32 2. Blatt au Mr. 102 Deuiſche A⸗Boote Im britiſchen Unterhaus gab Sir John Simon Kenntnis von einer Mitteilung der deutſchen Regierung, wonach Deutſchland Anweisung für den Bau von zwölf Unterſee⸗ booten von je 250 Tonnen gegeben hat. Mit großer Freude hat das deutſche Volk dieſe Nachricht aufgenommen, die den erſten Schritt zum Wiederaufbau einer der Bedeutung des Reiches würdigen und angemeſſenen Flotte darſtellt. Die eringe Zahl und die geringe Tonnage dieſer neuen Unter⸗ ge beweiſen, daß ſie nicht zu Angriffszwecken gegen irgendein Land gebaut werden, vielmehr ein beſcheidenes, wenn auch bedeutungsvolles Glied der ja offen vor aller Welt angekündigten Wiederherſtellung einer Wehrmacht, zu der ja auch die Flotte gehört, bilden. Daß der Bau deut⸗ ſcher Unterſeeboote bei jenen, die Deutſchland gerne wehr⸗ los halten möchten, nicht gerade mit Beifall aufgenommen wird, wußten wir im voraus; das ficht uns aber nicht an. Hören wir einmal, wie man jenſeits des Kanals— deutſche U-Boote waren ja im Weltkrieg der Schrecken der Briten— und in anderen Ländern auf den deutſchen Entſchluß reagiert. Der parlamentariſche Berichterſtatter der„Times“ ſchreibt u. a., die Mitglieder des Unterhauſes hätten keinen Verſuch gemacht, ihre Beſorgnis über Deutſchlands Beſchluß, U⸗Boote zu bauen, zu verheimlichen. Die außenpolitiſche Ausſprache am Donnerstag werde ſich zum größken Teil um dieſe Frage drehen. In einer Meldung der Preß Aſſociation zu dieſem Thema heißt es u. a., die von Simon im Unter⸗ haus abgegebene Mitteilung, daß die deutſche Regierung zwölf U-Boote beſtellt habe, habe auf die Mitglieder aller Parteien den Eindruck einer ernſten Entwicklung der euro⸗ päiſchen Lage gemacht. In vielen Kreiſen glaube man, daß der Beſchluß der deutſchen Regierung, U⸗Boote zu bauen, eine herausfordernde Antwort auf die Verurteilung einſei⸗ tiger Vertragsverletzung durch den Völkerbundsrat darſtel⸗ len ſolle. Die außenpolitiſche Unterhausausſprache am Don⸗ nerstag dürfte beinahe ausſchließlich der Wirkung der deut⸗ ſchen Politik auf die europäiſche Sicherheit gelten. Der deut⸗ ſche Anſpruch auf Gleichberechtigung habe ſtets Freunde bei allen Parteien des Parlaments gehabt, aber die letzten Er⸗ eigniſſe hätten dieſe Stimmung beträchtlich verändert. Das ganze Unterhaus ſtehe nunmehr unter dem Eindruck der Schwierigkeiten, die die Miniſter bei dem Verſuch hätten, Deutſchland zu einem Beitrag zur Befriedung Europas zu veranlaſſen. Nach den neueſten Vorkehrungen werde die Ausſprache von Macdonald eröffnet und von Simon abge⸗ ſchloſſen werden. Lonsbury werde für die Arbeiteroppoſi⸗ tion ſprechen und weitere Beiträge würden u. a. von Sir Auſten Chamberlain und Winſton Churchill zu erwarten ſein. Der franzöſiſche Marineminiſter Pietri iſt in London eingetroffen, um der Vermählung der Tochter des britiſchen Marineminiſters Sir Bolton Eyres Monſell beizuwohnen. Man nimmt an, daß er die Gelegenheit benutzen wird, um mit ſeinem engliſchen Kollegen u. a. die Frage des deutſchen Unterſeebootbauprogramms zu erörtern. Der Beſchluß der Reichsregierung, die Wehrfähigkeit Deutſchlands auch zur See wieder herzuͤſtellen, wird von der franzöſiſchen Preſſe vorläufig noch mit einiger Zu⸗ rückhaltung beurteilt. Die Blätter nehmen augenblicklich noch die Haltung eines aufmerkſamen Beobachters ein und beſchränken ſich im weſentlichen auf eine ſehr ausführliche Wiedergabe engliſcher Preſſeſtimmen und der Sitzung im engliſchen Unterhaus. Dieſe Haltung ſcheint darauf zurück⸗ been zu ſein, daß Frankreich gerade auf dem Ge⸗ biet der Unterſeeboote vor allen anderen Mächten einen großen Vorſprung hat und ſich deshalb durch de deutſche Maßnahme nicht unmittelbar bedroht fühlt, dann aber auch darauf, daß ſich der franzöſiſche Kriegsmarine⸗ miniſter gegenwärtig in London befindet und man deshalb zunächſt einmal das Ergebnis ſeiner dortigen Beſprechun⸗ gen abwarten möchte. 5 Im übrigen beſchränken ſich die Blätter auf die Wieder⸗ gabe der Berichte und Mutmaßungen ihrer Londoner Be⸗ kichterſtatter, die weitere Aufſchlüſſe erſt von der großen außenpolitiſchen Unterhausausſprache am Donnerstag er⸗ warten. Der Außenpolitiker des„Echo de Paris“, Perti⸗ nax, wirft die Frage auf, ob die im Unterhaus behandel⸗ ten deutſchen Seerüſtungen das engliſche Volk nunmehr dazu führen werden, ſich geſchloſſen hinter Macdonald zu ſtellen. Der ſchöne Optimismus gewiſſer engliſcher Kreiſe ſei jedenfalls dahin. Die Reichsregierung habe bewieſen, daß ſie die anderen Völker auf dem Waſſer ebenſo wie zu Lande vor vollendete Tatſachen ſtellen wolle. Der Londoner Berichterſtatter des Blattes meldet, die engliſche Admiralität ſcheine im übrigen geneigt, die neuge⸗ ſchaffene Lage durch den Abſchluß eines Flottenab⸗ ko ens leglfſieren. das die diesbezügliche Klauſel des Verſailler Vertrages abſchaffe. Allerdings be⸗ irchte man auf engliſcher Seite einen heftigen Widerſtand eitens der Mitunterzeichner des Verſailler Vertrages und insbeſondere Frankreichs. Der im Unterhaus beſprochene Bau von zwölf Unter⸗ eebooten findet in der norditalten! ſchen Preſſe leb⸗ haften Widerhall.