Rr. 254(2. Blatt). Neeko Bote Oonnerstag, 29. Oktober 1936 —ͤ̃— Ribbentrops Aufgaben in London Botſchafter von Ribbentrop iſt in London eingetroffen und hat die Geſchäfte der Botſchaft übernommen. Dieſe Amtsübernahme fällt in eine Zeit beſonderer weltpolitiſcher Spannungen. Gerade die nächſten Wochen dürften an den deutſchen Botſchafter in London ganz beſondere Anforde⸗ rungen ſtellen. Da iſt es ein beſonderes Glück für uns, daß err von Ribbentrop nicht als Fremder nach England fommt. Ihm geht im Gegenteil der Ruf beſonderer Ver⸗ trautheit mit Land und Leuten voraus. Er beherrſcht nicht nur die Sprache des Landes, das nunmehr ſein Arbeits⸗ gebiet geworden iſt, ſondern er unterhält ſchon ſeit gerau⸗ mer Zeit enge freundſchaftliche Beziehungen zu hervor⸗ ragenden britiſchen Familien. Die breite Oeffentlichkeit Großbritanniens kennt Herrn von Ribbentrop noch als den Mitſchöpfer des deutſch-engliſchen Flottenpaktes, und von jener Zeit her ſchätzen ihn auch die engliſchen Beamten als einen Mann von angenehmen Formen und großer Sach⸗ lichkeit. In England weiß man auch, daß er der beſondere Ver⸗ ſraute des Führers und Reichskanzlers iſt. Damit iſt auch geſagt, daß eine verſtändnisvolle Pflege der deutſch⸗eng⸗ iſchen Beziehungen Adolf Hitler ganz beſonders am Herzen liegt. Gerade das nationalſozialiſtiſche Deutſchland, das von der raſſemäßigen Erkenntnis der Völkergrundlagen aus⸗ geht, fühlt ſich zu dem Volke alten germaniſchen Urſprungs hingezogen. Es iſt der tiefe und ernſte Wille Adolf Hitlers, daß die beiden ſtammperwandten Völk er ſich nie wieder in einem Kriege als Feinde gegenübertreten müſſen. Gerade darum beklagte die deutſche Volksgeſamt⸗ heit ſo unendlich, daß immer wieder Mißverſtändniſſe zwi⸗ ſchen den beiden großen Völkern entſtehen, die ſich zu Miß⸗ trauen auswachſen. Aber gerade auch darum begrüßen wir es, wenn ſich Männer in England finden, die ehrlich be⸗ müht ſind, die Atmoſphäre des Mißtrauens abbauen zu helfen. Wenn jetzt der Schwiegerſohn Winſtons Churchills, Mr. Duncan Sandys, in der„Europäiſchen Revue“ mit echt engliſcher Nüchternheit die Frage unterſucht, ob ein Krieg für Deutſchland vermeidhar ſei und ſie ohne weiteres bejaht, weil nach ſeiner Auffaſſung Deutſch⸗ land durch einen Krieg nicht nur viel zu verlieren, ſondern auch nichts zu gewinnen hat, was es nicht einfacher auch durch friedliche Verhandlungen erreichen könnte, ſo iſt ſolche Aufklärungsarbeit weitaus verdienſtlicher als die ewigen Verſuche ſeines Schwiegervaters, in jedem deutſchen Schiff, 1 85 oder Soldaten eine Bedrohung für England zu ſehen. Es trifft ſich ausgezeichnet, daß gerade in den Tagen der Amtsübernahme durch den neuen deutſchen Botſchafter wieder deutſche Frontkämpfer in England einge⸗ troffen ſind. Schon die erſten Begrüßungsanſprachen und ihre deutſchen Erwiderungen haben zum Ausdruck gebracht, daß die Pflege guter Kameradſchaft und Freundſchaft zwi⸗ ſchen den Männern, die ſich einſt in den Gräben gegenüber⸗ lagen, eine ganz beſondere Friedensgarantie darſtellt. Hand in Hand damit geht der deutſch⸗engliſche Kulturaus⸗ tauſch, der nunmehr aktiviert werden ſoll. Schon haben 15 die beiderſeitigen Organiſationen auf engliſchem Boden h und im nächſten Monat wird das Londoner Phil⸗ rmoniſche Orcheſter zu einer Gaſtſpielreiſe durch Deutſch⸗ land über den Kanal kommen, um praktiſch zu demonſtrie⸗ ren, wie eng kulturell das britiſche und das deutſche Volk verbunden ſind. In Herrn von Ribbentrop dürften alle dieſe Ausgleichs⸗ verſuche und Austauſchaktionen einen beſonders liebevollen Förderer finden. Der ſeeliſche Ein⸗ klang der beiden großen Völker kann auf die Dauer nicht in Abrede geſtellt werden Aber es zeigt ſich doch auch, daß das gemeinſame europäiſche Intereſſe die deutſche und die engliſche Regierung immer wieder enger zuſammenführen. Soeben iſt dieſes Faktum wieder mit be⸗ ſonderer Deutlichkeit bei dem frechen Moskauer Verſuche, im Nichteinmiſchungsausſchuß nach der alten Gauner⸗ methode„Haltet den Dieb“ zu operieren, in die Erſcheinung getreten. Jetzt ſcheint ſich Moskaus letzter Verſuch in deutlichen Umriſſen anzukündigen. Die ſowjetruſſiſchen Berater der ſpaniſchen Regierung unter der Führung des Herrn Moſes Roſenberg drängen die Madrider Regierung zur Flucht nach Barcelona, und der bolſchewiſtiſche Gene⸗ ralkonſul von Barcelona, Herr Owsjenko, hat es glücklich erreicht, daß die katalaniſche Regierung Companys ſich zur Sowſetregierung erklärt. In London ſpürt man das Ge⸗ fährliche einer ſolchen Brandſtifterpolitik nur zu genau. Man weiß, daß ein wirkliches Eingreifen Sowjetrußlands in den ſpaniſchen Bürgerkrieg leicht den Funken für das europäiſche Pulperfaß bedeuten kann. Italien würde dann womöglich gezwungen, die Balearen zu beſetzen oder ſonſt irgendwelche vorbeugende Maßregeln zu treffen. die Eng⸗ lands Lage im Mittelmeer erneut komplizieren könnte. Unter dieſen aktuellen politiſchen Ereigniſſen iſt die Vor⸗ bereitung der Fünf⸗Mächte⸗Zuſammenkunft etwas in den Hintergrund geraten. Aber es dürfte gerade Herrn von Ribbentrop jetzt leichter möglich ſein, die Eng⸗ länder auf die Untunlichkeit einer Vermengung öſtlicher Probleme mit konkreten weſtlichen Entſcheidungen hin⸗ zuweiſen. Jede europäiſche Ausſprache, von der der Weli⸗ friedensſtörer Bolſchewismus nicht von vornherein ausge⸗ ſchloſſen oleibt, iſt zur Unfruchtbarkeit verdammt. Der Som- jetvertreter Majſki hat in dieſer Hinſicht jetzt in London einen aufſchlußreichen Anſchauungsunterricht erteilt. Es zeigt ſich ja immer mehr, daß anſtelle des alten Locarno⸗ vertrages etwas ganz Neues geſchaffen werden muß. We⸗ der Italien noch Belgien ſind geneigt, dort anzuknüpfen, wo Deutſchland es angeſichts der franco⸗ſowjetruſſiſchen Verſtändigung ablehnte. die Fiktion eines Vertrages noch aufrecht zu erhalten. Man muß neue Wege finden, vielleicht nz neue Methoden der politiſchen Verſtändigung ſuchen. erade Herr von Ribbentrop iſt der Mann, der hier kraft einer Stellung dem neuen Völkerfrieden wertvolle Dienſte leiſten kann. Wühelm⸗Guſtloff⸗Otiftung Uebergabe der Berlin ⸗Suhler⸗Fahrzeugwerke. Suhl, 28. Okt. In Suhl übergab Reichsſtatthalter und Gauleiter Sauckel die Berlin⸗Suhler⸗Fahrzeugwerke Suhl⸗ Weimar der Wilhelm⸗Guſtloff⸗ Stiftung, als der erſten Stiftung, in der alle weltanſchaulichen nationalſozialiſti⸗ chen Forderungen des vom Führer am 24. Februar 1920 verkündeten Parteiprogramms verwirklicht werden ſollen. Der Gauleiter hielt eine Anſprache, in der er Weſen und Zweck der Stiftung erläuterte. Der Hauptzweck der Stif⸗ tung ſei die Erhaltung und Förderung des Stiftungsbetrie⸗ bes zum Wohle des deutſchen Volkes. Die Führung erfolge nach nattonalſozialiſtiſchen Grundſätzen. Darnach ſei neben der Förderung des Wohles der Gefolgſchaft die Erfüllung des Leiſtungs⸗ und Lualitätsprinzips die erſte Aufgabe der Stiftung. Sie ſolle darüber hinaus teilnehmen an der Lö⸗ ſung allgemeiner Aufgaben auf wirtſchaftlichem, techni⸗ ſchem, ſozialem und kulturellem Gebiet. Der Orkan an der Nordſeeküſte Schiffsunfälle.