Nr. 102 Reckar⸗Bote(2. Blatt) Oienstag, 4. Mai 1937 Sicherſtellung des Facharbeiternachwuchſes Neue Anweiſungen des Präſidenten der Reichsanſtalt. Bekanntlich hatten auf Grund der Erſten Anordnung zur Durchführung des Vierfahresplans über die Sicher⸗ ſtellung des Facharbeiternachwuchſes die Betriebe der Eiſen und Metallwirkſchaft ſowie des Bau ge werbes mit 10 und mehr Beſchäftigten Anzeigen über die Zahl der vorhandenen Lehrlinge und über die voraus ſichtliche Entwicklung der Lehrlingszahlen zu Oſtern 1937 an die zuſtändigen Arbeitsämter zu erſtatten. Auf Grund der Anzeigen ergibt ſich folgender Sachverhalt: l. Eiſen⸗ und Metallwirtſchaft. Die 11 200 Betriebe der Eiſen⸗ und Metallwirtſchaft, die gemeldet ha⸗ ben, beſchäftigen insgeſamt 2071000 Arbeiter. Darunter ſind 724 000 Metallfacharbeiter mit ordnungsmäßiger Lehr⸗ ausbildung. Als Nachwuchs für dieſe Facharbeiter wurden Zur Zeit der Erhebung 149 000 Lehrlinge ausgebildet. Da Oſtern 1937 aber 26 000 Lehrlinge nach Beendigung der Lehre ausſcheiden und über 46 000 Lehrlinge für die neue Einſtellung vorgeſehen ſind, erhöht ſich die Zahl der Lehr⸗ linge um 20 000 auf 169 000. Der Nachwuchs in der Eiſen⸗ und Metallwirtſchaft in Betrieben mit 10 und mehr Be⸗ ſchäftigten beträgt damit ab Oſtern 1937 23,4 v. H. der Zahl der Metallfacharbeiter. Unter Zugrundelegung einer vierjährigen Lehrzeit entfallen demnach auf den einzelnen Jahrgang 5,8 v. H. der Zahl der Facharbeiter mit ord⸗ nungsmäßiger Lehrausbildung. Die Lehrlingshaltung in der Eiſen⸗ und Me⸗ tallwirtſchaft hat demnach im allgemeinen zugenom⸗ men. Um aber die noch beſtehenden Lücken aufzufüllen, und unter Berückſichtigung des Abganges ausgelernter Lehrlinge nach anderen Wirtſchaftszweigen, iſt es erforder⸗ lich, die Betriebe, die in ihrer Lehrlingshaltung merklich unter dem Durchſchnitt geblieben ſind, zur Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten. Il. Baugewerbe Für das Baugewerbe ergibt ſich auf Grund der erſtatteten Anzeigen folgendes Bild: Die 12 600 Betriebe der Gewerbearten Hochbau, Zimmerei und Straßen- und Tiefbau einſchließlich Betonbau, die gemel⸗ det haben, beſchäftigen insgeſamt 704 000 Arbeiter, darun⸗ ter 274000 Baufacharbeiter mit ordnungsmäßiger Lehr⸗ ausbildung. Als Nachwuchs für dieſe Facharbeiter wurden im Durchſchnitt der Monate Juli bis September 1936 rund 38 000 Lehrlinge ausgebildet. Da Oſtern 1937 10 000 Lehr⸗ linge wegen Beendigung der Lehre ausſcheiden, aber 17 000 neue Lehrlinge für die Einſtellung vorgeſehen ſind. erhöht ſich die Lehrlingshaltung um 7000 alſo auf 45 000 Lehrlinge. Der Nachwuchs in den Gewerbearten Hochbau. Zimmerei und Betonbau beträgt damit von Oſtern 1937 ab 16.5 v. H. der Zahl der Facharbeiter. Auch im Bauge⸗ werbe hat ſomit die Lehrlingshaltung zugenommen. Dieſe Zunahme reicht jedoch nicht aus. Um die noch beſtehenden Lücken aufzufüllen, und unter Berückſichtigung des Ab⸗ gangs ausgelernter Lehrlinge nach anderen Wirtſchafts⸗ zweigen iſt es daher erforderlich, die Betriebe, die in ihrer Lehrlingshaltung merklich unter dem Durchſchnitt geblieben ſind, zur Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten. Der Präſident der Reichsänſtalt hat daher zur Sicher⸗ ſtellung des Facharbeiternachwuchſes an die Landesarbeits⸗ ämter und Arbeitsämter folgende Weiſungen erteilt: Die Arbeitsämter haben unverzüglich alle dieſeni⸗ gen Betriebe zu ermitteln, die nach den eingegange⸗ nen Anzeigen mit ihrer v. H.