e r 9 IN W e— L Ves Erscheint: montags, mittwochs, freitags und samstags. Frei Haus 2.20, im Verlag abgeholt 1.80, durch die Post 1.80 zuzügl. 40 Pfg. Zustellgeld. Einzelnummer 15 Pfg. Süddeutsche Heimatzeitung für Mannheim-Seckenbeim und Umgebung Telefon 8 6216 Anzeigenpreise: die 6- gespaltene Milli- meterzeile 18 Pfg.— Preisliste Nr. 2) Abbestellungen können nur bis 25. auf den Monatsersten angenommen werden. Nr. 87 Samstag, 2. Juni 1962 14.62. Jahrgang Moskau: Politische Lage an Preiserhöhung schuld Sowjetische Regierung will Rückschlag in der eigenen Landwirtschaft vertuschen Moskau(dpa). Die Bevölkerung der sowzetischen Hauptstadt hat die starke Erhö- hung der Fleisch- und Butterpreise am Freitag anscheinend gelassen hingenommen. In den Fleischereien und den Buttergeschäften war die Geschäftstätigkeit am Freitag normal, Während noch am Vortag bei Bekanntwerden von Preiserhöhungen in Moskau ein Ansturm der Hausfrauen auf die Fleisch- und Buttergeschäfte eingesetzt hatte. Alle sowjetischen Zeitungen veröffentlich- ten auf den ersten Seiten den Beschluß des Ministerrats, nach dem der sowjetische Ver- braucher in Zukunft für Fleisch und Fleisch- Waren 30 Prozent und für Butter 25 Prozent mehr als bisher ausgeben muß. Die Preis- erhöhungen werden von politischen Beobach- tern als Folge eines Rückschlags in der so- Wjetischen Landwirtschaft und zugleich als kalte Dusche für den Anspruch des Kremis betrachtet, die USA auf land wirtschaftlichem Gebiet zu überholen. In der amtlichen Erklärung wird die so- wietische Bevölkerung um Verständnis für diesen Schritt gebeten. Die Regierung habe im Laufe der letzten Jahre„riesige Summen“ zusetzen müssen, um die bisherigen Preise für Lebensmittel so niedrig zu halten. Ange- sichts der angespannten politischen Situation und des„Säbelrasselns der USA“ könne es die sowjetische Regierung jedoch nicht mehr verantworten, die Landwirtschaft mit riesigen Beträgen zu subventionieren und diese Be- träge der Industrie zu entziehen. Damit würde auf die Dauer„die gesamte sowjetische Volks- Wirtschaft unterminiert werden“. Die Sowjetbürger sind gewohnt, Ereignisse dieser Art ohne viel Aufhebens hinzunehmen. Ein Polizist sagte auf die Frage, was er von diesen Preiserhöhungen halte, dem Reporter nur lakonisch:„Es ist nicht unsere Aufgabe, darüber nachzudenken.“ Ein Kilo Butter ko- Stete bisher zwei Rubel und 80 Kopeken(rund 12,50 DM) und jetzt drei Rubel und 60 Koope- ken(rund 16,00 DM). Ein Kraftfahrer, der bei einem Ausländer arbeitet, verdient im Monat 180 Rubel(etwa 800 DM). Er ist der relativ Höchst bezahlte Arbeiter im Lande. Stellvertretende In der amtlichen Verlautbarung hieß es, daß sowohl Regierung als auch die Bauern bei dem bisherigen Zustand Geld zugesetzt hät- ten. Das durch den jetzigen Preisaufschlag eingenommene Geld solle zur Verbesserung der Produktivität der Landwirtschaftsbetriebe verwandt werden und auf diese Weise schließ- lich wieder zu einer Senkung der Preise bei- tragen. In großer Aufmachung veröffentlicht die kommunistische Ostberliner„BZ am Abend“ in ihrer Freitagausgabe einen Bericht über die Preiserhöhungen für Lebensmittel in der Sowjetunion,. In einem dreispaltigen Bericht unter der Uberschrift„Preisänderun- gen in der UdSSR“ wird in aller Deutlichkeit festgestellt, daß die Einzelhandelspreise für sch und Fleischprodukte durchschnittlich um 30 Prozent und für tierische Fette durch- schnittlich um 25 Prozent erhöht wurden. Da die Zeitungen der Sowjetzone in der Vergan- genheit von Preiserhöhungen in den Ostblock stagten keine Kenntnis genommen haben oder nur sehr versteckt darüber berichteten, halten es informierte Kreise in Westberlin nicht für Ausgeschlossen, daß ähnliche Preiserhöhungen auch in der Sowjetzone bevorstehen. Genfer Abrüstungskonferenz vertagt sich Keine Einigung über Form und Umfang der Abrüstungsphasen Genf(dpa). Die Genfer Abrüstungskonfe- renz beschloß am Freitag, sich am 15. Juni für einen Monat zu vertagen. Die Konferenz tritt am 16. Juli wieder in Genf zusammen. Damit wurde einem Wunsch der acht an der Konfe- renz teilnehmenden blockfreien Staaten ent- sprochen. Der kanadische Delegationschef, General Burns, sprach die Hoffnung aus, daß die ein- zelnen Delegationen nach der KRonferenzpause mit neuen Weisungen ihrer Regierungen an den Verhandlungstisch zurückkehren werden, die eine Einigung über das