groß. migen ir es 23. PDite Spoli⸗ en itt. ar an dann r un. ewäh⸗ 5 Kg. min⸗ as iſt taupe was . Die Upen. enge 0 Kg. dogel⸗ eize 950 8 40 über jedes Nper⸗ dert; 5,0, ſtrie⸗ lg chnit⸗ ucker⸗ ieſen⸗ les 6 3,50, eizen⸗ Nehl⸗ bis 9,80, 20 je öher; Nr. 178 Neckar⸗Bote(2. Blatt) Dienstag, 3. Auguſt 1837 Deutſch⸗engliſche Geſellſchaft Badens Ausſtellung„Heidelberg und die Angelſachſen“ Heidelberg, 2. Auguſt. Mit einer Feſtſitzung in den Räumen des Kurpfälziſchen Muſeums fand die Gründung der Zweigſtelle Baden der Deutſch⸗Engliſchen Geſellſchaft mit dem Sitz in Heidelberg ſtatt. Den Vorſitz der Geſellſchaft hat Geheimrat Hoops übernommen, der bekannte Heidelberger Angliziſt, der aber an der Gründungsverſammlung ſelbſt nicht teilnehmen konnte, da er ſich auf der Fahrt nach Nordamerika befindet. Oberbürgermeiſter Dr. Neinhaus hielt die Eröff⸗ nungsanſprache, in der er betonte, daß alle aufgeforderten engliſchen und deutſchen Perſönlichkeiten ſofort ihr größ⸗ tes Intereſſe an der zu gründenden Geſellſchaft bekundet hätten. Es könnten nicht genug Wege und Brücken ge⸗ baut werden zur Verſtändigung der Völker im Sinne des Friedenswerkes unſerers Führers. In dieſem Falle, in dem es ſich um England handele, ſei Heidelberg als Sitz der Geſellſchaft beſonders geeignet, denn ſeit der Vermäh⸗ lung einer engliſchen Prinzeſſin aus dem Herrſcherhauſe Stuart mit einem pfälziſchen Kurfürſten beſtanden durch die Jahrhunderte engſte kulturelle Beziehungen zwiſchen Heidelberg und England. Berühmte engliſche Maler haben in Heidelberg gemalt, Dichter und Diplomaten bevorzugten Heidelberg, Prinzen wohnten hier, wo einſt ein Jahrhun⸗ dert lang eine engliſche Kolonie ſich befand, wo eine eng⸗ liſche Schule und eine engliſche Kirche beſtanden und wo die Univerſität ihre Verbindungen nach England knüpfte. Der neuen Geſellſchaft werden im Gebäude des Kurpfälziſchen Muſeums Räume zur Verfügung geſtellt, und jeder Eng⸗ länder, der nach Heidelberg kommt, wird gerade hier neben dem Alten auch große architektoniſche Dokumente unſerer neuen Zeit finden. Vorſtandsmitglied Hewel überbrachte ſodann die Grüße u. Wünſche des Vorſitzenden der Deutſch⸗Engliſchen Geſellſchaft in Berlin, des Herzogs von Coburg⸗Gotha, ſo⸗ wie des deutſchen Botſchafters von Ribbentrop. Der Rech⸗ ner erinnerte an die Weltbedeutung des Namens Heidel⸗ berg, deſſen Beziehungen zum engliſch ſprechenden Teil der Erde ſo eng ſind, daß man ſich nur freuen könne, daß der neue Zweig der Geſellſchaft gerade in Heidelberg ſeinen Sitz haben werde. Die Deutſch⸗Engliſche Geſellſchaft ſei vor zwei Jahren gegründet worden. Sie wolle Verbindun⸗ gen vermitteln und freien Meinungsaustauſch ermöglichen zwiſchen Perſönlichkeiten und Gruppen in England und im neuen Deutſchland, die gewillt ſind, für die Verſtändigung beider Länder zu arbeiten. Zum Schluß wünſchte er der Geſellſchaft von Herzen Glück und Erfolg, wie es anſchlie⸗ ßend auch Prof. Evans im Namen der Anglo⸗Ger⸗ man Fellow Ship und Miß Miller aus London im Na⸗ men der weiblichen Mitglieder dieſer Geſellſchaft tat, die let in Lonoon bereits 660 Mitglieder zählt. Den Beſchluß der Redner bildete der engliſche Generalkonſul Small⸗ bones, der darüber ſprach, daß die Geſellſchaft gewiſſer⸗ maßen diplomatiſche Aufgaben habe und ſich zweifellos Verbindungen ſchaffen und ſie ausweiten werde, um dem gegenſeitigen Verſtändnis beider Länder zu dienen.