Nr. 4(2. Blatt). Mittwoch, 6. Januar 1937 Wachſende Kinderzahl in Baden Ein deutlich erkennbarer Umſchwung. Die Zahl der Geburten iſt im Jahre 1935, wie ſchon zu boren, das iſt, verglichen mit dem Vorjahre 1934, das eben⸗ falls ſchon ein Wiederanſteigen der Geborenenzahl zu ver⸗ zeichnen hatte, eine Zunahme von 3615 Geborenen oder von 8,2 v. H. Von den 47878 Geborenen waren 44 493 ehelich und 3385 unehelich. Betrachten wir zunächſt die Zu⸗ nahme der ehelichen Geburten. Der bemerkenswerte Auf⸗ ſtieg der Geborenenzahl ſteht hier in erſter Linie in engem Zuſammenhange mit der Zunahme der Eheſchließungen, die aus den bekannten politiſchen und wirtſchaftlichen Gründen ſeit dem Jahre der Machtübernahme durch die nationalſozialiſtiſche Regierung, alſo vom Jahre 1933 an, auch in unſerem Lande eingeſetzt hatte. Aber das Anwach⸗ ſen der Geborenenzahl iſt nicht allein auf die ſtarke Hei⸗ ratshäufigkeit der letzten Jahre, alſo auf die Kinder aus jungen Ehen, zurückzuführen. Weitere Ermittlungen, die das Badiſche Satiſtiche Lundesamt an Hand des Zahlen⸗ materials der Geborenenſtatiſtik über die ee i vorgenommen hat, ergeben die bevölkerungspolitiſch nicht minder bedeutſame Feſtſtellung, daß im Jahre 1935, wie auch im Jahre 1934, nicht nur die Zahl der Erſtgeborenen geſtiegen iſt, ſondern daß auch bei den zweiten, dritten, bierten, fünften uſw. Kindern der Geburtenrückgang zum Stillſtand gekommen iſt und zu einer Zunahme der Gebur⸗ ten geführt hat. Selbſtperſtändlich entfällt der Hauptanteil an der Ge⸗ borenenzahl in beiden Jahren infolge der zahlreichen neu⸗ geſchloſſenen Ehen auf die Erſt⸗ und Zweitgeborenen. Aber auch die Geborenenzahlen der dritten, vierten uſw. Kinder haben nicht unweſentlich zugenommen und die Pro⸗ zentſätze ihrer Zunahmen nähern ſich recht erheblich jenen der Erſt⸗ und Zweitgeborenen. Noch klarer erkennbar wird dieſer Umſchwung, der in der Geburtenfolge in den letzten zwei Jahren eingetreten iſt, wenn man die entſprechenden Zahlen der beiden vorhergehenden Jahre 1932 und 1933, in denen noch der Geburkenrückgang herrſchte, zum Ver⸗ gleich heranzieht. Erklärend ſei hierzu angefügt, daß das Jahr 1933 das letzte des allgemeinen Geburtenrückgangs war; das Anſteigen der Geburten nach der Machküber⸗ nahme konnte naturgemäß nicht in dieſem, ſondern erſt im folgenden Jahr 1934 in Erſcheinung treten. Die Folgerungen, die ſich aus obigen Tatſachen erge⸗ ben, ſind inſofern von weſentlicher Bedeutung, als ſie gei⸗ gen, daß nicht nur das Vertrauen in die wirtſchaftliche und politiſche Zukunft gewachſen iſt, ſondern daß auch die Freude am Kind und das Familienbewußſein, das Gefühl für die Erhaltung und Fortpflanzung der Fa⸗ milie wieder in weiten Schichten des Volkes Wurzel ge⸗ ſchlagen haben. So erfreulich dieſe Wandlung, die ſich in unſerem Volke vollzogen hat, auch iſt, ſo wäre es doch ver⸗ fehlt, die bevölkerungspolitiſche Bedeutung obiger Gebore⸗ nenzahlen zu unterſchäßen. Mik den Anſteigen der Zah⸗ len der dritten, vierten uſw. Kinder iſt die Gefahr des Ge⸗ burtenſchwunds noch nicht gebannt. Wenn die Bevölkerungs⸗ zahl in Baden, wie im Reich, auf ihrem gegenwärtigen Stand erhalten werden ſoll, müßten in jeder beſtehenden Ehe wenigſtens drei Kinder vorhanden ſein. Ein Wachs⸗ tum der Volkszahl ſetzt ſogar einen durchſchnittlichen Be⸗ ſtand von 4 Kindern in jeder Ehe voraus Wie bekannt, rücken jetzt die ſchwach beſetzten Geborenenjahrgänge der Kriegszeit mehr und mehr in das heiratsfähige Alter ein; dadurch gehen nicht nur die Zahlen der Eheſchließungen, ſondern auch jene der Erſtgeburten zurück. Der neugeweckte Fortpflanzungswille unſeres Volkes müßte ſich alſo noch recht erheblich ſteigern, wenn er den durch den Altersauf⸗ bau des Volkes bedingten Rückgang der Geborenenzahl aus⸗ gleichen wollte. Eine weitere, auch moraliſtatiſtiſch bedeutſame Tatſache er⸗ gibt ſich aus der Feſtſtellung, daß die unehelichen Gebur⸗ ten in Baden nicht nur in den Jahren des allgemeinen Seburtenruckganges abgenommen haben, ſondern daß die⸗ Alte Neckarläufe bei Mannheim. Das jetzige Bett des Neckars an ſeinem Endlauf iſt nicht das, welches er in früheren Jahrhunderten hatte. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts bildete er unter⸗ halb Feudenheim eine größere S⸗förmige Schleife, die im Jahre 1780 durchſtoßen wurde. Der nördliche Teil derſelben wird heute von der Riedbahn Überſchritten, der ſüdliche reichte an den Damm der Heidelberger Land⸗ ſtraße. Auf Karten aus dem 17. Jahrhundert finden wir weitere frühere Neckarläufe, von denen einer bis an die Seckenheimer Straße reichte. Es iſt alſo mit Sicherheit anzunehmen, daß der Neckar im Laufe der Jahrhunderte ſein Bett öfters ge⸗ andert hat. Bis nach Ilvesheim bildet der Fluß die Gemarkungsgrenze der Ortſchaften, aber von hier ab trifft das nicht mehr zu. So liegt z. B. ein Teil der Feudenheimer Gemarkung, das Aufeld, auf dem linken Afer. Dadurch, daß man die Gemarkungsgrenzen dem Fluß anpaßte, wollte man in früherer Zeit die Anlage von koſtſpieligen Fähren vermei en, die be der Bebauung des Feldes auf der anderen Fluß eite nölig waren. So können uns die Gemarkungsgrenzen den Lauf des Flu es zur Zeit der alemanniſch⸗fränkiſchen Beſiedlung Andeutun⸗ gen geben. Die Annahme, daß der Neckar da ſeinen Weg nahm, wo die Gemarkungen Feuden eim— Mannheim einerſeits und Neckarau Hermsheim andererſeits ſich ſtoßen, finde dadurch ihre Betätigung, haß hier ei altes Neckarbelt iſt. Es iſt allerdings nicht der Lauf des Nechars in älteſter Zeit. Neckarau war im 8. Jahrhundert ein Hofgut, daz dem Fiskus gehörte, zu dem aber nur die zum Teil noch vorhandenen Gießen zählten und das vom Fluß ein⸗ ſeſchloſſene Land. Alles andere gehörte urſprünglich zu Hermsheim, de ſen Einwohner im 15. Jahrhundert nach Neckarau verzogen. Dieſe Teile gehörten wohl ſchon im 5. und 6. Jahrhundert dem Neckar an, daher erhielt dieſer„Au den Namen. Groß war die Mark Seckenheim, zu der noch die des eingegangenen Kloppenheim gehörte. Sie reichte bis zum . 1 ler Rückgang auch in den Jahren der Geburtenzunahme angehalten hat, daß, mit anderen Worten, das Anſteigen der Geborenenzahlen nur auf die ehelichen Geburken zurückzuführen iſt. In den hier behandelten vier Jahren 1932—1935 wurden in unſerem Lande 4498— 3840— 3525— 3385 Kinder unehelich geboren. Von 100 Gebore⸗ nen waren demnach in den angeführten Jahren 11,4— 10,3— 8,0— 7,1 unehelich. Dieſer Rückgang der Unehe⸗ lichenquote auch in den beiden letzten Jahren iſt ohne Frage ebenfalls eine Folge der bevölkerunasvolitiſchen Maßnahmen der nationalſozialiſtiſchen Regierung. Die Erleichterungen der Eheſchließungen durch die Gewährung von Eheſtandsbeihilfen haben zweifellos bei den jungen Paaren, die bereits ein Kind erwarteten, den Anreiz zur Eheſchließung gegeben. Gchmuck, Geide, Pelze Neue Erwerbszweige in Pforzheim. Private Initiative und ſinnvolle Unterſtützung durch die in Frage kommenden Stellen ſchufen aus der Fülle von Verſuchen, Pforzheims einſeitige Wirtſchaft neu zu beleben, zwei Arbeitsmöglichkeiten, die verdienen, herausgehoben zu werden: der Seidenbau und die Pelztierzucht. In erſtaun⸗ lich kurzer Zeit haben ſich dieſe beiden Erwerbsgebiete ent⸗ wickelt und Pforzheims deviſenpolitiſche Bedeutung um ein erhebliches Maß verſtärkt, denn auch Seide und Pelze muß⸗ ten ſchon immer eingeführt werden. Die Seidenraupenzucht. Als vor nunmehr Jahresfriſt in Erkenntnis der großen deviſenpolitiſchen Bedeutung die Förderung des deutſchen Seidenbaues von der Regierung in Angriff genommen wurde, konnte in Pforzheim gleich zu poſitiver Arbeit geſchrit⸗ ten werden. Schon ſeit Jahren bemühte ſich ein Pforzheimer Fabrikant um züchteriſche Verſuche, die im Laufe des jetzt ab⸗ gelaufenen Jahres ſo weit ausgebaut werden konnten, daß die Pforzheimer Beiſpielsrauperei wohl einzig daſteht. Um Seidenbau treiben zu können, müſſen genügende Mengen Maulbeerblätter vorhanden ſein. So ſchaffte man im letzten Frühjahr in Pforzheim und in verſchiedenen Orten der Umgebung größere Maulbeeranlagen, die heute im gan⸗ zen mehrere zehntauſend Stöcke umfaſſen, für die Zukunft Garanten einer erfolgreichen Seidenzucht. 