2. Blatt zu Wr. 181 8 Förderung der ſchaffenden Arbeit Anhaltende Beſchäftigungsſteigerung.— Finanzpolikiſche Erfolgszahlen. Unter dem tiefen Einfluß gewaltiger politiſcher Ereig⸗ niſſe will eine reine Wirtſchaftsbetrachtung nicht recht in Fluß kommen. Aber wenn auch der Tod dem Deutſchen Reiche unter ſchmerzlicher Anteilnahme des ganzen Volkes ſeinen greiſen Präſidenten nahm, ſo fordern doch das Leben und mit ihm die lebensbejahende Welt der täglichen Ereigniſſe ihr Recht. Die Wirtſchaft ſteht ganz im Zeichen der Ernte. Der Segen der Felder füllt die Scheunen des Landmannes. Wäh⸗ rend die landwirtſchaftliche Erntearbeit alle Kräfte in An⸗ ſpruch nimmt, iſt inzwiſchen unter dem Einfluß konjunk⸗ tureller und jahreszeitlicher Faktoren das Arbeitsloſenheer bis auf rund 2,5 Millionen zuſammengeſchmolzen. Es wird die Aufgabe der nächſten Monate ſein, nicht nur an den er⸗ reichten Erfolgen feſtzuhalten, ſondern darüber hinaus noch weiterhin die Zahl der tätigen Kräfte zu vermehren, damit der Winter mit einer möglichſt geringen Arbeitsloſenzahl be⸗ gonnen werden kann. Die verminderte Arbeitsloſigkeit prägt ſich auch in einer bis in die jüngſte Zeit hinein anhaltenden Beſchäfti⸗ gungsſteigerung aus. Die deutſche Wirtſchaft beſchäf⸗ tigt heute etwa wieder 15,8 Millionen Arbeitskräfte und gibt damit ebenſovielen Volksgenoſſen wie Ende 1930 Brot und Arbeit. Bemerkenswerterweiſe wird ſeit April d. J. nach den Feſtſtellungen des Konjunkturinſtituts die Zunahme der Be⸗ ſchäftigung ausſchließlich von dem ſogenannten regulä⸗ ren Arbeitsanfall getragen, unter dem die Beſchäftigung zu normalen Arbeitsbedingungen zu verſtehen iſt, während un⸗ ter dem Begriff der zuſätzlichen Beſchäftigung Arbeits⸗ dienſtwillige, Landhelfer, Notſtandsarbeiter und Fürſorge⸗ arbeiter zuſammengefaßt ſind. Bis Ende März war die Ge⸗ ſamtzahl der Beſchäftigten nicht allein um deswillen geſtie⸗ en, weil die Privatwirtſchaft in wachſendem Umfange neue Arbeitskräfte aufzunehmen vermochte, ſondern auch deshalb, weil im Arbeitsdienſt, ferner bei Notſtands⸗ und Fürſorge⸗ arbeiten und als Landhelfer eine ſteigende Zahl von Arbeits⸗ kräften beſchäftigt wurden. Im April und Mai dagegen iſt die Zahl der regulär Beſchäftigten um beinahe eine Million geſtiegen, die Zahl der zufätzlichen Beſchäftigten dagegen um 120 000 zurückgegangen. Aus dieſer Entwicklung, die ſich auch weiterhin fortgeſetzt hat, iſt deutlich der Ankurbelungszweck des national⸗ ſozialiſtiſchen Arbeitsbeſchaffungswerkes zu erkennen. Seit dem vor etwa zwei Jahren erreichten Tiefſtand in der indu⸗ ſtriellen Beſchäftigung konnten etwa 1,8 Millionen neue Ar⸗ beitskräfte in der Induſtrie wieder eingeſtellt werden. Damit wurde ein induſtrieller Beſchäftigungsſtand von annähernd 6,2 Millionen Arbeitern wieder erreicht. Während bis zum Frühjahr innerhalb der Privatwirtſchaft die Induſtrie den Hauptanteil des geſamten Beſchäftigungszuwachſes aufzuneh⸗ men vermochte, gewannen ſeitdem mit dem Fortſchreiten des wirtſchaftlichen Aufſchwunges auch die übrigen Teile der Wirtſchaft für die Wiederbeſchäftigung der Arbeitsloſen eine wachſende Bedeutung. So waren unter den in der letzten Zeit neu eingeſtellten Arbeitskräften, nicht zuletzt auch unter dem Einfluß der jahreszeitlichen Entwicklung, die zu einer verſtärkten Nachfrage nach landwirtſchaftlichen Arbeitern führte, nur noch 43 Prozent induſtrielle Arbeitskräfte. Mit der wachſenden Beſchäftigung hat naturgemäß auch das geſamte Arbeitseinkommen eine Steigerung erfahren, die amtlicherſeits für das zweite Vierteljahr 1934 gegenüber dem Tiefſtand mit 17 Prozent errechnet wird. Gleichzeitig läßt die Entwicklung des Verbrauches erkennen, in welchem Umfange ſich der wirtſchaftliche Umſchwung in einer Verbeſſe⸗ rung der Lebenshaltung ausgewirkt hat, d. h. in⸗ wieweit der Wiederaufbauprozeß auch dem einzelnen in der Volkswirtſchaft tätigen Menſchen zugute kommt. Nach einer ſehr intereſſanten Zuſammenſtellung, die in den jüngſten „Wirtſchaftlichen Mitteilungen“ der DD.