— Da⸗ mit war der Gründungsakt der Deutſch-Engliſchen Geſell⸗ ſchaft in Baden beendet. Am Sonntag fand die Eröffnung der Ausſtellung Heidelberg und die Angelſachſen“ ſtatt. Ober⸗ vürgermeiſter Dr. Neinhaus begrüßte die anläßlich der Gründung der Deutſch⸗Engliſchen Geſellſchaft in Heidelberg weilenden Gäſte. Die Ausſtellung iſt, wie der Oberbürger⸗ meiſter ausführte, der erſte Verſuch einer Stadt, in einer kleinen Schau zu zeigen, wie dieſe Stadt in den Au⸗ gen und den Empfindungen einer großen Nation ſich ſpie⸗ gelt, ein Verſuch, der ſpäter vielleicht auch einmal auf das ganze Reich auszudehnen iſt. „Die von Dr. Wannemacher zuſammengeſtellte Schau ibt in lebendiger, anſchaulicher Form einen Ueber⸗ lick über die mannigfaltigen Beziehungen zwiſchen Hei⸗ delberg und den angelſächſiſchen Ländern. Sie ſetzt mit jenen geſchichtlichen Beziehungen ein, die beginnen mit der im Jahre 1401 vollzogenen Vermählung des Sohnes von Rupprecht III. von der Pfalz mit der zehnjährigen Tochter Heinrich IV. von England und fortgeſetzt werden mit der etwa 200 Jahre ſpäter erfolgten Heirat von Friedrich V. von der Pfalz mit Eliſabeth Stuart, der Tochter König Jakobs J. von England, aus welcher Ehe u. a. die Prin⸗ zeſſin Sophie entſtammt, die zur Stammutter aller engli⸗ ſchen Könige bis zur Gegenwart wurde. Es werden wei⸗ terhin die zu Anfang des 19. Jahrhundert erfolgten künſt⸗ leraſchen Beziehungen auf dem Gebiet der Malerei darge⸗ legt, 1 der Niederſchlag des Heidelberger Erlebens im angelſä — 2—— ENA 2 Die 15 „Sie ſind heute ſehr müde, Ilſe⸗Dore. Wollen wir doch nicht lieber zur Ruhe gehen? Es iſt ohnehin ſpät genug,“ ſagte die alte Dame nach einer Weile freundlich. „Ja, ich glaube, ich bin ſehr müde.“ R 8 Aber Ilſe⸗Dore Helmrodte, die reiche vielbeneidete junge Erbin lag wach, bis die Sonne aufging. Und ſie weinte, weinte, wie ſie nie gedacht hatte, daß ein Menſch weinen könne. Kein Gedanke ſtreifte mehr den Prinzen. Nur die Geſtalt des Arbeiters ſtand vor ihr, der ſie mit ſpöttiſchen Augen feindſelig anſah. 8 Und noch mehrere junge Damen konnten in dieſer Nacht nicht gut ſchlafen. Sie neideten der reichen ſchönen Ilſe⸗ Dore Helmrodte das Glück, Prinzeſſin Liebenſtein zu werden. 5 Roman von Gert Rothberg. * Die Jahrhundertfeier der Helmrodte-Werke war da. Drei Tage dauerte ſie! Ilſe⸗Dore erhielt ſo viele Glück⸗ wünſche, daß es ihr beim beſten Willen nicht möglich war, ſie alle zu leſen. Eine der rieſigen Hallen in den Werken war ausgeräumt und zum Feſtſaal umgewandelt worden. Aber es erwies ſich, daß ſie nicht reichte. So hatte man noch Zelte im Freien errichtet. 5 Ilſe-Dore ſaß mit ihren Verwandten. Frau von Rö⸗ der, dem Baron Neſtler, der ſich durchaus nicht hatte ab⸗ halten laſſen, ſchon heute zu kommen, und der das Feſt beim Prinzen Liebenſtein einer kürzeren Reiſe halber nicht hatte beſuchen können, an einer Tafel auf der linken Seite der Halle mitten zwiſchen ihren Arbeitern und Beamten. Die Direktoren nit ihren Frauen hatte Ilſe⸗Dore mit an ihre Tafel gebeten. s Onkel Sebaldus hatte eine verkniffene Miene aufge⸗ ſetzt und tat, als hätte er ſich eine ganz beſondere Feſt⸗ überraſchung noch aufgeſpart. a chſiſchen Schrifttum und ſchließlich die gegenwärtigen Macht des Schickſals engen Beziehungen, die auch aus der außergewöhnlich hohen Zahl der fremden Beſucher angelſächſiſcher Zunge er⸗ kennbar ſind. Mit der Gegenüberſtellung der Schönheiten des alten Heidelberg und der Schöpfung des neuen Heidel⸗ berg(Feierſtätte und Ehrenfriedhof) ſchließt die Ausſtel⸗ lung, deren Anſchaulichkeit vor allem in der geſchickten Ver⸗ bindung zwiſchen Dokument und erläuterndem Tert lieat. Am Nachmittag fanden ſich die Ehrengäſte zur Eröff⸗ nung des deutſch⸗engliſchen Jugendlagers auf dem Bierhelderhof bei Heidelberg ein. Unterbannfüh⸗ rer Stähle begrüßte die jungen Engländer und die Gäſte und gab der Hoffnung Ausdruck, daß die engliſche Jugend an der ſtraffen Geſchloſſenheit der Hitler-Jugend den Won⸗ del erkennen möge, der in Deutſchland vor ſich gegangen iſt. Kreisleiter Seiler forderte die Jungen auf, im Zuſam⸗ menleben in dieſem Lager ſich ein Bild vom neuen Deutſch⸗ land da i 1 und wahrhaft getreu iſt. Nach der Flaggenhiſſung folgte eine Führung d Ehrengäſte durch das Lager, 5 wenige 5 Meter ſüdlich des Ehrenfriedhofes auf einem freien Platz liegt. In einen beiden Häuſern werden während der nächſten Unterkunft Wochen je 30 engliſche und deutſche Jungen finden. Ein großes Schwimmbecken ſorgt für