komplizierte Pro- blem der Abrüstung erleichtern würden. Der sowjetische Außenminister Sorin erklärte, die Sowjetunion hätte es lieber gesehen, daß die am 14. März angenommenen Verhandlungen ohne Unterbrechung fortge- Setzt würden. Die Sowjetunion nehme aber Riicksicht auf den Wunsch der Neutralen. Auch Großbritannien und die USA hatten sich Starke spricht erstmals von Steuererhöhungen Ständig steigende Staatsausgaben sind eine Gefahr Hagen(dpa). Bundesfinanzminister Dr. Starke hat am Freitag zum erstenmal davon gesprochen, daß zusätzliche Mittel für Mehr- ausgaben gegebenenfalls auf Beschluß des Bundestages auch durch Steuererhöhungen gewonnen werden könnten. In Hagen erläu- terte Dr. Starke vor FDP-Mitgliedern den Be- schluß des Kabinetts zur Erhöhung der Be- soldung im öffentlichen Dienst. Das Kabinett habe festgelegt, sagte er, daß für jede Mehrausgabe in einem Nachtrags- haushalt durch Beschluß des Parlaments zu- sätzliche Mittel gewonnen werden müßten, und zwar entweder durch Steuererhöhungen oder Tariferhöhungen bei Bahn und Post oder durch Streichung bereits vom Parlament be- Willigter Ausgaben. Der Minister wies darauf hin, daß man an- gesichts neuer zwangsläufiger Ausgaben für die Berlin- Hilfe und die Rationalisierung im Kohlebergbau sowie für die Opfer der Flut- Katastrophe es zunächst als notwendig erach- tet habe dem öffentlichen Dienst wie auch anderen Bevölkerungsgruppen 1962 einen Ver- zicht zuzumuten. Zusammen mit den Maß- nahmen zur Dämpfung der Baukonjunktur Sollte damit eine Beruhigung der Lohn- und Preisentwicklung erreicht werden. Diese Lö- sung sei gerade im Interesse der Kaufkraft der Bezüge des öffentlichen Dienstes ins Auge gefaßt worden, Vom I. Januar 1963 an habe dann der öffentliche Dienst wieder an die Stelle gerückt werden sollen, die ihm im Ver- hältnis zu anderen Bevölkerungsgruppen zu- kommt. Die Schwierigkeit für die unteren Lohn- und Gehaltsstufen seien dabei voll in Rechnung gestellt worden. Seine Erklärung, daß er keine zusätzlichen Mittel bewilligen könne, sei dann abgegeben worden, als die Bundesregierung nach neuen Gesprächen mit Kleidung mit f ENGEIHORN GUALITK TEN hen 16 Mannheim 05. den Gewerkschaften ins Auge gefaßt habe, einen anderen Weg zu gehen. Daraufhin sei der Kabinettsbeschluß zustande gekommen. Jetzt komme es darauf an, sagte Starke, den Blick für die Gefahren ständig steigender Staatsdusgaben nicht zu verlieren. esprechungen ohne Unter- Der amerikanische De- legationschef r Dean hatte Genf Allerdings bereits am Freitagmorgen zu einem 7 sigen USA-Besuch verlassen. bereit erklärt, die B brechung fortzuse Am Donnerstag hatte die enz terminger t ihren Zwischenb die Vereinten Nationen über das Er ersten eineinhalb Verhandlungsmonate verab- schiedet. Alle Delegationen hatten sich in dem Bericht für eine Fortsetzung der Verhandlun- gen trotz vorhandener sachlicher Schwierig- keiten ausgesprochen. Die Freitagsitzung der 1 1 Siles! des b Upper Form und Umf,: Kbrüstungssphasen würde keine Ei Indischer Kascehmir-! Neu Delhi Dli beider Staaten zur Festlegung der Grenze zwi- schen dem pakistanischen Teil Kaschmirs und der chinesischen Provinz Sinkiang protestiert. In den Noten wird erklärt, daß es zwischen Pakistan und China keine gemeinsame Grenze gebe, da ganz Kaschmir zu Indien gehöre und ein Teil Kaschmirs lediglich widerrechtlich von Pakistan besetzt sei. Anzeichen einer Entspannung in Algerien Keine Revision der Evian- Vereinbarungen— Appell an Europäer Paris(dpa). In Algier herrscht unheim- liche Ruhe. Am Freitag wurde— wie am Vor- tag— kein einziges Attentat auf Menschen verübt, und unter den Europäern in der Stadt ist ein angeblicher„Waffenstillstand“ der OAS das Hauptgesprächsthema. Nach den umlaufenden Gerüchten will die Terrororganisation bis zum Sonntag stillhal- ten, um mit den FLN-Vertretern Kontakt auf- zunehmen. Angeblich will die OAS dabei neue Garantien für die Sicherheit der Europaer nach der Unabhängigkeit des Landes aushan- deln. Nach äußerst blutigen Wochen des Per- rors machen sich in Algerien erste Anzeichen einer allgemeinen Entspannung sowie einer Besinnung der europäischen Bevölkerung be- merkbar, die bisher fast blind den Losungen der OàAs folgte und sich damit immer mehr ins eigene Verderben zu stürzen drohte. 