.. 8 7 * S n Rr. 210(2. Blatt). Neckar Bote Oienstag, 8. September 1936 Reichsparteitag 1936 Asg. Heute beginnt in Nürnberg der Reichsparteitag 1936. Als vor zwei Jahren feſtſtand, daß der Reichspartei⸗ tag in jährlicher Folge ſtattfinden ſollte, da mag es viel⸗ leicht den und jenen gegeben haben, der glaubte, daß da⸗ mit dieſes ſtolze Ereignis an Kraft und innerer Wirkung Einbuße erleiden könnte. Heute wiſſen wir, daß gerade das Gegenteil Tatſache geworden iſt: Von Jahr zu Jahr iſt die Erlebniskraft und die politiſche Bedeutung des Reichsparteitages gewachſen. Er iſt heute nicht mehr fortzudenken aus dem Ablauf des Jahres. Er iſt nicht Gewohnheit, er iſt ſowohl der Partei wie dem ganzen deutſchen Volke zur inneren Notwendigkeit geworden. Das ganze politiſche Leben in Deutſchland zielt darauf ab, die kleinen Fragen in ſtiller Arbeit zu überwinden da⸗ für aber die großen Probleme vor das Forum der Maſſen zu tragen und ihre Entwicklung von der ganzen Nation miterleben zu laſſen.(Es gibt im Auslande Leute, die deut⸗ ſche Zeitungen deshalb für„unintereſſant“ erklären, weil ſie heute mangels entſprechender Vorgänge nicht mehr wo⸗ chenlang und täglich ſich ändernde Mutmaßungen und Prophezeiungen über das Verhalten dieſer oder jener Par⸗ tei zu dieſem oder jenem Problem veröffentlichen!) Dieſem, auf die großen Entwicklungen des nationalen und weltpolitiſchen Lebens abgeſtellten neuen Lebensſtil des deutſchen Volkes wird das Ereignis des Reichsparteitages am umfaſſendſten gerecht Der Deutſche, ob er nun ſelbſt unmittelbar Zeuge der gewaltigen Kundgebungen iſt oder zu Hauſe Nürnberg durch Zeitung, Film und Rundfunk miterlebt, ſieht auf den Reichsparteitag als auf das Ereig⸗ nis, das der geiſtigen Haltung des ganzen Volkes den wür⸗ digſten Ausdruck verleiht. Das iſt das beſondere Geheimnis der Nürnberger Tage und ihrer auf das ganze Volk ſich auswirkenden Anziehunaskros Die gewaltigen Kundgebungen des geſchloſſenen Willens der Nation ebenſo wie das Ereignis des Parteikongreſſes, auf dem ein Querſchnitt der großen Gedanken unſerer Zeit gezogen wird, ſind das Spiegelbild des nationalſozialiſtiſchen Lebens. Hier verbindet ſich die Geiſtesgegenwart des Ein⸗ zelnen mit der Willenskraft der Maſſen. Die Partei, deren große Tage wir in Nürnberg begehen, findet hier die Repräſentation, die ihrer wahren Bedeutung für Deutſchland entſpricht. Hier legt ſie Rechenſchaft ab über das Geleiſtete, hier erhält ſie die Parole des Führers. Auch in den vergangenen Jahren war es in Nürnberg, wo die heutige innenpolitiſche Stellung der NSDAP durch den Führer Inhalt und Geſtalt gewonnen hat. Heute ſind die Tage längſt vergangen und vergeſſen, in denen kleine Geiſter die Partei am liebſten aufgelöſt oder aber in die Ecke geſtellt geſehen hätten. Hier in Nürnberg iſt vom Führer das politiſche Eigenleben der NSDAP be⸗ gründet und ihre Miſſion ausgeſprochen worden. Die Miſ⸗ ſion: Die Kraft, die ihr das Volk gibt, in Rat und Tat auf alle Gebiete des nationalen Lebens zu übertragen. Ein Drittes verbindet ſich für uns mit dem Begriff des Reichsparteitages. Hier wird der Welt ein Bild gegeben von dem, was wirklich unſere Taten, unſere Gedanken und un⸗ ſere Ziele ſind. Ebenſo wie wir in der Kampfzeit die Mord⸗ parole der Kommuniſten mit der Kraft unſerer Idee über⸗ wunden haben, ſo ſetzen wir hier den Moskauer Brand⸗ fackeln von der ganzen Welt gehörte Argmunte entgegen. So wurde im vergangenen Jahre in Nürnberg auf die drohende bolſchewiſtiſche Gefahr, die ſich damals beſonders in den Reden des Moskauer Komintern⸗Kongreſſes abzeich⸗ nete, hingewieſen. Inzwiſchen hat dieſe Nürnberger War⸗ nung in vielen Teilen der Welt, zuletzt auf dem Schauplatz Spaniens, eine blutige Unterſtreichung erfahren. Die Mos⸗ kauer Theorien ſind zur Praxis geworden— in Nürnberg aber wurde ihnen erſtmals die Maske vom Geſicht geriſſen. Deshalb beginnt heute die Welt, die innere Berechtigung der geiſtigen Auseinanderſetzung, die in Nürnberg gepflo⸗ gen wird, in ihrer wahren Bedeutung zu verſtehen. Dieſe Ausblicke werden uns neu bewußt, wenn wir nun den Reichsparteitag in neuer Kraft und neuem Stolz er⸗ leben. Poſtausweispapiere Während der noch immer anhaltenden Reiſezeit iſt häu⸗ fig zu beobachten, daß im Verkehr an den Poſtſchaltern zur Entgegennahme nachzuweiſender Sendungen die Empfänger ſich mit Ausweispapieren verſehen haben, die nicht den Vor⸗ ſchriften und damit der Sicherheit der Poſtverwaltung ent⸗ ſprechen. Unliebſame Auseinanderſetzungen ſind oft die Folge. Der Schaltergaſt erblickt in dem Verlangen des Poſtbeam⸗ ten, einwandfreie Ausweispapiere als Unterlage zu bekom⸗ men, eine engherzige und bürokratiſche Maßnahme. Der Poſtbeamte muß aber bei Abgabe von nachzuweiſenden Sen⸗ dungen, das ſind Werkbrieſe, Einſchreibebriefe, Poſt⸗ und Zahlungsanweiſungen, Wertpakete uſw. einen amtlichen Per⸗ ſonalausweis einſehen und deſſen Merkmale auf dem Aus⸗ gabeſchein uſw. vermerken. 85. Die häufige Auffaſſung, daß Perſonalausweiſe, wie ſie für die Benutzung der Straßenbahn, zum Betreten amtlicher oder privater Betriebsanlagen uſw. genügen, auch im Ver⸗ kehr mit der Poſt gelten, iſt nicht richtig. Sogar die Aus⸗ weiſe der NSDAP., SA., SS., HJ. uſw. ſind nicht als vollgültig anzusehen. Als amtliche Ausweispapiere gelten neben den„Poſtaus⸗ weiskarte“, die von den Poſtanſtalten ausgegeben wird, drei Jahre gilt und nur 50 Pfennig koſtet, lediglich ſolche von Behörden für beſtimmte Perſonen ausgeſtellte Aus⸗ weiſe, die eine Perſonalbeſchreibung, ein beglaubigtes Licht⸗ bild und die eigenhändige Unterſchrift des Inhabers enthal⸗ ten, z. B. Reiſepäſſe, Paßkarten uſw., ſofern ſie in einer dem Beamten bekannten Sprache abgefaßt ſind. f Es empfiehlt ſich daher, die geringe Ausgabe für die Beſchaffung eines amtlichen Perſonalausweiſes mit den vor⸗ ſtehenden Merkmalen zu leiſten, da ſich damit auch im Ver⸗ kehr mit anderen Behörden und bei ſonſtigen Gelegenheiten kasten Schwierigkeiten und Hinderniſſe vermeiden aſſen. 5 Die Verſorgung des Anterofſizierskorps Eine Verordnung des Reichskriegsminiſters. Der Reichskriegsminiſter hat durch einen Erlaß vom 31. 7. 1936 der Truppe mitgeteilt, wie demnächſt die Ver⸗ ſorgung der ausſcheidenden Unteroffiziere geregelt werden ſoll. Der Erlaß iſt im Nachrichtenblatt des Reichstreubundes vom 5. 9. 1936— der Organiſation, die durch das Geſetz zur alleinigen beruflichen Vertretung der ehemaligen Berufs⸗ ſoldaten beſtimmt wurde— ausführlich beſprochen. Dieſer Beſprechung entnehmen wir, daß nach der Neuordnung die Ankeroffiziere nach Ablauf ihrer zwölffährigen Dienſtverpflich⸗ tung nicht mehr— wie bisher— aus dem Treueverhältnis zum Staat ausſcheiden, ſondern in einem geſetzlich geregelten Treueverhältnis auch nach der Entlaſſung aus dem aktiven Dienſt verbleiben. Sie erhalten bis zur planmäßigen An⸗ ſtellung als Beamte gleichbleibende— alſo nicht wie bisher jährlich abklingende— Uebergangsbezüge, deren Höhe ſich nach der auf den Wehrmachtsfachſchulen erreichten Vorbil⸗ dung richtet. Werden ehemalige Berufsſoldaten vor der Anſtellung dienſtunfähig, dann erhalten ſie ein aus den Uebergangs⸗ bezügen errechnetes Ruhegeld. In