le 7 I Fe J Nr. 137 Neckar ⸗Bote(2. Blatt) Mittwoch, 16. Juni 193 7 Aeberwindung der Meere. Die Jortſchritte des deutſchen Luftverkehrs. 5 Berlin, 15. Juni. uf der Generalverſammlung der Deutſchen Lufthanſa AG ſprach der Aufſichtsratsvorſtzende Sia 95 5 5 Stauß. Er gedachte zunächſt der aufrechten Männer, die in treuer Pflichterfüllung und ſelbſtloſer Hingabe im Jahre 1936 ihr Leben für den Fortſchritt des deutſchen Luftver⸗ kehrs gelaſſen haben. Jeder neue Verkehr, ſo erklärte er, hat Opfer gefordert, der Luftverkehr nicht mehr wie mancher andere. Sie ſtarben ebenſo für unſer Vaterland wie die Männer des Luftſchiffes„Hindenburg“, die in Lakehurſt ihr Leben ließen. Auch ihnen und den verunglückten Gäſten gilt mein Gedenken, denn Flugzeug und Luftſchiff ringen Seite an Seite in enger Verbundenheit und guter Kamerad ſchaft um den Fortſchritt des Weltverkehrs. Ich wänſche von Herzen, daß die Zeit bald wiederkommt, in der unſere Luft⸗ ſchiffe und unſere Flugzeuge gemeinſam die Weltmeere meiſtern. Vor drei Tagen hat die Lufthanſa ihren 259. Flug auf der Transatlantik⸗Luftpoſtſtrecke Deutſchland— Südamerika erfolgreich beendet. Der Widerhall dieſes einzigortigen Ju⸗ biläums überall in der Welt erfüllt uns mit Stolz. Was die Beſatzungen der Flugzeuge und Flugboole, was die Männer auf den ſchwimmenden Flugſtützpunkten im Südatlantik, was unſere Kameraden des braſilianiſchen Condor⸗Syndikats drüben in Südamerika in der Zeit vom 2. Februar 1934 bis zum 2. Juni 1937 geleiſtet haben, iſt beiſpiellos in der Geſchichte der Handelsluftfahrt. Die Be⸗ deutung des Luftpoſtdienſtes Deutſchland— Südamerika kann nicht beſſer bewieſen werden als durch das bisherige Beförderungsergebnis: rund 13 Millionen Luftpoſtbrieſe wurden bis heuke von den deutſchen Flugzeugen mit dieſem Dienſt befördert. Der Redner erwähnte hierbei, daß ſeit dem 1. April ds. Js. die Flugzeuge die ganze eilige Briefpoſt befördern und wir auch während des ganzen Jahres einen ununterbroche⸗ nen wöchentlichen Luftpoſtdienſt nach Südamerika unter⸗ halten. Das wichtigſte Ereignis des Geſchäftsjahres 1936 war zweifellos die erſte Verſuchsreihe zur Schaffung eines plan⸗ mäßigen Luftverkehrs über den Nordatlantik. Die Lufthanſa überflog mit zwei Dornier⸗Flugbooten unter Einſatz des ſchwimmenden Flugſtützpunkles„Schwaben⸗ land“ im vergangenen Herbſt den Nordatlantik viermal in beiden Richtungen. Die Erfolg dieſer Flüge erbrachte den Beweis, daß es möglich iſt, auch das verkehrsmäßig ſchwierigſte Weltmeer, den Nordatlantik, zu überwinden. Inzwiſchen iſt in dem Motorſch uff„Friesland“ ein zweiter, eigens für die großen Anforderungen des Nordatlantik geſchaffener Flugſtützpunkt vorhanden. Außer⸗ dem wurden die Probeflüge mit dem im Geſchäftsbericht erwähnten eee neuen La igſtrecken Seepoſtflugzeug, der viermotorigen„Ha 139“ der Hamburger Flugzeug⸗ merke, abgeſchloſſen. Die es Flugzeugmuſter wird für die nächſte Verſuchsreihe, die ab Auguſt ds. Is. geplant iſt, an die Stelle des für den Südatlantikflug entwickelten, eben⸗ falls mit Junkers⸗Schwerölmotoren fliegenden Donier 18 treten. Da Deutſchland keine Kolonien beſitzt, ſind für einen üher unſer Land hinausführenden Luftverkehr nicht nur die techniſchen Vorausſetzungen beſtimmend, ſondern auch die politiſchen Bindungen. Ich möchte den Vereinigten Staaten und Portugal heute dafür danken, daß ſie uns die Durchführung der erſten Verſuchsreihe im vergange⸗ nen Herbſt geſtatteten. Auch für die zweite Verſuchsreſhe ſind die Genehmigungen vorhanden. Dr. von Stauß gad der Hoffnung Ausdruck, daß man im nüächſten Jahr über die Eröffnung des planmäßigen Luftpoſtverkehrs über den Nordatlantik berichten könne. Das Streckennetz des europäiſchen Planverkehrs hat ſich im Jahre 1936 nich weſentlich verändert. Auf den beſon⸗ ders ſtark benutzten Verbindungen wurde der Verkehr durch die Einrichtung mehrerer Kurſe verdichtet. Der Sommer- luftverkehr 1937 brachte uns direkte Verbindungen zwiſchen Hamburg und London und zwiſchen Berlin und Stockholm, ferner durch eine zweite Strecke Berlin— Paris, die über Frankfurt a. M. geführt wird, neue Luftverkehrs⸗ linien. Bemerkenswert war die Entwicklung der Luſtpoſt, die immer größere Bedeutung dadurch gewinnt, daß die Flugpoſt immer mehr das Luftpoſtſtreckennetz ausbaut und von der Lufthanſa beflogen wird 8 5 5 Weltbild(M). Bernd Roſemeyer Schnellſter auf dem Nürburgring. Europameiſter Bernd Roſemeyer(Auto⸗Union), der in euer Rekordzeit mit 5 1.. II. Eifelrennen auf dem Nürburgring ſiegte, mit Korps⸗ 133,5 Kilometerſtunden beim führer Hühnlein während der Siegerehrung.