2. Blatt zu Wr. 153 Wer darf abſtimmen? Amtliche Mitteilung zur Abſtimmung im Saargebiel. Berlin, 4. Juli. Von zuſtändiger amtlicher Stelle wird mitgeteilt: Der Völkerbundsrat hat die Volksabſtimmung im Saargebiet auf Sonntag, den 13. Januar 1935, feſtgeſetzt. Abſtim⸗ mungsberechtigt iſt ohne Unterſchied des Geſchlechts und der Staatsangehörigkeit jede Perſon, die am 13. Ja⸗ nuar 1933 20 Jahre alt iſt und am Tag der Unterzeichnung des Verſailler Vertrages, das iſt der 2 8. Juni 1919, im Saargebiet gewohnt hat. Nach dem vom Völker⸗ bundsrat feſtgeſetzten Abſtimmungsreglement iſt grundſätz⸗ lich jede Perſon abſtimmungsberechtigt, die an dieſem Tag im Saargebiet ihren gewöhnlichen Wohnort hatte und ſich dort mit der Abſicht des Verbleibens niederließ. i Eine beſtimmte Anweſenheitszeit wird ſomit nicht verlangt; auch wer ſich erſt am Stichtag, dem 28. Juni 1919, im Saargebiet niedergelaſſen hat, iſt abſtimmungs⸗ berechtigt. 5 Andererſeits iſt die vorübergehende Abweſenheit vom ſtändigen Wohnort im Saargebiet ohne Einfluß auf die Stimmberechtigung, vorausgeſetzt, daß der Wille be⸗ ſtand, den tatſächlichen Aufenthalt im Saargebiet beizube⸗ halten. Es ſind ſonach beiſpielsweiſe auch a ſtimmungsbe⸗ rechtigt: f a) Perſonen, die aus einer Gemeinde des Saargebietes zur Erfüllung des Militärdienſtes eingezogen, am 28. Juni 1919 aber noch nicht an ihren ſtändigen Wohnort im Saargebiet zurückgekehrt waren, weil ſie noch bei ihrem Truppenkeil ſtanden, oder ſich in Gefangen⸗ ſchaft befanden oder infolge Verwundung oder Krankheit noch nicht in das Saargebiet zurückkehren konnten; b) aktive deutſche Militärperſonen, die vor der Beſetzung des Saargebietes bei einem im Saarge⸗ biet garniſonierenden Truppenteil ſtanden und bei der Be⸗ ſetzung das Saargebiet verlaſſen mußten, ihren Wohnſitz da⸗ ſelbſt aber bis 28. Juni 1919 noch nicht aufgegeben hatten. In Betracht kommen Offiziere, Militärbeamte, Unteroffi⸗ ziere und Kapitulanten, nicht aber die lediglich zur Erfül⸗ lung ihrer Militärdienſtpflicht Eingezogenen; c) Perſonen, die ſich über den 28. Juni 1919 zu Be⸗ ſuchs⸗, Studien⸗ oder Ausbildungszwecken außerhalb ihres im Saargebiet gelegenen ſtändigen Wohn⸗ orts aufgehalten haben, ſelbſt wenn ſie am 28. Juni 1919 im Saargebiet polizeilich nicht gemeldet waren; d) Perſonen, die über den 28. Juni 1919 vorübergehend außerhalb ihres ſtändigen Wohnorts im Abſtimmungsgebiet eine Dienſt⸗ oder Arbei tstätigkeit ausgeübt haben; e) Perſonen, die am 28. Juni 1919 von ihrem ſtändigen Wohnſitz im Saargebiet verreiſt waren und ſich polizei⸗ lich abgemeldet hatten, um z. B. während der Reiſe am Auf⸗ enthaltsort Brotkarten zu erhalten; f) Perſonen, die am d28. Juni 1919 3zwangsweiſe, 3. B. durch Ausweiſungsbefehl der damaligen Be⸗ ſatzungsmächte, von ihrem ſtändigen Wohnort im Saarge⸗ biet ferngehalten worden ſind, oder die aus dem Saargebiet geflüchtet und bis 28. Juni 1919 nicht zurückgekehrt waren. Der Aufenthalt von Minderfährigen und Ent⸗ mündigten am 28. Juni 1919 beſtimmt ſich nach dem Aufenthalt der Perſonen, die die väterliche Gewalt oder die Vormundſchaft über ſie ausübten. Der Aufenthalt der Eltern oder des Vormundes hat aber dann keine entſcheidende Be⸗ deutung, wenn ein Minderjähriger, der zu dieſer Zeit ge⸗ trennt von ſeinen Eltern oder ſeinem Vormund wohnte, ſelbſt für ſeinen Unterhalt ſorgte. Eine am 28. Juni 1919 im Saargebiet beſchäftigte Minderjährige, die dort ihren Unterhalt als Hausgehilfin ſelbſt verdiente, iſt alſo abſtimmunasberechtigt, auch wenn ihre Eltern damals nicht im Saargebiet wohnten.— Die verheiratete Frau teilt den Aufenthalt ihres Ehegatten, ſofern die Ehe vor dem 28. Juni 1919 geſchloſſen war. An alle im Reich außerhalb des Saargebie⸗ tes wohnhaften Perſonen, die auf Grund der vorſtehen⸗ den Richtlinien die Verleihung der Abſtimmungsberechki⸗ gung beanſpruchen können und ſich bisher noch nicht gemel⸗ del haben, ergeht die Aufforderung, ſich umgehend bei der Saarmeldeſtelle ihres jetzigen Wohnorks(beim Ein⸗ wohnermeldeamt, in den Skädken beim zuſtändigen Polizei⸗ repier) zu melden. Soweit möglich, ſind Nachweiſe über den Wohnſig am 28. Juni 1919(An- und Abmeldebeſcheinigun⸗ 8 5 Beſchäftigungszeugniſſe, Militärpapiere uſw.) mikzu⸗ ringen. a 8 Einweihung der Wilhelm⸗Stüwe⸗Schule