2. Blatt zu Mr. 229 TP. Wochenſchau der Arbeit Alle Schulentlaſſenen untergebracht.— Arbeitsdienſtmänner bevorzugt.— Stkeigernde Steuereinnahmen. Der Sachreferent in der Reichsanſtalt für Arbeitsvermitt⸗ lung und Arbeitsloſenverſicherung, Oberregierungsrat Dr. Handrick, konnte in der„Arbeitsloſenhilfe“ die erfreuliche Mitteilung machen, daß es den energiſchen Bemühungen aller beteiligten Stellen gelungen iſt, die Frage der Unterbrin⸗ gung der ſchulentlaſſenen Jugendlichen für den ſo ſtark überfüllten Entlaſſungsjahrgang Oſtern 1934 zu löſen. Die Zahl der Schulentlaſſenen betrug in dieſem Jahre 12 Millionen gegenüber 600 000 im Vorjahre. Trotz der allein ſchon aus dieſen Zahlen erſichtlichen Schwierigkeiten gelang es ſehr bald, rund 70 Prozent der ſchulentlaſſenen männlichen und etwa 50 Prozent der weiblichen Jugend in einer Lehr-, Arbeits- oder Ausbildungsſtätte unterzubringen. Von den Abiturienten, die nicht zum Hochſchulſtudium zu⸗ gelaſſen worden waren, konnte der F AD. die meiſten auf⸗ nehmen. Eine weitere fühlbare Entlaſtung bewirkte das Land⸗ jahr und hauswirtſchaftliche Jahr für Mädchen, zuſammen mit den übrigen Bildungsmaßnahmen der Reichsanſtalt und anderer Stellen. Wie Dr. Handrick ſchließlich feſtſtellen konnte, iſt kein Jugendlicher, der Oſtern 1934 die Schule verlaſſen hat, beſchäftigungslos. Angeſichts dieſer günſtigen Si⸗ tuation und unter Berückſichtigung der Tatſache, daß die Oktober⸗Entlaſſungen ſo gut wie gar keine Rolle gegenüber den Oſterentlaſſungen ſpielen, ſind bezüglich der Unterbrin⸗ gung der im Oktober zur Schulentlaſſung kommenden Ju—⸗ gendlichen keinerlei Schwierigkeiten zu erwarten. Die zu Beginn des Frühjahrs aus dem Arbeits ⸗ dienſt entlaſſenen etwa 100 000 Arbeitsmänner konnten zum größten Teil bereits in die Wirtſchaft eingegliedert werden. Unterſtützend wirkt hierbei die Tatſache, daß die Arbeitsmänner von den Betriebsführern gern in die Gefolgſchaft eingereiht werden, weil die aus dem Arbeitsdienſt hervorgehenden Männer durch eine harte Schule gegangen ſind und ſich hier eine vorbildliche Selbſtdiſziplin zu eigen gemacht haben. Um aber geeigneten jungen Menſchen einen neuen Beruf auf dem Lande zu erſchließen und ſie da⸗ für um⸗ bzw. weiterzuſchulen, hat der Arbeitsdank in engſter Zuſammenarbeit mik dem Heimſtättenamt der NSDAP. bis⸗ her bereits 22 eigene Arbeitsdanklager eingerichtet, die mit über 500 Mann belegt ſind. Weitere 28 Größere La⸗ ger ſollen folgen. Der Monat Auguſt zeigt eine ſehr günſtige Ent⸗ wicklung der Einnahmen an Abgaben, Steuern und Zöllen gegenüber dem Monat Auguſt 1933. Die Einnahmen betrugen insgeſamt 643,5 Millionen Reichsmark gegenüber dem Vorjahre mit 533,2 Millionen Reichsmark. Hieraus ergibt ſich eine Mehreinnahme von 110,3 Millionen. Auch die vorangegangenen Monate vom 1. April bis 31. Auguſt weiſen erhöhte Einnahmen auf, und zwar 3213,4 Millionen gegenüber 2730,3 Millionen Reichs⸗ mark im Jahre 1933. Die Länder haben an dieſem Plus einen Anteil von rund 150 Millionen Reichsmark. Jeder da⸗ nach verbleibende Reſt an erhöhter Einnahme iſt voll zum Ausgleich der Vorbelaſtungen aus den verſchiedenen Ar⸗ beitsprogrammen erforderlich. Dieſe Vorbelaſtungen ſind er⸗ folgt in dem Glauben, daß ſich die Steuerquellen erweitern werden, und in der Erkenntnis, daß jede Arbeit neues Ka⸗ pital ſchafft. Wie richtig die Maßnahmen der Reichsregierung zur Verminderung der Arbeitsloſigkeit waren, beweiſen die vorſtehenden Zahlen. Nachdem die Induſtrie die Flaute des Sommers überwunden hat, konnten bereits im Auguſt weitere Ar ⸗ beitskräfte eingeſtellt werden. Die Zahl der be⸗ ſchäftigten rbeiter iſt im Auguſt auf 60,8 Prozent gegen⸗ über dem Juli mit 60,2 Prozent der bei voller Ausnutzung des Betriebes möglichen Arbeiterbeſchäftigung geſtiegen, die Zahl der geleiſteten Stunden hat ſich von 54,3 Prozent auf 55 Prozent der bei voller Ausnutzung des Betriebsumfanges und bei Beſetzung aller vorhandenen Arbeitsplätze möglichen Arbeitsſtunden erhöht. Es kann immer wieder feſtgeſtellt wer⸗ den, daß die Beſchäftigung, wenn auch langſam, ſo doch be⸗ tändig ſteigt. Zum Teil macht ſich in den Induſtrien auch chon die Vorbereitung für