Nr. 131 Reckar⸗Bote(2. Blatt) Mittwoch, 9. Juni 1937 5 An den Rand geſchrieben Der Reichskriegsminiſter, Generalfeldmarſchall von Blomberg, wurde in Rom vom Kaiſer und König ſowie vom Duce und den leitenden Perſönlichkeiten des faſchiſtiſchen Italien mit allen Ehren empfangen. Dieſer Beſuch Blombergs bedeutet keinerlei Kundgebung etwa gegen irgendeine fremde Macht. Die Achſe Berlin Rom iſt keine Entente mit Angriffsabſichten. Wenn nun in den nächſten Tagen auch der Reichsaußenminiſter, Freiherr von Neurath, den Hauptſtädten von Jugoflawien, Bulgarien und Ungarn einen Beſuch abſtattet, ſo ſoll von vornherein geſagt werden, daß auch hier nicht, wie eine gewiſſe Preſſe vermuten möchte, dunkle Pläne geſponnen werden, ſondern daß es ſich um eine Ausgeſtaltung der guten Beziehungen handelt, die dieſe Länder mit Deutſch⸗ land haben. Dieſe Reiſen, die Herr von Neurath, Reichs⸗ kriegsminiſter von Blomberg und Generaloberſt Göring in der letzten Zeit unternommen haben, dienen dazu, das menſchliche und politiſche Verſtändnis zwiſchen den ver⸗ antwortlichen Staatsmännern zu vertiefen. Das iſt ein Faktor, der gar nicht hoch genug eingeſchätzt werden kann, denn Noten und Memoranden ſind ſchließlich nur büro⸗ kratiſche Hilfsmittel, auf die Menſchen kommt es an. Daß der Weg Neuraths jetzt nach Belgrad, Sofia und Budapeſt führt, wird vielleicht dort ein gewiſſes Aufſehen erregen, wo man beſtimmte Donaupläne erörtert hat, Pläne, die im Grunde gegen Deutſchland gerichtet ſind. Hier wird der Verſuch gemacht, Deutſchland aus der Ent⸗ wicklung auszuſchalten. Das iſt ſchon ein ſicheres Zeichen dafür, daß dieſe Pläne niemals zum Ziele führen können, denn jeder, der das Donauproblem unvoreingenommen betrachtet hat, muß erkannt haben, daß ohne eine poſitive Mitwirkung Deutſchlands eine Löſung gar nicht zuſtande kommen kann, und zwar nicht nur aus politiſchen, ſondern auch aus ſswirtſchaftlichen Erwägungen heraus. Am 30. Januar 1933 wurde der Kampf um die Macht vom Kampf um die Idee abgelöſt. Von dieſem Gedanken ging Reichsleiter Roſenberg bei ſeiner Rede auf dem Gautag Schleswig⸗Holſtein der NSDAP. aus und gab dann eine klare Abgrenzung der Begriffe Welt⸗ anſchauung, Wiſſenſchaft und Religion. In dieſem Zuſammenhang wies er die Vorwürfe zurück, die von den politiſierenden Kirchen gegen den Kampf der Partei um die Geſtaltung unſeres politiſchen Lebens er⸗ hoben würden. Gegenüber den Angriffen auf die Sterili⸗ ſationsgeſetzgebung erklärte der Redner, wir könnten nur fragen: Stärkt dieſe Geſetzgebung das Daſein des deut⸗ ſchen Volkes oder nicht? An die Alte Garde richtete Roſenberg die Bitte:„Gerade Sie haben ſtärker als an⸗ dere erlebt, wie oft das Menſchenherz zerriſſen wurde zwiſchen Traditionen von früher und den Forderungen einer großen Zukunft. Sie alle haben das Banner einer neuen Zeit verteidigt. Drei Punkte ſind es, die der Natio⸗ nalſozialismus von Anfang an herausgeſtellt und be⸗ wahrt hat: die deutſche Ehre, die germaniſche Frei⸗ heit und die nationalſozialiſtiſche Volkskamerad⸗ ſchaft. Jeder neue Tag, den wir in den letzten zwölf Jahren erlebten, galt der Erringung der deutſchen Ehre. Unter Freiheit verſtehen wir— mit Fichte— nicht den Liberalismus der franzöſiſchen Revolution, ſondern jene germaniſche Freiheit, die durch die härteſte Geſetzmäßig⸗ keit hindurchgegangen iſt. Die nationalſozialiſtiſche Ka⸗ meradſchaft haben wir als das köſtlichſte Ergebnis unſe⸗ res Kampfes heimgetragen. Deshalb haben wir die Pflicht, die menſchliche und dienſtliche Kameradſchaft in den kommenden Tagen erſt recht zu üben, noch mehr als früher. Was in den vierzehn Jahren des Kämpfens für uns an Werten geſichert wurde, darf nicht vergehen, ſon⸗ dern muß den kommenden Generationen überantwortet werden. Unſere Jugend muß dieſen Werten praktiſch nachleben.“ Wir ſind in letzter Zeit an Lügen in der Auslands⸗ preſſe nachgerade gewöhnt. Daß man aber die Freilaſſung der 46 ausländiſchen Gefangenen der„Internationalen Brigade“ durch General Franco zum Anlaß neuer Lügen⸗ meldungen nehmen würde, iſt beſonders verwerflich, denn von der geſamten ziviliſierten Welt iſt dieſe Freilaſſung als ein Akt der Menſchlichkeit und Ritterlichkeit angeſehen worden. Der nationale Sender Salamanca ſieht ſich nun u. a. zu folgender Feſtſtellung veranlaßt:„Derjenige Teil der Preſſe, der dem Kommunismus und der Freimaurerei hörig iſt, hat nicht verfehlt, auch dieſen einzigartigen Be⸗ weis wahrer Menſchlichkeit für ſeine ſchmutzigen Speku⸗ lationen auszuſchlachten. Dabei haben ſich beſonders die