rungsah⸗ ir Woh, hen Fal 5 Kauf⸗ rung et er(Ge⸗ 5. 1935 einlageg ben ſich im gag und be⸗ zu de die Nob⸗ planung nem fol, ſtſtellen, 7 Ober, rvort nterneh⸗ ug ſeutſche tional 10 0 ughafe bar zun un un Mehr n ſtelll ei d e gesbeſt Strech ndig, ral des Fführun mig Agiſcheg 06•12% 07 be or Seh beſtzel lowakei — 2 E 2 — Nr. 172 Neckar⸗Bote(2. Blatt) Dienstag, 27. Juli 1937 Alte Namen leben wieder auf Die Namengebung unſerer germaniſchen Vorfahren. NS. Die Namen, die wir unſer Leben lang tragen, haben wir uns nicht ſelbſt gegeben; unſere Eltern haben ſie ausgewählt, ohne uns fragen zu können, und wir müſſen uns mit ihnen abfinden, wie ſie auch lauten. Damit ſoll auf die Verantwortung hingewieſen werden, die die Eltern bei der Namenwahl tragen und die gerade in einer Umbruchzeit wie der unſeren beſonders groß iſt. Wir beobachten heute, wenn wir die Geburtsanzeigen in den Zeitungen verfolgen, einen grundlegenden Wandel der Namengebung,— nicht den erſten in unſerer mehrtauſendjährigen Geſchichte. Wir ſehen aber auch, wie vielfach nur der äußere Klang des Namens, nicht ſein innerer Sinn, für ſeine Wahl den Ausſchlag gibt. Es iſt daher ſicher angebracht, das vielfältige Erbe, das uns über⸗ kommen iſt, einmal zu ſichten und zu werten. Die germaniſchen Namen waren meiſtens Wun ſch⸗ namen, die die Eltern ihren Kindern mitgaben, gebildet aus den ſchönſten und höchſten Begriffen; die Liebe zu den Waffen, zu Sippe und Heim, zu allen männlichen Tugenden ſpricht aus dieſen Namen mit ſolcher Macht zu uns, daß ſie allein ein getreues Spiegelbild der idealen Lebensauffaſſung unſerer Vorfahren wären, ſelbſt wenn uns von ihnen ſonſt nichts als ihre Namen überliefert wäre. Faſt durchweg waren dieſe Namen aus zwei Wortſtämmen zuſammengeſetzt. Da⸗ durch ſtanden hier unerſchöpfliche Möglichkeiten der Namen⸗ bildung zur Verfügung. Allein an belegten Namensformen ſind uns einige Tauſend überliefert, in Wirklichkeit müſſen es noch weit mehr geweſen ſein. Dann kam das Chriſtentum und bewirkte auch in der germaniſchen Namengebung einen gewaltigen Umbruch. Die Lirche brachte eine Fülle von bibliſchen Namen und Heiligennamen mit ſich, hebräiſch⸗orjentaliſches und rö⸗ miſch⸗griechiſches Namengut hielt ſeinen Einzug in Deutſch⸗ land. Trotz der Annahme des Chriſtentums hielten die Deut⸗ ſchen noch lange an dem ererbten Namengut feſt, wenn auch die Freizügigkeit der Namenbildung nachließ und der Vorrat an gebräuchlichen Namen einſchrumpfte. Mit dem 12. Jahr⸗ hundert breiten ſich aber doch die kirchlichen Namen immer ſtärker aus, bis ſchließlich im 15. Jahrhundert eine dürftige Handvoll von Namen übrigblieb. Der reiche Quell germani⸗ ſcher Namengebung war ſtark zurückgegangen. Dieſe erſchrek⸗ kende Verarmung war übrigens ein Hauptgrund bei der Ent⸗ ſtehung von Familiennamen, die ſich jetzt— zunächſt nur als Beinamen— notwendig erwieſen, um etwa die vielen Hänſe voneinander zu unterſcheiden. Man begann ſich erſt um 1800, unter dem Einfluß der Romantil, wieder dem alten germaniſchen Namengut zu⸗ zuwenden. Vor allem im proteſtantiſchen Norden brach man allmählich mit der kirchlichen Tradition. Die neue Entwick⸗ lung hatte aber einen Nachleil im Gefolge, deſſen Nachwirkun⸗ gen heute noch lebendig ſind: die Namenwahl wurde eine Sache der Mode und des perſönlichen Geſchmacks. Man kann für die letzten hundert Jahre geradezu verfolgen, wie einzelne Namen aufkommen, immer zuerſt in der„Geſell⸗ ſchaft“; wie ſie dann bald überall aufgenommen werden, maſſenhaft auftreten, dadurch entwertet werden und wieder zaus der Mode kommen“. Heute ſind wir über die Roman⸗ til hinaus, und über ihr ſchwärmeriſches und oft unſicheres Taſten in die Vergangenheit. Wenn wir heute bewußt die Erneuerung unſerer Namengebung in Angriff nehmen, follten wir Echtes von Falſchem wohl zu ſcheiden wiſſen. An alten deutſchen Namen iſt zunächſt ein gefunder Grundſtock geblie⸗ ben, den wir nicht verkümmern laſſen dürfen; das ſind unſere ſchönen doppelſtämmigen Namen, um als Beiſpiele für viele andere nur Fried⸗rich, Hein⸗rich, Ul⸗rich, Lud⸗wig, Walt⸗ her, Wil⸗helm, Wolf⸗gang, Eber⸗hard, Kon⸗rad zu nennen. Wenn wir darüber hinaus auf unſer brachliegendes ger⸗ maniſches Erbe