— Die ſtarke Frequenz und der Verſuch, den Dienſt nicht nur zu beſchleunigen, ſondern auch die Bequemlichkeit zu erhöhen, führten zu neuen Flugzeugmuſtern, die kurz vor der Flugerprobung ſtehen, ſowohl die vier⸗ motorige Ju 95, die 35/40 und die gleichfalls viermotorige Focke⸗Wulf F 200, die 24 Fluggäſten Raum bietet. Wir hoffen, einige Flugzeuge dieſer Muſter bei der Eröffnung des nächſtjährigen Sommerluftverkehrs einſetzen zu können. Sie werden eine Reiſegeſchwindigkeit von 300 Kilometern in der Stunde aufweisen und neben der Beſatzung einen Steward an Bord haben, der um das leibliche Wohl der Fluggäſte beſorgt iſt. Die Flugſicherheit wird durch die Aus⸗ rüſtung der Flughäfen mit Bakenanlagen und den Einbau von Zielfluggeräten weiter verbeſſert. Die Deutſche Luft- hanſa, ſo ſchloß der Redner, dient dem ganzen deutſchen Volk und ſeiner Wirtſchaft. Berlin- Paris Berlin in einem Tag Am Dienstag wurde die zweite Luftverkehrsſtrecke Berlin— Paris eröffnet. Die Maſchine verläßt morgens um 7.40 Uhr Berlin, trifft um 9.50 Uhr in Frankfurt a. M. ein, fliegt 20 Minuten ſpäter weiter und erreicht um 12.35 Uhr den Pariſer Flughafen Le Bourget. Das Gegenflugzeug die⸗ ſer Strecke verläßt Paris um 8 Uhr und iſt um 12.20 Uhr in Berlin. Durch dieſe zweite Flugverbindung nach Paris, die— auch wie die andere Strecke über Köln— gemeinſam von der Deutſchen Lufthanſa und der franzöſiſchen Luftverkehrs geſellſchaft Air France beflogen wird, können Reiſende an einem Tag von Berlin nach Paris fliegen und wieder zu⸗ rück. Umgekehrt iſt es franzöſiſchen Reiſenden möglich, nach Berlin zu fliegen und am gleichen Tage wieder in ihre enen ee zurückkehren. Solche Luftreiſemöglichkeiten be⸗ ſtehen bekanntlich von Berlin aus ſchon nach verſchiedenen europäiſchen Hauptſtädten und werden von ſehr vielen Rei⸗ ſenden gern ausgenützt. Die Früh⸗ und Spätverbindungen zwiſchen Berlin und Paris kommen einem immer größer werdenden Bedürfnis des in letzter Zeit ſtark angewachſenen Verkehrs zwiſchen den beiden Hauptſtädten entgegen. Auch die beiden Aus⸗ ſtellungen, die Weltausſtellung in Paris und die Ausſtel⸗ lung„Schaffendes Volk“ in Düſſeldorf haben den Reiſever⸗ kehr zwiſchen Deutſchland und Frankreich erfreulich belebt. Auf der neuen Strecke über Frankfurt a. M. werden, wie auf der anderen Verbindung über Köln, von der Luft⸗ hanſa ebenfalls dreimotorige Junkers Ju. 52 verwendet, während die Air France die in Deutſchland bekannten zweimotorigen Pokez 62 Hochdecker einſetzt, die auch auf der Strecke über Köln fliegen. Die Spinntechnik im Wandel der Zeiten Zur ſüdweſtdeutſchen Testilleiſtungsſchau in Stuttgart. Spinnen iſt eine Jahrtauſende alte Kunſt. Die am wei⸗ teſten in die Vergangenheit zurückreichende Kunde von der Spinntätigkeit des Menſchen verdanken wir der Forſchungs⸗ arbeit der Archäologen. In den ausgegrabenen Wohnſtätken und Gräbern der Steinzeit, der Gußzeit, der Schmiedezeit und der folgenden Kulturperioden wurden unzählig viele Schwung⸗ körper von Spindeln aus Stein, Ton, Knochen, Holz, Elfen⸗ bein uſw. gefunden. Außerdem wurden aus verſchiedenen Zeitaltern ſtammende Abdrucke von Geweben in Lehm, oder Reſte von Geweben ausgegraben, die uns beweiſen, daß mit der Handſpindel geſponnen wurde. Die Handſpindel herrſchte von der Steinzeit bis ins 14. Jahrhundert unſerer Zeitrech⸗ nung und hat ſich in primitiven Kulturen bis heute erhalten. Eine bedeutende Verbeſſerung des Handſpinnens brachte das Handſpinnrad. Die Herſtellung von Garn