⸗Bank veröffentlicht iſt, erhöhte ſich vom 1. Vierteljahr 1933 bis zum 1. Viertel⸗ jahr 1934 der Fleiſchverbrauch von 806 000 auf 877 000 Ton⸗ nen, der Zuckerverbrauch von 2 390 000 Doppelzentner auf 2689 000 Doppelzentner und der Kaffeeverbrauch von 296 000 Doppelzentner auf 353 000 Doppelzentner. Die Zu⸗ nahme des Verbrauches erreichte alſo in dieſem Zeitraum, der überdies noch nicht einmal die allerjüngſte Entwicklung be⸗ rückſichtigt, bei Fleiſch 8,8 Prozent, bei Zucker 12,5 Prozent und bei Kaffee 19,5 Prozent. Nach den Steuererträgniſſen hat ſich dieſe erfreuliche Verbrauchsſteigerung in den letzten Monaten weiter fortgeſetzt. Darin kommt zugleich auch die Verbeſſerung zum Aus⸗ druck, die die Lage der öffentlichen Finanzen durch die all⸗ gemeine Auswirkung der Wirtſchaftsbelebung bereits erfah⸗ ren hat und noch weiter erfahren wird. Geſamtzahlen dar⸗ über, die von erheblicher finanzpolitiſcher Bedeutung ſind, hat Staatsſekretär Reinhardt veröffentlicht Würde ſich die Ein⸗ nahmengeſtaltung des Reiches in den weiteren drei Vierteln des Etatjahres 1934 ſo wie im erſten Quartal entwickeln, ſo würde mit einer Verbeſſerung von 800 Millionen Mark ge⸗ rechnet werden können. Bemerkenswerterweiſe iſt aber nach den Angaben Reinhardts im Voranſchlag für 1934 nur eine Steigerung des Steueraufkommens um 90 Millionen Mark angeſetzt worden. Die katſächliche Entwicklung hat alſo ſchon jetzt den eindringlichen Beweis dafür erbracht, daß diejenigen Erwägungen, die zu einer ſteuerlichen Entlaſtung geführt haben, richtig geweſen ſind, und daß es nur darauf ankam, durch das Programm der Steuerſenkung einen wirkſamen Anſatzpunkt für die Bekämpfung der Arbeitsloſigkeit zu ge⸗ winnen. Es kommt hinzu, daß die Erhöhung des Steuerauf⸗ kommens nach der Auffaſſung des Reichsfinanzminiſteriums ausreichen würde, um diejenigen Haushaltsvorbelaſtungen auszugleichen, die ſich aus Arbeitswechſeln und den Zuſchüſ⸗ ſen zu den Aufwendungen für Inſtandſetzungen und Ergän⸗ zungen an Gebäuden ergeben. Welche Zahlen man auch zur Kennzeichnung der wirt⸗ ſchaftlichen und finanzpolitiſchen Lage heranzieht, immer wieder wird ein eindrucksvolles Bild von der nation al⸗ ſozialiſtiſchen Aufbauarbeit vermittelt und bei einem Vergleich mit der früheren Entwicklung. die Größe des Umſchwungs unter Beweis geſtellt. ewiß hat die eichsregierung mit der erdrückenden Höhe der Auslands⸗ verſchuldung und den bereits ſeit 1931 im Schwinden begrif⸗ fenen Gold⸗ und Deviſenvorräten ein ſchweres Erbe über⸗ nommen. Aber ſie hat ſich auch hier die Initiative nicht neh⸗ men laſſen, ſondern Vorſorge dafür getroffen, daß die be⸗ rechtigten Lebensintereſſen des deutſchen Volkes keinen Scha⸗ den erleiden. Das deutſch⸗ſchweizeriſche Verrechnungsabkom⸗ men iſt ebenſo wie der Abſchluß der deutſch⸗franzöſiſchen Wirtſchaftsverhandlungen ein Beweis dafür, daß die Regie⸗ rung auch auf wirtſchaftspolitiſchem Gebiete kein Zurückwei⸗ chen vor den ſich gerade in dieſen Wochen auftürmenden Pro⸗ blemen kennt, ſondern vielmehr den feſten Willen bekundet, auf jede Weiſe für eine Sicherung des Reiches und für eine Förderung der ſchaffenden Arbeit einzutreten. — Gegen Preisſturz am Viehmarkt Der Viehkommiſſar gegen voreilige Viehverkäufe. Der Reichskommiſſar für die Milch⸗, Vieh⸗ und Fett⸗ wirtſchaft hat mich auf Vorſchlag des Landesbauernführers zum Bezirksbeauftragten für die Viehwirtſchaft für Baden⸗ Pfalz berufen. 