— Nachlaſſen des Sturmes. Hamburg, 28. Oktober. An der Nordſeeküſte hielt der ſchwere Sturm am Dienstagnachmittag an; am Mittwoch iſt eine Beruhigung eingetreten. Im einzelnen wird berichtet: Der engliſche Tankdampfer„Laurelwood“ geriet infolge ſchweren Wetters unweit Brunsbüttel auf Grund. Zahl⸗ reiche Schlepper ſind zur Hilfeleiſtung ausgelaufen. An der Küſte von Suder⸗Dithmarſchen wurden durch den orkanartigen Sturm ſieben Arbeiter des Mar⸗ ſchenbauamtes auf dem Inſelchen Helmſand abgeſchnitten. Da ſich auf Helmſand eine aus Pfählen errichtete Schutz⸗ hütte befindet, die auch der letzten Sturmflut vor einigen Tagen ſtandgehalten hat, beſtand für die Arbeiter keine un⸗ mittelbare Gefahr. Ein Rettungsboot, das zunächſt gegen den Orkan nichts ausrichten konnte, rettete ſpäter die ſieben Mann. Wie aus Terſchelling gemeldet wird, iſt die Bergung des durch den Sturm ſchwer beſchädigten deutſchen Damp⸗ fers„Norburg“ geglückt. Das Schiff wurde am Mitt⸗ woch in Emden eingeſchleppt. Der Gewitterſturm hat ſchweren Schaden angerichtet. Zwei Bauernhöfe in Friesland wurden durch Blitzſchlag eingeäſchert. Flufkataſtrophe wie 1911 in Jütland. An der Weſtküſte von Jütland tobte ſchwerer Weſt⸗ ſturm. Die Stärke der Sturmflut gleicht der der großen Flutkataſtrophe des Jahres 1911. Aus verſchiedenen Gegen⸗ den werden Hagelſchauer und Windhoſen gemeldet. Von der Nordſee wurden mehrere SOS ⸗Rufe aufgefan⸗ gen. Weſtlich von Varde wurde das Wrack des vermiß⸗ ten Esbjerger Fiſchkutters„Eigil“ an Land getrieben. Man muß annehmen, daß die Beſatzung von vier Mann ums Leben gekommen iſt. Lübecker Dampfer geſtrandek. Der Kapitän des Lübecker Dampfers„Oſtſee“ telegra⸗ phierte ſeiner Reederei, ſein Schiff ſei in der Nähe von Uleaborg in Finnland geſtrandet. Der Schiffsrumpf iſt be⸗ ſchädigt, doch konnte die Größe des Schadens noch nicht feſtgeſtellt werden. Bergungsdampfer ſind zur Unfallſtelle unterwegs. Es handelt ſich um einen der Lübecker⸗Linie⸗ Ag. gehörenden etwa 1300 Bruttoregiſtertonnen großen Dampfer. Frachtdampfer untergegangen, 18 Mann ertrunken London, 28. Okt. In dem ſchweren Sturmwetter iſt der lettiſche Frachtdampfer„Helena Faulbaums“(2000 To.) an der ſchottiſchen Weſtküſte untergegangen. 15 Mann der Beſatzung ertranken. Vier retteten ſich auf eine kleine, un⸗ bewohnte Inſel. Ein Rettungsboot brachte ſie ſpäter in Si⸗ cherheit. Orkan und Erdbeben. Oslo, 28. Okt. Auf der Polarinſel Jan Mayen iſt die einzige menſchliche Niederlaſſung, nämlich die norwegiſche Wetterdienſtſtation, von einem ſchweren Erdbeben heimge⸗ ſucht worden. Gleichzeitig wütete ein Orkan, ſo daß die Gebäude der Station von völliger Zerſtörung bedroht wa⸗ ren. Es wurde erheblicher Schaden angerichtet. Eine Reihe kleinerer Erdſtöße folgte im Laufe des Tages. Sturm raſt übers Land Zwei Tote und ein Schwerverletzter. Aachen, 28. Okt. Das ſtürmiſche und regneriſche Wetter hat zwei Todesopfer und einen Schwerverletzten gefordert. In Lammersdorf in der Eifel wurde der Ortsgrup⸗ penleiter aus Zweifall, der 42jährige Edmund Berz⸗ born, auf ſeinem Motorrad von einem durch den Sturm entwurzelten Baum getroffen und tödlich verletzt. Ein zweites ſchweres Unglück trug ſich in Aachen ſelbſt zu. Ein Motorradfahrer verlor die Gewalt über ſeine Maſchine, als ihm durch eine Sturmböde heftige Regen⸗ maſſen ins Geſicht gepeitſcht wurden. Das Motorrad prallte gegen eine Hauswand, und Fahrer und Mitfahrer wurden in eine Fenſterſcheibe geſchleudert. Der Fahrer ſtarb kurz nach der Einlieferung in das Städtiſche Krankenhaus. Der Beifahrer iſt ſo ſchwer verletzt, daß man auch mit ſeinem Ableben rechnen muß. Bezirkstagung des Edeka⸗ Großhandels. Stuttgart. Der Bezirk Baden⸗Württemberg der Edeka— Ein⸗ und Verkauf von Kolonialwaren Gmb.— hielt in Stuttgart ſeine Herbſttagung ab, die aus den ver⸗ ſchiedenen Teilen der beiden Länder zahlreich beſucht war. Der Obmann des Bezirks Württemberg, Gottlob Jäger⸗Gail⸗ dorf, wies darauf hin, daß im Frühjahr und im Herbſt jedes Jahres dieſe Bezirkstagungen ſtattfinden, in denen über die Verbandsarbeit Rechenſchaft gegeben werde. Die Genoſſen⸗ ſchaft ſei die geeignete Form des Zuſammengehens für ein Gewerbe von der Art des Kolonialwarenhandels. Direktor Dr. König, Vorſtandsmitglied der Edeka⸗Zentralorganiſation, Berlin, ſprach ſodann über das Thema:„Unſer Beruf und ſeine Genoſſenſchaften“. Der Vortragende, der in ſeinen Aus⸗ führungen namentlich auch das Recht des Kleinen im Wirt⸗ ſchaftsleben unterſtrich, ſeine Einkäufe auf dem Boden der geſetzlichen Möglichkeiten zu verbilligen, ſtellte feſt, daß durch den Edeka⸗Verband der Gedanke des gemeinſchaftlichen Ein⸗ kaufs im Lauf einer faſt dreißigjährigen Pflege dieſes Ge⸗ dankens im Kolonialwaren⸗ und Lebensmittelkleinhandel feſt verwachſen und aus dieſem Berufsſtand nicht mehr wegzuden⸗ ken ſei. Als die zweckmäßigſte Form des Zuſammenſchluſſes habe ſich die eingetragene Genoſſenſchaft mbH. erwieſen. Der Verband zählte am 1. Januar 1936, einſchließlich Zentral⸗ genoſſenſchaft, 461 Genoſſenſchaften; der Umſatz ſtellte ſich in den in ihm vereinigten örtlichen Genoſſenſchaften im Jahr 1935 auf rund 300 Millionen Mark. Die Edeka⸗Zentrale erzielte 1935 einen Geſamtumſatz von rund 161,5 Millionen Mark, die Edeka⸗Bank, das Geldinſtitut der Edeka⸗Organi⸗ ſation, einen Umſatz von 1281 Millionen. Die Spar⸗ und Arbeitsgemeinſchaft der Jungkaufleute— Spara— ge⸗ gründet 1930 zu dem Zweck, jungen Kaufleuten durch ge⸗ meinſames Sparen zur wirtſchaftlichen Selbſtändigkeit zu ver⸗ helfen, umfaßt 156 Ortsgruppen mit 