erfuhr durch dieſe techniſche Verbeſſerung zum erſtenmal eine Beſchleu⸗ nigung. Der Anwendung des Handſpinnrades folgte die Er⸗ findung des ununterbrochen arbeitenden Flügelſpinnrades. Der Flügel iſt ein A⸗förmiger Bügel, der über die Spule hinüber⸗ greift und das geſponnene Garn während des Spinnens ent⸗ wickelt. Dieſe geistreiche Erfindung wurde allem Anſchein nach in Süddeutſchland im 15. Jahrhundert gemacht. Einen weiteren Fortſchritk in der Spinntechnik bedeutete das von Meiſter Jürg in Braunſchweig um das Jahr 1530 erfundene aufrechtſtehende Spinnrad mit Treterei. Umwälzende Wirkung hatte die um die Mitte des 18. Jahrhunderts von dem engliſchen Weber Hargreaves erfun⸗ dene Spinnmaſchine, die etwa die Arbeit von drei Handſpin⸗ nerinnen leiſtete. Etwas ſpäter baute Arkwright eine durch Waſſerrad angetriebene Spinnmaſchine. Sie iſt in Deutſch⸗ land als Kettenſtuhl bekanntgeworden. Im Jahre 1845 baule eine amerikaniſche Maſchinenfabrik eine Ringſpinnmaſchine, die für das neuzeitliche Spinnerejweſen den Grund legte. Die Entwicklung der elektriſchen Antriebskraft geſtattete eine fortwährende Beſchleunigung des Spinnprozeſſes. Neben der Vervollkommnung der Antriebsmittel ging eine Verbeſ⸗ ſerung der Spindelkonſtruktion einher. Ziel aller Verbeſſerun⸗ gen im Spindelbau der letzten 50 Jahre war die Ermög⸗ lichung einer hohen Drehgeſchwindigkeit bei ruhigem Lauf, eine reinliche und ſparſame Schmierung, einfache Wartung und Bedienung der Spindeln. Seither ſind weitere techniſche Verbeſſerungen erzielt worden, ſo durch Francis Rabbeth, der eine Spindel baute, bei der Hals⸗ und Fußlager in einem Gehäuſe untergebracht waren. Auch ſchwäbfſcher Er⸗ findergeiſt hat an der Vervollkommnung der Spinnereitech⸗ nik hervorragenden Anteil. Das ſtellt die Südweſtdeutſche Textilleiſtungsſchau erneut unter Beweis! Sperrt und Spiel Schalke oder„Club“? Meiſterſchaftsendkampf im Olympia⸗Stadion. Die Reichshauptſtadt iſt in der beneidenswerten Lage, ſeit den 11. Olympiſchen Spielen draußen auf dem herrlichen Reichsſportfeld eine Kampfbahn von rieſigen Ausmaßen zu beſitzen. Sie faßt weit über 100 000 Zuſchauer, und was das Wichtigste iſt, alle, die Einlaß finden, haben auch die Ge⸗ währ, etwas zu ſehen. Wir haben es erlebt, daß bei Länder⸗ ſpielen unſerer Nationalen 100 000 und mehr Kartenanfor⸗ derungen vorlagen, wollen aber nicht vergeſſen, daß die„zu⸗ ſchauerſchwachen“ Länderſpiele noch nicht allzu weit zurück⸗ liegen. Der Rekord für Ländertreffen auf deutſchem Boden wurde erſt 1935 gelegentlich des Spiels Deutſchland gegen Spanien im Köln⸗Müngersdorfer Stadion mit etwa 75 000 Zuſchauern gebrochen. Auch am kommenden Sonntag wer⸗ den dem Endſpiel zur 29. Deutſchen Fußballmeiſterſchaft zwiſchen dem Titelverteidiger 1. FC Nürnberg und dem Weſtfalenmeiſter Fc Schalke 04 nicht weniger Zuſchauer beiwohnen, ja, man erwartet im Berliner Olympia⸗Stadion darüberhinaus wie zu Zeiten der Olympiſchen Spiele hun⸗ derttauſend Fußballanhänger. Wird es den Mannen aus dem„Kohlenpott“ gelingen, die Vorherrſchaft im deutſchen Fußball wieder nach dem Weſten zu holen, was im Vorjahr der Düſſeldorfer Fortuna in einem unglücklichen Treffen nicht gelang? Oder ſollte ſich die kalte, ſelbſtbewußte Spielweiſe des ruhmreichen„Clubs“ durchſetzen? Das iſt ſchwer zu beantworten. Im Sport und beſonders im Fußball ſind alle Möglichkeiten gegeben. Die Bayern ſind als Kämpfer von echtem Schrot und Korn be⸗ kannt, ſie ſind körperlich härter und beſitzen in ihrem Kurz⸗ paßſpiel eine vernichtende Waffe, die dc ſt Schalke, eine in vielen Großkämpfen erfahrene Mann chaft, aus dem Kon⸗ zept bringen kann. Beide Mannſchaften ſind von ihrem Siege überzeugt.