Nr. 138(2. Blatt). Dienstag, 16. Juni 1936 Die Ziele der NG⸗Kulturgemeinde Der erſte Tag der Reichstagung in München. i a München, 15. Juni. Die Reichstagung 1936 der NS⸗Kulturgemeinde in den Tagen vom 14 bis 19. Juni in München wurde im Kon⸗ greßſaal des Deutſchen Muſeums feierlich eröffnet.— An der Aan nehmen etwa 2000 Amtswarte der NS⸗Kultur⸗ gemeinde aus dem ganzen Reich und zahlreiche Ehrengäſte feil. Als Auftakt der Reichstagung haben die Tagungsteil⸗ nehmer unter Führung des Amtsleiters der NS, Dr. Walter Stang, an der Ehrenwache auf dem Königsplatz im 1 an die Toten der Bewegung einen Kranz nieder⸗ gelegt. Eröffnet wurde die Tagung mit zwei muſikaliſchen Ur⸗ aufführungen von J Ingenbrand und Julius Weismann, ausgeführt vom Reichsſymphonieorcheſter der NSDAP unter Leitung von Franz Adam und Erich Kloß. Gauleiter Staaksminiſter Wa gner begrüßte die Teilnehmer. Reichsleiter Oberbürgermeiſter Fiehler ſprach die Hoffnung aus, daß die Reichstagung die NSKG wiederum einige Schritte auf ihren Arbeitsgebieten vor⸗ wärts bringen möge. Der Amtsleiter der NS⸗Kulturgemeinde, Dr. Stang, be⸗ grüßte im Namen des Reichsleiters Roſenberg die Gäſte. in einer programmatiſchen Rede behandelte er eingehend Entſtehung, Entwicklung, Ziele und Aufgaben der NS⸗ tulturgemeinde und legte die Grundſätze dar, nach denen die NS ſich bei der Pflege des Theaters, der Muſik, der Handwerks- und Volkskultur, ö zum Teil auf neuen Wegen betätigt. Tag der Kunſt Der Montag, der erſte Haupttag, der unter den beſtim⸗ nenden Gedanken fiel:„Tag der Kunſt“, begann mit einer Feſtſitzung, zu der als Ehrengäſte u. a. Reichsſtatthalter Ritter von Epp, Reichsführer SS Himmler und Reichsleiter Alfred Roſenberg mit vielen hervorragenden Perſönlichkei⸗ en des deutſchen Kulturlebens erſchienen waren. Nach den fklängen der„Feſtmuſik“ für Fanfaren, Bläſer und Pauke zon Eberhard L. Wittmer gab Amtsleiter Dr. Groß einen Ueberblick über die ernſten Probleme, die ſich bei der Be⸗ trachtung der Frage„Kunſt und Raſſe“ ergeben. Im Mittelpunkt ſeiner Darlegungen ſtand die Behandlung der Frage, was wir heute im Zeichen der nationalſozialiſtiſchen Weltanſchauung unter Kunſt verſtehen, und der Nachweis, daß die Ungleichheit der Raſſen es unmöglich macht, von einer Kultur, einer Kunſt und einem Glauben zu ſprechen. Die deutſche Kunſt könne kein anderes Geſicht kragen als das, das die nordiſche Art ihr aufzwinge. Nachdem das Reichsſymphonieorcheſter unter der Stab⸗ führung von Erich Kloß die„Kleine Feſtmuſik“ von Fritz Reuter zur Uraufführung gebracht hatte, hielt Gauamts⸗ leiter Heinrich Buſcher einen gedankenreichen Vortrag über das Thema„Kunſt und ltag! Kunſt und Alltag würden nicht mehr zwei Dinge und von zweierlei Ark ſein, wenn die Ns. Kulturgemeinde die Beziehungen, die ihr durch Adolf Hitler gegeben ſeien, in das kleinſte Dorf und die enklegenſte Hütte kragen. Es folgte die letzte muſikaliſche Uraufführung des Ta⸗ ges„Die romantiſche Sinfonie“ in C⸗dur für Orcheſter von Winfrid Zillig, die das Reichsſymphonie⸗Orcheſter unter Leitung des Komponiſten muſterhaft zum Vortrag brachte. Die erſte Reichsſiedlerſchule Jeierliche Einweihung durch Dr. Ley. Erlangen, 15. Juni. Durch Reichsorganiſationsleiter Dr. Ley wurde die erſte Reichsſiedlerſchule in Erlangen ihrer Beſtimmung übergeben. Die Schule erhebt ſich inmitten eines mit ſchö⸗ dem alten Baumbeſtand verſehenen Geländes und umfaßt Schulungs⸗, Wohn⸗ Wirtſchafts⸗ und Stallräume. Der Siedlungsbeauftragte Dr. Ludowici bezeichnete es als die Aufgabe der Siedlerſchule, den Siedlern Siedlerwarte und Lehrſiedler an die Hand zu geben, die als Führer einer Siedlergemeinſchaft auftreten könnten Die Schule dieſer Siedlerführer ſei auf Jahre berechnet Keichsorganiſationsleiter Dr. Ley ging auf das gewaltige Wert von„Kraft durch Freude“ ein, wobei er betonte, die Partei hat es fertiggebracht, daß die Menſchen wieder zuſammenkommen und gegenſeitig in der Hilfeleiſtung, im wahren Sozialismus guſun teten, Was wir heute begonnen haben, fuhr Dr. Ley fort, iſt loch nicht vorbereitet und vorgebildet. Aber in zwei bis drei Jahren muß jeder Gau eine ſolche Siedlerſchule haben. Wir werden das gewaltige Werk angreifen, ſobald unſere äußere Macht gebaut iſt. Inzwiſchen werden wir probieren und uns die beſten Wege für deeſes Werk ausſuchen. Der Nationalſozialismus überläßt von den gewaltigen Leiſtun⸗ gen, die zu tun ſind, nichts der Nachwelt, ſondern legt 15 etzt die Fundamente auf allen Gebieten. Dann übergab Dr. Ley die Schlüſſel der Schule an den Siedlungsbeauftragten Dr. Ludovici. Einfuhrverbot für deutſche Scheidemünzen Durch eine am 1. Juni 1936 in Kraft getretene 5. Durchführungsverordnung zum Deviſengeſetz und eine 5. Ver⸗ ordnung zur Aenderung der Deviſenrichklinien iſt u. a. das ſeit dem 6. Dezember 1935 geltende Reichsmarknoteneinfuhrverbot auf deutſche Scheidemünzen ausgedehnt worden. Für die Ein⸗ fuhr von Reichsmarknoten und deutſchen Scheidemünzen gilt daher mit Wirkung vom 1. Juni 1936 Folgendes: Verboten iſt ſowohl die Einſendung wie die Einbringung. Allgemein zuläſſig jedoch bleibt die Einſendung von Reichs⸗ marknoten und Scheidemünzen an ein inländiſches Kredit⸗ inſtitut, wenn ſie mit der Weiſung erfolgt, ſie auf einem Sor⸗ tenſperrkonto gutzuſchreiben. Des weiteren iſt im Intereſſe des Reiſeverkehrs bis auf weiteres die Einbringung von Reichsmarknoten und inländiſchen Scheidemünzen im Reiſeverkehr im folgendem Umfange zugelaſſen: Auslän⸗ der dürfen Reichsmarknoten bis zum Betrage von 30 Mark (in Stückelungen bis zu 20 Mark) und deutſche Scheidemünzen bis zum Betrage von 60 Rm. insgeſamfalſo 90 R m., beim Grenzübertritt nach Deutſchland einbringen. Inlän⸗ dern iſt die Einbringung von Reichsmarknoten bei der Rückkehr von einer Auslandsreiſe gänzlich unterſagt. Dagegen dürfen auch ſie deutſche Scheidemü nzen bis zum Betrage von 60 Rm. beim Grenzübertritt nach Deutſch⸗ land einbringen. Das Einfuhrverbot wird ergänzt durch ein entſprechendes Annahmeverbot für verbotswidrig eingeführte Reichs⸗ marknoten und deutſche Scheidemünzen. Gehen ſolche Sen⸗ dungen unmittelbar aus dem Ausland ein, ſo hat der Emp⸗ fänger dies der zuſtändigen Deviſenſtelle binnen 3 Tagen anzuzeigen. Dabei ſind der Name und die Anſchrift des Abſenders, ſoweit ſie dem Empfänger bekannt ſind, anzu⸗ geben. Aus der Anzeige muß ſich ergeben, welcher Betrag in Noten und welcher Betrag in Scheidemünzen eingeſandt wurde. Bei Reichsmarknolen iſt die Stückelung gleichfalls mit⸗ zuteilen. Die Deviſenſtellen haben beſondere Anweiſungen über die Behandlung ſolcher Fälle erhalten und werden dem Anzeigeerſtatter weitere Mitteilung zugehen laſſen. Werden von einem Ausländer im Inland Neichsmarknoten oder deutſche Scheidemünzen als Zahlung an⸗ geboten, ſo greift das Annahmeverbot nur ein, wenn der Empfänger weiß, oder den Umſtänden nach