6140 Mitaliedern. Ausländer in Deutſchland Mitte 1933— im Zeitpunkte der letzten Volkszählung, für die allein Zahlen aus dem geſamten Reichsgebiet bekannt ſind— wohnten 756 760 fremdländiſche Staatsangehörige (gleich 11,6 v. T. der Bevölkerung) innerhalb unſerer jet⸗ zigen Grenzen. Verſtändlicherweiſe ſind die Nachbarländer des Reiches beſonders ſtark vertreten; auf ſie entfielen 1933 rund 570 000 Perſonen, das ſind drei Viertel aller im Deutſchen Reiche lebenden Ausländer. An erſter Stelle ſtanden die Staatsangehörigen der Tſchechoſlowakei, die mit 186 000 Perſonen ein Viertel ſämtlicher Ausländer ausmach⸗ ten. Es folgten dann die polniſchen Staatsbürger mit rund 148000 Köpfen oder 20 v. H. der Fremden über⸗ haupt, die Oeſterreicher und die Niederländer mit je 81 000 oder 11 v. H., und ſchließlich die Schweizer mit rund 40 000 Bürgern(gleich 5 v. 805 Unter den übri⸗ gen Staaten traten noch Italien(22 500), Südſ[lawien (17300), Rußland(12 800) und Ungarn(10 500) be⸗ ſonders hervor. Neben dieſen Gruppen von Perſonen, die Staatsange⸗ hörige eines beſtimmten Landes ſind, lebt aber in Deutſch⸗ land noch eine beträchtliche Zahl von Leuten, die weder die deutſche noch eine fremde Staatsangehörigkeit beſitzen und die deshalb als„ſtaatenlos“ bezeichnet werden. 1933 waren dies im ganzen faſt 89 000 Perſonen(gleich 12 v. H. aller nichtdeutſchen Staatsangehörigen). Hier handelt es ſich in der Hauptſache um frühere ruſſiſche Anterta⸗ nen, die unter der Bolſchewiſtenherrſchaft ihre Heimat ver⸗ laſſen mußten, denen daraufhin ihre bisherige Staatsange⸗ hörigkeit aberkannt wurde und die ſich nun dauernd im Deutſchen Reiche niedergelaſſen haben; dazu kommen wei⸗ terhin zahlreiche Angehörige der ehemaligen öſterreichiſch⸗ ungariſchen Monarchie, die es verabſäumt haben, für einen der Nachfolgeſtaaten zu optieren. Es ergab ſich bei der Volkszählung 1933, daß von den 756 760 Ausländern im Deutſchen Reich über 600 000, d. h. annähernd vier Fünfte! der Geſamtzahl, als Mutterſpra allein das Deutſche angegeben 55 Neben den rein oder überwiegend deutſchſprachigen Ländern, wie Oeſterreich und die Schweiz, müſſen demnach auch aus der Tſchechoflo⸗ wake, Polen usw. zahlreiche Angehörige der dort anſäſſigen deutſchſtämmigen Bevölkerung im Reiche Aufenthalt genom⸗ men haben. Andererſeits iſt aber auch der Anteilſatz der Perſonen jüdiſchen Glaubens(Zahlen über die Ange⸗ hörigen jüdiſcher Raſſe liegen leider noch nicht vor) unter den Ausländern im Deutſchen Reiche recht hoch; er betrug rund 99 000(gleich 13 v. H. aller fremden Staatsangehörk⸗ gen und 20 v. H. aller im Deutſchen Reiche 1933 ermittel⸗ ten Glaubensjuden). Beſonders auffallend iſt dabei der große Anteil der Juden unter den Staatsangehörigen von Polen(56 500 gleich 38 v. H.) und einigen kleineren Staa⸗ ten des Oſtens und Südoſtens(Rumänien, Lettland, Litauen, Türkei), bei denen mehr als ein Viertel, teilweiſe fogar fast die Hälfte ihrer im Deutſchen Reiche lebenden Bürger Juden waren; auch unter den Staatenloſen blieb ihr Anteil(19 750 gleich 22 v. H.) nur wenig dahinter zurück. Heimkehr der Nordat⸗ lantik⸗Flugbeſatzungen der Lufthanſa. Staatsſekretär General der Flieger Milch und Staatskommiſſar Dr. Lippert begrüßen die Beſatzungen der Luft⸗ hanſa⸗Flugboote„Aeo⸗ lus“ und„Zephyr“, die mit der verſuchsweiſen achtmaligen Ueberque⸗ rung des Nordatlantiks wertvollſte Pionierar⸗ beit für den kommen⸗ den regelmäßigen Poſt⸗ flugdienſt nach Nord⸗ amerika geleiſtet haben, nach ihrer Rückkehr auf dem e Tempel⸗ of. Weltbild(M). Aus dem Gerichtssaal Teure„Vorbeugungskuren“ Zweifelhafte Diagnoſen Wekterers. Heidelberg, 28. Okt. Am neunten Verhandlungstag er⸗ hielt der Angeklagte Dr. Wetterer zu Beginn das Wort, um die Richtlinien ſeiner Methode in„populärwiſſenſchaft⸗ lichen Ausführungen“ darzulegen. Anſchließend kommen die Fälle zur Verhandlung, in denen Wetterer Leute, die an gutartigen Geſchwülſten lit⸗ ten, als krebsverdächtig behandelte. Zwei Schweſtern, die beide angeborene Anomalien(Warzen) hatten, ſuchten Dr. Wetterer in Neckargemünd auf. Der Angeklagte ſtellte eine „Neigung zu Bruſtkrebs“ feſt und behandelte die beiden Frauen drei Wochen lang als Vorbeugung gegen Krebser⸗ krankung. Als Honorar ließ er ſich 1016 und 976 Mark be⸗ zahlen. Dem Sachverſtändigen Dr. Weiß iſt es vollkommen unwahrſcheinlich, daß die Patientinnen wirklich Krebs⸗ geſchwülſte hatten. Schon vor Beginn dieſes Verfahrens lief in Mainz ein anderes wegen drei Betrugsfällen. Am 23. Oktober 1930 hielt Wetterer dort einen Vortrag über Bruſtkrebs. Drei Frauen meldeten ſich am nächſten Abend zur Unterſuchung. Sie alle wurden jetzt vernom⸗ men Die erſte Zeugin erzählte, Wetterer habe erklärt, die früheren Aerzte hätten ſie falſch behandelt, denn ſie leide an Krebs. Die Frau erhielt eine Röntgenbeſtrahlung und zwei Säckchen mit radiumhaltiger Erde. Der Arzt, dem ſie ſich wegen des vermeintlichen Bruſtkrebſes in großer Aufre⸗ gung vorſtellte, konnte nichts derartiges feſtſtellen. Die Radiumſäckchen wurden daraufhin wieder zurückgeſchickt. Ebenſo taten es die beiden anderen Frauen. Sie bezahlten an Wetterer nur kleinere Beträge oder gar nichts und lie⸗ ßen es auf einen Zivilprozeß ankommen. Die Verhandlung wurde darauf vertagt. Neuer Deviſenprozeß in Pforzheim Den Staat um mehr als 200 000 Mark geſchädigt. (0) Pforzheim. Vor der Pforzheimer Großen Straf⸗ kammer ſpielt ſich wiederum ein Deviſenprozeß von erheb⸗ lichem Umfange ab. Es ſteht der bisher unbeſtrafte 46 Jahre alte Walter Brill in Pforzheim wegen Deviſenvergehens unter Anklage. Brill befindet ſich nahezu ein ganzes Jahr in Unterſuchungshaft. Er wird beſchuldigt: 1. in den Jah⸗ ven 1931 bis 1935 als Inhaber ſeiner Firma gleichen Namens ausländiſche Zahlungsmittel in deutſchem Gegenwert don nahezu 115000 Mark der Deviſenbank nicht angeboten, 2. kursfähige Goldkronenſtücke an verſchiedene Pforzheimer Scheideanſtalten ohne Genehmigung für ſich verkauft, 3. Geldbeträge ausländiſcher Währung nach Deutſchland ge⸗ bracht und wieder hinausgeſchafft, 4. ausländiſche Deviſen im Kaſſenſchrank ſeines Geſchäftes aufbewahrt und nicht ge⸗ meldet und 5. über Zahlungsmittel, die bei ausländiſchen Banken feſtgelegt waren, verbotswidrig verfügt zu haben. Der durch die Amgehung der Deviſengeſetze angerichtete Geſamtſchaden beläuft ſich auf weit über 200000 Mark. Die Giſtmordprozeſſe im Rheinland Der zweite Tag in Bonn.