— Dem Berliner Schiedsrichter Alfred Birlem, der bereits das vorjährige Endſpiel leitete, werden ich die beiden Mannſchaften vorausſichtlich in folgender ufſtellung ſtellen: 1. FC Nürnberg: Köhl Billmann— Munkert Uebelein 1— Carolin— Oehm Gußner— Eiberger— Friedel— Schmitt— Uebelein II Urban— Szepan— Pörtgen— Kuzorra— Kalwitzki Valentin— Tibulſki— Gelleſch eee eee 0 Schalke 04: Am den dritten Platz. Am Vortag des 29. Kampfes um die„Viktoria“, der wertvollſten Trophäe, die der deutſche Fußballſport zu ver⸗ geben hat, tragen— wie ſchon im Vorfahr Schalke 04 und Vorwärts Raſenſport Gleiwitz in Berlin— BfB Stuttgart und Hamburger SV, die beiden Unterlegenen der Vorſchluß⸗ runde, auf dem VfB⸗Platz in Leipzig den Kampf um den dritten Platz aus. Auch hier iſt die Frage nach dem voraus⸗ ſichtlichen Sieger nicht leicht zu beantworten. Beide Mann⸗ ſchaften haben in den e tatſächlich ſehr utes Können gezeigt und ebenſo ihre Kampfkraft bewieſen. m Sonntag 151 die beiden Mannſchaften Gäſte des Fach⸗ amtes Fußball beim Meiſterſchaftsendſpiel im Olympia⸗ Stadion. Dem Unparteiiſchen Schulz(Leipzig) ſtellen ſich die Mannſchaften aller Vorausſicht nach wie folgt: VfB Stuttgart: Schnaitmann; Seibold— Kotz; Kraft— Rutz— Hahn; Haaga— Koch— Pröfrock— Schäfer— Lehmann. Hamburger SV: Warning; R. Dörfel— Bohn; Greifenburg— Reinhardt— Kahl; Sikorſki— F. Dörfel Höffmann— Noack— Carſtens. Pen Maſchine noch beſchleuni Walter Neuſel in England geſchlagen. Am Dienstag abend fand in London ein Kampf zwiſchen Walter Neuf el und dem engliſchen Schwer⸗ gewichtsmeiſter Tommy Farr ſtatt, zu dem etwa 15 000 Zuſchauer erſchienen waren. Dem Kampf wohnten u. a. auch der deutſche Botſchafter von Ribbentrop und Malk Schmeling bei. In der erſten Runde zeigte ſich der Engländer über⸗ legen, während in der zweiten Neuſel etwas beſſer in Fahrt kam. In der dritten Runde mußte der Deutſche auf einen genauen rechten Kinnhaken zu Bodem gehen und wurde ausgezählt, zur großen Ueberraſchung der Zu⸗ ſchauer. Neuſel erklärt ſeine überraſchende Niederlage— der Kampf ſollte über 12 Runden gehen— mit einer Ver⸗ letzung am linken Knie, ſodaß er nicht in der Lage ge⸗ weſen ſei, ſich rechtzeitig zu erheben. Diesmal Erich Bautz vorn Etappe Frankfurt Köln der Deutſchlandfahrt. Nach einem Ruhetag in Frankfurt a. M. ſetzten die Deutſchlandfahrer am Dienstag ihr ſchweres Rennen mit der 228 Kilometer langen achten Etappe nach Köln fort. Wolkenbruchartiger Regen begleitete die Fahrer auf dem erſten Teil der Strecke. Dann riſſen der Dortmunder Erich Bautz, der Chemnitzer Herbert Gerber und der Belgier Albert Perikel aus und erreichten allein Köln, Hier ſicherte ſich Erich Bautz im Spurt ſeinen erſten Etappenſieg nach einer Fahrzeit von 6741:58 Stunden. Was der Rennfahrer leiſtet Betrachtungen zur Deutſchlandfahrt. Wer einmal auf dem Fahrrad mit Erfolg verſucht hat, 20 Kilometer in einer Stunde zurückzulegen und dieſes Tempo mehrere Stunden lang durchzuhalten, der weiß, daß dieſe anſcheinend ſo beſcheidene Durchſchnittsgeſchwindigkeit über größere Entfernungen 5255 eine recht anſtändige Lei⸗ tung bedeutet. Nur wenige enſchen aber können ſich eine orſtellung davon machen, was zur Erzielung eines 34 bis 48 Kilometer⸗Stundendurchſchnitts gehört, wie er jetzt von den namhaften Straßenfahrern— Berufsfahrern wie Ama⸗ teuren— in jedem Straßenrennen erzielt wird, noch dazu Über ſo große Entfernungen von 250 bis 300 und mehr Ki⸗ lometer, die hier zu bewältigen ſind. Um überhaupt nur mit dem Tempo der übrigen Mit⸗ bewerber Schritt zu halten, iſt der Fahrer gezwungen, ſechs bis acht Stunden hindurch auf freier Strecke zwiſchen den Ortſchaften aus eigener Kraft ununterbrochen ein 40 bis 45 Kilometer⸗Tempo aus ſich herauszuholen. Selbſt die weit überwiegende Mehrzatzl aller Kraftfahrer er⸗ 52 mit dem Wagen oder Motorrad über lange Tages⸗ trecken in der Regel auch keinen höheren Durchſchnitt, ob⸗ gleich ſie zwiſchen den Ortſchaften meiſt im 60 bis 70 Kilo⸗ meter⸗Tempo fahren. Kraft und körperliche Veranlagung, das langjährige Training und der Energieaufwand bilden zuſammen noch nicht die reſtloſe Erklärung für die gewaltige Leiſtung des Straßenrennfahrers. Auch ſeine Maſchine weiſt ſehr we⸗ ſentliche Merkmale auf, die dieſe N überhaupt erſt ermöglichen. Bei flüchtiger Betrachtung bemerkt man zwar nichts Auffallendes, denn Aufbau und Konſtruktion ſind J dieſelben. Das wi 5 Kennzeichen des Rennrades iſt ſein fabelhaft leichter Lauf. Dieſem verdankt es faſt allein dem leichten Gewicht der beiden Laufräder, insbeſondere der Felgen und Reifen. N „Die ſchwerſte Beanſpruchung haben Rennrad und Be⸗ reifung in langen Bergabfahrten auszuhalten, wo der Stra⸗ benrennfahrer nicht etwa den Freilauf benutzt, ſondern mit ell wirbelnden Beinen den Lauf 7 er kalwärts ſchießen⸗ birge, wo die Ab⸗ ahrten meiſt gewunden und durch Serpentinen unterbro⸗ 0 vermag kein Automobil dem talwärts N traßenfahrer zu folghen. 