2. Bleu zu Mr. 260 Die Bulgaren eingekreiſt Auch Taneff und Popoff waren ſchon in Berlin.— Beob⸗ bungen mit dem Opernglas. Berlin, 6. November. Als erſter Zeuge erſcheint Montag Polizeipräſident Hei⸗ nes⸗Breslau, der aus Italien zurückgekehrt iſt und noch nachträglich zu den im Braunbuch gegen ihn erhobenen Vorwürfen ausſagt. Die Angeſtellten des Hotels„Haus Oberſchleſien“ in Gleiwitz hatten bereits als Zeugen bekun⸗ det, daß Heines zur Zeit des Reichstagsbrandes ien Glei⸗ witz geweilt hat. Der Angeklagte Dimitroff iſt für die Montag⸗Sit⸗ zung noch ausgeſchloſſen. Polizeipräſident Heines⸗Breslau erklärt u. a.: Was in dem Braunbuch über mich behauptet wird, ſind nichts ande⸗ res als unglaubliche Lügen. Ich glaube. durch die vorher vernommenen Zeugen aus Gleiwitz iſt ſchon nach⸗ gewieſen worden, daß ich am 27. Februar in Gleiwitz war. Der Zeuge erklärt dann: Ich fühle mich hier auch als Vertreter der S und deshalb will ich das eine ſa⸗ gen, daß die SA kaum mehr verſteht— und das muß auch einmal gegenüber dem Auslande zum Ausdruck gebracht werden—, mit welchem Langmut die Angeklagten hier behandelt werden. Der Vorſitzende unterbricht den Zeugen und erklärt, daß dies nicht hierher gehöre. Der Prozeß ziehe ſich im weſentlichen deshalb in die Länge, weil ſehr wiele Fragen geſtellt werden. Es komme hinzu, daß die ganze An⸗ gelegenheit mit ausgedehnt werde auf die Frage, inwieweit der Kommunismus überhaupt ſchuld ſei an derartigen Vorkommniſſen. Das erfordere ſelbſtverſtändlich eine gründliche, weitgehende Erörterung. Wenn es ſich nur um van der Lubbe gehandelt hätte, wäre es ſchneller gegangen. Zeuge Heines: Es iſt im Prozeß mehrmals geſagt worden, daß Torgler konziliant ſei. Ich muß ſchon ſagen, daß ich Torgler auch oft in anderer Weiſe kennengelernt habe. Torgler iſt der Zyniker, dem ich abſolut die Teilnahme an der Brandſtiftung ohne weiteres zutraue. Er hat wohl manchmal beſſere Formen als andere Kommuniſten, aber in Wirklichkeit war er immer der, der die Hetze an⸗ ſchürte. Wenn irgendetwas war, ſah man Torgler immer, wie er die anderen vorwärts krieb. Er war nicht derjenige, der geſchrieen hat, ſondern der hinten ſtand und antrieb. Vorſitzender: Sie haben als Polizeipräſident das Recht, ſo etwas auszuſagen, weil es auch in ihren Amtsbe⸗ reich gehört. Ich bitte Sie, nun zu dem eigentlichen Beweis⸗ thema zurückzukehren. Sie haben ſchon geſagt, daß Sie von Samstag abend bis Dienstag oder Mittwoch in Gleiwitz waren. Sie nehmen das auf Ihren Eid und daß Sie an dem Gegenſtand der Anklage nicht beteiligt ſind? Zeuge: Das kann ich unter meinem Eid ſagen, daß alles, was über meine Perſon im Braunbuch ſteht, ge⸗ meine Lüge iſt. Ich habe mit dem Reichstagsbrand in keiner Weiſe . irgendetwas zu kun. Reichsanwalt Parriſius: Wann haben Sie Ober⸗ leutnant Schulz zum letzten Male geſehen? Zeuge: Ich glaube bei der letzten Reichstagstagung Ende 1932. Angeklagter Torgler wendet ſich gegen die Bemer⸗ kung des Polizeipräſidenten Heines, er, Torgler. ſei der Hetzer geweſen, und erklärt, gerade er habe zu wiederhol⸗ ten Malen verhindert, daß es zu irgendwelchen Prügel⸗ lzenen im Reichstag gekommen iſt. Bei dem letzten Zu⸗ ſammenſtoß am 6. Dezember hinter dem Präſidententiſch bin ich hingerannt und habe verſucht, eine Prügelei zu ver⸗ hindern. Zeuge Heines: Ihre Rolle war nicht ſo zurückhal⸗ tend. Sie war nach meiener Meinung abſolut ſo, daß Torg⸗ ler mitten dabei war und keineswegs beſchwichtigte, ſondern abſolut bei denen war, die die Schlägerei inſzeniert hatten. Der Zeuge Heines wird dann entlaſſen. Als Bela ſtungszeuge gegen Taneff wird dann der Kaufmann Bannert vernommen. Er bekundet, daß er früher Mitglied der KPD und bis zum November 1928 bei der Roten Hilfe tätig geweſen ſei und dort in der Zeit vom Oktober 1927 bis Oktober 1928 wiederholt Taneff geſehen habe. Auf eine Frage des Oberreichsanwalts erklärt der Zeuge es für möglich, daß Taneff damals ſeinen ſtän⸗ digen Wohnſitz nicht in Berlin hatte, ſondern vielleicht immer dann aus Oeſterreich kam, wenn eine Be⸗ ſprechung notwendig war. Auch im Karl Liebknecht⸗Haus habe er Taneff wiederholt im Geſpräch mit dem