Die bevölkerungspolitiſche Rednerſchule Süddeutſchlanbs. () Bühlertal, 3. Juli. Die bevölkerungspolitiſche Red⸗ nerſchule des Reichsbundes der Kinderreichen, Bundesinſpek⸗ tion Baden⸗Pfalz iſt mit einer ſchlichten eindrucksvollen Feier eingeweiht worden. Sämtliche Landesleiter von Bayern, Württemberg, Baden, ſowie ein Vertreter aus dem Saar⸗ gebiet waren erſchienen, da die Schule auf dem Wiedenfelſen die Landesſchule für ganz Süddeutſchland iſt. g Landesleiter Profeſſor von Beck begrüßte die Gäſte und Kursteilnehmer und gab bekannt, daß die Schule künftig den Namen des Reichsbundesleiters Wilhelm Stüwe tragen werde. Dann ſprach er über Sinn und Zweck der bevölke⸗ rungspolitiſchen Schule, über Sicherung und Vergrößerung unſeres Volkes und über die Reinerhaltung der Raſſe und des Blutes. 21 5 5 Reichsbundesleiter Stüwe gab einen Ueberblick über den Werdegang des Rd, der ſich erſt im Dritten Reich zu einer ſolchen Hö entwickelt habe, daß Redner und Kämpfer aus dieſer Schule hervorgehen können, die dafür ſorgen werden, daß der Glaube an den ewigen Beſtand unſeres Volkes geſtärkt und geſtählt wird. Als Vertreter des Reichsſtatthalters Robert Wagner ſprach a Moraller, der darauf hinwies, daß, wir die Pflicht haben, in die ferne Zukunft zu ſchauen und auf die Jahrhunderte hinaus die Exiſtenz unſeres Volkes zu ſichern. iniſterialrat Profeſſor Stähle überbrachte die Grüße und Wünſche der württembergiſchen Regierung. An den Führer und Reichskanzler wurde ein rgeben⸗ 9 gerichtet. Das Deutſchland⸗ und das Horſt⸗ eſſellied bildeten den Abſchluß der Feier. 8 Sonnenuntergang 20.25 8 Sonnenaufgang 3.43 Monduntergang 14.45 Mondaufgang 23.37 Wirtſchaſtliche Amſchau Kein weiterer Gold⸗ und Deviſenverluſt Der Reichsbankausweis am Halbjahresende. Die Inanſpruchnahme der Reichsbank zum Halbjahres⸗ wechſel war laut Ausweis vom 30. Juni mit 586 Millionen Mark recht erheblich, auch wenn man berückſichtigt, daß die⸗ ſer Termin immer eine ſtärkere Inanſpruchnahme bringt. Im Vorjahr betrug die Inanſpruchnahme der Kapitalanlage der Reichsbank 375 Millionen Mark. Es hüngt die diesjäh⸗ rige ſtärkere Inanſpruchnahme wohl zum größten Teil mit den Einzahlungen auf die neue Reichsanleihe zuſammen. Der Notenumlauf ſtieg um 379 auf 3777 Millionen Mark. Die käglichen Deviſenrepartierungen haben ſich dahin ausgewirkt. daß kein weiterer Verluſt am Gold⸗ und de⸗ viſenbeſtand eingetreten iſt. Einem Rückgang des Goldbe⸗ ſtandes um 2.3 auf 70,2 Millionen Mark ſteht eine Steige ⸗ rung des Beſtandes an deckungsfähigen Deviſen um 2,6 auf 6,6 Millionen Mark gegenüber. Das Deckungsverhältnis der Noten beträgt nunmehr 2 v. H. gegen 2,3 v. H. in der Vorwoche. Der Geſamtzah⸗ lungsmittelumlauf betrug 5781 Millionen Mark gegen 5521 Millionen Mark zur gleichen Zeit des Vorjahres. Preisſpannen im Kartoffelhandel Um von vornherein zu verhüten, daß die Frühkartoffel⸗ abſatzregelung etwa dazu benutzt wird, Handelszuſchläge zu vereinbaren, die das Normalmaß überſchreiten, hat die Reichshauptabteilung 4 des Reichsnährſtandes ihre nachge⸗ ordneten Dienſtſtellen angewieſen, die Bildung der Groß⸗ und Kleinhandelspreiſe für Kartoffeln ſchärfſtens zu über⸗ wachen. Ausdrücklich wird bemerkt, daß das Recht, Preiſe — auch Mindeſtpreiſe— feſtzuſetzen und Preisſpannen für den Verkauf von Frühkartoffeln zu beſtimmen, allein dem Reichsbeauftragten zuſteht. Bisher hat der Reichsbeauf⸗ tragte bewußt davon Abſtand genommen, auch Preisſpan⸗ nen anzuordnen, um den Handel nicht in ſeiner Be⸗ wegungsfreiheit zu beengen. Marktregelung für den Gartenbau Der Reichsernährungsminiſter hat im Wege der Ver⸗ ordnung den Reichsnährſtand ermächtigt, den Abſatz von Gartenbauerzeugniſſen zu regeln. Zum Gartenbau ge⸗ hören der Obſt⸗, Gemüſe⸗ und Blumenbau, der Gemüſe⸗ und Blumenſamenbau und die Baumſchulen, ſofern die Erzeugniſſe dieſer Betriebe nicht be⸗ oder verarbeitet ſind. Bisher beſtand eine Itegelung für dieſe Gebiete nur, ſoweit es ſich um die Konſerveninduſtrie handelte, durch die wirt⸗ ſchaftliche Vereinigung der Obſt⸗ und Gemüſeverwertungs⸗ Induſtrie und ferner durch die vor einiger Zeit ergangene Anordnungen für Zwiebeln und Frühkartoffeln. Künftig kann nun der Reichsnährſtand für den geſamten Gartenbau Vorſchriften über Sortierung, Verpackung, Verladung und N treffen, Einrichtungen zur geregelten Er⸗ faſſung und Aufbereitung der Srhengnit hee Freiſe und Preisſpannen und auch Ordnungsſtrafen feſtſetzen. Mannheimer Schlachtviehmarkt vom 3. Jult. Auftrieb: 198 Ochſen, 118 Bullen, 379 Kühe, 390 Färſen, 853 Kälber, 52 Schafe, 1730 Schweine, 7 Ziegen. Preiſe pro 50 Kilo⸗ gramm Lebendgewicht in Reichsmark: Ochſen 29 bis 33, 21 bis 23, 24 bis 28; Bullen 27 bis 29, 23 bis 26, 21 bis 23; Kühe 24 bis 27, 19 bis 23, 13 bis 17, 9 bis 12; Färſen 30 bis 33, 25 bis 29, 22 bis 24; Kälber 44 bis 47, 36 bis 43, 29 bis 35, 2 bis 28; Schweine al) 50, a2) 45, b) 43 bis 47, 42 bis 45.