zurückgreifen wollen, dann müſſen wir uns wohl davor hüten, einſeitig zu werden und nur eine kleine Anzahl von vielleicht beſonders gut klingenden Namen hervor⸗ zuholen und daraus wieder Modenamen zu machen, die in längſtens einer Generation abgedroſchen ſind. Wir haben das nicht nötig. Um zu veranſchaulichen, welch“ un⸗ geahnt reicher Schatz alten Namenguts hier auf ſeine Auf⸗ erſtehung und Wiederbelebung wartet, ſeien hier als wahllos herausgegriffenes Beiſpiel bloß die erſten 20 Bauernnamen einer alten Urkunde(Weißenburger Urkunden, Zeuß Nr. 102, vom 28. Juni 188) angeführt: Frumigis, Rudhild, Willigis, Reginhild, Richhart, Elihid, Dankrat, Leibhild, Ra⸗ dolf, Hitta, Hildibald, Etta, Schwabhild, Hugirat, Frilind, Winirat, Idislind, Wolfmund, Friburg, Adaltrud.(Die Na⸗ men ſind z. T. ſchon der heutigen Sprachform und Schreib⸗ weiſe angeglichen). Wenn auch ſicher viele der alten Namen kaum mehr neu erweckt werden können, ſo klingen uns doch die meiſten noch ſo vertraut und heimiſch, daß ſie es wohl verdienten, in unſeren Kindern wieder Leben zu gewinnen. Welche von dieſen Namen lebensfähig ſind, wird das geſunde Empfinden des Volkes mit der Zeit erweiſen. Vor einigen Fehlern müſſen wir uns ſchon heute bewahren. Wir dürfen nicht in die Uebertreibungen der Romantik zurück ver⸗ jaulen. Wir dürfen nicht vergeſſen, daß wir— anders als ünſere germaniſchen Vorfahren— außer dem Vornamen auch noch einen Familiennamen zu führen haben, und daß die beiden Namen zuſammen keinen Mißkla ng bilden dürfen. Wir müſſen ſchließlich daran denken, daß einige Gruppen von Namen landſchaftsgebunden ſind und aus ihrem natürlichen Boden nicht verpflanzt werden ſollen. Dies gilt z. B. für viele frieſiſche Namen, dann aber auch für die meiſten nordiſchen, d. h. nordgermaniſchen Namen. Die Namen der Nordgermanen ſind zwar aus der gleichen Wurzel wie unſere füdgermaniſchen erwachſen, haben aber doch zwei Jahrtauſende getrennter Entwicklung hinter ſich. Sie ſind uns dadurch vielfach unverſtändlich geworden. Wer darum ſeine Kinder Harald, Sigurd, Hjalmar, Gunnar oder Ingeborg nennt, anſtatt auf gut deutſch Herwalt, Sig⸗ wart, Hilmar, Gunther oder Ingburg, der erweiſt dem nor⸗ diſchen Gedanken einen ſchlechten Dienſt, ſondern ſucht— in unſeren alten Fehler verfallend— in der Ferne das Gute, das uns doch ſo nahe iſt. S Das Süd weſtmarklager der HJ Eröffnungsfeier in Offenburg. Offenburg. Mit einem feierlichen Akt wurde das Südweſtmarklager an der Kinzig eröffnet. Die Lagerbeſat⸗ zung war zur Feierſtunde auf dem großen Feierplatz ange⸗ treten. Obergebietsführer Friedhelm Kemper ſprach von dem großen Ziel, das die badiſche Hitlerjugend ſich mit der Durchführung des dritten Südweſtmarklagers geſteckt habe und das gleichzeitig in über 60 badiſchen Lagern ebenfalls verwirklicht werde: ein hartes, ſtarkes und gläubiges Ge⸗ ſchlecht zu erziehen, das würdig ſei, das Erbe der Väter zu übernehmen. Seine Grüße galten in erſter Linie dem Ver⸗ treter des Gauleiters und Reichsſtatthalters Robert Wagner, dem Miniſterpräſidenten Walter Köhler, den zahlreichen Gä⸗ ſten und den über 1000 Hitlerjungen und Jungvolkpimpfen, die die Tage der Gemeinſchaft hier verbringen. Miniſterpräſident Walter Köhler überbrachte die Grüße des Reichsſtatthalters und Gauleiters Robert Wagner und betonte, daß die Eröffnung des Lagers einen Ausſchnitt in der Arbeit der Hitlerjugend bedeute. 1000 Jungen traten heraus aus dem engen Kreis der Familie, um fernab von der ſorgenden Hand der Eltern ſich in einem weit größeren Kreis zu begeben, wobei ebenfalls eine ſorgende Hand wäh⸗ rend der Lagerzeit über der Jugend waltet. Zwei Ideale bilden die Richtpunkte dieſer Lagerarbeit. Einmal das große ſoldatiſche Ideal der disziplinierten Erziehung der Jugend, dann die Erziehung zum politiſchen Soldaten, indem der Geiſt der Männer, die in einer Zeit ſchweren Niederbruchs die Fahne ausgebreitet haben, die heute über dieſem Lager weht, wachgehalten wird. Nicht nur Wehr und Waffen bil⸗ den die Grundlage eines Volkes. Zu denen muß ſich auch die politiſche Erziehung geſellen. So wird die Lagerarbeit in dieſem Sinne aufgefaßt werden müſſen. Es gilt, die Ju⸗ gend zu ſtählen, denn ſie ſoll