Funktionär Kratzert geſehen Er könne es deswegen mit Beſtimmtheit behaupten, weil ihm Taneff damals durch ſeine eigenar⸗ tige Geſichtsbildung aufgefallen ſei. Er habe eine etwas hängende Backe und erwecke dadurch den Eindruck, als ob er ſtändig an Zahnſchmerzen litte. Der Angeklagte Taneff erhebt ſich auf Anweiſung 15 Vorſitzenden, der Zeuge Bannert ſieht ihn an und er⸗ lärt: Jawohl, das iſt derſelbe Mann. Der Angeklagte Taneff bleibt bei ſeiner ſchon öfter ab⸗ gegebenen Erklärung, daß er zum erſten Male am 24. Fe⸗ bruar 1933 nach Deutſchland gekommen ſei. Der Zeuge Kratzert war zehn Jahre lang Mitglied der KPD und als techniſcher Angeſtellter im Karl Lieb⸗ knecht⸗Haus und auch in der Nachrichtenabteilung beſchäf⸗ tigt. Er iſt 1931 aus der Partei ausgetreten. Auf Grund der Bilder hat er geſagt, daß er Popoff und Dimitroff ſchon einmal geſehen haben müſſe. Er erinnere ſich aber nicht mehr wann und wo. Es komme die Zeit zwiſchen 1927 und 1929 5 15 Es ſei möglich, daß er mit Taneff auch geſprochen abe. Nolfrontkämpferbund und KD Angeklagter Torgler: Hatten Sie den Eindruck, daß es der Partei ernſt war mit der Bekämpfung jeder terroriſtiſchen Einſtellung? Der Zeuge bejaht dies. Torgler: Sind nicht organiſatoriſche Maßnahmen gegen ſolche Perſonen oder Gruppen getroffen worden? euge: Sie wurden immer getroffen, aber die Un ⸗ terfunktionäre haben ſie nicht immer ſo durchgeführt, wie ſie durchgeführt werden mußten. Oberreichsanwalt: Iſt Ihnen bekannt, daß die Parole„Schlagt die Faſchiſten“ im Rotfrontkämp⸗ ferbund und in den Flugblättern der Parteiorganiſationen immer wiederholt worden iſt? Zeuge: Mir iſt bekannt, daß dieſe Parole von Ruth Fiſcher ausgegeben worden iſt, die ausgeſchloſſen wurde. Oberreichsanwalt: Auch in den letzten Jahren iſt dieſe Parole in den Flugblättern noch erſchienen. Zeuge: Das iſt allerdings bekämpft worden. Es war ein Erbübel des ehemaligen Rotfrontkämpferbundes, daß die Mitglieder dieſes Bundes mit der Parteileitung vielfach nicht einverſtanden waren. Als nächſter Zeuge wir der Steuerberater Jung ver⸗ nommen. Der Vorſitzende teilt ihm mit, daß zwei ruſſiſche Zeuginnen bekundet haben. Popoff habe ſich von Mitte Mai bis Ende Oktober in Rußland aufgehalten.— Der Zeuge ſerklärt, er müſſe dennoch bei ſeiner ſchon vor dem Unterfuchungsrichter unter Eid gemachten Bekun⸗ dung bleiben, daß er Popoff mindeſtens 30- bis 40mal als Beſucher der Wohnung des Kommuniſtenführers Kämpfer in der Zechliner-Skraße geſehen habe. Er ſelbſt wohne ſchräg gegenüber von Kämpfer. Es war Popoff— Jrrtum ausgeſchloſſen Der Angeklagte Popoff erklärt, er betone nochmals, daß er 1932 in Mos kau gelebt habe. Er fragt, ob dem Zeugen die Beſuche bei Kämpfer verdächtig erſchienen ſeien? Zeuge: Jawohl. z 5 Popoff: Warum haben Sie ſich nicht gleich bei der Polizei gemeldet? Zeuge: Weil ich der Polizei damals felbſt nicht traute. Von uns iſt einmal eine Anzeige gemacht wor⸗ 5 und am nächſten Tage wußten ſchon die Kommuniſten avon. Dr. Teichert: Kämpfer kommt doch noch als Zeuge? Vorſitzender: Leider nicht, er iſt flüchtig ge ⸗ worden. Seit heute iſt auch ſeine Frau verſchwunden. Auf verſchiedene Vorhalte bleibt der Zeuge dabei, daß es ſich bei dem Beſucher ftämpfers um Popoff gehandelt habe. Ein Irrkum ſei vollkommen ausgeſchloſſen. Die Ehefrau des Zeugen Jung beſtätigt dann als Zeugin im weſentlichen die von ihrem Manne gemachten Bekuͤndungen. Sie ſagt, ſie ſei feſt davon überzeu gt, daß der jetzige Angeklagte Popoff der Mann ſei, der ihr damals wegen ſeines ausländiſchen Typs aufgefallen ſei. Sie habe dieſen Mann genau und oft beobachtet. Aus ihrem Fenſter habe ſie ſtundenlang zur Wohnung des Ausländers hinübergeſehen. Sie habe dabei beobachtet, daß der Mann an einem Tiſch mit Papier arbeitete. Sie habe auch Maſchi⸗ nengeklapper und Surren gehört, ſo daß ſie annahm, daß dort Flugſchriften vervielfältigt werden. Rechtsanwalt Dr. Teichert: Haben Sie Ihre Beob⸗ achtungen mit dem bloßen Auge gemacht? Zeugin: Nein, mit dem Feldſtecher. Nicht weniger als fünf weitere Jeugen haben Popoff im Sommer 1932 in Berlin geſehen und erklären mit Beſtimmtheit, daß ſie ſich nicht irren. Auf eine Frage an den Zeugen Maſchinenbauer Mül⸗ ler, warum er die ihm verdächtig erſchienene Tätigkeit Popoffs nicht der Polizei angezeigt habe, antwortet der Zeuge, weil die el de damals ſo marxiſtiſch ver⸗ ſeucht geweſen ſei, daß es keinen Wert gehabt hätte. Einer der Belaſtungszeugen verbüßt zurzeit eine Strafe wegen Unterſchlagung bei der Roten Hilfe; er iſt, wie Po⸗ poffs Verteidiger feſtſtellt, wegen Betrugs und Konkursver⸗ gehens ſowie vom Staatsgerichtshof vorbeſtraft. Die Weiterverhandlung wird auf Dienstag vertagt. 