„Corriere della Sera“ weiſt darauf hin, Deutſchland wieder einmal England und die anderen Seemächte vor eine vollendete Tatſache ſtellen wolle, be gnügt ſich aber im weſentlichen damit, engliſche Preſſeſtim⸗ men zu zitieren.„Gazeta del Popolo“ ſpricht in einem län⸗ geren Artikel von einer neuen Uebertretung des Vertra⸗ 955 von Verſailles durch Deutſchland. Man könne im Hin⸗ blick daß die Zahl und die Größe der Unterſeeboote mei⸗ nen, daß die deutſche Regierung eine größere Beunruhi⸗ ung zu vermeiden geſucht habe, aber es ſcheine, daß ihre bſicht nicht gelungen ſei.„Stampa“ nennt das Einſetzen von zwölf deutſchen U⸗Booten eine Feuerprobe für die engliſche Politik. Schließlich ſei noch die Anſicht japanischer Marinekreiſe zu den geplanten U⸗Bootbauten verzeichnet. Es wird dort erklärt, daß dieſe Ankündigung ſich zwangsläufig z um Schutze gegen Frankreich ergebe. Frankreich iſt mit 91 fertigen, 18 im Bau befindlichen und 25 geplanten Booten England und Italien überlegen. Es kann alſo damsblich von Deutſchland bedroht ſein. Zuzurechnen ſind ann noch die 45 ruffiſchen U⸗BVoote. Ueberdies kann Frankreich beliebig viel U⸗Boote bauen, da es nicht an den undoner Vertrag gebunden iſt und jo ſeine Ueberlegen ⸗ heit beibehalten. Für Ena land iſt die Lage schwieriger. da es nur 52 fertige U⸗Boote und 12 in Bau hat. England muß auf die deutſchen U⸗Boote und gleichzeitig auf die ſranzöſiſche Aufrüſtung achten. In Marinekreiſen iſt man der Anſicht, daß die augenblickliche Entwicklung alle Schiffs⸗ typen betrifft und daß eine Rückwirkung auf die Flotten⸗ konferenz unvermeidbar iſt. Die weiteren Giedlungsaufgaben Geſunde Wohnſtäkten für Arbeiter. Berlin, 3. Mai. Vor dem Berliner Freundeskreis der Deutſchen Akade⸗ mie ſprach am Donnerstag Reichsarbeitsminiſter Seldte über die Weiterentwicklung des Siedlungsweſens. „Vor allen Dingen ſolle der Induſtrie arbeiter wieder mit dem Boden vertraut werden. Er ſolle mit ſeiner Familie in ſeiner Wohnſtätte leben, die Luft, Licht und Sonne habe. Damit werde man ein Geſchlecht gewinnen, das Volk und Vaterland liebe. Für eine minderbemittelte Bevölkerung ſei die Kleinſiedlun g die beſte Siedlungs⸗ form, da ſie der Familie eine Zuſatznahrung ſchaffe. Von dem Siedler müſſe verlangt werden, daß er grundſätzlich ehrbar, national zuverläſſig und erbgeſund ſei. Der Siedler müſſe ein kleines, aber feſtes Einkommen haben. Die Ko⸗ ſten für den Bau und die Einrichtungen ſollten 3000 bis 4000 Mark und die monatliche Geſamtbelaſtung des Sied⸗ lers 20 bis 25 Mark nicht überſchreiten. Bei dem Vorwärtstreiben der Siedlung, durch die die Bauinduſtrie als wichtige Schlüſſelinduſtrie außerordent⸗ liche Vorteile habe, wolle die Reichsregierung auf dem Finanzierungsgebiet neue Wege gehen. Die Finanzierung ſolle auf lange Sicht gemacht werden. e 51 1. 7215 12 5 Privatkapitals in Anſpruch nd notfalls auch mit Reichsbürgſchaften fü i Hypotheken arbeiten. 1 ee Der Miniſter richtete an die Geſamtwirtſchaft den Appell, bei dieſem Werk der Kleinſiedlung zu hel⸗ fen. Verſchiedene Induſtriekreiſe hätten ſich ſchon bereit⸗ erklärt, zu dem aufgebrachten Kapital noch 20 v. H. hinzu⸗ zubringen, ſo daß die Siedlertätigkeit ganz erheblich geſtei⸗ gert werden könne. Grundſätzlich ſolle der Siedler 20 v. H. des Boden⸗ und Bauwertes ſelbſt beiſteuern. Er könne auch durch unentgeltliche Mitarbeit aus der eigenen amilie und aus Freundeskreiſen gewiſſermaßen einen Perſonalkredit einbringen. Auch das Siedlungsprojekt ſei ein Teil des Kampfes gegen die Arbeitsloſigkeit, der niemals aufgegeben, ſondern durchgeführt werde, bis möglichſt jeder deutſche Volksgenoſſe ſeinen Arbeitsplatz habe. Der ſchaffenswillige deutſche Menſch ſolle in Zukunft neben ſeiner Arbeiksſtätke aber auch eine Wohnſtätke haben, ein Heim, an dem er hänge. Landgewinnung an der Nordſee Ein großzügiger Zehnjahresplan Darres. . Reichsminiſter Darre hat einen Zehnjahresplan für die ſchleswig⸗holſteiniſche Küſte aufgeſtellt. Die er Plan 1 den Bau von weiteren Dämmen zur Verbindung der Hal⸗ ligen⸗Inſeln mit dem Feſtland, die Ergänzung der Schutz⸗ bauten für die in Abbruch liegenden Ufer, die verſtärkte Durchführung der Anlandungsarbeiten und die Eindeichung der gewonnenen Vorländereien vor. Die Koſten werden mit 85 Millionen Mark veranſchlagt. In den erſten Jahren ſollen etwa 10 000 Arbeitsloſe dabei Beſchäftigung finden. Nach Durchführung der grundlegenden Arbeiten iſt da⸗ mit zu rechnen, daß in etwa 70 bis 80 Jahren der nörd⸗ liche Teil der Küſte bis zur inneren Reihe der Inſeln und Halligen vorgerückt ſein wird. Der Plan ſchätzt die Zahl der neuen Bauernſtellen auf rund 2000 bei einer durch⸗ ſchnitklichen Größe der einzelnen Bauernſtellen von 15 gek⸗ kar. Die Geſamkfläche des Landes, das durch die Anlan⸗ dung und ſchreittweiſe Eindeichung