm 9.50; 9 bezw. 8.25. Enteneier 9 bis 9.25, Tendenz: feſter. Ohne Koſten für Fracht, Verpackung, Umſatzſteuer und Handels⸗ ſpanne. Verbraucherpreiſe liegen daher um 2 bis 3 Pfennig je Stück höher als obige Kleinhandelspreiſe. Tendenz: ſtetig. — Für die geringe Nachfrage reichten die angelieferten Eier⸗ mengen trotzdem nicht aus, ſo daß wieder eine Preisbefeſti⸗ gung eingetreten iſt. Die Ausſichten ſind weiterhin feſt. Weinherbſi in der Rheinpfalz Deutſchlands Weinland.— Bitzler und Edelkaſtanien.— In den Skraußwirtſchaften. Wenn jetzt der Fremde am Fuße der ſilbern⸗dunſtigen Haardtberge dahin fährt, dann wundert er ſich wohl über die vielen wartenden Wagen am Wegesrande, die Fäſſer mit einem eckigen Holztrichter tragen und über die daneben ſtehenden kleineren Holzbehälter mit dem Kurbelrade dar⸗ an. Ein Blick über die angrenzenden Wingerte, die Wein⸗ gärten, belehrt ihn, wenn er es noch nicht wiſſen ſollte, daß ößtem Wein⸗ lande gekommen iſt. Ja, Deutſchland“ größtes Weinland .— ä— 8 4 5 1 i ee Die Kropsbur iſt die Pfalz am Rhein, und davon hat ſo mancher, der einen guten goldenen Tropfen nicht verachtet, gar keine Abnung. Rund dreibundert Gemeinden der Pfalz bauen Wein, und ſo iſt es kein Wunder, daß die größte Menge deutſchen Weins Jahr für Jahr aus den ſonnigen Geflͤ⸗ den dieſes blühenden Landes kommt. Aber noch mehr: Gerade die Pfalz bringt die Spitzenmarken hervor, die Ede⸗ linge und Fürſten im Reiche der Weine, die ſo oft auf den Karten bei feſtlichen Gelegenheiten unter dem Namen Rheinwein verſchwinden, ſo daß nur wenige, die ihre ſüß⸗ würzigen Tropfen mit Behagen zwiſchen Zunge und Gau⸗ men gleiten laſſen, ihr Herkunftsland ahnen. Wenn der Reiſende es nicht gar zu eilig hat, dann kann er dem Locken der rebengeſchmückten lieblichen Weindörfer nicht widerſtehen, ſein Wagen hält vor einer der gemüt⸗ lichen Weinſtuben, und bald umfängt den Gaſt der Zauber des pfälzer Herbſtes. Der„Bitzler“, wie der Neue heißt, und der„Federweiße“ ſind ja für den Gaſt aus an⸗ dern deutſchen Landen etwas Fremdes, und mit Staunen hört er wohl, daß die dazu gehörigen„Käſten“, die Edel⸗ kaſtanien, in den Kaſtanienwäldern in der Pfalz gewach⸗ ſen und gereift ſind. Entſpricht doch das Klima unſerer Pfalz dank einem beſonders gütigen Geſchicke dem des fer⸗ nen Perſien! Aber all das iſt doch dem Weine an Bedeutung unter⸗ geordnet. In vielen Geſtalten geht er hinaus ins Reich und in die Welt, denn bei der großen Ausdehnung des ganzen Weingebietes ſpendet es Rebenſaft für jeden Geſchmack und für die verſchiedenſten Anſprüche. Da gibt es leichte Tiſch⸗ weine, es gibt mittlere Weine, wie man ſie in einer fro⸗ hen Stunde im Kreiſe der Freunde und bei den kleinen häuslichen Feiern genieſt, und dann die herrlichen Erzeug⸗ niſſe der Zaubergärten mit ihren geradezu ſymbolhaften Namen wie Forſter Kirchenſtück und Forſter Jeſuitengar⸗ ten, für die in guten Jahren bis zu 25 000 Mark das Fu⸗ der(1000 Liter) gezahlt wurden. Wer