5 Der Krieg iſt aus! Schluß damit! Franzoſen meutern/ Schickſalsſtunden 1917 An einem Faden hing die Kriegsentſcheidung/ Eine Eiterbeule wird ausgebrannt Vor zwanzig Jahren, in den Monaten Mai und Juni 1917, hing die Entſcheidung des Krieges an einem Faden. Meutereien im franzöſiſchen Feldheer ſchwächten die Ab⸗ wehrkraft auf der anderen Seite. Die Meuterei wurde erbarmungslos niedergeſchlagen, ehe die Deutſchen von ihr Kenntnis erhielten. Unſer Aufſatz erzählt von dieſen Vorgängen. In der Ebene von Juvincourt bei Reims ſteht plötz⸗ lich die ſeit drei Wochen mit allen Schrecken der Hölle tobende Schlacht. Nivelle, der„Blutſäufer“, kann nicht mehr, und eine Totenſtarre legt ſich über die von deutſchen Maſchinengewehren zerfetzte franzöſiſche Angriffsfront. Im fahlen Dämmerlicht des Morgens meldet der Kom⸗ mandant des Tankgeſchwaders dem Diviſionsgeneral: „Mein General, es iſt gar nicht daran zu denken, daß wir mit den Tanks das Trichterfeld bis zur Ferme de Choléra überwinden können Bis dahin haben wir alle die Peſt!“ Der General betrachtet den jungen Kommandanten in Tankmütze und Lederjacke ſchweigend von oben bis unten:„Herr Kommandant, für mich exiſtiert nur der Angriffsbefehl!“ „Na denn gut ſo!“, erwidert Boſſut. Wahnſinn, aber ich fahre trotzdem!“ So brechen 132 Tanks zum Angriff gegen Juvin⸗ court vor ohne Hoffnung auf den Sieg, ohne Glauben an eine Rettung, in den befohlenen Tod. Kein Infan⸗ terie-Offizier hat mehr die Kraft, ſeiner Truppe den Be⸗ fehl„Marche! En avant!“ zu geben. Boſſut fährt trotz⸗ dem— mitten in den Eiſenhagel der deutſchen MGs. und Geſchütze! 57 Tanks gehen in Fetzen, 64 werden flucht⸗ artig verlaſſen; Boſſut aber findet in ſeinem, allen vor⸗ ausfahrenden Führer-Sturmwagen durch einen Granat⸗ volltreffer den Tod. Er hat ihn herausgefordert! Aus dem Trümmerfeld ſeiner zerſchoſſenen Wagen aber ſteigt, hervorgelockt durch ein wahnwitziges„Trotzdem!“, die Verzweiflung und— die Meuterei! „Es iſt zwar Die erſte Meuterei. Wo die erſte Tat offener Auflehnung vorgekommen iſt, weiß man heute nicht mehr. Die Poilus des Ab⸗ ſchnitts von Juvincourt ſagen ihren Offizieren ange⸗ ſichts der Trümmer des Tankgeſchwaders Boſſut einfach: „Wir wollen nicht mehr!“. Am 20. Mai aber weigern ſich zwei Kompanien des 128. Regiments, den Marſch in die Stellung anzutreten. Irgendein Schreier gibt in der Kantine, in der dem Wein heute beſonders ſtark zugeſprochen wird, die Parole aus: „Schluß mit dem Schwindel! Es wird nicht mehr ab⸗ gelöſt!“ Der Kompanieführer ſtellt ſich beſchwörend unter ſeine Leute:„Kinder, wollt ihr euren in Ehren ergrau⸗ ten Kapitän allein in die Stellung gehen laſſen?“ Zur ſelben Zeit verläßt eines der beſten und kriegs⸗ bewährteſten Jägerbataillone kurzerhand ſeine Stellung an der Front. Die Artillerie hat dem durch den ver⸗ floſſenen Angriff dezimierten Bataillon durch Kurz⸗ ſchüſſe in die Gräben gefeuert, ſo daß wieder mal fünf Tote durch eigene Granaten zu beklagen ſind. Beim Sturm vor zehn Tagen iſt ein ganzer Zug in die eigene Feuer⸗ walze geraten. Irgendein Korporal verliert plötzlich die Nerven und ruft gellend durch die Gräben:„Zurück! Kehrt marſch! Wir werden den Idioten an ihren Ge⸗ ſchützen die Hälſe abſchneiden!“ Als das Bataillon die Beobachtungsſtelle der Artillerie erreicht, hat ſich der Zorn etwas abgekühlt, und es gelingt dem Abſchnittskom⸗ mandeur, ein Maſſaker zu verhindern. Wie er die Leute aber bittet und beſchwört, wieder in den Graben vor⸗ zugehen, ſtößt er auf eine höhniſche Lache:„Geh' ſelber vor! Oder ſchick die Artillerie!