Pariſer„Humanite“ und der Londoner„Daily Herald“ hervorgetan. Es iſt richtig, daß vier Gefangene in Sala⸗ manca und Talavera zurückgehalten wurden, weil ſie gegen vier nationalſpaniſche Gefangene ausgetauſcht wer⸗ den ſollten. Im Gegenſatz zum„Daily Herald“ ſtellte die Reuter⸗Agentur ſelbſt feſt, daß dieſe vier Gefangenen ger „Internationalen Brigade“ wohlauf und bei beſter Ge⸗ ſundheit ſind. Die größte Unverſchämtheit ſtellt die Veransteffungen — Behauptung des„Daily Herald“ dar, daß die beiden Gefangenen Levy und Williams ſchlecht gekleidet und halbtot vor Hunger in England eingetroffen ſeien. Es iſt Tatſache, daß alle bedingungslos freigelaſſenen Gefange⸗ nen am 24. Mat neue Anzüge erhielten und daß ſie wah⸗ rend ihrer Abreiſe in Hotels mit fließendem Waſſer in Einzelzimmern untergebracht waren. Außerdem hatten ſie 500 Franken erhalten, die ſie nach eigenem Belieben ver⸗ wenden konnten. Im übrigen geht aus den Akten her⸗ vor, daß die Mehrzahl der Gefangenen während ihres Aufenthaltes auf nationalſpaniſchem Boden eine beträcht⸗ liche Gewichtszunahme, teilweiſe bis zu 20 Pfund, zu verzeichnen hatte. Wieder“, ſchließt der Sender Sala⸗ manca,„erfuhr eine Lügenhetze ihre Abfuhr. Die Gemeinheit dieſer Lügen angeſichts eines Aktes bis⸗ her nicht übertroffener Großherzigkeit iſt kaum zu über⸗ bieten. Es wäre verſtändlich, wenn General Franco in Zukunft von der Freilaſſung von Gefangenen abſehen würde. Trotz der niederträchtigen Schmähungen hat Ge⸗ neral Franco aber neuerdings 15 ausländiſche Gefangene freigelaſſen.“ Die reichs verbilligte Marmelade Für jetzt der richtige Brokaufſtrich. Im Frühjahr, wenn die Vorräte zur Neige gehen, ſpielt ein guter Brotaufſtrich in der Nahrungsverſorgung unſe⸗ rer Familien eine große Rolle. Es iſt ein großer Vorzug, daß wir gerade für dieſe Zeit die reichsverbilligte Marme⸗ lade haben, die nur 32 Pfg. je ½ kg koſtet: ein ausgezeich⸗ netes Einkocherzeugnis! Dieſes billige und wertvolle Le⸗ pensmittel wurde insbeſondere aus allgemeinen volkswirt⸗ ſchaftlichen Gründen geſchaffen, denn in der Zeit der Ernte muß die Frucht raſch abgehen und dabei doch ſo gut kon⸗ 1 werden, daß ſie das ganze Jahr über als geſun⸗ des Ernährungsmittel dem Volk zur Verfügung ſteht. Dies kann die deutſche Hausfrau jedoch nicht allein durchführen. Die deutſche Konſerveninduſtrie als landwirtſchaftliches Veredelungsgewerbe iſt hierfür mit eingeſetzt, um durch Aufnahme des anfallenden, nicht ſofort verwertbaren Ernte⸗ gutes ausgleichend den heimiſchen Markt mit erſtklaſſiger Ware zu berſorgen. Manche Hausfrau ſträubt ſich, dieſe Marmeladen zu verwenden, denn ſie hält es für unmög⸗ lich, zu ſolchem Preis eine gute bekömmliche Marmelade herzuſtellen, weil ſie weiß, was Obſt, Zucker und alles was o drum und dran benötigt wird, koſtet. Ihr ſei aber ge⸗ agt, daß das Reich und die Zuckerinduſtrien durch Zuſchüſſe eine ſolche Marmelade herzuſtellen ermöglicht haben. Unſere deutſchen Marmeladen- und Konfitürenfabriken arbeiten im allgemeinen das ganze Jahr. Sie ſtellen grund⸗ ſätzlich drei Sorten von Friſchwaren her, die reichsverbil⸗ ligte Marmelade, die nichkverbilligten Marmeladen und die Konfitüren. Marmeladen ſind eingekochte Miſchungen von Zucker, Apfelmark und der Edelfrucht, die der Marmelade hinſichtlich des Geſchmackes den Namen gibt(3. B. Apriko⸗ 6 beſtehend aus 50 Prozent Zucker, 30 Pro⸗ zent Apfelmark und 20 Prozent Aprikoſenfrucht). Während zu Marmeladen nur gequetſchte 11 1 5 alſo Fruchtbrei, verwendet werden, beſtehen die Konfitüren aus ganzen Fruchtſtücken ohne Zuſatz von Aepfel(60 Prozent Kriſtall⸗ zucker, 40 Prozent Früchte und etwas Gelierſaft), ſind alſo abſolut zuſatz: und einwandfrei eingekocht gemäß den ſehr genauen Vorſchriften des Reichsnährſtandes. e Die Marmelade iſt dann reichsverbilligt, wenn ſie für den direkten Verbrauch bezugsberechtigter Haushaltungen und Anſtalten beſtimmt iſt. Sie iſt genormt, während die 11 5 Marmeladen und Konfitüren ſich nach den Wünſchen er Kundſchaft ausrichten. Den Bedarf unſerer Konſerven⸗ fabriken an Einkochfrüchten decken wir zu drei Viertel im Inland und zu einem Viertel im Ausland, je nach Deviſen⸗ lage und Ernteausfall. Aus überwachten Betrieben kommt alſo erſte Ware auf den Markt. Das muß die deutſche Hausfrau wiſſen, für die dieſe Zeilen geſchrieben ſind. Sie ſoll reichsverbilligte Mar⸗ meladen verwenden, ſie hilft nicht nur die bei uns beſtehende Fettlücke zu ſchließen, ſpart uns Deviſen, unterſtützt das Landvolk in ſeinem Ringen um die weitmöglichſte Sicher⸗ ſtellung der