das Herbſt⸗ und Weihnachts⸗ geſchäft bemerkbar. Auch im Baugewerbe iſt eine ſtändige Erhöhung der Zahl der beſchäftigten Arbeiter eingetreten, die ſich im Auguſt des Jahres 1933 faſt verdoppelt hat. Die Induſtrie⸗ zweige, die Hausrat und Gegenſtände für den Wohnbedarf herſtellen, haben ein ähnliches Ergebnis aufzuweiſen, ferner die Schuh⸗ und Hutinduſtrie ſowie die Herren⸗ und Damen⸗ Bekleidungsinduſtrie. Lediglich in der Textilinduſtrie 15 ſich die durch die Fa⸗ ſerſtoffverordnung vorgeſchriebene Arbeitsſtreckung bemerk⸗ bar gemacht. Wenn ſich die Zahl der Beſchäftigten im ganzen auch behaupten konnte, ſo iſt doch die Geſamtzahl der ge⸗ leiſteten Stunden ſtark zurückgegangen. Einen unbedingt anzuerkennenden Erfolg hat die Orts⸗ ruppe Stade der RSBo. zu verzeichnen. Auf Anregung des Vertreters der RSO. Stade 175 eine Stader Lederwaren⸗ fabrik ſich entſchloſſen, ihre Gefolgſchaft am Ge⸗ winn des Unternehmens zu beteiligen. Die Aus⸗ zahlung iſt erfolgt nach Abſchluß des Geſchäftsjahres und Feſtſtellung des Reingewinns(450 000 Mark— Dividende 6% Prozent). Ausgezahlt wurden an die Gefolgſchaft insge⸗ amt 15 000 Mark. Gefolgſchaftsmitglieder, die in der Firma bis zu fünf Jahren tätig waren, erhielten 30 Mark, von 5 bis 10 Jahren 40 Mark, von 10 bis 30 Jahren 50 Mark und von über 30 Jahren 60 Mark.. Dieſe Maßnahme wird zur Nachahmung empfohlen: ſie liefert wieder einmal den Beweis dafür, daß bei einigermaßen gutem Willen viel für die Gefolgſchaft getan werden kann. Aenderung des Nachtbackverbots Arbeitsbeginn erſt um 4.30 1 1 5 Durch das Geſetz vom 26. März 1934 war der Ardenne. beginn 15 Bäckereien und Konditoreien für Vorarbeiten 55 Uhr, für den vollen Betrieb auf 4.30 Uhr und der 1179 ginn der Abgabe von Bäcker⸗ und Konditorwaren auf 6 5 morgens feſtgeſetzt worden. Da dieſes Geſetz nur für die 10 vom 1. April bis zum 30. September 1934 Geltung hatte, tritt vom 1. Oktober ab durch das Geſetz zur Aenderung der Bäckereiverordnung vom 26. September 1934 eine Neu⸗ regelung des Nachtbackverbots ein. Danach darf der Betrieb künftig erſt um 4.30 Uhr mor⸗ gens aufgenommen werden, gleichviel ob es ſich um Vorar⸗ beiten oder um andere Betriebsarbeiten handelt. Demenk⸗ ſprechend iſt die Abgabe von Bäcker- und Konditorwaren aus dem Herſtellungsbetrieb an die Verbraucher vom 1. Ok. kober an erſt um 6.15 Uhr, die Abgabe zur Verſorgung von Wiederverkaufsſtellen erſt von 6.15 Uhr morgens ab zu⸗ äſſig. Der Beginn des Verkaufs aus offenen Verkaufsſtel⸗ len wird von den zuſtändigen Behörden gleichfalls auf 6.30 Uhr morgens feſtgeſetzt werden. Der vorübergehend bis zum 30. September zuläſſige 4⸗Uhr⸗Beginn war durch ernährungspolitiſche Rückſichten beſtimmt worden; nach deren Wegfall erwies ſich die Feſt⸗ ſetzung des Betriebsbeginns auf 4.30 Uhr, alſo um eine halbe Stunde ſpäter, als erforderlich, um zwiſchen den Wünſchen nach möglichſt frühem Beginn und dem notwendigen Schutz der Arbeiterſchaft einen gerechten Ausgleich zu ſchaffen. Ambau der Arbeitsfront Die große Gemeinſchaft aller ſchaffenden Oeutſchen Mit dem nunmehr abgeſchloſſenen Umbau der Deutſchen Arbeitsfront ſind die bisherigen Verbände in die Gemein⸗ ſchaft aller ſchaffenden Deutſchen aufgegangen. Der Führer der Deutſchen Arbeitsfront, Dr. Robert Ley, veröffent⸗ licht aus dieſem Anlaß folgende Kundgebung: Die Arbeitsfront iſt die Organiſation der Ge⸗ meinſchaft aller ſchaffenden Deutſchen. Ar⸗ beitnehmer und Unternehmer ſind in ihr zuſammengefaßt in der Erkenntnis, daß die Arbeit jedes Deutſchen ein Dienſt am Volke iſt. Dieſer Dienſt verpflichtet den einzelnen gegen⸗ über der Geſamtheit und gibt dem einzelnen das Recht, für dieſen Dienſt von der Geſamtheit Schutz und Achtung zu ver⸗ langen. Aus dieſer Erkenninis waren die Inkereſſenverbände li⸗ beraliſtiſcher und marxiſtiſcher Prägung(Gewerkſchaften und Arbeitgeberverbände) im natfonalſozialiſtiſchen Deutſchland unmöglich. Der nationalſozialiſtiſche Staat verlangt einen gerechten Aus⸗ gleich der berechtigten Intereſſen der einzelnen Menſchen. Die Nationalſozialiſtiſche Partei und die ihr angeſchloſſenen Gliederungen, inſonderheit die Deutſche Arbeitsfront, betrach⸗ ten ſich als