⸗-Zahl an Lehrlingen unter der v. H.⸗Zahl der Lehrlinge der Gewerbeart ihres Landes⸗ arbeitsamts⸗Bezirks erheblich zurückbleiben. Sie verhandeln mit dieſen Betrieben unverzüglich mit dem Ziel, daß ſie ſich zu einer angemeſſenen Erhöhung der Lehr— lingszahlen freiwillig verpflichten. Die Einſtellung der Lehrlinge muß ſpäteſtens bis 1. Juni 1937 erfolgen. So⸗ fern die Verhandlungen des Arbeitsamts ergebnislos ſind, iſt der Präſident des für den Sitz des Betriebes zuſtändigen Landesarbeitsamts ermächtigt und verpflichtet, Lehrlings⸗ pflichtzahlen für den einzelnen Betrieb feſtzuſetzen. Vor der Beſtimmung der Lehrlingspflichtzahl iſt die für den Be⸗ trieb zuſtändige Wirtſchaftskammer zu hören. Ergibt die Prüfung, daß eine Einſtellung von Lehr⸗ lingen nicht erfolgen kann, ſo wird der Betrieb zur Entrichtung einer Ablöſung verpflichtet. Die Ablöſung iſt einheitlich durch den Präſidenten der Reichs⸗ anſtalt für beide Gewerbegruppen auf 50 Mark je Lehr⸗ ling und Monat feſtgeſetzt. Für die der Wirtſchaftsgruppe Bauinduſtrie an⸗ geſchloſſenen Betriebe hat ſich der Präſident der Reichsan⸗ ſtalt damit einverſtanden erklärt, daß die Kontrolle der Lehrlingshaltung durch den engeren Ausſchuß für Lehr⸗ lings⸗ und Ausbildungsweſen in der Wirtſchaftsgruppe Bauinduſtrie vorgenommen wird. Es iſt jedoch auch hier ſichergeſtellt, daß der Zweck und das Ziel der Erſten An⸗ 1 zur Durchführeng des Vierjahresplans erreicht werden. —— Der Arbeitseinſatz im März In allen ſüdweſtdeutſchen Bezirken Erfolge. — Stuttgart. Im Monat März konnte ſich in dieſem Jahre in Südweſtdeutſchland infolge der vorwiegend regneri⸗ ſchen Witterung, welche die Außenarbeiten in Landwirtſchaft und Gartenbau, in der Induſtrie der Steine und Erden und im Tiefbaugewerbe ſtark behinderte, die für das Frühjahr zu erwartende Belebung der Beſchäftigungslage nicht voll durchſetzen. Trotzdem war in allen Bezirken und Berufsgrup⸗ pen eine beträchtliche Abnahme der Arbeitsloſenzahlen zu ver⸗ zeichnen. Die Geſamtabnahme der Zahl der Arbeitsloſen betrug 12 294 Perſonen und zwar 4327 in den württember⸗ giſchen und 7967 in den badiſchen Bezirken. Die Geſamtzahl der Arbeitsloſen, die bei den Arbeits⸗ ämtern in Württemberg und Baden vorgemerkt waren, belief ſich Ende März auf 45 693 Perſonen(35735 Männer und 9958 Frauen). Auf Württemberg und Hohenzollern entfielen 6566 Arbeitsloſe(4846 Männer und 1720 Frauen) und auf Baden 39 127 Arbeitsloſe(306889 Männer und 8238 Frauen). In der Statiſtik der unterſtützten Arbeitsloſen ergab ſich für die Anterſtützten der Reichsanſtalt eine Abnahme um 9216 Hauptunterſtützungsempfänger; die Zahl der in der öffentlichen Fürſorge unterſtützten arbeitsloſen Wohlfahrts⸗ erwerbsloſen ging um 244 Perſonen zurück. Je wenjger fufgaben du in Delnem keben ju meiſtern haſt, um ſo leerer und unnützer wird die dein keben erſcheinen. Du ſolin dich ſae die bemeinſchoſt einlegen! Aus dem Gerichtsſaal Anmenſchliche Roheitsakte eines Franziskanerbruders. Koblenz, 3. Mai. Das grauenvolle Martyrium eines