5 Als Tragik empfinde ich die Preiszuſammenbrüche auf den Schlachtviehmärkten bezüglich des Großviehs und der Kälber. Ich bin mir der Verantwortung und Schwierigkeit bei der Löſung meiner Aufgabe hinſichtlich der Geſundung der geſamten Viehwirtſchaft bewußt. Das Gelingen aber iſt nicht einſeitig abhängig von der Tüchtigkeit meiner Perſon und meines Mitarbeiterſtabes, ſondern von der trefflichen Unterſtützung und dem diſziplinier⸗ ten Verhalten aller an der Schlachtviehverwertung beteilig⸗ ten Kreiſe. Der wichtigſte Faktor für das Gelingen unſerer Aufgabe iſt das diſziplinierte Verhalten der Bauern, mit deren Hilfe es gelingen muß, die Schwierigkeiten zu über⸗ winden. Die Preiszuſammenbrüche können nur überwunden wer⸗ den, wenn das perſönliche Ich des einzelnen hinter das In⸗ tereſſe der Sache tritt. Es iſt daher weſentlich, daß diejenigen Bauern und Landwirte, die in der Lage ſind, faſt ſchlachtreifes Vieh noch einige Wochen zu behalten, auf die ſofortige Abnahme zugunſten jener verzichten, bei denen der Futtermangel ge⸗ bieteriſch die ſofortige Wegnahme erfordert. Die von der Reichsregierung in Ausſicht genommenen Maßnahmen garantieren mir ein erfolgreiches Arbeiten. Das Feſtpreisgeſetz, das auch hier günſtige Ausſichten er⸗ öffnet, dürfte endlich einmal die Spekulation in der Viehwirtſchaft zugunſten einer planvollen Aufbauwirtſchaft und Abſatzmög⸗ lichkeit lahmlegen. Meine Aufgabe beſteht nicht nur darin, einſeitig den Bauer zu unterſtützen. Mein Inkereſſen⸗ gebiet dehnt ſich auch über alle im Viehabſatz tätigen, dem Reichsnährſtand angeſchloſſenen Kreiſe aus. Das Grundziel meines Strebens beſteht darin, daß die Preisbildung eine gerechte Schlüſſelverteilung und auskömmliche Lebensmöglich⸗ keit dem Bauern, dem Händler wie auch dem Schlächter ga⸗ rantiert. Mit der Verſicherung rückſichtsloſer Einſatzbereilſchaft meiner ganzen Perſon für das Gelingen unſerer Sache blicke ich in der Erwartung hoffnungsfroh in die Zukunft, daß jeder einzelne Bauer an ſeinem Poſten, durch Wahrung von Disziplin, meine Aufgabe,— welche diejenige der ge⸗ ſamten Bauernſchaft meines Wirtſchaftsgebietes Baden⸗Pfalz iſt,— nicht erſchwert, ſondern mit ſeinem Teil zum Gelingen beiträgt. Die Neugliederung der DA Fragebogen für die Mitglieder der Deutſchen Arbeiksfronk. Das Preſſe⸗ und Propaganda⸗Amt der Deutſchen Ar⸗ beitsfront teilt mit: Bis zum 1. Oktober wird die Deutſche Arbeitsfront ent⸗ ſprechend dem Vorbild der Partei neu gegliedert werden, und zwar in Blocks, Zellen, Ortsgruppen uſw. Bis zum 1. Oktober wird auch die Organiſation der Verwaltungsſtellen der DAF. vollendet ſein. Um den Umbau der Deutſchen Arbeitsfront durchzuführen zu können, wird in dieſen Tagen allen Mitgliedern der Deutſchen Arbeits⸗ front über die Organiſation der NS BO, über die Reichs⸗ betriebsgemeinſchafken, über die Reichshauptberufsgruppen und über den GHG ein Fragebogen zugeſtellt werden. Montag, 6. Aug. 1934 N Wir bitten die Mitglieder, die ſchwierige Arbeit der Amtswalter der Deutſchen Arbeitsfront dadurch zu unter⸗ ſtützen, daß ſie dieſen Fragebogen in allen Teilen ſorgfältig ausfüllen. Sollte den Mitgliedern die Ausfüllung des Frage⸗ bogens Schwierigkeiten bereiten, ſo iſt die Dienſtſtelle, die dem Mitglied den Fragebogen zugeſtellt hat, gern bereit, das Mit⸗ glied bei dieſer Arbeit zu unterſtützen. Die ausgefüllten Fragebogen ſind möglichſt umgehend dem zuſtändigen Be⸗ triebswalter oder, wenn ein ſolcher für das Mitglied nicht in Frage kommt, der zuſtändigen Ortsgruppe der Deutſchen Arbeitsfront einzureichen. Jedes Mitglied erhält für den abgegebenen Fragebogen von ſeinem Betriebswalter bzw. der zuſtändigen Ortsgruppe der Deutſchen Arbeitsfront eine Quittung. Dieſe Quittung iſt dem Beitragskaſſierer bei der nächſten Beitragszahlung zu übergeben. Neuzeitliche Hopfenkultur Neue Hopfengärten im Kraichgau.. Nachdem der Hopfenanbau infolge der kataſtrophalen Lage während des Krieges und nach demſelben einem lang⸗ ſamen, aber ſicheren Untergange geweiht ſchien, fängt dieſer landwirtſchaftliche Erwerbszweig mit der Kontingentierung und der damit verbundenen beſſeren Abſatz⸗ und Preisgeſtal⸗ tung allmählich wieder zu blühen an, nicht zuletzt auch dank der intenſiven und engen Zusammenarbeit der Badiſchen Landwirtſchaftskammer mit der Landwirtſchaft. Im Gebiet des Kraichgaues, wo ſchon von jeher der Hopfenbau traditionell war, gehen jetzt wieder viele daran, neue An⸗ lagen zu ſchaffen. Heute iſt man im Gegenſatz zu früher jedoch ausſchließlich beſtrebt, eine gute Qualität zu