die ehrlichen Makler für dieſen Ausgleich. Deshalb war es notwendig, die Verbände aufzu⸗ löſen und an ihre Stelle nach dem Vorbild der National⸗ ſozialiſtiſchen Partei die Menſchen ohne Unterſchied von Klaſſe und Beruf in Blocks, Zellen, Betriebs⸗ gemeinſchaften, Ortsgruppen, Kreiſe und Gaue zuſammen⸗ zufaſſen. Dieſe Arbeit iſt nun vollendek. Nach dem ſchriftlichen und mündlichen Bericht der verantwortlichen Dienſtſtellen iſt die neue Organiſation der Deutſchen Arbeiksfront enk⸗ ſprechend dem Dienſtbuch der DAF. durchgeführt. So ordne ich an: 1. Die Verwaltung, Einzug der Beiträge und Auszahlung der Leiſtungen der bisherigen Verbände geht auf die Dienſtſtellen der Deutſchen Arbeitsfront über. Nur die von dieſen Dienſt⸗ ſtellen bevollmächtigten Organe ſind berechtigt, Beiträge zu er⸗ heben und Leiſtungen auszuzahlen. 5 2. Für alle Gliederungen der Deutſchen Arbeitsfront ſowie der NS.⸗Gemeinſchaft„Kraft durch Freude“, der NSBO. ſowie der NS.⸗Hago gibt es nur eine Kaſſenführung. Das Schatz⸗ amt der Deutſchen Arbeitsfront iſt von mir angewieſen, für dieſe Gliederungen einen ordentlichen und außerordentlichen Etat für die Erfüllung ihrer Aufgaben aufzuſtellen. 3. Für die NS.⸗Gemeinſchaft„Kraft durch Freude“ wird innerhalb dieſer einheitlichen Kaſſenführung beſonders Buch ge⸗ führt. Das Schatzamt der Arbeitsfront überweiſt auf dieſe ge⸗ ſonderte Buchführung pro Mitglied und pro Monat 0,20 RM. Ebenſo werden die Ausgaben geſondert aufgezeichnet. 4. Verantwortlich jedoch für die geſamte Kaſſenführung iſt mir der verantwortliche Dienſtſtellenleiter der Deutſchen Arbeitsfront. 5. Die Reichsberufsgruppe der Angeſtellten ſowie die Reichsbetriebsgemeinſchaft Landwirtſchaft werden von die⸗ ſer Umſchaltung nicht betroffen. Die Reichsberufsgruppe der Angeſtellten wird am 1. Dezember d. J. in die Organiſation der Arbeitsfront überführt. Die Ueberführung muß bis zum 1. Januar 1935 abgeſchloſſen ſein. 6. Die Bezirkswalter und Gauwalter der Deutſchen Arbeits⸗ front melden bis zum 15. Oktober, daß die Umſchaltung durchge⸗ führt iſt. 0 85 f gez. Dr. R. Ley, Führer der Deutſchen Arbeitsfront. Einziehung von Beiträgen für die Deutſche Arbeits- front. Einzelne Betriebe haben ſich bereit erklärt, die Bei⸗ träge der Mitglieder der Gefolgſchaft für die Deutſche Ar⸗ beitsfront durch die Betriebsbüros mit einzuziehen. Dieſe Bereitwilligkeit wird vom Reichsarbeitsminiſter begrüßt, da ſie zweifellos den auch im Geſetz zur Ordnung der nationalen Arbeit begründeten Gedanken der Betriebsgemeinſchaft zu fördern geeignet ſei. Die übrigen Führer der Betriebe wer⸗ den gebeten zu prüfen, ob ſie in der Lage ſind, ebenfalls die betriebliche Einziehung der freiwilligen Beiträge auf ſich zu nehmen. Die Lage der Gemeindefinanzen Vorſichtige Finanzgebarung nokwendig. Der Deutſche Gemeindetag veröffentlicht einen Ueber⸗ blick über die Finanzlage der deutſchen Gemeinden, in dem darauf hingewieſen wird, daß die beträchtliche Beſſerung der Gemeindefinanzen aus dem Rückgang der gemeindlichen Wohlfahrtserwerbsloſen für zahlreiche Gemeinden und Ge⸗ meindeverbände in den letzten Monaten zum Stillſtand ge⸗ kommen ſei. Wenn ſich in den letzten Monaten erfreulicher⸗ weiſe bei nicht wenigen Gemeinden trotzdem eine gewiſſe Verbeſſerung der Finanzlage gezeigt habe, ſo dürfte dieſe in erſter Linie auf die gute Entwicklung der Einnahmeſeite zurückzuführen ſein. Die Entwicklung der Gemeindefinanzen im Jahre 1935 ſei vorläufig kaum vorauszuſehen. Auf der Ausgabenſeite würden die Gemeinden gewiſſe Mehraufwen⸗ dungen für die Erhaltung des Gemeindevermögens machen müſſen, die in den Jahren der Kriſe unterlaſſen wurden. Bei den Leitern der Gemeinden müſſe Klarheit darüber be⸗ ſtehen, daß der vorausſichtlichen Anſpannung der Gemeinde⸗ finanzen ſchon jetzt nachdrücklich begegnet werden müſſe. Un⸗ ter den obwaltenden Umſtänden komme insbeſondere ein Verzicht auf auch nur einen Teil der bisherigen Steuer⸗Ein⸗ nahmen der Gemeinden, z. B. auf die Gemeindegetränke⸗ ſteuer, nicht in Betracht. Die Steuerentwürfe fertiggeſtellt Verwaltung und Wirtſchaft wurden gehört. Die vom Staatsſekretär im Reichsfinanzminiſterium, Reinhardt, herausgegebene