5 Die erſte Staffelzucht der Pforzheimer Beiſpielsrauperei zählte rund 50000 Raupen. Ein leerſtehendes Schotterwerk ſtellte die Stadtverwaltung den Züchtern zur Verfügung, die darin eine muſtergültige Zucht aufzogen. Da jedermann die⸗ ſen neuen Erwerbszweig, der beſonders als Nebenverdienſt eine große Zukunft hat, kennenlernen ſoll, war wöchentlich an drei Tagen die„Spinnhütte Pforzheim“, wie die Anlage genannt wird, zur Beſichtigung freigegeben. Ende Mai begann das Ausſetzen der erſten Eier, die von der Staat⸗ lichen Zuchtanſtalt in Celle bezogen wurden, um eine möglichſt hochwertige Seide zu gewinnen. Die zweite Ausſetzung er⸗ folgte im Juni, ſo daß einen Monat ſpäter bereits die ganze Entwicklung der Seidenraupe vom Ei über die verſchiedenen Entwicklungsſtufen als Raupe bis zum fertigen Kokon zu überblicken war. In Celle, wohin die Kokonernte geſchickt worden war, wurde die Seide abgehaſpelt und weiter verar⸗ beitet. Drei wichtige Ergebniſſe wurden mit dieſer erſten größeren Zucht erzielt: ihre Durchführbarkeit trotz verhältnis⸗ mäßig ungünſtiger Witterung, ihre Wirtſchaftlichkeit und als Produkt eine vorzügliche deutſche Rohſeide. In der Edelpelztierfarm. Am Rande der Stadt Pforzheim, unweit der Neichsſtraße 10 in Richtung Karlsruhe, gründete vor einigen Jahren ein Privatmann eine kleine Edelpelztierfarm, die ſich innerhalb dieſer kurzen Zeit zu Süddeutſchlands größter und bedeutendſter Farm mit etwa 500 Tieren entwickelt hat. Ein Gang durch dieſe Farm vermittelt die mannigfal⸗ tigſten Eindrücke. Da ſind die Sumpfbiber oder auch Nutria genannt, deren Heimat Südamerika iſt, die ſich jedoch in der Gemeinſchaftsfarm ganz wohl fühlen. Silber⸗ füchſe, die aus einem Gehege ins andere ſchlüpfen können, begleiten uns auf der einen Seite, während auf der anderen Rhein, denn z. B. der größte Teil von Rheinau liegt auf Seckenheimer Gemarkung. Während der alemanniſch⸗ fränkiſchen Beſiedlung nahm der Nockar von Seckenheim aus einen ſüdweſtlichen Lauf und nahm ſo den kürzeſten Weg zum Rhein. Damals bildete er auch in ſeinem Lauf die Grenze der Ortsgemarkungen. Wir finden heute noch deutliche Spuren ſeines früheren Laufes am weſt⸗ lichen Ausgange von Seckenheim, wo die Landſtraße auf einem ziemlich hohen Damm über das alte Flußbett zum Hochgeſtade führt. Dieſes alte Flußbett war Jahr⸗ hunderte lang der Weidepfatz, wurde ſpäter vermeſſen und als Ackergelände verteilt. Dieſer al e Flußlauf zieht ſich gegen Neckarau. Die Brückengießen bei Necka au ind aller Wahrſcheinlichkeit nach ehemalge Neckararme. Aus Schenkungsurkunden des Kloſters Lorſch zur Zeit Karls des Großen iſt zu entnehmen, daß der Neckar an den Dörfern Feudenheim und Dornheim(Dornheim, ein eingegaugenes Dorf un erhalb Feude heim gelegen) vorbeifloß. Allerdings iſt wicht mit Sicherheit feſtzuſte len, ob er nördlich oder ſüdlich des Dorfes Mannheim mündete, da die genaue Lage des Dorfes Mannheim zur damaligen Zeit nicht angegeben iſt. Das Dorf Mann eim gehörte während des Mittelalters zum Archidiakorat Weinheim, das aber nur rechts des Neckar gelegene Orte umfaßte. Es beſteht daher kein Zweiſel, daß Mannheim in früh⸗ mittelalterlicher Zeit nördlich vom Neckar lag. Dies muß noch um das Jahr 1180 der Fall gewesen ſein, zur Zeit Kaiſer Friedrichs, denn damals legte en Mönch des Kloſters Lorſch das noch heule vorhandene Güberverze ch⸗ nis des Kloſters an und machte Auszüge aus den a ten Schenkungsurkunden. Ene Gruppe der Ort chaften enthält die Orte am rechten Neckarufer und beginnt mit Schwaben⸗ heim(etzt Schwabenheimer Hof), Ildesheim, Wallſtadt. Feudenheim, Dornheim, Mannheim, ene andere Gruppe links des Neckars beginnt mit Hermsheim(ausgegangen), Kloppenheim(ausgegangen), Seckenheim, Grenzheim, Edingen, Wieblingen uſw. Mannheim lag alſo damals am rechten Ufer des Neckars. Einen weiteren Anhaltspunkt über den Lauf des Neckars gibt uns die Zollburg Hufen. Dieſe Burg war von dem Herzog von Bayern im Jahre 1214 als Zoll⸗ unſere Aufmerkſamkeit die Waſchbären finden. Prächtige Kerle ſind darunter, und nicht umſonſt wird dieſe Waſchbär⸗ zucht die größte Deutſchlands genannt. Ein ganz beſonders ſchönes Zuchttier wird von Kennern als der ſchönſte Waſchbär der Welt bezeichnet. Skunks, Marder⸗ hunde und Blaufüchſe ſind ebenfalls vertreten. Pforzheim erhielt in den beiden oben geſchilderten Ein⸗ richtungen nicht nur zwei Sehenswürdigkeiten: die Spinnhütte für den Sommer und die Pelztierfarm für den Winter, ſie ſind auch der Ausdruck des wirtſchaftlichen Lebenswillens der Pforzheimer Bevölkerung, die ihre ganze Kraft mit einſetzt zum Gelingen des wirtſchaftlichen Wollens des deutſchen Volkes, das eingeſpannt iſt in die vom Führer geſtellte Vier⸗ jahresarbeit. GOpori des Sonntags Bei den Handball⸗Punktekänſpfen im Gau Süd we ſt ſchaffte der führende VfR. Schwanheim beim TS. Herrns⸗ heim in einem 5:5⸗Spiel einen wertvollen Punkt. Weiterhin in großer Fahrt iſt der MSV. Darmſtadt, der gegen Pfung⸗ ſtadt 10:2 gewann. Der vom Abſtieg bedrohte FSV. Frank⸗ furt ſchlug den SV. 98 Darmſtadt mit 4:3.