gewonnen wird, wird ungefähr 35 000 Hektar groß ſein. Die Bedeutung des Fahrrades Als das Niederrad die Erbſchaft des Hochrades an⸗ trat, hat wohl kaum ein Menſch die Entwicklung des Fahrrades geahnt. Geſchah es doch zu einer Zeit, als das Arbeits- und Verkehrstempo noch nicht daran dachte, „Rekorde“ aufzuſtellen. Dem Fahrrade wurde eine Volle zugeteilt, die man einem einmal vorhandenen, nicht mehr abzuändernden Gegenſtand widerwillig einräumte. Aber auch hier bewährte ſich das Wort:„Steter Tropfen höhlt den Stein“ und wie ein ganzes Volk durch feſten Wil⸗ len zum Ziele gelangt, ſo wuchs das unſcheinbare Fahrrad im Laufe der Jahrzehnte zu einer immer größeren Macht. Und dieſe zähe Vorwärtsentwicklung, das ſtetige Weiter⸗ dringen hatte in Deutſchland einen Erfolg, wie ſelten vor⸗ her eine Erfindung. Hierbei war es in erſter Linie die Be⸗ ſcheidenh eit, denn durch den geringen Platz, das leichte Ge⸗ wicht, die Beweglichkeit eroberte ſich das Fahrrad immer weitere Anhänger. Auch hier war es die Jugend die bahn⸗ brechend mithalf nnd die dem Fahrrade ſpäter bei den äl teren Volksgenoſſen den Weg ebnete. Wenn das Fahrrad in erſter Linie dem Rennſpoit dien⸗ te, ſo warben ſeine vielen Eigenſchaften ſtetig neue Freunde. auf dem Gebiete des Verkehrs, in Beruf und Erholung Hierbei wechſelten Fahrrad und Fahrer die Nolle, indem das Fahrrad gewiſſermaßen den Fahrer zwang, ſich die⸗ jenige Geſchicklichkeit anzueignen, die er im Straßenoer⸗ kehr unbedingt benötigte. And durch dieſe Geſchicklichkeit eroberte ſich das Fahrrad mit der heranwachſenden Generation die erſte Stelle im Verkehr, bis ein größerer Konkurrent, das Auto, auf dem Plan erſchien. Dieſer Konkurrent ſetzte nun alles daran, ſeinen Gegner auszuſchalten. Doch die Lebenskraft, die dem Fahrrade und, ſeinem Leuker innewohnt, iſt ſtahl⸗ hart. Hierdurch hat ſich das Fahrrad nicht nur im Sport, nicht nur in Erholung der Menſchen ſondern heute ganz beſonders im Straßenverkehr eine Bedeutung erkämpft, die nicht mehr ausgeſchaltet werden kann und die ein be⸗ deutender Faktor wurde, mit dem der Rieſe„Verkehr“ rechnen muß. Freitag, 3. Mai 1936 Paraſiten des Turf Der Rennſport, der die Aufgabe hat, in harter, ſyſte⸗ matiſch aufgebauter Leiſtungsprüfung die für die Zucht ge⸗ eigneten beſten Individuen der edlen Pferderaſſe auszu⸗ leſen, wird faſt ausſchließlich finanziert durch die Erträg⸗ niſſe des Totaliſators, der auf jedem Rennplatz aufgeſtell⸗ ten Wettmaſchine. Soll die Vollblutzucht zur Blüte gelan⸗ gen, ſoll ſie gute Pferde, wie wir ſie dringend für die Lan⸗ despferdezucht gebrauchen, produzieren können, ſo müſſen genügend hohe Rennpreiſe zur Verfügung ſtehen, die es den Beſitzern und Züchtern der Pferde ermöglichen, wenig⸗ ſtens einen größeren Teil der ſehr hohen Unkoſten durch Renngewinne wieder einzubringen. Der Staat allein iſt nicht in der Lage, dieſe Millionenbeträge den Rennver⸗ einen, die die Rennen veranſtalten, zur Verfügung zu ſtel⸗ len. Er gab ihnen dafür die Konzeſſion zur Aufſtellung des Totaliſators, der Wettmaſchine. Das Prinzip, nach dem der Totaliſator arbeitet, iſt ein ſehr einfaches. Man kann auf jedes in einem Rennen laufende Pferd eine Wette abſchließen und erhält dafür ein Ticket. Diejenigen, die nun auf das ſiegreiche Pferd gewettet haben, erhalten nach Abzug der Steuer(16,66 Prozent des geſamten Um⸗ ſatzes) als Gewinn das auf die geſchlagenen Pferde ge⸗ wettete Geld nach dem Rennen ausgezahlt. Erſt durch die Einführung des Totaliſators iſt es mög⸗ lich geworden, dem Rennſport und in wei⸗ terem Sinne der Vollblutzucht diejenigen Mittel zur Verfügung zu ſtellen, die Zucht und Rennſport lebensfähig gemacht haben. Denn die Erträgniſſe der Totaliſatorſteuer fließen den Rennvereinen zur Ausſchreibung der Rennpreiſe zu. Und von den Rennpreiſen und den von den Rennvereinen gege⸗ benen Züchterprämien in Höhe von 10 Prozent der Renn⸗ preiſe leben Rennſport und Zucht. Der Totaliſator, die Möglichkeit, über die Rennen Wetten abzuſchließen, iſt nun einmal der Magnet, der die Beſucher auf die Rennbahn zieht. Das iſt kein verwerfliches Glücksspiel, ſondern der Rennbahnbeſucher hat es durch die genaue Aufzeichnung der bisher gezeigten Leiſtungen der Pferde, die ihm die ſportliche Fachpreſſe neben ſachkundigen Beſprechungen der Chancen der Pferde liefert, ganz in der Hand, ſelbſt ſeines Glückes Schmied zu ſein. Und nebenbei fördert er durch ſein Scherflein, das er der Wettmaſchine anvertraut, den deutſchen Rennſport und in weiterem Sinne die deutſche Landespferdezucht. Selbſtverſtändlich finden ſich auf einem Gebiet, auf dem Geld zu gewinnen iſt, auch die unvermeidlichen Glücksritter und Paraſiten ein, die auf die verſchiedenartigſte und raffi⸗ nierteſte Weiſe für ſich zu ernten ſuchen. Und ſie finden hier leider ein ſehr weites Feld für ihre Schwindeleien. Sie ſuchen den naiven, weniger mit der Sache vertrauten Beſuchern der Rennen einzureden, daß hier mühelos und ohne großes Riſiko