annehmen muß, daß die Noten oder Scheidemünzen verbotswidrig aus dem Ausland eingebracht worden ſind. Grundſätzlich werden A us⸗ nahmen von dem Reichsmarknoten⸗ und Scheidemünzenein⸗ fuhrverbot nicht zugelaſſen. Dies gilt auch für den Fall, daß die Noten oder Scheidemünzen auf im Ausland zahlbare Reichsmarkwechſel in Zahlung gegeben worden ſind. Auslandspoſtanweiſungen Neue Deviſenvorſchriften für den Poſtverkehr. Nach den neuen Vorſchriften der Reichsſtelle für Deviſen⸗ bewirtſchaftung iſt die Freigrenze von 10 Rm. für gewiſſe weitere Zahlungszwecke aufgehoben worden. Wer Zahlungen innerhalb dieſer Freigrenze nach dem Ausland leiſten will, muß fortan eine o liche Erklärung“ unterf 5 die hlung ſeinen eigenen Mitteln erfol id daß ſie keinem der in der rten Zwecke dient, für die eine Ausnutzung Erklärung aufgefk ir der Freigrenze verboten iſt. Den Za hlungszweck muß der Abſender in der Erklärung angeben; das Formblatt hat er in Uebereinſtimmung mit der Unterſchrift in ſeinem gleich⸗ zeitig vorzulegenden Reiſepaß zu unterſchreiben. Ein Form⸗ blatt zur deviſenrechtlichen Erklärung erhält der Poſtbenutzer koſtenlos bei jedem Poſtamt. Von Poſtagenturen und Poſtſtellen werden dieſe Formblätter nicht vorrätig gehalten, bei Bedarf werden ſie beim zuſtändigen Poſtamt angefordert. Poſtagenturen und Poſtſtellen nehmen Zahlungen nach dem Ausland, und zwar ſowohl genehmigungsfreie als auch genehmigungspflichtige, nicht mehr ſelbſt an. Sie Überſenden jedoch die bei ihnen eingerichten Auslandspoſtanweiſungen oder Wertſendungen— bei Freigrenzenzahlungen mit dem Reiſepaß und der deviſenrechtlichen Erklärung des Einzahlers, bei genehmigungspflichtigen Zahlungen mit der Deviſengeneh⸗ migung oder ⸗beſcheinſgung— dem zuſtändigen Poſtamt zur Prüfung und weiteren Behandlung. Den Paß oder die nicht voll ausgenutzte Deviſengenehmigung oder ⸗beſcheinigung er⸗ hält der Abſender g. F. in gebührenfreiem Einſchreibebrief zurück. Will er die Einſendung diefer Papiere vermeiden, ſo muß er die Zahlung unmittelbar bei einem Poſtamt vor⸗ nehmen laſſen. Poſtſcheckkunden, die aus ihrem Poſtſcheckkonto unter die Deviſenfreigrenze fallende Ueberweiſungen oder Bar⸗ zahlungen leiſten, die Einſendung ihres Reiſepaſſes an das Poſtſcheckamt aber vermeiden wollen, können den Auftrag mit dem Reiſepaß und der depiſen rechtlichen Erklärung eben⸗ falls einem Poſtamt zur Eintragung des Vermerks vorlegen oder vorlegen laſſen. Im Verkehr mit dem Ausland dür⸗ fen künftig auch inländſſche Scheidemünzen nicht mehr ver⸗ ſandt werden. Sportnachrichten* Handball⸗Jugendſpiel. Tbd.„Jahn“ Igd. VfR Igd. 8:5(4:2) Ein recht lehrreiches Freundſchaftstrefſen lieferten ſich am vergangenen Sonntag die beiden obengenannten Partner, bei dem der hieſige Tbd. auf Grund beſſerer Mannſchaftsleiſtung die Oberhand behielt. Von den ein⸗ heimiſchen Jungens gab auch jeder her was er konnte und half ſo mit, den Sieg zu erringen. Wenn auch noch einige Fehler ausgemerzt werden müſſen, ſo ſoll dies die Mannſchaftsleiſtung abſolut nicht ſchmälern. Die geſamte Hintermannſchaft war gut in der Deckung als auch im Aufbau und gab dem Sturm die Möglichkeit, ſich in ſchnellen und ſchönen Aktionen durchzuſetzen. Mainzer Ruberregatta Würzburg ſchlägt Berlin im Achter. Die große Mainzer Negatta wurde am Sonnlag been⸗ det. Von Anfang bis Ende der Rennen goß es in Strö⸗ men, was aber die Tauſende von Zuſchauern nicht abhielt, auszuhalten