200 liberale Europäer nahmen am Donners tag in einem Kinosaal von Algier einen stark beachteten Kontakt mit mehreren örtlichen FLN-Führern auf. In einer einmütig ange- nommenen Entschließung bekräftigten ce Teilnehmer ihr Vertrauen zum künftigen Al- gerien und zum brüderlichen und demokrati- schen Zusammenleben der Algerier und Eu- ropaer. Okkenkundig nicht ohne Eindruck auf die europäische Bevölkerung blieben zwei Rund- kunkansprachen, die der stellvertretende euro- päische Präsident der provisorischen Exeku- tive, Roth, und der Stellvertreter des fran- zq6sischen Hohen Kommissars, Tricot, am Don- nerstag an sie richteten. Beide Redner appel- lierten an die Europäer, den echten Sinn der Evian- Vereinbarungen zu begreifen und die darin den Europäern im künftigen Algerlen zugedachte und zugesicherte Rolle durch tat- kräftige Mitarbeit in die praktische Tat um- zusetzen. i 5 Roth lehnte die jüngst von der Gewerk- schaft„Gesamtverband der französischen Ar- beiter Algeriens“ erhobene Forderung ab. die Evian- Vereinbarungen mit dem Ziel einer Verbesserung der Garantien für die Europäer zu ändern und Algerier sowie Europäer des- wegen zu einem großen Round-Table-Gesprs zusammenzuführen. Diejenigen, die die Evie Vereinbarungen ändern wollten, sollten sie erst einmal richtig lesen. Di FRANZOSISCHE REGIERUNG ist ent- schlossen, die Vereinbarungen des Waf een SHstandsahłkommens von Epian eee en. Algenten- Minister Joe teilte bor der Vat o- nal versammlung mit, daß die Regierung die Vorbereitungen für das Referendum in Alge rien am I Juli abgeschlossen habe Unser Bild zeigt Louis Joe während seiner Rede UI Querschnitt der Woche Von Gustav Roeder Die augenblickliche Parteitagsserie steht im Zeichen des Machtstrebens. Die Parteien als Gesamtheit wollen ihre Positionen festigen und die Parteiführer haben für sich persön- lich dasselbe Ziel. Auf diesem Wege spielt die Taktik die entscheidende Rolle, und somit ist es zu einer Streitfrage geworden, ob die So- zialdemokraten, die diese Woche ihren Partei- tag beendet haben, mit ihrem„neuen Kurs“ einer besseren Einsicht folgen oder lediglich das Ziel eines Stimmengewinns bei den näch- sten Wablen im Auge haben. Vielleicht wirkt auch beides zusammen, Der„neue Kurs“ hat pei den letzten Bundestagswahlen bereits seine Früchte getragen, und es stand schon vor dem jetzt abgeschlossenen Kölner Partei- tag fest, daß an diesem Kurs nicht ernsthaft gerüttelt wird. Der Kölner Parteitag läßt sich Harmonisch in die Linie einordnen, die erst- mals in Stuttgart aufgezeichnet, dann in Bad Godesberg fest umrissen und in Hannover weiter verfolgt wurde. Die parteiinternen Fämpfe sind im wesentlichen ausgestanden, die Sozialdemokratische Partei hat sich inner- lich weiter gefestigt, und mit der Wahl Willy Brandts zum stellvertretenden Parteivor- sitzenden hat der politische Wortführer der Sp auch seine ihm zukommende Position unter den Funktionären erhalten. Die einzige Uberraschung des Kölner Partei- tags war die Stimmeneinbuße, die Herbert Wehner hinnehmen mußte. Hier zeigte sich noch ein letzter Rest von Gärung im Partei- kader. Ein Teil der Delegierten konnte es dem „linken“ Wehner offensichtlich nicht abneh- men, daß er jetzt zu den energischsten Ver- fechtern des„rechten“ Kurses gehört. Immer- hin hat es Wehner mit seiner Haltung ver- mocht, den ständigen Angriffen der CDU gegen ihn die Spitze abzubrechen. Heute ist er nicht mehr der„Buh-Mann“ der Koalition, sondern ein Politiker, den man respektiert. Im sachlichen Bereich zogen die Sozialdemo- kraten vor allem in der Wirtschafts- und Sozialpolitik ihre Trennungsstriche zur Koali- tion, was ihnen um so leichter flel, als die Regierungspolitik in diesen Sparten in letzter Zeit Rückschläge zu verzeichnen hatte. Den- noch fiel keine Kritik an der Regierungspolitik so hart aus, daß sie etwa einen Weg der Sozialdemokraten in die Regierungsverant- wortung verbauen könnte. Im außenpolitischen Ergebnis ergaben sich kaum Unterschiede zur Regierungspolitik; man könnte allenfalls als bemerkenswerte Nuance verzeichnen, daß die jahrelang verfolgte offizielle Bonner Politik von der SPD jetzt energischer verfochten wird, als dies in der Regierung selbst der Fall ist. Wenn Konrad Adenauer in Berlin vorsichtige Kritik an den Amerikanern anklingen ließ, so hat die SPD jetzt ausdrücklich ihr Ver- trauen zu den amerikanischen Verbündeten bekundet. a Der Pessimismus des Bundeskanzlers gegen- über den amerikanisch- sowjetischen