— In Baden war von den führenden Mannſchaften nur der TV. Rot tätig, der gegen den SC. Freiburg zu einem glatten Sieg(12:3) kam. TSV. Nußloch und TV. Ettlingen trennten ſich in einem torreichen Treffen unentſchieden, 10:10, nachdem Nuß⸗ loch anfangs 8:3 geführt hatte. * Eintracht Frankfurt doch in Dortmund. Am Dortmunder Hallen⸗Handballturnier, das am 17. Januar in der„Weſtfalenhalle“ ausgetragen wird, beteiligt ſich als Vertreter des Gaues Südweſt doch die Frankfurter ſtadt. Die Frankfurter ſtellten ihre große Klaſſe erneut beim Mannheimer Turnier unter Beweis, das ſie wiederum als Endſieger beendeten. Weltbild(M). Das Endſpiel um den Tſchammer⸗Pokal. Der ſonſt ſo ausgezeichnete Leipziger Torwart Wöllner kann das einzige Tor der Schalke⸗Mannſchaft nicht ver⸗ hindern. VfB.⸗Leipzig ſiegte vor rund 60 000 Zuſchauern im Olympiaſtadion mit 2:1 über FC. Schalke 04 und ge⸗ 1 wann den Tſchammer⸗Pokal. burg am rechten Ufer des Neckars bei einem Hofgute mit Namen Huſen errichtet worden. Dieſe Burg wurde von den Gegnern des Herzogs gründlich zerſtört und es wird ausdrücklich betont, daß ſie am Neckar lag. Die Burg Huſen bei Mannheim, wie ſie genannt würde, wurde zwar wieder aufgebaut, aber der Neckar änderle ſeinen Lauf, er ſuchte ſich einen Weg nördlich von. Mannheim. Dies erfolgte zwiſchen 1294 und 1323. Die Burg hieß damals bereits Rheinhauſen, denn 1323 verpfändeſe die Pfalzgräfin Mechthild und ihr Sohn Adolf und Graf Johann von Naſſau, letzterer als Vormund der beiden, die Burg Rheinhausen, die Mühle zu Sickenheim, das Hofgut, das zur Burg gehörte ſowie nötigenfalls die Korngült zu Neckarau und den Hof zu Necka sau und Bet (Steuer) zu Sickenheim. Der Neckar floß alſo nicht mehr an der Burg Rheinhauſen vorüber, da man ſie wohl kaum verpfändet hätte, wenn der Neckarzoll noch erhoben worden wäre. Wenigſtens wäre dieſer Zoll in de Urkunde erwähnt worden. Der ſpä er genannte Rheinhäuſer Hof, der von der Burg noch übrig blieb, lag rechts am Ende der Schwetzingervorſtadt. Der Neckar floß von Secken⸗ heim nach Feudenheim in einem nach Nordweſten gerich⸗ teten Bogen vorüber, wurde von dem Hochgeſtade nach Süden abgelenkt, floß über die Ste le, wo die Landſtraße von der Riedbahn gekreuzt wird, bog nach Weſten aus, ging ſüdlich an der Heidelberger Bahnlinie vorbei zur Burg Hufen, die auf dem rechten Ufer lag, und mündete bei dem Schnickenloch in den Rhe n. Wir finden die Erwähnung des alten Neckarbettes auch in einer Güterbeſchreibung aus dem Jahre 1387. Er lag nach dieſen Angaben zwiſchen dem Rhein und dem Lindenhof, wo der alte„Kalkofen“ ſich befand. Von dieſem erhielt die es Wa ſer dei Namen Kalkofenca ſer und eine alle to o zraphiſche Karte aus dem Jahre 1824 Mit Wahrſcheinlichleit iſt anzunehmen, daß der Durch⸗ bruch des Neckars bei der Kreuzung der Riedbahn und der Landſtraße, nördlich von letzterer, erfolgte. Die Doppelſchleife entſtand dadurch, daß ſich der Fluß wie⸗ derum nach Weſten wanßle. Es erfolgte noch eine Wen⸗ dung nach Süden, vor Ben Mannheimer„Dünen“. 1 Eintracht und nicht, wie zuletzt gemeldet, der MSV. Darm⸗ vom Großherzogtum Baden führt die e Bezeichnung noch. 2 B 8 1 Der Schrei nach den Flöhen oder der Filmzoo in der Wohnung. Tiere ſpielen im Film der ganzen Welt eine große Rolle. Nicht nur in Spielfilmen treten ſie auf, ſondern auch zahlloſe Kulturfilme haben der Erforſchung des Tier lebens und der Tierſeele gedient. Die deutſche Kultur⸗ filmproduktion genießt wegen ihres wiſſenſchaftlichen Ernſtes und ihrer lebendigen Darſtellung internationales Anſehen. Der deutſche Film ſchuf eine Reihe der ſchönſten und intereſſanteſten Tierfilme überhaupt. Jedem Beſucher werden beiſpielsweiſe noch die wundervollen Wildfilme der Ufa in Erinnerung ſein, Die Ufa unterhält in Neu⸗ babelsberg einen kleinen Filmzoo, deſſen Tiere von Wolfram Junghans betreut