und die Rennen mit größter Begeiſterung zu verfolgen. Durch den meiſtens herrſchenden Schiebewind, der ſich allerdings oft zu einem unangenehmen Flanlenwind drehte, gab es meiſtens gute Zeiten. Die reſtlichen Rennen des Tage⸗ wurden dann wieder bei faſt völliger Windſtille gerudert. Von den beiden großen Achtern der Mainzer Regatta wurde einer von Berlin und der andere von Würzburg ge⸗ wonnen. Das erſte Hauptrennen des Tages, der Zweier ohne Steuermann, brachte dem Mannheimer Klub⸗Paar Eichhorn⸗ Strauß einen ſicheren Sieg vor dem Hannoveraner' ſchen Boot. Im Jungmann⸗Einer fügte der Bonner Student Broc⸗ mann ſeinen letzten Siegen einen neuen hinzu. Der Großherzog⸗Vierer mit Steuermann beſtätigte die Feſtſtellung, daß die Mannheim⸗ Ludwigshafener Reungemein⸗ ſchaft augenblicklich keinen Gegnet zu fürchten hat. Das Boot gewann mit dreiviertel Längen ſicher vor Würzburg. Der Jubiläums⸗Achter brachte den Würzburgern mit Eckſtein auf Nr. 7 einen ſchönen Sieg Berliner Mann⸗ ſchaften. Wür Ziking, dahinter die Berliner 3„Mann or dem Ziel ſetzten die Würzburger zum E vor der Berliner Schmid⸗Mannſchaft der Berliner Lan⸗ (Achter wieder genau 9. Eine Feriengeſchichte aus der Kinderlandverſchickung der NS V. Steppke verſteht das zwar nicht ganz, er denkt ſich das mit dem„Fell über die Ohren ziehen“ allzu wörtlich, aber die Er⸗ wachſenen reden manchmal ſo komiſche Sachen. 5„Na, Steppke, nun ſpiel doch mal einen!“ ermuntert die Bäuerin, als man ein Stück gefahren war. Da läßt ſich der Steppke nicht lange nötigen, ſondern zieht die neue Mundharmonika aus der Taſche und beginnt zu ſpielen, während hinter ihnen aus dem raſchelnden Stroh des agenkaſtens das Quieken und Grunzen der kleinen Jolanthes klang, die ſo unter Sang und Klang ihr neues Quartier beziehen. 5. Die Tage gehen für Steppke viel zu ſchnell dahin, viel zu raſch im Vergleich zu der großen und ungeſtümen Vorfreude, Steppke hatte noch ein ſchönes Geſchichten⸗ uch mitgebracht, um darin zu leſen, wenn er einmal Langeweile hat, aber es bleibt gar keine Zeit dazu, es gibt für ihn keine angeweile, und als die Ferien zu Ende ſind, packt er das Buch ungeleſen wieber ein So ſchön iſt dieſer Landaufenthalt, ein Lachen und Tollen, tagaus, tagein, oft nu, barfuß und im leichten Babeanzug. De⸗ luftige Sommerſis im ſcharktgen Lauv⸗ berſteck des alten, krummen Apfelbaumes iſt bald ein Räuberneſt, bald Schloß und Ritterburg, und die kleine Heide iſt dann natürlich die Räuberbraut, die Prinzeſſin oder das Ritterfräulein. Und Steppke, na, das verſteht ſich gans ſelbſtredend, iſt bei dieſen Spielen der dazugehörende Räuber⸗ hauptmann, der Prinz oder kühne Ritter. So verſtreichen die ſechs Ferienwochen wie im Fluge. Mit jedem Tage, mit jedem Kalenderblältchen, das man abreißt, rückt die Trennung näher und ehe man ſich über⸗ haupt recht verſieht, iſt der Abſchiedstag da. Wieder geht's mit Sang und Klang zu dem kleinen Bahnhof. Steppkes Stimme klingt eute merkwürdig belegt und längſt nicht 55 hell und friſch wie ſonſt. Auch die Pflegeeltern und Heide geben Steppke das Geleit. Er muß tapfer an ſich halten, um nicht einfach loszuheulen, aber er kann es nicht hindern, daß ihm zwei dicke Tränen langſam über die Backen kriechen, als ſich der Zug in Be⸗ wegung ſetzt und man ihm noch einmal zuwinkt und Heide ruft:„Und im näch⸗ ſten Jahre mußt du wieder kommen!