— Verwandte ſagen aus. Bonn, 28. Okt. Auch am zweiten Tag des Bonner Gift⸗ mordprozeſſe hatte ſich ein ſo zahlreiches Publikum einge⸗ gene daß der Zugang zum Saal polizeilich geſperrt wer⸗ en mußte. Vornehmlich wurden die Zeugen aus den Fa⸗ milien der beiden Ermordeten vernommen. Bei Beginn der Verhandlung fragte der Vorſitzende den Angeklagten Brodeſſer, ob er nicht jetzt eine Erklärung abzugeben habe. Brodeſſer antwortete:„Nein, vorläufig nicht!“ Der Vorſitzende wandte ſich dann an Frau Johannes⸗ berg und fragte ſie, ob ihr Brodeſſer nie geſagt, daß er ſeiner Frau oder dem verſtorbenen Johannesberg Gift bei⸗ ebracht habe, oder ob er ſich mit ihr darüber unterhalten 15 Die Angeklagte beſtritt das auch heute wieder. Sie habe nichts davon gewußt und auch geglaubt, daß ihr Mann an Lun e geſtorben ſei. Wenn ihr Mann zu ihr geſag haben ſolle:„Du haſt mich vergiftet“, ſo ſei das möglich, denn derartige ſchon 18 Jahre geführt. Im Anſchluß an dieſes Verhör bekundete ein Bru⸗ der des Angeklagten Brodeſſer, der Angeklagte ſei zwar leichtſinnig, aber nicht ſchlecht geweſen. Die Tat ſei nur auf ein Hörigkeitsverhältnis zurückzuführen. Es wurde ſo⸗ dann die berüchtigte Kartenlegerin vernommen, die von den beiden Angeklagten aufgeſucht worden war. Die Zeugin, die wegen Geiſtesſchwäche unvereidigt blieb, will in den Karten das Ende der Toten geleſen haben. Der Vater des verſtorbenen Johannesberg ſchob alle Schuld des ſchlechten Ehelebens auf ſeine Schwiegertochter. Auf ſein Betreiben ſeien auch die Leichen ſeinerzeit wieder gusgegraben worden. Die Dochter des Angeklagten Brodeſſer ſchilderte ausführlich das Zuſammenleben ihrer Eltern und betonte, daß ſie wegen ahlreicher ehelicher Zer⸗ würfniſſe ihre Familie verlaſſen 9055 Das Giſt im Rotkohl Jortſetzung des Wuppertaler Prozeſſeg. Wuppertal, 28. Okt. In der weiteren Vernehmung des Wuppertaler Giftmordprozeſſes gab der Angeklagte Mark zu, nach der erſten Verhaftung, die vor dem Tode des Ehe⸗ mannes Meyer erfolgt war, bei Frau Meyer des öfteren gewohnt und auch in engeren Beziehungen zu ihr geſtanden zu haben, während der Mann bereits ſterbend im Krankenhaus lag. Nach dem Tode habe ihm Frau Meyer offen erklärt, ſie habe das Thalliumgift gekauft, mit Rotkohl gekocht und ihrem Mann gegeben. Als Marx darüber ſehr aufgeregt geweſen ſei, habe ſie ihn er⸗ mahnt den Mund zu halten und den Kopf nicht hängen zu laſſen Gedanken, eine Anzeige zu ee ſeien durch ihre Drohung unterbunden worden:„Wenn Du mich ver⸗ rätſt, ſage ich, was Gott verboten hat“. Frau Meyer beſtreitet dieſe Darſtellung, verneint ins⸗ beſondere energiſch, daß Beziehungen zwiſchen ihr und Marz beſtanden hätten, während ihr Mann im Kranken- haus lag. Marx habe ihr vielmehr erklärt:„Uns kann kei⸗ ner etwas nachſagen Du mußt leugnen wie bei den Ver⸗ nehmungen bei der erſten Verhaftung, ſelbſt dann, wenn ſie Dir den Revolver auf die Bruſt ſetzen ſollten.“ Der Darſtellung des Marx hielt der Vorſitzende die verſchiedenen Vernehmungsprotokolle entgegen, insbeſon⸗ dere jenes Protokoll, worin Marx bekennt, daß fie beide die Giftanwendung verabredet hätten, um heiraten zu kön⸗ nen, daß er beim Kauf des Krautes zugegen geweſen und Redensarten habe er Das Bindeglied Heimat und Fremde. In der Zeitung einer Nordſee⸗Inſel, die dreimal wöchent⸗ lich den Bewohnern der einſamen Marſchdörfer ins Haus getragen wird, fand ich eine Rubrik, die mich ſonderbar er⸗ griff. Sie hieß: Wieder in der Heimat. Und darunter las man die ſchlichten Zeilen, wer alles in dieſem Sommer aus Amerika zu Beſuch auf die Inſel gekommen war. Zum Bei⸗ ſpiel:„Herr Niels Johannſen und ſeine Frau, geborene Frenſen, aus Pittsburg ſind in ihrem Heimatdorf Niblum eingetroffen und haben auch ihre beiden Kinder mitgebracht, die noch nie in Deutſchland waren.“ Und die nächſte Notiz hieß:„Herr Miller aus Chikago hat ſich auf Südſtrand ein Grundſtück gekauft. Er will dort ein Einfamilienhaus bauen und ſeinen Lebensabend auf der Inſel verbringen, von der er mit ſeinem Vater vor fünfzig Jahren auswanderte.“ Es mag ſein, daß dieſe Amerika⸗Deutſchen irgendeine ſtärkere berwandtſchaftliche Bindung immer wieder zu der ſtillen frieſiſchen Inſel heimfinden läßt. Noch mehr wird für dieſe Leute aber die Heimatzeitung, die als regelmäßi⸗ ger Gaſt über den Ozean ſeit Jahrzehnten zu ihnen kommt, das feſte Band zwiſchen Wahlheimat und Vaterland geweſen ein. Sie ſind ſo immer in lebendigſter Verbindung mit Zuhauſe geblieben, ſie erfuhren in der Fremde nicht nur die großen Ereigniſſe, ſondern vor allen Dingen auch die kleinen alltäglichen Geſchehniſſe von daheim, die Familien⸗ Anzeigen, wer da alles ſich verlobte, heiratete oder ſtarb, alle Veränderungen im Heimatdorf und in den Nachbar⸗ gemeinden, und auch wie die große Zeit des nationalen Ambruchs heilend und aufbauend über die Inſeldörfer kam. Die deutſche Zeitung auf dem Frühſtückstiſch in Pittsburg oder Chikago— ein Stück Heimat, das immer in den Auswanderern das Heimweh wachhielt. Nicht nur für die Leſer in der Fremde, ganz beſonders auch für die Bezieher im Lande bedeutet ihr Blatt den ſtändigen Zuſammenhang mit der Heimat. Bücher, vor allem aber heimatgeſchichtliche Abhandlungen, finden doch nicht immer ihren Weg in die Wohnungen des Handwerkers, des Bauern, des Beamten. All das aber, was die Zeitung täg⸗ lich in wenigen Zeilen aus Stadt und Land mitteilt, rundet ſich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte zu einem umfaſ⸗ ſenden Bild. Berichte über prähiſtoriſche Ausgrabungen, eines Germanengrabes etwa oder einer Siedlung oder einer Urnen⸗ ſtätte, zeigen dem Leſer immer wieder, welche reiche geſchicht⸗ liche Vergangenheit der Boden hat, auf dem er lebt. Oft ſchildert eine Heimatbeilage in regelmäßiger Folge die reiz⸗ vollen hiſtoriſchen Entwicklungen der Stadt, des Kreiſes, der Landſchaft, der Menſchen; der Blick weitet ſich und mit anderen Augen ſehen die Leute die Dinge, an denen ſie ſonſt gleichgültig und achtlos vorübergingen. Manchmal fahren große Sonder⸗Omnibuſſe durch deut⸗ ſches Land. Sie kommen von den Landratsämtern oder den Parteihäuſern her und befördern die Männer der Feder von Dorf zu Dorf, von Siedlung zu