erreichen. Während man früher mehr den Mengenanbau pflegte und nur die Aufzucht an Stangen kannte, iſt das heute grundſätzlich anders geworden. Aehnlich wie auf vielen anderen Gebieten hat ſich auch hierin eine Umſtellung vollzogen, die ſchon bei der Aufzucht und auch bei der Behandlung des Hopfens während und nach der Ernte neue Wege beſchreitet. Heute gibt man dem ſogenannten„Galgenbau“ an Stelle des Stangenbaues immer mehr den Vorzug, und die bisher ſchon unternommenen Verſuche erweiſen die Richtigkeit dieſer Um⸗ ſtellung. Der„Galgen“, der aus einem weitmaſchigen Drahtnetz(auch Schnüren) beſteht, ruht ſtark im Boden ver⸗ ankert und kann den ganzen Winter über auf dem Felde verbleiben. Der Galgenbau gewährleiſtet bei ſorgfältiger Bodenbearbeitung ſowie peinlicher Pflege und Ueberwachung der Anlage auch eine beſſere Qualität als der ſeither üb⸗ liche Stangenbau und dürfte deshalb bald Gemeingut aller Hopfenbauern werden. Im Angelbachtal— in Rotenberg, Mühlhauſen und Thairnbach, wie auch in der Walldorfer Gegend, wo dieſe neuzeitliche Kultur ſchon längſt das Feld behauptet hat, wurden nur die günſtigſten Reſultate erreicht. In der Langenbrückener Gegend hat ſich der Galgenanbau ebenfalls ſtark eingebürgert; über ein Drittel aller Pflanzer haben ſich bereits den„Galgenanbauten“ zugewendet. f . AE 0 5 Einheitsbriefhogen für Handwerksgliederungen. Nach einem Rundſchreiben des Reichsſtandes des Handwerks ſind alle Landeshandwerksführer, Handwerkskammern, Reichs⸗ und Landesfachverbände, Kreishandwerkerſchaften und Hand⸗ werkerinnungen, alſo alle Organiſationen, die dem Reichs⸗ ſtand unterſtellt ſind, verpflichtet, fortan einheitliche Brief⸗ bogen zu verwenden. Auf dem Muſter⸗Briefbogen 115 die Adreſſe des Reichsſtandes und das allgemeine Handwerks⸗ zeichen ſchwarz gedruckt, während die nötigen Angaben über die abſendende Stelle in roter Schrift erſcheinen. Außer dem Handwerksabzeichen dürfen andere Abzeichen im Briefkopf nicht verwendet werden. Börſenruhe bis Mittwoch Aus Anlaß der Trauerfeierlichkeiten für den verſtorbenen Reichspräſidenten Generalfeldmarſchall don Hindenburg bleiben die deutſchen Börſen auch am Montag, den 6. und Dienstag, den 7. Auguſt für jeden Verkehr geſchloſſen.— Die Deviſennotierungen finden an beiden Tagen wieder im Gebäude der Reichsbank ſtatt. Die Eroberung von Lüttich Der erſte deutſche Sieg im Auguſt 1914. Der deutſche Generalſtab hatte für die erſten Tage des Krieges eine Aktion vorgeſehen, von deren Gelingen der ganze Feldzugsplan im Weſten abhing: die Eroberung von Lüttich. Lüttich, dieſe ſtarke Feſtung mit den zahl⸗ reichen modernen Forts in den Maasbergen, verſperrte die Straßen, auf denen ſich der Vormarſch des rechten Flügels des Weſtheeres vollziehen ſollte. Konnten die ſchweren Ge⸗ 0 9. der Forts nicht zum Schweigen gebracht werden, ehe der Aufmarſch beendet war, dann trat eine Verzögerung ein, die die große Schwenkung der Flügelarmee vereitelte. Sechs Infanterie⸗Brigaden, einige Artillerie- und Kaval⸗ lerieformationen war zu Beginn der Mobilmachung eine be⸗ ſondere 9 zugedacht. Sie verließen ihre meiſt in Mit⸗ teldeutſchland gelegenen Garniſonen, kaum daß ſie notdürftig mobil gemacht worden waren. Wohin die Züge rollten, wußte niemand. Nur den höheren Stäben war bekannt, daß dieſe Armeegruppe unter der Führung des kommandieren⸗ den Generals des X. Armeekorps, General v. Emmich, Lüt⸗ tich durch einen Handſtreich nehmen ſollte. Am 3. Auguſt rollten die Züge an die Grenze weſtlich von Aachen und noch am gleichen Tage marſchierte Regiment auf Regiment über die Grenze nach Belgien hinein. Die Stadt Lüttich liegt tief eingebettet im Maastal. Nach der deutſchen Grenze verſperrten die zerklüfteten Ardennen das Vordringen. Dichter Wald mit undurchdringlichem Un⸗ terholz bedeckt die Berge. Die Straßen von der deutſchen Grenze liegen alle im Bereiche der Geſchütze der Forts. Da⸗ u hatte in den Auguſttagen 1914 die mobiliſierte belgiſche Armee das Vorgelände in