Deutſche Steuer⸗Zeitung meldet, daß der genaue Inhalt der neuen Steuergeſetze erſt bekannt⸗ gegeben werden könne, wenn das Reichskabinett dieſe Geſetze endgültig beſchloſſen haben wird. Die Arbeiten im Reichs⸗ finanzminiſterium ſeien e eee Die Entwürfe, im Rah⸗ men der Richtlinien der Reinhardtſchen Steuerreform aufge⸗ ſtellt, waren an die Landesfinanzämter überwieſen worden, wo die beſten Fachmänner dazu Stellung nahmen. Auch die Erfahrungen der Rechtſprechung kamen in einer Stellung⸗ nahme des Reichsfinanzhofs zum Ausdruck. Soweit möglich, wurden die dabei hervorgetretenen Wünſche in bezug auf Verwaltungsvereinfachung und Rechts⸗ klarheit berückſichtigt. Im Finanz- und Steuerrechksausſchuß der Akademie für Deutſches Recht ſeien dann die Enkwürfe eingehend mit den Verkrekern der Länder, Gemeinden, der Induſtrie, des Handwerks, der Landwirtſchaft und des Han⸗ dels durchberaten worden. Dabei kamen die Erfahrungen der Wirtſchaftszweige zutage, und zwar mit dem Blick auf die Intereſſen des Bolksganzen, die im Gegenſatz zu dem Inker⸗ eſſentenſtandpunkten im Parteienſtaak nunmehr allein maß gebend ſind. Im Oktober 1934 würden die folgenden Geſetze erſchei⸗ nen: 1. das neue Einkommenſteuergeſetz; 2. das neue Körper⸗ ſchaftsſteuergeſetz; 3. das neue Reichsbewertungsgeſetz; 4. das neue Vermögensſteuergeſetz; 5. das Geſetz zur Aenderung des Erbſchaftsſteuergeſetzes; 6. das Bodenſchätzungsgeſetz; 7. das neue Umſatzſteuergeſetz; 8. das neue Kapitalverkehrsſteuer⸗ geſetz; 9. das Steueranpaſſungsgeſetz. Das neue Einkommenſteuergeſetz werde nur 51 Paragraphen zählen, während das bisherige 117 Paragraphen umfaßte. Es werde am 1. Januar 1935 in Kraft treten und erſtmalig auf die Veranlagungen für das Kalenderjahr 1934 anzuwenden ſein. Die Vorſchriften über die Lohnſteuer würden erſtmalig auf den Arbeitslohn anzuwen⸗ den ſein, der für nach dem 31. Dezember 1934 erfolgende Dienſtleiſtungen gewährt wird. Das neue Vermögensſteuergeſetz werde erſt⸗ malig im Jahre 1936 angewendet, während für 1935 die Vermögensſteuer noch nach den gleichen Vorſchriften erhoben werde wie für 1934. Handel und Wirtſchaſt Feſter Wochenſchluß Die feſte Grundſtimmung der Börſe hielt auch am Wochen⸗ ſchluß an. Allerdings gilt das Intereſſe des Publikums in erſter Linie einzelnen Spezialpapieren, in denen ziemlich große Umſätze zuſtande kamen. Beſonders ſtark gefragt waren Weſtd. Kaufhof, Gebr. Junghans, Elektrizitätswerk Schleſien, Velten u. Guilleaume u. a. Am Montanmarkt waren Vereinigte Stahlwerke bevorzugt. Trotz des großen Intereſſes für den Aktienmarkt war auch das Geſchäft am Rentenmarkt nicht vernachläſſigt. Bei Pfandbriefen und Kommunalobligationen waren vielfach kleinere Kursbeſſerun⸗ gen zu verzeichnen. Altbeſitz-Anleihe zog auf 97,85 an. Der Geldmarkt verſteifte ſich am Ultimotage. Tages⸗ geld zog an auf 4% bis 493. Am Deviſenmarkt wurden Dollar und Pfund niedriger notiert. 5 Deviſenmarkt. Belga(Belgien) 58,33(Geld) 58,45(Brief), dän. Krone 54,82 54,92, engl. Pfund 12,275, 12,305, franz. Franken 16,44 16,8, holl. Gulden 169,03 169,37, ital. Lire 21,38 21,42, norw. Krone 61,70 61,82, öfterr. Schilling 48,95 49,05, poln. Zloty 47,15 47,25, ſchwed. Krone 63,31 63,43, ſchweig. Franken 81,35 81,51, ſpan. Peſeta 34,09 34,15, tſchech. Krone 10,39 10,41, amerikaniſcher Dollar 2.475 2.479. CCCãĩ!ↄœbbPb(bbõé ͤ ͤ PVVwVwVwVwbwPPpPbwwG VPP—˙—j—ç—— Der neue Kündigungsſchutz Von Rechtspfleger Juſtizinſpektor Wittler. Werfen wir einen Blick in die Zeit vor der Machtergrei⸗ fung des Nationalſozialismus, ſo ſehen wir, wie unſer Wirt⸗ ſchaftsleben immer wieder durch ſchwerſte Kämpfe zwiſchen Unternehmern und Arbeitern erſchüttert wurde. Wie in ſo vielen anderen Dingen, hat auch hier die nationalſozia⸗ liſtiſche Regierung gründlich Wandel geſchaffen. Durch dae am diesjährigen Feiertage der nationalen Arbeit in Kraf getretene„Geſetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“ hat ſich aus Arbeitgeber und Arbeitnehmern der Führer des Be triebes und die Gefolgſchaft gebildet, die„gemeinſam zur Förderung der Betriebszwecke und zum gemeinſamen Nutzen von Volk und Staat arbeiten ſollen.