“ Die Etappe. Gierig greift die Etappe die ſeeliſche Exploſion der zermürbten Frontſoldaten auf. Vom 128. Regiment fliegt das Feuer der Meuterei zum 32. Korps zur 158. Divi⸗ ſion. Hier meutert ein Bataillon, dort ein Regiment, hier eine Munitionskolonne, dort ein Traindepot! Flugzettel laufen von Lager zu Lager, von Ort zu Ort. Die Offi⸗ ziere werden nicht mehr gegrüßt, zum Appell erſcheint nur mehr die Hälfte der Leute. Die Urlauber und die Verwundeten bleiben einfach zu Hauſe:„Der Krieg iſt aus! Schluß damit!“ Jeder zur Front vorlaufende Transport wird mit den Rufen begrüßt:„Kriegsverlänge⸗ rer! Streikbrecher! Etappenhengſte!“ Feldgendarmen und Feldpolizeibeamte aber werden mit höhniſchen Rufen überſchüttet und bei ihrer Amtstätigkeit ſabotiert. „Jagt die Offiziere zum Teufel!“—„Nieder mit dem Krieg!“—„Wählt Soldatenräte!“ So hallt es von Dorf zu Dorf. 16 Armeekorps, 45 Diviſionen, 75 Infanterie⸗Regi⸗ menter, 22 Jägerbataillone, 12 Artillerie⸗Regimenter, zwei Kolonial⸗Regimenter und ein Dragoner⸗Regiment wer⸗ den vom Flugfeuer der Revolte erfaßt. Die Ruſſen⸗Brigade. Das Lager der 1. ruſſiſchen Brigade in Courtine gleicht in wenigen Stunden nach dem Eintreffen der Nach⸗ richt von der großen Meuterei einem wilden Haufen. Zeitungen aus der Heimat werden hervorgeholt und wilde Reden gehalten. Eine große rote Fahne wird aus Tiſchtüchern und Gardinen zuſammengenäht und am Lagermaſt gehißt. Eine Art Soldatenrat nimmt die„Aktion“ in die Hände, läßt die Offiziere entwaffnen, Poſten ausſtellen und die Kommandantur beſetzen. Der„Vollzugsausſchuß“ nimmt Fühlung auf mit den benachbarten Ruſſenlagern und den franzöſiſchen Rekrutendepots. Es ſcheint, wie wenn Courtine eine politiſche Zentrale der an und für ſich ganz unpolitiſchen Maſſenmeuterei werden ſoll. Da greift das franzöſiſche Oberkommando, dem Courtine unterſteht, mit eiſerner Fauſt zu. Im Morgengrauen nach der Nacht voll revolutionärer Ekſtaſe und Friedensbegei⸗ ſterung ſteht plötzlich der ruſſiſche Brigadekommandeur, flankiert von zwei franzöſiſchen Majoren, am Lagerein⸗ gang: e „Das Lager iſt umſtellt! Ich gebe euch eine Stunde Zeit! Wenn bis dahin die Rädelsführer, der Sergeant M. und der Adjutant Z., hier am Lagertor mir nicht über⸗ geben ſind und alle Waffen am Toreingang der Komman⸗ dantur zu tadelloſen Pyramiden zuſammengeſtellt wer⸗ den, dann wird das Lager in Grund und Boden ge⸗ ſchoſſenl“ —————— 5 Schweigend entfernen ſich die Poſten. Eine Stunde ſpäter aber ſetzt die Beſchießung ein. Tauſend Grana⸗ ten praſſeln auf das Lager nieder, und ſtecken es in Brand; erſt am kommenden Morgen flattert über den kohlenden Trümmern die weiße Flagge. Nur kurz tagt das Kriegsgericht, und 100 Mann werden an die Bäume geſtellt. Der Spuk iſt aus. Revolte in Soiſſons. Den Höhepunkt der Revolte bildet zweifellos die Meuterei des Infanterie-Regiments 370 in Soiſſons. Als das Regiment zuſammen mit den Regimentern 17 und 36 alarmiert und an die Front geſchickt werden ſoll, bricht von irgendeinem Café oder einer Kantine der Stadt der Aufruhr los. Trupps von Soldaten und Laſtkraftwagen verbreiten die Parole:„Niemand zu den Sammelplätzen! Kein Mann zurück zur Front! Auf nach Paris!“ „Zum Bahnhof!“ brüllt es von einem beſetzten Laſt⸗ kraftwagen herunter, und die Maſſe der Soldaten ſchieb, ſich mit viel Geſchrei die Bahnhofſtraße vor. Ein Regi⸗ mentsarzt, der bei den 370ern wegen ſeiner Strenge und Gewiſſenhaftigkeit in nicht beſonders gutem Ruf ſteht, tritt ihnen ahnungslos in den Weg. Eine Flut von Be⸗ ſchimpfungen ſauſt auf ihn nieder. Doch da nahen drei Feldgendarmen::„Ihr Leute⸗ ſchinder und Banditen! Wollt uns wohl alle aufſchrei⸗ ben und ins Kittchen bringen?“ Zornig ſtürmt der Haufe auf die damals ſo unbeliebten Beamten, umringt ſie, reiß ihnen die Piſtolen aus den Händen und ſchlägt ſie zu Boden. Irgendwer holt eine Wäſcheleine aus dem näch⸗ ſten Garten heraus:„Hängt ſie auf, die Lumpen!