— Marktverlauf: Großvieh mittel, Kälber mittel, kleiner Ueberſtand; Schweine mittel. Stuttgarter Schlachtpiehmarkt vom 3. Juli. Dem Diens⸗ tagmarkt waren zugeführt: 18 Ochſen, 48 Bullen, 191 Jung⸗ bullen, 420 Rinder, 261 Kühe, 1231 Kälber, 2126 Schweine. Erlös aus je 1 entner Lebendgewicht in Reichsmark: Ochſen 22 bis 28, 211 22; Bullen a) 27 bis 29, b) 24 bis 27, c) 23 bis 26, d, 20 bis 22; Rinder a) 30 bis 33, b) 24 bis 28, c) 21 bis 23, d) 20 bis 21; Kühe a) 20 bis 24, b) 14 bis 18, c) 10 bis 12, d) 8 bis 9; Kälber a) 40 bis 43, b) 35 bis 38, c) 29 bis 33, d) 25 bis 28; Schweine a) 40 bis 41, b) 40 bis 41, c) 39 bis 41, d) 38 bis 40, e) 37 bis 38.— Marktverlauf: Großvieh ruhig, Ueberſtand; Käl⸗ zer mäßig; Schweine ruhig. Stuttgarter Landesprodultenböeſe vom 3. Juli: Preiſe unverändert. Rundfunk⸗ Programme Reichsſender Stuttgart. Jeden 1 88 wiederkehrende Programm⸗Rummern 5.35 Bauernfunk, Wetter; 5.45 Choral; 5.50 Gymnaſtik 1; 6.15 Gymnaſtik II; 6.40 Zeit, Nachrichten; 6.50 Wetter; 6.55 Frühkonzert; 8.15 Waſſerſtandsmeldungen; 8.20 Gym⸗ naſtik; 8.40 Funkſtille; 10 Nachrichten; 11.25 Funkwerbungs⸗ konzert; 11.55 Wetter; 12 Mittagskonzert J; 13 Zeit, Nach⸗ richken, Saardienſt; 13.10 Lokale Nachrichten, Wetter; 13.20 Mittaaskonzert II: 13.50 Zeit. Nachrichten: 8 Donnerstag, 5. Juli: 10.10 Schulfunk für alle Stufen; 10.40 Sommerbilder; 11 Kammermuſik; 15 Unſere Volks⸗ trachten; 15.15 Zeitgenöſſiſche badiſche Komponiſten; 17.80 Joſeph Ponten lieſt vor; 17.55 Hat die Völkerkunde Be⸗ deutung für unſer Volke, Zwiegeſpräch; 18.15 Familie und Raſſe; 18.25 Spaniſch; 18.45 Moſcht ond Brot; 21 Neue Unterhaltungsmuſik, 23 Kleine Stücke für Violine mit Kla⸗ vierbekleidung; 23.20 Nachtmuſik. Freitag, 6. Juli: 10.10 Klaviermuſik; 10.40 Vierte Sin⸗ fonie von Tſchaikowſky; 14.30 Schulfunk; 15.15 Tabak, Plauderei; 15.30 Kammermuſik; 17 Kammermuſik für Blä⸗ ber 17.30 Tanzmuſik; 18.25 Heinrich Vierordt, der Neſtor r badiſchen Dichter; 18.40 Bayeriſcher Humor; 19 Anter⸗ Itungskonzert; 20 Politiſcher Kurzbericht; 21 Feſtkonzert; 2.35 Lokale Nachrichten, Wetter, Sport; 22.45 Sportvor⸗ ſchau; 23 Das neue München; 23.20 Wir tanzen in den Sommer. f i Samstag, 7. Juli: 10.10 Bunte Unterhaltung; 11 Kla⸗ viermuſik; 14.30 Jugendfunk; 15.10 Lernt morſen; 15.30 Handharmonikamuſik; 18 Stimme der Grenze; 18.20 Elektro⸗ technik und der Verband Deutſcher Elektrotechniker, Vortrag; 18.40 Fröhlicher Tanz im Grünen; 20.05 a Um⸗ ſchau; 20.15 Großer bunter Abend; 22 Nachrichten, tter, Sport: 22.25 Fortſetzung des großen b b 5 Ein politiſches Feſt Die Deutſchen Kampfſpiele in Nürnberg. Es gehört zwar zu den Gründungsgedanken der Deut⸗ ſchen Kampfſpiele, daß in ihnen die„überragende nationale Idee“ lebendig ſein ſollte. Es gibt ſogar noch Leute, die behaupten, daß ſie„im Geiſte der nationalen Erhebung“ gefaßt und ausgeführt worden ſeien. Das ſind ſchöne Worte, die heute vielleicht, im politiſch geſicherten Rahmen des neuen Staates geſprochen, ihren Sinn haben, damals aber zur Zeit ihrer Entſtehung(der Weimarer Staat war ge⸗ rade ins Leben gerufen) nichts als eben ſchöne Worte waren, auf die das Bürgertum ſtolz war und gegen die die Sozial⸗ demokratie in unblutigem Zeitungsgeplänkel kämpfte. Es iſt alſo nichts gefährlicher als die Meinung, am Kampfſpiel⸗ gedanken ſei nichts zu deuteln und zu drehen, er ſei völkiſch geweſen, aus germaniſcher Subſtanz geboren und ſei das deutſche Volksfeſt geweſen. Nein, das waren die Kampfſpiele nie! Sie waren eine Veranſtaltung des Deutſchen Reichs⸗ ausſchuſſes für Leibesübungen und als Kind dieſer Organi⸗ ſation genau ſo unpolitiſch und von den Krankheiten des Parlamentarismus