Erfriſchung an heißen Tagen, der freie Platz lockt zu Spiel und Spork. Mit der Eröffnung dieſes Lagers fanden die Veranſtal⸗ tungen anläßlich der Gründung der Deutſch⸗Engliſchen Ge⸗ ſellſchaft in Heidelberg ihren Abſchluß. Das Eigenheim iſt billiger Eine aufſchlußreiche Berechnung. Vom Statiſtiſchen Reichsamt wird mitgeteilt: Die Bau⸗ koſten je Wohnung müßten bei gleicher Ausſtattung und Bau⸗ weiſe in Eigenheimen höher ſein als in Miethäuſern; denn bei den Eigenheimen haben die mehr fixen Koſtenbeſtandteile, wie Fundament, Anterkellerung und Dach, ein größeres Ge⸗ wicht gegenüber den mehr proportionalen Koſten für die Erſtellung der eigentlichen Wohnräume. In der Tat waren bei der früheren Erhebung für die Jahre 1930 bis 1932 die Baukoſten der Wohnungen in Kleinhäuſern regelmäßig höher als die Koſten des gleichen Wohnungstyps in Mehr⸗ familienhäuſern. Im Jahre 1933 iſt hierin ein Wandel ein⸗ getreten. 1933 waren nur in den Gemeinden bis zu 20000 Einwohnern die oſten je Wohnung bei den Eigenheimen höher als bei den Miethäuſern, in den größeren Gemeinden dagegen niedriger. Hierin kommt der von der nationalſozia⸗ liſtiſchen Staatsführung durch„Reichsbaudarlehen“ geförderte Uebergang zum einfacheren Eigenheim zum Ausdruck. Dieſe Tendenz iſt ſo ſtark, daß ſie in den Großſtädten ſogar die De⸗ greſſion der fixen Koſten bei Miethäuſern überlagert.(Bei den großſtädtiſchen Miethäuſern mit ſehr viel Wohnungen iſt der Anteil der fixen Koſten für Fundament, Unterkelle⸗ rung und Dach, der auf die einzelne Wohnung entfällt, be⸗ ſonders niedrig). Die Bewegung hat ſich bis zum Jahre 1935 noch berſtärkt. 1935 waren die Baukoſten je Wohnung in Eigenheimen nur noch in den Gemeinden bis zu 3000 Ein⸗ wohnern höher als die Baukoſten je Wohnung in Miethäu⸗ ſern, in allen ubrigen Gemeindegrößenklaſſen dagegen meiſt niedriger.(Eine Ausnahme machen hier nur die größeren Wohnungen in den Großſtädten). Das deutſche Meiſterſchafts⸗Schachturnier. Kieninger hat's geſchafft! Nun iſt der ſo erbittert durchgeführte deutſche Schach⸗ meiſterſchaftskampf entſchieden: Kieninger⸗Köln holte ſich den Titel Deutſcher Schachmeiſter 1937. Kieninger ging in den letzten Partien mit großer Vorſicht zu Werke. Er ſiegte gegen Rodatz⸗Hamburg; in der Partie gegen Schmitt⸗Breslau holte er ein Unentſchieden heraus, obwohl er nicht günſtig ſtand und gewann dann in der letzten Runde in ſieben Stunden gegen Ernſt⸗ Gelſenkirchen. Zweiter wurde der vorjährige Meiſter Richter⸗Berlin, der die beiden letzten Spiele gegen Heinrich⸗Ludwigshafen und Reinhardt Hamburg zwar gewann, er blieb aber ins⸗ geſamt gegen Kieninger um einen halben Punkt im Nachteil. Rellſtab⸗Berlin wurde Dritter. Der Schlußſtand: 1. Kie⸗ ninger⸗Köln 9,5 Pkt., 2. Richter⸗Berlin 9, 3. Rellſtab⸗ Berlin 8, 4. Michel⸗Nürnberg 8, Reinhardt, Schmitt, Kranli je 7,5, Zolner 7, Engels, Dr. Lachmann je 6,5 uſw: Heinrich⸗ Ludwigshafen marſchiert am Schluß der Tabelle mit 2 Punkten. Er hat zweifellos enttäuſcht, und trotzdem hat er ſpieleriſch immerhin viel gezeigt, es fehlt ihm aber die Erfahrung in ganz großen Kämpfen, ſonſt wäre manche ſeiner Partien für ihn zu einem Punkt geworden. Dem war auch ſo! Geſtern hatte er den Prinzen Liebenſtein geſprochen. Der hatte ihn gebeten, heute kommen zu dürfen und der ene Herrin der Helmrodte⸗Werke perſönlich zu gratu⸗ ieren. Freudigen Herzens hatte Sebaldus zugeſagt. Die ernſte Abſicht des Prinzen war nicht mehr zu verkennen. Und darob erfüllte den alten Helmrodte eitel Sonnenſchein. Nach einigen Anſprachen während der Feſttafel wurde dann getanzt. Es herrſchte eine allgemeine frohe Laune. Ilſe⸗Dore hatte zum Ausbau der Wohnungskolonie der Arbeiter eine ſehr hohe Summe geſtiftet und man hatte ihr herzlich und dankbar die Hände geſchüttelt. Ilſe⸗Dore tanzte mit den Direktoren, und als ſie ge⸗ rade mit einem alten, in den Werken ergrauten Werk⸗ meiſter tanzte, erſchien Prinz Liebenſtein mit einem rieſi⸗ gen Strauß roſa Chryſanthemen. Da außer den wenigen Beteiligten von der großen Menge niemand wußte, wer er war, ſo brachte ſein Erſcheinen weiter kein Aufhebens in die allgemeine Feſtſtimmung. Ilſe⸗Dore ſprach noch ein Weilchen mit dem alten Manne, und ſie ſagte leiſe:„Ich möchte einen Walzer mit Herrn Heinsberg tanzen.