“ Ir wenigen Augenblicken werden die lebloſen Körper an der Laternen hochgezerrt. Die Bahnſperre von Cotterets. In der Geſchäftsſtube des 370. Regiments hat ſick währenddeſſen der Kommandeur mit ſeinem Stab an di, Fernſprechtafel geſetzt, um mit der Diviſion oder mit den Korps Verbindung zu erhalten. Vergebens. Vom Tele phonamt aus iſt der Strom abgeſchaltet. Ein Adjutan; raſt in die Stallbaracken, holt ſich das beſte Pferd und jagt zur Diviſion. Der General beſpricht ſich nur wenige Augenblicke mit ſeinen Herren:„Es handelt ſich hier un Minuten! Der Zug muß aufgehalten werden! Nur das Kavallerie-Regiment in Villers Cotterets kann nock helfen! Alarmieren Sie!“ In einer Viertelſtunde ſteht das Küraſſier⸗Regiment an ſeinem Alarmplatz aufgeſeſſen und trabt dann mit ſeinen Maſchinengewehren an die Bahnkurve nördlich der Mai 1917, kurz vor dem Ausbruch der Meutereien. Franzöſiſche Truppen in der Champagne marſchieren an die Front. Die Meuterei be⸗ gann damit, daß ſich zwei Kompanien des 128. Regi⸗ ments am 20. Mai weiger⸗ ten, den Marſch in die Stel⸗ lung anzutreten. Etwa zur gleichen Zeit verließ ein Jä⸗ gerbataillon ſeine Stellun⸗ gen. Von hier aus flog das Feuer der Meuterei weiter auf die Diviſionen und in die Etappe. Aufnahme: Aus franzöſiſchen Archiven— M. Stadt. Im Nu werden Baumſtämme über das Gleis geworfen und ſchwere Steine herangewälzt. Als der Zug aus Soiſſons herannaht, zieht der Lokomotivführer plötz⸗ lich die Bremſen und hält dicht vor dem Hindernis. Der Küraſſier⸗Oberſt reitet an den vorderſten Wagen und ſchreit mit heller Stimme:„Gewehre herunter! Hände hoch!“ Ringsum Karabiner und Maſchinengewehre im An⸗ ſchlag. Zögernd wird ein Wagen nach dem andern von den Meuterern geräumt; die Trupps der revoltierenden Soldaten werden von den Küraſſieren in die Mitte genom⸗ men und zur Seite auf die Straße geführt. Nur der hin⸗ terſte Zugteil kann ſich in den Wald retten und gräbt ſich dort ein; drei Tage dauert das Trauerſpiel um die⸗ ſen Graben, dann verläßt die„Beſatzung“, vom Hunger angefreſſen, den Wald. Ein halbes Hundert von Gewehr⸗ ſalven der Küraſſiere tilgt dann den revolutionären Traum vom„Marſch auf Paris“. Kriegsgerichte tagen. Nur unerbittliche Strenge kann hier noch helfen, er⸗ kennt jeder Kommandeur, erkennt man ſogar in Paris. Die Truppenführer verſichern ſich zunächſt ihrer beſten Elemente, legen ihre Offiziere dazwiſchen, packen ſich die gefährlichſten Rädelsführer heraus und ſtellen ſie nach franzöſiſchem Kriegsrecht gebunden an den Pfahl. So knallen unbarmherzig nach kurzen Standgerichtsſitzungen zwiſchen Paris, Reims und Soiſſons die Salven und freſſen die Treiber der Revolte, Tapfere und Feige, Schul⸗ dige und Unſchuldige, hinweg. Man kann nicht warten, bis der Oberſte Kaſſationshof in Paris geſprochen hat! Man muß hart ſein, ſonſt löſt ſich die Front auf! Frank⸗ reich ſteht auf dem Spiel! Es iſt eine Tragik, daß alte Frontſoldaten mit dem Band der Legion im Knopfloch, mit Kriegswunden am Körper, vor die friſchen Gewehr⸗ läufe der Etappen⸗Regimenter treten müſſen! Es hilft aber nichts! Die Eiterbeule der Meuterei muß ſofort an Ort und Stelle ausgebrannt werden! Erft dann beginnt Marſchall Pétains Verſöhnungs⸗ und Rettungsaktion! Der Mann, der Frankreich in dieſer Schickſalsſtunde rettet, verſteht die Seele des Soldaten wie kein anderer. Er ſtoppt zunächſt jede Angriffshand⸗ lung an der Front, dann jede weitere Erſchießung, fährt Tag und Nacht von Lager zu Lager, von Graben zu Gra⸗ ben und ſpricht als neuernannter Kriegsminiſter mit ſeinen Poilus, einfach, ſchlicht, ohne große Tiraden, aber ſo eindringlich, daß ſich die große Wunde der Meuterei langſam zu ſchließen beginnt. Er weiß: Frankreichs Schick— ſal hängt an einem Faden! Hellmuth Harms. Amzug bei Miniſterpräſidents Eine unauffällige Angelegenheit in Downing Street Nr. 10 und 11. In Downing Street, dieſem düſteren Fleck in der Großſtadt London, den es in der Welt nur einmal gibt, iſt der Umzug beendet. Stanley Baldwin zog aus Nr. 10 der Downing Street aus.. Die Möbelwagen haben ſchon die Einrichtung nach Eaton Squares in das