werden, der u. a. auch einen der intereſſanteſten Bildſtreifen dieſer Art, den Film vom Ameiſenſtaat, ſchuf. Die Tiere, die Junghans in ſeinem Neubabelsberger Miniaturzoo hält, dienen faſt ausſchließ⸗ lich Forſchungs⸗ und Beobachtungszwecken, deren Ergeb⸗ niſſe ſpäter im Kulturfilm zu ſehen ſind. Die Anforderun⸗ gen, die der Spielfilm an die Beſchaffung von Tieren ſtellt, ſind ſo vielfältiger und kurioſer Art, daß ſich in dem „Tierbeſorger“ eine Art Spezialberuf herausgebildet hat. Als ich die Wohnung des Tierbeſorgers des deut⸗ ſchen Films betrete, ſchaukeln ſich zwei Papageien jauch⸗ zend auf ihren Stangen, eine ſchneeweiße Angorakatze kugelt ſich vor meine Füße, eine Lachtaube nimmt auf meinem werten Haupte Platz, und ein Hündchen ſchießt auf dem Teppich kleine Purzelbäumchen. Und Fritz Bock, der Tierbeſorger, lacht über das ganze Geſicht, er hat ſicher einen der originellſten Berufe der Welt— er be⸗ ſorgt dem Film jedes gewünſchte Tier und jede gewünſchte Menge davon. Bock ſtammt aus einer alten Berliner Familie, nahm an mehreren Expeditionen nach Afrika teil, war viermal im Senegalgebiet und zweimal an der Goldküſte. Draußen hat er gelernt, die Tiere zu verſtehen und ſie ohne Zwang an ſich zu gewöhnen. Angefangen hat er mit einem Jagd⸗ hund und einem zahmen Wildſchwein, das mit großem Erfolg eine kleine Rolle in„Metropolis“ ſpielte. Es hieß „Johnny“ und war ſo zahm, daß es den Komparſen die Stullen aus der Taſche fraß. Später hatte der Tierbeſor⸗ ger einen kleinen Gepard, der in der Wohnung ſeines Herrn in Berlin ſeine verſpielte Jugend verbrachte und in einem wilden Stummfilm„Frauenraub in Marokko“ mitmachte. Durch die Tiere kam der Mann zu ſeinem Beruf. Seither glich ſeine Wohnung immer einem Mini⸗ aturzoo: Da hopſten Affen von Stuhl zu Stuhl, da ſpiel⸗ ten Hunde und jagten Katzen mit kleinen Bällen herum, da ſchrien Papageien und weiße Kakadus— alle„ſchein⸗ werferfromm“, alle Filmdarſteller und jederzeit bereit, ihre Kunſtſtücke im Atelier vorzuführen. Natürlich konnte er nicht ſelbſt alle Tiere halten, die gebraucht wurden. Was er nicht hatte, mußte er beſorgen. Von dieſen kurioſen und höchſt ulkigen Aufträgen hat er mir jetzt erzählt. Ihn kann keine Anfrage aus der Ruhe bringen, wenn auch ſogar er manchmal im erſten Augen⸗ blick baff war, ſo, als er zum Beiſpiel für den Film„Der tolle Bomberg“ 25 lebende Flöhe beſorgen ſollte. Wo hernehmen und nicht ſtehlen? Wer hat ſoviel lebende Flöhe auf Lager? Die Jagd nach den Flöhen war unge⸗ heuer ſchwierig— und als er ſie endlich beieinander hatte, hörte er, daß man den grotesken Einfall hatte, ſie Adele Sandrock für eine Szene aufzuſetzen. Noch heute ſchmun⸗ zelt der Tierbeſorger, wenn er an Adeles herrlichen Baß denkt, die natürlich dieſen Hokuspokus ablehnte und außer⸗ dem in ihrer unverblümten Art den„einfallsreichen“ Herrn derartig Beſcheid ſagte, daß die Kuliſſenwände wackelten. i Für„Liebe, Tod und Teufel“ mußten über Nacht viele exotiſche Enten beſorgt werden. Sie wurden in einer ſüd⸗ deutſchen Stadt entdeckt und im Flugzeug nach Berlin geſchafft. Für„Des jungen Deſſauers große Liebe“ mußte ein Pony herbeigeſchafft werden, das auf ſeinem Rücken einen Affen turnen läßt, ohne unwirſch zu werden, für den „Bettelſtudenten“ brachte der Tierbeſorger ſeinen zahmen Uhu mit, der einen wundervollen Trick konnte. Der Uhu blinzelte nämlich ſozuſagen auf Wunſch; er machte ab⸗ wechſelnd das rechte und das linke Auge zu. Für„Tu⸗ randot“ mußten 400 exotiſche Vögel aufgetrieben werden: In Neubabelsberg wurde eine richtige Vogelwarte errich⸗ tet, denn die Vögel kamen natürlich bei der Ufa in„Voll⸗ penſion“. rr ̃˙e⅛ö!!!!!! Schloß Greffensfein Original⸗Roman von M. Herzberg. 36 Ungeachtet deſſen hatte der junge Graf den Vorſfatz, ſeine Kuſine zur gründlichen Durchſicht ſeiner Abrechnungen zu bringen, nicht vergeſſen. An einem der nächſten Vormittage t er ſie, mit ihm in ſein Arbeitszimmer zu kommen. In ſihrer tändelnden Weiſe die Hand in ſeinem Arm ſchmie⸗ gend, folgte ſie ihm auch, neugierig, was er ihr zu ſagen haben werde. Kaum hatte ſie jedoch die ihr von Breslau her bekannten Bücher auf ſeinem Schreibtiſch erblickt, welche die Aufſtellung und Abrechnung des von ihm ver⸗ rauchten Vermögens enthielten, ſo ſträubte ſie ſich lachend: „Nein, Gernot, das kannſt du wirklich nicht von mir verlangen! Noch einmal kriegſt du mich nicht zu den trockenen Geſchäftsſachen da.