befallen wie dieſe Organiſation ſelber. Freilich mögen die drei Kampfſpiele, die bisher ſtattgefunden haben— 1922 in Berlin, 1926 in Köln und 1930 in Breslau— für viele eine angenehme und ſchöne Er⸗ inzerung ſein, aber politiſch haben ſie durchaus keinen Wider⸗ hall gefunden, erſt recht aber keine aufbauende und erwek⸗ konde Kraft beſeſſen. Es ſoll allerdings nicht bestritten wer⸗ den, daß die Zuſammenfaſſung aller Deutſchen zu einer Kampfſpielveranſtaltung auch damals ſchon einen völkiſchen Wert beſeſſen hat, ganz gleich, welches Ziel über dem Gan⸗ zen geſchwebt hat. Aber ſelbſt in dieſer Hinſicht haben ſie niemals die volkverbindende Kraft eines deutſchen Turnfeſtes erreicht, obgleich hier nur ein einziger Verband der Leibes⸗ übungen in Deutſchland ſich an einem Ort traf. Die Kampfſpiele im Dritten Reich haben eine grund⸗ ſätzlich politiſche Idee und eine grundſätzlich andere politiſche Wirkung. Sie ſind im gleichen Sinne völkiſch, wie ſie politiſch 5 Völkiſch inſofern, als alle Deutſchen, gleichviel, wo in er weiten Welt ſie wohnen, zu den Kampfſpielen eingeladen und zugelaſſen werden. In Nürnberg ſoll ſich das völ⸗ kiſche Deutſchland, das nicht mit den Grenzen des Reichs abſchließt, treffen. Der Feſtſpielplatz in Nürnberg wird ſo⸗ mik zur anſchaulichen Darſtellung All⸗Deutſchlands, und ſo⸗ mit iſt Nürnberg das Deutſche verbindende Feſt. Darüber hinaus aber wird hier die Idee des Politiſchen zur an⸗ ſchaulichen Darſtellung gebracht. Wenn im Nürnberger Stadion die Mannſchaft der SA. und HJ. und die Mann⸗ ſchaften des Reichsbundes für Leibesübungen gemeinſam ein⸗ marſchieren, dann iſt dies ein Symbol für das neue Deutſchland, für die vollendete politiſche Erfaſſung der deutſchen Leibesübungen. Denn jeder der Teilnehmer, jedes Glied der Mannſchaft, das zu den Kampfſpielen nach Nürn⸗ berg kommt, weiß, warum es in den Herzort Bayerns fährt. Ein jeder Teilnehmer pilgert dorthin,— nicht ſchlechthin als Deutſcher, ſondern als Deutſcher mit dem Bekenntnis zum Reich. Er weiß, daß all ſein Tun für das neue Reich ge⸗ ſchieht. Jeder Marſchtritt, jeder Lauf, jede ſportliche Uebung iſt eine Darſtellung der Volkskraft und ein Zeichen für das wiedererweckte Reich. Bei den Kampfſpielen der vergangenen Weimarer Periode trafen ſich Turner und Sportler, Leicht⸗ athleten und Fußb„ und jeder hatte, wenn er ein ge⸗ meinſchaftliches J ere ee: das Izteſe ſeines Ver⸗ bandes zu verteidigen. Es war eine individuelle oder grup⸗ penindividuelle Angelegenheit. In Nürnberg 1934 gibt es leine Angelegenheit des Einzelnen oder der Verbände mehr. Der Einzelne iſt ein verſchwundener Begriff einer politiſch entarteten Zeit, und der Verband iſt der Ausdruck des politiſchen Liberalismus. Beide gehören der Vergangenheit an. In Nürnberg ſteht der politiſche Deutſche im Vorder⸗ grund, und der kennt grundſätzlich keine Einzelangelegenhei⸗ len. In Nürnberg gibt es keine Verbände, ſondern nur die politiſche Organiſation der neuen deutſchen Leibes⸗ übungen: den Reichsbund für Leibesübungen. An der Spitze ſteht ein SA.⸗ Gruppenführer als Ausdruck der höchſten politiſchen Aktivität der deutſchen Leibesübungen. Nürnberg iſt ein Symbol des neuen Reiches. In einer ſolchen Stadt kann nur ein Feſt gefeiert werden, das in einer Art gleich großes Gewicht hat wie der Parteitag für die Parkei. Und wie Nürnbergs Pflaſter zu den Partei⸗ lagen von dem Marſchtritt der SA. und PO. ertönt und das neue Deultſchland ſich dort überhaupt eine Darſteltung gibt, ſo ſoll auf den Kampf ſpielwieſen mit dem Aufmarſch der Leibesübungen die politiſche Einrichtung des negen Reiches zur Erhaltung und Steigerung der Volkskraft zum vollendeten Ausdruck gebracht werden. Reichsſender Frankfurt. Jeden Werktag wiederkehrende Programm⸗Nummern: 5.45 Choral, Zeit, Wetter; 5.50 Gymnaſtik I; 6.15 Gym⸗ naſtik II; 6.40 Zeit, Nachrichten; 6.50 Wetter; 6.55 Früh⸗ konzert; 8.15 Waſſerſtandsmeldungen, Wetter; 8.20 Gym⸗ naſtik; 10 Nachrichten; 11 Werbekonzert; 11.40 Programm⸗ J ſagz Wirtſchaftsmeldungen, Wetter; 11.50 Sozialdienſt; 12 ittagskonzert 1) 18 Zeit, Nachrichten; 13.10 Lokale Nachrichten; 13.20 Mittagskonzert 11; 18.50 Zeit, Nachrichten; 14 Mittagskonzert III; 15.30 Gießener Wetterbericht; 15.40 Nachmittagskonzert; 18 Jugendſtunde; 18.45 Wetter, Wirt⸗ ſchaftsmeldungen, Zeit; 18.50 Griff ins Heute; 20 Zeit, Nachrichten; 20.15 Stunde der Nation; 22.20 Zeit, Nach⸗ richten; 22.35 Du mußt wiſſen.. 