pfälzer Art und Weſen eingehender ſtudieren will, der achtet auf ſeiner Fahrt der ſtraußartigen Büſche, die in den freundlichen Dörfern an manchem Haus winken. Das ſind die ſogenannten Straußwirtſchaften, in denen der Weinbauer ſeinen eigenen Wein ausſchenkt. Da wird eine Stube zeitweilig ausgeräumt und als Gaſtraum hergerichtet und der Beſucher bekommt einen guten Trop⸗ ſen unmittelbar vom Winzer. Da hat er wohl auch manch⸗ mal Gelegenheit, den pfälziſchen Winzer ſelbſt kennen zu lernen, wenn der nicht gerade wegen der Herbſtarbeit all zu ſehr his in den Abend hinein in Anſpruch genommen iſt. Nrächtige wurzelechte Geſtalten ſind es, dieſe Winzer, begeht mit einem herzhaften und, auch bei gelegentlicher Derbheit immer freundlichem aumor, den die Sorgen des Tages und die mühſelige Arbeit faſt des ganzen Jahres nicht zu zerſtören vermochten. Und wenn im Geſpräch die Rede auf die verſchiedenen Lagen kommt, dann hört der Gaſt auch ſo manchen Namen, der lich ob ſeiner Eigenart feſt ins Gedächtnis heften wird. Wer könnte Bezeichnun⸗ gen vergeſſen wie etwa den Kallſtadter Saumagen oder Wachenheimer Gerümpel oder Gimmeldinger Meerſpinne. Schnell iſt der Fremde kein Fremder mehr, die letzten Scheidewände zwiſchen ihm und dem Einheimiſchen hilft der wunderwirkende Wein abtragen, und bald iſt es eine große Runde, in der ſich der Gaſt findet. Er mag ſich viel⸗ leicht zunächſt wundern, daß er ſich nun auf einmal hier wie zu Hauſe fühlt, daß ihm ſeine Welt da draußen ſo fern erſcheint, aber ein paar Gläſer weiter, dann vergeht ihm auch dieſes Wundern und er gehört„zur Familie“. So wird er denn bei ſeiner Weiterfahrt mit anderen Augen aufnehmen, was ſich ihm an Schönheiten der Land⸗ ſchaft und der alten Städte bietet: er ſieht es mit den Augen eines Vertrauten, eines Freundes, denn das iſt er mit dem einen Abend im Kreiſe der Pfälzer, beim goldenen Tropfen einer bevorzugten Lage geworden. Sie haben ihm erzählt von der ſagenreichen Geſchichte des begnadeten Landſtrichs, der einſt das Herz des alten deutſchen Reiches war. Denn die ſtarke Reichsfeſte Trifels barg die Inſig⸗ nien des deutſchen Kaiſertums und im heiligen Dome von Speyer liegen die Größten der Erde, Könige und Kai⸗ ſer deutſcher Nation. Heute aber pulſt ein neuer, von Hoffnung und Glau⸗ ben geſtärkter Herzſchlag durch die Pfalz am Rhein. Freie⸗ ren Sinnes feiert der Pfälzer ſeine Weinfeſte. Wer aber den ganzen fröhlichen Herbſt nicht mitmachen kann, weil er allzu weit von der Pfalz wohnt, der lebt in Gedanken dieſe erhebenden Tage mit bei einem Glaſe guten reinen Pfalzweins. 