einmal Führer werden und die Geſchicke in ihre ſtarken Hände nehmen. Mit dem Wunſche für einen vollen Erfolg des Lagers ſchloß der Miniſterprä⸗ ſident ſeine Ausführungen.. Noch während der anſchließenden Beſichtigung wurde der Lagerbetrieb in vollem Umfange wieder aufgenommen, der in zwei Abſchnitten insgeſamt 2100 Jungen Freizeitgeſtal⸗ tung und Erholung bieten wird, aber auch die Ausrichtung geben ſoll für neue Aufgaben. Die Plakette des Reichsparteitages a Verſinnbildlichung von Kampf und Erfolg Die diesjährige, von Profeſſor Richard Klein geſchaffene Reichsparteitagsplakette, die bereits in zahlreichen Gauen um Verkauf gelangt, zeigt drei nationalſozialiſtiſche, das eich tragende Männerfiguren. Die drei Männer, die das Hoheitszeichen der Bewegung tragen, verſinnbildlichen jene Kämpfer der Partei, die einſt den Kampf um den Aufbau des Dritten Reiches auf ſich nahmen Sie wachſen aus dem Nichts, wie auch die Bewegung damals aus dem Nichts ge⸗ ſchaffen wurde. Daß nun nach vier Jahren der kämpferiſche Einſatz ſeine reifen Früchte zum Wohle der Nation gebracht hat, wird dargeſtellt durch die Aehre und durch die Wein⸗ traube. So ſynboliſiert die künſtleriſch ausdrucksvolle Pla⸗ kette des Reichsparteitages 1937, daß nur durch ſtändigen Einſatz und durch nimmermüde Arbeit und Bereitſchaft etwas Geſchaffenes erhalten und gefördert werden kann. TTT. ĩͤͤd. y Marktberichte (Ohne Gewöhr) Mannheimer Getreidegroßmarkt v. 26. Juli. Wieſen⸗ heu, loſes, neues 4,25 bis 4,75, Luzernekleeheu, neues, 5,50 bis 6; Preßſtroh, neues Roggen-Weizen 3,20 bis 3,50, Hafer⸗ Gerſte 2,70 bis 3; Futterſtroh geb., Weizen⸗Hafer⸗Gerſte 3,50 bis 3,80, Spelzſpreu, neue 2,40 bis 2,70 Mark. Alle anderen Notierungen unverändert. Götz von Berlichingen. 415. Wiederkehr ſeines Todestages. Ja, er war ein ganzer Mann, dieſer Götz von Ber⸗ lichingen, der„Ritter mit der eiſernen Hand“, auch ohne die dichteriſche Verklärung in dem Jugenddrama Goethes, das am 2. Auguſt zum erſtenmal in dieſer Spielzeit bei den Reichsfeſtſpielen in Heidelberg zur Aufführung kommt. Der Ritter ſelbſt hat nach einem Leben voller Fehden und Kämpfen„voller Ungemach und Reiterluſt ſeine Lebens⸗ beſchreibung niedergeſchrieben, und zwar als eine Recht⸗ fertigungsſchrift gegenüber ſeinen Zeitgenoſſen, unter denen er ſich durch manchmal falſch geleitetes Gerechtigkeitsgefühl und Fehdeſucht manchen zum Feind gemacht hatte. Aber er hatte auch viele Freunde, und ſo mancher, mit dem er früher die Klinge kreuzte, hatte ſpäter Achtung und Freund⸗ ſchaft für ihn. Seine Lebensbeſchreibung iſt ein Bericht von Reiten, Fehden, Kriegen Niederlagen und Siegen, von offenen Schlachten und Hinterhalten. Sie hat ihre Sonderheiten: Goetz ſchrieb ſie mit der linken Hand, ſeine Rechte war ihm vor Landshut durch eine Kugel zerſchmettert worden. Götz, 1440 auf der Stammburg Jaxthauſen geboren, im Sattel ſozuſagen aufgewachſen, empfand dieſe Ver⸗ wundung als das Ende ſeiner Laufbahn. Er wollte den Tod. Doch er richtete ſich in Kürze wieder auf, und ſeine eiſerne Hand führte dann noch manche Jahre das Schwert. Allerdings, er war ein Kind ſeiner Zeit. Auf einen Stegreifritt oder eine mutwillige Fehde kam es ihm gar nicht an, wenn er dieſe haben konnte. Er war leicht geneigt, jemandem beizuſpringen, der ſich geſchädigt fühlte, obwohl es nicht ſeine Sache war. Einem Stuttgarter Schneider hatten die Kölner den Schützenpreis verweigert, den dieſer ſich errungen hatte. Darauf ſagte Götz den Kölnern die Fehde an. An Fehdeluſt war er vielen ſeiner Zeitgenoſſen gleich, er unterſchied ſich aber von dieſen durch ſeine unbedingte Treue für eine von ihm für richtig gehaltene Sache und ſeine Anhänglichkeit an den Kaiſer. Er ſah in dieſem ſeinen einzigen und höchſten Herrn auf Erden. i Allen, denen er ſeine Hilfe im Streit zugeſagt hatte, blieb er treu. So ſtand er zu dem Herzog Ulrich von Württemberg, der vom Schwäbiſchen Bund überfallen worden war. Den tieferen Sinn des Bauernaufſtandes hatte er nicht begriffen, der hinter deren Forderungen ſtand: von einem Volk und einem Reich! Götz hielt ſein Wort, die anderen nicht. Seine Beteiligung am Bauern⸗ krieg ſchadete Götz viel. Die Bauern wurden ſchwer ge⸗ ſchlagen, oft durch Wortbruch verraten, die ſich Ergebenden grauſam hingerichtet. Götz ſtarb im Alter von 82 Jahren auf ſeinem Schloſſe Hornberg. Er war zwar in Wirklichkeit nicht der Held, wie ihn unſer großer Dichter hinſtellte, aber das gegebene Wort war ihm heilig. Er ritt gegen Biſchöfe, die Stadt Nürnberg. gegen Burgunder und Türken zu Feld. Aber im Grunde genommen war er ein ganzer Karl, der Ritter mit der eiſernen Hand. Und das iſt mehr, als man von vielen ſeiner Zeitgenoſſen ſagen kann.