hilfloſen Fürſorge⸗ zöglings, der weder gehen noch ſprechen konnte und einzig auf die Betreuung der Kloſterbrüder angewieſen war, ent⸗ rollte ſich in einer erneuten Verhandlung gegen einen Franziskanerbruder vor dem Koblenzer Schwurgericht. An⸗ geklagt war der Ordensbruder Gundram aus der Kloſter⸗ niederlaſſung Waldbreitbach der Franziskanergenoſſenſchaft wegen vorſätzlicher Körperverletzung mit Todeserfolg. Gundram hatte im März vorigen Jahres einen kranken und völlig hilfloſen Fürſorgezögling in Waldbreitbach in der roheſten und unmenſchlichſten Weiſe mißhandelt und dadurch den Tod dieſes Vedauernswerten verurſacht. Die kürzlichen Ausſagen des Kapuzinerpaters Columban vor demſelben Gericht, wonach es im Kloſter Waldbreit⸗ bach nur„Rohlinge, Säufer und Päderaſten“ gegeben habe, wurden durch dieſe e erneut in allen Punkten beſtätigt, während die Angehörigen glauben mußten, daß die Zöglinge in einem ſolchen Heim in wirk⸗ lich chriſtlichem Sinne gepflegt, aber nicht zu Tode geprü⸗ gelt würden. Der Angeklagte trat im März 1935 auf eine Anzeige in der Zeitſchrift„Chriſtliche Familie“ in das Franziskaner⸗ kloſter Waldbreitbach ein, wo er nach einigen Monaten auf die ſogenannte Schwerkrankenſtation verſetzt wurde, auf der ſich nur jugendliche Kranke befanden, die gänzlich hilflos waren und weder gehen noch ſprechen konnten. Der Vorſitzende hielt dem Angeklagten ſeine un⸗ menſchliche Handlungsweiſe vor. Der Angeklagte Bruder Gundram gibt über die Vorgänge eine völlig unwahrſchein⸗ liche Darſtellung. Er will lediglich dem Zögling Albert Stoll, kräftige Ohrfeigen(0 gegeben haben. Er muß allerdings zugeben, daß Stoll ſchon danach ſtark und an⸗ dauernd zu röcheln begann. Die anderen ſchweren Verlet⸗ zungen, die bei der Obduktion der Leiche des Zöglings feſtgeſtellt wurden, verſucht der Angeklagte damit zu er⸗ klären, daß Stoll geſtürzt ſei, als er einen Augenblick aus dem Zimmer gegangen war. Weiter verſucht der Angeklagte ſich damit zu entlaſten, daß er, als er Stoll zur Bade⸗ wanne trug, ausgerutſcht und der Zögling dabei mit gro⸗ zer Gewalt in die Badewanne gefallen ſei, Behauptungen, deren Unwahrhaftigkeit bei der Beweisaufnahme ſpäter 18 klar zutage tritt. Er habe dann den dauernd heftig röchelnden Stoll zu Bett gebracht und ihm noch an⸗ befohlen, er ſolle ruhig ſein. Dann ſei er ſelbſt zur Ruhe gegangen und habe am folgenden Morgen gehört, daß Stolltot war. In der Beweisaufnahme wurde feſtgeſtellt, daß der An⸗ geklagte Bruder Gundram ein charakterlich völlig min⸗ derwertiger Menſch iſt, der auf dieſer Station etwa 20 jugendliche Schwerkranke zu verſorgen hatte. Der frühere Bruder ⸗Vorſteher erklärte bei ſeiner Vernehmung, ſich nicht an Einzelheiten des Vorfalles erinnern zu kön⸗ nen, über die vielmehr der Novizenmeiſter Auskunft geben könne. Dieſer konnte jedoch nicht zur Stelle geſchafft werden, da er in Rom weilt. Der Angeklagte iſt mehrfach auf ſeinen Geiſteszuſtand unterſucht worden. Er wurde als ein minderwertiger Menſch mit Zeichen intellektueller Unzulänglichkeit darge⸗ Pei Die mediziniſchen Sachverſtändigen haben bei der zeichenöffnung des zu Tode gequälten Zöglings feſtgeſtellt, daß ſchwere innere Verletzungen die Todesurſache geweſen ſind. Dieſe Verletzungen