“ Auf der Heimfahrt iſt Steppke noch immer mit ſeinen Gedanken auf dem Grothenhof. Wie kurz waren dieſe ſechs Wochen geweſen und ſoob ſchön! Der Abſchied ſtimmte ein wenig traurig. Als der Zug aber nach fünfſtündiger Fahrt wieder auf dem großen Heimatbahnbofe einläuft, wo ſich viele e, 5 Be⸗ rüßung ihrer heimkehrenden Kinder ein⸗ 3 haben und Steppke auch ſeine utter ſtehen ſieht, die ihrem heimkehrenden ungen glückſelig zunickt, da iſt Steppkes leiner Kummer ſchnell verflogen und jubelnd ſtürzt er in die Arme der Mutter. „Ach, Mutti, Mutti, war das ſchön!“ Und die Mutter fährt ihm mit der and glättend über den miderſpenſtigen Ert und lächelt:„Ja, wir haben dich of recht vermißt, Steppke. aber fein haſt br dich herausgemacht!“„Ja, eine ganze Menge zugenommen!“ beſtätigte Steppke. Aber Junge, was für vieles Gepäck het du denn?“ ſtaunt die Mutter. Steppke lacht fröhlich: „Alles von Grothes und alles zum Eſſen— Rauchwurſt und ein Stück Schinken und einen ganzen Korb ſaftiger Birnen und ſogar ein fettes Huhn hat mir Tante Grothe eingepackt. Und denk dir bloß, Mutti, zu Weihnachten wollen ſie ein Schlachtefeſt⸗ Paket ſchicken. O, Mutti, Grothes ſind gut und Onkel Grothe ſagt, wenn ich groß bin, kann ich auch ein Bauer werden. Und die Oma Grothe hat mir zwei Paar wollene Strümpfe für den Winter geſtrickt.“ Das — will kein Ende nehmen an dieſem end. Ja, da war nun Steppke wieder daheim, braungebrannt wie ein kleiner Mulatte und vollgeſtopft mit landwirtſchaftlichen Neuig⸗ keiten. „Weißt du, Mutti, daß es Kühe gibt, die Rinder heißen und daß der Mann von der Kuh Stier heißt?“ Hat die Mutti ſchon einmal ſo wollige Schnuckenlämmer gekrault und ſo winzige kleine Ferkelchen mit nied⸗ lichen Ringelſchwänzchen geſehen, die ſo rund ſind und ſo roſig wie Marzipan? Nein, gegen Steppke umfangreiche Kenntniſſe auf landwirtſchaftlichem Webiet iſt abſolut nicht mehr aufzukommen. Steppke aber ſagt mit ſtrahlendem Geſicht⸗ „Die Kinderlandverſchickung von ber NS. iſt eine piekfeine Sache!“ Die Mutti nickt. Sie muß mit der Hand einmal verlegen über die Augen ſtreichen, in denen es ein wenig feucht ſchimmert.„Daß es noch ſo gute, gute Menſchen gibt!“ ſagt ſie.„Wir können auch wohl Gott nicht genug danken, daß er uns zu rechter Stunde noch den rechten Führer ſchickte. der jo aut it und ein Ser jat für die Armen und Aermſten, für bie leinen und Kleinſten.“ Steppke aber liegt an dieſem Abend noch lange wach. Die Mutter kommt noch einmal leiſe an ſein Bett, ſetzt ſich zu ihm zuf den Bettrand und nimmt ſeine kleine, feſte, braune Zungenhand in die ihre. „Weißt du, Steppke“, ſagte ſie,„ich muß dir noch etwas ſagen. Du wollteſt doch mmer ein Schweſterchen haben, nicht wahr?! „O ja, Mutti, bekomme ich eins?“ „Würdeſt du dich freuen, Steppke? „Na, und ob“, lachte er, aber bekomme ich wirklich ein Schweſterchen?“ „Ja, ja, Stevpłe, zu Weihnachten iſt 28 wohl da!“ „O, Mutti, Mutti!“ jubelt er und itzt gor Freude plötzlich aufrecht im Bett, beide Arme um den Hals der Mutter ſchlingend. Daun muß es Heide heißen, Mutti. Und ich Maube, Mutti, das Leben wird noch einmal zanz ſchön. Dann ziehen wir alle aufs Land, du, der Vater, die kleine Heide und ich. O, Mutti!“— und mit einem glück ſeligen Lächeln ſchläft Steppke an dieſem Abend ein. — 1 . 