5 35 5* Die Ausſage Görings . Eine Richtigſtellung. In der ausländiſchen Preſſe wird eine Aeußerung ſtark kommentiert, die Miniſterpräſident Göring im Reichstags⸗ brandprozeß als Zeuge gemacht hat und die dahin ging daß, wie das Urteil auch immer lauten werde, er die Schul⸗ digen beſtrafen werde. Gegenüber falſchen Auslegungen muß darauf hingewieſen werden, daß dieſe Aeußerunc nicht aus dem Zufammenhang geriſſen werden darf. Na dem amtlichen Stenogramm lautete die Ausſage Görings folgen⸗ dermaßen: „Ich möchte aber weiker betonen, wenn das Gericht hier die Aufgabe hat, die Schuldigen an dieſem Akt feſtzuſtel⸗ len, ſo ift es meine Aufgabe, die Schuldigen und Drahkzie⸗ her der geſamken furchlbaren Verhetzung unſeres Volkes feſtzuſtellen. mag der Prozeß ausgehen, wie er will, die fen werde ich finden und werde ſie ihrer Skrafe zu ⸗ ühren.“ 1 N der— „ eee Handel und Wirtſchaſt (Ohne Gewähr.) Mannheimer Produkten⸗Großmarkt vom 6. November: Offizielle Preiſe des Mannheimer Großmarktes für Getreide und Futtermittel per 100 Kilogramm, waggonfrei Mann⸗ heim: Weizen, inl. 19.50 bis 19.60, Feſtpreiſe Bezirk 9 18.90, Bezirk 10 19.10, Bezirk 11 19.40, Roggen, ſüdd. 16.40 bis 16.50, Feſtpreis Bezirk 9 15.90, Bezirk 8 15.60; Hafer, inl. 14; Sommergerſte, inl. 18 bis 19; Pfälzer Gerſte 18.50 bis 19.50; Futtergerſte 16.75 bis 17; Mais mit Sack 18.50 Erd⸗ nußkuchen 16.25 bis 16.50; Sojaſchrot 14.50 bis 14.75; Raps⸗ kuchen 12 bis 12.25; Palmkuchen 14.25; Kokoskuchen 17; Seſamkuchen 16.50; Leinkuchen 17; Biertreber mit Sack 16.50; Trockenſchnitzel 8.75 bis 9; Rohmelaſſe 8.25 bis 8.50; Wieſen⸗ heu, loſes 5.40 bis 5.70; Rotkleeheu 5.70 bis 6; Luzerneklee⸗ heu 7; Preßſtroh(Roggen und Weizen) 2,(Hafer und Gerſte) 1.80 bis 2; Stroh, gebündelt(Roggen und Weizen) 1.40 bis 1.70,(Hafer und Gerſte) 1.20 bis 1.40; Weizenmehl, Spezial Null mit Austauſchweizen 29.40, Dezember 29.55, Januar 29.70; Weizenmehl, Spezial Null aus Inlandsweizen 3 Dezember 28.05, Januar 28.20; Roggenmehl, nordd. 21.50 bis 22.50; pfälz. und ſüdd. 22.75 bis 283.75; Weizenkleie, feine mit Sack 9.75, grobe 10.25; Roggenkleie 8.75 bis 9.50; Weizenfuttermehl 10.75; Roggenfuttermehl 10.25 bis 12.50; Weizennachmehl 14.50 bis 15.75 Mark.— Tendenz: Ge⸗ treide und Mehl ruhig, Futtermittel ſtetig.. rr Alle müſſen mithelfen, ſpendet zum Winterhilfswerk. Spendeneinzahlungen ſind erwünſcht auf Poſtſcheckkonto Karlsruhe 360, Landesführung des WSW. —— P. 25 2* 7 Blitzlicht überflüſſig Aufnahmen im Dunkeln. Photographieren, d. h. alſo wörtlich„lichtſchreiben“ im Dunkeln? Iſt das nicht ein Widerſpruch? Man weiß, daß wir von den vielen Arten von Strahlen, die es gibt, nicht alle ſehen, aber einige davon doch photochemiſch zu verwer⸗ ten imſtande ſind. Die wichtigſten ſind die ultravioletten Strahlen, die im Spektrum den kurzwelligſten uns noch wahrnehmbaren violetten folgen und in der Röntgenphoto⸗ graphie eine wichtige Rolle ſpielen, und die infraroten Strah⸗ len jenſeits des äußerſten langwelligen uns noch ſichtbaren Rot. Sie ſind es, die nach einer Vorführung, die im Hauſe der Technik in Berlin veranſtaltet wurde, die Preſſephoto⸗ graphie revolutionieren ſollen; nämlich durch Verdrängung des Blitzlichts, des trotz höchſtempfindlichen Aufnahmeſchichten und lichtſtärkſten Objektiven immer noch unvermeidlichen Be⸗ gleiters der Bildreporter. Seine Tücken ſind, frei nach Goethe: Man merkt die Abſicht, und— man wird geblendet. Die Infrarotphotographie will da Abhilfe ſchaffen. Es wird zwar auch eine Lichtquelle benutzt, nämlich das ſehr leiſtungsfähige Queckſilberdampflicht, aber deren Licht