Nahrungsfreiheit deutſcher Menſchen aus eige⸗ ner Scholle, ſondern erfüllt ſo eine ganze Reihe ſtaats⸗ und wirtſchaftspolitiſcher Erforderniſſe der Zeit, und bietet dabei ihrer Familie ein billiges, geſundes und wertvolles Lebens⸗ mittel. Rund funk⸗ Programme Reichsſender Stuttgart: Jeden Werktag wiederkehrende Programm⸗Nummern: 9.30 Sendepause; 10 Von der Etſch bis an den Bel Lieder ſprechen zu uns; 10.30 Sendepauſe; 19 Stuttgar ſpielt auf; 20 Unterhaltungs⸗ und Tanzmuſik; 21.15 Abend⸗ konzert, 22.30 Programmaustauſch Deutſchland— Portugal: portugieſiſche Muſik; 23 Unterhaltungs⸗ und Tanzmuſik; 24 Der Troubadour, Oper von Verdi. Donnerstag, 10. Juni: 9.30 Sendepauſe; 10 Volksliedſingen; 10.30 Sendepauſez 19 Muſik zum Feierabend; 20 Wie es euch gefällt; 22.3 Tanz⸗ und Unterhaltungsmuſik. Freitag, 11. Juni: 9.30 Sendepauſe; 10 Wo der Arbeiter wie ein Bauer lebt, Hörfolge; 10.30 Geſunder Körper— geſunder Geiſt, Funkbericht vom Schulſchiff Gorch Fock und vom Dienſt au Bord; 10.45 Sendepauſe; 19 Stuttgart ſpielt auf; 20 Mit Pauken und Trompeten, Militärkonzert; 21.15 Tanz⸗ muſik der Meiſterorcheſter; 22.30 Lieder; 22.45 Muſik zu Tanz und Unterhaltung. f Samstag, 12. Juni: 9.30 Sendepauſe; 10 Das Lager am See, Sörſpielz 10.30 Sendepauſe; 15 Wer recht in Freuden wandern will 16 Stuttgart ſpielt auf; 19 Drum grüß ich dich, mein Badner Land, Liederſingen; 19.30 Für Herz und Gemüt, Schallplatten; 20 Feuerzauber im Juni, bunte Stunde; 21.15 Tanzmuſik; 22.30 Wir tanzen in den Sonntag; 24 Lauf ins Glück, Wettlauf mit Operetten⸗ und Schlager⸗ melodien. Reichsſender Frankfurt: Mittwoch, 9. Juni: 0 9.30 Sendepauſe; 10.30 Hausfrau, hör zu; 11.15 Pro⸗ grammanſage, Wirtſchaftsmeldungen, Wetter; 11.30 Kammer⸗ konzert; 15 Der Motor— ſetzt aus..„ von der Ritter⸗ lichkeit im Luftkampf; 15.45 Sendepause; 17.30 Aus der Welt des Sportes; 18 Unſer ſingendes, klingendes Frankfurt; 20.10 Carmina burana, ſzeniſche Kantate von Karl Orff; 21.30 Minna Magdalena, heitere Szene; 22.20 Kamerad, wo biſt du?; 22.30 Unterhaltungs⸗ und Tanzmuſik; 24 Der Troubadour, Oper von Verdi.. Donnerstag, 10. Juni: 10.30 Hausfrau, hör zu; 11.45 Deutſche Scholle; 15 Für unſere Kinder; 15.45 Sendepauſe; 17.30 Zwei Völker begegnen ſich, Eindrücke und Erlebniſſe einer Reiſe nach Polen; 17.45 Aus der Regelkunde des Sportes: Tennis; 18 Kam⸗ mermuſik; 18.30 Vorſicht bei neuen Bekanntſchaften; 19 Fro⸗ her Feierabend; 20.10 Wunſchkonzert; 22.30 Tanz⸗ und Un⸗ terhaltungsmuſik. Freitag, 11. Juni: 10.30 Hausfrau, hör zu; 10.45 Mutter ſpielt und turnt mit dem Kind; 11 Sendepauſe; 11.45 Deutſche Scholle; 15.15 Schaffende Hände im Dunkeln, Hörbericht aus einer Blindenanſtalt; 15.45 Sendepauſe; 18 Vom deutſchen Wald; 18.30 Volksmuſik und Volkslieder; 19 Stuttgart ſpielt auf; 20.10 Orcheſterkonzert; 22.15 Die erſten Berichte vom Nür⸗ Tugeing, die Trainingsrunden; 22.30 Unterhaltung und anz. Samstag, 12. Juni: 9.30 Sendepauſe; 10.30 Hausfrau, hör zu; 11.50 Deut⸗ ſche Scholle; 15 Die Rennfahrer auf dem Nürburgring, die Pflichtrunden zum Eifelrennen; 15.30 Tanz rüber, tanz nüber; 16 Muſik, die das Herz erfreut; 18 Wonnegau, Funkbild aus dem Land der Nibelungen; 18.30 Das Ganze ſammeln, Militärkonzert; 19.30 Sport; 19.40 Wochenſchau; 20.10 Junikäfer, luſtiger Abend; 22.15 Hörbericht vom Nür⸗ burgring: 22.30 Wir tanzen in den Sonntag. Ausklang des Volksmuſikfeſtes (Y. Karlsruhe, 8. Juni. Der dritte und letzte Tag des Feſtes der Deutſchen Volksmuſik brachte als Auftakt im Rei⸗ gen der großen öffentlichen Konzerte eine Muſikaliſche Morgenfe ier in der dichtgefüllten Feſthalle. Sie wurde eröffnet durch einen Marſch von Franz Philipp, geſpielt von der PL.⸗Kapelle Karlsruhe unter Leitung von Leopold Fal⸗ kenberg. Beſonderem Intereſſe begegnete dann eine Bearbei⸗ tung von Teilen aus der„Kunſt der Fuge“ von J. S. Bach durch Theodor 12 1 5 für Orcheſter und Orgel, die in ihrem gedrungenen, klaren Tonaufbau einen ſtarken Eindruck hinter⸗ ließ. Eine„Feſtliche Musik“ von Franz König ſchloß die morgendliche Muſikſtunde wirkungsvoll ab. Im Rahmen der Feier dankte zunächſt der Leiter der Landſchaft Südweſtdeutſchland der Fachſchaft Volksmuſik, Re⸗ gierungsrat L. Hilburger⸗Stullgart, der Reichs⸗ muſikkammer, daß ſie dieſes erſte deutſche Volksmuſikfeſt in die Südweſtecke des Reiches gebracht habe, wo der Gedanke der Volksmuſik und ſeiner lebendigen Pflege ſtets ſeine größ⸗ ten Ueberlieferungen gehabt habe. Die Arbeit der Zukunft ei der feſte Zuſammenſchluß aller, die Volksmuſik kreiben. er öffentlich musizieren wolle, habe ſich