Sondie- Tungsgesprächen über die Deutschland- und Berlin-Frage erscheint jetzt allerdings in einem anderen Licht. Denn die Verhandlun- gen zwischen Rusk und Dobrynin am Mitt Woch haben bewiesen, daß Pessimismus am Platze ist. US- Außenminister Rusk mußte in seiner Pressekonferenz zugeben, daß er mit den Russen keinen Schritt weitergekommen ist. Es ist unter den gegebenen Umständen überhaupt sehr die Frage, ob bei den Son- dierungsverhandlungen irgend etwas heraus- springt, was die Position der Bundesrepublik und Westberlins verbessern könnte. Von einer Beseitigung der Mauer ist überhaupt nicht die Rede, nur davon wird gesprochen, wie man dem Regime, das Schüsse auf durchgegangene Oberschüler mit Orden belohnt, offiziell ein Mitspracherecht in Sachen Zufahrtswege nach Woestberlin einräumen kann. Der Bundeskanzler steht mit seinem Pessi- m asmus nicht allein; sein Bundesgenosse de Gaulle ist derselben Ansicht. Es ist kaum an- zunehmen, daß der britische Premierminister Macmillan den französischen Staatschef bei dem bevorstehenden Pariser Treffen eines anderen belehren kann. Vielleicht gelingt es aber Macmillan und de Gaulle, über den EWG-Beitritt Großbritanniens, der diese Woche in Brüssel ein gut Stück vorangetrieben worden ist, Einigung zu erzielen und die fran- 26 schen Bedenken zu zerstreuen. 5 ie Europäische Wirtschaftsgemeinschaft hat Si mals ein so stabilisierender Faktor erwie- Sen. daß der Beitritt oder zumindest die Asso- zijerung anderer europäischer Staaten nur noch eine Frage der Zeit ist, Die Wirtschafts- situation im EWG-Raum ist gesund. das hat Sich bei dem Washingtoner Börsenspektakel, das bei uns nur geringe Folgen zeitigte, erneut erwiesen. Kein Wunder, daß Chruschtschow auf die EWG. die gar nicht in das sowjetische Klischee des„morbiden Kapitalismus“ paßt, schimpft, bezeichnenderweise in dem Augen- blick, in dem die Sowjetunion durch gewaltige Preiserhöhungen die kranken Stellen ihres Systems offenbaren mug. 1 Die Asche Eichmanns wurde ins Mittelmeer gestreut Die ersten Reaktionen in West und Ost waren Genugtuung über den Akt der Gerechtigkeit Tel Aviv(dpa). Der zum Tode verurteilte ehemalige Ss-Obersturmbannführer und Ju- denreferent im früheren Reichssicherheitshauptamt, Adolf Eichmann, wurde Donnerstag nacht, wie wir bereits kurz berichteten, in dem Gefängnis von Ramleh in der Nähe von Tel Aviv durch den Strang hingerichtet. Nur wenige Stunden vorher hatte der israelische Staatspräsident Ben Zwi mehrere Gnadengesuche für den zum Tode Verurteilten ab- gelehnt. Die sterblichen Uberreste des Hingerichteten wurden— einer amtlichen Verlautbarung zufolge— bereits in den frühen Morgen- Stunden des Freitags an Bord eines israeli- schen Polizeibootes eingeäschert. Die Asche wurde ins Mittelmeer gestreut. In der Ver- lautbarung wird darauf hingewiesen, daß die Einàscherung dem Willen des Hingerichteten entsprochen habe und auch mit den sterbli- chen Uberresten der Nazi-Eriegsverbrecher auf Veranlassung des damaligen Nürnberger Tribunals so verfahren worden sei. Nach Augenzeugenberichten machte Eich- mann bei seiner Hinrichtung einen ruhigen und gefaßten Eindruck. Seine letzten Worte, bevor er die Schlinge um den Hals bekam, waren:„Lang lebe Deutschland, lang lebe Argentinien, lang lebe Osterreich. Ich grüße meine Frau, meine Familie und meine Freunde. Ich hatte dem Kriegsgesetz und meiner Flagge zu gehorchen. Ich bin bereit.“ Eichmann lehnte es ab, daß man ihm bei der Höcherl lädt zu neuen Hinrichtung die Augen verband. Vorher hatte er gegenüber den anwesenden Journalisten noch geäußert:„Nach einer kurzen Zeit- Spanne, meine Herren, werden wir uns wie- dersehen— das ist das Schicksal aller Men- schen. Ich glaubte während meines ganzen Lebens an Gott und sterbe als, Gottgläubiger““ Keine Freude, aber Genugtuung über einen Akt der Gerechtigkeit, das ist die Reaktion, mit der die vollzogene Hinrichtung Adolf Eichmanns in Ost und West aufgenommen Worden ist.