S el 2. Blatt zu Vr. 231 PE Acht Jahre Einzelhandelsumſätze Preisſenkungen bewirkten Rückgang um 40 v. 5.— Die Entwicklung von 1925 bis 1933. Die übliche Form, in der die Entwicklung der Ein⸗ zelhandelsumſätze dargeſtellt wird, iſt die monatliche Errech⸗ nung der prozentualen Veränderungen gegenüber dem glei⸗ chen Vorjahrsmonat. Dieſe Form iſt zweckmäßig, wenn es ſich um kurzfriſtige Feſtſtellungen der Tendenzen der Um⸗ ſatzentwicklung handelt, die Wendepunkte im Auf und Ab der Umſatzbewegung werden ſo am deutlichſten ſichtbar. Von Zeit zu Zeit ergibt ſich jedoch dabei das Bedürfnis nach einer zuſammenfaſſenden Ueberſicht, die den augen⸗ blicklichen Stand der Umſätze im Ablauf eines ganzen Kon⸗ junkturzyklus deutlich erkennen läßt. Einen ſolchen Ueberblick hat die Forſchungsſtelle für den Handel beim RKW. ſoeben für die Jahre ſeit 1925 gegeben. Es wird daraus deutlich, wieweit die Einzelhandelsumſätze ſelbſt nach der günſtigen Entwicklung ſeit etwa einem Jahr noch von einem normalen Stand entfernt ſind. Das gilt ansbeſondere für die wertmäßige Höhe der Umſätze, die ſich ſeit 1929 nicht nur durch geringeren Verbrauch, ſondern vor allem durch Preisrückgänge mehr und mehr verminderte. 1933 lagen die Geſamtumſätze des deutſchen Einzelhan⸗ dels wertmäßig um 40 Prozent unter dem Höchſtſtand von 1928/29. Dabei betrug der Verbrauchseinſchränkung Kauf geringerer Mengen und ſchlechterer Qualitäten etwa 17 Prozent, ſo daß der weitaus größte Teil des Rück⸗ ganges auf die Preisſenkungen entfiel. Noch ſtärker tritt dieſe Tatſache im Vergleich zu 1925 hervor; ſeit dieſem er⸗ ſten annähernd normalen Jahr nach Beendigung der Infla⸗ tion ſind die Einzelhandelsumſätze von 30,5 Milliarden RM. auf 21,2 Milliarden RM., alſo um 30 Prozent, ge⸗ ſunken. Der Anteil des Verbrauchsrückgang an dieſer Ver⸗ änderung beträgt nicht ganz ein Drittel; mehr als zwei Drittel entfallen auf den Preisrückgang. Dieſe Tatſache zeigt zugleich, welche Vorbehalte nötig ſind, wenn gegenwärtig die Umſätze mit denen von 1928 verglichen werden ſollen. Wenn auch die Einzelhandels⸗ preiſe in Deutſchland 1934 wieder etwas geſtiegen ſind, ſo liegen ſie doch Mitte 1934, gemeſſen an der Reichsindex⸗ ziffer der Lebenshaltungskoſten ohne Wohnung, um 23 Proz. unter denen von 1928; eine weitgehende Annäherung an die Umſatzwerte von 1928 kann alſo bei dem gegenwär⸗ tigen Preisniveau nicht gut als erreichbares Ziel angeſehen werden. Sehr ſtarke Schwankungen der Umſatzhöhe und des Um⸗ ſatzanteils wieſen in den letzten Jahren die Großunterneh⸗ mungen des Einzelhandels auf. Von den Unternehmungs⸗ formen, für die genügend Zahlenmaterial vorliegt, haben die Verbrauchergenoſſenſchaften ihre Umſätze zwiſchen 1925 und 1929 faſt verdoppelt, die Waren⸗ und Kaufhäuſer bis 1930 eine Umſatzſteigerung um ſaſt 50 Prozent erzielt. In dem⸗ ſelben Zeitraum traten die Einheitspreisgeſchäfte als neue Großunternehmungsform auf. Seit 1930 gingen die Umſätze der Großunternehmungen wie die des geſamten Einzel⸗ handels zurück, aber in langſamerem Tempo; ihr Umſatz⸗ anteil ſtieg daher noch bis 1932. Der dann folgende ſehr ſtarke Rückgang zu einer Zeit, in der die geſamten Einzelhandelsumſätze ſich bereits konſoli⸗ dierten und wieder anſtiegen, hat dazu geführt, daß im er⸗ ſten Halbjahr 1934 der Umſatzanteil der Verbrauchergenoſ⸗ ſenſchaft und der Waren⸗ und Kaufhäuſer wieder nahezu dem von 1925 entſpricht. Der Umſatzanteil der Einheits⸗ preisgeſchäfte ſank von 1,4 