8 N FFF aud lie Oktoberlied Der Nebel ſteigt, es fällt das Laub; Schenk ein den Wein, den holden! Wir wollen uns den grauen Tag Vergolden, ja vergolden! Und geht es draußen noch ſo toll, Unchriſtlich oder chriſtlich, Iſt doch die Welt, die ſchöne Welt So gänzlich unverwüſtlich! Und wimmert auch einmal das Herz— Stoß an und laß es klingen! Wir wiſſen's doch, ein rechtes Herz Iſt gar nicht umzubringen. Der Nebel ſteigt, es fällt das Laub; Schenk ein den Wein, den holden! Wir wollen uns den grauen Tag Vergolden, ja vergolden! a Wohl iſt es Herbſt; doch warte nur Doch warte nur ein Weilchen! Der Frühling kommt, der Himmel lacht, Es ſteht die Welt in Veilchen. Die blauen Tage brechen an, Und ehe ſie verfließen, 8 Wir wollen ſie, mein wackrer Freund, genießen, ja genießen! 3 Vaths Sündenregiſter Als er Organiſt in Arnſtadt war. Man ſchrieb das Jahr 1706. Das kleine Arnſtadt im Thüringiſchen lag weltverlaſſen im Schnee hinter den bewaldeten Höhenzügen des Gebirges. Es war ein unfreundlicher, kal⸗ ter Februarſonntag, und die Kirchgänger hüll⸗ ten ſich fröſtelnd in ihre Tücher und Mäntel und beeilten ſich, in die Kirche zu kommen, in der der alte Küſter bereits ein praſſelndes Holzfeuer angezündet hatte. An der Orgel ſaß ſchon der junge Kantor, und kaum hatten die Glocken ausgeläutet, da tönten mächtige Akkorde durch den kleinen Raum. Aber den guten Arnſtädtern klangen ſie ziemlich verworren in den Ohren, und man⸗ che alte, eifrige Kirchgängerin ſchüttelte bei allem Reſpekt, den ſie den Einrichtungen des Gottes dienſtes zu zollen gewohnt war, den Kopf über das krauſe Zeug, das der junge Spieler da oben ſeinem Inſtrument entlockte. Auch die Frau Pfarrer ſah mißvergnügt in die Höhe und atmete hörbar auf, als der Organiſt endlich nach einer kühnen Kadenz den Choral„Lobe den Herrn“ anſtimmte, in den die Gemeinde voll einfiel. Aber was war das für eine ſeltſame Be⸗ gleitung! Zwiſchen den einzelnen Akkorden ſchlängelten ſich Läufe und Triller, und die Schulkinder blickten verwirrt zu ihrem Ma⸗ giſter auf, der ſeinerſeits energiſch ſeine dröh⸗ nende Baßſtimme erhob und, die ganze Ge⸗ meinde übertönend, die Melodie angab. So ging die erſte Strophe glücklich zu Ende. Aber anſtatt, daß nun, wie gewöhnlich, der zweite Vers gleich anſchließend geſungen wurde, ſpielte der Organiſt ein Zwiſchenſpiel, das niemand erwartete. So ſangen die meiſten unbeküm⸗ mert eine Zeitlang weiter und hielten erſt nach und nach erſchreckt inne, als ſie ihren 1 505 gewahrten. Unruhig ſteckte man die öpfe zuſammen. Aber der junge Organiſt ſchien von allem, was um ihn vorging, nichts i 1 5 ſehen und zu hören. Er ſaß weit zurückge⸗ lehnt auf der ſchmalen Orgelbank und ſah über die Notenbank hinweg. Dann wandte er den Kopf und blickte mit glücklichem welt⸗ entrücktem Lächeln durch das geöffnete Kir⸗ chenfenſter geradewegs in den blauen Him⸗ mel. Das Inſtrument aber ſang und jubelte unter ſeinen Händen. Immer verzweigter und verſchlungener erklang die Choralmelodie. Es war, als ob Flöten und Geigen, Klarinetten und Celli ſie ſich zuriefen, bis ſie ſich ſchließlich vereinigten. Die Gemeinde blickte unſchlüſſig teils zu dem Organiſten, teils zu der Frau Pfarrer hin, die mit unverhohlenem Aeger den ſchmalen Mund zuſammenpreßte. Ein paar junge Din⸗ ger steckten die Köpfe zuſammen und kicher⸗ ten. Nur ein einziges Augenpaar