„Wir können uns nicht über den Tod eines Menschen freuen, auch nicht über den dieses Menschen, aber wir können sagen, daß die Hinrichtung von Adolf Eichmann, Wenn überhaupt eine Hinrichtung das sein kann, einen Akt der Gerechtigkeit und der Besinnung darstellt“, heißt es in einem Kom- mentar der„New Vork Herald Tribune“ am Freitag. Der Moskauer Rundfunk nanmte die Hin- richtung Eichmanns„das Rechte“ und er- Tarifverhandlungen ein Urabstimmung im Offentlichen Dienst ausgesetzt Bonn(dpa). Bundesinnenminister Höcherl und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder haben am Freitag die Gewerkschaft Uftent⸗ liche Dienste, Transport und Verkehr(GTV) und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft Dad) eingeladen, die am 20. März dieses Jahres in Bad Nauheim unterbrochenen Ta- rifverhandlungen fortzusetzen. Ziel der Verhandlungen ist der Abschluß neuer Lohn- und Vergütungstarifverträge im GOffentlichen Dienst. Eine entsprechende Einladung ist auch der Gewerkschaft Offent- licher Dienst im Christlichen Gewerkschafts- bund Deutschlands zugegangen. Die Gewerkschaft Gffentliche Dienste, Transport und Verkehr hat am Freitag die für den 5. und 6. Juni vorgesehene Urab- stimmung im Offentlichen Dienst ausgesetzt, falls noch vor Pfingsten Tarifverhandlungen Stattfinden. Mit diesem Beschluß beantwor- tete die Gewerkschaft das am gleichen Tage eingegangene Angebot der Bundesregierung und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, Atomverhandlungen Wieder erfolglos Genf(dpa). Die 19. Sitzung des Dreier- Ausschusses zum Abschluß eines Vertrags über ein Kernwaffenversuchs-Verbot seit Beginn der Genfer Abrüstungskonferenz blieb am Freitag fruchtlos. Wie bereits in den voraus- gegangenen Sitzungen beschuldigten sich die Westmächte(USA und Großbritannien) und die Sowjetunion gegenseitig, das als Kompro- mißgvorschlag von den acht Neutralen auf der Genfer Konferenz vorgelegte Memorandum Willkürlich zu eigenen Gunsten auszulegen. Der sowjetische Botschafter Zarapkin lehnte den westlichen Vorschlag ab, mit der Erörte- rung der Einzelpunkte des Memorandums zu beginnen, solange das Memorandum von den Westmächten nicht grundsätzlich angenommen Sei. Zugleich erklärte er, daß die Amerikaner und die Engländer durch die augenblicklichen dem Atom- Wettrüsten einen gewaltigen Auftrieb gegeben Kernwaffenversuche im Pazifik hätten. erneut in Verhandlungen mit dem Ziel des Abschlusses neuer Lohn- und Vergütungsta- rifverträge einzutreten. Bundespostminister Stücklen hat dem Vor- sitzenden der Deutschen Postgewerkschaft, Karl Stenger, seine Bereitschaft erklärt, über Forderungen auf Erhöhung der Vergütungen für Angestellte und der Löhne für Arbeiter der Bundespost zu verhandeln. Wie die Deut- sche Postgewerkschaft am Freitag in Frank- furt mitteilte, hat Stenger den Hauptvorstand Seiner Organisation für heute zu einer Son- dersitzung nach Frankfurt einberufen. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat am Freitag den Hauptvorstand der Ge- Werkschaft der Eisenbahner Deutschlands aufgefordert, einen Terminvorschlag für Ver- handlungen zur Verbesserung der Löhne und Gehälter der Eisenbahner zu machen. Der GDED- Hauptvorstand wird sich am Wochen- ende mit dem Angebot beschäftigen. klärte, viele ehrenhafte Menschen in der Welt hätten darauf seit langem gewartet. Die Menschheit habe die Bestrafung des Nazihen- Kers gefordert, fügte der Sowjetische Sender hinzu und behauptete, daß sie durch die herr- schenden Kreise Israels und der Bundesrepu- blik verzögert worden sei. Der stellvertre- tende Vorsitzende der Jüdischen Gesellschaft Polens, Dr. David Sfard, erklärte am Freitag in Warschau:„Jeder Jude hat hier das Ge- fühl, daß mit der Hinrichtung Eichmanns Gerechtigkeit geübt worden ist“. Ernstere Zwischenfälle im Zusammenhang mit der Hinrichtung des ehemaligen SS- Ober- sturmbannführers Adolf Eichmann wurden bislang nicht bekannt. In der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires hatte die Polizei besondere Vorsichtsmaßnahmen vor den Sy- nagogen, den Büros der jüdischen Organisa- tionen und den Häàusern führender jüdischer Persönlichkeiten getroffen. Eichmann hatte bis zu seiner Entführung durch ein israelisches Kommando im Jahre 1960 einige Jahre unter einem Decknamen in Argentinien gelebt. Die argentinischen Rundfunksender hatten ihre Sendungen unterbrochen, um die Nachricht von der Hinrichtung Eichmanns bekanntzu- geben. Eichmanns drei älteste Söhne Klaus, Dieter und Horst weinten keine Tränen, als sie sich nach dem Bekanntwerden der Hinrichtung in dem weißen Bungalow ihres Vaters bei Buenos Aires trafen. noch 17 Jahre nach Kriegende gefallen ist“, sagte Klaus einem Reuter-EKor brespondenfen, der sich mit den drei Söhnen nur einen Kat zensprung von der Stelle entfernt unterhielt, an der Eichmann vor zwei Jahren von einem israelischen Kommando gekidnappt worden War. Der hochgewachsene Horst platzte her- Aus:„Morgen werde ich über diesem Haus meines Vaters die Fahne auf Halbmast set- Zen.