5 A (3. Fortſetzung.) * Ich muß 9 Arne Borg hörte es nicht. Er hielt Boy Charlton feſt. „Weißt du, Boy“, ſagte er, ſtehenbleibend,„ich freue mich, daß es mir gelungen iſt, ein Dutzend Weltrekorde zu ſtürzen.. Haber manchmal hängt mir der ganze Rum⸗ mel doch zum Halſe heraus. Morgen, wenn ich abreiſe, wird der Bahnhof ſchwarz von Menſchen ſein. Warum? Weil ich heute ſiegte? Morgen, wenn ich verliere, wird ſich kein Menſch mehr um mich kümmern..“ „So arg iſt's nicht!“ murmelte der Auſtralier verlegen. „Doch.. du wirſt ſchon noch dahinterkommen, Boy! Weißt du, was ich möchte? Nach Schweden möchte ich wie⸗ der... und dort möchte ich ganz ſtill für mich ſchwim⸗ men... ohne Zuſchauer, ohne Verrückte, die auf Wunder⸗ leiſtungen warten! Und die mich ſteinigen, wenn ich ent⸗ käuſche!“ Boy Charlton ſah den Schweden an. Er war nicht ſicher, ob das nun wirklich ſo gemeint war, wie er es ſagte, oder ob ſich der„Star“ nur intereſſant machen wollte. ————̃— .— „Wir brauchen doch die Maſſe zur Anfeuerung, Arne!“ ſagte er. Arne Borg lachte. „Das iſt eben der Fehler, dem wir alle portſtars hinaufgezi er drinnen der ei venn es nicht aus uns herar die Menge kann uns nicht gebe alle, die gewaltſam zu S Nein, Boy, wenn uns hi anfeuert, üißBBßBbB haben!“ Er wandte ſich ab und betrat ſeine Kabine Boy Charlton ſah ihm nach. Er verſtaud der Schwede meinte. Für ihn war die Hauptſache der Rekord. errang, das war ganz gleich Ob der eigene Wille oder die Anfeuerung der Menge ihn zwang zur Ueberſteigerung der Leiſtung— was machte es aus? Letzten Endes ſchwamm er den Rekord ja nicht, um der Menge zu gefallen ſondern er ſchwamm, weil ihm das Schimmen Freude bereitete. Arne Borg aber Was ging's ihn an, warum Arne Vorg ſchwamm. Seine Leiſtung war unerhört heute, war unübertreff⸗ wie er ihn lich... und darauf kam es an... auf nichts anderes ſonſt! Die Sonnenſchlacht zu Paavo Nurmi muß laufen Paavo Nurmi, der Finne, läuft! Das Laufwunder nannte man ihn. Den Mann, der keine Ermüdung kannte, für den es keine Leiſtungsgrenze zu geben ſchien. Er lief Weltrekord, wann er wollte! Mit der Stoppuhr in der Hand umkreiſte er die Bahn. Der ſchlanke, hagere Körper, das ſchmale kantige Ge⸗ ſicht mit den etwas tiefliegenden Augen, der ſchmale zuſam⸗ mengekniffene Mund— ſo ſahen wir ihn, wenn er lief. Der ganze Menſch ein energiegeladenes Weſen, in dem ſich die Kraft zuſammenballte zu höchſtem Können! Eine einmalige Erſcheinung.. ein lebendiger Beweis für die Leiſtungsfähigkeit eines Menſchen, der von einem unbeug⸗ ſamen Willen ſich leiten läßt. Olympiſche Spiele in Paris Deutſchland iſt nicht vertreten, weil der in einem wahn⸗ ſinnigen Kriege geſchürte Haß gegen eine tapfere Nation noch immer nicht erloſchen iſt. Nurmi läuft Nurmi ſiegt Nurmi macht jedes Rennen Was mit ihm läuft, ſcheint nichts weiter zu ſein, als der gegebene Rahmen für ſeine unerhörten Leiſtungen! 5000 Meter Glühende Hitze liegt über der Kampfbahn. Die Luft flirrt von den brennenden Strahlen der Sonne. Schweißdampfende Körper wachſen empor zu gigan⸗ tiſcher Leiſtung. Menſchen, die eben noch über die Bahn fliegen, brechen zuſammen. Die Hitze hat ſie niedergeworfen. Die Hitze iſt unerträglich. Aber drei Läufer ſind da, denen ſcheint die Hitze nichts anzuhaben! Wide, der fliegende Schwede, ein zäher Kerl, der es ſich in den Kopf geſetzt hat, Nurmi, das Wunder, zu ſchlagen, der nicht immer der zweite ſein, der auch einmal... endlich einmal der erſte ſein will! Ritola, Nurmis Landsmann, drahtig, energieerfüllt, wie er. Zwiſchen dieſen drei wickelt ſich der Kampf ab. Die Zuſchauer lehnen müde ſich zurück. Tücher trocknen