Siedlung. Denn ſeit dem Frühjahr 1933 iſt die Heimat ganz anders als früher in den Mittelpunkt des Denkens gerückt, als die Quelle un⸗ ſerer Volkskraft. Auf ſolchen Preſſefahrten erleben die Teil⸗ nehmer die nähere und weitere Umgebung viel nachhaltiger und eindrucksvoller als je vom Schreibtiſch aus. Sie ſprechen mit dem Bauern, ſie bekommen Verſtändnis für die Freu⸗ den eines Stadtrand⸗Siedlers, ſie lernen den Arbeiter im Bergwerk oder auf dem Bau beſſer kennen als vielleicht abends am Biertiſch oder in der Verſammlung. Solche Ein⸗ drücke, die auf perſönlichem Erleben beruhen, ergeben dann in der Zeitung ein echtes und unperfälſchtes Bild, und der Leſer wird ſo in viel engere und tiefere Berührung mit ſeiner Heimat und ihren Mitmenſchen gebracht als etwa durch langatmige heimatkundliche Artikel, die fern vom puül⸗ ſenden Leben aus verſtaubten Chroniken herausgeſchrieben worden ſind. und iſt, dieſer die Kamera. Neben dem das und Track irgen Foto ländl Heba denen ſie Schw graftert die Erntewagen, ern f derbu Aben auf dem Tiſch liegt, und die 2 Küſten, die Heide, alle zulert findeſt du b Das offizielle Plakat zur„Woche des Deutſchen Buches 1930, das in der Zeit vom 25. Oktober bis 1. November in allen Schaufenſtern und Dienſtſtellen zum Aushang kommen ſoll Der heutige Journaliſt, der nur Di nicht mehr Werkzeug irgend eines Journaliſt des Dritten Reiches Wort Bild. Die fotografiſche Linſe findet ſchönſten Winkel ten und Veranſtaltungen auf die dwo im Reich einen Bildberichterſtatt apparat jeden iche Leben einfängt, wie es wirklich mme, die auf ihrem Pony zu den erwartet wird, er rſchen, der am 8 Straßenrand einſchlie d des nächſten Tages die Zeitung m die in der S wachſende und Text Bälder unſerer die Flüſſe, die Zeitung auf, die roman rufen in der ten. Heimat! u8Uolelett der Heimat, ſie ſpürt den Menſchen am Werktag auf und zaubert den Sonntag mit ſeinen de Tag durch die Dörfer daun freuen ſich die auf dem tadt über ſolches Heimatidyll. Indenkbar wäre der die Zeitung, die in Bild Landſchaft ihren Leſern zeigt. ſie täglich tauſendfach geſpiegelt. ene ines i ner ſeines Volkes Intereſſentenklüngels iſt undenkbar ohne ſteht heute gleichberechtigt die unbeka unteſten 5 Feſte Platte. Ich kenn er, der mit ſeinem 5 fährt und das iſt. Er knipſt die Häuſern reitet, in beobachtet die Pferde in der emme und die Dorfkinder auf dem Schulhof. E wenn ſie hochbeladen in die ahren, und bannt unbemerkt auf ſeine Platte r foto⸗ Scheu⸗ den Wan⸗ f. Und wenn am tit ſolchen Bildern Lande Fremdenverkehr ohne die Reize der deutſchen Die Burgen Süddeutſchland Mittelgebirge, die Seebäder der deutſchen 7 tiſchen Städte, ſie ſie anzuſchauen und kennen⸗ — Wenn du nach deiner Zeitung greiſſ 9 greifſt, ———— —— much die Art der Zubereitung mit Gift mit it Meyer be⸗ ſprochen habe. Er habe ſich unter Druck gefühlt und ſei ver⸗ wirrt geweſen, ſo ſucht Marx dieſe Geſtändniſſe zu ent⸗ kräften. Nachdem zur 8 b der Beweisaufnahme die Oeffentlichkeit wieder ergeſtellt worden war, erſtattet der mediziniſche Sachverſtändige Dr. Neuhaus⸗ Berlin ſein Gutachten. Er charakteriſierte Frau M eher als eine nüchterne, ziemlich kalt berechnende Frau mit gu⸗ tem Erinnerungsvermögen ohne Anzeichen geiſtiger Stö⸗ rung, die zwar leicht beeinflußbar ſei, wohl aber imſtande wäre, einem fremden Willen Widerſtand entgegenzuſetzen. Marx bezeichnete er als einen geſchickten, verſchlagenen, unaufrichtigen und lügenhaften Menſchen. Dr. Ritterskamp vom Solinger Krankenhaus, der Meyer im Krankenhaus behandelte, ſchilderte den Krank⸗ heitsverlauf und das Krankheitsbild. Meyer iſt dem⸗ zufolge unter fortſchreitender Lähmung, Haarausfall, Schlafſucht, Kräfteverfall und eintretender Erblindung un⸗ ter großen Schmerzen eines gualvollen Todes an Thalliumvergiftung geſtorben. Frau Meyer habe ſich im Krankenhaus ſo zärtlich gezeigt, daß Patienten chon vor dem Tode des Meyer dieſe Umarmungsſzenen als un⸗ echt bezeichneten. Im Mittelpunkt der Nachmittagsverhandlung ſtand die Vernehmung der Eltern der beiden Angeklagten, der Mutter von Frau Meyer und des Vaters des Robert Angeklagten, die von einer ihrer Töchter in den Saal geführt wurde, machte von ihrem Recht der Zeugnisverweigerung vollen Gebrauch. Die Schweſter der Angeklagten, 913 bekundete u. a., daß das eheliche Verhältnis gut geweſen ſei. Beziehungen der Frau 8 hätte, habe 1 die ganze Tages den Ehemann Meyer getroffen und ihm geſagt habe: „Du ſiehſt, was in Deinem Hauſe vorgeht, wenn Du nichts dagegen tuſt, habe ihm dieſer nur Sein Sohn habe ihm auf erneute nuar 1936 eitlang mit Frau Meyer gut ſtellen, ſonſt werde ſie ihn anzeigen. Die Tabletten der Kartenlegerin Nachſpiel zum Mainzer Giftmordprozeß. Mainz, 28. Okt. Hier begann die Hauptverhandlung ge⸗ en die im Giftmordprozeß Vogler als Zeugin vernommene hefrau Margarethe Rocker, geb. Gölſenleuchter, eine Kartenlegerin aus Wiesbaden. Die Anklage lautet auf Beihilfe zum Giftmord. Der Andrang zu der Verhandlung iſt natürlich außerordentlich ſtark. 5 Der Vorſitzende verlieſt ee die Anklage. Hiernach wird der Angeklagten der Vorwurf gemacht. der am 10. Juli zwei Fälle verurteilten 42jä aus Mainz⸗Koſtheim gif geben zu haben. äußern, ſchied Menf gebenen Tabletten habe ſie, Che erhalten. Die Vogler ihren ſie entnommen, Der Vorſitzende hält der Angeklagten ſie t folgt Im weiteren Ange meinem Alten geſchadet(Georg knapp am Tode Vogler habe ich funden. „Er ratet Frage des Vorſitzenden: daß der Ehemann Vogler f Angeklagte dahin: 1936 vom Mainzer Schwurgericht wegen Mordes in Fällen und wegen Mordverſuchs n zweimal zum Tode und zu 15 ge Gaſtwirtin Fer Aufgefordert, ſich zu enheit, daß ſie irgend etwas getan chen ſchaden könne. Die der miker Müller, zuletzt in Wies habe ein Heilmi erkrankten Mann. Aus den Reden daß dieſe den Tod rotz dieſer Erkenntnis habe. die Verlauf der Verhandlun klagte: nichts gegeben, und dem iſt der Stiefſohn der vorbeigegangen)“. Dieſe auch in den Karten Oefters gebrauchte beſtritt die Angeklagte „Die Vogler hat immer ge 5 za hat es nichts Vogle die Vogler ebenfalls in zwei Jahren Zuchthaus ieda Vogler tige Tabletten und Ampullen ge⸗ der Anklage zu mit aller Ent⸗ habe, was einem Gaſtwirtin Vogler über⸗ die e von dem baden wohnhaft, ttel verlangt für der Vogler habe ihres Mannes wolle. nunmehr vor, warum Tabletten verab⸗ äußerte ſich die h„Ich habe rund ſelbſt Aeußerung der beſtätigt ge⸗ den Ausdruck: geht zu den Engelchen(ihr Mann). Guck mal, (in den Karten) ob er,(der Geliebte der und ob der Georg ein Darlehen unterſchrelbt.