entſprechender Weiſe iſt auch die Hinterbliebenenverſorgung geregelt. Vorausſetzung für die Gewährung der Bezüge iſt, daß die Verſorgungsanwärter bei mindeſtens fünf Verwaltungen des öffentlichen Dienſtes(darunter großen) für Beamtenſtellen und außerdem für Angeſtelltenſtellen vorgemerkt ſind. Bei Verſorgungsanwärtern, die eine Einberufung in Beamten⸗ und Angeſtelltenſtellen, für die ſie vor⸗ gemerkt ſind, ohne zwingenden Grund ablehnen, erlöſchen die Uebergangsbezüge. Sie erlöſchen auch dann, wenn die Verſorgungsanwärter eine ihnen von den Verſorgungsdienſt⸗ ſtellen der Wehrmacht nachgewieſene Beſchäftigung im öffent⸗ lichen Dienſt, die ihnen unter Berückſichtigung ihrer Vorbil⸗ dung billigerweiſe zugemutet werden kann, ohne zwingenden Grund ablehnen. Wie bisher ſoll aber auch in Zukunft — nach freier Wah!— mit einer feſten Abfindungsſumme der Uebergang in einen bürgerlichen Beruf oder die An⸗ ſiedlung als Bauer möglich bleiben. Der Bundesführer des Reichstreubundes, Gauleiter und Oberpräſident Schwede⸗Coburg, bezeichnet die Neuregelung in einem Schreiben an den Reichskriegsminiſter als eine Tat, deren geſchichlliche Bedeutung in erſter Linie darin beſtehe, daß in Zukunft diejenigen jungen deutſchen Männer, die Luſt und Liebe zum Berufsſoldatentum in ſich tragen, ſich dieſem ſtolzen und männlichen Berufe ohne Sorge um ihre wirtſchaftliche und berufliche Exiſtenz für die Zeit nach dem Ausſcheiden aus dem aktiven Militärdienſt hingeben können. Ferner ſtellt der Bundesführer des Reichstreubundes in dem Schreiben feſt, daß durch die Bindung der Uebergangsbezüge an die auf den Wehrmachtsfachſchulen erlangte Vorbildung das geiſtige, kulturelle und ſoziale Niveau des Unteroffiziers⸗ korps auf denkbar beſter Höhe gehalten werden könne. Verbeſſerte Kurzarbeiterfürſorge Die Kurzarbeiterfürſorge iſt durch den Präſidenten der Reichs anſtall für Arbeitsvermilklung und Arbeitsloſenverſi⸗ cherung neu geregelt worden. Dabei ergeben ſich weſenkliche Erleichterungen im Bezuge der Kurzarbeikerfürſorge. Auch die Unkerſtützungsleiſtungen, die die Reichsanſtalt gewährt, ſind keilweiſe erheblich erhöht, insbeſondere für kinderreiche Familien. Die Erleichterungen beruhen vor allem darin, daß die Betriebe nach der neuen Verordnung auch in der allgemei⸗ nen Kurzarbeiterunterſtützung keine Wartezeit mehr zu⸗ rückzulegen brauchen, bevor Kurzarbeiterfürſorge gezahlt wird. Auch bei einer Unterbrechung der Unterſtützung wird keine Wartezeit mehr auferlegt. Außerdem brauchen die Betriebe bei Kurzarbeit kei⸗ nen Arbeitsplan mehr beim Arbeitsamt einzureichen, wie dies bisher in der allgemeinen Kurzarbeiterunterſtüt⸗ zung erforderlich war; ſie können alſo ihre Arbeitseintei⸗ lung den jeweiligen Bedürfniſſen beſſer und ſchneller an⸗ paſſen als bis jetzt. Der Uebergang von der Unterſtützungs⸗ woche auf die Bettelwoche wirkt in gleicher Richtung; er bedeutet außerdem eine Verwaltungsbereinfachung. In der verſtärkten Kurzarbeiterunterſtützung waren dieſe Erleich⸗ terungen ſchon bisher zugeſtanden worden. Zur Höhe der Unterſtützungsleiſtung iſt zu bemerken, daß die allgemeine Kurzarbeſterunterſtützung nun auch für 5, 7, 9 und 11 Ausfalltage in der Bettelwoche gezahlt wird. In der verſtärkten Kurzarbeiterunterſtützung ergibt ſich die Erhöhung der Leiſtungen ohne weiteres daraus, daß bei entſprechendem Arbeitsausfall der Lohn nicht mehr wie bisher nur bis zu 72 Arbeitsſtunden, ſondern jetzt bis zu, 80 Arbeitsſtunden in der Bettelwoche ausgeglichen wird; eine ſoziale Staffelung nach der Zahl der Familien⸗ angehörigen wird dabei aufrechterhalten. Beibehalten iſt ferner die Beſtimmung, daß verſtärkte Kurzarbeiterunter⸗ ſtützung nur in den gewerblichen Betrieben bezahlt werden darf, deren Gewerbegruppe zu dieſer Unterſtützung vom Präſidenten der Reichsanſtalt beſonders zugelaſſen iſt. Es iſt anzunehmen, daß die Kurzarbeiterfürſorge im vermehrten Maße dazu beiträgt, den Gedanken der Be⸗ triebsverbundenheit zu ſtärken; dies iſt nach den Eingangsworten der Verordnung auch ihr beſonderer Zweck. Eine Million Liter Patenwein Die Weinwerbewoche in Berlin.