kann man gar nicht ſehen, denn da auf die Platte nur die infra⸗ roten Strahlen wirken ſollen, werden die ſichtbaren Strah⸗ len kurzerhand durch ein Schwarzfilter„eingeſperrt“. Das beſte an der Sache iſt, daß ſo die Leute nicht merken, wenn ſie photographiert werden, wie das auch bei der Veranſtal⸗ tung zum allgemeinen Erſtaunen der Anweſenden bewieſen wurde. Man kann natürlich ſolche Aufnahmen nur mit beſon⸗ deren Objektiven und nur mit beſonders präparierten Plat⸗ ten vornehmen, wie ſie in Deutſchland hergeſtellt werden. Das Bromfilber dieſer Platten wird durch beſtimmte Farb⸗ ſtoffe, z. B. durch die erſt in den letzten Jahren entdeckten Neocyanin, Rubrocyanin und Allocyanin, für die infraroten Strahlen empfindlich gemacht. Das iſt eine ſehr ſchwierige Laboratoriumsarbeit, da auch ſchon die leiſeſte Verunreini⸗ gung der Farbſtoffe mit mikroſkopiſch kaum ſichtbaren Fremdkörpern die Leiſtungsfähigkeit der Aufnahmeſchichten beeinträchtigt. Es iſt daher auch nicht verwunderlich wenn die Farbſtoffe recht teuer ſind, ſo koſtet z. B. ein Gramm Rubrocyanin 300 Mark! Zlücklicherweiſe kann man alle dieſe Farbſtoffe in ſehr ſtarker Verdünnung anwenden und ſchon mit einem Milligramm mehrere Platten im Format 9 K 12 für Infrarot empfindlich machen, ſo daß trotz dem teuren Material die Koſten für die Senſibiliſierung der einzelnen Platte ſich in mäßigen Grenzen halten. Die infrarotempfindlichen Platten ſind nicht ganz ſo halt⸗ bar wie die gewöhnlichen Platten und Filme, laſſen ſich aber doch einige Monate ohne Schaden aufbewahren. Sie werden bei ſchwachem dunkelgrünen Licht verarbeitet. Im übrigen werden infrarote Aufnahmeſchichten auch auf vielen anderen Gebieten mit großem Erfolg verwendet. So z. B. für wiſ⸗ ſenſchaftliche Mikroaufnahmen, bei denen es ganz geringe Helligkeitsunterſchiede ſichtbar zu machen gilt, bei naturwiſ⸗ ſenſchaftlichen Aufnahmen des Nachtlebens von Tieren und Pflanzen, bei kriminaliſtiſchen Aufnahmen von unſichtbar gewordenen oder ſchwer erkenntlichen Blutflecken, bei Flug⸗ zeugaufnahmen und ebenſo bei geographiſchen und Vermeſ⸗ ſungsaufnahmen im Gelände mit durch Dunſt und Nebel verurſachter ſchlechter Sicht. Die Berliner Vorführungen im Hauſe der Technik wurden von Prof. Eggert⸗Leipzig geleitet, deſſen Autorität auf dieſem Gebiet auch für die Ernſthaftig⸗ keit der Sache bürgt. Es wird intereſſieren und wohl auch den wenigſten be⸗ kannt ſein, daß es möglich iſt, auch mit ultraviolettem Licht in völliger Dunkelheit Aufnahmen zu machen. Als Beleuch⸗ tungsquelle kommt die Queckſilberdampflampe oder die von Prof. Plotnikow⸗Agram konſtruierte Kandem⸗Bogenlampe in Betracht. Ihre ſichtbaren Strahlen müſſen natürlich auch ausgeſchaltet werden, wozu man Quarzfilter verwendet, die nur für ultraviolette Strahlen durchläſſig ſind und mit einer dünnen Silberſchicht überzogen werden. Als Platten genü⸗ gen für die meiſten Zwecke die gewöhnlichen Extrarapidplat⸗ ten, deren höchſte Empfindlichkeit ja ſchon von Natur aus im Bereiche des Blau⸗Violett und Ultraviolett liegt. Nur be⸗ ſteht inſofern ein Unterſchied zu den Aufnahmen mit infra⸗ rotem Licht, als die ultravioletten Strahlen die merkwürdige Eigenſchaft haben, auf vielen Körpern ſtarke Fluoreſzenz und Phosphoreſzenz, d. h. Schimmererſcheinungen hervor⸗ zurufen, ſo daß alſo das Geſicht der aufzunehmenden Perſon magiſch aufleuchtet. Dieſer Schimmer iſt allerdings ſo ſchwach, daß er die Dunkelheit nicht aufheben kann. Die Be⸗ lichtung erfordert nur wenige Sekunden, und die Entwicklung der Platten iſt die übliche. g Sport vom Sonntag Der ſüddeutſche Fußball hatte wieder Hochbetrieb, und der großen Zahl der Spiele entſprach auch die„Saftigkeit“ und Anzahl der Ueberraſchungen. Da ließ ſich im Gau Südweſt der Spitzenreiter 1. FC Kaiſerslautern zu Hauſe 0:5 von Wiesbaden hereinlegen, die Eintracht verlor in Worms ebenfalls, allerdings nur knapp 1:2. Al.