“ 5 Sie wußte ja, daß der Alte der Meiſter des Rudolf Heinsberg war. 5 1 Der alte Schubert nickte eifrig. „Ach ja, Fräulein Helmrodte, der wird ſich aber über dieſe Ehre freuen,“ ſagte er dann ahnungslos, verbeugte ſich linkiſch und humpelte davon. Ilſe⸗Dore hatte Rudolf Heinsberg noch nicht geſehen. Sie wußte nicht einmal, ob er da war. Aber aus den Wor⸗ ten Werkmeiſters Schuberts durfte ſie wohl entnehmen, daß es der Fall war. Ihr Herz ſchlug laut und unruhig. Würde er kommen? i Sie wandte ſich ihrem Tiſch zu und ſah jetzt erſt den Prinzen Liebenſtein, der ſich tief verbeugte. i Sie reichte ihm die ſchmale Hand. die er küste. Das Braune Band von Deutſchland Preisverkeilung an die Sieger München, 2. Aug. Im Rennen um das Braune Ban d von Deutſchland— dem größten pferdeſport⸗ lichen Ereignis des Jahres, das mit 100 000 Mark dotiert iſt— erſchienen 14 Pferde am Start. Das Braune Band fiel nun zum dritten Male an Deutſchland: Blaſius(Rei- ter und Beſitzer W. held) ſiegte, dicht gefolgt von dem Franzoſen Vatellor. Bei der feierlichen Preisverteilung hef⸗ tete Staatsminiſter Gauleiter Adolf Wagner dem Trainer des Siegerpferdes Blaſius, Valentin Seibert, das Braune Band von Deutſchland an die Bruſt und überreichte ihm die Goldene Medaille. Ebenfalls eine Goldmedaille erhiel⸗ ten der Reiter und Beſitzer des Pferdes, W. Held, und das Geſtüt Waldfried, während dem Züchter ein von Miniſter⸗ präſident Siebert geſtifteter Tafelaufſatz ausgehändigt wurde. Den Ehrenpreis des Führers und Reichs⸗ kanzlers im Springſport um das Braune Band, eine Bernſteinſchale, überreichte ebenfalls Staatsminiſter Wagner zuſammen mit einer goldenen Plakette dem Haupt⸗ mann von Barkenow von der Kavallerieſchule Hannover. Rittmeiſter Haſſe, ebenfalls von der Kavallerieſchule Han⸗ nover, erhielt den Ehrenpreis und eine ſilbere Plakette, während den dritten Preis und eine bronzene Plakette der rumäniſche Hauptmann Rang in Empfang nehmen konnte. Cramm in Hamburg geſchlagen Der Auſtralier Bromwich ſorgte für dieſe Senſakion. Waren die beiden erſten Tage der internationalen Ten⸗ nismeiſterſchaften von Deutſchland in Hamburg ohne nen⸗ nenswerte Ueberraſchungen vorübergegangen, ſo gab es am Montag mit der Niederlage unſeres Spitzenſpielers Gott⸗ fried von Cramm, der ſeit dem Jahre 1932 im Beſitz des Titels iſt, gleich eine Ueberraſchung ganz großen Kallbers. Der Mitbeteiligte an dieſer Senſation war der blutjange Auſtralier John Bromwich, der mit ſeinem unorthodoxen Spiel(er ſchlägt beidhändigl) und ſeiner unerſchütterlichen Ruhe den Titelverteidiger mit 6:1, 1:6, 63, 2:6, 6:2 ſchlug. Cramm, der natürlich auch diesmal wieder erſter Meiſter⸗ ſchaftsfavorit war und nun ſchon im Kampf um den Eintritt ins Viertelfinale ſcheiterte, zeigte nur ſtreckenweiſe ſein Kön⸗ nen. Dazwiſchen lag viel Unſicherheit und Nervoſität. AOA ⸗Athleten in London ſiegreich Ehrenvolle Plätze für Müller und Schröder. Leichtathletik iſt in dieſen Wochen Trumpf! Sahen am letzten Sonntag faſt 80 000 begeiſterte Leichtathletikfreunde die großen Kämpfe im Berliner Olympiaſtadion, ſo wohn⸗ ten 24 Stunden ſpäter der großen internationalen Veran⸗ ſtaltung im Londoner White⸗City⸗Stadion ſogar 83 000 zah⸗ lende Zuſchauer bei. Deutſchland war bei dieſem großen Sportfeſt, an dem 17 Nationen teilnahmen, nicht ſehr ſtark vertreten. Die deutſchen Vertreter Willy Schröder und Ju⸗ lius Müller mußten ſich mit ehrenvollen Plätzen begnügen. Schröder wurde hinter dem amerikaniſchen Olympiaſieger Kenneth Carpenter Dritter im Diskuswerfen, und Müller belegte im Stabhochſprung einen zweiten Platz, ohne die 4=Meter⸗Marke