“ Am Freitagmorgen begaben sich die drei Eichmann-Söhne zur Polizei, um Schutz vor dem erwarteten Reporterstrom zu suchen. Bundesrepublik hat 20 Milliarden DM Schulden Ausgleichs forderungen der Bundesbank sind die größten Posten Bonn(dpa). Die Schulden der Bundesre- publik beliefen sich am 31. März 1062 auf ins- gesamt 29,059 Milliarden DM. Nach Mitteilung des Bundesfinanz ministeriums lagen sie damit um rund eine Milliarde DM niedriger als beim Jahresende 1961. Von der fundierten Schuld(Gesamtsumme: 24,400 Milliarden D), entflelen am 31. März auf die auf Deutsche Mark lautende Schuld 18,425 Milliarden, auf die auf fremde Wäh- rung lautende Schuld 5,975 Milliarden. Die Schwebende Schuld 1815 4,659 Milliarden DM aus. Dazu kommen noch Bürgschaften in Höhe von zwölf Millionen DM. Die größten Posten unter der D-Mark Schuld sind weiterhin die Ausgleichsforderun- gen der Deutschen Bundesbank(3,810 Milliar- den), die Schuldscheindarlehen von der Deut- schen Bundesbank im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft des Bundes bei der Weltbank und beim Internationalen Währungsfonds (2,379 Milliarden), Schuldbuchforderungen für das Rechnungsjahr 1961(2,100 Milliarden) und Rentenausgleichs forderungen für Versiche- Tungsunternehmen(1,982 Milliarden). Bei der Schuld auf fremde Währung steht Weit voran die Schuld aus der amerikanischen Nachkriegswirtschaftshilfe(3.130 Milliarden DMW. Es folgen größenmäßig die Konversions- ausgaben für die Loung- Anleihe(956 Millio- Chinesisch- indischer Tibet- Vertrag lauft aus Handels- und Pilgerverkehr verliert jede rechtliche Grundlage Neu Delhi(dpa). Mit dem heute auslau- fenden chinesisch- indischen Tibet- Vertrag vom Jahre 1954 verliert der Handels- und Pilger- verkehr zwischen Indien und Tibet jede recht- liche Grundlage. Nachdem die Volksrepublik China in den vergangenen Tagen ihre Handelsvertretung in der indisch- tibetischen Grenzstadt Kalim- Pong geschlossen hatte, wartet man jetzt in amtlichen indischen Kreisen mit Spannung darauf, ob Peking auch auf die Schließung der indischen Handelsvertretungen in den Tibet- Städten Jatung, Gartok und Siantse fordern wird. Sollte die Regierung in Peking diese Forderung erheben, so wird Indien zwei- Tellos als Gegegenmaßnahme die Schließung der chinesischen Handelsvertretungen in Neu Delhi und Kalkutta verlangen. Während die 5 Handelsvertretun- gen in Indien erst nach Unterzeichnung des Tibet- Vertrages 1954 eingerichtet wurden, be- stehen die indischen Handelsvertretungen in Tibet bereits seit 1906. Sie waren bis zur indi- schen Unabhängigkeit im Jahre 1947 selbst- verständlich von britischen Handelsvertretern besetzt. Die Schließung der indischen Handelsmissio- nen würde praktisch die Beseitigung der letz- ten offiziellen Verbindung Tibets mit der Außenwelt bedeuten. Indien würde damit nur noch über ein Generalkonsulat in der tibeti- schen Hauptstadt Lhasa verfügen, das jedoch zur Untätigkeit verurteilt ist, da die indischen Diplomaten Ebasa nur noch mit einer sehr seltenen Genehmigung verlassen dürfen. Die indische Regierung hatte die von den Chinesen wẽaederholt geforderte Verlängerung des Tibet-Vertrages mit der Begründung zu- rückgewiesen, Peking habe mit seiner Aggres- sion in Ostladakh die Prinzipien der friedli- chen Roexistenz verletzt, Indien forderte die MWiederherstellung des Status quo an der Ladakh-Grenze als Voraussetzung für eine Vertragsverlängerung. Feuer nen DM, die Schuldbuch forderungen für Til gungsstücke in fremden Währungen(364 Mil- lionen DW) und die Konversionsausgaben der Dawes-Anleihe von 1924(312 Millionen DM). Die schwebende Schuld wird im wesentlichen bestritten von den Wechseln und unver- Zinslichen Schatzanweisungen(Offenmarktge- schäfte der Deutschen Bundesbank) in Höhe Von 4,293 Milliarden DM. Haltung verschärft Athen(dpa). Bulgarien hat seine Haltung gegenüber Griechenland überrascht verschärft. Die griechisch-bulgarischen Kontaktgespräche über eine Normalisierung der Beziehungen beider Länder sind damit erneut in eine Sack gasse geraten. Wie aus gutunterrichteter Quelle nach einem Treffen zwischen Außen- minister Averoff und dem aus Sofia zurück- Sekehrten