“ Dadurch hat das Verhältnis der arbeitenden Volksgenoſſen zueinander eine ganz neue Grundlage erhalten, die Verbindung des einzelnen mit dem Betriebe iſt viel inniger geworden. Dieſem beſſeren Verhältnis entſpricht auch die Regelung der Kündi⸗ gungsbeſtimmungen, über die wir nachſtehend eini⸗ ges hören wollen. a Die Kündigungsfriſten an ſich ſind nicht verändert worden. Die geſetzlichen oder durch Privat⸗ oder Tarifver⸗ träge feſtgeſetzten Friſten bleiben alſo beſtehen. Ebenſo ſind auch die Kündigungsmöglichkeiten nicht beſchränkt, wohl aber neue Schutzbeſtimmungen eingeführt worden. Um dieſen Schutz zu genießen, iſt aber zweierlei erforderlich: ein⸗ mal nämlich müſſen in dem Betriebe wenigſtens 10 Perſonen beſchäftigt ſein(gleichgültig, ob Arbeiter, Angeſtellte oder Lehrlinge uſw.), und ferner muß der Gekündigte beim Zeil⸗ punkt der Kündigung mindeſtens ein Jahr ununterbrochen in dem Betriebe tätig ſein. Erfüllt er dieſe Vorausſetzungen, ſo kann er binnen zwei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht mit dem Antrage auf Widerruf der Kün⸗ digung klagen. Innerhalb dieſer Friſt muß die Klage dem Unternehmer bereits zugeſtellt ſein. Der Gekündigte muß ſich alſo beeilen; er darf dieſe Friſt unter keinen Umſtänden verſäumen, da eine Verlängerung nicht zuläſſig iſt. Soll die Klage nun Ausſicht auf Erfolg haben, ſo muß der Gekün⸗ digte nachweiſen, daß die Kündigung unbillig hart und nicht durch die Verhältniſſe des Betriebes bedingt iſt. Iſt alſo z. B. der Beſchäftigungsgrad des Betriebes ſo zurück⸗ gegangen, daß für den Gekündigten einfach keine Arbeit mehr da iſt, ſo wird auch die Kündigung für wirkſam er⸗ klärt werden müſſen. Hat der Betrieb einen Vertrauensrat, ſo hat dieſer eine Beſcheinigung beizufügen, daß über die Frage der Weiterbeſchäftigung bereits erfolglos beraten iſt. Fußball Meifterſchaftsſpiele der Gauliga. Gau Südweſt: Union Niederrad— hie Ludwigshafen 4:0 Boruſſig Neunkirchen— FK. Pirmaſens 15 FSV. Frankfurt— 1. FC. Kaiſerslautern 471 Sportfr. Saarbrücken— Eintracht Frankf. ausgef. Kickers Offenbach— Saar 05 Saarbrücken ausgef. Gau Baden: ö VfL. Neckarau— Phönix Karlsruhe(Sa) 2:2 Gau Mürkkemberg: keine Spiele! Gau Bayern: Bayern München— 1. FC. Nürnberg 1 5 5 ASV. Nürnberg— FC. 05 Schweinfurt 0: Spogg. Fürth— BC. Augsburg 5: Gau Nordheſſen: — 22 VfB. Friedberg— Boruſſia Fulda ausgefallen SC. 03 Kaſſel— Sp. Kaſſel ausgefallen SC. Hanau 93— Kurheſſen Kaſſel ausgefallen Germania Fulda— Langenſebold ausgefallen Gau Mittelrhein: EfR. Köln— Weſtmark Trier 1·¹ Spogg. Sülz 07— VfR. Köln 0:5 Mülheimer SV.— Kölner SC. 99 172 Eintracht Trier— 1. FC. Idar 4·2 Bonner FV.— Blau⸗Weiß Köln 2:0 Boruſſia Neunkirchen— F Pirmaſens 1:5(0:3). 2000 Zuſchauer erlebten auf dem Boruſſenplatz inſofern eine rieſige Enttäuſchung, als„ihre“ Mannſchaft ſich einem einwandfrei beſſeren Gegner verdient beugen mußte. Die Pirmaſenſer ſpielten diesmal ganz ausgezeichnet und be⸗ ſonders Hergert übertraf ſich wieder einmal ſelbſt. Im Sturm der Gäste ragte Johanneſſen durch ſeine gewaltige Schuß⸗ kraft hervor, die Verteidigung ſpielte faſt ohne Fehler. Bei Boruſſia, die noch vor dem Wechſel ihren Mittelſtürmer Frantz infolge Verletzung verlor, hielt ſich die Läuferreihe recht achtbar, Tormann Müller trug am 2. Pirmaſenſer Treffer die Schuld, ſpielte aber ſonſt wieder ſehr gut. * Handball in Süddeutſchland Meiſterſchaftsſpiele der Gauliga. Gau Südweſt: Tig Offenbach— Pfalz e 10:5 To Frieſenheim— S 98 Darmſtadt ausgefallen BfR Schwanheim— TS Herrnsheims 59 VfR Kaiſerslautern— TW Haßloch 10:6 Gau Bayern: Polizei München— Polizei Nürnberg(Sa) 10:15 Mito München— Spogg Fürth 85 To Leonhard⸗Sündersbühl— 1860 München 6:5 To Milbertshofen— 1. Fe Bamberg 12:6 TV 61 Ingolſtadt— 1. FC Nürnberg 4710 Aus der Deutſchen Turnerſchaft. Gerätemannſchaftskampf Tbd. Hockenheim— Tv. 1898 Seckenheim. Wie die Handballſpieler des Tv. 98 Seckenheim, die es in letzter Zeit zu ganz beachtlichen Erfolgen brachten, wollen nunmehr auch die Geräteturner des Tv. 98 ihr mit viel Fleiß errungenes Können unter Beweis ſtellen und werbend vor die Oeffentlichkeit treten. Um ihr bisher Erreichtes zu prüfen und ſich im Kampf zu üben und zu