der großen Kame⸗ radſchaft der Reichsmuſikkammer einzufügen. Auch die Frage des Nachwuchſes ſei von beſonderer Wichtigkeit. Der Leiter der Fachſchaft Volksmuſikkammer, Dr. Georg Mantze, dankte allen Mitbeteiligten für ihre wertvolle Hilfe Die Deutſche Volksmuſik werde mehr und mehr in das öffent⸗ liche Leben eindringen, und das Beiſpiel der Karlsruher Feſttage müſſe vorbildlich werden für alle deutſchen Gaue. Dazu gehöre aher auch eine gründliche Schulung der Muſik⸗ ausübenden nach neuen Grundſätzen. Die Deutſche Volksmuſik habe ihre großen Aufgaben noch vor ſich. Kurze Zeit nach dieſem Konzert fand eine von neuem Schaffen und Wollen deutſcher Volksmuſik geſtaltete Feier⸗ ſtun de in der reichgeſchmückten großen Halle des Reichsbahn⸗ ausbeſſerungswerkes Karlsruhe ſtatt. Eine„Feſtliche Muſik für Bläſer“ von Alfred von Beckerath leitete die Feier ein, zu der die Arbeiter des Werkes im Arbeitskittel erſchienen waren und wobei zugleich die Ehrung von zwei Arbeitsjubila⸗ ren für 35⸗ und 30jährige Arbeit im Dienſte der Reichsbahn vorgenommen wurde. Im Mittelpunkt dieſer feſtlichen Stunde — „Muſik zu einer der gemeinſame Geſang„Erde kam die choriſche Dichtung„Der Menſch iſt frei“ fach Wor⸗ ten von Helmut Jahn und der Mufik von Max Biſchoff. Wuchtige Chöre, umrahmt von Orcheſtermuſik, wechſelten mit einem eindringlichen Zwiegeſpräch um das Problem der Freiheit, der Freiheit im Gejſt der neuen Zeit als Dienſt an der Gemeinſchaft, das gipfelte in dem Bekenntnis:„Sei frei, indem Du Dich bezwingſt, die Freiheit wird uns nicht geſchenkt“. Mit ſichtlicher Spannung und Ergriffenheit folg⸗ ten die Zuhörer den Klängen und Worten, die von der Reichswerkſcharführung im Reichsbahnausbeſſerungswerk und dem Krupp'ſchen Werkorcheſter Eſſen unter Leitung von Hubert Schnitzler eindrucksvoll vorgetragen wurden. Ehrende Anſpra⸗ chen an die Arheitsjubilare und der Geſang der nationalen Hymnen folgten, das Lied der Werkſcharen„Tu Deine Pflicht“ von Jahn⸗Biſchoff, begleitet vom Kruppfſchen Werk⸗ orcheſter, ſchloß die Feier ab, die das deutliche und einheit⸗ liche Gepräge nationaler Feiergeſtaltung und neuen deutſchen Muſikwollens an ſich trug. Es war ganz ſelbſtverſtandlich, daß ſich auch die Hit⸗ lerjugend in das Feſt der Deutſchen Volksmuſik einſchal⸗ tete. Es geſchah dies zur Mittagsſtunde im überfüllten Badi⸗ ſchen Staatstheater, wo ſich das Bannorcheſter 109 und die Rundfunkſpielſchar(Gebiet 21) unter Leitung von Heinrich Siegfried Wöhrlin hören ließen. Die Vorkragsfolge ging unter dem zuſammenpaſſenden Titel„Muſik vom Oberrhein“ vor ſich und umfaßte in der erſten Hälfte ſymphoniſche Werke der Mannheimer Tonſetzer Stamitz und Richter und des Ra⸗ ſtatter Hofkapellmeiſters Fiſcher. Dazwiſchen wurden alte ale⸗ manniſche Volkslieder(nach Hebel'ſchen Dichtungen) und ein Soldatenlied geſungen. Dann ſprach Obergebietksführer Kar! Cerff, der zu⸗ nächſt die anweſenden franzöſiſchen Sinfoniemuſiker unter brauſendem Beifall des Hauſes begrüßte und unn Ausfüh⸗ rungen über die muſikaliſche Betätigung der 3 J. machte. Im zweiten Teil kam die neue Zeit zu Wort, und zwar von Tonſetzern, die alle der HJ. angehören. Man hörte eine ier“ von Wolfgang Fortner, zwei Feſt⸗ muſiken von Wilhelm Maler und eine„Feierliche Muſik“ von Heinrich Spitta. Dazwiſchen erklangen H J.⸗Lieder von Lauer und Wöhrlin. Einen beſonders ſtarken Eindruck machte erde ſchafft das Neue“ von Spitka, der der Morgenſtunde feierlichen Charakter aufprägte. 5 2 Die Mücke macht's Die Malaria und der Erreger.— Bazillen als Verwand lungskünſtler.— Engliſche Entdecker, italieniſche Forſcher, deutſche Chemiker.— Der Kampf gegen eine Seuche. Jeder Weltreiſende, Koloniſt oder Miſſionsarzt be⸗ ginnt mit dem Kampf gegen eine kleine Mücke, ſobald er ſich der Zone zwiſchen dem 40. Grad nördlicher und ſüd⸗ licher Breite nähert. Dies iſt nämlich der Tummelplatz der „Anopheles“, die ihre Speicheldrüſe der Malariamikrobe als Brutſtätte zur Verfügung ſtellt, und es iſt ſogar die Frage, wer von beiden, die Mücke oder der Bazillus, für den Menſchen das größere Uebel bedeutet. Die Antwort darauf iſt keineswegs müßig, denn die Geſchichte der Be— kämpfung des Malariafiebers lehrt, daß man zwar den Erreger bis zu einem gewiſſen Grade zur Strecke bringen kann, daß aber die Mücke die Krankheit immer wieder neu überträgt, ſolange es nicht gelingt, auch ſie auszurotten oder zu desinfizieren. Zu wirkſamen Methoden gegen die Malaria konnte man erſt kommen, als die Rundreiſe ge⸗ klärt war, die die Malariamikrobe von der Mücke zum Menſchen