— Die Natur als Vorbild der Technik Pflanzen als Vorlage für Stromlinie und Flugzeug. Daß der menſchliche Körper eigentlich ein Wunder einer von uns bisher unerreichten Technik ſei, iſt ſchon ſeit Jahrzehnten Gemeingut des Wiſſens. Als man aber überhaupt begann, die Organismen unter phyſikaliſchen Geſichtspunkten zu betrachten, als man lernte, die Hebel⸗ geſetze auf die Bewegung der Gliedmaßen zu übertragen, als man den feineren Bau der Knochen aufdeckte und auch hier wieder die Geſetze der Phyſik in ihrer vollkommenſten Auswirkung erkannte, da fing man auch an, Vergleiche zu ziehen zwiſchen dem, was menſchliche Technik leiſten kann, und dem, was die Natur aufbaute, wobei unſere Technik meiſt nicht ſonderlich gut abſchnitt. Auch im Pflanzenreich hat man im Aufbau der Ge⸗ wächſe die gleichen Geſetzmäßigkeiten wiedergefunden, die auch für unſere techniſchen Konſtruktionen gelten. Es hat aber recht lange gedauert, bis man darauf verfiel, nun auch die Nutzanwendung aus dieſen Ergebniſſen zu ziehen. Eigentlich iſt erſt vor wenigen Jahren die neue Wiſſen⸗ ſchaft der„Biotechnik“ entſtanden, die es unternimmt, die in der Natur gegebenen techniſchen Konſtruktionen auch für unſere Praxis dienſtbar zu machen. Zahlloſe Unterſuchungen haben erwieſen, das gerade die Pflanze in Vollendung ſo zu bauen verſteht, wie die Geſetze von Funktion und kleinſtem Kraftmaß es ver⸗ langen. Kein Baumeiſter wäre imſtande, auf einer ſo kleinen Grundfläche ein Gerüſt zu errichten, das die ver⸗ hältnismäßigen Maße eines Baumes oder gar eines Ge⸗ treidehalmes erreichte und zugleich gegen Druck, Zug und Biegung ſo widerſtandsfähig wäre. Die außergewöhn⸗ liche Elaſtizität und Feſtigkeit des Materials wirkt bei. der Pflanze zuſammen mit der zweckmäßigen Anordnung der„Feſtigkeitselemente“ im anatomiſchen Aufbau, um ſolche wahren Wunder der Technik aufzubauen. Die bekannte Form der 1-Träger kehrt in der Auord⸗ nung der Feſtigkeitsgewebe im Pflanzenſtengel ebenſo wieder, wie das Kabel im inneren Aufbau der Wurzel ſein Vorbild hat. Die„Brettwurzeln“ unſerer Bäume ver⸗ wirklichen das gleiche Prinzip wie die Strebepfeiler der Architektur. Wer ſich unter dieſen Geſichtspunkten mit dem Aufbau der Pflanzen eingehender beſchäftigt, wird auf Schritt und Tritt Bekanntes wiederfinden: das Prin⸗ zip der Röhren ſowohl im Leitungsgewebe der höheren Pflanzen als auch in den Zellfäden der Pilze, das Urbild aller Säulen im Pflanzenſchaft, Kondenſatoren von gro⸗ ßer Vollkommenheit in den toten Zellen der papierartigen, ſchwammigen Hülle der Orchideen— Luftwurzeln— und noch vieles, was unſerer Technik ganz neuartige Möglich⸗ keiten zeigen könnte. Auf Grund dieſer Tatſachen ſchlägt nun Francé der Technik einen ganz neuen und ſicherlich fruchtbringenden Weg vor: Sie ſoll die Formen der Natur ſtudieren und diejenigen, die ihre Funktion am vollkom⸗ menſten erfüllen, auf ihre techniſche Verwendbarkeit prüfen. Tatſächlich führen Berechnung und Verſuch mit der Zeit zu ganz ähnlichen Ergebniſſen, wie die Natur ſie zwangsläufig unter dem Geſetz des geringſten Wider⸗ ſtandes und der größtmöglichen Wirtſchaftlichkeit der Lei⸗ ſtung ſchafft. So iſt es nicht zweifelhaft, daß gewiſſe kleine Geißeltierchen und einzellige Algen verhältnismäßig viel größere Schnelligkeitsleiſtungen im Schwimmen aufweiſen als die modernſten Schnelldampfer. Ihre Form iſt aller⸗ dings auch der Ueberwindung des Waſſerwiderſtandes auf das vollkommſte angepaßt, nicht nur, was das beſſere Durchſchneiden des Waſſers und die Verminderung der Reibung anbelangt, ſondern auch hinſichtlich der Vermin⸗ derung des„Anſaugens“, das durch den Waſſerwirbel in der Kiellinie des ſchwimmenden Lebeweſens oder Schiffes