ſah verſtänd⸗ nisvoll und voll Stolz zu dem jungen Muſiker 5 Es gehörte einem jungen Mädchen, das halb verdeckt in ſeinem Kirchenſtuhl ſaß, Ma⸗ ria Barbara Bach, der Baſe und heimlichen Braut des Orgelſpielers. Endlich ſchwieg das Inſtrument nach einem weithin hallenden chlußakkord, und der Pfarrer, der längſt un⸗ ruhig in der Sakriſtei hin⸗ und herging, trat eraus und ſchritt eilig zur Kanzel, obwohl jetzt eigentlich die zweite Strophe hätte fol⸗ — müſſen. So war die feſtgefügte Ordnung des Gottesdienſtes heute umgeſtoßen, und die Gemeinde, die einen ſolchen Vorgang, der ſeit Menſchengedenken noch nicht vorgekommen war, wie eine Revolution empfand, lauſchte nur mit halber Aufmerkſamkeit den Worten ihres Seelenhirten, obwohl der heute eine Straf- predigt auf ſeine Schäflein herabſandte, die ſonſt ihren Eindruck nicht verfehlt hätte. Kaum war der Gottesdienſt beendet, da ſtand man ſchon vor der Kirchentür trotz des eiſigen Februarſturmes und erörterte eifrig das„Aergernis von Arnſtadt.“ Denn ſo konnte das nicht weitergehen. Wurde einem Chriſten⸗ menſchen denn nicht ganz wirr im Kopf bei einer ſolchen Muſik? Hieß das, zur Ehre des Höchſten ſpielen? Aber damit war das Söbndenregiſter des Organiſten Johann Se⸗ baſtian Bach noch nicht erſchöpft. Vier Wochen Urlaub hatte er angefordert, um beim Orgel⸗ meiſter Buxtehude in Lübeck weiter zu ſtudie⸗ ren. Im Oktober war er aufgebrochen zu ſeiner Wanderung, und geſtern war er erſt wieder zurückgekommen, das waren— eifrig zählte man an den Finger ab— nicht weni⸗ ger als 16 Wochen! Ohne Erlaubnis, ohne % Nein, ſo ging es nicht wei⸗ er! Und bereits weniger Tage ſpäter ſtand der Sünder wegen„Langwierigen Verreiſens und Anterlaſſener figural Muſik“ vor ſeiner Be⸗ hörde. Es wurde ihm vorgehalten, daß er in dem Choral„wunderliche variationes ge⸗ machet, viele fremde Töne mit eingemiſchet und die Gemeinde dadurch confundieret“ habe. Fer⸗ ner habe er den Choralgeſang der Schulkinder gröblich vernachläſſigt. Endlich wurde ihm vor⸗ geworfen,„wo er ſo lange geweſen und bei wem er diſſen Urlaub genommen?“ Binnen einer Woche ſollte er auf dieſe Anklagen ſchriftlich antworten. Aber Johann Sehaſtian hatte anderes zu tun. Frühling, Sommer und Herbſt zogen über den Thüringer Wald, und noch immer wartete das Hohe Conſiſtorium auf Antwort. Da lud man den Sünder am 11. November endlich zum zweiten Male vor den Richter⸗ ſtuhl. Das Regiſter ſeiner Uebertretungen war inzwiſchen noch länger geworden. Insbeſon⸗ dere hatte es ſchwere moraliſche Bedenken im Städtchen erregt, daß Maria Barbara ſich neben die Orgel geſtellt und die Tondichtungen des jungen Spielers eifrig geſungen und ge⸗ probt hatte. So wurde dem Angeklagten vor⸗ gehalten,„auß was er ohnlängſt die frembde Jungfer— Maria Barbara ſtammte aus der Gegend bei Ilmenau!— auf das Chor beten und muſizieren laſſen?