“ 6 Sie wollte ihr Händchen aus ſeinem Arm ziehen; er aber hielt ſie feſt und ſagte entſchieden: „Du mußt mir ſchon den Gefallen erweiſen, mir für eine halbe Stunde deine volle Aufmerkſamkeit zu ſchenken. So dankbar ich dir für deine großzügige Beurteilung meiner Schulden an dich, wie du ſie in Breslau übteſt, auch bin, ſſo iſt es doch eine Gewiſſenspflicht für mich, dich auf das fa über dieſe Schulden, ihre Urſachen und ihre Auf⸗ tellung zu unterrichten. Alſo komm, ſetze dich hier zu mir und höre mich geduldig an!“ „Wozu, wenn ich doch einſehe, daß du ſie machen muß⸗ keſt und nicht anders handeln konnteſt, als du getan und ich damit einverſtanden bin?“ weigerte ſie ſich ſchmollend. 8„Weil ich trotzdem ernſtlich wünſche, Lydia!“ entgeg⸗ nete er dringlich, ſie zu dem Seſſel am Schreibtiſch führend und neben ihr Platz nehmend. 5 8 „Gut, ich will dir gehorchen, Gernot. Dann mußt du mir aber auch einen Wunſch, einen heißen Wunſch erfüllen. Willſt du?“ fragte ſie, nun auch ernſt werdend. „Wenn ich kann—“ i „Du kannſt es!“ entgegnete ſie, ihn mit flehenden Augen aufſchauend. 8„„ 5 Nun, um was handelt es ſich?“ mit den Für den Film„Ein Mann will nach Deutſchland“ wurden zwei Pfauhähne benötigt, die ſich ſetzen und ſo gefilmt werden konnten. Wo gab es die? Nur im Strand⸗ bad Wannſee, das ſie für den Film auslieh. Für„Schloß Vogelöd“ wurden 24 wilde Kaninchen gebraucht, für das „Mädchen Irene“ 13 Malteſerhündchen, und in dem neuen großen Film„Stadt Anatol“ kommt eine Szene vor, in der gezeigt wird, wie eine Hundemutter für ihre Kleinen ſorgt. Als über der Stadt die Flammen zucken, als das Feuer in ihren Mauern wütet, als die Menſchen fliehen und das Chaos losbricht, da beginnt eine Hundemutter, ihre Jungen aus dem Rauch zu ſchleppen. Eines nach dem anderen nimmt ſie ins Maul und rennt mit ihnen davon, bis ſie ſie alle in Sicherheit gebracht hat. Dieſe Hunde⸗ mutter, einen kleinen ſteifbeinigen Drahthaarfox, und ihre Jungen beſorgte Fritz Bock ebenfalls. Selbſtverſtändlich beſtand für die Tierchen in Wirklichkeit keinerlei Gefahr, die Hundemutter wurde auch nicht etwa ſinnlos erſchreckt, ſondern der Trubel um ſie herum bewegte ſie ſchon, ihre Jungen in Sicherheit zu bringen. Huſarenaffen und Lach⸗ tauben, Katzen aller Sorten und dreſſierte Hunde, alles, was da kreucht und fleucht, hat der Tierbeſorger ſchon her⸗ anſchaffen müſſen. Woher er es nimmt, wie er ſelbſt die ſchwierigſten Aufträge erfüllt— das iſt ſein Geheimnis. Er ſelbſt lebt immer mit Tieren, er liebt ſie, und wenn man ſie um ihn ſpielen ſieht, weiß man, daß er ſie gut und vorſichtig be⸗ handelt. Er läßt es ſich auch nicht nehmen, bei jeder Auf⸗ nahme von Anfang bis Ende dabei zu ſein. So hat er ein gutes Jahrzehnt des deutſchen Films miterlebt, und von allen Aufgaben, die der Film den für ihn Schaffenden ſtellt, ift die ſeine ſicher eine der ſeltſamſten. H. F. Wie eine NRieſendame an Land geht Ein Zwiſchenfall wird in Liverpool viel belacht, der ſich dort nach der Landung des Ozeandampfers„Mancheſter Brigade“ im Hafen zutrug. Als die Paſſagiere über die ſchmale Schiffsbrücke an Land eilten, entſtand plötzlich eine Stockung. Eine ſehr beleibte Dame verſuchte vergeb⸗ lich, ebenfalls auf dieſe allgemein übliche Weiſe ans Ufer zu kommen, wo ſchon die Verwandten mit winkenden Taſchentüchern zum Empfang bereitſtanden. Aber, ſiehe da, ſie konnten zueinander nicht kommen, nicht etwa, weil das Waſſer viel zu tief war, wie es im Liede heißt, ſon⸗ dern weil die Schiffsbrücke für dieſe weiblichen Propor⸗ tionen einfach zu eng war. Mit einem derartigen Leibes⸗ umfang hatten die engliſchen Erbauer der Paſſage nicht gerechnet. Unter den Fahrgäſten, die, wie es bei einer Landung üblich iſt, eifrigſt danach trachteten, möglichſt bald feſten Boden unter die Füße zu bekommen, wurden infolge des unliebſamen Aufenthalts teils beluſtigende, teils ärgerliche Bemerkungen laut, bis ein Mann der Schiffsbeſatzung auf den rettenden Gedanken kam. Ehe man ſich deſſen recht verſah, ſenkte ſich der Greifer des großen Gepäckkrans über die gewichtige Perſönlichkeit, man komplimentierte, ſo