viel Geld zu verdienen ſei, nur müſſe man mit den Rennſtällen, den Trainern und Jockeys„gute Beziehungen“ haben. Und die haben ſie ſelbſtverſtändlich. Aber das koſtet etwas, müſſen ſie doch angeblich ihren Ge⸗ währsleuten für den Erhalt der„guten Sachen“ auch tüch⸗ tig zahlen. Das Syſtem, nach dem dieſe Tipſter, ſo nennt man ſie im Rennſport, arbeiten, iſt ſehr einfach und immer erfolgreich. Laufen z. B. in einem Rennen ſechs Pferde, ſo wird jedem der„Kunden“ ein anderes Pferd als tot⸗ ſicherer Sieger bezeichnet. Eines der Pferde muß ja nun gewinnen, einige der Kunden haben alſo wirklich verdient und zahlen gern, wie vorher ausgemacht, einen Teil des Gewinnes. Den anderen wird vorgeredet, daß der Stall in letzter Minute nicht habe gewinnen wollen. Der dümmſte Schwindel wird hier leider immer wieder geglaubt. Marktberichte 1 Mannheimer Kleinviehmarkt vom 2. Mai. Zufuhr: 19 Kälber, 1 Schaf, 8 Schweine, 251 Ferkel und 500 Läufer. Preiſe: Ferkel bis ſechs Wochen 14 bis 18, über ſechs Wochen 19 bis 25; Läufer 26 bis 31.— Marktverlauf: Ferkel und Läufer mittel. Mannheimer Getreidegroßmarkt vom 2. Mai. An der Börſe notierten: Weizen W 15 21.20, W 16 21.40, W' 17 21.70, Ausgleich plus 40 Pfennig; Roggen R 15 17.40, R 16 17.70, R 17 17, Ausgleich plus 40 Pfennig; Braugerſte, inl. 21 bis 22; Winter⸗ und Induſtriegerſte 20 bis 20.75; Futtergerſte Preisgebiet G 7 18.40, G 8 16.70, G 9 16.90, G 11 17.20, Ausgleich plus 35 Pfennig, Qualitätszuſchläge: für jedes Klg. je hl über Durchſchnitt bis 68 Klg. einſchl.: 10 Pfennig ſe 100 Klg., über 68 Klg.: 15 Pfennig je 100 Klg.; Hafer Preisgebiet 9 11 16.40, 5 14 186.90, 5 17 17.20, Ausgleich plus 35 Pfennig; Raps, inl. ab Station 31) Mais mit Sack 21.25, Mühlennachprodukte: Weizenkleie mit Sack Mühlenfeſtpreiſe W 17(XX) 10.85, Roggenkleie mit Sack R 16 10.62, We zenfuttermehl 13.75, Weizennach⸗ mehl 17.50, Ausgleich plus 35 Pfennig; ſonſtige Futter⸗ artikel: Erdnußkuchen 14 50; Sojaſchrot 13; Rapskuchen 12.10; Palmkuchen 13.30; Koko den 15.30; Seſamkuchen 14; Lein⸗ kuchen 15.30(die Preiſe ſtehen ſich von Erdnußkuchen bis Leinkuchen mit Waſſera uß, Ausgleich plus 40 Pfennig, ohne Waſſeranſchluß plus 20 Pfennig); Biertreber mit Sack e Trockenſchnitze!l Fabrikpreis) loſe 9; Rohmelaſſe, oſe 6.16; Steffenſchnitze ſoſe 10.60, Ausgleich plus 35 Pfennig; Rauhfutter: Wi eu, loſes 9.50 bis 10, Luzerne⸗ kleeheu 10.50 bis 11; St. gepreßt(Roggen und Weizen) 5 bis 5.50, dto.(Hafer und„erſte) 5 bis 5.50, dto. gebündelt (Roggen und Weizen) 4.80 His 5.20, dto.(Hafer un Gerſte) 4.80 bis 5.20: Weizenmehl: Preisgebiet 15, Type 790, Mai⸗ Juni 28.05, Preisgebiet 17 28.5; Roggenmehl: Preisge⸗ biet 13, Type 997 Mai Juni 23.80, 13, Type 815 24.30 15 24.20 bezw. 24.70, 16 24.80 bezw. 25.30, zuzüglich 0.50 Mark Frachtausgleich frei Empfangsſtation gemäß Anord⸗ nungen der WB; Weizenmehl mit einer Beimiſchung von 10 Prozent Auslandsweizen Auſſchlag 1.50 Mark per 100 Kilogramm. Mannheimer Wochen marktpreiſe vom 2. Maj. Vom Städtiſchen Büro für Preisſtatiſtik wurden folgende Ver⸗ braucherpreſſe für ein Pfund in Pfennig ermittelt: Kartof⸗ feln 4 bis 4.5; Salatkartoffeln 15 bis 20 Weißkraut 20; Blumenkohl, Stück 20 bis 60; Gelbe Rüben 15 bis 18 Rote Rüben 6 bis 10; Spinat 22 bis 28; Mangold 138 bis 25; Schwarzwurzeln 25 bis 40; Spargeln 40 bis 90, Kopfſalat, Stück 15 bis 40, Feldſfalat 80 bis 100, Lattich 70 bis 805 Rhabarber 6 bis 8 Tomaten 50 bis 60; Radieschen, Büſchel 5 bis 7; Rettich, Stück 15 bis 25, Meerrettich, Stück 20 bis 45, Schlangengurken, groß. Stück 35 bis 70: L Die Frau und ihre Welt Vom ſchlechten und rechten Heimkommen. Was mag davon abhängen, wie man heimkommt?, wird mancher denken. Und doch, es hängt ſehr viel vom rechten oder ſchlechten Heimkommen ab. Wie oft kommt die Mutter ſo müde, abgehetzt, voller Ge⸗ danken und Sorgen vom Einkaufen nach Hauſe. So mancher⸗ lei iſt ihr da begegnet, das ſie aufregte. Sie hat mehr Geld gebraucht zu den Einkäufen, als ſie dachte. Wo iſt das Geld hingekommen?, denkt ſie. Sie hat nicht das beim Einkauf ge⸗ funden, was ſie wünſchte. Ja, wenn ſie mehr Zeit gehabt hätte zum Ausſuchen. Aber 9 wartet die Arbeit. Sie hatte eine Bekannte getroffen, die hat ihr eine beunruhigende Neuigkeit zugetragen. Wie dies ſie aufregt. Ach ja, ſo denkt manche Mutter, ich bin eine geplagte, arme Frau. Wenn ich es ſo gut hätte wie jene da, die haben Geld, die ſchicken das Mädchen einkaufen, oder deren Arbeit wird getan, während ſie einkaufen gehen. Wie viele Mütter kommen in ſolch erregtem Zuſtande nach Hauſe. Aber ſo ſoll es nicht ſein. Denn in ſolchem Zuſtande iſt man gar zu leicht aufgelegt, die Kinder, die einem entgegen springen, mit Schelten zu empfangen, und den Mann mit einer böſen Miene, die ſeine gute Laune verdirbt. Liebe Mutter, hat dich unterwegs etwas Schlimmes, etwas Aergerliches an⸗ efochten, mache es mit ihm ſo wie mit dem Schmutz an deinen Schuhen. Du verſäumſt nicht, deine Schuhe vor der Tür gut abzuputzen, ehe du eintrittſt. Laß doch auch all das Aergerliche, das Bittere, das dir unterwegs begegnete, draußen; ſtreife es vor der Tür deiner Wohnung ab, wie den Schmutz von deinen Schuhen. Laß dir Frohſinn und Heiterkeit in den Sinn kommen, wenn du dein Heim betrittſt, und bringe Sonne mit. Sage, anſtatt über die böſe Welt da draußen zu ſchimpfen, lieber:„Jetzt bin ich aber froh, daß ich wieder bei euch bin!