Verteidigungszuſtand geſetzt. Drahtſperren, gefällte Bäume, eiligſt errichtete Barrikaden, verteidigt von einem zäh kämpfenden Gegner, hinderten den Vormarſch. In den Schluchten entſpannen ſich heftige Kämpfe. Die Dörfer mußten in e Ringen, das auch gegen die ſich aktiv am Kampfe beteiligende Zivilbevölkerung geführt werden mußte, erobert werden. Am Abend des 3. Auguſt wußte niemand, ob der kühne Plan in der feſtgeſetzten Zeit gelingen würde. Am 4. Auguſt kämpfen die Regimenter noch immer um den Durchmarſch zwiſchen den Forts. Es geht nicht um die Eroberung eines Panzerturmes, ſondern um den Feſtungs⸗ kern. Noch hat keine Kompagnie den Widerſtand nieder⸗ gerungen, wohl aber iſt eine kühne Kavalleriepatrouille in das etwa 20 Kilometer entfernte Lüttich eingeritten. Noch ehe die Stadt überhaupt weiß, was geſchieht, ſind die Reiter vor der Zitadelle, ſpringen von den Pferden und dringen in das Kommandagebäude, um den Kommandanten gefangen⸗ zunehmen. Der Plan mißlingt und die Tapferen geraten ſelber in Gefangenſchaft. Am gleichen Tage brüllt zum erſten Male die deutſche Artillerie auf. Es gilt den Forts. In das Dröhnen der Ge⸗ ſchütze miſcht ſich ein ſeltſamer Ton. Nie gekannte Exploſio⸗ nen verbreiten unter den Belgiern in den Kaſematten Schrek⸗ ken. Vor Lüttich ſind die 42 Zentimeter⸗Mörſer in Aktion getreten. 11125 Noch ſchafft die Artillerie der Infanterie keine Erleich⸗ terung. Ueberall hängen die Regimenter zwiſchen den Forts. Nur bei der 14. Infanterie⸗Brigade ſcheint Ausſicht auf den Durchbruch zu ſein. Am 5. Auguſt rennt ſie hartnäckig gegen die Feldſtellung der Belgier an. Heftig wogt der Kampf in Dörfern und Wäldern hin und her. Die Nacht bricht herein, als der Kommandeur der Brigade fällt. Es entſteht Verwir⸗ rung in den Stäben, die Truppe droht in die Verwirung hineingezogen zu werden. Da übernimmt Ludendorff, der ſich mit dem General v. Emmich bei der Brigade befindet, das Kommando. 5 Am Morgen des 6. Auguſt iſt die Sperrlinie nach har⸗ tem Kampfe durchbrochen. Am Abend ſteht Ludendorff mit dem Reſt der Brigade vor der Stadt. Radfahrerkompagnien und Kavallerie dringen in die Stadt ein und beſetzen die Brücken, ehe der abziehende Feind die wichtigen Maasüber⸗ gänge ſprengen kann. Als am Morgen des 7. Auguſt die Sonne aufgeht, verſtummt der Kampf in den Straßen von Lüttich. General Ludendorff dringt mit einer Handvoll Sol⸗ daten in die Zitadelle ein und nimmt den belgiſchen Kom⸗ mandanten gefangen. 85 Durch die von der 14. Brigade geſchlagene 1 5 kämpften ſich die Regimenter in den Fortgürtel. Von hier aus ſetzte noch am 7. Auguſt die Beſchießung der Forts ein. Eins fiel nach dem anderen. Am 16. Auguſt hißte das letzte Fort die weiße Fahne. Der Kommandant der Feſtung übergab ſeinen Degen..„„ Die Eroberung von Lüttich ließ Deutſchland aufjubeln, ſie war die erſte große Tat im Weltkriege. Deshalb wird immer die Erinnerung an Lüttich wachbleiben. 5 Einheimiſcher Sport. Leichtathletiſcher Großkampf des Tbd.„Jahn“. Am kommenden Sonntag ſteht Seckenheim im Zeichen eines leichtathletiſchen Großkampfes. Auf dem neu angeleg⸗ ten Schloßplatz trefſen V. f. L. Neckarau, Tgd. Käfertal und der Tbd.„Jahn“ Seckenheim aufeinander, um in einem Klubkampf ſich zu meſſen. Unter den ungefähr 100 Teil⸗ nehmern werden 5 Kämpfer in Seckenheim zu bewundern ſein, die Baden gegen Württemberg und Elſaß vertreten haben. Aber auch die übrigen Mitwirkenden werden mit ihren Leiſtungen nicht ſonderlich gegen die Spitzenleiſtungen der Bad. Meiſter abfallen. Das reichhaltige Tagesprogramm enthält außer den 15 leichtathletiſchen Konkurrenzen u. a. auch Spiele in Hand⸗ und Fauſtball ſowie Läufe in allen Strecken. Den Vorarbeiten und Meldungen nach zu urteilen, kann heute ſchon die Feſtſtellung gemacht werden, daß am Sonntag, den 12. ds. Mts. ein außergewöhnliches und hier noch nicht gebotenes Leiſtungstreffen zu ſehen ſein wird. Die Internationale Alpenfahrk, die in dieſem Jahre von Deutſchland ausgerüſtet wird, iſt nicht in Frage geſtellt. Wie die O. N. S. mitteilt, bleibt die deutſche Beteiligung beſtehen. Gordon-Bennekt⸗Weitfliegen am 23. September. 