“ „Woran konnte man b terben werde?“ beantwortete die „An der ſpitzen Naſe, auch ſah ich es in Vogler) mich hei⸗ ogler) 7 0 erſehen, den Karken, die Karten lügen nicht. Bezahlt habe ich nichts bekommen. Die Tab ben, ſie waren aber unſchädlich. Da ich di wollte, ließ ich ſie in dem Glauben, ſchädl die ich und würden den Tod herbeiführe Nun wird die Angeklagte über ihre verhö legen ſie nach aus machte. Sie ließ ſich in Wiesba nieder. Ihr Mann kehrte je konnt letten habe ich der Vogler wohl gege⸗ e Vogler los ſein Tabletten ſeien 1 Perfſonalien rt. In England hat ſie von einer Inderin das Karten⸗ gelernt. Dieſe„Kunſt“ ihrer Rückkehr nach e aber keine Arbeit finden, ſodaß d machte ſie ſich ſo zu eigen, daß Deutſchland einen Erwerb dar⸗ den als Kartenlegerin t aus England zu ihr zurück, ie Angeklagte für den Unterhalt der Familie aufkommen mußte. Aus ihrem Betrieb als Kartenlegerin bezog Sie n in 1 für eine Beratung 60 Mark. i ſie ausgewieſen, weil dort das duldet wurde. Mit klagte ſie ein g ahm täglich bis zu 30 Mark utes Einkommen. ein, einmal bekam ſie ſo⸗ u ihren Kunden zählte der Hauptſache Kurfremde. In Mainz hatte man Kart ihre Unſchuld. Nach einer kurzen Pauſe wird dann ner Spannung die zum Tode verurteilte rin ſie vo teuert Vogler als n der Angeklagten nicht verlangt. immer wieder ihre Unſchuld. enlegen nicht ge⸗ ſtarkem Tränenfall beteuert die Ange⸗ allgemei⸗ tmörde⸗ unter Gif euge vernommen. Gifttabletten habe Die Zeugin be⸗ 1936 G Nr. 44 5 5 8 5 N. rr V bi usbzech uleg cppou uegupc gun plc sn æpuggjck injg sva ig om dignl gap „Igeleb Bungufqzeg ul sbbeu cad Bunzjom noc id usb— dg zehnal udca usecpnlogz uecpihuebejeb uda uh Auuez na— bound uga snd zeec megelun Au il zog J 1:uenesnem svaſe Sou 41d c egg Susbiaqen“:eguvgech ue pou jqqusgeu ac ups sio 81 p ei eule uud Szugebach meg usca zbigszaleg eic hand jollec lena u uboheg cpi szuger pov eglang uezjpheg cpi an odo voc ui pou suenbzusq 2 Ava deva opc gun ne gap un coc“ „Gol jpeg asg 8e le ocpog keleig squch aim usbol od“ udgebze jo pipe a0 u gau eeubobfue„Agvch a1 8e uupgz“ el voa eibpal„euepfce 410 oll 0 uu uuns“ abc uolsmeb pez gun inpnoa guhganzea mene lilpogz recpfol siv oog Ag ene ee ea e nn eee oleig uoa D Srejbgo Biaancsusgen gau oer Tego „ufquneateg ui oon aufe vl i ei Bunge vensqucſeg a0 A uecpan g gun eunpacpluv ezu pz ebunf ea lilppeß siv uch oog Aug age n“ einkuig neuch! ei he eee ec eue ͤ Sanes ue neg. oba siv gun„ebunqgegn bungpfuſch aufeg ahog p une ue] jeqng zan ue gi so“ Inv 1910 r „Ui usuuog D :Biganasusgenf oog sjsubebjue gun upſgen un 1 usg diane uepgte scpealnv cpu bunu Heigis gag gap ozuuoz bungunzbogz zeleig 0g; f„usuugz ne unemuunz 2 uln jeia cpi un unz ne jeza nd jpg uuvacz use 4225 une usehv Luvd uiehvg oog dap uuns nia uelfezasa Baogsuuvunnvad pu uehzuegz uiqund zg uod zou zel ne zieg obtule an Agel i siv Agen ol un“ zeilen Bunpozqzezun lcebanz mou ei packt„Aeihoq ueulgeu elnv zig jd ind uepogz obus an! on na uus ung uenvloch usgoas usufſe zu gun onog ſbeaanc n“ eg guiez uebp aach epilune ne a1 go lego voa elo uzeg rage inv ag ai sv Billnjplun pou gap eier gos Ueuuczed fecndg epo dus uv gzuvgech leg ꝛwiluse sp ꝙæpou jgoq 261 zn se uellopleß pu Une ea uecp aeg ois dene ape efuggandea spa vl zom ano opufen ze) oejuugz uepei segupheſpgz Sog ue ee un eee Sent ese unf oejeia ol oi gegen ibu epa gun geg engt en go ueheabuv; ne op eng bug ed se go Inv opa dig nz 161 ui Beil se gun gam opa„i Aeabuvf 218“ Cuejoqzea pnagppztz) den val„„ sbbouond bunjfvanzegz dd uso“ 0 „ hel Usgbg 61 fiteabuvf ei lig elmo! euond vu gig ne je obzuse ant zi uus uegnz za neee een e enen een eee e cnc Zavges gusbng zent uoa sich 1b Sou zv Bui aul spe uso juhgannda icpzu unang 11 1 pn een e e eee ee e een enz eue„uegunbnubzegß etequoleg gun uses 10 jeg endende een eue nad eb dann 8“ „ ung uentegeg dane uslpapzch usbunl mouse som use szcu ig uur 8“ 1 An. 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Daß wir dabei an einen Ver⸗ wandten gedacht haben, iſt ja eigentlich ſelbſtverſtänd⸗ lich. Claus von Cronegg ſteht uns unter dieſen Verwand⸗ ten am nächſten, außerdem iſt er am erſten geneigt, dieſes Amt zu übernehmen. Du weißt, daß er im Krieg ſchwer verwundet und dienſtuntauglich geworden iſt. Unſer An⸗ gebot konnte daher bei ihm um ſo eher auf Annahme rechnen, als er ſeines gelähmten linken Armes wegen ſchwerlich eine ihm zuſagende Beſchäftigung findet und ſich doch nach einer ſolchen ſehnt, wie er uns ſchrieb. Nun, ſein Arm wird ihn nicht daran hindern, ſeine Pflicht hier vollkommen zu erfüllen, auch iſt er ein durchaus tüchtiger und begabter Menſch.“ „So— ſo,“ machte Armgard gedehnt, verſtand es aber, ihre Ruhe zu bewahren.„Ich glaube wohl, daß ihm dieſe Stelle gelegen käme, und— ihr meint es gewiß auch ſehr gut mit mir und Kurt— aber— bis jetzt habe ich die Notwendigkeit eines ſolchen Schrittes noch nicht einſehen können,“ ſagte ſte. Gräfin Reichenau machte ein ſo erſtauntes Geſicht, als hätte ſie ſich verhört. Liebes Kind, das ſprichſt du wohl nicht im Ernſt. Wir 10 doch ſchon neulich des langen und breiten darüber eraten. Dieſer Schritt iſt durchaus notwendig,“ fügte ſie mit Nachdruck hinzu. „Das heißt, du hältſt ihn für notwendig.— Verzeih, Karola,“ verſetzte Armgard lächelnd,„aber ich erinnere mich, dir ſchon damals entgegengehalten zu haben, daß ich Volkmann feſt vertraue und— außerdem—“ ſie zö⸗ gerte etwas—„fehlt es mir auch ſonſt nicht an Rat und Beiſtand.“ Jetzt zog Karola die Augenbrauen hoch und ein ſelt⸗ ſames Flimmern trat in ihren Blick. „Du meinſt Bernfried Greifenklars Beiſtand?“ Ueber Armgards Züge breitete ſich ein roſiger Schein. „Ja,“ ſagte ſie kurz und feſt. Karolas Geſicht nahm einen beſonderen Ausdruck an, „Biſt du noch niemals auf den Gedanken gekommen, 1 Hilfe nicht länger in Anſpruch nehmen ürfteſt?“ Nun zuckte Armgard betroffen zuſammen. „Nein— niemals,“ erwiderte ſie eifrig, als müßte ſie ſich damit ſelbſt widerlegen.„Warum ſollte ich ſeine Hilfe nicht annehmen, wo Gert ſelbſt mich an ihn ge⸗ wieſen hat? Er war ſein beſter Freund.