— Etwa 20 000 Schank⸗ und Verkaufsſtellen.— Große Volksfeſte. Weit mehr als eine Million Liter Patenwein ſind bis heute aus den ſechs Berliner Patenorten der Pfalz, Nahe, Moſel und vom Rhein in die Reichshauptſtadt gerollt, um hier in der Zeit vom 19. bis 27. September, auf dem diesjährigen großen Feſt der deutſchen Traube und des deut⸗ ſchen Weins von durſtigen Berliner Kehlen getrunken zu werden. Damit iſt ſchon jetzt das Geſamtaufkommen der Weinwerbewoche des Vorjahres— rund 800 000 Liter— um etwa 25 v. H. überſchritten worden. In zwei Paten⸗ orten, deren Keller mit guten Weinernten hoffnungslos über⸗ füllt waren, ſind ſchon heute alle Beſtände reſtlos ge⸗ räumt, und es iſt anzunehmen, daß die anderen Orte in Kürze folgen werden. Für den Bezug von Patenweinen ſind in Berlin nur zünftige Weinbetriebe, Gaſtwirtſchaften und Einzelhändler zu⸗ gelaſſen, die durch beſondere Zulaſſungsſchilder kenntlich ge⸗ macht werden. Verkauf und Ausſchank darf in den etwa 20 000 zugelaſſenen Gaſtſtätten und Einzelhandels⸗ geſchäften nicht vor dem 19. September erfolgen. In den endloſen„Katakomben“ der großen Berliner Weinkellereien ſind ſchon ſeit Wochen die Küfer und ihre Helfer an der Arbeit, um aus gewichtigen Rieſenfäſſern den edlen Paten⸗ wein ſachgemäß abzuziehen, auf Flaſchen zu füllen und ver⸗ kaufsfertig zu machen. Das Programm der Weinwerbewoche iſt noch großzügiger ausgebaut als im Vorjahre, wobei wieder die NS.⸗Gemein⸗ ſchaft„Kraft durch Freude“ maßgebend beteiligt iſt. Am 19. September halten die Winzergruppen der ſechs Paten⸗ orte Hambach, Duchroth, Oppenheim, Winkel, Nehring und Zeltingen— insgeſamt 140 Winzer und Winzerinnen mit den Bürgermeiſtern an der Spitze— ihren feierlichen Ein⸗ zug, an den ſich der Empfang durch Staatskommiſſar Dr. Lippert anſchließt. Am Abend ſteigt dann im Konzerthaus Clou die erſte Großveranſtaltung unter Mitwirkung verſchie⸗ dener landsmannſchaftlicher Vereine und der Gäſte aus den Winzergebieten, darunter auch die Hambacher Tanzgruppe. Die gleichen Veranſtaltungen werden noch am 20. Sep⸗ tember, am 22., 23., 25., 26. und 27. durchgeführt. Das Feſt der deutſchen Traube und des deutſchen Weins 1936 dürfte ſich wieder zu einem Volksfeſt im beſten Sinne des Workes geſtalten, an dem die ganze Reichshauptſtadt teilnimmt. Der Rund funkſprecher⸗Wettbewerb Abſchluß der Großen Deutſchen Rundfunk⸗Ausſtellung. Am Schluß des Volksſenderprogramms auf der Ber⸗ liner Rundfunkausſtellung wurde das Ergebnis des Rund⸗ funkſprecher⸗Wettbewerbs 1936 verkündet. Erſter Sieger wurde der Tonfilm⸗Wagenführer Willy Kluge⸗Leipzig(Preis 2000 Rm.), zweiter Sie⸗ ger Werbeleiter Heinrich Schwich⸗Saarbrücken(Preis 1000 Rm.), dritter Sieger Kreiswart der NSG. Kraft durch Freude Friedrich Licht⸗Frankfurt a. M.