verurſacht wird. Nun hat die Autoinduſtrie vor wenigen Jahren einen neuen Typ ſchnellfahrender Autos geſchaffen, deſſen Form die größte Aehnlichkeit mit einer Kleinpflanze, der Tetra⸗ mitus⸗Alge, hat. Wenn man die ſcharfe„Buglinie“ an dem verhältnismäßig breiten und hohen Vorderteil eines „Stromlinienautos“ und ſein merkwürdig geformtes flaches, niedriges Hinterende betrachtet, ſo hat man die Aehnlichkeit mit der Tetramitus⸗Alge gefunden; ſie iſt in⸗ ſofern eine„zufällige“, als der Erbauer dieſes Autos wohl ſchwerlich das kleine Pflänzchen als Vorbild für ſein Werk benutzt hat; aber ſie iſt eine innerlich notwendige, weil bei beiden, dem Auto wie der Alge, ihre„Funktion“ das möglichſt leichte Ueberwinden des Luft⸗ bzw. Waſſer⸗ widerſtandes, ihren beſtmöglichen Ausdruck gefunden hat. Eine tropiſche Gurkenart beſitzt geflügelte, etwa 12 bis 15 Zentimeter lange Samen, die wohl das vollkommenſte an Einrichtung zum ſchwebenden Flug darſtellen. Wirft man einen ſolchen Samen in die Luft, ſo gleitet er im ſchwebenden, etwas wellenförmigen Flug in unbewegter Luft fünf bis acht Meter weit. Wenn ein Luftzug ihn trägt, dehnt er ſeine Reiſe viel weiter aus. Wie genau dieſes kleine Flugzeug ausbalanciert iſt, beweiſt die Tat⸗ ſache, daß nur eine kleine Verletzung, ein laum merkbarer Knick in einem der Flügel ſofort das Flugvermögen ver⸗ nichtet. Der etwa pfenniggroße flache Samen liegt, von einer ledrigen Hülle Gb in der Mitte am vorderen Rande des ganzen ebildes und gibt den Schwerpunkt an. Aus England wurde vor einiger Zeit berichtet, daß dort ein Stromlinienflugzeug konſtruiert werde, deſſen flache Gondel den Flügeln eingebaut werden ſoll. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß die Form dieſes Flugzeuges mi der des tropiſchen Gurkenſamens eine grundſätzliche Aehn⸗ lichkeit zeigen wird. Es wäre natürlich ſinnwidrig, wollte man nun un⸗ beſehen die Naturformen in die menſchliche Technik über⸗ tragen. Denn einmal ſind die Größenunterſchiede zu be⸗ rückſichtigen, die ſchon ſolche Verſchiedenheiten an Ober⸗ flächenſpannung und Reibungswiderſtand ergeben, daß eine ſolche Konſtruktion für menſchliche Zwecke unbrauch⸗ bar wäre. Dann darf man nicht vergeſſen, daß die Pflanze mit einem ganz anderen Material arbeitet als wir. Wir ſind weder imſtande, das Protoplasma mit ſeinen Eigen⸗ ſchaften herzuſtellen, noch einen kolloidalen Stoff wie die Zellwand, deren Elaſtizität und Zähigkeit dem Holz, aber auch dem Strohhalm Fähigkeiten verleiht, vor denen die heutige Technik ratlos ſteht. Es wird ſich alſo nur eine gewiſſe Auswahl an Naturformen als geeignet erweiſen, unſerer Technik als Vorbild zu dienen. Immerhin wird aber ſelbſt dieſe Auswahl in der unendlichen Fülle der Geſtalten noch ſo reich ſein, daß ſie der Technik eine neue, vielgeſtaltige Welt von Arbeitsmöglichkeiten erſchließt. Auch im Sommer„ lies deine Heimat. Ze 8 5 Kind „Wenn dieſes Angſt vor Napoleon/ Der Vierjährige unter Polizeiaufſicht (4. Fortſetzung.) „Die wollen eure Ehe ungültig erklären. Bitte— eure Ehe.. wo ihr doch das Kind habt! Eine Schande, ſo etwas!“ Die Greiſin beugt ſich vor:„Ich weiß ſogar noch mehr. Sie ſind ſchon auf der Suche nach einem andern Mann für dich. Man ſpricht... von Potsdam. Unvor⸗ ſtellbar! Eine ſolche Idee konnte nur in dem vertrackten Gehirn dieſes Metternich entſtehen. Er will durch dich. den Preußenhof an Wien feſſeln...“ Marie Louiſe verſteht von allem dem nichts. Sie iſt einmal verhandelt worden, ſie hat verlernt, ſich zu wun⸗ dern. Liebe. das war einmal ein Jungmädchentraum. „Aber ich kann doch nicht zum Kaiſer zurück...“ „Kaiſer! Kaiſer!“ Marie Karoline ſchneidet ein Ge⸗ ſicht, als ob ſie auf eine ranzige Olive gebiſſen hätte. „Trotzdem— für dich iſt das egal, er iſt dein Mann!