könnten nur durch außerordent⸗ lich heftige und andauernde Schläge hervorge⸗ rufen worden ſein. Das Gericht verurteilte den Angeklagten wegen vorſätzlicher Körperverletzung mit Todeserfolg zu einer Zuchthausſtrafe von vier Jahren und fünf Jahren Ehrver⸗ luſt. Das Gericht betonte, daß es wenige Fälle gebe, in denen eine derartige Scheußlichkeit abzuurtei⸗ len ſei. Ein armer kranker Junge von 18 Jahren ſei durch die Mißhandlung des Angeklagten geſtorben. Aeber die Grenze geſchafft Koblenz, 3. Mai. In der Keihe der Prozeſſe gegen zahlreiche Angehörige verſchiedener Ordensklöſter wegen Sittlichkeitsverbrechen ſtand vor der Großen Strafkammer in Koblenz ein Begün⸗ ſtigungsprozeß an, in dem feſtgeſtellt wurde, daß die Or⸗ densverwalkung dem angeklagten bzw. belaſteten Ordens⸗ angehörigen planmäßig zur Flucht ins Ausland verholfen hal. Der Prozeßverlauf bewies ferner, daß die Orden nicht nur nicht von den Straftalen ihrer Angehörigen abrückten, ſondern vielmehr bemüht waren, ihre ſchwerbelaſteten An⸗ gehörigen den Armen des Staatsanwaltes zu entziehen. Auf der Anklagebank ſaßen der Sekretär der Rheini⸗ ſchen Franziskanerprovinz Paul Hexges(Pater Gregor), der jugendliche Geſchäftsführer Helmut Jordan, beide aus Düſſeldorf, und der Lektor der katholiſchen Theologie Fried⸗ rich Ricking(Pater Ephraim) aus Paderborn, die des Sitt⸗ lichkeitsverbrechens beſchuldigte Franziskanerprieſter begün⸗ ſtigt und ihnen zur Flucht ins Ausland verholfen haben, um ſie der S zu entziehen. Pater Gregor lernte in Düſſeldorf den heute erſt 21jährigen Jordan als Mitglied der Franziskaniſchen Jugend in Düſſeldorf kennen, mit dem er ein„Kunſtge⸗ ſchäft“ gründete. Im Dezember 1935 erhielt Jordan von Pater Gregor den Auftrag, mit einem Auto in die heil⸗ und Pflegeanſtalt Saffig zu fahren. Von dort ſollte er den Pater Gracian, der ein ziemlich bewegtes und ver⸗ brecheriſches Leben hinter ſich hatte, im Auto über die Grenze nach Holland bringen Jordan führte den Auftrag aus. Er fuhr mit dem Pater nach einem Ort an der Grenze, wo ſie das Auto verließen und zu Fuß nach Holland gingen. Sie kamen unbehelligt in das Kloſter, deſ⸗ ſen Vorſteher allerdings ein ſehr langes Geſicht machte, als er den ſauberen Pater ſah, deſſen üblen Leumund er be⸗ reits zur Genüge kannte. Der Angeklagte Jordan verſucht zu beſtreiten, daß er von den ſtrafbaren Handlungen des Paters Gracian etwas gewußt babe In der Beweisaufnahme ergab ſich weiter, daß Pater Gracian ſich bereits vor Jahren in Aachen mit einer Hausangeſtellten eingelaſſen hatte Er ſei ſpäter ohne Er⸗ olg in verſchiedenen Pflegeanſtalten untergebracht wor⸗ n und ſchließlich habe man ihn in das holländiſche Kloſter geſchickt. Auch habe Pater Gracian früher einmal erklärt, er könne ſich gegen ſeine Veranlagungen nicht wehren()). Der Staatsanwalt betonte in ſeinem Plädoyer erade in dieſem Verfahren habe man wieder einmal die e dg machen müſſen, daß den Ordensangehörigen aber auch jedes Mittel recht ſei, um damit die Schuldigen — zu ſchützen. Man habe bei der Fluchtbegünſtigung der bei⸗ den ene Methoden angewandt, die ſehr ſtark an das Ganoventum erinnerten. Keineswegs handele es ſich hier bei der Belaſtung von Prieſtern um einen Einzelfall, ſondern zahlreiche