18 Frei⸗ ballone aus ſieben Nationen nehmen an dem diesjährigen Gordon⸗ Bennett⸗Wettfliegen teil, das am 23. September in Warſchau ge⸗ ſtartet wird. Deutſchland, Frankreich, die Schweiz und Amerilg ſind mit je drei Ballons vertreten, Belgien meldete zwei, und Italien wird mit einem Ballon erſcheinen. Die deutſchen Vertreter ſind die Düſſeldorfer Götze jr. und Vogel mit Ballon„Deutſchland“, Dr. Zinner⸗Hamburg und Geku-Darmſtadt mit Ballon„Wilhelm von Opel“, und die Eſſener Dr. Kaulen und Pröbſting mit Ballon „Stadt Eſſen II“. Sonſtiger Sport. Endkampf um die ſüddeutſche Meiſterſchaft im Ringen. Der am Samstag vor 1200 Zuſchauern in Schifferſtadt zum Austrag gelangte Vorkampf der Endrunde um die ſüddeutſche Mannſchaftsmeiſterſchaft im Ringen endete nach ungemein harten Kämpfen mit einem Unentſchieden von 8:8. Der am 18. Auguſt in Ludwigshafen ſtattfindende Rückkampf wird erſt den Meiſter ermitteln, da Vor⸗ und Rückkampf zuſammen den Sieger ergeben. Die Ergebniſſe: Bantamgewicht: O. Kolb(Sch)— Impertro(O). Der Ludwigshafener ſichert in der Bodenrunde durch Ueberwurf die Führung und wird Sieger nach Punkten. Federgewicht: R. Kolb(Sch)— Vondung(L): Kolb erzwingt im Bodenkampf zwei Wertungen und ſiegt nach 13 Minuten durch Selbſtfaller von Vondung entſcheidend. Leichtgewicht: Sturm(Sch)— Stahl(L): unent⸗ ſchieden. Weltergewicht: Schäfer(Sch)— Schuſter (L): Der Kampfſpielſieger ſiegt nach 7 Minuten mit Arm⸗ ſchlüſſel und Eindrücken der Brücke. Mittelgewicht: Kamp(Sch)— Kreimes(L): Bei gleichwertigen Leiſtun⸗ gen mit Punkteteilung. Halbſchwergewicht: Heiß⸗ ler(Sch)— Ehret(L): Heißler muß Ehret den Sieg über⸗ laſſen. Schwergewicht: W. Kolb(Sch)— Gehring (L): Gehring wird Sieger für beſſere Geſamtarbeit. Fünf Goldene Plaketten der 2000⸗Kilomeker-Jahrt an die Marine⸗Teilnehmer. Berlin, 4. Auguſt. Von den ſechs Kraftradfahrern der Reichsmarine, die an der 2000-Kilometer⸗Fahrt. durch Deutſchland teilgenommen haben, erhielten fünf die Gol⸗ dene Plakette. Außerdem hat die Mannſchaft des Kom⸗ mandos der Marineſtation der Nordſee den„Mannſchafts⸗ preis der 2000 Kilometer durch Deutſchland 1934 erhalten. Dieſe Dreiermannſchaft erreichte als Erſte— drei Stunden vor ihrer Sollzeit— geſchloſſen das Ziel in Baden⸗Baden. Berufsboxkaͤmpfe in Mannheim. In der Rhein⸗Neckar⸗Halle fanden am Sonntag Abend die erſten Berufsboxkämpfe ſtatt. Die Veranſtaltung war von ca. 3000 Zuſchauern beſucht. Im Schwergewicht trafen ſich der Mannheimer Krei⸗ mes(167) und der Kölner Selle(190). In der dritten Runde wurde Kreimes disqualifiziert. Der Kampf fand da⸗ durch ein vorzeitiges Ende. Selle hatte in den beiden erſten Runden ein leichtes Uebergewicht, aber dann kam auch Kreimes gut durch, aber beim„Mixen“ hatte er das Pech, unter die Gürtellinie zu treffen, und da der Tiefſchlag vom Ringarzt einwandfrei feſtgeſtellt wurde, mußte Kreimes disqualifiziert werden. Kurt Stöpel deutſcher Straßenmeiſter. Das 31 Straßenrennen„Rund um Berlin“ verregnete vollſtändig, ſo daß die Werbewirkung dieſer Veranſtaltung gleich Null war Zum erſtenmal ſeit neun Jahren wurde mieder ein deutſcher Straßenmeiſter der Berufsfahrer er— mittelt. Der Berliner Kurt Stöpel errang den Titel, nach der großen Fahrt verdient, nachdem er ſich ſchon in den vorausgegangenen vier Läufen zuſammen mit Hodey (Eſſen) und Buſe(Berlin) an die Spitze geſetzt hatte. In 6:40:32 Stunden gewann er das 230,7 Kilometer lange Rennen überlegen, nachdem ſein einziger Begleiter, der Schweinfurter Ludwig Geyer, wenige Kilometer vor dem — 3 80 8 8 Im einleitenden Treffen gab der deutſche Fliegen⸗ Ziel 61 S 5 a 5 11 5 5 5 5 2 Ziel geſtürzt war und wertvolle Sekunden verlor.