“ „Alſo du würdeſt——“ Marie Louiſe iſt in den nächſten Wochen nicht mehr nach Hetzendorf gegangen. Sie hat aufgeatmet, als ſie Ende Juni endlich doch noch die Erlaubnis ertrotzt hatte, die Badereiſe nach Aix anzutreten. * 72 2 LInconſtant— Anbeſtändig Nun iſt der Prinz mit Tante Kiu allein. Es iſt faſt beſſer ſo. Träumt er von ſeinem Vater? Es iſt Juli. Weit, weit von Wien auf einer kleinen Felſeninſel im Mittelmeer ſteht der Mann, deſſen Name unausſprechlich geworden iſt, und ſtarrt zur fernen Küſte hinüber. Seine Getreuen bekommen ſelten ein Wort von ihm zu hören. Aber ſie ſehen ihn oft vor Marie Louiſes und des Kindes Bild ſtehen. Einmal ſind ihm dabei Tränen über die Wangen gelaufen. Und als er ſich umwandte, hat er heiſer geſagt: „Man nimmt mir, wie man es im barbariſchen Alter⸗ tum mit den Beſiegten tat, mein Kind weg, um es vor dem Triumphwagen der Sieger hergehen zu laſſen...“ Er weiß, daß Marie Louiſe in Aix iſt. Darin erkennt er ihren Willen, zu ihm zu kommen. Er wird plötzlich fröhlich, er glaubt wieder an das Leben. Die Bosheit, mit der man ihn behandelt, läßt ihn kalt. Die Intrigen durch⸗ ſchaut er. Eines Tages taucht die Gräfin Waleska, die ſeine Ge⸗ liebte war und ihm einen Sohn geboren hat, in Elba auf. Die Diplomaten des„tanzenden Kongreſſes“ ſind erfinde⸗ riſch in ſolchen Staatsaktionen. Sie haben die Waleska eigens nach Elba reiſen laſſen, um— Marie Louiſe zu melden, daß Napoleon ſeine Geliebte bei ſich hat. Der zuckt nur die Achſeln. Schickt die Waleska heim. Seine Briefe an Marie Louiſe ſind zärtlich, ein geheimes, zitterndes Flehen iſt in ihnen. Vielleicht hat man, als Gegenſtück zu dem Streich mit der Waleska, ihm zutragen laſſen, daß Marie Louiſe einen ſehr hübſchen, ſehr gewand⸗ ten, ſelbſtſicheren Mann als Reiſebegleiter zugeteilt be⸗ kommen hat? Der gemeine Klatſch eilt der traurigen Wahrheit vor aus. Marie Louiſe.. findet an dieſem Reiſebegleiter, dem flotten Grafen Adam von Neipperg, Gefallen. Sie hat jemand gefunden, der ſie verſteht, ſich wirklich um ſie kümmert. Langſam wandelt ſich die Sympathie in mehr Ungeduldig geworden, ſchickt Napoleon einen Vertrau⸗ ten nach Aix. Er ſoll Marie Louiſe beſtimmen, einfach auszureißen, nach Genua zu kommen. Oh, ſie wird nicht im Sturm auf einem Fiſcherkahn übers Meer fahren müſ⸗ ſen— ein Schiff, deſſen Kapitän ein Getreuer iſt, wartet im Hafen. Napoleon wartet, wartet, wartet. Er, der ewig raſtlos war, nie warten hat können, lernt Stunden zählen, Tage ... Wochen. Er wird düſter, ſein Blick iſt oft wie erloſchen, oft glüht er in jähem Zorn auf. Das ſind die Stunden, in denen die Flucht aus Elba in ihm Geſtalt annimmt. Er ſieht ſich in Frankreich landen, die Getreuen ſtreben ihm zu— es iſt ein Triumphzug— wie ein Kartenhaus fällt das Bourbonenregime zuſammen. Wieder reitet der Kai⸗ ſer ſein weißes Pferd, wieder tragen ſeine Getreuen die napoleoniſchen Adler durch Europa— oh, er wird ſie alle, alle ſeine Feinde, zerſchmettern! Er wird ſich die Frau wiederholen, die man ihm geſtohlen hat, das Kind, ſeinen Sohn, ſeinen kleinen König von Rom— 5 Der Bote iſt aus Aix zurück. Napoleon fragt ihn nicht. Das Schweigen laſtet ſchwer auf allen. Zwei Tage nach der Rückkehr des Vertrauten fragt er, wie von ungefähr: „Wie hieß eigentlich dieſe Brigg, die wir nach Genua ſandten““? „L'Inconſtant, Sire.“ L'Inconſtant... Unbeſtändig. Wortlos wendet ſich Napoleon ab. „Armer, kleiner Prinz“ Im September kehrt Marie Louiſe nach Schönbrunn zurück. Aus jenen Tagen ſtammt ein Brief, den die Gräfin Montesquieu nach Hauſe ſchreibt. Ihre Familie drängt die„Gouvernante“, heimzukehren, aber die Kiu bringt es nicht übers Herz.„Wenn dieſes Kind— eine Mutter hätte, würde ich es in ihre Hände geben und ohne Kummer abreiſen...“ Dieſe Frau ſieht die Gefahr, die ſich, enger und enger, um ihren Schützling zuſammenzieht. Sie ſieht, wie die Diener allmählich gegen andere ausgetauſcht werden, und mit klarem Blick erkennt ſie in dieſen neuen Geſichtern, die ringsum auftauchen, die Fratzen elender Spitzel. Da nimmt ſie den Kampf um die Seele des Kindes auf. Schweigend, zäh— ach, dieſe Hofdame, der die Etikette ſo viel gilt, wächſt über ſie hinaus; ſie wagt es jetzt, Marie eine Mutter hätte“ Louiſe zu überſehen, ihr kaum noch auf Fragen zu ant⸗ worten. Sie wird nicht zulaſſen, daß die Staatsräſon den Mord an dieſem Kinde begeht, es die„Verbrechen des Vaters ſühnen“ läßt! Nicht, ſolange ſie hier iſt!