immer wieder den Schweiß von der Stirn. Hier und da ein Stöhnen.. ein Fluch über die gräß⸗ liche Hitze. Man begreift nicht, wie man bei dieſer Glut laufen kann, wie die drei da unten laufen. Ritola führt! Wide hängt hinter ihm, kämpft mit verbiſſener Energie. Er fühlt ſich in der Form ſeines Lebens. Wenn er heute nicht ſiegt, ſiegt er nie! Er will ſiegen! Er muß ſiegen! Nurmi liegt über drei Meter zurück. Er geht nicht vorbei. Er läuft, wie eine Maſchine läuft. Seine Rechte hält die Stoppuhr, auf die er ab und zu einen ſchnellen Blick wirft. Das Tempo iſt gut. Es iſt nicht Weltrekordzeit, aber man hat ja noch über 3000 Meter vor ſich. Er wird abwarten. Wenn ſeine Uhr es ihm ſagt, wird er den Lauf beſchleunigen, wird er den alten Rekord hin⸗ weg e und einen neuen aufſtellen ide bleibt immer hinter Ritola. Er will ſich nicht abhängen laſſen... er darf nicht Hinter ihm iſt Nurmi. Nurmi treibt ihn, Nurmi hetzt ihn vorwärts. 6 Er muß aufpaſſen. Nurmi darf nicht an ihm vorbei⸗ gehen i Einmal hinter ihm, gibt's kein Ueberholen mehr! Nur ſolange Nurmi hinter ihm, dem Schweden, bleibt, hat er eine Chance! Die Zuſchauer ſind zu matt, die Läufer anzufeuern. 5 Nur hin und wieder ein müder Zuruf von irgendeiner Gruppe. Wenn das Rennen nicht ſo ſpannend wäre, wenn man nicht jeden Augenblick eine Ueberraſchung erwartete man würde wahrhaftig ſich ausſtrecken und ſchlafen. aris Das vernünftigſte, was man Nurmi zieht langſam vorbei. Wide läuft mit zuſammengebiſſenen Zähnen. Läuft das Rennen ſeines Lebens. Es gelingt ihm, dicht hinter Nurmi zu bleiben Gleich kommt der Endſpurt! hk fekt Wide ballt die Hände zu Fäuſten und gibt ſich einen Ruck. Er kommt näher! Er erreicht Nurmi Seine Augen leuchten! Nurmi, ich bin neben dir! Ich überhole dich! Ich ſiege weil ich ſiegen will! Nurmi blickt auf die Uhr Und dann geſchieht es: Plötzlich ſchießt Nurmi förmlick davon. Im Nu liegen fünf Meter Zwiſchenraum zwiſchen Wide und ihm.. und der Zwiſchenraum wird immel größer... wird immer drückender.. lähmender Wide keucht Ich will nicht.. ich will nicht geſchlagen werden! Da iſt wieder ein Schatten neben ihm Ritola geht vorbei... Ritola, den er bereits abgeſchüt⸗ telt zu haben glaubte! Nurmi nähert ſich dem Ziel.. zerreißt das Vand. Steht einen Augenblick, wirft einen Blick auf die Uhr, ſein Mund verzieht ſich etwas, es ſieht faſt aus wie ein ganz leiſes Lächeln. Weltrekord in der Sonnenglut Ganz, wie er es wollte. Ritola wird Zweiter bei dieſer Gluthitze tun kann. 2000 Meter noch Nurmi iſt jetzt nur noch zwe Meter hinter Wide. Wide hört den gleichmäßigen Schritt Nurmis. er hört ihn ganz dicht hinter ſich. Der Schritt iſt ſo ruhig, ſo rhythmiſch... ſo beängſtigend nahe! Wides Bruſt hebt ſich in ra ſchem Atmen. Die Hitze laſtet auf ihm. Sie treibt den Schweiß aus allen Poren. Aber er gibt nicht nach Wide will ſiegen! Wide wil! Nurmi ſchlagen! Ritola iſt gefährlich, gewiß — Ritola hat die Spitze, aber mit ihm wird er fertig. Drohender Schatten Wenn der Endſpurt kommt überholt er Ritola, wie er will Er weiß, daß er die Kraft dazu hat.. und den Willen Wenn nur Nurmi nicht ſo dicht hinter ihm wäre Wides Körper ſtrafft ſich plötzlich. Er beſchleunigt das Tempo. Eigentlich dürfte er es noch nicht. Eigentlich müßte er ſich das bis zum Endſpurt auf⸗ bewahren Aber er will den hämmernden Schritt Nurmis nicht mehr hinter ſich hören.. der will los von ihm, will allein laufen Jetzt liegt