überſpringen zu können. Sieger wurde der Oeſterreicher Prokſch mit 4,078 Meter. Das Hauptintereſſe konzentrierte ſich auf den erſten Start der amerikaniſchen Mannſchaft. Er fiel recht eindrucks⸗ voll aus. Der Neger⸗Sprinter Johnſon legte auf die 100 und 220 Yards Beſchlag; ſein Namensvetter, der Olympfiaſieger Cornelius Johnſon, ſiegte im Hochſprung mit 1,95 Meter. Leichtathletik In der Leichtathletik ſtand das Internationale Feſt im Berliner Olympiaſtadion im Mittelpunkt. Vor 80 000 Zu⸗ ſchauern gab es erſtklaſſige Leiſtungen. Harbig, der vor acht Tagen noch einen neuen 800⸗m⸗Rekord aufſtellte, ver⸗ beſſerte diesmal die 400⸗-m⸗-Beſtleiſtung Büchners aus dem Jahre 1928 von 47,8 auf 47,6 Sek. Schnellſter Sprinter war der Frankfurter Hornberger. Im Preis der Nationen, einem Mannſchaftslaufen über 3000 m, ſiegte Deutſchland vor Schweden, Norwegen, Frankreich und Dänemark. Die Polin Walſiwicz wurde Doppelſiegerin über 100 m vor Käthe Krauß und im Weitſprung.— Kleinere Sportfeſte, aber mit guten Durchſchnittsleiſtungen gab es in Arbeil⸗ gen und Pforzheim. Beim Internationalen Feſt in Brüſſel gab es einige deutſche Siege, ſo über 100 m, 200 m, 4 mal 100 m und im Kugelſtoßen der Frauen, „Hoheit? Welche gütige Ueberraſchung,“ zwang ſie ſich zu ſagen. Er lachte fröhlich. „Ja, ich habe mir geſtern bei Ihrem Herrn Onkel die Erlaubnis geholt. Darf ich herzlich bitten, die Hoheit heute wegzulaſſen, gnädiges Fräulein?“ 3 Sie nickte, dabei den Saal überfliegend und die innere Unruhe kaum meiſternd. Sie bat ihn, wieder Platz zu nehmen, und ſetzte ſich gleichfalls. Es kamen einige neuere Tänze und der Prinz bat um die Ehre. Sie tanzte mit ihm. f „Finden gnädiges Fräulein eigentlich dieſe moderne Tanzmuſik ſchön?“ „Ich bin nicht maßgebend. Bin vielleicht unmodern, fer mir ein Wiener Walzer beſſer gefällt?“ ſagte ſie offen. 0 blickte voll heißer Bewunderung in das ſchöne roſige Mädchengeſicht. „Ich werde von heute an jeden Wiener Walzer lie⸗ ben,“ ſagte er leiſe. 5 Sie antwortete ihm nicht. Er mochte es vielleicht zu ſeinen Gunſten deuten, denn er ſagte: „Darf ich um den nächſten Walzer bitten, gnädiges Fräulein?“ Sie ſchrak auf. „Der—— nächſte Walzer iſt vergeben.“ „Schade. Dann alſo der übernächſte?“ „Gewiß.“ f „Vielen Dank.“ 5 Der Tanz war zu Ende. Zurückgelehnt ſaß Ilſe⸗Dore im Seſſel. a g Der Prinz ſtand dicht neben ihr, ſich über ſie beugend. „Gehört der Walzer Herrn Baron Neſtler?“ „Nein! Einem Arbeiter aus meiner Fabrik.“ Prinz Liebenſtein mußte Nhe laut und herzlich lachen. Weil der Tanz einem Arl te er eiter gehörte, mußte er e Das war zum mindeſten originell. 8 · m! 1. 8 e 5 Nortſetuna lola 8 PPP ͤ — 8 8 8 A Weg d N s. E. f den, Efe, Genen. Cain, V Hie. (5. Fortſetzung.) Auch ſchreibt er in einem Bericht an den Meines 8“ kaiſer,„gebietet die Vorſicht, Maßregeln zu ergreifen, die die Entführung des Prinzen ſozuſagen unmöglich machen.“ Und Hager läßt ſich das nicht zweimal ſagen. Er weiß, daß ein— ein peinlicher Zwiſchenfſall in Schön⸗ brunn ihn ſeine Stellung koſten würde. Mit der ganzen verzweifelten Energie eines Beamten, der zwiſchen ehren— der Beförderung und dem blauen Brief zu wählen hat, geht er zu Werk. Am 16. März, am Tage nach Ménevals Abreiſe, wer— den in Schönbrunn die Wachen verdoppelt. Die Zofe Soufflot wird zu anderem Dienſt befohlen. An Stelle Unterſchills, des Kammerdieners, von dem der Prinz bis⸗ her bedient wurde und der ihn ſein bißchen Deutſch lehrte, taucht ein anderer Lakai auf. Warum? Verdächtigt man Unterſchill, mit den fran⸗ zöſiſchen Entführern unter einer Decke zu ſtecken? Nein. Aber die Kiu braucht nur dem neuen Lakaien in ſein Metternich ſtimmt ein.