“ Und der Knabe vergilt ihr dieſe opferwillige Liebe mit einer Anhänglichkeit, einer Zärtlichkeit, die Tante Kius altes, müdes Herz warm und jung ſchlagen läßt Sie meint nicht den kleinen Kaiſer, Tante Kiu. Sie meint ein zartes kleines Bubengeſicht, dem ſeidige Locken in die Stirn fallen. Etwas in ihr wird ſtahlhart und gibt doch einen reinen Glockenklang, wenn der Bub dann un⸗ mutig ſagt:„Die Bäume hier ſind nicht ſo ſchön wie bei uns Eines Abends wacht die Kiu auf— ſie hat einen ſehr leichten Schlaf, und ſie träumt ſo oft, daß man ihr den Kleinen ſtehlen, rauben will. Sie lauſcht. Irgendwer hat da draußen geſprochen. Sie ſteht auf, taſtet ſich, ohne Licht zu machen, an die Tür heran. Nichts. Jetzt ſchiebt ſie die Vorhänge ein wenig zur Seite. Unten.. der Schloßhof im Mondlicht. Am Hori⸗ zont, weiß ſchimmernd, die„Gloriette“ mit ihren hochge⸗ ſpannten Bogenfenſtern. Eine ſeltſame, unheimliche Span⸗ nung iſt in allen Dingen. Irgend etwas Furchtbares, Un⸗ geheures iſt geſchehen. Aus dem Nebenzimmer... Flüſtern, ein Kinder⸗ ſtimmchen. Der kleine Prinz, nervös, überreizt, ſpricht ſo laut im Traum. Daran iſt Madame de Montesquieu gewöhnt. Das Schloß liegt ganz ſtill. Wer irgend etwas gilt, iſt nach Wien in die Hofburg gefahren, der Kongreß, zwei Kaiſer, ein Dutzend Könige, Fürſten und Diplomaten nach Hunderten, ſie alle feiern; es iſt eines dieſer Feſte, die ein⸗ ander drängen, Tag um Tag, ſeit Monaten, da will keiner fehlen, keiner will dieſe köſtlichen Stunden, jeder will bei einer Quadrille noch einen Fetzen Land und ein paar tauſend Untertanen für ſich herausſchinden. Die Pendeluhr, nebenan, ſchlägt langſam— elf Schläge ſind es, ihr metalliſcher Klang verzittert in der Stille. Die Kiu will zu ihrem Bett zurückgehen, da eilen draußen Schritte auf dem Korridor, eine Tür geht, dann ſagt eine Stmme, leiſe, erſchrocken, fieberhaft:„Napoleon iſt in Frankreich gelandet.“ Sie weiß ſofort, daß das wahr iſt, wahr ſein muß. Sie zittert, aber ſie zweifelt keinen Moment. Ganz ſachte öffnet ſie die Tür zu dem Kinderzimmer, ſchleicht näher heran. Dann ſteht ſie über das Bettchen gebeugt und murmelt: „Armer, kleiner Prinz..“ a. Sie fahren entſetzt auseinander.., all die Gold⸗ betreßten, die ſich am 28. Februar noch ſo ſicher fühlten, die noch ſo ungeſtört ihr Diplomatengeſchäft betrieben, während das verhängnisvolle Schiff, den Kaiſer an Bord, bereits in den Golf von Juan einfuhr. Mit einem jähen Mißton iſt die Muſik dieſes tanzen⸗ den Kongreſſes abgebrochen: Nun ſtehen ſie, noch in der Poſe eines Tanzes— wie erſtarrt— Totenſtille. Hören ſie ſchon fern, anſchwellend, die Trommeln? Sie haben aushandeln, verſchachern und verramſchen wollen, was die Schwerter im Heldenkampf geholt: Die Freiheit. Jetzt rollt die Feder unter den Tiſch, jetzt hat wieder das Schwert das Wort. Vielleicht hat die Nachricht von der Landung Napo⸗ leons in Frankreich niemand perſönlich ſo tief erſchreckt wie Marie Louiſe. Ihr mußten die Trompetenſignale der Truppen, die durch die Straßen von Wien zogen, wie die Fanfaren des Gerichtes klingen. Sie hatte ſich aus den Problemen, die ihr kleines Herz nicht beſſer zu löſen ver⸗ mochte als ihr unfertiger Verſtand, aus dem ſtürmiſchen Meer der gewaltigen Ereigniſſe auf ein Inſelchen gerettet — ſie liebt den netten, ritterlichen Neipperg, der ſo luſtig zu erzählen, ſo hübſch auf dem Klavier zu ſpielen verſteht. Sie macht kein Hehl aus dieſer Liebſchaft, täglich reitet ſie mit Neipperg aus, faſt immer iſt ſie in ſeiner Geſellſchaft; es hat bereits feſtgeſtanden, daß er ſie nach Parma beglei⸗ ten würde, ſobald der Kongreß ihr die drei Herzogtümer auch noch formell zugeſprochen hätte. Ich habe ihn ſehr lieb! Und nun—— Wenn Napoleon—— ſiegt— 2! Wenn er ſie und das Kind zurückfordert? Wohin wird ſie vor ihm fliehen? Wer wird ſich dem Sieger widerſetzen und ihr Aſyl gewähren?! Knapp zehn Tage ſpäter gelangt, um Marie Louiſe vollends in Verzweiflung zu treiben, eine geheime Bot⸗ ſchaft Napoleons zu ihr. Aus Grenoble hat der Kaiſer ſie geſandt, in einer Nußſchale haben ſeine Getreuen ſie durch Dutzende von Paßkontrollen und Leibesviſitationen hin⸗ durchgeſchmuggelt. Dieſer Brief iſt flehentliche Bitte und Befehl zugleich. Napoleon ruft ſeine Frau und ſeinen Sohn zu ſich. Wieder zehn Tage ſpäter, am 20. März, trifft ein an⸗ derer Bote in Schönbrunn ein: der Oberſt Anatole de Montesquieu, Kius Sohn. Gleichzeitig