meſſen, haben die Turner des Tv. 98 die Turner des Tbd. Hockenheim zu einem Gerätemannſchaftskampf auf Samstag, 6. Oktober 1934, abends halb 9 Uhr, in ihre Turnhalle eingeladen. Der Kampf, der von je 7 Turnern jedes Vereins mit je einer ſelbſtgewählten Uebung am Reck, Barren und Pferd ſowie einer ſelbſtgewählten Frei⸗ übung ausgetragen wird, verſpricht ein intereſſanter zu werden, da beide Mannſchaften im gleichen Stärkeverhält⸗ nis ſtehen. Der Beſuch dieſes intereſſanten Kampfes, der von turneriſchen Vorführungen der Jugendturner und der Tur⸗ nerinnen des Tv. umrahmt iſt, kann deshalb beſtens empfohlen werden. * 5 Zum Volksflugtag in Mannheim. Udet kommt! Flieger⸗Vizekommandore Ernſt Udet wird am Sonn⸗ tag, den 14. Oktober, in Mannheim fliegen. Der NS⸗Ge⸗ meinſchaft„Kraft durch Freude“, die bekanntlich zuſammen mit der Badiſch⸗Pfälziſchen Luft⸗Hanſa A.⸗G. und der Flie⸗ ger⸗Ortsgruppe Mannheim⸗Ludwigshaſen dieſen Flugtag veranſtaltet, iſt es gelungen, dieſen ausgezeichneten Flieger zur Teilnahme zu gewinnen. Udet, in ganz Deutſchland be⸗ kannt durch ſeine verwegenen Kunſtflüge, iſt auch in Mann⸗ heim kein Unbekannter! Keiner, der ſeine unvergleichliche Flugkunſt bewundert hat, wird verſäumen, Udet wieder⸗ zuſehen, umſomehr als Udet, den man bisher immer aus verhältnismäßig ſchwachen Sportflugzeugen Verblüffendes herausholen ſah, diesmal mit einem Hochleiſtungskunſtflug⸗ zeug kommt. Die amerikaniſche Curtiß⸗Akrobatik⸗Maſchine, der„fliegende Motor“ genannt, iſt die einzige ihrer Art in Deutſchland. Mit ihrem 750 PS ſtarken Motor ſteigt ſie in faſt ſenkrechtem Flug in 50 Sekunden auf 1000 m Höhe. Aus einer Notiz in der Preſſe, die vor etwa eineinhalb Monaten erſchien, iſt bekannt, daß Udet mit einer Maſchine gleichen Typs, mit der er neue Kunſtflug⸗ figuren probierte, abſtürzte und ſich hierbei nur durch einen Fallſchirmabſprung retten konnte. Er hat in der Zwiſchenzeit eine Maſchine ber gleichen Art neu beſchafft und wird mit dieſer am Flugtag teilnehmen. Die übrigen Programmpunkte reihen ſich dieſem Haupt⸗ trumpf würdig an. FFür heute ſeien hier nur die Fall⸗ ſchirmſpringer genannt, die nicht nur mit automatiſcher Auslöſung, ſondern auch nach freiem Fall über einige hundert Meter hinweg mit Handauslöſung abſpringen und dieſe„Rettungsringe der Lüfte“ vorführen werden. Jubiläumsradrennen in Mannheim. Vor gut 2500 Zuſchauern wurde das vom RRC. End⸗ ſpurt 24 Mannheim anläßlich ſeines 10jährigen Beſtehens ver⸗ anſtaltete Radrennen auf der Phönirbahn ein voller Er folg. Im Städtekampf Köln— Frankfurt— Stuttgart Landau— Dortmund— Mannheim— Ludwigshafen feh⸗ ten die Frankfurter als Verteidiger. Im Geſamtergebniz einem Fliegerfahren über 1200 Meter, einem Verfolgung rennen über 4000 Meter und einem 8000 Meter Punkte fahren, blieben die Kölner Vertreter vor den Dortmunder und Stuttgartern mit 2:20:19 Punkten ſiegreich. Den Ju⸗ biläumspreis ſicherte ſich Kurt Walther(Mundenheim) mit 16 Punkten vor Dobler(Frieſenheim) mit 9 Punkten.— Im großen Ufa⸗Preis über 24 Kilometer mit 6 Wertungen gingen 20 Fahrer an den Start, von denen ſich Berfer⸗ Mannheim als der Beſte erwies. Siuck vor Fagioli Großer deutſcher Erfolg beim Maſaryk⸗Rennen. Das letzte große Automobil⸗Rennen des Jahres 1930 das 5. Maſaryk⸗Ring⸗Rennen bei Brünn, wurde vor 200000 Zuſchauern zu einem großen deutſchen Doppelerfolg. Hanz Stuck auf Auto⸗Union ſchlug mit einer Zeit von 3537279 Stunden und einem Durchſchnitt von 127.044 Stundenkllo⸗ meter alle auf dem Maſaryk⸗Ring gefahrenen Rekorde. Auß auf dem zweiten Platz endete ein deutſches Fabrikat, Mercedes Benz mit dem Italiener Fagioli am Steuer. Erfreulicherwei belegte noch Prinz zu Leiningen auf Auto⸗Union hinter Nuvolari auf Maſerati den vierten Platz und Ernſt Henne kam mit 1 Mercedes⸗Benz als Sechſter ein. Damit war der deutſche Triumph vollſtändig, der alles bisher Dageweſene in den Schatten ſtellte. n 9 Die SA.