“ Froh ſollſt du nach Hauſe kommen, Mutter, und ebenſo freundlich die empfangen, die zu dir heimkommen: deinen Mann und deine Kinder. Ihnen geht es genau ſo wie bei ihrer Arbeit draußen in der Welt. Manche Sorge hängt ſich an deinen Mann. Berufsgedanken, Berufsärger machen deinem Manne Herz und Sinn ſchwer. Erziehe ihn dazu, dieſe in ſeiner Arbeitsſtätte zu laſſen oder unterwegs abzuladen. Und wenn er das nicht kann, wenn dein Mann dir ſein Herz ausſchütten will, dann denke daran, daß du ſein Kamerad biſt, daß er einen haben muß, der ihm aufmerkſam zuhört, wenn er ſich aus⸗ ſprechen will. Sage ihm dann ein liebes, tröſtendes, aufmun⸗ terndes Wort. Zeige, daß du ihn verſtehſt. In ſolchen Stunden nimmt dein Mann auch einen guten Rat von dir an. Vergiß das nicht, und mache ihm darum das Herz durch Vorjammern deiner Nöte nicht noch ſchwerer. Ja, und dann die Kinder. Wenn die heimkommen, bringen ſie manches mit, was nicht geeignet iſt, deine Mienen, liebe Mutter, freundlicher zu machen, zum Beiſpiel ſchmutzige Schuhe und Kleider, zerriſſene Hoſen, ein verweintes Geſicht, Zorn und Zank und Streit. Ach ja, da möchte manche Mutter aus der Haut fahren, wenn ſie ſo etwas ſieht, und ein Strafgericht los⸗ laſſen. Aber, liebe Mutter, die Kinder bringen nicht nur Un⸗ erfreuliches heim, ſondern auch manche Freude: einen Blumen⸗ ſtrauß, eine große Neuigkeit, ein Schulerlebnis. Denk an dies Erfreuliche, wenn ſie mit Unerfreulichem heimkommen. Zeige ihnen kein zorniges Geſicht, das ihnen ſofort ſagt, daß ſie nicht willkommen ſind. Höre ſie an, zeige, daß du ſie zu verſtehen ſuchſt. Dann kannſt du ihnen auch das Unerfreuliche ab⸗ ewöhnen und zum Beiſpiel dem Wilhelm mit den ſchmutzigen Schuhen ſagen: „Ja, dein Blumenſtrauß iſt ſchön; aber vor der Tür liegt eine Matte, wenn du da dir die Schuhe abgeputzt hätteſt, würde auch der Blumenſtrauß mich noch mehr freuen.“ Und wenn dein Schulkind in der Schule etwas Neues ge⸗ lernt hat und es dir ſchnell aufſagen will, babe es nicht fort, liebe Mutter, indem du ihm ſagſt:„Jetzt habe ich keine Zeit; ich muß fetzt kochen!“ Nimm dich zuſammen, liebe Mutter! Opfere von deiner knappen Zeit eine ganz kleine Spanne den Heimkehrenden Zeige ihnen, daß dein Herz ſich auf ihr Heim⸗ kommen ebenſo freut wie die ſaubere gemütliche Wohnung. Dann kannſt du gewiß ſein, daß alle gern zu dir e M. Das Kind in ſeinem Spiel Die größte Kunſt der Erziehung ſcheint mir darin zu beſtehen, die Kinder zwar immer zu bemerken, aber ohne es ihnen je wiſſen zu laſſen, daß man ſie bemerkt und leitet. Hufeland, Guter Rat an Mütter. Es gibt Mütter, die meinen, ihre Pflicht zu erfüllen, wenn ſie ſich den ganzen Tag mit ihren Kindern, angefan⸗ en mit dem Kleinkind, das noch kaum laufen kann, be⸗ ſchäftigen und mit ihnen ſpielen. Sie begehen einen Fehler, dem man häufig begegnet: Sie machen ſich zum Spielge⸗ 1 ten, anstatt nur zum Gefährten ihres Kindes. ohl ſoll die Mutter Gefährte, Kamerad ſein und an allen Erlebniſſen ihrer Kinder verſtändnis⸗ und liebevoll teilneh⸗ men, aber immer nur als Mutter, nie als„Auchkind“. Viele Kinder ſind für dieſes bewußte und oft allzu unwahr⸗ ſcheinliche Hinabſteigen der Mütter zur Kindlichkeit ſehr empfindlich und lehnen es nicht ſelten durch plötzliches Ver⸗ tummen ab. Iſt ein Kind zu ſehr an das dauernde Mitſpie⸗ en der Mutter gewöhnt, um ſolche feinfühlige Kritik noch üben zu können, iſt es auch gleichzeitig für ſelbſtändiges Spie⸗ len verloren. Und das iſt ein großer Schaden, den die über⸗ eifrige Mutter ihm angetan hat. Gewiß erinnert ſie ſich auch nicht mehr ihrer eigenen Kindheit, ſonſt wüßte ſie, daß die durch Erwachſene un⸗ geſtörte Geſchloſſenheit des Spiels gerade ſein größter Reiz iſt. Deshalb mißglückten ja die Spielſtunden, die vor einigen Jahren verſuchsweiſe in den Stundenplan mancher Schu⸗ len eingeſchoben wurden, ſo kläglich. Denn das Kind will bei ſeinem Spiel nicht geführt werden. Da will es ungeſtört Eigenes hervorbringen. Das eben iſt ſein Spiel und ſeine Eſholung Hierzu bedarf es einer gewiſſen Einſamkeit, eines Fürſichſeins. In den heutigen ſachlichen Wohnungen ſucht man aber meiſtens vergebens nach einer Spielecke für die Kinder. Vielleicht ſteht irgendwo ein e wiſchen Wand und Schrank eingeklemmt, das Geringe, das ſonſt an Spielſachen vorhanden iſt, iſt in einem Schiebfach „aufgehoben“. In ſolchen Kindern wird aller geſunde Spieltrieb, alles Schöpferiſche, das ſich in ihrem Spiel offen⸗ baren, ausleben, weiterentwickeln möchte, zugeſchüttet und erſtickt, und dadurch verkümmert ein wertvoller Teil ihres kindlichen Seelenlebens. Keine Mutter darf vergeſſen: Das Kind braucht eine Spielecke ſo nötig, wie es ein Bett braucht. In dieſer Spiel⸗ ecke muß es nach Gutdünken ſchalten und walten dürfen. Sie mag klein ſein, aber ſie muß da ſein. Sie unterliegt vie⸗ len Wandlungen. Beim Jungen urſprünglich eine kleine Baſtelwerkſtatt, beim Mädchen ein Schlafzimmer für Pup⸗ nkinder, kann es bei beiden durch vorgeſtellte Stühle mit 1 Decken zur e! werden, durch einen aufgeſpannten Regenſchirm zum Beduinenzelt oder zu ſonſt etwas, das gerade die Phantaſie der Kinder beſchäftigt. Un⸗ ter dieſen Vorausſetzungen werden die Kinder dann ganz von 9 5 rufen:„Mutti, komm doch mal her und r! wie ſchön!