⸗Ol. Worms holte auf dem heißenn Saarbrücker Boden einen 3:2⸗Sieg gegen die Sportfreunde. FSV und Kickers Offen⸗ bach trennten ſich 2:2, Mainz und Boruſſia Neunkirchen ſpielten 2:1. Die Pirmaſenſer aber unternahmen einen energiſchen Vorſtoß zur Tabellenspitze; der klare 2:0⸗Sieg in Ludwigshafen über Phönix läßt von den Schlappenſtädtern noch allerhand erwarten. Auch im Gau Baden gab es nette „Sächelchen“. Der KF wurde von den Freiburger Sport⸗ freunden 2:4 geſchlagen, Phönix Karlsruhe tat ſich mit Mühlburg recht ſchwer, bis ein ſehr, ſehr knapper 2:1⸗Sieg fertig war. Im Mannheimer„Spiel der Spiele“ gab es einen 1:0⸗Sieg der Waldhöfer Platzherren über den auf zehn Mann dezimierten VfR. Und Brötzingen meldete ſich ſchließlich durch einen 3:1⸗Sieg über Neckarau auch wie⸗ der zu Worte. In Württemberg gab es nur drei Spiele, bei denen der VfR heilbronn die erſten Punkte durch einen Sieg über SC Stuttgart holte. Die Kickers beſiegten die Sportfreunde mit 3:1 und FV Ulm 94 und Feuerbach trenn⸗ ten ſich in Ulm unentſchieden. 4 a Bei den badiſchen Gauliga⸗Handballſpielen gab es ein überraſchendes Unentſchieden des S Waldhof in Nußloch. während VfR überraſchend ſicher 6:0, auf dem Lindenhof gegen 08 ſiegte. Die Karlsruher Poliziſten gewannen in Durlach und die Turner aus Ettlingen knüpften dem Mann⸗ heimer Phönix in Mannheim beide Punkte ab. In Ketſch gab es einen knappen Sieg der Platzheren über Hockenheim. In Pfalz⸗Saar ſiegte Pfalz Ludwigshafen über die Og⸗ gersheimer Vereinigten und feſtigte damit ſeine Favori⸗ tenſtellung, VfR aiſerslautern ſiegte in Neunkirchen, während die Frieſenheimer in Merzig die Punkte laſſen mußten.. 5 8 f Dienstag. 7. ov. 1953 8 —— CCC n r Der Datte kommt Aus dem alten ſchwäbiſchen Volkstum. Es hatte ſich in dem Dorf Steinhofen allmählich her⸗ umgeſprochen, daß in der letzten Zeit beim Schuſter Jochen Berbele häufig Ehezwiſtigkeiten vorgekommen waren. Für Augenblicke war aber dann der Friede in der Ehe wieder⸗ hergeſtellt, und man konnte die beiden zänkiſchen Eheleute manchmal nach Feierabend ſogar friedlich nebeneinander auf der Bank vor dem Hauſe ſitzen ſehen. Jetzt jedoch ſchien es bei ihnen wieder drunter und drüber zu gehen. Wenn man an ihrem Hauſe vorüberkam, hörte man entweder den Schuſter auf ſeine Frau ſchimpfen oder die Frau mit ſchar⸗ fen, ausfallenden Worten über ihren Mann herziehen. Einige aus dem Dorf wollten ſogar wiſſen, daß ſie kürzlich mit Schuſterkugeln aufeinander eingeſchlagen hätten. Dem Nachbar Reiff war das Treiben der beiden Schu⸗ ſtersleute ſchon lange zuwider, und er hielt es jetzt für an⸗ gebracht, von Orts wegen zwiſchen ihnen Frieden zu ſtiften. Er ſuchte die alten Bauern des Dorfes auf, um ſie zu ver⸗ anlaſſen, einen Datten, einen Dorfvater, zu wählen, damit er wieder Frieden in die Ehe des Schuſters Jochen Berbele bringe. Die Bauern kamen überein, den ehrenwerten Land⸗ wirt Johann Deubele zum Datten zu wählen. Vor einigen Jahren hatte man ihm ſchon einmal dieſe Ehre und dieſes Amt übertragen. In aller Stille ernannte er wieder den Dorfſchmied und den Lehrer zu ſeinen beiden Helfern. In ſpäter Nacht, als es in Steinhofen völlig ruhig war und auch im Hauſe des Schuſters Frieden herrſchte, zog Jo⸗ hann Deubele mit ſeinen beiden Helfern nach dem Hauſe Jochen Berbeles. Sie legten dort alle drei lauſchend die Ohren an die Fenſterladen und vernahmen das Schnarchen tiefen Schlafes. Dann klopften ſie laut an die Fenſterladen und hörten, wie die Schuſtersfrau nach ihrem Mann rief, ohne auf das Klopfen Antwort zu geben. Um ſo lauter ließ der Datte dann noch einmal ſein Klopfen vernehmen. Jetzt rief der Schuſter mit ſchläfriger Stimme:„Wer iſt da?“ Und klar und mahnend antwortete Johann Deubele: Der Datte kommt!“ Die Schuſtersleute wußten, was das zu bedeuten hatte, und befleißigten ſich, wieder wie in früheren Jahren eine friedliche Ehe zu führen. Aber die Ermahnung hatte nur für ein paar Tage gewirkt. Nach einer Woche lagen ſie ſchon wieder wie Katze und Hund im Streit. Da zog 5 Deubele in einer dunklen Nacht wieder mit ſeinen beiden Helfern vor das Haus des Schuſters Jo⸗ chen Berbele, um die zweite Ermahnung an das zänkiſche Ehepaar ergehen zu laſſen. Diesmal aber klopften ſie der af Sitte getreu ſchärfer an die Fenſterladen, ſo daß dar⸗ über ſofort beide Eheleute erwachten. Der Schuſter ſchien er⸗ raten zu haben, daß dieſe nächtliche Störung wieder mit ſeiner zänkiſchen Eheführung zuſammenhing, und frangte ganz Keinlaut:„Wer iſt da?