⸗Radfernfahrt nähert ſich ihrem Ende. Auf der 10. Etappe von Schweinfurt nach Rudolſtadt hatten die Fahrer 163) Kilometer zurückzulegen, was auf den zahlreichen 1 und recht ſchlechten Straßen eine ſchwierige Aufgabe war. Der St. 102 Berlin errang in 6:10:00 einen weiteren Etappenſieg und hat da⸗ mit auch im Geſamt ſeine Spitzenſtellung erneut gefeſtigt. Deutſch-franzöſiſche Berufsboxkämpfe. Adolf Heuſer⸗Vonn ſtand zum erſtenmal nach ſeinem Hamburger Kampf gegen Meiſter Witt im Ring der Berliner Neuen Welt, wo er gegen den Fran⸗ zoſen Lauriot zu einem weiteren überlegenen Punktſieg kam. Eine entſcheidende Niederlage mußte der franzöſiſche Neger Curney durch den Berliner Alfred Katter einſtecken, der in der vierlen Runde durch Abbruch des Kampfes zum Sieger erklärt wurde, Ueberlegener Sſeg der deutſchen Amakeurboxer. Die deulſchen Amateurboxer erfochten in Nürnberg einen großen Sieg. Mit 13: 3 Punkten ſchlug eine deutſche Nasal e eine un. gariſche Auswahlacht überlegen und konnten damit die im Vor⸗ jahre erlittene 10: 6⸗Niederlage in dem 34. Länderkampf wieder wettmachen. Europameiſter Scheele ausgezeichnet. Für ſeine großartigen Leiſtungen, beſonders für ſeinen Sieg im 400⸗Meter⸗Hürdenlaufen bei den Europameiſterſchaften in Turin, wurde der Wachtmeiſtet der Landespolizei Scheele⸗Altong durch den Kommandeur der Lan- despolizei⸗Inſpektion Nord, General Strecker⸗Stettin, zum Ober⸗ wachtmeiſter befördert. Ge ches Hensche Ge fuehle un Handen. Stumm, in ſich gekehrt, war Duca an den aufgeſtell⸗ ten Poſten des Lagers vorbeigeritten. Kein Wort mehr hatte er mit ſeinem Vertrauten Cinthio gewechſelt. Ver⸗ geblich hatte er ihn angerufen:„Duca, was iſt dir?“ Ein Achſelzucken nur war die Antwort. Ducas Geſicht ſah wie aus Stein gehauen aus. Fremd und abweiſend. Da 1 80 Einthio. Er ahnte: Etwas war geſchehen, etwas ſehr Schlimmes. Etwas, was der, den es betraf, ſelbſt mit ſich ausmachen mußte.— Duca war in ſeinem Zelt verſchwunden. Der Vorhang ſank zuſammen. Er war allein. „Allein!“ 9175 5 0 0 8 traf ihn wie ein böſer, furchtbarer Hieb. ein!“ Er warf ſich auf das einfache Lager, die Fäuſte gegen die Schläfen gepreßt. Alſo alles— zu Ende? Unmöglich! Es war nicht auszudenken. Vittorinag konnte ihm doch nicht mit einem Male verloren ſein! Wer war denn Vittorina überhaupt? Dieſes fremde Mädchen, das er— vor einem Jahre kaum geſehen— hatte lie⸗ ben müſſen mit aller Kraft ſeiner Seele? Wie furchtbar der Prinz ausgeſehen hatte, als er ſei⸗ nen Namen, dieſen Namen„Angelo Duca“, hörte. Und wie müde und zerfallen ſein Geſicht ausſah, als er vor Vittorina ſtand und nur noch abwehrend die Hand hob. Morgen muß ich zum Kloſter, dachte er, oder zu Bru⸗ der Donato. Er hatte ſchon recht, einmal muß man zu emand über die„Dinge des Herzens“ ſprechen, ſonſt er⸗ ickt man daran und verirrt ſich im Labyrinth des Le⸗ ens. Aber es kam ganz anders. Noch in dieſer Nacht gab es im„Kloſter der lieben rauen“ eine Erregung, die allerdings nur verhalten inter den Türen der Nonnenzellen wie eine dumpfe, rauſende Welle wogte. Die Nonnen lagen auf den Knien vor ihren Betpul⸗ ten und die Aebtiſſin Clariſſa ſelbſt betete ununterbrochen. Sie beteten für die kleine Vittorina, die in 9 15 Nacht mit dem Prinzen das Kloſter verließ. Ganz 58 5 hatte della Rocella dieſe Entſcheidung getroffen. Und Vittorina, noch immer bleich und eee anzuſehen, blieb ſtumm und gehorchte allen Anordnungen wie eine Puppe. In dieſer Nacht betete die Aebtiſſin Clariſſa darum, daß die kleine Vittoring keinen Schaden an ihrer Seele nehmen möge und wieder das Lächeln und Lachen er⸗ 5 das ihr an dieſem verhängnisvollen Abend erſtor⸗ war. danken konzentriert auf das Jetzige. Der Prinz und Vittorina ritten unter dem Schutz der Eskorte, die della Rocella bereits auf ſeiner Fahrt zum Kloſter begleitet hatte, der nächſten Stadt entgegen. Schweigend, ohne den Willen, zu reden. Stunde um Stunde verrann. Das Mondlicht ſpann ſil⸗ berne Fäden über den Weg. Nebel geſpenſterten feierlich über die Wieſen. Im Dickicht raſchelten ängſtlich die Vö⸗ gel, wenn der Trupp vorüberkam. Vittorina hörte nichts, ſah nichts von alledem. Die Hufe der Pferde hämmerten gedämpft im Straßen⸗ 5 Das Gewaffe der Eskorte klirrte leiſe gegen die ättel. Mit einem Male fuhr Vittorina mit einem Schrei aus dem Sitz des Reiſewagens empor. Spitz und gell ſtach dieſer Schrei durch die dunkle Nacht. Der Prinz erſchrak bis in das Herz. Er ritt dicht neben dem Wagen. Beugte ſich vor. Die Reiter riſſen die Zügel an. „Vittorina— um Gotteswillen! Was iſt?