“ Bach erwiderte zwar entſchuldigend, daß er„Magiſter Uthe davon geſaget“ habe, aber das Aergernis war zu groß, und es ſchien dem jungen Kom⸗ poniſten ſelbſt geraten, ſich nach einer ande⸗ ren Stellung umzuſehen. Wenige Monate ſpä⸗ ter erhielt er einen Ruf nach Mühlhaufen in Thüringen, und bereits im Sommer des nächſten Jahres hielt er dort mit der„fremb⸗ den Jungfer“ Hochzeit. Die heutigen Arnſtädter haben das Aerger⸗ nis, das Johann Sebaſtian bei ihren Voc⸗ vätern einſt erregte, längſt vergeſſen. Sie ken⸗ nen nur den ehrwürdigen, großen Meiſter, zu dem der junge Muſiker langſam heranreifte, und die feierliche Gedenktafel an der Arn⸗ ſtädter Liebfrauenkirche:„Gott zu Ehren wirk⸗ te an dieſer Kirche Johann Sebaſtian Bach, 17031707“, iſt ganz dieſem reifen, abge⸗ Rürten Bach gewidmet. Der Beſucher aber, der zuvor in alten Archiven und vergeſſenen Manuſkripten herumſtöberte, kann ein vergnüg⸗ tes Schmunzeln nicht unterdrücken, wenn er des jungen Feuergeiſtes gedenkt, der hier einem Hohen Conſiſtorio ein Schnippchen nach dem anderen ſchluiug Elke. Auhuft Das waren wir ja nun ſchon gewöhnt, daß der Polier wie ein Rohrſpatz ſchimpfte, wenn wir mit den eiſernen Loren früh zur Arbeits⸗ ſtätte fuhren. Es war natürlich verboten, daß wir uns in die Loren ſetzten. Trotzdem, viel⸗ leicht gerade deshalb, ſaß immer die Hälfte der Kolonne in ihnen, die anderen ſchoben und ſprangen im geeigneten Augenblick eben⸗ falls auf. Heute trieben wir es beſonders toll. Wir hatten Grund dazu, weil heute das letzte Loch auf der weiten Schutthalde zugeſchüttet werden ſollte. Während die eiſernen Räder noch über die Schienen klapperten, ſuchten einige ſchon Klumpen und Steine zuſammen, um ſie in das Loch zu werfen. In ihm lagen Blechbüchſen, Eimer, Porzellangegenſtände, Körbe, Betten, alte Matratzen, alles wirr durcheinander. Nur an einer Stelle war Ord⸗ nung in das Durcheinander gebracht und et⸗ was wie eine Hütte aufgebaut. Hier wohnte Auguſt, und ſeiner Hütte galten die Steine und Erdklumpen. Wie jeden Tag kam Au⸗ guſt aus ſeiner Hütte hervorgekrochen, ſobald die erſten Klumpen auf das blecherne Dach fielen. Sobald er herauskam, hörten wir auf mit Werfen und begrüßten ihn mit jubelnden Rufen. „Na, Auguſt, heute müſſen wir Deinen Palaſt zuſchütten. Hilft alles nichts.“ Gleichgültig, ſtumm, mit friedlichem Geſicht hörte ſich Auguſt dieſe Rede an. N „Na, ja“ ſagte er, mehr nicht und begab ſich ans Werk. Er richtete alles das wieder gerade, was wir zerſtört hatten. Ganz peinlich war er dabei. 5 Immer ſchon war mir dieſer Auguſt ein Rätſel gewefen, ſolange ich an dieſem Bau arbeitete. Alle kannten ihn, all die Fuhr⸗ kutſcher und Aſchenräumer. Er kannte ſie wohl auch alle. Doch mit keinem ſprach er ein Wort. Er lief immer in alten Lumpen herum, ſchmutzig waren ſie auch. Aber ſonſt machte er keinen ſchlechten Eindruck. Lange hatte ich herumſpioniert, wo er lebe, was er ſei und ſonſt treibe. Nichts hatte ich herausbekommen. Wenn wir früh zur Arbeit kamen, war Auguſt da. Wenn wir zu Mittag aßen, kam er und holte ſich eine Schüſſel Eſ⸗ ſen, ging