„ ſteinern unbewegliches Geſicht zu ſchauen, und ſie weiß alles. Das iſt einer von Hagers Leuten. Abends, als ſie ihren Schützling zu Bett bringt, be⸗ merkt ſie zufällig, daß an den Schlöſſern der beiden Türen die Meſſingdeckel über dem Schlüſſelloch hochgeklappt ſind. Sie zittert vor Erregung, ſie iſt empört, aber ſie ſchweigt. Am nächſten Morgen iſt der Kakao für den Prinzen angebrannt. Warum? Der Arzt hat befohlen, daß im Intereſſe des Kindes ein neuer Koch eingeſtellt wird. Die Kiu ſtellt den Arzt zur Rede, der wird verlegen, ſtammelt etwas von Diät und Blutarmut. Diesmal kann die Kin ſich nicht mehr beherrſchen:„Alſo ſogar der Koch iſt ein Polizeiſpitzel?!“ Der Doktor weiß nicht, wo er hinſchauen ſoll. Da die Kiu offenbar keine Antwort erwartet und nichts weiter fragt, zieht er ſich zurück. Der beſondere Verdacht Hagers richtet ſich gegen Kius Sohn, den Oberſten Anatole de Montesquieu. Daß der junge Graf elegant iſt und ſich, weltmänniſch und geſcheit, ſofort in den beſten Wiener Salons Zutritt verſchafft hat, kann die Agenten, die ihn ſeit Tagen„beſchatten“, nicht für ihn einnehmen. Am Morgen des 18. März hält eine Equipage in der Nähe des am Faſanengarten gelegenen Ausganges des Parks von Schönbrunn. Es iſt früh, in der DSämmerung kann man nur erkennen, daß er eine Art Reiſewagen mit herabgelaſſenen Vorhängen iſt. Der Wagen wartet, wartet. Der Kutſcher am Bock iſt eingenickt. Nach det Anſicht der Leute, die wie Schatten zwiſchen den Bäumen herum⸗ gleiten, ſtellt er ſich wohl nur ſo, als ob er ſchliefe. Jetzt taucht, vermummt bis zur Unkenntlichkeit, eine Frauensperſon auf. Sie ſchleicht an der Mauer entlang. Ihr Rock iſt zur Krinoline gebauſcht. Ihre Gangart ver⸗ rät alles. Die Männer hinter den Bäumen wiſſen ſofort, daß dieſe bauſchige Krinoline ein Verſteck iſt für den klei⸗ nen Prinzen Keine hundert Schritte weiter wird der Wagen an⸗ gehalten. Die Frau jammert und ſchreit. Es gibt Skandal, Leute laufen herbei. Derbe Worte gegen die Poliziſten fallen— dann löſt ſich alles in ein unbändiges Lachen auf. Ganz Wien weiß die Geſchichte am ſelben Tag. Und einer der jungen Erzherzöge bekommt vom Kaiſer, der in ſol⸗ chen Dingen keinen Spaß verſteht, eine ordentliche Moral⸗ Paule Am ſelben Abend aber hält ein anderer Wagen vor der Schloßauffahrt. Der Prinz ſoll noch zu ſpäter Stunde — es iſt halb acht, eben wollte die Kiu ihn zu Bett brin⸗ gen— nach Wien in die Hofburg. Der kaiſerliche Groß⸗ papa will den Buben ſehen. Es iſt— nicht notwendig, daß die Frau Gräfin„ſich derangiert“, ſie braucht ihren Schützling nicht zu begleiten. Sie ſteht am Fenſter und blickt in den Hof hinab, als der Wagen hinausrollt. Sie zittert. Sie iſt faſſungslos. Jetzt hat man ihr das Kind genommen. Genommen? Nein— geſtohlen! Tante Kiu ſitzt neben dem leeren Bett des Prinzen und weint. Lautlos, ohne zu ſchluchzen, ganz ſtill.. Einſam und allein Am nächſten Morgen präſentiert ſich der Hofmarſchall Freiherr von Weſſenberg in Schönbrunn. Als er in den Salon der Gräfin Montesquieu geführt wird, iſt ihm alles andere als wohl zumute. Er hat den Auftrag, der Gouvernante ſo ſchonend wie möglich beizubringen, daß ihr kleiner Schützling von nun an in der Hofburg wohnen wird und daß ſie ſelbſt nun nicht mehr dem Hofſtaat Ihrer Kaiſerlichen Hoheit der Frau Herzogin von Parma, Piacenza und Guaſtalla an⸗ gehört. Um Peinlichkeiten zu vermeiden, wird es beſſer ſein, wenn die Gräfin Montesquieu ſich nicht erſt(„zumal die Frau Herzogin unpäßlich iſt“) verabſchiedet. Es wird dafür geſorgt werden, daß ſie bald freies Geleit nach Hauſe— ins Feindesland— erhält. Alles das ſoll er ſagen, aber es fällt ihm nicht leicht. Der ſalongewandte Hofmarſchall hat es noch ſelten ſo ſchwer gehabt, die franzöſiſchen Worte, die ihm ſonſt nur ſo von den Lippen ſprudeln, zu finden. Aber die Kiu macht es ihm leich. Sie hat die ganze große Ueberlegen⸗ heit voraus, die das Leid dem Duldenden über den Gleich⸗ gültigen verleiht. Der Marſchall braucht von ihr keine peinliche Szene zu befürchten. Er ſchreibt hernach, in der Erachtens“, deutſchen erzogen Sprache des Feindes, die er ſofort nach dieſer Unter⸗ redung wiedergefunden hat, in ſein Tagebuch: „Ich entledigte mich meines Auftrages mit aller tun⸗ lichen Schonung, wofür mir die Frau Gräfin auch Dank zu wiſſen ſchien.