“ Denn ſie wiſſen ganz genau, die Mutter zerſtört ihre Freude nie, ſondern nimmt daran teil. Ebenſowenig wie die Spielecke braucht das Spielzeug der Kinder fein oder koſtſpielig zu ſein, dafür aber verän⸗ derungsfähig, und ebenſowenig, wie man Lernen mit Spie⸗ len verbinden kann, ſoll man ſich auch davor hüten. Spielen mit Lernen zu verbinden, z. B. aus dem Bilderbuch Verschen einzuprägen, die dann vor Beſuch aufgeſagt werden oder ihm beim Bauen mit den bunten Würfeln die Farben oder gar das Zählen beibringen zu wol⸗ len. All dies iſt zum mindeſten unnötig, wenn nicht gar ſchädlich. Sobald ein Kind reif dazu iſt, ſtellen ſich alle dieſe Fähigkeiten von ſelbſt ein, wo die Reife aber noch fehlt, wird ſie durch mühſam erlernte Kenntniſſe auch nicht beſchleunigt. Eher tritt ſogar das Gegenteil ein. Deshalb ſollte man alle ſolche Verſuche ſein laſſen und ſtatt deſſen die Kinder recht viel und recht inbrünſtig ſpielen laſſen— auch die heranwachſenden, ſo lange ſie Freude daran haben. Das Wort: Du biſt jetzt zu alt für die Puppe oder den Kreiſel oder den Bären— darf es einfach nicht geben. Solange das Kind Freude daran hat, iſt es eben nicht zu alt dazu. Und je länger das Spiel das Lebenselement der Kin⸗ der iſt, deſto beſſer für ihre jungen Seelen. Je eifriger das Kind ſpielt, deſto eifriger wird es ſpäter auch lernen. Das Recht des älteſten Kindes. In einer Familie mit mehreren Kindern ſieht es manchmal recht eigenartig aus. Der oder die Aelteſte iſt ganz Tyrann, und der oder die Jüngſte, unter Umſtänden in der Form eines Nachkömmlings, iſt das Neſthäkchen und darum in erhöhtem Maße Tyrann— alſo Anfang und Ende beherrſchen die Mitte. Laut einem ungeſchriebenen Geſetz nimmt das älteſte Kind das Recht für ſich in Anſpruch, das Kommando über die Geſchwiſter auszuüben, und zwar geſchieht dies zum Teil in recht draſtiſcher Weiſe. Es muß dem älteſten Kinde unbedingt zugeſtanden werden, daß es, ſoweit ſein noch unentwickeltes Begriffs- vermögen ausreicht, den Eltern in der Erziehung und Ueber⸗ wachung der nachfolgenden Sprößlinge zur Seite ſteht. Es geht den Kleinen wie den Großen. Rechte, die zuerkannt werden oder die man ſich ſelbſt anmaßt, ſind bei weitem an⸗ genehmer, leichter zu ertragen und zur Geltung zu bringen als Pflichten, die man erfüllen muß und die oft als recht läſtige Bürde empfunden werden. Den Eltern obliegt die Pflicht, das älteſte Kind wohl zum Selbſtbewußtſein, aber nicht zur Selbſt⸗ überhebung zu erziehen, dann wird es auch nicht dahin kommen, daß zwiſchen den Geſchwiſtern ein oft ſtiller, aber um ſo ver⸗ biſſenerer Kampf ausgetragen wird, der nicht ſelten zu böſen Mißhelligkeiten auf Lebenszeit und Zankeretien mit anſchließen⸗ den Schlägereien führt. Iſt der oder die Aelteſte im Benehmen und im Handeln untadelhaft und vorbildlich, dann wird in dem jüngeren Jahr⸗ gang der Nachahmungstrieb erwachen, es ſolch einem wohl⸗ erzogenen Bruder oder einer ſolch muſtergültigen Schweſter nachzutun. Wenn aber der älteſte Junge dauernd an den kleineren Geſchwiſtern herumnörgelt, in altkluger Manier zurechtweiſt und andauernd etwas auszuſetzen hat, dann wird der Widerſpruch bei den Erziehungsobjekten gereizt und Redensarten wie:„Du haſt mir gar nichts zu ſagen!“, oder: „Du biſt auch nicht mehr als ich!“, fliegen ihm an den Kopf— und er hat gerade das Gegenteil erreicht. Einem noch nicht aus⸗ gereiften Menſchen Machtbefugniſſe zu übertragen, iſt immer, ein gewagtes Unterfangen, und die Eltern ſollten bei gleicher Verteilung von Rechten und Pflichten auch dem Aelteſten immer nur ſo viel Rechte einräumen, wie ſie Vertrauen in ihr Kind ſetzen. Kinder in Eintracht ſind ein Schmuck des Hauſes, Kinder in Zank und Streit zwingen zu Rückſchlüſſen auf das Verhältnis zwiſchen Vater und Mutter. Gustav Stange. Das Kind hört zu. von Marie Gerbrandt. „Unſere Lona, das iſt eine! Neulich war meine Schwieger⸗ mutter bei uns, die ſpricht immer ein bißchen laut, und da ſagte doch das Gör zu ihr: Schrei du man nicht immer ſo die Welt voll!“ Der Schwiegermutter blieb beinah der Mund offen ſtehen vor Verwunderung. So eine Freche iſt die Lona.