dann wieder ſchweigend. Einmal war ich ihm nachgegangen in ſeine Hütte, hatte mich zu ihm geſetzt. Zu einem Ge⸗ ſpräch war es aber nicht gekommen. Als ich ihm nach dem Eſſen meine Tabaksbüchſe hin⸗ hielt, holte er eine alte, ſchon mehrfach ausge⸗ brochene Tonpfeife aus der Taſche, bediente ſich ſtumm, ſaß dann, den Rauch tiefeinat⸗ mend, neben mir. Schließlich gellte die Pfeife des Poliers und rief mich zur Arbeit. Am Abend blieb ich lange zurück, um zu ſehen was Auguſt treibe. Er blieb unſichtbar in ſeiner Hütte. Als ich dann einmal nachts zu ſeinem Verſteck ging, fand ich es vollkommen leer. Nachts hielt er ſich alſo wo anders auf. Am anderen Morgen weckte ihn wie immer unſer Steinhagel. Auguſt baute noch immer an ſeiner Hütte, als die erſte Lore mit Lehm beladen ankam. Ich wußte es ſo einzurichten, daß die erſten Fuhren noch nicht auf ſeine Hütte fielen. Kurz vor dem Mittagspfiff fiel ſie aber unter Kra⸗ chen und Poltern zuſammen. Unter einem Haufen gelben Lehms lag ſie begraben. Au⸗ guſt war rechtzeitig geflüchtet. Wir fanden ihn ſchon eifrig löffelnd, als wir unſer Mit⸗ tägeſſen holten. Heute blieb er auch oben bei uns ſitzen, wie immer ſtumm. Ein friedli⸗ ches Lächeln lag auf ſeinem ſonnenverbrann⸗ ten Geſicht. Während die anderen ſchnell eine Partie Skat ſpielten, ſaß ich neben Auguſt. Wir rauchten beide von meinem Tabak und ſahen ſinnend dem blauen Rauche nach. Wir ſprachen nichts, hörten nur das Rufen der, Spieler. a Dann begann wieder die Arbeit. Als Feier⸗ abend war, hatten wir die Stelle, auf der Auguſts Hütte geſtanden, dem Erdboden gleichgemacht. Nichts war mehr von den bun⸗ ten ſchillernden Plakaten zu ſehen. Nur gel⸗ ber Lehm lag überall. Die Kollegen gingen alle weg, um den Schluß der Arbeit zu feiern. Ich blieb zurück, um zu ſehen, was nun Au⸗ guſt machen würde. Der ſtand in der Sonne. Ueber eine Deichſel hatte er ſeinen Rock ge⸗ hängt. Als ich zu ihm trat, ſah ich, daß er dabei war, mit einer unförmigen, verroſteten Nadel und einem alten Faden eine Drei⸗ angel zuzuſtopfen, die ich ſchon lange an ſei⸗ nem Rock geſehen hatte. Er mußte alſo et⸗ was vorhaben, wenn er nun gerade heute dieſe Arbeit vornahm. Bald hatte Auguſt ſein Werk vollendet und ließ es zu, daß ich ihn ſtumm begleitete, als er den Platz ver⸗ ließ. Als wir dem Platz den Rücken wandten, drehte er ſich noch einmal kurz um. Dann ſchritt er aus und ging immer weiter aus der Stadt hinaus. Bald ſah ich ſein Ziel. Es was ein Schuttabladeplatz, ein Loch, das zu⸗ geſchüttet wurde. Auguſt ging nach der tiefſten Stelle und hier fanden wir wieder eine Hütte. Er muß⸗ te ſie ſchon vor einigen Tagen gebaut haben. Als ich ſie mir genau anſah, bemerkte ich einige Stücke, die ich ſchon in der anderen Hütte gefunden hatte. Dann ſaßen wir auf dem Schuttfeld, Au⸗ guſt neben mir, wieder rauchend. Ich merkte an ſeinen Geſichtszügen, daß er mir etwas ſagen wollte. Er brachte aber kein Wort heraus. Mehrmals nahm er Anlauf, ich konnte ihm