“ „Was dir noch nicht das Recht gibt, ihn als den dei⸗ nen zu betrachten,“ ergänzte Karola in einem eigenen Tonfall.„Muß es dir nicht peinlich ſein. Dienſte anzu⸗ nehmen, die du nicht zu fordern haſt, noch dazu von einem 1 8 der ſelbſt genug mit ſeinem eigenen Gut zu tun hat?“ Ein eiſtiger Schreck ging durch Armgards Körper und machte das Blut in ihren Adern erſtarren. Es war ihr, als wenn man ihr den Boden unter den Füßen fortgezogen hätte und ſie nun hilflos und verlaſſen in der Luft ſchwebte. Was ſagte Karola da? Sie durfte ihn nicht als ihren Freund betrachten— es müßte ihr peinlich ſein, Dienſte anzunehmen, die ſie nicht zu fordern hatte? Mein Gott, hatte ſie nicht ähnlich gedacht und empfunden in je⸗ ner ſchwachen Stunde, die ihr eine erſchreckende Erkenntnis gebracht hatte? In einer Augenblicksregung hatte ſie es ihm ſogar ſelbſt geſagt, aber was er erwidert hatte, war ihr ein Troſt, eine Beruhigung geweſen: Er würde ſich das ſchöne Vorrecht, ihr zu nützen, nicht nehmen laſſen, wenn ſie ſelbſt es nicht wollte'. An dieſe Worte hatte ſie ſich geklammert, ihre Zweifel und Bedenken waren dar⸗ unter begraben worden. Nun Karola ſie mit dürren, har⸗ ten Worten von neuem heraufbeſchwor, erſchreckte und ver⸗ wirrte es ſie. Sie fand nicht ſogleich eine Antwort. Karola aber hatte ſie ſo ſcharf beobachtet, als wolle ſie ihr die Ge⸗ danken von der Stirn leſen. Daß ihre Worte nicht ohne Eindruck geblieben waren, merkte ſie mit Befriedigung. Da wollte ſie das Eiſen ſchmieden, ſo lange es heiß war. „Ich müßte nicht nicht ſo gut kennen,“ nahm ſie wieder das Wort, ohne Armgard Zeit zu einer Antwort zu laſ⸗ ſen,„um nicht zu wiſſen, daß du ſelbſt es ſchon empfunden 505 und daß dein Stolz es nicht zuläßt, Bernfrieds lie⸗ enswürdige Hilfsbereit 2— D Halt lo ahszuntzen, wie es die Umſtäünde erfordertich machen. Wenn wir ihn nun auf möglichſt zarte Weiſe dieſen ſelbſt übernommenen Pfllch⸗ ten überheben, würde er uns gewiß dankbar ſein, denn er hat mit ſeinen eigenen Gütern reichlich genug zu tun.“ Armgard ſchwieg zuerſt beklommen, obgleich ſie das Gefühl hatte, Karolas Annahme entkräften und ihren Nate verteidigen zu müſſen. Endlich rang es ſich aber ilflos und zaghaft von ihren Lippen:„Ich glaubte bis⸗ her, daß— meine kleinen Anliegen ihm 1 ſo viel Zeit raubten.“ „Die Leitung eines ſo großen Gutes erfordert aber viel Zeit ohne Rückſichtnahme,“ verſetzte Karola nachdrücklich, „und dieſe kannſt und mußt du in Anſpruch nehmen— natürlich nicht von Bernftied Greifenklar, der dir zu nichts verpflichtet iſt.“ „Iſt denn Klaus von Cronegg mir verpflichtet?“ warf i erſtaunt ein. „Du kannſt ihn dir verpflichtet machen.“ „Wodurch?“ fragte Armgard erſchreckt. Karola lächelte fetzt. „Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß wir Klaus für ſeine Mühewaltung ein Gehalt ausſetzen, das er um ſo unbe⸗ denklicher annehmen wird, als er darauf angewieſen iſt, ſich eine Beſchäftigung zu ſuchen, da er ſeinen Beruf nicht 1 ausüben kann und ohne nennenswertes Ver⸗ mögen iſt. Du ſiehſt alſo, daß du ihm gegenüber des Ge⸗ fühls, etwas ohne Gegenleiſtung empfangen zu müſſen, überhoben wäreſt.“ Das Blut ſtieg Armgard plötzlich bis zu den Haaren auf und das Geſicht brannte ihr wie Feuer. Sie biß ſich auf die Lippen und verharrte ſchweigend. Auch Karola ſaß ſchweigend, aber mit geſpannter Miene Armgards Antwort erwartend. „Und dennoch kann ich mich noch nicht entſchließen,“ entgegnete Armgard endlich ausweichend,„ich muß mich erſt an den Gedanken gewöhnen, denn es bedeutet immer⸗ hin einen gewiſſen Amſchwung in meinem Leben und in meinen bisherigen Gewohnheften.“ „Natürlich, Kind, du ſollſt deine endgültige Entſcheidung auch noch nicht heute abgeben. Ich wollte dir nur mittei⸗ len, daß alles geordnet iſt und daß du nur zu beſtimmen brauchſt, wann Klaus nach Cronegg kommen ſoll. Er iſt jeden Augenblick bereit dazu.“ Ein Fröſteln ging durch ihre Glieder.. Sie wußte, daß Karola 1 nichts von ihrem Plan abzubringen war und daß ihr keine Gegengründe halfe und wenn ſie ſich auch die Frage vorlegte:„Was geht Karola eigentlich dieſe Sache an und was veranlaßt ſie, über mich zu beſtimmen, als käme ihr dieſes Recht zu,“ ſo fühlte ſie doch, daß ſie nicht ohne weiteres ſchroff ableh⸗ nen konnte. Es war eben etwas dabei, was ſie beengte und bedrückte. Wenn Karola recht hatte und ſie Bernfried einen Gefallen damit tat, ſo— mußte ſie eben Karolas Vorſchlag annehmen, ihr womöglich noch dankbar ſein, daß ſie ihr dabei geholfen hatte. Jedenfalls mußte ſie dieſe Angelegenheit erſt in ſich verarbeiten, damit ins Reine kommen. Sehr erwünſcht wäre es ihr daher geweſen, wenn Karola ihren Beſuch jetzt beendet und ſie allein gelaſſen hätte, doch dieſe machte noch keine Anſtalt zum Aufbruch. Sie war mit dem Erfolg ihrer Bemühungen durchaus zu⸗ frieden und konnte den ausgeſtreuten Samen in Ruhe reifen laſſen. Vorläufig wünſchte ſie ſelbſt dieſe Aenderung noch nicht und es kam ihr jetzt darauf an, ihrer Schwäge⸗ rin nicht die Laune zu verderben. So fing ſie von allem möglichen zu erzählen an und merkte es kaum, wie zer⸗ ſtreut Armgard zuhörte. Zu guter Letzt begehrte ſie noch, Kurtchen zu ſehen und das Fräulein mußte das Kind her⸗ einbringen. Endlich aber war Armgard doch erlöſt und Karola fuhr ab. Dafür beſtürmten ſie andere Gäſte, die nicht minder peinigend auf ihr Gemüt und ihre Stim⸗ mung wirkten. Das waren ihre eigenen Gedanken und Empfindungen, die miteinander im Streit lagen. Sie quälte ſich mit Zweifeln nach jeder Richtung hin. Gegen Karolas Plan fühlte ſie eine unbeſiegbare Abwehr. Viel⸗ leicht war es die Erinnerung an den flotten, ſchneidigen Alanenleutnant, der ihr bei ſeinen ſeltenen Beſuchen auf Cronegg immer ſo glühend den Hof gemacht hatte, was ſte vor einem Zuſammenleben mit ihm zurückſchrecken ließ. Wenn ſie den Verkehr auch auf das Notwendigſte beſchrän⸗ ken konnte, mußte ſie doch gewiſſe Verwandtſchaftsrückſich⸗ ten nehmen Aber das war es nicht allein, was ſie quälte. „ Gorſſetzung folgt! Der Pſychologe Da ſaßen einige Herren zuſammen und ſprachen von den Zeiten im Kriege. Sie erinnerten ſich wie alle echten Soldaten gern der Zeit des Kampfes, und einer von ihnen, der dicke Rüdiger, behauptete, daß ſein pſychologt⸗ ſches Gefühl ihm nach dem Auftreten des Mannes genau ſage, bei welchem Truppenteil, das heißt bei welcher Waffe er geſtanden habe. „Der Herr dort drüben war Infanteriſt. Er geht mit feſtem Marſchſchritt, auch wenn er ſich auf ſpiegelblankem Parkett befindet. Seine Haltung iſt ſo, als wenn er immer in Kolonne marſchiere. Wenn er zu zweien oder dreien auf der Straße geht, bereitet es ihm e wenn einer ſeiner Begleiter falſchen Tritt hat, und um nicht aufzufallen, wird er immer ſeinen Schritt dem der ande⸗ ren angleichen.