und vom Menſchen zur Mücke unternimmt, und nachdem man erkannt hatte, welche Verwandlungen ſie dabei durchmacht. Der im Jahre 1857 in Almora in Indien geborene engliſche Militärarzt Ronald Roß hatte dort auch einen Teil ſeiner Jugendzeit verlebt. So war er ſchon früh mit den tropiſchen Krankheiten in Berührung gekommen, die alljährlich Tauſende von Eingeborenen und Koloniſten dahinraffen. Nach ſeiner wiſſenſchaftlichen Ausbildung zog es ihn wieder nach Indien. Bei der Suche nach dem ge⸗ heimnisvollen Träger der Malaria kam ihm der Gedanke, ob nicht vielleicht in einer der zahlreichen Stechmücken, die in den Sumpfgebieten die Menſchen überfallen, mindeſtens der Vermittler des Wechſelfiebers zu ſuchen ſei. Tatſäch⸗ lich fand er dann in der„Anopheles“ den Uebertrager der Malaria. und er veröffentlichte dieſe Entdeckung 1897. Der Bazillus der Malaria iſt ein recht geſchickter Ver⸗ wandlungskünſtler. Er hauſt als winzige Spore in den Speicheldrüſen der Mücke. Von dort läßt er ſich durch einen Stich ins Menſchenblut übertragen, um ſich hier einem roten Blutkörperchen anzuſchließen und ſich in dieſes ein⸗ zukapſeln. Nun folgt die erſte Umwandlung: Die Spore wird zu einem ſichelförmigen Gebilde. Im Wachſen teilt ſich die Mikrobe wieder, und jeder der Teile macht ſich als ein neuer Bazillus ſeinerſeits an ein weiteres Blutkörper⸗ chen heran. Jedesmal, wenn die Reifezeit der Keime— nun heißen ſie Schizonten— herankommt und die Schar der durch Teilung neuentſtandenen das Blut über⸗ ſchwemmt, bekommt der Kranke einen Fieberanfall, der je nach der Form der Malaria nach 48 oder 72 Stunden— Zweitage⸗ und Dreitagefieber— eintreten kann. Neben dieſer ungeſchlechtlichen Vermehrung folgt nach einiger Zeit die letzte Verwandlung des Malaria⸗Erregers: er bil⸗ det nun auch geſchlechtliche Formen, die Gameten. Dieſe erſt können die Krankheit wieder auf die Mücken über⸗ tragen, indem ſie bei einem Stich mit dem Blut des kran⸗ ken Menſchen in den Mückenmagen gelangen. Dort verbin⸗ den ſich die männlichen und die weiblichen Mikroben. Das Produkt ſind wiederum Sporen. Wir ſtehen wieder am Anfang. Der verderbenbringende Kreislauf beginnt von neuem. unſitklichen Abſich Die Malaria oder das„Wechſelfieber“ iſt ſchon ſeit dem Altertum bekannt. Seinen erſten namhaften Gegner fand die Krankheit ſchon vor Hunderten von Jahren in der Chinarinde. Es war im Jahre 1639, als die Vizekönigin von Peru, Prinzeſſin Chinchon, vom Malariafieber be⸗ fallen wurde. Man bot alles auf, ein Heilmittel zu finden. Nach vielen vergeblichen Verſuchen hörte der Vizekönig von einem alten Indianerrezept, dem Abſud der China⸗ rinde. Das Medikament kam rechtzeitig und entriß die Prinzeſſin dem Tod. Aber die Hoffnung, die tückiſche Krankheit mit dieſem Mittel ausrotten zu können, täuſchte. Obwohl Tauſende von Tonnen Rinde zu Chinin verarbeitet wurden, konnte es in 300 Jahren der Krankheit nicht Herr werden. Erſt als Roß in der Anopheles-⸗Mücke den Krankheitserreger erkannte, und ſo der Weg zu einer bakteriologiſchen Unter⸗ ſuchung frei wurde, kam man auf den richtigen Weg: Der Mangel der bisherigen Abwehrmethode kag nach den Forſchungen zweier italieniſcher Forſcher, Bignami und Baſtianelli, darin, daß das Chinin lediglich auf die Sichel⸗ keime im Blut des Menſchen, auf die„Schizonten“, wirkt, daß es aber die Sporen, die friſch aus der Mücke kommen, wie vor allem auch die Gameten, die geſchlechtliche Form des Bazillus nicht angreift. Wohl geht unter der Ein⸗ wirkung des Chinins das Fieber zurück, aber der mit dem Malariabazillus behaftete Menſch bleibt fernerhin ein An⸗ ſteckungsherd für die Mücke. Daher kommt es, daß der Kranke meiſt wieder Rückfälle zu gewärtigen hat. Chinin gewährleiſtet alſo keine vollwertige Heilung und rottet die Krankheit nicht aus. So ſah man ſich gezwungen, nachdem einmal die nur einſeitige Wirkung des Chinins feſtgeſtellt war, nach Mit⸗ teln gegen Sporen und Gameten zu ſuchen. Die deutſchen Forſcher Schulemann, Schönhöfer und Wingler fanden das dem Chinin verwandte Plasmochin. Schon in kleineren Mengen war dieſer off viel wirkſamer als das Produkt des Chinabaumes. Ii ieſ ittel fanden nun die „Gameten“ ihren Meiſter, kochin vernichtete ſie. Und endlich gelang es den deutſchen Chemikern Mietzſch und Mauß, ein weiteres, ebenfalls dem Chinin verwandtes Mittel, das Atebrin, herzuſtellen, das den Abwehrkampf des Plasmochins wirkſam ergänzte, indem es die Schi⸗ zonten tötet. Hatte der Engländer für die Diagnoſe neue Wege gezeigt, ſo war es den Deutſchen vorbehalten, der Heilbehandlung die wirkſamſten Mittel in die Hand zu geben. 