abe nicht helfen. Plötzlich fingerte er in ſeiner Rocktaſche herum und hielt ein kleines Käſtchen in der Hand. Es war in ein altes ſeidenes Tuch gewickelt. Auguſt wickelte es langſam, beinahe ehrfürchtig ab. Ich ſchaute zu; denn ich wußte, daß er mir nun das ſagen wollte, was er in Worten nicht hatte ſagen können. Das Tuch fiel breit auseinander, in der Mitte ſtand ein Pappkäſtchen. Auguſt hob den Deckel ab, heraus fiel ein ſchwarz⸗weißes Band und darunter lag das Eiſerne Kreuz. Auguſt ſchaute das Kreuz, dann mich, dann wieder das Kreuz an, reichte mir ſtumm die Hand. Ich ging. N Flandern, die Ardennen, Rußland mit ihrem Schmutz, mit ihren Unterſtänden und Schutthalden waren es alſo geweſen, die ihn nicht wieder losließen, ſo daß er ewig in ih⸗ nen wohnen mußte. Was mochte er wohl jeden Morgen gedacht haben, als unſere Steine donnernd auf das Dach der Hütte gefallen waren. Kurt Müller. Falſche Nerliebe Tierſchutz iſt eine heilige Menſchenpflicht, und wenn der Tierſchutzgedanke auch noch nicht alle Menſchenherzen erfaßt hat, ſchreitet er doch immer ſiegreicher vorwärts. Es gibt aber auch viele, die ſich ernſtlich entrüſten würden, wenn man ihnen die Liebe zu den Tieren abſpräche, und trotzdem iſt es eine falſche Liebe, die ſie zu den Tieren hegen. Wie mancher verwöhnte Schoßhund wird um Jahre ſeines Lebens betrogen, weil ſein Magen durch Leckereien verdorben wurde, und ihn übergroße Ver⸗ zärtelung aller Widerſtandsfähigleit beraubt. Die Berliner Tiergarten⸗Verwaltung hat ſich einmal ernſthaft über das unmäßige Füttern der Singvögel während des Sommers be⸗ ſchwert. Nicht nur, daß den Vögeln oft unzu⸗ trägliches Futter geboten wurde, nein, ſie wur⸗ den ihrer natürlichen Tätigkeit der Ungeziefer⸗ und Inſektenvertilgung entwöhnt, ſo daß der Naturhaushall des Tiergartens in Unordnung geriet. Das beſte wäre es, wenn das ſommer⸗ liche Füttern von Vögeln ganz unterbleiben würde. Iſt es berechtigt, von Tierquälerei zu ſprechen, wenn ein Jagdhund hinter dem Fahrrad ſeines Herrn einhertrabt. die Zunge heraushängen hat und ſtoßweiſe atmet? Wenn der Fahrer das Tempo und die Dauer der Fahrt der natürlichen Kraft des Tieres an⸗ paßt, dann iſt es dieſem ein Vergnügen. Die heraushängende Zunge iſt kein Zeichen der Ermattung, der Hund atmet eben nicht anders. Der Winter ſteht vor der Tür, und bald wird die Mahnung erklingen: Füttert die hun⸗ gernden Vögel! Man wähle aber geeignetes Futter! Waſſer gib erſt, ſobald in der Na⸗ tur kein offenes Waſſer mehr vorhanden iſt, und dann in einem Gefäß, in dem der Vogel nicht baden kann, weil das Gefrieren des naſ⸗ ſen Gefieders ihn wehrlos macht, da es ihn des Flugvermögens beraubt, ja ihn ſogar töten kann. Die Beiſpiele falſcher Tierliebe ließen ſich noch vielfach vermehren. Wer Fehler vermeiden will, ſtudiere das natürliche Leben der Tiere mit all ihren Ge⸗ wohnheiten, und er iſt gefeit gegen jede falſche Tierliebe. In dieſem Sinne ſoll und muß jeder wirkliche Tierfreund und Tierkenner aufklärend auf ſeine Umgebung einwirken. Mit der Kennt⸗ nis der Tierwelt erwacht die Tierliebe ganz von ſelbſt. Das Wiſſen um Körper und Seele des Tieres iſt der beſte Weg zu einem allge⸗ meinen Tierſchutz aus dem innerſten Verſtehen heraus. 