“ Die Korona nickte anerkennend. Rüdiger aber erſpähte bereits ein anderes Objekt, das für eine Belehrung tauglich war. „Jener leichte Herr dort auf dem Stuhle war Artil⸗ leriſt. Er iſt es gewohnt, auf der Kanone zu ſitzen. Er ſitzt feſt und hält ſich mit den Händen an der Lehne des Stuhles feſt. Er wird in jeder Lage ſeinen Sitz behaup⸗ ten, und wenn man ihn in eine Berg⸗ und 1 ſet⸗ zen würde, würde er auch da ſeinen Mann ſtehen. Er zit⸗ tert nicht, wenn er in einen plötzlichen Radau hinein⸗ kommt, und Geräuſche beeinträchtigen ſeine Laune keines⸗ wegs. Dagegen iſt der Herr an der Theke Kavalleriſt ge⸗ weſen. Er zeigt hervoragende Haltung, aber er iſt ſchwach auf den Füßen. Außerdem neigt er immer ein wenig nach vorne, ſo als beuge er ſich über einen Pferdehals.“ Man ſtaunte über die Fähigkeiten des dicken Rüdiger. Eben trat ein Mann ein, der ſich nach einer Weile an den Nebentiſch ſetzte. Rüdigers Antlitz hing an ihm. „Ein Muſterbeiſpiel eines Beobachters,“ „Schaut nur einmal, wie ſeine Augen hin und her⸗ gehen. Dem entgeht nichts. Er iſt ein Spezialſoldat gewe⸗ ſen, der beſondere Fähigkeiten bei Schleichpatrouillen ent⸗ wickelt hat. Der fühlt direkt, was los iſt. Der findet im⸗ mer das, was er ſucht. Eine immerhin ſeltene Erſcheinung.“ Alle ſahen dieſen Mann an. „Und wenn du nun doch Anrecht hätteſt?“ „Ich irre mich nie.“ 5 ſagte er. „Können wir ihn mal fragen?“ 5 Rüdiger nickte bejahend mit dem Kopfe. Grobitſch wurde gebeten, die Verbindung mit dem Herrn herzuſtellen. Er trat an ſeinen Tiſch heran, ſtellte ſich vor und ſagte: „Entſchuldigen Sie bitte die Beläſtigung. Wir ſind alle alte Soldaten an dem Tiſch, wollen Sie nicht einen Au⸗ genblick hinüberkommen?“ Der Mann war erfreut und kam. f ach er ſein Bier vor ſich ſtehen hatte, wurde er ge⸗ pächig. 5„Wohl bei einer Spezialwaffe gedient?“ fragte Rü⸗ iger. Der Mann ſah ihn an. „Wie man es nimmt, ich war bei der Infanterie, aber durch meine beſonderen Fähigkeiten hatte ich immer kame⸗ radſchaftliche Spezialdienſte zu erfüllen.“ Rüdigers Augen gingen triumphierend in die Runde. Dann wandte er ſich wieder dem Gaſte zu. „Darf man wohl als alter Kamerad erfahren, worin dieſer Spezialdienſt beſtand? Doch wohl in Patroillen⸗ dienſt oder dergleichen?“ Der Mann trank ſein Bier mit einem „Wie man es nimmt,“ ſagte er dann.„ Küchen.“ üdigers fühlte, wie er Terrain verlor. „Bei den Küchen? Und da Spezialdienſt?“ „Na, Sie kennen ja wohl alle den Zuſtand, wenn die Fourage nicht nachkommt. Dann heißt es requitieren. Und darin war ich Meiſter. Ich kam an alle möglichen Viecher heran. Ich konnte mich ſo heranſchleichen, daß ſie mich erſt merkten, wenn ſie ſozuſagen ſchon im Topfe waren. Und ich kann ſſche daß mein Bataillon auch in ſchwierigſten Verhältniſſen nicht Hunger gelitten hat. Und das rechne ich mir bei aller Beſcheidenheit zum Verdienſte an.“ Er ſchwieg. Rüdiger rückte unruhig auf ſeinem Platze hin und her. Er wußte nicht, ob er verloren oder gewonnen hatte. Aber die anderen hoben ihr Glas gegen den Fremden. Sie wußten, wie wichtig ſolch ein geſchickter Kamerad draußen war. Denn auch er war ein Held, wenn auch für den dicken Rüdiger mit ſeiner Pſychologie nicht ohne wei⸗ teres ſichtbar. c. uge leer. war bei den Der Schuſter Als zu Beginn des dreizehnten Jahrhunderts der Ho⸗ henſtaufe Friedrich der Zweite ſeinen Kreuzzug unter⸗ nahm, trug auch der Schuſtergeſelle Wiprecht aus dem kleinen ſächſiſchen Städtchen Groitzſch das rote Kreuz. Vor Jeruſalem fiel Wiprecht bei einem Scharmützel in die Hände der Sarazenen, die ihn nach ihrem Kriegs⸗ brauch in die Sklaverei verkauften, weil er zu arm zur Bezahlung eines Löſegeldes war. Wiprechts Unglück wurde dadurch gemildert, daß er vom reichen Achmed gekauft wurde, der einen großen Ger⸗ bereibetrieb beſaß und einen tüchtigen Schuhmacher gut als Arbeiter brauchen konnte. Achmeds Sonderleiſtung war die Bereitung eines Le⸗ ders, das Wiprecht zum erſtenmal ſah. Es war eigenartig weich und ſchmiegſam, ein wenig oder gar nicht gefettetes Feinleder, das auf der Narbenſeite prächtig in ſatten Tö⸗ nen, meiſt rot, aber auch gelb, grün oder blau gefärbt war. Mit einem Lehnworte aus dem Perſiſchen hieß es 7520 was dem deutſchen Worte Ziegenleder ent⸗ prach. Ziegenleder war es auch, wie Wiprecht bald heraus⸗ bekam. Sein offener Kopf erfaßte auch raſch das Geheim⸗ nis ſeiner Zubereitung. Er erfuhr, daß es vor dem Fär⸗ ben mit Sumach gar gegerbt wurde, einem ſtarken Gerb⸗ ſtoffe aus den getrockneten und gemahlenen Blättern des Firnisbaums. f von Groitſch 90 meds, womit aber auch ſeine Hoffnung auf eine einſtige Freilaſſung geringer wurde. Doch ſchließlich— nach mehr⸗ jähriger Sklaverei— erwarb er ſich durch ſeinen arbeits⸗ frohen Fleiß und durch ſeine mannhafte Haltung im Un⸗ gemach ſo ſehr das Wohlwollen Achmeds, 15 dieſer ihm eines Tages die Freiheit ſchenkte und ihn zu ſeinen chriſt⸗ lichen Glaubensgenoſſen ſchickte. Froh kehrte Wiprecht nach ſeiner Heimatſtadt zurück. Er kam arm wie er ausgezogen war, aber er brachte das Geheimnis der feinen Ziegenledergerbung mit. In kluger Vorausſicht nahm er auf dem Heimwege von den Geſtaden des Mittelmeeres einen Vorrat an Su⸗ machblättern mit. Heim 1 5 gerbte er einen Ziegenbalg und führte damit als 1 vor Rat und Innung der Stadt Groitzſch ein Paar daraus gefertigter Frauen⸗ ſchuhe vor. Jedermann bewunderte das zarte Wunderleder aus dem Morgenlande, und die Kunde P raſch herum. Da fand ſich bald ein Geldgeber in Leipzig, der unterneh⸗ mungsluſtig damit rechnete, daß Schuhe aus dem neuen Leder bei den vornehmen Frauen ſchnell in Mode kommen und dabei einen ſchönen Gewinn geben mußten, wenn man allein das Geheimnis der Erzeugung beſaß. Mit dem Gelde ſeines ſtillen Partners beſchaffte ſich Wiprecht die Rohſtoffe in betriebsfähiger Menge und. er⸗