(Preis 500 Rm.) Die fünf Troſtpreiſe erhielten: Student Karl Zühlsdorf⸗ Frankfurt a. d. Oder, Schriftſteller Johannes Ernſt Kirſchke⸗ Sagan, Schuhmacher Heinz Altenbockum⸗München, Diplom⸗ Ingenieur Raimund Thomſon⸗Stuttgart und der Lehrling Werner Kindemann⸗Königsberg. Die Große Deutſche Rundfunk⸗Ausſtellung wurde am Sonntagabend programmäßig geſchloſſen. Noch einmal war ſie Sammelpunkt vieler tauſender Volksgenoſſen, die zum Teil in zahlreichen Sonderzügen aus allen Gauen Deutſch⸗ lands gekommen waren, und die weiten Hallen vom frühen Morgen bis zum ſpäten Abend füllten. Unter dem Funkturm wechſelten ſich Kapellen und Sängerſcharen mit Einzeldarbietungen der Volksgenoſſen aus allen Schich⸗ ten und allen Teilen Deutſchlands in Vorträgen und Muſik⸗ ſtücken aller Art ab. Einen beſonderen Anziehungspunkt bildete aber, wie an jedem Tage, wieder der Volksſender 1936. In dich⸗ ten Scharen umſtanden die Beſucher die Bühnen der drei Sendeſäle. Abermals gab es eine Fülle intereſſanter Dar⸗ bietungen. Oberbayern, Kurheſſen, Mecklenburger, Märker und zahlreiche andere traten in buntem Wechſel vor das Mikrofon. Eine gewaltige Heerſchar deutſchen Volkstums, die in ihren Darbietungen in Wort und Ton einen Quer⸗ ſchnitt durch das kulturelle Leben und das Streben der werk⸗ tätigen Menſchen gab. Den Höhepunkt der letzten Veranſtaltung des Volks⸗ ſenders bildete aber die feierliche Verkündung der Reichs⸗ 5 5 im Rundfunkſprecher⸗Wettbewerb, die der Reichsleiter er NSG.„Kraft durch Freude“, Dreßler⸗Andreß, mit einer längeren Anſprache einleitete. 7 Zum Reichsparteitag eingetroffen. Die 5. Batterie des Flak⸗Regiments 10 traf auf dem Fürther Gü⸗ terbahnhof ein. 5 Weltbild(M). (2. Fortſetzung.) Ich begann, mich für die Hausfrau zu intereſſieren. Ich erfuhr, daß die Dame früher einmal beim Film ge⸗ weſen ſei und mit ihrem jetzigen Mann in zweiter Ehe lebte, aus der auch das vierjährige Kind ſtammte. mir das Stubenmädchen verriet, ſollte die Gnädige be— reits über 40 Jahre alt ſein; aber man ſah es der noch immer ſehr ſchönen Frau beſtimmt nicht an. Zwiſch Eheleuten gab es wiederholt Streitigkeiten. lag darin, daß er ſie z Geld auskam, und daß er ſie mit einer krankhaften Eifer⸗ ſucht auf ihre Vergangenheit quälte. Er warf ihr manch⸗ mal Bekanntſchaften vor, die wohl zehn Jahre zurück⸗ liegen mochten. „Vielleicht hätte er mehr Urſache dazu, wenn er ſich mit der Gegenwart beſchäftigen würde,“ meinte meine Kollegin, das erſte Stubenmädchen,„dann würde er mög⸗ licherweiſe ſogar den Grund entdecken, warum die Gnädige nie mit dem Geld auskommt. In allem wird bei uns ſchrecklich geſpart, ſo daß nur die Hälfte des Wirtſchafts⸗ geldes, das die Dame vom Herrn beke imt, verbraucht wird. Die andere Hälfte verwendet ſie für geheimnisvolle Zwecke.“ Mehr wollte mir meine Kollegin nicht verraten, aber als ich in ſie drang, gab ſie mir zu verſtehen, daß die Gnädige mit dem Chauffeur auf ſehr vertrautem Fuß ſtünde. Soviel wollte ſie we— nigſtens bemerkt haben. Natürlich nahm ich den Hausklatſch nicht als Tatſache hin, aber ich beſchloß, dieſem Fingerzeig nachzugehen. Was iſt mit dem Chauffeur? Der Chauffeur hieß Fritz Lehmann und war ein ſehr junger und auffallend hüb⸗ ſcher Mann. Er ſtand erſt ſeit kurzer Zeit im Dienſt der Fa⸗ milie und bewohnte ſeither das kleine Zimmer, das ſich im Garten oberhalb der Garage be⸗ fand. Zu meinen Obliegenheiten behörte auch das Aufräumen die⸗ ſes Zimmers. Wie das erſte Stu⸗ benmädchen einmal ſpitz bemerkte, mußten ſich die früheren Chauf⸗ feure den Raum ſelbſt in Ordnung halten, aber der Lehmann wurde von der Gnädigen in jeder Hin⸗ ſicht verwöhnt. Sogar der ſonſt ſtets mürriſche Herr des Hauſes ſchien Fritz ins Herz geſchloſſen zu haben. Der Fa⸗ brikant war nämlich ein begeiſterter Auto⸗ ſportler, und Lehmann verkörperte die Idealgeſtalt eines hervorragenden Fahrers. Des Rätſels