Wide neben Ritola. Ein paar Sekunden lang erbittertes Ringen, dann geht er an ihm vorbei. Wide führt! Er hat Nurmi abgehängt! Er fühlt ſich friſch wie nie. Die Hitze kann ihm nichts mehr anhaben.. der Wille, dieſer eiſerne, dieſer wunder⸗ bare Wille bezwingt die Hitze! Wide ſieht nicht, daß Nurmi eben wieder einen Blick auf die Uhr wirft. Er ſieht nicht, daß der Finne auf einmal das Tempo beſchleunigt. Die Uhr hat Nurmi verraten, daß er, wenn er Welt⸗ rekord laufen will, die Geſchwindigkeit erhöhen muß. Nurmi erhöht die Geſchwindigkeit. Es macht ihm keine Schwierigkeiten. Er ſpürt die Hitze nicht. Ritolas keuchender Atem bleibt hinter ihm. Er atmet ruhig und gleichmäßig, als wären es nicht bereits 4000 Meter, die er gelaufen iſt, als hätte das Rennen eben erſt begonnen. Wide erſchrickt. Hinter ihm iſt ein Schritt. hinter ihm iſt das Häm⸗ mern, das rhythmiſche Stampfen einer Maſchine Nurmi 5 hinter ihm! N Er beſchleunigt ſein Tempo! Er gibt ſich aus Noch ein paar hundert Meter, dann kommt der End⸗ ſpurt. und dann dann braucht er noch Kraft noch viel Kraft braucht er dann, um davonzuziehen Nurmi iſt hinter ihm! Wieder die Gerade hinunter Das Hämmern und Stampfen iſt auf einmal nicht mehr da Wide blickt zur Seite.. ein Schatten taucht da auf Nurmi Weit greifen Wides Beine aus. Nurmi läuft im gleichen Takt mit ihm nur, daß ſeine Schritte viel 1 Raum durchmeſſen s Aufnahme: Schirner— M Querfeldein während der Jonnenſchlacht vom Colombes(Olympiade 1924). Vorn Kitkola, als Letzter Nurmi. Wide taumelt ins Ziel und läßt ſich fallen Bleibt liegen, mit dem Geſicht nach unten. Als der Zielrichter ſich niederbeugt und ihn aufrichten will, ſieht er in ein blaſſes Geſicht. Wide ſteht allein auf und geht langſam fort Es iſt wieder nichts.. es wird nie etwas werden Nurmi läuft Nurmi wird immer laufen vorbeigehen Er hört den Beifall der Zuſchauer nicht. Was geht ihn der Beifall an? Er gilt ja nicht ihm... Nurmi gilt er, der gar nicht darauf achtet, dem es ganz gleich iſt, ob die Menſchen klatſchen dem es auch nichts ausmachen würde, wenn ſie pfeifen Nurmi läuft 5 Er läuft nicht, weil die Zuſchauer es wollen, er läuft, weil er laufen muß, weil Laufen ſein Lebenselement iſt Wenn Nurmi erſt einmal nicht mehr läuft. Wkde läßt den Kopf ſinken. Wenn Nurmi nicht mehr läuft, werde auch ich nicht mehr laufen, denkt er. Solange ich laufe, wird immer Nurmi da ſein und wird immer der Erſte ſein.. immer der Erſte * Und noch während dieſer Olympiade folgt die Sonnen ſchlacht von Colombes. Ein 10 000⸗Meter⸗Lauf. durch das Gelände. fürchterlichen Hitze. 40 Teilnehmer traten am Start an, darunter ſind Nurmi, Ritola und Wide. Den 40 Läufern rinnt ſchon am Start der Schweiß den Körper herunter. a Die drei bilden ſchon nach dem Verlaſſen des Stadions die Spitzengruppe. f 5 Die beiden Finnen und der Schwede traben durch die ſengende Hitze, ſie ſchlucken Staub, ſie nehmen jedes Ge⸗ lände. Die anderen fallen einer nach dem anderen um Nach 6 Kilometern iſt Wide erledigt. Nurmi und Ri⸗ tola laufen gleichmäßig wie eine Uhr. Sie erſcheinen im Stadion. Die Maſſen werden aus der Lethargie geriſſen. Sie heulen auf.. 5 Nurmi hat eine Zeit von 32 54,8 erreicht. 10 Kilo⸗ meter querfeldein bei 30 Grad im Schatten. 8 wird immer an ihm Nicht auf der Bahn, ſondern Ein fürchterliches Gelände, bei einer Druckarbeiten für Handel, Gewerbe und industrie liefert schnellstens Neckar-Bote- Druckerei