“ Nach dem Kleinen hat ſie nicht gefragt. war unnötig. Der verlaſſene Prinz, der nun ſeine Kiu nie mehr wiederſehen ſoll, weint zwei Tage lang, er iſt un⸗ tröſtlich, er weigert ſich ſogar zu eſſen und ſträubt ſich, als ihn ein Fremder, ein Hofmeiſter, den man ihm zugeteilt hat, zu Bett bringen ſoll. Nun iſt die Kiu fort; ihr folgen die Kammerfrau Soufflot und die Kinderfrau Marchand. Längſt weiß der Fünfjährige ganz vernünftig zu plaudern, oft ſetzt er Leute durch originelle, merkwürdige Einfälle und Rede⸗ wendungen in Erſtaunen. An die Stelle der Franzöſinnen ſind Männer, Oeſter⸗ reicher, getreten. An die Stelle liebevoller Pflegerinnen — Erzieher. Da iſt der fünfzigjährige Graf Moritz Diet⸗ richſtein⸗Leslie, ein vornehmer, reicher Feudalherr, der ſich vor vielen Jahren, als Major, Das Graf Dietrichſtein eilt auf den Korridor hinaus, er hebt die Hände an den Kopf, er hält ſich die Ohren zu, als er die Treppe hinabläuft; aber es hilft nichts, er hört die ſchrillen Schreie— das Praſſeln der Peitſchenhiebe! So ſoll dieſes Kind, das von der Mutter her deutſchen Blutes iſt, die Liebe zu ſeiner zweiten Heimat,„ſeinem anderen Volk“ lernen. Der Kaiſer hat angeordnet, daß der Prinz einen Spiel⸗ und Lernkameraden bekommen ſoll. Der pädago— giſche Gedanke iſt gut, die Ausführung aber leidet dar— unter, daß der kleine Sohn des Kammerdieners dem Prinzen doch— zu ſehr überlegen iſt. Mit dem ganzen Eifer des geſunden Kindes wirft er ſich auf die Arbeit. Er fragt nicht zuviel, er nimmt, was ihm geſagt wird, willig auf. Nie muß ihn Graf Dietrichſtein oder Herr von Foreſti oder Profeſſor von Collin zur Sache rufen— er iſt immer bei der Sache. Der Prinz hat ſich nun unter die harte Zucht gebeugt; er ſpricht jetzt deutſch, er lernt leſen, ſchreiben, er ſagt auswendig die Lehrſprüche her, die Herr von Foreſti ihm aufgegeben hat. Die Peitſche, die Kaiſer Franz für ihn befohlen, hat ihre Wirkung getan. Der Bub traut nie⸗ mandem, er verſchließt ſich in ſich, er beginnt zu lügen Man ertappt ihn dabei und tadelt ihn ſtreng. Er preßt die Lippen zuſammen, dulder die Demütigung und ſchweigt. von allen Geſchäften zurück⸗ gezogen hat und gepflegter Geſelligkeit lebt. In ſeinem Hauſe konzertieren die beſten Muſiker, die Wien aufzuweiſen hat. Er iſt ein vorzüglicher Lateiner, dieſer Graf Dietrich⸗ ſtein, ſein Franzöſiſch iſt ſo vollendet wie ſein Italieniſch. Einem jungen Prinzen von zwanzig Jahren könnte er ein ſehr geiſtvoller Mentor ſein. Den Weg zum Herzen des Fünfjährigen wird er nie finden. Dann iſt da der„zweite Gouverneur“ des Prinzen, Herr von Foreſti, ein nüchter ner 9 mit einem kühlen, aber gewiß nicht böſen Herzen und mit den abgezirkelten Manieren eines Zeremonien meiſters. Und endlich, als drit⸗ ter, der Hiſtoriker Matthias von Collin. Di un Fro 9 Drei Oe nen gewi Berufung gegeben if zu quälen, fällt die grauſame Aufgabe zu, dem fünfjährigen Sohn Napoleons die Erinne⸗ rung an ſeinen Vater„mit der Wurzel“ aus dem Herzen zu reißen, das franzöſiſche Kind mit Leib und Seele in die öſterreichiſche Uniform zu preſſen, die Kaiſer Franz ſeinem Enkel als Geſchenk hat überbringen laſſen. Mit ihnen iſt der Prinz, ſeit Marie Louiſe im März 1816 tränenlos von ihm und von Wien Abſchied genom⸗ men hat und mit Neipperg nach Parma gereiſt iſt, allein. Seine Majeſtat hat es angeordnet Faſt täglich erſtatten die Erzieher dem greiſen Kaiſer Franz über ſeinen Enkel, über die Anwendung des von ihm perſönlich entworfenen Erziehungsſyſtems Bericht. Nach Parma ſendet Dietrichſtein gelegentlich Briefe, und ſie klingen manchmal ſo, als ob er, unausgeſprochen, nur leiſe angedeutet, die Mutter um Hilfe für ſeinen kleinen Zögling bäte. Aber dieſe Mutter vermag nicht, zwiſchen den Zeilen zu leſen, oder ſie will es nicht. In einem Brief an eine Freundin ſchreibt ſie über das Kind:„Ich will aus ihm ganz und gar einen öſter⸗ reichiſchen Prinzen machen. Sein Talent und ſeine Rit⸗ terlichkeit müſſen ihm einen Namen machen; denn der, den er von Geburt an trägt, iſt leider nicht ſchön.