“ Frau Schwattke erzählt das mit heimlichem Stolz ihrer Nachbarin, und währenddeſſen ſteht die vierjährige Long dabei und beobachtet geſpannt die Miene der Zuhörerin, ob dieſe auch voll Bewunderung über die berichtete Frechheit iſt. Daß ihre Mutter das Wort nur zum Schein gebraucht und eigentlich Schlagfertigleit oder Witz damit meint, iſt ihr vollkommen klar. Sie wird ſich auch weiterhin bemühen, durch Eingreifen in die Geſpräche Erwachſener Eindruck zu machen Die können es ja anſcheinend nicht derb genug bekommen— oh! Lona wird ihnen ſchon dienen. Bewundert zu werden, iſt doch ſehr nett, und wenn ſogar die Nachbarn erfahren, was für ein ſchlag⸗ fertiges Kind man iſt, lohnt es erſt recht der Mühe Abgeſehen davon, daß Lonas ungezogene Bemerkung gegen die alte Frau eine ſofortige Zurechtweiſung verdient hätte: Iſt es nötig, daß ihre Mutter ſie merken läßt, wie ſie darüber lacht? Und neben der Frechheit die Eitelkeit aufwachſen läßt? Nicht viele Mütter, das ſei zugegeben, würden dieſe Ungezogen⸗ heit Lonas ſo beifällig betrachten. Aber ſehr viele ſtehen nicht an, andere Unarten, Torheiten, komiſche Bemerkungen oder rührende, zarte und lobenswerte Züge ihrer Kleinen in deren i nachzuerzählen. Es wäre unbequem, iſt auch manch⸗ mal nicht angängig, das Kind fortzuſchicken. Alſo verläßt man ſich, anſtatt die Mitteilung aufzuſchieben, darauf, daß die Kleinen ja nicht hinhören— oder wenn: Nun, was kann es dann ſchon viel ſchaden? Natürlich hören aber Kinder ſehr genau hin, wenn von ihnen die Rede iſt, und ſchaden wird es in jedem Falle ſo viel: das keuſche unbewußte Wachſen der jungen Seele wird dadurch geſtört. Das Kind wird auf ſeine eigene Wichtigkeit aufmerkſam gemacht; es beginnt ſich zu beob⸗ achten, es bleibt nicht mehr unbefangen. Leicht wird es dadurch efallſüchtig und geziert maßt ſich eine übertriebene Bedeutung el, wird vorlaut und altklug. Kommen dieſe Untugenden ſpäter der Mutter in die Quere, ſo bedenkt ſie vfelleicht nicht, daß ſie ſelber ſie geweckt hat. Tritt ſie ihnen nach Gebühr ent⸗ gegen, ſo wird ihre Zurechtweiſung das Kind kaum überzeugen, da ja Hochmut und Selbſtüberſchätzung in ihm aufgeſchoſſen find. Je nach ſeiner Veranlagung wird es die Mutter töricht oder ungerecht finden. Bei der mangelnden Einſicht des Kindes führt übertriebene Selbſtſchätzung gewöhnlich zur Gering⸗ ſchätzung anderer, ſelbſt der Bewunderer. Nicht umſonſt ſagt 851 alte Sprichwort:„Dummheit und Stolz wachſen auf einem Holz!“ Die Mutter wird jetzt viel mehr Mühe haben, den Fehler abzuſtellen, als es gekoſtet hätte, ihn zu vermeiden; ja, oft wird, die Wurzel des Uebels, die Eitelkeit, in dem jungen Herzen ſteckenbleiben. Und wer verſtreute achtlos den Samen zu dieſem häßlichen Gewächs? Möchte doch jede Mutter bedenken, daß die Seele des Kindes ein Heiligtum iſt, das ſie zu behüten hat, und das man nur mit zarter, ſters beherrſchter Hand hetreuen darf. Es wird in der Welt viel öfter aus Unbedachtheit als aus Bosheit Schaden und ö nheil angerichtet wir 2 eſündigt, und es 1190 ſich noch, wodurch mehr 8 Kaffees. Erziehung zum Mithelfen. Frau Müller iſt eine fleißige Frau, die von morgens früh bis abends ſpät die Hände rührt.„Ach, ich werde nicht fertig, bei mir nimmt die Arbeit kein Ende“, ſagt ſie zu Frau Walter. „Ich habe drei Kinder, und wenn ich aufgeräumt habe— was das eine in Unordnung brachte, haben die zwei anderen alles wieder durcheinander gemacht.“ „Ich habe vier Kinder“, ſagt Frau Walter.„Die machen auch Durcheinander und bereiten viel Arbeit. Aber mit der Arbeit werde ich ſchon fertig. Das mache ich nämlich ſo: Morgens ſind die zwei älteſten in der Schule, und das dritte Kind iſt im Kindergarten. Das dreijährige Neſthäkchen macht dann noch manches Durcheinander in der Wohnung. Aber ich halte es ſchon jetzt an, ſeine Spielſachen nach Gebrauch wieder wegzuräumen. So habe ich es auch bei den drei anderen ge⸗ macht und ſie an Ordnung gewöhnt, daß ſie nicht nur ihre Sachen, ſondern auch die Sachen der jüngeren Geſchwiſter in Ordnung bringen. Das achtjährige Lieschen 10505 wenn ſeine Schule aus iſt, mir ſchon beim Putzen. Es ſtaubt Möbel ab und trocknet das Geſchirr ab. Der zehnjährige Fritz holt Kohlen und Brikett, und ſorgt, daß immer kleines Holz da iſt. Sehen Sie, liebe Frau Müller, ſo helfen wir uns gegenſeitig; man muß nur die Kinder früh an das Mittun gewöhnen, dann legen ſie ſpäter auch tatkräftig mit Hand an. So werden wir ſchnell mit der Arbeit fertig, und ich habe Zeit, den Kindern noch jeden Tag auch eine oder zwei Stunden zu widmen, ihnen zu erzählen, oder mit ihnen ſpazierenzugehen. Ich brauche nicht ſo viel auf den Abend zu verſchieben an Flick⸗ und Stopfarbeit wie Sie und kann mich dann mehr meinem Manne widmen. Verſuchen Sie es, liebe Frau Müller, gewöhnen Sie Ihre Kinder an das Mithelfen und es wird auch bei Ihnen nach dem Sprichwort gehen: Geteilte Arbeit— halbe Arbeit; geteilte Freude— doppelte Freude!