Proz. im Jahre 1932 auf 1,1 Proz. im erſten Halbjahr 1934. Von den übrigen Groß⸗ unternehmungsſormen iſt die Entwicklung der Filialbetriebe noch nicht genügend zuverläſſig zu erkennen. Drei Arten von Verkehrsſündern Die Anfänger, die Unachtſamen und die Dauerüberkreker. Berlin, 2. Oktober. Der Verkehrspolizeireferent der Befehlshaber der deut⸗ ſchen Polizei und Leiter der Polizeiabteilung im Reichs⸗ innenminiſterium, Generals Daluege, Regierungsrat Dr. Schifferer, äußerte ſich einem Preſſevertreter gegen⸗ über über die drei großen Kategorien von Ver⸗ kehrsſündern, die man heute noch im Verkehr an⸗ treffe. Die erſte Kategorie umfaſſe die„Anfänger“ und die kleinen Sünder im Verkehr, deren Verfehlungen vor allem aus Unkenntnis herrührten und die durch einfache Verwarnungen erzogen werden könnten. Weitaus der größte Teil der Verkehrsſünder entfalle auf die zweite Rateaorie, die aus Gleichgültigkeit und Unachtſamkeit die Uebertretungen begehe. Hier ſetzte die gebühren⸗ pflichtige Verwarnung ein. Bei dieſer Kategorie helfe nur das Motto:„Sie müſſen zahlen, bis ſie es kön⸗ nen!“ Mit rückſichtsloſer Schärfe aber werde gegen die dritte Kategorie vorgegangen, die ſich überhaupt nicht um die Beſtimmungen kümmere und die geradezu aus berufsmäßigen Dauerübertretern beſtehe. Wenn man fragt, welches die ſchlimmſten Verkehrs⸗ ſünder ſeien, dann müſſe immer wieder geantwortet werden: Die Radfahrer. Es ſei erſtaunlich, daß die Radfahrer gerade auch die ledig⸗ lich zu ihrem Schutz ergangenen Vorſchriften, z. B. über die Anbringung von Rückſtrahlern, nicht befolgten, ſo daß noch jetzt bei Verkehrskontrollen jedes fünfte bis zehnte Fahr⸗ rad ohne Rückſtrahler angetroffen werde. Sehr ſchlecht ſei nach wie vor auch die Verkehrsdiſziplin der Fuhrwerke. Auch da würden Vorſchriften, wie die Anbringung einer Lampe, oft aus Fahrläſſigkeit nicht erfüllt, obwohl ſie vor allem zum Schutze des Fuhrwerkes und ſeines Führers die⸗ nen und durchaus keine weſentlichen Unkoſten bereiteten. Bei den Fußgängern ſei eine bezirklich verſchiedene Haltung beobachtet worden. In manchen Orten ſei die Diſziplin der Fußgänger auf den Straßen bereits recht gut, während ſie anderwärts noch viel zu wünſchen übrig laſſe. Es ſei ganz zweifelsfrei, daß der größte Teil der Kraft⸗ fahrer ſich weſentlich disziplinierter benehme, als alle anderen Straßenbenutzer, weil die Kraftfahrer ſchon ſeit Jahren unter ſehr ſchweren Ausnahmebeſtimmungen geſtanden hät⸗ ten. Bei Beurteilung des Kraftfahrzeugverkehrs müſſe man bedenken, daß man ſehr wohl ſchnell und dennoch vorſichtig, andererſeits aber langſam und dennoch unvorſichtig fahren könne. Es gebe einen gewiſſen Prozentſatz kraftfahrender Damen, die ganz hervorragend fahren. Der größte Teil der Frauen aber fahre zaghaft und ohne Herz, und das ſei für die glatte Abwickelung des Verkehrs ſehr ſtörend. In⸗ tereſſant ſei übrigens, daß Mitt ech, 3. Okt. 1934 der größte Teil der Kraftfahrzeugunfälle nicht durch An⸗ fänger hervorgerufen werde, ſondern durch Leute, die etwa ein Jahr fahren und nun glaubten, ſie könnten es, und die dann leichtſinnig würden. Schließlich ſei noch feſtzuſtellen, daß erſchreckend viele Fahrzeuge, wie ſich bei den Verkehrskontrollen ergeben habe, ſich nicht im verkehrsſicheren Zuſtande befinden. Derartige Fahrzeuge müßten und würden rückſichtslos aus dem Verkehr gezogen werden. Der heilige Wald Der Wald war den Altvorderen ein Dom, in dem ſie opferten und beteten. Jeder einſame