“ Aber um ſo ſchärfer rief der Land⸗ wirt Johann Deubele:„Der Datte kommt!“ und zog mit ſeinen beiden Helfern wieder von dannen. Abermals ſchien es, als wenn die Drohung des Datten Erfolg gehabt hätte. Es herrſchte für einige Tage Ruhe im Hauſe des Schuſters. Man ſah die Eheleute ſo friedlich und eine Poſtkutſche. bald nach der Ab⸗ Tages mit neuen wu Wien. Wie gewöhnlich ſich. daß er kei⸗ der Taſche hatte und nicht einmal einig zuſammen wie ſeit langem nicht. Und mancher der Nachbarn glaubte ſchon, daß der Datte das dritte Mal nicht wieder zu kommen brauche. Aber da flammte auch ſchon die alte Zwiſtigkeit zwiſchen den Schuſtersleuten von neuem auf. n man an ihrem Hauſe vorüberging, hörte man Schimpfen und 0 Und als Jochen Berbele eines chuſterkugeln aus der Stadt kam, da te jeder, daß die alten Kugeln bei einem Streit in Stücke gegangen waren. Als dann am nächſten Tage ein Schuh im Hauſe des Schuſters das Fenſter zertrümmerte und in hohem Bogen auf die Dorfſtraße fiel, war ſich jeder darüber klar, daß in der Ehe der Schuſtersleute nur durch das dritte Eintreten des Datten Frieden geſchaffen werden könne. Pflichtbewußt ſuchte deshalb der Landwirt Johann Deu⸗ bele die Nachbarn Jochen Berbeles auf, um ſich bei ihnen eerſtgeln zu erkundigen, wer der ſchuldige Teil an den Zwiſtig⸗ keiten und von ihm zu beſtrafen ſei. Das war freilich nicht ganz leicht herauszufinden. Die Männer gaben der Schu⸗ ersfrau die Schuld und die Nachbarsfrauen wieder dem Schuſter. Immerhin konnte er feſtſtellen, daß wohl beide einen Teil Schuld hätten, aber der Schuſter doch den be⸗ deutend größeren. Und er beſchloß daher, nur dem Schuſter die ſittengetreue Strafe zu verabreichen, die in der ganzen Gegend, ſolange man denken konnte, faſt immer geholfen hatte. Er war ſich darüber klar, daß die Beſtrafung des Schuſters auch ſeine Frau zur Einſicht und Beſſerung ver⸗ anlaſſen würde. Er beſtellte dann eines Nachts den Lehrer und den Dorfſchmied zu ſich ins Haus, verkleidete ſie dem alten Volks⸗ brauch entſprechend von oben bis unten, übergab jedem einen handfeſten Knüttel und machte ſich dann, nachdem die Kirch⸗ turmuhr die Mitternachtsſtunde verkündet hatte, mit ihnen auf den Weg zu den Schuſtersleuten. Dort ſtiegen ſie in die Schlafkammer, ergriffen Jochen Berbele, der flehentlich um Schonung bat, und verabreichten ihm mit ihren Knütteln die verdiente Strafe. Er jammerte und gelobte Beſſerung, und auch die Schuſtersfrau bat um Schonung für ihren Mann und verſprach, künftig für Frieden in der Ehe zu ſorgen. Nachdem die Knüttel das übliche Strafmaß verabreicht hatten, zog der Datte mit ſeinen beiden vermummten Hel⸗ fern von dannen. Wie ſo mancher Eheriß in der Umgebung von Steinhofen ſchon durch den Datten geheilt wurde, ſo brachte die Strafe des Landwirts Johann Deubele als ehr⸗ würdigen Datten von Steinhofen auch Jochen Berbele und ſeine Frau zur Einſicht und machte ſie wieder zu vorbild⸗ lichen, friedlichen Eheleuten. Hermann Albrich⸗Hannibal. Eröffnung der„Kamera“ in Berlin. In Berlin wurde die große photographiſche Ausſtellung „Die Kamera“ feierlich eröffnet. Unſer Bild gibt einen Ueberblick über eine der Ausſtellungshallen. 700 Jahre„Sachſenſpiegel“ RV. Auf der Burg Falkenſtein bei Ballenſtedt im Oſtharz wurde dieſer Tage in einem feierlichen„Thing“ ein Gedenkſtein für den Schöpfer des„Sachſenſpiegels“, Eike von Repkow, eingeweiht. Als Schöffe hat dieſer mittelalter⸗ liche Richter bis zum Jahre 1233 nach den Geſetzen jenes uralten deutſchen Weistums Recht geſprochen, das vor 700 Jahren von ihm zum erſten Male im„Sachſenſpiegel“ ſchrift⸗ lich niedergelegt Burde. Die über dem Selketal aufragende Burg wurde unes Jahr 1100 erbaut und überdauerte die Jahrhunderte uneingenommen und unzerſtört. Mit ihren mäch⸗ tigen Räumen, die mit Waffen und Jagdtrophäen, mit Bil⸗ dern, alten Möbeln und anderen Kunſtwerken geſchmückt ſind, offenbart ſie noch heute das kraftvolle Selbſtbewußt⸗ ſein eines deutſchen Ritters und Edelmannes. Hier ſchrieb Eike von Repkow zwiſchen 1224 und 1235 im Auftrage des Quedlinburger Stiftsvogtes, Graf Hoyer von Falkenſtein, in lateiniſcher Sprache ſeinen„Spigel der Saxen“, deſſen Ori⸗ ginal ſich jetzt in der Staatsbibliothek zu Berlin befindet. Nundfunk⸗ Programme 8 Stuttgart und Freiburg 1. Br.