5 Dr. L. Spohr. I Gerichtszeitung. U Sittlichk itsverbrecher. Für ſeine dauernden ſittlichen Verfehlungen an der noch keine 14 Jahre alten Tochter ſeiner „Geliebten“ erhielt der 50 jährige verheiratete Karl Schäch⸗ tele aus Tiengen von der Manftheimer Strafkammer andert⸗ halb Jahre Gefängnis. Der Angeklagte lebte ſeit dem Kennen⸗ lernen der geſchiedenen Frau W. mit ſeiner Frau in miß⸗ lichen Eheverhältniſſen. 11 Jahre leben die Eheleute getrennt im eigenen Haushalt. Er hatte ein Zimmer für ſich allein und verbrachte fat jeden Tag bei der Geliebten. Seine Er⸗ ſparniſſe erhielt dieſe Frau, bei der er ſeit 1934 jedes Wochen⸗ ende verbrachte. Schließlich näherte ſich der Beſchuldigte in ten der Tochter der„Geliebten“ und machte ae. Noman, d OeuH cha Olen. ah. BEET OE HNA Nn, 19 1 e, 1 Turner?“ murmelte Grete faſſungslos. „Ja.“ „Aber wie iſt denn das d Pauline wies ſpöttiſch auf Magda.„Da mußt du ſchon ſie fragen. Ja, ja,“ nickte ſie, als ſie in Gretes Blick Ver⸗ ſtändnisloſigkeit las,„unſere Schweſter Magda iſt ge⸗ meint!“ „Gehäſſigkeit iſt nicht am Platze,“ verwarnte Frau Schlegel ihre Aelteſte, denn Magda war in Tränen aus⸗ gebrochen und barg den heißen Kopf in beiden Händen. „Nichts verſtehe ich,“ ſagte Grete tonlos,„nichts!“ Ihre Mutter ſeufzte.„Eigentlich iſt alles ſehr einfach,“ meinte ſie bedrückt,„nur haben wir— du, deine Schwe⸗ ſter Pauline und ich— nichts gemerkt. Du biſt ja damals allerdings bald aus dem Haus gegangen, aber wir, Pau⸗ line und ich, hätten die Augen beſſer aufhalten ſollen. Jimmy Turner lag damals wochenlang bei uns krank. Pauline und ich hatten wenig Zeit, ſo wurde Magda ſeine Pflegerin „Ah!“ machte Grete. „Ja, ſo kam es. Sie verliebte ſich in ihn und er in ſie.“ Ihre Stimme nahm einen harten Klang an, als ſie fort⸗ fuhr:„Euer Vater ſtarb durch eine engliſche Kugel. Oft genug hab' ich's euch erzählt, als ihr noch Kinder ward, weil ich nie darüber weggekommen bin. Und wenn ich an euern Vater dachte, ſchrie's mir immer in den Ohren: Engliſches Blei, engliſches Blei! Jahre kamen und gingen, nur das Vergeſſen nicht. Alles, was engliſch war, gab mir einen Stich ins Herz.“ Sie lächelte traurig.„Nur als Dorn uns den Engländer ins Haus brachte, ſchwieg die Stimme, die mich ſo unſag⸗ bar und ſo viele, viele Jahre hindurch gequält und gepei⸗ nigt hatte. Wir nahmen ihn auf, weil er ein Menſch war wie wir. Aber dann kam die böſe Wendung.“ Frau Schle⸗ gel nickte erbittert.„England erklärte uns den Krieg und Magda verliebte ſich in den Engländer. Pauline und ich waren ahnungslos; wir wunderten uns nur, daß ſie, als Turner wiederhergeſtellt war und ins Lager von Mgan⸗ gira gebracht wurde, tagelang mit verweinten Augen her⸗ umlief Schließlich kam mir die Geſchichte aber doch nicht ganz geheuer vor. Ich ſtellte ſie zur Rede, ſie leugnete alles ab. Ja, das war der Anfang.“ Magda ſchluchzte. „In Mgangira ſollte ſich Turner wie alle anderen Ge— fangenen verpflichten, jeden Fluchtverſuch zu unterlaſſen. Er weigerte ſich. Eines Tages entkam er auch wirklich, wie es fraglos vom erſten Tage an ſeine Abſicht geweſen war.“ „Das ſchriebſt du mir,“ nickte Grete. „Ja, das ſchrieb ich dir Nach ein paar Monaten über⸗ raſchten wir Magda mitten in der Nacht, als ſie im Be⸗ griff ſtand, uns heimlich zu verlaſſen. Sie hatte ſich nur mit dem Nötigſten verſehen, dafür aber ihr geſpartes Geld 8 voller Höhe bei ſich. Am Hintereingang wartete Jimmy urner.“ „Nein!“ rief Grete faſſungslos. „Doch. Er beabſichtigte nicht mehr und nicht weniger, als ſich mit Maada bis Britiſch⸗Oſtafrika durchzuſchlagen. Dort wollte er ſie heiraten Ein verantwortungsloſer Plan! Bedenke die Gefahren, in die er ſie geſtürzt hätte— und dann: er, ein entwichener Gefangener! Ich holte ihn ins Haus. Jawohl, das tat ich. Ich holte ihn ins Haus, um in aller Ruhe mit ihm zu ſprechen. Er erkannte alle meine Vorhaltungen an und beſtätigte mir, daß ein wirklicher Gentleman ſeine zukünftige Frau nicht bei Nacht und Ne⸗ bel dem elterlichen Hauſe entlocke, um mit ihr eine Reiſe durch Steppe und Urwald zu machen. Aber es ſei Krieg und der Krieg werfe alle Begriffe von Moral, Vernunft und Logik über den Haufen. Und außerdem liebe er Magda. Das war alles, was er zu erwidern hatte. Und lich muß zu meiner Schande geſtehen, daß er mir in dieſem Augenblick imponierte.