Stein darin war ein Opferaltar und zugleich Sitz der Ahnen. Hierher brachten ſie ihre Opfergaben. Je gewaltiger der Wald war, deſto heiliger war er ihnen. Dort, wohin kein Menſchenlaut drang, ſtand der Baum, in deſſen Geäſt die Jagd⸗ und Kampftrophäen, die Schwerter und Schilder, die Totenſchä⸗ del der Gott Wodan heiligen Pferde und die Opfergaben gehängt wurden. Nicht ſelten waren um den geweihten Baum herum mehrere Opferſteine und die Hütten der Al⸗ runen. Die Alrunen weisſagten nicht nur aus dem Fluge und Geſchrei der Vögel, ſondern auch aus dem Raunen des Waldes. Lichtſtellen des Waldes waren meiſt Thing ⸗ ſtätten. Hier wurde Urteil geſprochen, Fehde angeſagt und Friede geſchloſſen. In den Waldlichtungen fanden auch die großen Opferfeſte ſtatt. In der älteſten Bauernmär iſt der Wald der Sitz der Frau Perchta. Wenn die Raben und Eulen ſchreien und rufen und wenn das Geäſt der Bäume vom Sturme ge⸗ rüttelt wird, dann beginnt die große, wilde Jagd. Wehe dem, der Waldfrevel beging. Er wird zu Boden geſchleudert und die grimmigen Jagdhunde ſtürzen ſich über ihn. Nur ein reiner Menſch darf nach bäuerlichem Urglauben in den Wald gehen. Der böſe Menſch meidet den Wald. weil er darin mahnende Stimmen hört. Heute noch iſt den Bauern das Bächlein, das den Wald durchrauſcht oder der Wald⸗ weiher heilig. Wer ſich an beſtimmten Tagen im Waldbach oder im Waldwaſſer die Augen wäſcht, wird hellſichtig. Zu Beginn der Heumahd ſchickt der Hofherr die Kinder zum Waldbach, damit ſie in das Waſſer Heubüſchelchen werfen ſollen. Durch dieſe Opfergabe wird die Wetterherrin be⸗ wogen, während der Heumahd die Regenwolken abzuwen⸗ den. Auch das Schauen in den tiefgrünen klaren Spiegel des Waldteiches bringt Glück. An die Verehrung des Waldes durch unſere Altvorde⸗ ren erinnert heute noch die Waldkapelle. Meiſt ſteht ſie am Rande des Waldes; denn„betend ſoll der Menſch in den Wald gehen“. In Tirol iſt es auch üblich, mitten im Walde. und zwar am Stamme des höchſten und ſchönſten Baumes. ein Madonnenbild aufzuhängen. Nicht ſelten brennt davor ein rotes Lichtlein. In vielen chriſtlichen Ländern treffen wir mitten im Walde ein Wallfahrtskirchlein. In der deut⸗ ſchen Südoſtmark iſt es Sitte und Brauch, an Wegkreuzun⸗ gen im Walde die Totenbretter aufzuftellen, denn hier im Walde haben die Toten ewige Ruhe. Wetterbericht Der Hochdruck hat an Stärke verloren. Es iſt mit zeitweilig bedecktem, aber vorwiegend trockenem Wetter zu rechnen. ka Den ufen; ſie helfen dem Nuhe zu Hauſe. Es gibt nur eine wichlige Käuferregel und die heißt: Vergleichen, vergleichen, vergleichen! Schön und gut! Wenn Sie den lieben, langen Tag nichts zu tun hätten, dann könnten Sie, um ein Stück Seife zu kaufen, zwanzig Geſchäfte durchlaufen, mit vielen Fragen die armen Ver⸗ käufer plagen und ſich ſo mühſam die Warenkenntniſſe zu⸗ ſammenklauben, die notwendig ſind, wenn man wirklich gut und preiswert kaufen will. Aber Sie haben zu tun; Sie haben ſogar viel zu fun; denn Sie wollen den anſtürmenden Aufgaben bes täglichen Lebens gerecht werden. Wie gut, daß es da noch eine beſſere und weniger zeitroubende Möglichkeit gibt, ſich tag⸗ lich eine gründliche Kenntnis des geſamten Warenmarktes zu holen: Den Anzeigenteil der Zeitung. Da finden Sie alle Artiker, die in die engere Wahl zu ſtellen ſich lohnt. Da wird Ihnen in treffenden Worten und anſchaulichen Bildern geſchilbert, welche beſonberen Eigenſchaften dieſer Artikel, was füt Vorzüge jene Ware