Löſung Gleich am erſten Tage hatte ich beim Aufräumen des Chauffeurzimmers bemerkt, daß Lehmann nicht nur fabel⸗ haft ausgeſtattet war, ſondern auch über einen ausgezeich⸗ neten Geſchmack verfügte: Seidenwäſche, wunderbare Bin⸗ der, elegante Schuhe und zahlreiche gute Garderobe, in deren Beſitzer man eher einen Schauſpieler vermutet hätte. Sogar in der Chauffeuruniform ſah der junge Mann ele⸗ gant aus. Fritz Lehmann machte mir gleich von Anfang an auf die Art geübter Herzensbrecher den Hof. Einmal wollte er mir zehn Mark geben für meine Mühe mit dem Auf⸗ räumen. Ich lehnte ab und meinte, das käme doch unter Kollegen nicht in Frage. Darauf ſchenkte er mir am näch⸗ ſten Tage eine teure Bonbonniere. Der Chauffeur hatte mit ſeinem monatlichen Enikommen von hundert Mark noble Allüren. Eines Morgens brachte Lehmann den Fabrikanten nach ſeinem Bürd, kam dann gleich wieder zurück und fuhr die Dame zur Stadt. Ich benutzte ſeine Abweſenheit, um inzwiſchen ſein Zimmer oberhalb der Garage in Ordnung zu bringen. Getreu meiner Aufgabe mußte ich neugierig ſein. Ich unterſuchte die Taſchen ſeiner Anzüge, ohne etwas Nennenswertes zu finden, und hielt mit demſelben Mißerfolg Nachſchau in allen Laden. Alles war unver⸗ ſchloſſen, und mir fiel auf, daß Briefe, Aufzeichnungen und andere kleine Geheimniſſe, die doch jeder Menſch beſitzt, nicht vorhanden waren. Schließlich entdeckte ich unten im Kleiderſchrank des Rätſels Löſung in Geſtalt einer ver⸗ ſperrten kleinen Handkaſſette. Wer weiß, was man da finden würde, wenn man hineinſehen könnte, dachte ich gerade, als ich unten den Wagen vorfahren hörte. 78 5 Wie haben, denn im Zuſammenhang damit ſagte die Dame: „Du kannſt ja den Weg nachmittags machen. Wenn ich zur Stadt will, nehme ich den Autobus.“ Schnell zog ich mich vom Fenſter zurück. Ich war ge⸗ radezu beſtürzt, daß ſich die Dame und ihr Chauffeur duzten. Es fehlte mir wohl noch die zu meinem neuen Beruf nötige ſeeliſche Abhärtung, derzufolge man über den Dingen ſtehen ſoll. Das Geheimnis der Kaſſette Am nächſten Nachmittag hatte ich für die Dame etwas in der Innenſtadt zu beſorgen. Ich benutzte die Gelegen⸗ heit und ſuchte die Auskunftei auf, um meinem Chef Be⸗ richt zu erſtatten. Nun, was bringen Sie mir Neues?“ begrüßte mich der Doktor und bot mir Platz an. Diesmal hörte er mir ſogar intereſſiert zu und machte ſich fallweiſe Aufzeich⸗ nungen. „Das Eis iſt gebrochen,“ ſagte der Doktor, als ich mit meinem Vortrag geendet hatte.„Die Sache mit der Dame punkt. Und wenn wir der Geſchichte nachgehen, dann wer⸗ den wir wahrſcheinlich auf dieſem Weg auch irgendwo auf die Spur von einem Paar Ohrgehängen ſtoßen. Sie ſind ein ganz hübſches Mädel, dem es ſicher gelingen wird, dieſen Lehmann einzufangen. Geben Sie aber dabei acht, daß Sie ſich nicht in ihn verlieben. Ich werde mich in⸗ zwiſchen über dieſen jungen Mann erkundigen.“ Der Doktor war aufgeſtanden und ging mit großen Schritten im Zimmer auf und ab. Plötzlich blieb er vor mir ſtehen und ſagte:„Sie müſſen unbedingt Einblick in die Kaſſette des Chauffeurs be⸗ kommen. Ich gebe Ihnen Wachs mit, vielleicht Zeichnung: Drewitz— M. Ich blätterte mich nach dem 5 Boden der Kaſſette durch. Ich 5 fand einen Brief mit der Handſchrift der Dame des Hauſes und ſteckte ihn ebenſo wie den annullierten Wechſel zu mir. gelingt es Ihnen, von dem Schlüſſel einen Abdruck zu nehmen. Sie erhalten auch mehrere Nachſchlüſſel, mit deren Hilfe Sie möglicherweiſe die Kaſſette öffnen können, wenn das Schloß nicht zu kompliziert iſt. Laſſen Sie ſich aber nicht erwiſchen!