überbringt ein dritter Mittelsmann, Méneval, Briefe von Napoleons Bruder Joſeph. Frankreich fiel, nein, Frankreich flog Na⸗ poleon zu. Keine Hand hatte ſich gerührt, um den Bour⸗ bonen zu verteidigen. Alle dieſe Briefe. legt Marie Louiſe ſelbſt auf den Schreibtiſch des Vaters. Sie iſt eine ſehr fügſame Tochter: Marie Louiſe f Inzwiſchen hat ſich der kleine Prinz in Schönbrunn N cite, ehe, Gemuese, Ce,, Nee, S 550 Aufnahme: Hiſtoriſcher Bilderdienſt— M Tage des Glücks. Napoleon mit ſeinem Sohne, dem König von Rom, kurz vor ſeinem Sturz. Tante Kiu ihn in die Menagerie fährt. Bleibt man zu Hauſe, zum Beiſpiel an Regentagen, ſo kann er ſtunden⸗ lang vor ſeinen Spielſachen ſitzen, ohne eigentlich zu ſpie⸗ len. Er neigt zur Grübelei. Tante Kiu hat zuweilen den Beſuch des franzöſiſchen Geſandten, des Herrn de Meéne⸗ val. Es geſchieht, daß die gute Frau mitten im Geplauder aufblickt und dann warnend einen Finger auf die Lippen legt. Der Knabe, jetzt vierjährig, ſchnappt Dinge auß, ahnt Zuſammenhänge, die ſein Verſtand unmöglich zu ver⸗ arbeiten vermag. Ein italieniſcher Abbate kommt dreimal wöchentlich Sprache ſeines zukünftigen Herzogtums. Schon weiß der Kleine, ganz nett italieniſch zu plaudern. Nur das Deutſche wird in Schönbrunn vernachläſſigt. Man kommt gar nicht auf den Gedanken, einen Deutſchlehrer zu beſtellen. Der Prinz lernt ein paar Brocken von— ſeinem Kammer⸗ diener. Das genügt. Man ſpricht in Schönbrunn deutſch ja doch nur mit dem Kammerdiener Wer hat dem Prinzen geſagt, daß ſein Vater nach Frankreich zurückgekehrt iſt? Bei Hof beſchuldigt man die Gräfin Montesquieu, aber ſie ſtreitet es auf das ent⸗ ſchiedenſte ab. Ihr liege es fern, ſagte ſie, dem Kinde ſein Leben„noch ſchwerer“ zu machen. Das iſt eine harte Kri— tik, eine ſehr wehrhafte Antwort. Eines Tages kommt Méneval— der Prinz nennt ihn zutraulich Mewa— zu Tante Kiu, er iſt blaß und ſehr ernſt. Der Krieg iſt eröffnet, und wenn irgend jemand geglaubt hat, daß Kaiſer Franz ſeinem Schwiegerſohn helfen würde, ſo hat er ſehr gerirrt. Ueberall in Europa das Einverſtändnis des Wiener Hofes geſichert hat. Ein Irrtum. Gerade der Wiener Hof iſt es, von dem am 13. März, genau zwei Wochen nach Napoleons Landung in Frankreich, die berühmte Achterklärung gegen den ver— brecheriſchen Unruheſtifter ausgeht. Nun iſt Méneval gekommen, um Abſchied zu nehmen, Man hat ihm ſeine Päſſe zugeſtellt. Sonſt iſt der kleine täuſcht tritt der Geſandte zu ihm. „„Ich reiſe nach Paris.. ich werde Papa ſehen. Soll ich ihm nicht etwas von dir beſtellen?“ aber kein Wort kommt über ſeine Lippen. Im Hinaus⸗ gehen fühlt Méneval, wie jemand an ſeinem Rockſchoß zupft— er wendet ſich um, der Kleine ſtellt ſich auf die Zehenſpitzen, leiſe, mit vom Schluchzen gewürgter Stimme, gariſchen Leibgarde, daß dem vornehmen Herrn, der an ihnen vorbeieilt, die Tränen laufen. Der Vierjährige als Geiſel 5 Prinzen. Man iſt in Wien ſehr beſorgt. f an den Präſidenten der Polizeibehörde, den Freiherrn mit doppelter Sorgfalt zu bewachen und um all dieſe Franzoſen, die Schönbrunn umlagern und über deren Ge⸗ ſinnung man keine verläßliche Bürgſchaft haben kann, aus ſeiner Nähe zu entfernen?“ 5 Hier iſt es zum erſtenmal klar ausgeſprochen. Dieſer Vierjährige iſt Geiſel— iſt ein„Unterpfand“. Man muß es feſt in Händen halten, um den Vater kirre zu machen, Schon malt die Phantaſie ein Schreckgeſpenſt an die Wand; Dieſe Franzoſen in Schönbrunn könnten den Kaiſersſohn einigermaßen eingelebt. Am liebſten hat er es, wenn entführen! Fortſetzung folgt.) — Die Jugend von heute iſt der Staat von morgen. und unterrichtet den kleinen Prinzen von Parma in der hat man gemunkelt, daß Napoleon ſich ſchon von Elba aus Prinz ihm immer fröhlich entgegengeſprungen— heute hält er ſich zurück, meidet ſogar Ménevals Blick. Ent Die großen blauen Augen des Kindes ſind traurig, flüſtert er:„Sag ihm, Mewa, daß ich ihn ſehr lieb habe.“ Der Geſandte nickt. Dann geht er raſch hinaus. Drau⸗ f ßen auf dem Korridor wundern ſich die Soldaten der un- über die Wangen herab In dieſen Tagen beginnt die Leidenszeit des kleinen „Iſt dieſes Unterpfand“, ſchreibt Graf Chotel von Hager,„nicht in jeder Hinſicht äußerſt wichtig, um 2