“ H. M. F ee Die praktiſche Hausfrau. k. Waſchlederne Handſchuhe zu färben. Waſchlederne gelbe Handſchuhe, die durch vieles, zu ſcharfes Waſchen ihre Farbe verloren haben werden wieder geld gefärbt, wenn man ein bis zwei kleine Meſſerſpitzen voll Safran, die in ein Mull⸗ läppchen gebunden ſind, in lauwarmem Waſſer auflöſt, das Waſſer damit färbt und die Handſchuhe darin ein Weilchen hin und her ſchwenkt. k. Abgelegte Filzhüte zu verwenden. Filzhüte, die nicht mehr getragen werden, können noch gut als Einlegeſohlen zurechtgeſchnitten und verwendet werden. Außerdem kann man tadelloſe Unterſätze für Kaffeekannen uſw. daraus machen. Man ſchneidet runde Platten, zackt ſie aus und verziert ſie durch Beſticken oder Anſetzen von Holzperlen uſw. Die Platten werden auf Pappe mit erwärmtem Leim aufgeklebt und beſchwert. k. Fenſterſcheiben recht blank zu putzen. Man beſtreicht die enſterſcheiben mittels eines Läppchens mit aufgelöſter Schlämmkreide, läßt ſie eintrocknen, reibt ſie dann mit einem weichen Tuch ab und putzt unter Anhauchen des Glaſes mit dem Fenſterleder ſo lange nach, bis die Scheiben klar ſind. k. Die Behandlung von Wollſtoffen. Wollſtoffe verlangen bei der Reinigung eine ganz andere und vorſichtigere wasche lung als Leinenwäſche. Letztere wird eingeweicht, gewaſchen, gelocht, geſpült.. und fertig iſt ſie. Bei Wollſtoffen fe dal dürfen ſcharfe Reinigungsmittel, wie Soda, Schmierſeife, nicht angewendet werden. Die Faſern und das Gewebe würden rt werden und einlav zen, ja, die Faſern können ſogar zerſtört werden. Wollſtoffe dürfen auch nicht in zu warmem Waſſer gewaſchen und ebenſo nicht am warmen Ofen oder in der grellen Sonne getrocknet werden. Auch muß man beim Bügeln darauf achten, daß das Eiſen nicht zu warm iſt. Das würde ebenfalls den Wollſtoff hart machen. Die Hausfrau in der Küche. k. Himbeerſaft. Die Himbeeren werden ausgepreßt, der filtrierte Saft gewogen, auf jedes halbes Kilogramm Saft 375 Gramm Zucker geläutert, der Saft bine etan, vom Kochen ab etwa eine viertel Stunde weiter gekocht, und der auf⸗ ſteigende Schaum fleißig und pünktlich abgenommen; wenn der Saft klar wird und anfängt, Fäden zu ziehen, wird er vom euer genommen, durch ein i gegoſſen, erkaltet in bewohel gefüllt, dieſe verkorkt und im Keller ſtehend auf⸗ ewahrt. k. Papritaſchnitzel. Daumendick zurechtgeſchnittene Schnitzel beſtreut man mit 8h Pfeffer, Paprika, Kümmel, ſetzt eins auf das andere und läßt es eine Stunde 5 en; dann brät man die Schnitzel in heißem den in einer flachen Pfanne auf beiden Seiten zu ſchöner Farbe, kocht den Fond mit Jus und Fleiſchbrühe auf und ſerviert das Gericht. k. Hammelragout. Leicht durchwachſenes Hammelfleiſch wird in Würfel geſchnitten und in Butter angebraten. Dann läßt man das Fleiſch langſam weiterſchmoren mit einem Belang von Waſſer oder Fleiſchbrühe, würzt mit Salz, Pfeffer un etwas Kräutern und ſämt mit Mehl und Sahne. In einem anderen Topfe werden junge Möhren, weiße Rüben und klein: geſchnittene Zwiebeln etwas angebraten und zu dem Fleiſ hinzugegeben, ebenfalls einige kleine Kartoffeln. Wenn nötig, gießt man Fleiſchbrühe nach. Sehr gut ſchmecken auch noch einige gelochte junge Erbſen oder Bohnen, die man zuletzt unter das Ragout miſcht. f. Teltower Rüben mit Hecht oder Zander. Die Rühen werden gedünſtet, dann mit einer 1 witze dau e Der Fiſch wurde mit einer Zwiebel, Lorbeerblatt, reichlich Salz und etwas Pfeffer gekocht und dann, in nicht zu kleine Stücke zer⸗ pflückt, den Rüben beigegeben, vorſichtig gemiſcht, um noch etwas an heißer Stelle zu ziehen. k. Reisauflauf mit Preiſelbeeren. Dreiviertel Pfund Reis zweimal überbrühen, dann dreiviertel Liter Milch, 90 Gramm zutter mit einer Priſe Salz aufquellen laſſen, drei Ei elb und 100 Gramm Zucker ſchaumig rühren und mii dem Reis ver⸗ miſchen. In feuerfeſte, mit Margarine ausgeſtrichene Form werden ſchichtweiſe Reis und Preiſelbeeren gefüllt, drei Elten werden zu Schnee geſchlagen, mit 50 Gramm Zucker vermiſch und der Auflauf damit beſtrichen. Man läßt ihn im Ofen Farbe nehmen. weil der Geſchmack nach der e 15 verſchleden iſt. Der butere ſchwarze Kaffee mim wenig Milch oder Rahm, wie 95 rüher meiſt getrunken wurde, hat heute einer Taſſe Kae Platz machen müſſen, die mit reichlichem Zuſatz von Milch 71 5 Rahm erheblich verbeſſert wird. Wenn die Qualität des gaffen ut ist, erhält man auf dieſe Weiſe einen duftenden, lecken 1 kaffee! Fügt man demſelben eine Meſſerſpitze Salz zu, dan 5 wird er noch geſchmackvoller. Nur muß man mit dem Zugebe von Salz ſehr vorſichtig ſein, denn etwas zu viel davon 5 der Kafſee iſt ungenießbar Auch iſt es gut, beim Kaffeeſete ein dünnes, reines Papierſtöpſchen in den Ausguß der Kanne u ſtecken, damit kein 1 8 entweichen kann. Dadurch 15 as Aroma beſſer erhalten. Eine gute Taſſe Kaffee vermag u wirklich neue Energie zu geben und uns zu guter Laun 100 15 Wo eine 5 Taſſe Kaffee duftet, kann man Gem 1 lichkeit erwarten Es iſt zu empfehlen, den Kaffee in einer g 3 ſchließenden Blechbüchſe ungemahlen aufzubewahren„ des Mahlen beſorgt man am beſten erſt kurz vor dem Anſetzen