“ Der Doktor holte Wachs und einen Bund merkwür⸗ diger Schlüſſel und zeigte mir, wie ich damit umgehen ſollte. Dann entließ er mich mit der Weiſung, ihn unver⸗ züglich zu verſtändigen, ſobald ich Neues wüßte. *. Als ich am nächſten Tage das Chauffeurzimmer auf⸗ räumte, kam Fritz gerade aus der Stadt zurück, ſo daß ich meinen Angriff auf die Kaſſette verſchieben mußte. „Sie haben ja morgen Ihren erſten Ausgang,“ ſagte Lehman,„dürfte ich Sie einladen, den Abend mit mir zu verbringen?“ Er machte mir die Aufgabe leicht. Erſt zierte ich mich ein wenig, dann ſagte ich zu. „Nur um eines möchte ich Sie bitten, Fräulein Hilde⸗ gard,“ ſtellte der Chauffeur ſeine Bedingung,„die Leute im Hauſe dürfen davon nichts erfahren.“ Ich gab ihm die Verſicherung, daß dies auch in mei⸗ nem Intereſſe gelegen ſei. Wir vereinbarten das Stell⸗ dichein für den nächſten Abend vor dem Luna⸗Park. * Am folgenden Morgen ſchien die Gelegenheit günſtig für den Angriff auf die Kaſſette. Der Chauffeur befand ſich in der Stadt, andere Störungen waren nicht zu be⸗ fürchten. Auch hätte ich durch das geöffnete Fenſter dem Gartenhaus näher kommende Schritte gehört. Ich ſchloß die Tür ab, nahm die ſchwere Handkaſſette aus dem Schrank und ſtellte ſie auf einen Stuhl. Dann entfernte ich einen der Nachſchlüſſel nach dem anderen aus dem Ring und verſuchte, damit das Schloß zu öffnen. Sie waren nach beſtimmtem Syſtem geordnet. Die erſten gingen gar nicht in das Schlüſſelloch, endlich aber fand ich die richtige Größe. Einmal ſchnappte ſogar das Schloß ein wenig, aber der Schlüſſel ließ ſich nicht ganz herumdrehen. Beim nächſten Schlüſſel das gleiche, beim dritten Schlüſſel aber klappte es: Die Kaſſette war geöffnet. Ich bin auf der Spur Klopfenden Herzens hob ich den D lagen vier Noten zu je hundert Mark, Ich blätterte mich nach dem Boden der Kaſſette durch. Den Geldſcheinen folgten mit verſchiedenen Frauennamen gezeichnete Briefe, dann ſtieß ich auf einen Umſchlag, der auf den Namen Fritz Lehmann lautende Schulzeugniſſe enthielt. Aus dieſen und aus einem dabei befindlichen Maturitätszeug⸗ nis ging hervor, daß der Chauffeur mit gutem Erfolg ein bekanntes ſchweizeriſches Inſtitut beſucht hatte. Hierauf kam eine Menge von Zeitungsausſchnitten, die durchzu⸗ leſen, ich mir jedoch nicht Zeit nehmen konnte. Ein Bild aus einer illuſtrierten Zeitſchrift verriet mir aber, um was es ſich hier handele. Die Photographie ſtellte unſeren Chauffeur dar, und darunter ſtand folgendes gedruckt: eckel hoch. Zuoberſt und dem Chauffeur bietet immerhin einen netten Anhalts⸗ „Rennfahrer Fritz Lehmann, der Sieger im Großen Preis von L.“ Dann fand ich einen einzelnen Brief, der die charak teriſtiſchen Schriftzüge der Dame des Hauſes trug. Ich nahm mir keine Zeit, ihn zu leſen, und ſteckte ihn raſch entſchloſſen ein. Ich hielt mich ebenſowenig damit auf, eine Menge von Lichtbildern anzuſehen, ſondern kramte haſtig weiter, bis ich am Boden der Kaſſette anlangte. Und dort entdeckte ich etwas, das den Verdacht zu rechtfertigen ſchien, und zwar einen bereits eingelöſten Wechſel auf 4300 Mark, der mit Fritz Lehmann als Schuldner und mit dem Namen der Dame des Hauſes unterzeichnet war. Der Fälligkeitstermin trug ein Datum, das ungefähr mit der ſeinerzeit erfolgten Diebſtahlsanzeige übereinſtimmte. Ich nahm auch den annullierten Wechſel zu mir, ſchloß die Kaſſette und brachte alles wieder in ſeine urſprüngliche Ordnung. Dann begab ich mich in die Villa hinüber und erledigte meine tägliche Arbeit ſehr zerſtreut. Meine Ge⸗ danken beſchäftigten ſich mit dem rätſelhaften Drama, deſſen Enthüllung