“ Manchmal fragt der Bub nach der Mama, will wiſ⸗ ſen, wann ſie wiederkommen wird. Er hängt an ihr. Er weiß noch nicht, daß ſie ihn verlaſſen und verraten hat, ſo wie ſie ſeinen Vater verließ und verriet. Von dem Kammerdiener in Schönbrunn, nicht von der habsburgiſchen Mutter, hat der Prinz die erſten deut⸗ ſchen Worte gelernt. Er hat ſie gutlaunig nachgeplappert, ſo gut ſie ſich in ſeinen vom Franzöſiſchen geformten Mund legen wollten. Jetzt, in Schönbrunn, ergeht ſtren⸗ ger Befehl: Der Prinz darf kein franzöſiſches Wort mehr hören. Aber er ſetzt ſich zur Wehr. Graf Dietrichſtein ſperrt die Zinnſoldaten fort. Der kleine Napoleon ſchluckt tapfer die Tränen herunter, trotzt— und antwortet fran⸗ zöſiſch. Graf Dietrichſtein verhängt Zimmerarreſt über den Prinzen. Der bleibt hartnäckig. Nun iſt Dietrichſtein ratlos und holt ſich neue An⸗ weiſungen vom Kaiſer, Er iſt ſehr blaß und niedergeſchla⸗ gen, als er von der Audienz zurückkommt. Als er den Prinzen ſieht, blickt er ſcheu und verlegen zur Seite. Im Nebenzimmer flüſtert er mit Herrn von Foreſti.„Seine Majeſtät hat es angeordnet.“ Etwas ſpäter geht Foreſti in das Zimmer des Klei⸗ nen.„Wir nehmen jetzt ein Stück aus dem„Leſebuch der Naturkunde“ durch. Es erzählt von der Sonne, vom Mond und den Sternen.“ Der Bub, unnachgiebig, antwortet franzöſiſch. Aufnahme: Roth(Mauritius)— M. Der Herzog von Reichſtadt, einſt König von Rom, als öſterreichiſcher Offizier auf dem Exerzierplatz in Wien. Herr von Foreſti aber wundert ſich darüber, daß ſein Zögling„ohne erkennbaren Anlaß lügt, aus reiner Luſt am Lügen“. Er iſt, obwohl er auf ſtrengen Befehl des Kaiſers nie, auch nachts nicht, allein gelaſſen wird(Foreſti ſchläft in ſeinem Zimmer!), einſam. Der Prinz hat ge⸗ lernt, die Menſchen zu fürchten. Aus Lügen will er ſich einen Schutzwall aufbauen, damit die Feinde ringsum ſeine geheime, geträumte Wahrheit nicht ahnen. Lange iſt es nun her, zwei Jahre bereits. Mit grober Fauſt hat man das Kinderſchloß des kleinen Königs von Rom zerſchlagen; aber aus den Bauſteinen, die noch wirr herumliegen, baut ſich der Knabe ein Traumſchloß auf. Jedes Wort der Kin bewahrt er in ſeinem Herzen wie eine Reliquie, jede flüchtige Bemerkung erwächſt nun, da er zum Grübler geworden iſt, zu phantaſtiſcher Bedeutung. Wo iſt mein Vater? Eines Tages, als der Bub bei ſeinem Großvater iſt, faßt er ſich ein Herz. Dieſer ſeltſame, gedankenarme, mür⸗ riſche, herrſchſüchtige und doch innerlich ſchwache Menſch, den ſeine Untertanen pflichtſchuldigſt den„guten Kaiſer Franz“ nennen, läßt den Jungen manchmal holen— ja, er hat ſogar, wenn man von einem Großvater ſprechen darf, eine gewiſſe Schwäche für ihn oder, richtiger geſagt, „ein Faible“. Vielleicht tut es dem Kaiſer leid, daß der entzückend hübſche blonde Bub gerade der Sohn Napo⸗ leons ſein muß, und daß, allen Geſandtſchaftsberichten zufolge, in Frankreich Hunderttauſende von Menſchen, mit den engherzigen Bourbonen unzufrieden, von dem kleinen„Napoleon II.“ ſchwärmen. Schade. Man muß halt auf den Buben aufpaſſen, ſonſt wird er, haſt du's nicht geſehen, geſtohlen und verſchleppt, und das nächſte Waterloo könnte ja auch anders ausfallen. Wer weiß, ob die enttäuſchten Völker diesmal ſo ſtreitbar wären wie in den Freiheitskriegen? Nun, eines Tages, im harmloſen Geſpräch, ſragt der Kleine plötzlich:„Großvater, wo iſt mein Vater?“ 5 Der Kaiſer kann ſchließlich nicht behaupten, daß er das nicht ſagen„darf“. „Eing'ſperrt,“ ſagt der Kaiſer unwirſch. Er verfällt gern in die Wiener Kleinbürgerſprechweiſe, die ſeinem Weſen beſſer entſpricht als das vornehme Hof⸗Wieneriſch mit ſeinen dunklen, gedehnten Vokalen. „Warum eingeſperrt, Großvater?“ Fortſetzung folgt.) Nur eine geſunde Jugend ſagert eine gläcläche Zubunflt