80 Buntes Allerlei Die kleinſte Kirche Oſtpreußens. Die kleinſte Kirche Oſtpreußens und wohl eine der klein⸗ ſten Kirchen Deutſchlands überhaupt(wenn man von den zahlreichen kleinen Kapellen in katholiſchen Gegenden abſieht), ſteht in dem Dorfe Reichenau in Oſtpreußen, unweit von Oſterode und Hohenſtein. Die Kirche iſt ganz und gar aus mächtigen Holzbohlen gezim⸗ mer; ſie hat einen achteckigen Grundriß von 14 Meter Länge und 8,5 Meter Breite. Trotz ihres einfachen, ſchmuckloſen Aeußeren birgt das kleine Gotteshaus, das von vielhundert⸗ jährigen Linden und Eichen überſchattet wird, doch koſtbare Kunſtſchätze: Die Wände und die Decke ſchmücken ſchöne Gemälde, die wahr⸗ ſcheinlich aus dem Anfang des 18. Jahr⸗ hunderts ſtammen, und der prachtvolle Al⸗ tarſchrein iſt ein Meiſterſtück gotiſcher Holz⸗ ſchnitzkunſt aus der Zeit Albrecht Dürers. Eine getreue Nachbildung dieſes intereſſanten Dorfkirchleins wurde jetzt im Königsberger Heimatmuſeum, einem eigenartigen Frei⸗ lichtmuſeum, errichtet. 1 en „O Täler weit, o höhen... Die Stadt Neiße in Oberſchleſien, in der Freiherr von Eichendorff ſtarb, hat dem berühmten Dichter der Romantik ein Denkmal beſonderer Art geſetzt. Auf der Charlottenhöhe wurde vom Neißer 5 eine ae warte errichtet, die auf einem mächtigen Be⸗ tonſockel ruht. An der Stirnſeite des Daches ragt ein vergoldetes Kreuz weit in die Land⸗ ſchaft hinaus, das die Worte Eichendorffs „O Täler weit, o Höhen, o ſchöner grüner Wald, du meine Luſt und Wehen, andächtiger Aufenthalt“ und die Widmung:„Unſerm Eichendorff. Sudetengebirgsverein Neiße 1933“ trägt. i a 5 — 1 Luſtige Ecke Frau Blechle reißt das Fenſter auf, Herr Blechle macht es wieder zu. Das wieder⸗ holt ſich einige Male. Darauf ſagt Frau Blechle erregt:„Es iſcht aber ſchlechte Luft ier.“—„Dees iſcht bins,“ ſagt Blechle, „derfrore ſind ſcho viel, derſtunke iſcht noch koiner.“ 1 e „Eigentlich habe ich Bedenken, Ihnen dieſe winzige Armbanduhr anzuvertrauen—— „Lächerlich! Ich habe ſogar die Kirchturm⸗ uhr repariert!“ .(liegende Blätter,). „Ihr Gemahl hat ſich alſo ein Kleinauto zugelegt? Da kommt er wohl jetzt immer ſehr früh heim?“—„Ja, wenn er Rücken⸗ wind hat, ſchon!! 55 Die Sprichwörter. In der Schule werden Sprichwörter durchgenommen. Der Lehrer fragt nach Beispielen. Die Klaſſe ſchweigt. Endlich meldet ſich der kleine Gerhard.„Nun, mein Junge, nenne mir das Sprichwort.“ And es erfolgt die Antwort:„Ein Narr kann mehr fragen, als zehn Weiſe beantworten können!“ Der Lehrer läuft wütend zum Direktor. Zu Zbweien betreten ſie wieder die Klaſſe.„Alſo Gerhard, kennſt du denn keine anderen Sprich⸗ wörter?“ fragt der Schulgewaltige drohend. „Doch Herr Direktor: Ein Unglück komm alten allein!“„ Ha me