nun in meinen Händen lag. Hier Fritz Lehmann, der in einem erſtklaſſigen Inſtitut erzogen wor den war, ſpäter erfolgreicher Rennfahrer und nun Chauf⸗ feur, dort die alternde ſchöne Frau, wohl in blinder Lei— denſchaft zu dem jungen Mann entflammt, um des Ge⸗ liebten willen ſogar zu einem Verbrechen bereit. Bedenken ſtiegen in mir auf, ob ich überhaupt das Recht hatte, Schickſal zu ſpielen und Menſchen zu ver⸗ nichten, wenn auch die Verantwortlichen gegen das Geſetz verſtießen. Andererſeits war es die Pflicht, der ich folgen mußte. Und ich folgte ihr bis zum Ende. Nachmittags hatte ich ab vier Uhr Ausgang. Dies traf ſich gut, denn nun konnte ich unauffällig fort, um meinen Chef von den wichtigen Entdeckungen zu verſtän⸗ digen. Lehmann erwartete mich erſt um acht Uhr. Zunächſt begab ich mich nach meiner Wohnung. Wäh⸗ rend der Fahrt im Autobus las ich jenen Brief, den ich mir aus der Kaſſette angeeignet hatte. Er lautete: „Mein lieber Fritz! Deine Nachricht hat mich erſchüttert. Natürlich werde ich Dir aus der Patſche helfen müſſen. Wie ich es möglich machen ſoll, davon habe ich allerdings noch keine Ahnung. Irgendein Weg wird ſich finden. Meinem Mann kann ich unmöglich damit kommen. Er ſcheint bereits aufmerkſam geworden zu ſein und verlangt über jede Mark Rechen⸗ ſchaft. Deine Lebensführung dark nicht mehr ſo weiter⸗ gehen. Ich werde Dir alſo nochmals beiſtehen, mache aber dieſe meine Hilfe von der Erfüllung einer Bedingung ab⸗ hängig. Erwarte mich übermorgen um vier Uhr nach⸗ mittags an bekannter Stelle. Es küßt Dich Deine M.“ Ich hatte im Papierkorb einen Zettel gefunden, auf dem einige wirtſchaftliche Notizen von der Hand der Dame des Hauſes ſtanden. Die Schriftzüge darauf glichen voll⸗ kommen denen in jenem Brief. Auch ſtimmte das„M“ mit dem Anfangsbuchſtaben des Namens Magda der Frau überein. Vor der Aufklärung Eine Stunde ſpäter ſaß ich meinem Chef gegenüber. Ich berichtete ihm genau, was ich alles in der Kaſſette geſehen hatte, und gab ihm erſt dann den Wechſel, den Brief und den Zettel mit den Schriftzügen der Dame. Das Geſicht des Doktors verriet Ueberraſchung. Lange prüfte er die Papiere, ſchließlich nahm er eine Lupe zur Hand und vergleich die Schriftzüge des Briefes mit denen auf dem Zettel. Plötzlich ſprang er auf und reichte mir im⸗ pulſiv die Hand. 5 „Das Eis ſetzt ſich in Bewegung,“ ſagte er.„Sie haben Ihre Sache gut gemacht. Das, was Sie mir brach⸗ ten, iſt zwar noch kein Beweis für den Verſicherungsbetrug, die Dokumente werden aber immerhin genügen, die Dame zu einer Beichte zu veranlaſſen.“ Ich erzählte dem Chef von der für den Abend ge⸗ planten Zuſammenkunft mit dem Chauffeur. „Gehen Sie hin,“ meinte der Doktor,„vielleicht ver⸗ rät er noch etwas, wenn er gut aufgelegt iſt. Morgen ver⸗ laſſen Sie Ihren Poſten nud melden ſich um zwei Uhr bei mir. Ich ſchicke Ihnen ein Telegramm, daß Ihre Groß⸗ mutter geſtorben iſt.“—— Zur feſtgeſetzten Zeit begab ich mich zum Stelldichein. Lehmann erwartete mich ſchon; er ſah in ſeinem eleganten Anzug blendend aus. Er führte mich in ein kleines, aber vornehmes Reſtaurant zum Abendeſſen, nachher in ein Tanzlokal. Muſik, Stimmung, guter Wein, teurer Sekt. Geld ſchien bei dem Chauffeur keine Rolle zu ſpielen. Es wird wohl der Wein geweſen ſein, der mich in aus⸗ gelaſſene Stimmung brachte und den eigentlichen Zweck vergeſſen ließ. Der Mann an meiner Seite gefiel mir, wir tranken ſogar auf du und du. Nichts blieb als er und ich, die Welt um mich verſank. (Fortſetzung folgt.) ell zu emem ollicklichen U ulſchland! Werdet HNlitg lied der U.S. UD. 125