— Bei gewichtsmeiſter Metzner(Köln) gegen den Mainzer Im den Amateuren ſpielten die Mitglieder der Nationalmann⸗ hoff eine ſehr gute Vorſtellung. In techniſcher Beziehung ſchaft die erſte Geige. Der Düſſeldorfer Wiertz kam in hatte er ſeinem Gegner viel voraus, aber Imhoff ſchlug 6:55:08 Stunden zu einem ſicheren Spurtſieg über den ſich tapfer und wäre ſicher auch über die Diſſtanz gekommen, wenn ihn nicht in der 4. Runde eine Daumenverletzung zur Aufgabe gezwungen hätte Ein ſehr ſchönes Gefecht ſah man im Mittelgewicht zwiſchen dem Saarbrücker Lauer und dem Düſſeldorfer Engels. Lauer hatte Vorteile im Nahkampf, während des Rheinländers Stärke im Diſtanzboxen lag. Der Kampf wurde nach acht Runden unentſchieden gegeben, ein Urteil, das dem Kampfverlauf entſprach. Der Schlußkampf im Leichtgewicht zwiſchen Altmeiſter Franz Dübbers(Köln) und dem in Plauen wohnenden Mannheimer Schmitt ging über die volle Diſtanz von 10 Runden und wurde ebenfalls unentſchieden gegeben. Anfangs hatte Dübbers leichte Vorteile, aber in den letzten drei Runden holte Schmitt mächtig auf und erkämpfte ſich Frankfurter Löeber und den Berliner Huth. Das 17. Straßenrennen„Rund um Stutkgark“ über 8 150 Kilometer geſtaltete ſich zu einem vollen Erfolg. Sieger i ö des Rennens wurde B. Schütz(Stuttgart) in 4:25:50 Stun⸗ 5 5 55 den vor Heller(Schweinfurt), Kiedeich(Stuttgart), Koch Der Rudergaſt hat einen derantwortungsvollen Poſten. (Stuttgart) und Lähr(Stuttgart). Rudolf Caracciola verbeſſerte beim 10. Klauſenpaß⸗ Rennen auf Mercedes⸗Venz ſeinen vor zwei Jahren auf⸗ geſtellten Klauſenpaßrekord von 15:50 Min.— 81.450 Stkm. um eine halbe Minute auf 15:22:2 Minuten— 83.930 Sthm. Unter der alten Rekordzeit blieb auch noch der Zweite des Rennens Hans Stuck auf Auto⸗Union mit 15:25,4 Min. Nicht nur in der Rennwagenklaſſe waren die deutſchen Fahrer überaus erfolgreich, ſondern auch in den en! Selbſtverſtändlich müſſen die Seglerinnen Beck und Segel ſelbſt reinigen. Perſenning über die Segel ziehen, chrubben und ſogar anſtreichen, wenn es nötig uiſt. Aber tichts tun ſie lieber, dieſe jungen. ausgelaſſenen Damen n weißen Leinenhoſen! Sie klettern mik affenartiger Ge⸗ chwindigkeit auf den dickſten Maſtbaum hinauf, um oben ine Zigarette zu rauchen(was, wie Alkoholgenuß, ver⸗ boten iſt), ſie ſcheuern raſtlos Algen und Flecke ab, ſie ehrlich das Unentſchieden. kleineren. Warum ſollen Mädels nicht ſegein?— Ein neues Gebiet des Sports. Eine Sport⸗ art, die ſeit Jahrzehnten von Frauen und Mäd⸗ chen nur verein⸗ zelt ausgeübt wird, iſt Se⸗ 0 eln. Schon ange gab es an der aterkant und im Salzkam⸗ mergut weibliche Seglerinnen, aber 11 wurden ſozu⸗ agen von den Männern nur ge⸗ duldet; denn Se⸗ eln iſt einer der ports, bei dem ſich die männliche Einbildung und Souveränität be⸗ 0 8 ausbilden ann: der männ⸗ liche Segler, in ſeinem Oelzeug, mit Südweſter auf dem„küh⸗ nen“ Kopf, kann ſich vor dem im Kokpit angeblich zitternden Mäd⸗ chen als Held und Wagehals zeigen, wenn er — zwölf unver⸗ ſtändliche Segel⸗ ausdrücke auf den uſammengepreßten Lippen— Wind und Wetter trotzt Bald hatten die Frauen herausbekommen, daß die Kraft ar nicht die wichtigſte Eigenſchaft beim Segeln ſei und daß gerade das im Winde anmutig ſich blähende Segel der Frauen⸗ und Mädchenſeele verwandter ſei als der der Männer. Einzelne lernten alſo bei Freunden und Bekann⸗ ten ſegeln. Aber— und das unterſcheidet das Segeln von vielen anderen Sports— leider braucht man dazu etwas ſehr Teures: ein Segelboot. Und daher blieben die weib⸗ lichen Segler meiſt weißbekleidete Begleiterinnen, die ſich damit begnügten da und dort zu helfen: die„Backſtags“ u löſen, ein wenig zu ſteuern oder beim Wenden(über tag gehen“) die Schoten„anzuholen“(anzuziehen), Kein Maſt iſt für die Seglerin zu hoch! Seit einigen Monaten 8 es aber in Deutſchland den bisher einzigen und erſten e und es bedurfte der echt männlichen Energie ſeiner Schöp⸗ ferin, um ihn entſtehen zu laſſen. Da hatte eines Tages eine begeiſterte und eingeſchworene Seglerin, gebürtig von der Waterkante, die Idee, ihre Tätigkeit als Sportlehrerin auch auf das Segeln auszudehnen. Dieſe reſolute und eneraiſche junge Frau führt den— hier