gut es ging, die Rieſenfrau auf einen Stuhl, verſchnürte den Fahrgaſt nebſt Stuhl ſicher an dem Greifer. Ein Pfiff ertönte, und ſchon ſetzte ſich der Arm des Krans in Bewegung. Die lebende Laſt ſchwebte in kühnem Bogen hoch durch die Luft, drehte ſich in eleganter Kreisbewegung dem Ufer zu, wo das anmutige„Gepäck⸗ ſtück“ unter dem Gejohle der Hafenjugend zu Boden ge⸗ ſetzt wurde. Der ganze, gewiß nicht alltägliche Vorfall ging ohne Zwiſchenfall vor ſich. Nur ſoll die Dame er⸗ klärt haben, ſobald nicht wieder eine Schiffsfahrt unter⸗ nehmen zu wollen. Der Arſenik⸗Attentäter von Balham Seit einigen Wochen beſchäftigt ſich Scotland ard, die Londoner und gleichzeitig engliſche Polizeizentrale, Nachforſchungen über die Herkunft gewiſſer Schokoladenſendungen, die an verſchiedene hochgeſtellte Perſönlichkeiten gelangten. Es iſt bis zur Stunde nicht gelungen, jene Perſonen zu ermitteln, die als Abſender oder Lieferanten der Süßigkeiten in Frage kommen, die ſämtlich in einem gefährlichen Grad mit Arſenik vergiftet find. Wohl aber hat man aus der engliſchen Kriminal⸗ geſchichte der letzten zehn Jahre höchſt wichtiges Akten⸗ material herausſuchen können, das beweiſt, daß ſchon ein⸗ mal Arſenik⸗Attentäter in England an der Arbeit waren, und es damals ebenfalls auf hochgeſtellte Perſonen ab⸗ ſahen. . Damals, vor etwas mehr als zehn Jahren, erhielt „Ich jagte dir ſchon, wie ſehr es mich bedrückt, dich wi⸗ der Willen ſo furchtbar geſchädigt zu haben; deshalb bitte ich dich jetzt inſtändigſt, mir zu geſtatten, dir einen Teil des Vermögens zurückzuzahlen oder wenigſtens ein Dar⸗ lehen von mir anzunehmen!“ „Unter keiner Bedingung!“ antwortete er mit ſolcher Entſchiedenheit, daß ſie verſtummte.„Ich verkenne deine edle Abſicht nicht und danke dir für ſie, liebe Lydia,“ ſagte er nach einem Weilchen milder, aber du wirſt begreifen, daß ich dein Anerbieten nicht annehmen kann.“ „Nein, ich begreife es nicht; denn du haſt dies Geld in gutem Glauben ausgegeben, und es beſteht für mich die Pflicht, dir die Folgen zu erleichtern.“ „Ich erkenne deine Pflicht nicht an!“ „So erkenne ich auch deine Schulden nicht an und will nie mehr von ihnen hören!“ Damit ſtand ſie auf, ſchüttelte trotzig ihre Locken und ſchlüpfte hinaus. Und dem Grafen blieb nichts anderes übrig, als die Bücher wieder in ihr Fach einzuſchließen. Seit ein paar Wochen weilte Lydia nun bei ihren Ver⸗ wandten, und mit ihr war ein neuer Geiſt in das alte Schloß eingezogen, welcher das bisher ſtille Leben von Mut⸗ ter und Sohn mit queckſilberner Beweglichkeit erfüllte. Sinn für harmoniſches, friedvolles Sein und Wirken fehlte Lydia gänzlich. Raſtlos, nervös vom Scheitel bis zur Sohle, dachte und handelte ſie in krauſem Durcheinander ohne jede Ueber⸗ legung und Stetigkeit. Nie wußte man, was ihre nächſten Entſchlüſſe und Taten ſein würden. Unberechenbar in ihren Stimmungen und oft abſonderlichen Einfällen, glich ſie einem ungelöſten Rätſel und gab ihrer Umgebung auch ſol⸗ che auf. Bald war ſie ein naives Kind, bald ein kluges, faſt raffiniertes Weib, bald ein ausgelaſſener Gaſſenjunge, bald ein weiches Kätzchen. Die Gräfin, trotzdem ſie häufig in die Lage kam, der Nichte unvornehme Manieren, ihr allzu freies Benehmen zu rügen, zeigte ſich doch im allgemeinen entzückt von ihr, um ſo mehr, als ſie bemerkte, daß auch ihr Sohn ſich der Wirkung ihres Weſens, ihrem unverkennbaren Bemühen, ihm zu gefallen, ihn ſich geneigt zu machen, nicht zu entziehen vermochte. Er ſah ihr Geſichtchen ſich verklären, die hell⸗ blauen Kriſtallaugen aufflammen, wenn er ihr ſich näherte, u. a. der Kommiſſar der Londoner Polizei eines Tages ein großes Schokoladenpaket. Er liebte Süßigkeiten ſehr und griff ſofort zu, um ein Stück aus dem Karton zu ver⸗ zehren. In dieſem Augenblick wurde er durch eine Be⸗ ſprechung daran gehindert, weitere Schokolade zu eſſen. Noch während der Beſprechung brach er plötzlich mit Herzkrämpfen zuſammen. Die Aerzte und Gerichtschemi⸗ ker ſtellten feſt, daß jene Schokoladenpackung in der Art mit Arſenik durchſetzt war, daß zwei Stücke aus der Packung genügt hätten, um ſeinem Leben ein Ende zu machen. Jene Unterredung rettete ihm das Leben. In den nächſten Tagen erfuhr man auch von zahlreichen an⸗ deren Londoner Perſonen, daß