“ Frau Schlegel ſah zu Boden, als ſie fortfuhr:„Ich ver⸗ gaß mich ſoweit, daß ich in ihm nicht mehr den Vertreter des Landes ſah, mit dem wir im Kriegszuſtand leben. Ich bat ihn, vernünftig zu ſein und nahm ihm das Verſprechen ab, ohne Magda ſeine Flucht fortzusetzen. Ja,“ nickte ſie, während Pauline betreten vor ſich hinſtarrte und Magda leiſe ſchluchzte,„ich gab ihm Geld und Lebensmittel, um ihm ſeinen Weg zu erleichtern Ehe er ging, verlangte er aber noch meine Zuſage, daß er wiederkommen dürfe, wenn der Krieg zu Ende ſei Dann verließ er uns.“ Nach einer kurzen Pauſe fuhr ſie fort:„Ich habe Magda keine Vorwürfe gemacht, weil Turner ein Mann iſt, der ihre Liebe verdient. Ich habe mich in jener Nacht nur eine Stunde mit ihm unterhalten, aber ich weiß, daß er ſein Leben für ſie hingeben würde. Dieſe Erkenntnis iſt es wohl auch geweſen, die mich vollends verwirrt hat, und ſo bin ich denn ſchwach geworden—— ſo ſchwach, daß ich mein eigenes Blut verriet.“ rr eee „Ich weiß, was du ſagen willſt, Grete. Jimmy Turner wäre ja kein Soldat, ſondern nur ein Zivilgefangener, nicht wahr? Nun, das mag eine Haarſpalterei ſein. Jeden⸗ falls habe ich etwas getan, was eine deutſche Frau nicht hätte tun dürfen!“ Grete umſchlang die Mutter.„Weißt du, was du ge⸗ tan haſt?“ jubelte ſie.„Dein Herz haſt du gezeigt, dein liebes, gutes, warmes Mutterherz!“ Und dann lief ſie zu Magda, rüttelte und ſchüttelte ſie und rief mit lachenden Augen:„Und darum heulſt du? Mädel, es wird doch noch alles gut, ſei doch vernünftig!“ Und ſich wieder an die Mutter und Pauline wendend, fuhr ſie kopfſchüttelnd fort:„Darum tut ihr alſo ſo ge⸗ heimnisvoll und macht euch Kopfſchmerzen?“ Die Mutter lächelte ſchwach.„Du meinſt alſo, ich ſei mit meiner Geſchichte zu Ende geweſen?“ Grete machte ein verblüfftes Geſicht. „Ich bin noch nicht am Ende, mein Kind, aber ich will fortfahren, um zu ſehen, was du dann ſagen wirſt. Tur⸗ ner hielt, was er verſprochen hatte. Aber er hatte Pech. Bei Dodoma fanden Eingeborene ihn malariakrank auf und brachten ihn ins Spital. Im Fieber verriet er ſich als Engländer In ſeiner Jacke eingenäht fand man einen eng⸗ lichen Paß. Der Verdacht lag nahe, daß man es in ihm mit einem Spion zu tun hatte. Um dem Schickſal eines ſolchen zu entgehen, tat er das Vernünftigſte, was er in dieſem Falle tun konnte: er gab zu. aus Mgangira entflo⸗ hen zu ſein. Das änderte die Sachlage und als ſich heraus⸗ ſtellte, daß ſeine Behauptung den Tatſachen entſprach, brachte man ihn lange Zeit ſpäter nach Mgangira zurück. An deutſcher Langmut hat es alſo wahrhaftig nicht ge⸗ fehlt, und Turner hätte das Ausſichtsloſe eines neuen Fluchtverſuchs einſehen und ſeine begreifliche Sehnſucht, auf engliſcher Seite ſeine Pflicht zu tun, zügeln ſollen. Aber er pfiff auf alle Vernunft und benutzte eine Gelegen⸗ heit, zum zweitenmal auszubrechen. Eines Nachts war er Wieder ga keinen Halt vor dieſem bisher unbeſchoſtenen Kind, er Der Vater von ſieben Kindern. Das Mädchen iſt jetzt in einem Mädchenheim untergebracht. Die Strafkammer billigte dem Angeklagten mildernde Umſtände zu, weil er ſchon faſt 60 Jahre alt iſt und bisher ein ſtraffreies Leben geführt hat. Schwere ſittliche Verfehlungen. Die Dritte Große Strafkammer Koblenz hatte ſich wie⸗ der mit zwei Fällen ſittlichen Vergehens von Kloſterbrü⸗ dern zu befaſſen. Der erſte Angeklagte, der 42jährige barm⸗ herzige Bruder Auguſt Bauer, genannt Bruder Fidelis iſt im Krieg viermal verwundet und als pflichttreuer Sol dat mehrfach ausgezeichnet worden. Weil er„einen Dienſt der Nächſtenliebe erfüllen wollte“, iſt er mit den idealſten Vorſtellungen im ptember 1920 bei den heute ſo übel⸗ berüchtigten Barmherzigen Brüdern in Montabaur einge⸗ treten und machte den üblichen Ausbildungsgang durch. Als er dann bald nach der Niederlaſſung in Hadamar kam nahm den völlig Ahnungsloſen in Vorſteher des Kloſters der nach Holland geflohene Bruder Eligius, in die„Lehre“ und nun erlag lis der Atmoſphäre ſittlicher Verkommenheit, die im Kloſter herrſchte. Der Statsanwalt befürwortete bei dem Angeklagten, der die tiefſte Reue zeigte und ſeine Verfehlungen offen bekannt hat, mildernde Umſtände, da er im Krieg mehr als ſeie Pflicht getan habe und offenkundig nur ein Opfer des Kloſterſumpfes geworden ſei. Das Gericht verurteilte ihn unter Zubilligung mildernder Umſtände zu einer Ge⸗ fängnisſtrafe von einem Jahr. Eine Fülle von Schändlichkeiten kam in der zweiten Verhandlung zur Sprache, die gegen den 28jährigen Fran⸗ ziskanerbruder Georg Bengel, genannt Bruder Kreszen⸗ tius, aus Kärlich bei Koblenz, geführt wurde. Dieſer war im Alter von 19 Jahren in Waldbreitbach eingetreten, hatte 1929 die zeitlichen und 1933 die ewigen Gelübde abgelegt. 