22.45 Lokale Nachrich⸗ ten; 24 Nachtmuſik. Donnerstag, 5. Juli: 10.45 Praktiſche Ratſchläge für Küche und Haus; 14.40 Kinderſtunde; 17.30 Löwen werden garantiert, Bericht; 17.45 Aus Zeit und Leben; 18.15 Fa⸗ milie und Raſſe; 18.25 Spaniſch; 19 Volksmuſik; 21 Richard Wagner, der muſikaliſche Erfinder; 22 Kleine Unterhaltung; 23 Nachtmuſik; 23.20 Tanzmuſik. 8 3 Freitag, 6. Juli: 14.40 Frauenſtunde; 17 Kammer⸗ wuſik für Bläser; 17.30 Unbekannte Dichter; 17.45 Heitere Weiſen; 18 Vier auf dem Kriegspfad; 18.25 Auf dem Fal⸗ kenhof von Sickingen; 19 AUnterkaltungskonzert; 20 Politi⸗ ſcher Kurzbericht; 21 ein 22.35 Lokale Nachrichten, Wetter, Sport, 22.45 Kleine Unterhaltung; 23 Vom Schick⸗ ſal des deutſchen Geiſtes; 24 Opernouvertüren. 3 Samstag, 7. Juli: 14.30 Fröhliches Wochenend; 8 Lernt morſen; 15.40 Quer durch die Wulſhaft 18 S der Grenze; 18.20 Der Polizeipräſident spricht; 18.3 reifſendung; 19 Anterhaltungskonzert; 20.05 Umſchau; 20. 22.35 ter, Spor 4 uſtige 75 22 65 Tanzmufit deu Sommerlied Blaue Berge! Bon den Bergen ſtrömt das Leben. Reine Luft für Menſch und Vieh, Waſſerbrünnlein ſpat und früh Müſſen uns die Berge geben. Friſche Matten! Grüner Klee und Dolden ſchießen; An der Schmehle ſchlank und fein Glänzt der Tau wie Edelſtein, And die klaren Bächlein fließen. Schlanke Bäume! Munktrer Vögel Melodeien Tönen im belaubten Reis, Singen laut des Schöpfers Preis. Kirſche, Birn' und Pflaum' gedeihen. Grüne Saaten! Aus dem zarten Blatt enkhüllt ſich Halm und Aehre, ſchwanket ſchön, Wenn die milden Lüfte wehn, And das Körnlein wächſt und füllt ſich. An dem Himmel Skrahlt die Sonn“ im Brautgeſchmeide, Weiße Wölklein ſteigen auf, Jiehn dahin im ſtillen Lauf; Goktes Schäflein gehn zur Weide. Rote Blitze Jucken hin und zucken wieder, Leuchten über Wald und Flur. Bange harrt die Kreatur. Donnerſchläge ſtürzen nieder. Gul Gewiſſen, Wer es hal und wer's bewachet, In den Blitz vom Weltgericht Schaut er und erbebek nicht, Wenn der Grund der Erde krachek. Hebel. SOS So SS SSS SSS der Ahornhof Eine maſuriſche Bauerngeſchichte, erzählt von Frieda Buſch. Dicke, grüne Moospolſter liegen auf dem 1 Strohdach des alten Hauſes des Ahornhofes. Das Haus iſt von einem ſtatt⸗ lichen Hof umgeben. Scheune, Ställe und der Speicher aber wollen nicht mehr wiſſen von alten, lang verklungenen Zeiten. Nur das Haus ſteht heute, wie es vor 200 Jah⸗ ren ſtand. Und Charaktere waren es, die ſich in die⸗ ſem Hauſe erfüllen mußten. Da war der alte, dickköpfige knorrige Johan Burginſka. Der erſte freie Bauer! Nicht leicht war der Kampf um die Freiheit geweſen. Als Jo⸗ han Burginſka freite, war er nicht mehr jung. Ein Sohn wurde ihm ſpät geboren. Die Mutter krankte bereits ſeit der Geburt des ungewöhnlich ſtarken und ſchweren Mädchens. Der Sohn, viel zarter und fein⸗ gliedriger, koſtete ihr faſt das Leben. Die kleine Dorothea lernte es früh, aus eigenem Antrieb zu arbeiten, die Mägde an⸗ 8 und ihnen Befehle zu erteilen. anz anders der kleine Bruder. Dem Schmeicheln ſeiner weichen Händchen konnte der Vater nicht widerſtehen. Der junge Johan Burginſka war der Ab⸗ gott der Eltern, der Abgott im Dorfe, im Wirtshaus beim Tanz. Jung verliebte er ſich in ein wildes, aus Polen zugewandertes Zi⸗ geunermädchen Als diefer Liebe ein Kind entwuchs, wollte das Mädchen den jungen Bauern zur Ehe zwingen. Vater Burginſka dachte ein donnerndes „Nein“, unterſtrichen von einem Fauſtſchlag auf den Tiſch, werde genügen, den Sohn von ſeinem Nordeden abzubringen. Jetzt erwachte auch in dem Sohn zum erſtenmal der altererbte Bauerntrotz. Der Sohn rang mit dem Vater. Verge⸗ bens. „Vater, ich hab ihr verſprochen, ſie ehrlich zu machen. Gebt ihr mir nicht den Hof. dann verlaſſe ich Euch.“ Schmerzhaft zuckte es im Antlitz des alten Vaters. Heiß quoll die Liebe zu dem Jungen auf. Die Mutter weinte und flehte. Hoch reckte ſich der Alte auf. „Nein.“ Da ſtürmte der Junge hinaus, zum Dorfe hin.„Wir wandern aus, die Welt iſt weit.“ Der Mutter brach das Herz. In aller Stille bettete man ſie zur Ruhe. Der Sohn ging nicht an ihrem Sarg.— An einem naſſen Oktobermorgen wanderte das junge Paar fort. Vorher aber ſchlich der Sohn ſich an das Grab der Mutter. Er kniete nieder und weinte bitterlich. „Mutter!