(Südfunk). Dienstag, 7. November: 10.10 Schulfunk; 10.40 Bunt bis Kunterbunt; 14.30 Blumenſtunde; 15.10 Eine Stunde im Lehrerſeminar; 18 Zur Unterhaltung; 20 Vortrag des Reichsbundes für deutſche Sicherheit; 20.10 Am laufenden Band, bunte Folge; 23 Nachtmuſik und Tanz; 24 Von deut⸗ ſcher Seele. Mittwoch, 8. November: 10.10 Frauenſtunde; 10.40 Klaviermuſik; 14.30 Jugendſtunde; 15.30 Geſchichten für die Kleinen; 16 Der Liebestrank, Querſchnitt durch die Oper von Donizetti; 17 Mit Hitler in die Macht, Vorleſung; 18 Zur Anterhaltung; 20.10 Abendkonzert; 21.15 Allerlei Humor— und zwiſchendurch Muſik; 23 Großes Walzerpotpourri; 24 Nachtmuſik. Donnerstag, 9. November: 10.10 Neue Lieder für Kinder; 10.30 Italieniſche Muſik; 11.10 Männerchöre, 15 Märchenſtunde; 18 Ziehharmonika, bunte Folge; 20.10 Bun⸗ tes Konzert; 23 Unkerhaltungskonzert; 24 Nachtmuſik. Freitag, 10. November: 10.10 Zu Schillers Geburts⸗ tag; 15 Blasmuſik; 18 Zur Unterhaltung; 20.10 Abendkon⸗ zert; 21 Und alles iſt Muſik; 21.30 Fortſetzung des Kon⸗ zerts; 23 Nachtmuſik; 24 Vom Schicksal des deutſchen Geiſtes. Samstag, 11. November: 10.10 Wiener Allerlei; 12.35 Aus aller Welt; 14.30 Jugendſtunde; 15.15 Lernt Morſen; 15.30 Bayeriſche G'ſtanzeln; 18 Zur Anterhaltung; 20.10 Buntes Konzert; 23 Sternſchnuppen, bunte Stunde; 24 Nachtmuſik. Frankfurt a. M. und Kaſſel(Südweſtfunt). Dienstag, 7. November: 10.45 Praktiſche Ratſchläge für Küche und Haus; 14.40 Der Hausfrau zur Erholung; 18 Wie es euch gefällt; 20.10 Am laufenden Band, bunte Folge; 22.45 Unterhaltungsmuſik; 24 Von deutſcher Seele. Mittwoch, 8. November: 10.10 Schulfunk; 14.30 Ju⸗ gendſtunde; 16 Der Liebestrank, Querſchnitt durch die Oper von Donizetti; 17 Mit Hitler in die Macht, Vorleſung; 17.20 Buntes Allerlei; 18 Zur Unterhaltung; 20.10 Abendkonzert; 21.15 Allerlei Humor; 22.45 Unterhaltungsmuſik; 23 Gro⸗ ßes Walzerpotpourri.. Donnerstag, 9. November: 10.45 Praktiſche Ratſchläge für Küche und Haus; 14.40 Jugendſtunde; 18 Ziehharmonika, nuftk. Folge; 20.10 Buntes Konzert; 22.45 Unterhaltungs⸗ muſik. Freitag, 10. November: 14.40 Der Hausfrau zur Er⸗ olung; 18 Zur Unterhaltung; 20.10 Abendkonzert; 21 nd alles iſt Muſik; 21.30 Fortſetzung des Konzerts; 22.45 Anterhaltungsmuſik; 24 Vom Schicksal des deutſchen Geiſtes. Samstag, 11. November: 10.10. Schulfunk; 12.35 Aus aller Welt; 14.30 Jugendſtunde; 15.15 Lernt morſen; 18 Schön iſt die Welt!, Schallplatten; 20.10 Buntes Konzert; 22.45 Unterhaltungsmuſik: 23 Sternſchnuppen, bunte Stunde. Man ſchrieb das Jahr 1763. Der Prinz de Ligne war zu einem kurzen Beſuch von Prag nach Wien gekommen, um die gefeierte Opernſängerin Sonja Klee durch einige Geſchenke zu überraſchen. Als er in die Vorhalle ihrer Beſitzung eintrat, wurde er von einem entzückenden Kammerkätzchen empfangen. „Verzeihung, Hoheit“, ſagte ſie mit geſenkten Augen. „die gnädige Frau iſt jetzt leider nicht zu ſprechen.“ „Aber ſie erwartet mich doch!“ rief der Prinz empört. Die Kleine ſah verlegen zu Boden und ſchwieg. Der Prinz hob ſanft ihr Kinn empor und wiederholte ſeine Frage. „Iſt Beſuch da?“ erkundigte er ſich ſtirnrunzelnd. Das Mädchen zögerte.„Ich weiß nicht, ob ich es ſagen darf“, meinte ſie naiv. Nun entnahm der Prinz ſeiner Börſe einige Goldſtücke und ließ ſie wortlos in die Taſche ihres weißen Schürzchens gleiten.„Alſo ſchönes Kind, wer iſt da?“ „Der Herr General Graf Eſterhazy.