1930 kam er nach Köln und hatte im Dom als Küſter zu tun. Auch dieſer Bruder Kreszentius war, wie ſchon ſo viele andere Brüder in Waldbreitbach verdorben worden. Sein Verführer hat ſich übrigens noch rechtzeitig vor der ſtrafenden Gerechtigkeit nach Lugano in Sicherheit bringen können. In Köln verging ſich Bruder Kreszentius während einer Dombeleuchtung in der ſcheußlichſten Weiſe an einem Pflegling. In den der Andacht und der Erbauung gewid⸗ meten Räumen des Domes machte er ſich an ſeine Opfer heran und beging mit dieſen Scheußlichkeiten. Als er 1936 nach Kreuznach verſetzt wurde, fand er dort in Bruder No⸗ vatius einen würdigen Genoſſen ſeines ſchändlichen Tuns, de rinzwiſchen ebenfalls ins Ausland geflohe niſt. Der Staatsanwalt wies in ſeinem Plädoyer beſonders auf die ungeheuerliche Blasphemie hin— die nicht die erſte ihrer Art iſt; denn in den Prozeſſen ſind mehrere ähn. liche Entwürdigungen bereits erörtert worden—, mit der der Angeklagte die jedem Chriſten heiligen Hallen des Köl⸗ ner Doms als Schauplatz dieſer ſeiner ekelerregenden Schandtaten mißbraucht und entweiht hat. Das Urteil lautete wegen Vergehens gegen Paragraph 175 in vier Fällen auf zwei Jahre ſechs Monate Gefäng⸗ nis. Als ſtrafmildernd wurde berückſichtigt, daß der Ange⸗ klagte als junger Mann in den Orden gekommen und der dort üblichen Verführung erlegen ſei, ſowie ſein offenes und reumütiges Geſtändnis. Se „Hier auf der 9 ung?“ „In Lebensgröße. Pauline und ich haben davon nichts gewußt. Aber mit der Erfindungsgabe Liebender hatte er es fertig gebracht, ſich mit Magda zu verſtändigen. Das Mädel hat ſich brav benommen, ich verurteile ſie nicht. Und auch Turner vergaß das mir gegebene Verſprechen nicht und verſuchte kein zweites Mal, Magda zu einer Unbe⸗ ſonnenheit zu verleiten Er war nur gekommen, um Ab⸗ ſchied zu nehmen. Um das tun zu können, hatte er einen Umweg von zwei Tagen nicht geſcheut. Das iſt nun zwei Wochen her.“ Vor wenigen Tagen alſo! Grete konnte ſich einer lei⸗ ſen Erregung nicht erwehren Und eine Ahnung ſtieg in ihr auf—— eine jähe Vermutung—— 5 „Ah.“ rief ſie,„nun weiß ich doch, warum ihr ſo aus dem Häuschen ſeid! Turner hat ſeine Flucht nicht fortge⸗ ſetzt, ſondern iſt in der Nähe geblieben?“ „Nein, Grete, die Geſchichte ſieht weit böſer aus. Noch in derſelben Nacht, noch innerhalb unſeres Grund und Bo⸗ dens, ſtürzte er und brach den linken Arm. So kam er noch einmal zurück. Magda weckte mich mitten in der Nacht Und ſo ſah ich ihn denn wieder—— trotz der heftigen Schmerzen lächelnd—— ein tapferer Kerl. Nur darum bat er, ihm den Arm zu ſchienen. Dann wollte er weiter. Das habe ich nicht zugelaſſen, durfte ich als Chriſtenmenſch nicht zulaſſen. Und ſo iſt er denn auch jetzt noch hier. Gott ſei's geklagt!“ „Hier im Hauſe?“ „Nein niemand darf es wiſſen, auch die Schwarzen nicht. Wir haben ihn drüben im kleinen Turm einquartiert, auf dem euer Vater einmal eine Wetterſtation errichten wollte.“ Pauline ſtarrte noch immer auf ein und denſelben Fleck. Magda weinte nicht mehr, aber ſie wagte nicht, den Blick zu heben und hielt das naſſe Taſchentuͤch in beiden Händen. „Herrgott!“ rief Grete in heller Freude.„Wenn das nun wirklich alles iſt, dann——“ „Es iſt alles.“ „—— dann—— ja, dann iſt das für Herrn Tur⸗ ner ja recht traurig, aber warum ihr euch das ſo zu Her⸗ zen nehmt, verſtehe ich wirklich nicht.“ „Ja, begreifſt du denn nicht, Kind, was wir auf uns geladen haben? Und ausgerechnet jetzt muß auch noch Dorn kommen!“ „Er wird ſich totfreuen, ſeinen Freund wiederzuſehen!“ lachte Grete und klatſchte in die Hände. „Aber, Kind, denk doch einmal nach! Wir bringen ihn und uns in die ſchlimmſte Lage. Dorn iſt Soldat, verſtehſt du das nicht? Er kann nicht handeln, wie er will. Er hat Pflichten, Vorſchriften. Und darum darf er von Turner nichts erfahren. Begteifſt du endlich, um was es geht?“ Gretes Fröhlichkeit erloſch. Sie äußerte nichts mehr und wurde ſehr nachdenklich. Ein ſchwarzer Boy räumte den Tiſch ab. Dann erhob ſie ſich.„Ich bin ſchrecklich müde, ſagte ſie und wünſchte allen eine gute Nacht. „Warum haſt du ihe alles erzählt,.“ flüſterte Magda erregt der Mutter zu, als Grete den Raum verlaſſen halte. Brühwarm wird ſie Dorn die Geſchichte auftiſchen und Turner e 0 5 805 Frau Schlegel ſchwieg. Pauline ſah ſpötti Ur Decke hinauf Der Kuckuck 0 wiſſen, 15 ihr 1 925 Kopf ging. Niemand ſprach mehr, Ein beklemmendes Schweigen 1 die drei Menſchen zuſammen. Schuldbewußt ſenkte agda den Kopf. Vier Tage ſpäter traf Peter Dorn auf der Frauen⸗ bura ein. 5 4 ee ea le 1