bulgarischen Geschäftsträger in Athen, Lambreff, verlautete, verlangt Bul- garien jetzt den Austritt Griechenlands aus der NATO. Indonesien ist skeptisch Dja kart a(dpa). Der indonesische Außen- minister Subandrio erklärte am Freitag, er könne nicht sagen, ob Indonesien zur Wieder- aufnahme der Gespräche mit den Niederlan- den über Westneuguinea bereit sei. Er er- Klärte, Indonesien habe den Vermittlungsplan des amerikanischen Diplomaten Bunker im Prinzip akzeptiert, während seines Wissens die Niederlande ihn nur zum Teil angenom- men hätten. Wenn die Niederlande den Bun- ker-Plan in vollem Maße akzeptiert hätten, Wäre es zu keinen bewaffneten Kampfhand- lungen in Westneuguinea gekommen. Der Appell UN- Generalsekretärs Thant, das einzustellen, müsse noch überprüft Werden. Strauß in England London(dpa). Bundesverteidigungsmini- ster Strauß traf am Freitag mittag zu einem zweitägigen Besuch in England ein, um Ge- spräche mit seinem britischen Kollegen Wat Kinson zu führen und— am Samstag— der traditionellen Geburtstagsparade für Königin Elisabeth beizuwohnen. Themen seiner Unter- redung mit Watkinson werden die deutsch- britische Rüstungszusammenarbeit, allgemeine Fragen der westlichen Verteidigungsstrategie und voraussichtlich auch deutsche Waffen- Käufe in Großbritannien sowie erweiterte Ubungsmöglichkeiten für Einheiten der briti- schen strategischen Reserve in der Bundes- republik sein. 9 Sagpunesetek brgscnar FEIN HETTEHRER HOMAN/ vON RUDOLF AN DE Copyright by Europäischer Kulturdienst Salzburg durch Verlag von Graberg& Görg, Wiesbaden (16. Fortsetzung) „Und hier“, berichtete der Weißhaarige, in- dem er mit besonderer Feierlichkeit eine Tür öffnete,„ist das Galeriezimmer. Sie werden ja wissen, gnädige Frau, daß die Vorbesitzer von Siebenlind Leute von altem Adel waren. Es wird sogar erzählt, daß gelegentlich die Fürstbischöfe von Salzburg hier zu Gast waren, zur Jagd.“ „Uebrigens“, ein reizender kleiner Finger wurde an eine entzückende kleine Nase ge- legt, sagen Sie einmal, Sebastian: ist denn nirgends ein Bild Axels— ich meine ein Bild meines Mannes?“ Der Alte senkte den Kopf.„Es gab eine Zeit, da hingen in diesem Hause mehrere Bil- der des gnädigen Herrn, wenn ich ihn so nen- nen darf. Frau von Weigl war ja in ihren Neffen wie vernarrt. Aber dann trat er von der Bühne ab, und das hat sie ihm nie verzie- hen. Ich war einmal ein Paar Tage in Urlaub; 5 als ich zurückkam, waren alle Aufnahmen von Herrn Axel verschwunden. Fräulein Murr ist sogar der Meinung, daß sie von der Frau Baronin verbrannt wurden. Nur eins ist noch da, ein Gemälde des Wiener Künstlers Simone Breda, das Herrn Axel in seiner Lieblings- rolle als Don Giovanni zeigt. Wenn Sie die Güte haben wollen, sich umaudrehen, dige Frau, dort ist es.“ „Tatsächlich. das ist erl. lächelte Beste Sebastian angegebene Richtung.. „Er ist recht gut getroffen“, norte sie N gen,„genauso sieht Axel aus, wenn er sich gelegentlich zum Spaß einen Schnurrbart an- Klebt und auf spanisch geht. Der Künstler ient ein Kompliment.— Aber nun wol- Sebastian, Wenn es Ihnen recht ist. Wo werde ich übrigens heute nacht en wir weiter, Hafen?“ „Im gelben Salon, gnädige Frau, oder in dem kleinen Fremdenzimmer, das die Frau Baronin erst vor zwei Jahren einrichten ließ; es liegt unter dem Dach, hat aber die herr- lichste Aussicht.“ Sie gingen noch eine Treppe höher und besichtigten das Fremdenzimmer, zu dem ein Bad gehörte. Der kleine Balkon, einem Söller vergleichbar, ragte über zwei Marmorgestal- ten, die ihn zu tragen hatten. Die junge Dame fand das Zimmer, die Einrichtung und die Aussicht großartig; hier wolle sie wohnen, erklärte sie sogleich, denn bei allem Respekt vor den vergangenen Jahrhunderten habe sie doch eine Schwäche für das Zeitgemäße und Bequeme, ganz abgesehen von diesem Blick nach den Bergen! Dann flel ihr ein, nach dem Wagen zu fra- gen, Worauf der Diener sie in die Garage führte und ihr die dort stehenden beiden Autos zeigte, einen kleinen schnellen Zwei- sitzer modernster Bauart und einen alten, aber vornehmen Roadster, der auffallend hohe Räder und ein Allwetterverdeck hatte. „Die Frau Baronin“, so erklärte Sebastian, „benutzte ausschliellich die Sportmaschine, Während der Herr Baron eine Liebe zu dem Veteranen hatte.“— Ehe sich's der Alte ver- sah, saß Bessie bereits am Steuer, lieg den Motor an, schaltete, gab Gas und ließ den Wagen rumoren, daß die Garage* 8 drohte. „Sauber, sauber!