“ Für einige Sekunden wurde es ſtill. Das Geſicht des Prinzen verfärbte ſich. Er wußte, daß er in dem Falle zu⸗ rücktreten mußte. Er war nicht nur jünger an Jahren. auch in ſeinem militäriſchen 14 Range ſtand er weit hinter dem verdienten General zurück. Mißmutig und im Zeichen gedemütigter Empörung verließ er das Haus. f Einige Wochen ſpä⸗ ter fuhr der Prinz wie⸗ derum von Prag nach mietet er auch diesmal Aber reiſe erinnerte er nen Heller in. die erſte Station be⸗ zahlen konnte. Dieſe Mittelloſigkeit war bei dem Prinzen kein ſeltenes Vorkommnis. Sie verfolgte ihn bis in ſein hohes Alter, da eine beſondere Tücke des Schick⸗ ſals das Gold zwiſchen ſeinen Fingern zerfließen ließ. Er litt an beiſpielloſer Verſchwendungsſucht, und die Ueber⸗ lieferung berichtet. daß er die väterliche Jahresapanage manchmal in einer Nacht durchbrachte. Aber bei allem war er ſtets in beſter Laune, ein fröhlicher Geſelle, der ſich durch nichts ſeinen Humor verderben ließ. Auch jetzt, da er die betrübliche Feſtſtellung ſeiner leeren Börſe gemacht hatte, blieb er in gehobener Stimmung. Er trällerte eine luſtige Melodie vor ſich hin und überlegte da⸗ bei, wie es zu ermöglichen wäre, daß er ohne Geld bis nach Wien komme. Aber jeder noch ſo kühne Plan ſcheiterte an dem Umſtand, daß er ohne Begleitung reiſte. Im letzten Augenblick, wenige Kilometer vor der erſten Station, kam ihm der Zufall zu Hilfe. Kurz hinter einer Wegbiegung überholte die Poſtkutſche eine elegante Karoſſe, in der Ge⸗ neral Eſterhazy ſaß. Das war die Rettung! Als der Prinz die erſte Poſtſtation erreicht hatte, ließ er ſich ein königliches Mahl vorſetzen und verzehrte es mit beſtem Appetit. Dann rief er den Wirt zu ſich heran und ließ ihn Platz nehmen. „Mein Kompliment, mein Freund! Ihr Eſſen hat aus⸗ gezeichnet gemundet. Aber leider beſitze ich kein Geld, um es zu bezahlen.“ Das rundliche Geſicht des Wirtes wurde rot vor Zorn. „Ich will nicht hoffen, mein Herr, daß das Ihr Ernſt iſt!“ diger er ſtreng.„Ich müßte ſonſt die Gendarmerie verſtän⸗ igen Der Prinz lachte auf.„Auch dann, wenn ich Ihnen ſage, daß ich der Prinz de Ligne bin, und um nichts in der Welt ehrenwerte Leute um ihr Geld bringen möchte?“ „Hoheit verzeihen!“ entſchuldigte ſich der Wirt unter tiefer Verbeugung. „Schon gut!“ wehrte der Prinz großmütig ab.„Doch hören Sie mich an. Da ich in großer Eile bin, habe ich die Poſtkutſche gemietet und laſſe meinen Diener in der Equi⸗ page nachkommen. Er iſt auf dem Wege hierher und muß bald eintreffen. Er wird Ihnen die Kleinigkeit bezahlen.“ Der Wirt verbeugte ſich wiederum und meinte ehrer⸗ bietig:„Zu Befehl, Hoheit!“ „Apropos“, fügte der Prinz hinzu,„daß ich nicht ver⸗ geſſe. Mein Diener iſt ein etwas komiſcher Kauz. Sobald er die Uniform trägt, bildet er ſich ein, er ſei ein Huſaren⸗ general. Er iſt nicht mehr ganz bei Sinnen.“ „Ah, ich verſtehe!“ „Jedenfalls laſſen Sie ihn nicht eher fort, bevor er nicht alles bezahlt hat.“ „Unbeſorgt, Eure Hoheit!“ Wenige Minuten ſpäter verließ der Prinz den Gaſthof, beſtieg die Poſtkutſche und jagte in ſchneller Fahrt davon. e 7% 1000 f 0 0 . N ee 0 10 n 1 2 2 E a Wenige Minuten ſpäker verließ der Prinz den Gaſthof und jagie in ſchneller Fahrt davon. Der ahnungsloſe General Eſterhazy wurde in der Tat auf jeder Station angehalten. Wiewohl er gegen dieſes Vor⸗ gehen energiſch proteſtierte und ſich darauf berief, daß er Edelmann ſei, Ungar und Huſarengeneral, mußte er für den Leichtſinn des Prinzen de Ligne aufkommen. Man lachte ihn einfach aus. wenn er irgendwelche Einwendungen vor⸗ zubringen ſuchte. Er war ja nicht ganz bei Sinnen, hatte der Prinz geſagt. Und nach dem hochtrabenden Auftreten des Generals war nicht daran zu zweifeln. Schäumend vor Zorn mußte Eſterhazy. der vom Kaiſer nach Wien berufen worden war, die Zeche„ſeines Herrn“, über deſſen Namen ſich die wohlerzogenen Gaſtwirte in Schweigen hüllten, bezahlen, denn ohne dieſe Erledigung verweigerte man ihm die Pferde. Anfangs hielt er die Sache für einen Scherz, aber als ſich dieſer Vorgang auf jeder Station bis nach Wien wiederholte, erkannte er, daß er der Rache eines ihm übelgeſinnten„Individuums“ zum Opfer gefallen war. Das Tollſte Zu Friedrich dem Großen kamen Bittſteller aus allen Provinzen Preußens. So erſchien eines Tages auch ein Bauer in Sansſouci und wartete im Park auf den König, um ihm ſein Anliegen vorzutragen. Der König ſchickte einen Kammerhuſaren, ließ dem Bauern das Geſuch abnehmen und ſogleich ausrichten: die Sache ſolle geregelt werden. Der Bauer konnte in ſeinem Heimatdorf nicht genug von den Wundern aus Potsdam erzählen.„Und das Tollſte“, ſagte er,„das Tollſte, der König ging ſelbſt ſpazieren.“