iſt Nomen non egelverein für junge Mädchen, Omen— Namen Hünerbein. Frau von Hünerbein, und zwar ohne h wie ſie nicht müde wird hinzuzufügen. Die burſchikoſe und luſtige Dame fragte ſich mit Recht, warum es eigentlich in den Mädchenſchulen keinen Segel⸗ unterricht gebe! Schon hatte ſie einen ausrangierten Dampfer ausfindig gemacht, in dem die jungen Damen ſich umkleiden konnten, ſchon eines oder das andere Segel⸗ boot, das von Freunden zur Verfügung geſtellt wurde, und bald konnten einzelne mutige junge Lyzealſchülerinnen oder Gymnaſiaſtinnen an zwei Wochennachmittagen ans Ende des Wannſees hinausfahren und dort Segelunterricht neh⸗ men. Vorher mußte natürlich wochenlang theoretiſch ſtu⸗ diert werden. Denn beim Segeln iſt Studieren ebenſo wich⸗ tig wie Probieren. Frau von Hünerbein zeigte ihnen an Bootsmodellen die Segelſtellung, die Wirkung des Windes, die Takelage, die Taue(Schoten), und eines Tages ging es hinaus auf den See! Der erſte Damenſegelklub Deutſch⸗ lands war geboren. Nun muß man wiſſen, daß Berlins Berge ſeine Seen ſind. Das ſoll heißen: wer von Wien oder München aus zum Skilaufen oder Klettern fährt, ſetzt ſich in Berlin auf eines der hunderttauſend Fahrzeuge der tauſend Seen, und hier erſt iſt er im wahrſten Sinne„in ſeinem Element“. Es konnte daher nicht ausbleiben daß aus den wenigen Waa⸗ jalſigen bald eine Menge wurde, daß die ausgeliehenen Boote nicht genügten, daß man einige Jollen anſchaffte. die Mädchen zahlen— der Unterricht iſt natürlich fakulta⸗ iv— einen Mitgliedsbeitrag, und manchmal wird auch etwas geſpendet. Heute fährt man ſtolz auf eigenen Boo⸗ Während des Segelns gibt es allerhand Arbeit. nähen Riſſe in den Segeln oder ſpleißen die Taue. Nie⸗ mand würde dieſen jungen Mädchen. die ſich zwei⸗ bis drei⸗ mal in der Woche(nach einem Turnus) in einen Seebären verwandeln, anſehen, daß ſie ſonſt brav in einer Klaſſe litzen und franzöſiſche oder griechiſche Verben abwandeln. Außer dem Segeln wird natürlich auch die übrige Zymnaſtik nicht vernachläſſigt. Vor und nach der Seglerei ührt Frau von Hünerbein— deren wohlgeformte Beine jabei ſelbſt in Tätigkeit treten— einen Waldlauf an; tuch wird geturnt und Medizinball geſpielt. Aber ſas wichtigſte bleibt doch das Segeln. Man muß hieſe heiteren und von Tagesſorgen nicht allzu be⸗ chwerten jungen Mädchen unter Führung ihrer reizen⸗ )en Lehrerin hinausfahren ſehen? eine Flottille der Amazonen; dicht nebeneinander gleiten die Jollen in den blauen See, die elfenbeingelben, nach allen Regeln der Segelkunſt gerichteten Segel ſind weich und zärtlich aufge⸗ 5 1 ſpannt, Großſegel und Top⸗ und Klüver⸗ und Fock, am Ruder— wer ſtatt Ruder Steuer ſagt, kriegt eins ab — ſitzt eine ganz junge Blondine; ſie darf zum erſten Male die Ruderpinne halten und ſteuern. Frau von Hü⸗ nerbein kommandiert wie ein bärbeißiger Kapitän, während ein luſtiges Zwinkern über etwaige Fehler eines ihrer hellen Augen zu⸗ ſammenkneift; was aber keines der angeſpannt beſchäf⸗ tigten Mädchen be⸗ merkt. Der Wind friſcht auf, die Boote legen ſich ſtark zur Seite, nun heißt es achtgeben!„Ken⸗ tern is nich!“ Das wäre eine Schande für die ganze Schule! Mit unerhörter Präziſion werden die Segel ge⸗ ſetzt und alle Manö⸗ ver ausgeführt. Das ſind keine Lyzealſchü⸗ lerinnen ſondern Ma⸗ troſen die hier„an⸗ holen“ und ieren“, ſich nach„Luv“ oder „Lee“ ſetzen, um die g Balance zu halten. Nach ein paar Stunden geht's zurück, man legt bra⸗ bourös an der Boſe an, takelt ab, zieht die Perſenning über und ſitzt dann noch gemütlich auf Deck des alten Dampfers deim Kaffee Und dann berichtet Frau von Hünerbein von dem neuen Heim. das man demnächſt beziehen wird und daß ſich zu den dreißig Schülerinnen wieder einige neue gemeldet haben Und über ihr ſo weibliches und beinahe mütterliches Geſicht haucht für Sekunden eine Röte echten Ind begeiſterten Stolzes: ſie hat aus eigener Kraft der Frau ein neues Gebiet des Sports erobert! Paulus Schotte. Beim Setzen der Segel. ee„„„„ e e eee „