“ Als er zurückging, erwartete ihn die Zi⸗ geunerin mit dem Säugling in einem Tuche auf dem Rücken. Johans Augen ſuchten noch einmal den väterlichen Hof. Da aber hob das — 7 Weib mit haßſprühenden Augen den rm und ballte die Fauſt gegen den Hof. Ihre Worte gellten über die kahle Erde: „Es ſoll nie Ruhe, nie Frieden herrſchen auf dieſem Hofe!“ „Komm“, ſagte der Mann hart. Sie gingen davon und blieben verſchollen. Auch dem Vater brach das Herz über den verlorenen Sohn. Dorothea Burginika erbte den Hof. Da fanden ſich auch die Freier ein. Um Dorotheas Mund lag ein höhniſcher, bit⸗ terer Zug und verunſchönte das Geſicht noch mehr. Den Freier, der harte Taler auf den Hof mitbringen konnte, den heiratete ſie. Michel Korſepp war ein ſtiller, gutmütiger Mann, der es kaum merkte, daß ſein Weib immer herriſcher wurde. Herriſch und geizig— das war Dorothea Korſepp. Auch die Geburt des kleinen Johannes ſtimmte ſie nicht weicher. Johannes hatte eine freudloſe Kindheit. Später tollte er ſeine geſunde Lebensluſt auf dem Pferderücken aus. Früh ging er auf Jagd. Die Mutter ſuchte ſchon lange eine paſſende Frau für ihren Sohn. Nun mußte ſie mit Entſetzen bemerken, daß ihr Sohn ſich bereits verliebt hatte. Es war eine arme Magd. „Niemals!“ Der Vater ſtarb. Der Junge, heiratete die kleine, zarte Maria. Die Mutter mußte das Altenteil be⸗ ziehen. Da lodern Lebensgewalten auf. Haß! Herr ſchſucht! Geiz! Geldgier! Eifer⸗ ſucht! Der Fluch der Zigeunerin laſtet ſchwer. Die Alte beſpricht das Vieh im Stall, die jungen Kälber ſterben. Kinder werden geboren, welken wieder dahin. Hagelwetter vernichten in jedem Jahr die Ernte. Der Hof verfällt. Die Alte gibt nicht einen Pfennig her. Der junge Bauer trinkt, ſchmuggelt, wird Wilddieb Maria weint und betet. Sie iſt eine ſtille, tapfere Frau. Ihre Stube hält ſie eigen und ſauber. Alles andere verkommt. Ver⸗ kommt trotz der ewigen Unraſt der Alten. Die Knechte ſehen ſie abends und nachts mit der Laterne in der Hand auf den Krück⸗ ſtock geſtützt, die Ställe ableuchten. Sie ſe⸗ hen ſie morgens im Stall das Abfüttern der Pferde überwachen. Die Frauen ſehen ſie plötzlich wie einen böſen Geiſt hinter ihren Melkſtühlen ſtehen. Einmal geht ſie ins Dorf zum Schreiner. Dort beſtellt ſie ſich einen ſchweren Eichen⸗ ſarg. Sie fürchtet, der Sohn könne ihr einen billigen Fichtenſarg kaufen. Endlich— endlich ſtirbt ſie. Mit Gott und der Welt und ihrer Schwiegertochter un⸗ verſöhnt. Im großen Vorderzimmer ſteht der Sarg. die Leiche iſt aufgebahrt. Der Sohn ſucht das Teſtament. Sucht das Geld. Findet nichts. Da packt ihn ein Grauen. Maria erzählt ihm, daß die Alte oft ſtundenlang neben ihrem Sarg geſeſſen habe und habe auch daran herumgepoltert. Nun durchſuchen die Kin⸗ der den Sarg. Da finden ſie das Geld. Gold, harte Taler. Es kommt die letzte Nacht, da die Leiche im Haus iſt. Der Großknecht iſt abends im Stall. Plötzlich ſieht er die Alte mit dem Krückſtock, die Laterne in der Hand, den Stall ableuchten. Eiskalt überläuft es ihn da. Ueber Maria kommt ein neues Hoffen. Sie wird jetzt den Mann zurückgewinnen für ein ordentliches, arbeitſames Leben. Sie trägt abermals ein Kind unter dem Herzen. „Einmal flüſtert es der Großknecht dem Schäfer zu:„Das Lichtchen war wieder auf dem Hof.“ Am anderen Morgen bringen ſie den Bau⸗ ern tot ins Haus. Er iſt als Wilddieb er⸗ ſchoſſen. Maria faltet ſtill die Hände und beugt das Haupt. „Und dennoch!“ Als das Kind geboren wird, geſchieht es in einem ſauberen, freundlichen uſe. Dienſtwillige. arbeitsfrohe Mägde pflegen ihre Herrin, pflegen das Kind. Der Groß⸗ knecht aber holt den Zimmermann. Er muß die Ställe ausbeſſern. Als Maria auffſteht. ſehen ihre Augen über einen neuen, ordent⸗ lichen Hof. „Großknecht, und dann die Felder“, bittet ſie „Ja, Frau, nun die Felder.“ Zärtlich ſtreicht Marig ihrem Sohn über den blonden Lockenkopf. Lange denkt ſie nach, welchen Namen er tragen ſoll. Wieder ein Johannes?