ihnen Schokolade zugegan⸗ gen war. Aber die ſchnellſtens verbreitete Warnung vor dem Genuß jener Süßigkeiten bewahrte die Empfänger vor dem Tode. Der ganze britiſche Kriminalapparat wurde auf⸗ geboten, um jenen Giftſendungen auf die Spur zu kom⸗ men. Endlich glückte es dem engliſchen Chefinſpektor Helden, die Herkunft der Verpackung zu ermitteln. Alle Spuren führten ebenſo wie die Poſtſtempel nach Balham. Hier legte man ſich alſo ein paar Wochen auf die Lauer und konnte ſchließlich einen gewiſſen Frank Tatam ver⸗ haften. Dieſer Tatam war jedoch ein Irrſinniger. Er war nür das Werkzeug einer merkwürdigen Organiſation geweſen, hinter deren Kuliſſen man nie ſchauen konnte. Man mußte ſich damals damit beſcheiden, das Vor⸗ handenſein einer Bande fanatiſcher Agitatoren anzuneh⸗ men, denen das Handwerk ſcheinbar durch die Verhaftung Frank Tatams gelegt wurde. Nun fürchtet man, daß ſie ein neues Werkzeug gefunden haben. Bärenſkelett im Baumſtamm. Ein Fund, der ein Bei⸗ ſpiel der ſeltſamen Launen der Natur gibt, wurde in Beſſarabien gemacht. Eine rieſige Eiche, deren Alter man auf mehrere hundert Jahre ſchätzt, wurde, da ſie bereits abgeſtorben und morſch war, gefällt. Die Arbeiter, die den Stamm zerſägten, ſtießen plötzlich auf ein unerwar⸗ tetes Hindernis, das ſich bei näherer Unterſuchung als ein tieriſcher Knochen erwies. Die nun mit aller Vorſicht weitergeführte Zerſtückelung des Stammes förderte das gut erhaltene und vollſtändige Skelett eines Bären zutage, das außer einem Bruch der Wirbelſäule keine weiteren Beſchädigungen aufwies. Die mit der Unterſuchung dieſes Fundes betrauten Naturforſcher nehmen an, daß der Bär beim Erklettern des Stammes abſtürzte, in eine Baum⸗ höhlung fiel und mit gebrochenem Rückgrat verendete. Der Baumſtamm, der immer mehr in die Breite wuchs, hatte im Laufe der Zeit das Skelett des Bären ganz ein⸗ geſchloſſen und überwuchert. Wie die Unterſuchung der Jahresringe ergab, dürfte der Tod des Bären vor bei⸗ (äufig 175 Jahren eingetreten ſein. Kunſtwerk des Monats Januar 1937 im Deutſchen a Muſeum in Berlin. Ritter, mittelrheiniſch um 1405, gebrannter Ton Stärker noch als die Eleganz der modiſchen Tracht wirkt der leidenſchaftliche Schwung in der Haltung des ritterlichen Stifters aus der berühmten„Lorcher Kreuztraaung“. Seh ſah, wie jede zufällige Bewegung ſeiner Hand ſie beglückte, und welchem Manne, cßäre er noch ſo ernſt und kühl, ge⸗ fiele ſolche offenkundige Frauenhuldigung nicht? Nach dem Grundſatz der Anziehungskraft der Gegensätze, übten die chamäleonartigen Wandlungen ihres Naturells auf ihn, den ausgeglichenen, gefeſtigten Charakter, einen gewiſſen Reiz aus, ſein Blut in angenehm erregende Wallung verſetzend, die indeſſen nicht ſtark genug war, um in Leidenſchaft über⸗ zugehen. Aber Lydia begann ihn doch mehr und mehr zu be⸗ ſchäftigen. Dieſes leichte Perſönchen erwies ſich als ein ſchwieriger, nicht zu enträtſelnder Charakter. Manchmal überfiel ſie inmitten ausgelaſſener Luſtigkett, beim Erzählen irgendeiner komiſchen Epfſode aus dem Schauſpielerleben in Mexiko eine jähe Verzweiflung. Wie an jenem erſten Abend in ihrem Schlafzimmer vor dem wappengekrönten Gold⸗ ſpiegel verſtummte ſie dann plötzlich, ſtarren Blickes vor ſich hinbrütend, während ſich über das eben noch lachende Geſicht⸗ chen ein Ausdruck entſetzungsvoller Furcht, bangen Grauens breitete, der es um Jahre alterte. Rief Gernot dann er⸗ ſchrocken: „Was iſt dir, Lydia? Was quält dich ſo plötzlich?“ ſo fuhr ſie, wie aus einem böſen Traum erwachend, empor: „Nichts! Erinnerungen an trübe Stunden nur drängen ſich mir manchmal wider Willen auf. Achte nicht darauf, Gernot; ſie ſchwinden, wie ſie kamen.“ Und mit wilder Energie das Lockenköpfchen ſchüttelnd, daß die großen Ohrreifen ſchwangen, ſuchte ſie dann durch doppelt vermehrte Unterhaltſamkeit und fortreißende Laune ihren auffälligen ſeeliſchen Zuſammenbruch vergeſſen zu machen. „Warum ſchauſt du denn immerfort auf meine Schuhe Lottchen?“ möchte die Tante wiſſen.—„Ach, Vati hat geſagt, du kriegſt jetzt auch ſchon Krähenfüße.“ 5 * „Siehſt du, Fritzchen, erklärt der Vater, dieſe kleinen Sar⸗ binen werden oft von größeren Fiſchen gefreſſen.“—„Aber Papa, wie kriegen die denn die Bügſen auf?“. 5 135 8„ * „„ 5 ee 8