“ lobte sie sodann, nach Abstellen des Motors aus dem schnittigen Modell kletternd.— Wenn Herr Sebastian nichts dagegen habe, werde sie mit diesem Wagen am folgenden Tage nach Salzburg fahren; aber er, der Landes- und Straßen- i kundige, müsse sie dabei begleiten!— Seba- stian machte ein düsteres Gesicht: Was ihn betreffe, so halte er sich lieber an die zwei Pferde vor dem Jagdwagen, aber wenn die Snädlige Frau es Wünschte, nun, in Gottes Namen, es werde schon nicht leich etwas 5— Schließlich besichtigte E 8 noch den N 8 N Buchen und Birken gelegenen hübschen 5. N begab sich sodann mit N 5 stian zu den Stallungen und schaute sich die beiden prächtigen, klug blickenden Pferde an. „Die möchte ich nicht missen, Herr Seba- stian“, rief sie dann, ‚denn ich bin leiden- schaftliche Reiterin!“— Endlich kehrten sie plaudernd zum Schloß zurück, wo Bessie er- klärte, müde zu sein und Hunger zu haben. Sle ließ sich im kleinen Wohnzimmer im Erdgeschoß in einen Stuhl fallen und streckte die Beine von sich. Dazu zündete sie sich eine Zigarette an und rauchte langsam und ge- nießerisch. „Unglaublich!“ entrüstete Fräulein Murr sich darüber.„Und wie sie ißt! So hastig und ohne jeden rechten Genuß! Und so etwas erbt ein Schloß! Wenn sich in Gegenwart un- serer Frau Baronin ein weibliches Wesen in Hosen zu Tisch gesetzt und Zigaretten ge- raucht hätte, dann wäre ein fürchterlicher Krach fällig gewesen. Die aber tut's! 8 morgen, hat sie gesagt, möchte sie schon in aller Frühe mit dem kleinen Wagen nach Salzburg fahren. Wenn sie sich den Hals bräche, ich könnte keine Träne vergiegen!“ „Sie wird sich den Hals nicht brechen“, ant- wortete Sebastian würdevoll, sich wieder ein- mal einen Schnaps eingießend.„Ich werde sie begleiten.“ „Im kleinen Wagen?“ „Im kleinen Wagen!“ 5 „Die Welt stürzt ein!“ rief Fräulein Murr. und dann machte sie eine Pause, als erwarte sie tatsächlich ein solches Ereignis. Als aber nichts Derartiges geschah, fuhr sie in ihrer Empörung fort:„Niemals konnten Sie sich entschließen, Sebastian, die Frau Baronin im Sportwagen zu begleiten. Sie hatten einfach Angst. Nun ist dieses junge Geschöpf da und schon ändern Sie Ihre Meinung! Um es offen zu sagen; ich finde Ihr Verhalten höchst merkwürdig! Es fehlte nur noch, daß Sie hin- aufgingen, um ihr einen Jutenachtkuß 2u geben!“ „Hm!“ grinste der Alte, und das recht hin⸗ tergründig.„Wenn ich offen sein soll, dann gebe ich zu, daß mir dies gar nicht so un- 5 Wäre. Doch len N 8 das sie dafür 85 3851 Pig schließlich über 8 Sieb- zig.“ „Aber 90h immer nicht gescheit.— Haben Sie übrigens schon bemerkt, Sebastian, das sie gar keinen Ehering trägt?“ „Tut sie das nicht?— Vielleicht ist das in Amerika so Brauch!“ „Ihre Fähigkeit im Erfinden von Ausreder ist ungewöhnlich. Eheringe trägt man in dei ganzen Welt. Am Ende hat sie gar nicht Kirchlich geheiratet— bloß so vor dem Stan- desamt?— O Sebastian, ich muß da doch ver- schiedenes herausbekommen!“ „Ich wünsche Ihnen Glück dazu“, lächelte der Weighaarige, trank zuerst noch einen Kirsch und zündete sich sodann eine Zigarre an.„Damit sie es wissen, Murrin: ich habe ihr einen recht schönen Traum gewünscht. Das, Was man träumt, wenn man die erste Nacht in einem neuen Bett schläft, geht bekanntlich in Erfüllung.“ Die reizende junge Frau N zur leichen Zeit am Gitter des Balkons und schaute in die Nacht hinaus. Diese Nacht War ziemlich warm und erfüllt von Vwielen Düften. Es war doch wahr, was hre Mutter des öfteren gesagt hatte. In die- sem Oesterreich roch es anders als in New Lork oder Wisconsin. Auch der Himmel war anders, höher, reiner, klarer, weiter. Zwi- schen etlichen kleinen Wölklein schimmerten die Sterne, und der gute Mond wanderte auf den Tannenspitzen entlang, die jenseits des Dales den Rücken eines lenggestreckten Ber- ges andeuteten. Bessie hatte plötzlich das Bedürfnis, sich an das Regenrohr zu lehnen, das am Söller vor- bei zum Boden hinablief Dazu hob sie, einer antiken Schauspielerin gleich, die Hände ge- Sen den Mond, schöngeformte und doch krs tige Hände mit schlanken, langen, ringlosen Fingern. Im Gegensatz 2 manchen Mitschi lerinnen war sie nie eine Freundin von gen gewesen.— Natürlich, wenn sie einmal verheiratet War, würde sie einen Ring tragen, aber den mußte dann schon der e und 5 h N „Es ist so, als ob Vater „„o oe oo eee ra o