„Ja“, ſagt ſie feſt. Aber ſie fügt dem alten Namen einen neuen hinzu. Reinhart. Bald lief der kleine Hans an der braunen, ſchwieligen Hand des Großknechts über die Felder. Bald lernte er reiten. Mit 20 Jah⸗ ren ging er auf Jagd. f Mit 25 Jahren heiratete er ein armes Mädchen. „Mutter, ſie bringt ſtatt Geld den Web⸗ ſtuhl mit“. „Es iſt gut ſo, mein Junge“, ſagte die Mutter. Dann ſtarb ſie. Marias Gebet hatte den Fluch der Zi⸗ geunerin gebrochen. Johannes Reinhart Korſepp war der erſte wirklich freie Bauer auf dem Ahornhof. Er iſt im Weltkrieg gefallen. Fremde Erde deckt ſeinen Leichnam. Und Kämpfer iſt ſein Sohn Johannes Reinhart Hellmut Korſepp. Auch er iſt keiner von denen, die da wei⸗ chen. — 2 1655 2 Eine ſtarke Klaſſe Von Edda Prochownik. „Da wern de Fenſter uffjeriſſen, und die Lehrers uff nen Hoff jeſchmiſſen.“ Mit dieſen ausſichtsreichen Lehren entließ der keſſe Emil ſeinen kleinen Bruder vor der Tür der Gemeindeſchule in der Brunnenſtraße in Berlin. Etwas ratlos, die rechte Hand in der unergründlichen Hoſentaſche, die Linke in dem roten Haarſchopf, blieb Orje(Georg) Bumke vor der Schultür ſtehen. Ein kleiner Burſſhe mit der Schiefertafel un⸗ term Arm geſellte ſich zu ihm.„Kommſte mit in die Achte, uns belernt nen Meechen(Mäd⸗ chen), det macht Laune“, ermunterte er den Neuen mit einem gutgemeinten Knuff in die Rippengegend. Orje pflanzte ſich breitbeinig vor dem Klei⸗ nen auf, den er um gut drei Zentimeter Haup⸗ teslänge überragte, und ſagte empört:„Du biſt woll molem, als wie icke und bet die Moppels. Ick bin ſchon in di eSiebte. Bloß, weil wir ſind umjezogen, komm ick nu hier in die Penne.“ „In die Siebte bei Krügern, au Backe, da kriechſt orntlich mitn jelben Onkel.“(Rohr⸗ ſtock) Die Schulglocke läutete gerade zum zweiten Male, der Schuldiener erſchien und nahm ſich Orjes an, der ſich trotz ſeines gutgeſchmierten Mundwerks noch immer nicht in die geheiligten Schulräume gewagt hatte. Er nahm ihn nun ins Schlepptau und gab ihn perſönlich in der 7. Klaſſe bei Herrn Krüger ab. Mit einem vielſagenden Blick auf Orje⸗ zu, einem ver⸗ legenen Grinſen, verzogenen breiten Mund, die verſchmitzt zugekniffenen Aeuglein und dem wi⸗ derſpenſtig in die Höhe ſtrebenden roten Schopf, flüſterte er dem Klaſſenlehrer zu: 7 kein angenehmer Familienzuwachs zu ein!“ Herr Krüger gab Orje freundlich die Hand, beſah kopfſchüttelnd ſein Zeugnis und erkun⸗ digte ſich eingehend, woher er käme und wie denn ſein Name ſei. Inzwiſchen hatten 56 kleine Jungens eine mindeſtens ebenſo gründ⸗ liche Prüfung des Neuen vorgenommen, ſie fiel zur allgemeinen Zufriedenheit der Klaſſe aus. Ede(Eduard) Kulicke, tonangebend für Keileret, Klamauk und Fußball, flüſterte ſeinen Nachbarn zu:„Der Junge is jut, der macht allens mit!“ Auch Herr Krüger war eben⸗ falls endlich mit der Generalmuſterung fer⸗ tig geworden und forderte Orje, das heißt, er nannte ihn ordnungsgemäß Georg Bumke, auf, vorläufig auf der letzten Bank Platz zu neh⸗ men. Nur vorläufig, denn:„Weißt Du, Georg, ich habe hier ſchon 56 ſolche Trabanten in der Klaſſe. Die Klaſſe iſt ſehr ſtark, ich weiß noch nicht, ob Du in der Klaſſe bleiben kannſt.“ Die Stunde nahm ihren üblichen Verlauf, es wurde im Kopf gerechnet, und das hatte Orje am Obſt⸗ und Gemüſeſtand ſeiner Mut⸗ ter auf dem Wochenmarkt ſchon durch die Pra⸗ kis gründlich gelernt. Auch ſein Nachbar, der ihm gleich als Begrüßung unter dem Tiſch eine, allerdings ſchon ziemlich abgelutſchte, Lakritzenſtange zuſchob, gefiel ihm. Der Leh⸗ rer, Gott, den mußte man ſchon mit in Kauf nehmen, und es gab Schlimmere! Aus die⸗ ſen tiefſinnigen Ueberlegungen riß ihn das heiſere Metall der Glocke, die zur großen Pauſe rief. Mit Gebrüll und Geſchubſe wurde Orje auf den Schulhof geſchleppt. Der geſtrenge Herr Rektor ſtand am Fen⸗ ſter ſeines Amtsfenſters und beobachtete aus der Vogelperſpektive das Leben und Treiben auf dem Hofe. Halt, was war das, in einer Ecke des Hofes ſtanden, zu ſcheußlichen Klum⸗ pen geballt 50 bis 60 kleine Jungens um zwei ſich raufende Kampfhähne verſammelt. Das war an und für ſich in einer Berliner Knabenſchule noch nichts Außergewöhnliches. Aber alle paar Minuten wechſelte der eine Kampfpartner, und unter furchtbarem Gebräll und Gefohle der Umſtehenden trat ein neuer in die Arena. Der Rektor eilte mit Rieſenſchritten hinaus, der aufſichtsführende Lehrer Krüger erſchien nun endlich ebenfalls am Ort der Tat. Mit energiſchem Griff packte der Rektor den un⸗ ermüdlichen Radaubruder am Rockkragen; die übrige Menge war bereits beim Nahen der zwei Geſtrengen geflohen. Vor ihm ſtand Orje, puterrot im Geſicht, ſchweißtriefend und mit heftig blutender Naſe. Lehrer Krüger ſtellte mit Entſetzen feſt, daß es ſein Neuer war, der ſich hier ſo unangenehm bemerkbar gemacht hatte. „Nun ſage wir, Georg, was ſoll denn nur dieſe Maſſenkeilerei bedeuten?