Schuldige aus dem geiſtlichen Stand müßten demnächſt zur Verantwor⸗ tung gezogen werden. Einem von ihnen ſei es gelungen, mitten aus einem Kloſter zu flüchten und in bürgerlicher Kleidung die Grenze zu überſchreiten. zur Beleuchtung der Atmoſphäre keilte der Skaatsan⸗ walt mit, daß in dieſem Fall Frauen ſogenannker„beſſerer Kreiſe“ dem ſchuldigen Prieſter bei der Flucht Hilfe geleiſtel und ſich nicht geſcheut hätten, in einem nachfolgenden Ver. fahren einen Meineid zu leiſten. Das Gericht verurteilte die Angeklagten wegen erwie⸗ ſener Begünſtigung von Ordensbrüdern zur Flucht ins Ausland. Es erhielten antragsgemäß der Angeklagte Pa⸗ ter Gregor ein Jahr Gefängnis, Helmut Jordan ſechs Ma⸗ nate Gefängnis und Pater Ephraim drei Monate Gefäng⸗ nis. Der Vorſitzende ſtellt feſt, daß Pater Gracian eine dei übelſten Erſcheinungen war, die in den geſamten Prozeß. verfahren auftauchten. Der Pater habe in Werl in Weſt. falen und in anderen Orten minderjährige Kinder, die ſich auf einer Wallfahrt befanden, an ſich gelockt und in der ge. meinſten Art verführt. Er führte die Jugendlichen in die Kirche und ſcheute ſich nicht, die Kinder in der Sakriſtei und auf der Orgelbühne zu mißbrauchen. Als ſein Treiben zu auffällig wurde, wollken ſeine Oberen etwas verkuſchen, in⸗ dem ſie ihn in ein Irrenhaus ſteckten, aus dem er nach einem Jahr bezeichnenderweiſe wieder in das Kloſter zu. rückkehrke. Als er auch dann ſeine Schweinereien forkſetzte, ordnete der Provinzial eine Unterbringung in die Heil. und Pflegeanſtalt in Saffig an. Der leitende Arzt dieſer Anſtalt erklärte als Zeuge, daß Pater Gracian am 12. März 1935 in die Anſtalt gekommen ſei. Ihm ſei jedoch kein Wort von den ſittlichen Verfehlun. gen des Paters mitgeteilt worden Er habe bald feſtgeſtellt, daß der Pater nur erotiſche Reden führen und maſochiſtiſche Neigungen hatte. Eines Tages habe der Pater die Anſtalt verlaſſen. Kurz darauf ſei kelefoniſch von Andernach angerufen worden, daß ſich dort ein Pater in der Kirche in ärgerniserregender Weiſe herumtreibe und verſucht habe, ſich in unſittlicher Weiſe einem Jungen zu nähern. Die An⸗ ſtaltsleitung habe dann den Pater ſofort zurückholen laſſen und ihm jeden weiteren Ausgang verſagt, bis er dann plöß⸗ lich mit einem fremden Herrn im Auto weggefahren und nicht mehr wiedergekommen ſei. Zu derſelben Zeit als der Angeklagte Jordan den Pa⸗ ter Gracian über die Grenze gebracht hatte, hat er auch dem Franziskanerpater Odilo zur Flucht ins Ausland verholfen. Gegen dieſen Pater fand kurz vorher in Trier eine Verhandlung ſtatt, in der Odilo wegen Sadie keitspergehen mit Gefängnis beſtraft worden war. Dieſe Strafe galt durch die erlittene Unterſuchungshaft als ver⸗ büßt. Der Staatsanwalt hatte jedoch Reviſion gegen das Urteil eingelegt. Jordan fuhr mit ſeinem Auto nach Enzen, beſorgte dem Pater Odilo ein Viſum nach Holland und fuhr dann mit ihm nach Aachen, von wo aus der Pater die Grenze überſchritt. Odilo hatte ſich, wie weiter feſtgeſtellt worden iſt, auch während ſeines Urlaubes in Prüm min⸗ derjährigen Kindern in unſittlicher Weiſe genähert. 8 88 1 Der dritte Alexſaner⸗ Prozeß.