neue Haus des bisherigen Mi⸗ niſterpräſidenten, das Baldwins Schwiegerſohn ihm ge⸗ ſchenkt hat, gebracht. Es iſt geräumig genug, um die ganzen Bücherſchätze des Miniſterpräſidenten, die in mehr als 100 Kiſten verpackt ſind, aufzunehmen. Schon ſeit Wochen hat Mrs. Baldwin bereits für die Tapeten und Vorhänge Sorge getragen, wie ſie es vor zwei Jahren in Downing Street getan hat. Die Zeit, die für die Vor⸗ bereitung zur Verfügung ſtand, war knapp, denn unmittel⸗ bar vor dem Umzug war das Königspaar zu Gaſt bei dem britiſchen Miniſterpräſidenten, ein Ereignis, das nur ſeweils nach der Krönung eines Monarchen ſtattfindet. So ſind alſo mit fieberhafter Haſt Packer und Werk⸗ leute beſchäftigt geweſen, darunter beſondere Sachverſtän⸗ dige, die das koſtbare und berühmte Sevres⸗Service der Familie Baldwin kunſtgerecht zu verpacken hatten. Eine Buchhandlung hatte ihr geſchultes Perſonal geſandt, um die Lieblinge des Miniſterpräſidenten, ſeine Bücher, wohl⸗ behalten und ſicher in ſeine neue Bibliothek zu bringen. Sein Kammerdiener aber war mit einer ganz beſonders berantwortungsvollen Aufgabe betraut: die Pfeifenſamm⸗ lung ſeines Herrn— die Pfeife gehört bekanntlich zum ſtändigen Begleiter Baldwins— vollzählig nach Eaton Squares zu befördern. Es befinden ſich einige ſehr wert⸗ volle Stücke darunter. Aber Baldwin bevorzugt nach wie vor ſeinen ganz gewöhnlichen„Holzkloben“. Der Einzug des Nachfolgers in„Nr. 10“ vollzog ſich gewiſſermaßen„hintenherum“— durch die Gartenpforten und eine Hintertür, denn Nr. 11, die Schatzkanzlei, die den Nachfolger Baldwins bisher ſchon beherbergt hat, iſt das Nachbarhaus von Nr. 10, das ſeit 200 Jahren das tradi⸗ tionelle Heim des britiſchen Miniſterpräſidenten iſt. Weite Garten, die ineinander überlaufen, dehnen ſich hinter beiden Häuſern und ſchaffen die natürliche Verbindung. Mrs. Chamberlain hat die Räume, in denen ſie künftig walten ſoll, einer eingehenden Inſpektion unterzogen und die Tapeten entſprechend der Farbe ihrer Möbel aus⸗ geſucht. Sie hatte im übrigen wenig Beanſtandungen zu machen oder Wünſche zu äußern. Nr. 10 war im Jahre 1929, als Mac Donald dort ein⸗ zog, gründlich umgebaut und erneuert worden. Seine Tochter Iſhbel, die Hausfrauenſtelle bei ihrem Vater ein⸗ nahm, erklärte, daß das alte Haus ſo düſter und un⸗ komfortabel ſei, daß man niemanden zumuten könne, dort zu wohnen und Gäſte zu empfangen. Nr. 10 Downing Street war um die Mitte des vorigen Jahrhunderts durch einen Umbau vor dem Einſturz bewahrt worden. Aber es war alles andere als eine repräſentative Reſidenz des höchſten Staatsbeamten Englands geworden, ſo daß viele Miniſterpräſidenten im Laufe der letzten Generation es vorzogen, ſich Privathäuſer zu mieten oder, wie Bonar Law, im Hotel zu wohnen. Man baute nun auf Iſhbels energiſche Forderung Zentralheizung ein und vergrößerte die Räume durch den Anbau, der genügend Platz für Empfänge und Gaſtlichkeit bot. Nur die düſtere Faſſade von Nr. 10, die ſein Eingangsportal darſtellt, iſt unver⸗ ändert erhalten geblieben, desgleichen der berühmte Kabinettsraum, in dem die Miniſterſitzungen ſtattfinden. Nur die Banketthalle hat durch den Anbau die dringend nötige Vergrößerung erfahren. Nr. 10 Downing Street iſt immer wieder als ſo etwas wie ein Weltwunder beſtaunt worden. Einer der mächtig⸗ ſten Männer der Welt, deſſen Wort für ein Fünftel der Menſchheit von maßgebender Bedeutung iſt, wohnt in einem ſchmuckloſen, grau⸗ſchmutzigen und unſcheinbaren Haus, deſſen Aeußeres nichts von ſeiner Bedeutung wie auch von ſeiner geſchmackvollen Inneneinrichtung verrät. Iſhbel Mac Donald und das Ehepaar Baldwin haben es verſtanden, Downing Street etwas von der Würde und feierlichen Vornehmheit zu geben, die man eigentlich dort vermuten ſollte, hinter der Außenſeite aber nicht erwartet. Nr. 10 Downing Street, das Haus des Miniſterpräſiden⸗ ten, und Nr. 11, die Schatzkanzlei, ſind ſichtbarſte Kenn⸗ zeichen für die Bedeutung, die der Engländer der alten Ueberlieferung beimißt, e — 3 3 5 8. 1 neee nee . 4„. eeghe, er o ener