“ Sie ſtarrte mit plötzlich hochgeworfenem Kopf in die Luft. Die Augen voll glaſiger, 8 Starrheit, die ſchien die Dunkelheit und Ferne geheimnisvoll zu dringen e 1 0 ſich ſteif aus. „Jetzt— jetzt,“ wimmerte ſie,„fetzt— geſchieht etwas Furchtbares! Angelo!“ 0 a Der Schrei zerbrach ihr auf den Lippen. Mit einem wehen Seufzer fiel ſie wieder in der Sitzecke zuſammen, die Hände vor die Augen gepreßt, die eben eine ſchreckliche Viſion gehabt hatten. Wer vermag die geheimnisvollen Zuſammenhänge lie⸗ bender Seelen zu erraten? * 4* Duca fuhr aus dumpfem Halbſchlaf auf. das? Schüſſe? Geſchrei? Mit einem Satz war er auf den Füßen. Schon ſtürzte Cinthio in das Zelt. „Angelo!“ „Zum Henker, was iſt denn los?“ Neue Schüſſe knallten draußen. Die Hunde bellten, daß es einen verrückt machen konnte. Pferdegewieher aus der Koppel. Dumpfes Stimmengewirr. 5 ö Sbirren, Angelo, ein ganzes Regiment!“ er? „Ein ganzes Regiment hält das Lager umſtellt! Der Teufel mag wiſſen, wer ihnen unſeren Schlupfwinkel ver⸗ raten hat. Eine vollkommene Umzingelung, Angelol Es geht auf Leben und Tod! And ich glaube, ich fürchte, dies⸗ mal kommen wir nicht dawon.“ „Kerl! Cinthio!“ 5 Duca ſtarrte ihn mit einem furchtbaren Blick an. „Diesmal kommt Blut über uns, Angelo, viel Blut!“ Altaverde riß die Zelttür zurück. a „Kampf! Kampf bis aufs Meſſer! Wir ſind in der Falle!“ ſchrie er hinein. Da war Duca ſchon draußen. Kein Gedanke mehr an Vittorina und Liebe. Alle Muskeln angeſpannt, alle Ge⸗ Was war Draußen ſchien der Teufel los zu ſein. Alles ging drunter und drüber. Am Nande des Lagers ſchien man bereits im Nahkampf zu ſein. Man rief nach Duca. Seine Stimme brüllte durch die Dunkelheit: „Hier bin ich, Leute!“ Im Nu ſcharten ſich gruppenweiſe Banditen um ihn, hörten ſeine Befehle. Cinthio und Altaverde raſten da⸗ von. Es ſchien, als ob die Nacht ein Hexenkeſſel geworden war. Von allen Seiten brodelte Stimmenwirrwarr, peitſch⸗ ten Schüſſe, gellten Schreie, tobte Kampf, entfeſſelte Gier, rohe Leidenſchaft. Die Stille der Nacht war auseinander geriſſen und zu einem Hexenſabbat geworden. Eine verlorene Sache. Duca merkte es bald. Man ſaß wirklich wie eine Maus in der Falle. An einen ſo gut vorbereiteten Uebeffall hatte keiner gedacht. Allerdings, es fiel Duca erſt fetzt, im Kampfgetümmel, ein, daß er nie⸗ mals leichtſinniger, unvorſichtiger geweſen war als in den letzten Wochen. Je nun, es war nichts mehr zu ändern. Man mußte ſich ſeiner Haut wehren, ſo gut es ging. Dieſer Ueber⸗ macht gegenüber allerdings konnte der Ausgang des Kamp; fes ja kaum zweifelhaft ſein. Eine wilde Wut packte Duca. Ah, wie man in Italien in den Kreiſen des Adels ftoh⸗ locken würde, wenn es hieß, man hätte den Duca endli gefaßt! Zum Teufel, aber nicht lebendig! Er riß ein paar Leute mit ſich und ſtürzte ſich in das dichteſte Getümmel. Nicht lebendig ſollten ſie ihn kriegen. Dann lebe wohl, Vittorina, lebe wohl, ſchöne Welt, ſchönet Gotteswald, ſchöne Freiheit! Es war eine Nacht, an die die toskaniſchen Sbirren noch lange denken ſollten, von der noch lange in den ein ſamen Bergdörfern und den Herbergen mit leiſer, raunen⸗ ver Stimme erzählt wurde. 5 Mit einer ans Wunderbare grenzenden Tapferlen ſchlugen ſich Ducas Leute, immer wieder von Duca 590 feuert, deſſen Stärke und Tollkühnheit ſelbſt wahre Hel dentaten perſönlichen, todverachtenden Muſters vollführten. Aber die Uebermacht war zu groß. Man hatte diesen Ueberfall zu gut und geſchickt vorbereitet. Für jeden 0 ſchlagenen toskaniſchen Sbirren ſprangen zwei, drei 1 dere, vier, fünf andere in die Breſche. Es gab nichts me zu retten. Duca blutete aus vielen Wunden. Altaverde hatte ef tödlich getroffen. Einthio hielt ſich nur noch taumeln 10 den Beinen. Die Hälfte der Banditen lag erſchlagen unt den Bäumen. Es gab nichts mehr zu retten. Ducas Stimme brüllte durch die Nacht. „Leute— rettet euch!“ Es war ſein letzter Befehl. Und dieſes Wort, die Viſion dieſer furchtbaren, lebe verzweifelten Kampfſzene war es, was Vittorina mit magiſchen Kraft ihrer Seele erlebt hatte in der gleichen Stunde 5.