“, fuhr ihn ſein Lehrer an, während des Rektors Hand noch immer den energiſchen Griff an Orjes Kragen nicht gelockert hatte. Unter allerhind Grimaſſenſchneiden, Schluk⸗ ken und Stottern kam es heraus.„Na, Sie ham doch jeſagt, daß die Klaſſe ſo ſtark is, un daß ich derwejen nich mang die Jungs blet⸗ ben ſoll, weil ſe doch ſo ſtark ſind. Na, da hab ich nu mit alle mal zur Probe jerauft.“ Und mit berechtigtem Siegerſtolz fügte er hin⸗ zu:„18 Jungs hab ick abers knorke verdro⸗ ſchen, die könn' mit nen verbundnen Kopp aus Chariteefenſter kieken!“ ———— Wegen Ns 5 Buntes Allerlei den Flugleiſtungen. Zu den verhältnismäßig langſam fliegenden Inſekten gehört nach den jüngſten Beobachtungen von Prof. Demoll das Perlenauge, das im Laufe einer Sekunde nur 60 Zentimeter zurücklegt; aber ſchon die Weſpe durchfliegt in einer Sekunde 1,80 Me⸗ ter, der Kohlweißling 1 bis 2 Meter, Mar⸗ käfer und Schmeißfliege legen 2 bis 3 Meter zurück. Der Schwalbenſchwanz fliegt in einer Sekunde 3 bis 4 Meter, die Hummel 3 bis 5 Meter, der Miſtkäfer aber ſogar Strecken bis zu 7 Meter. Noch geſchicktere Flieger uind jedoch die Libellen, deren Fluggeſchwindig⸗ keit 4 bis 10 Meter erreichen kann; doch auch ſie werden übertrumpft von gewiſſen Schwärmern, die innerhalb einer einzigen Se⸗ kunde 15 Meter weit fliegen können. Mit dieſen Flugleiſtungen hängt es auch zuſam⸗ men, daß man z. B. Oleanderſchwärmer mehr als 1200 Kilometer von ihrer Heimat, den Küſten des Mittelmeers, entfernt in Deutſch⸗ land antraf. Luſtige Eike „Sieh nur, Alfred, die hübſchen Kinder! Sind es Zwillinge?“ „Ja.“—„Ach! Und beides Ihre Kinder?“ „Vor ein paar Wochen iſt mein Vetter mit dem Motorrad geſtürzt und mußte zwei Wo⸗ chen liegen!“ „Schrecklich! War denn kein Menſch in der Nähe, der ihm wieder auf die Beine helfen konnte?“ Der Stallburſche:„Ihr Schneider ſteht draußen mit einer Rechnung!“ i Der Löwenbändiger(im Käfig):„Sagen Sie ihm, ich laſſe bitten!“(Sjemmet). Der Lehrer war außer ſich vor Verzweif⸗ lung, weil ſeine Schüler nicht die einfachſten Sachen begreifen konnten. Immer und immer wieder redete er und erklärte er ihnen die Aufgaben, ohne daß es half. Eines Tages, als ſie ſich beſonders dumm anſtellten, nahm er einen Groſchen aus der Taſche, gab ihn dem Jungen, den er für den einfältigſten hielt, und ſagte: „Jochen, geh mal zur Apotheke und kauf für zehn Pfennig Verſtand!“ Jochen ging. An der Tür drehte er ſich noch mal um:„Soll ich ſagen, daß es für Sie iſt, Herr Lehrer?“ ä (Allers Familj Journal). Wiſſen Sie das? Die meiſten Schienenwege im Verhältnis zur Einwohnerzahl beſitzt Mecklenburg; dort kommen auf 100 000 Einwohner 251,3 Kilo⸗ meter Eiſenbahnlinie; an zweiter Stelle ſteht Hohenzollern mit 250,9 Kilometer: am we⸗ nigſten Eiſenbahnſchienen gibt es in Lippe, nämlich 54,3 Kilometer auf 100 000 Einwoh⸗ ner; insgeſamt haben die deutſchen Eiſen⸗ bahnen einſchließlich der Privatſtrecken 38,3 Millionen Kilometer Schienenlänge. * In Deutſchland ſind in den letzten Jahren alljährlich etwa 8000 Perſonen durch Ver⸗ kehrsunfälle getötet worden, etwa 250 900 Perſonen wurden alljährlich erheblich ver⸗ letzt; der Sachſchaden, der durch dieſe Un⸗ fälle verurſacht wurde, betrug jedes Jahr den hohen Aufwand von 265 Millionen Mark. * Im Jahre 1970 werden wir genau dop⸗ pelt ſo viel alte Leute über 65 Jahre haben wie 1930; aber wir werden um ein Drittel weniger Kinder unter 15 Jahren haben, nämlich nur rund 10 Millionen gegen 15 Millionen im Jahre 1930. Der Wert der Produktion in der deutſchen a 8 für 1933 auf 350 illionen ark geſchätzt, gegen etwa 1 Milliarde Mark im Ichs 1928. Die Welttabakernte beträgt etwa 4 Milliar⸗ den Pfund jährlich a Die Große Mauer in China iſt 2450 Kilo⸗ meter lang; es gibt in der Welt keine 18 die auch nur den zehnten Teil ſo lang Der Huntington Lake Tunnel in Kalifor⸗ nien iſt 20,760 Kilometer lang, alſo 2 Kilo⸗ meter länger als der Simplontunnel. Inſekten als Streckenflieger. Unter den In⸗ ſekten finden ſich Flieger mit ganz verblüffen⸗