— Bonn, 4. Mai. Der dritte Alexianer-Prozeß, der in Bonn die Große Strafkammer dieſer Tage beſchäftigte, zeigte wieder das gleiche widerliche Bild ſittlicher Verkommenheit, wie es ſich hinter den Mauern der Alexianer⸗Niederlaſſungen in Neuß und VBonn⸗Endenich verborgen hielt, bis die ſtrafende Hand der Gerechtigkeit dieſem Treiben hier ein Ende machte. Diesmal waren es acht Kloſterbrüder, die ſich wegen des Verbrechens gegen Paragraph 175 zu verantworten hatten. Bruder Ivo(Karl Mayer), der 1907 geboren iſt, ge⸗ ſteht im Laufe der Verhandlung eine„Liebesnacht“ mit dem Bruder Liborus, die ausgerechnet in der Nacht nach der Feier des Feſtes Mariä Empfängnis in der St. Joſef⸗Heil⸗ anſtalt zu Berlin-Weißenſee veranſtaltet wurde. Bruder Liborius, mit bürgerlichem Namen Anton Glorius, beſtä⸗ tigt das Geſtändnis. Er muß ſich auch eines gleichen Ver⸗ brechens mit dem Bruder Germanus(Werner Bartels) ſchuldig bekennen, der, ſchon 41 Jahre alt, eine leitende Stelle in der Neußer Niederlaſſung hatte und darum be⸗ ſondere Autorität bei den Mitbrüdern genoß. In umſtänd⸗ lichen Ausführungen ſucht Bruder Liborius zu beweiſen, daß es ſeiner Meinung nach bei den ihm zur Laſt geleg⸗ ten zwei Fällen zu ſtrafbaren Dingen nicht gekommen ſei. Lediglich der Wohlanſtändigkeit hätten dieſe„Berührungen“ widerſprochen. Im Laufe der weiteren Vernehmung, die ziemlich ein⸗ tönig verläuft, da immer wieder die gleichen abſcheulichen Szenen erörtert werden müſſen, berichtet Bruder Anſel⸗ mus(Heinrich Klein), daß ihn der Bruder Clemens(San⸗ der) in der Neujahrsnacht 1933-34 in einem leerſtehenden Krankenzimmer in Neuß eingeſchloſſen und ihm das Habit heruntergeriſſen habe. Am anderen Morgen habe Sander ihn bedroht, er werde ihn kaputt ſchlagen, wenn er etwas verriete. Trotzdem habe er dem Novizenmeiſter den Fall emeldet, worauf Sander entlaſſen worden ſei. Bruder enzeslaus(Auguſt Platzek), der in Polen geboren iſt, will ein Opfer jenes Amatus ſein, der im erſten Alexianerpro⸗ zeß ſchon als einer der ſchlimmſten Sittlichkeitsverbrecher entlarvt wurde. Bruder Wenzeslaus geſteht mehrere Fälle in Neuß und in Endenich. Aehnlich ſchreckliche Dinge gibt Bruder Dorotheus(Ludwig 8 an. Dann wird der ehemalige Bruder Johannes(Droege) vernommen, der be⸗ reits vor einiger Zeit aus dem Kloſter 1 iſt. Er wird aus der Strafhaft vorgeführt, da er in Hagen wegen Unzucht mit Männern, die er nach ſeinem Kloſterleben be⸗ ging, beſtraft wurde. Bezeichnenderrzeiſe erklärt der ehe⸗ malige Bruder Johannes, daß er vor dem Eintritt ins Klo⸗ ſter von dieſen Neigungen nichts gewußt habe(). Erſt im Kloſter ſei er mit ihnen vertraut worden. Unter den Zeugen iſt lic auch diesmal wieder Paul Hehl, der ſeinerzeit die Lawine ins Rollen brachte, die dann zur Aufdeckung jener ungeheuerlichen ſittlichen Zu⸗ ſtände in den Alexianer⸗Klöſtern führte. Er ſchilderte noch⸗ mals eingehend, wie er mehrere Brüder bei ihren ſexuellen Orgien im Bier⸗ und Brotkeller beobachtet hat. Das Gericht erkannte dahin, daß mehrere Fälle verjährt eien, andere wieder unter die Amneſtie fielen Es ergaben 855 daher für Klein und Schmidt Freiſprüche. Liborius und artels erhielten je zehn Monate Gefängnis, Platzek ein Jahr, Mayer ſieben Monate, Droege 18 Monate und Moo⸗ ren 16 Monate Gefängnis, fämtlich wegen Verbrechens ge⸗ gen Paragraph 175 StGB. f 8 5