hat. Anzeigen ſind gute Wegweiſer durch das Labyrinth des mobernen Marktes; ſie ſind nicht nur erfolgreiche Werber für den Verkauf, ſondern auch tatkräftige Helfer für den günſtigſten Einkauf: Befeſtigte Herrenſitze hat es bei allen Völkern und auch zu allen Zeiten gegeben, von den altgriechiſchen Königs⸗ paläſten von Knoſos und Mykene bis zu den Marmorwuͤn⸗ dern mauriſcher Baumeiſter in Spanien. Es iſt aber etwas ganz anderes um den Zauber der deutſchen Burg; denn an ihr haften Erinnerungen an jene romantiſche Zeit, als fränkiſche und deutſche Ritter ihren heimatlichen Sitz mit Türmen und Mauern ſicherten, ehe ſie zur Befreiung des gelobten Landes fern nach Oſten ausziehen konnten. Und wenn heut auch die gütige Natur richtete Oeffnung man einem waghalſigen Angreifer ſieden⸗ des Oel, glühenden Sand oder dergleichen ſchöne Sachen auf den Kopf beförderte. Um den Bergfried gruppierten ſich die Wohn⸗ und Wirtſchaftsgebäude, ihm zunächſt der Palas, das Wohn⸗ haus der burgherrlichen Familie. So ſchön und gemütlich jedoch, wie man ſich heut gern ſolch eine Herrſchaftswohnung mit Butzenſcheiben und dergleichen ſtimmungsvollen An⸗ nehmlichkeiten denkt, war ſie in Wirklichkeit nicht— oder all die ſchweren Wunden, die in Turm und Gemäuer geriſſen wurden, liebevoll e Grün und Blumen verhüllt, ſo iſt es doch, als ob die Steine raunten und mit ſeltſamem Schauer dem Wanderer in die Seele redeten. Im Geiſte bewegen ſich der, wie die Mannen ausziehen: Wimpelträger reitet voraus ihm folgen in gleißenden Rüſtungen die Ritter mit wallenden ern auf den Helmen, indes tränenfeuchte Linnentüch⸗ lein von Söllern und 2 ien winken. Die älteſten Burgen entſtanden um ch wohl h nur U und elalterliche hatte e Be⸗ wenn doch eine g Bewohner un richtet; denn die Zeiten waren da⸗ mals eben nicht ſo ganz friedlich. Die Vorteidi⸗ gungsanlagen wurden allmäh⸗ lich ſtärker, als Platz wählte man ein Gelände, das durch Unzu⸗ gänglichkeit an und für ſich ſchon Verteidigungs⸗ charakter beſaß. So entſtanden die maleriſchen, herrlichen Bur⸗ gen auf Berg⸗ kuppen, auf ſchroffen Felſen in romantiſchen Flußtälern, es gab aber auch ſog. Tal⸗ und Waſſerburgen, die zum größten Teil verſchollen ſind, weil ſie ſeit dem Gebrauch von Feuerwaffen jeglichen hatten. Der Reſt der Hohenſtaufenburg auf. dem Kyffhäuſer. Verteidigungswert verloren Man kann ſich wohl denken, daß mit jeder Neuerung der Kriegs⸗ und Belagerungstechnik auch die Befeſtigungen Schritt halten mußten. Erinnert ſei nur an die Quitzowburg Frieſack, die den Angriffen der ſagenhaften„Faulen Grete“ nicht ſtandzuhalten vermochte und nach nur zweitägiger Be⸗ lagerung übergeben werden mußte. Gegen die Beſchießung durch die erſten Kanonen, Kartaunen und Feldſchlagen war die Lage der Burg auf hohem, ſchroffem Felſen die beſte Abwehr, weil die erſten Geſchütze ſteile Beſchießungen nicht ausführen konnten und die Unbeholfenheit dieſer Ungetüme eine Beförderung hinauf auf die Höhen unmöglich machte. Gerade dieſe Burgen haben ſich am beſten gehalten, und manche von ihnen hat ſich ihrer günſtigen Lage wegen glück⸗ lich durch den ſchlimmen 30jährigen Krieg gerettet, der ſonſt faſt all die Tauſende von deutſchen Burgen zu Ruinen machte. Den Kernpunkt jeder Burganlage bildete der Berg⸗ fried, ein reckiger Turm, die letzte Zuflucht, wenn ſonſt alles verloren war. Der Zugang war nur hoch oben, min⸗ deſtens ein Stockwerk hoch, und dieſe einzige ſchmale Tür war geſchützt durch eine ſog. Pechnaſe, einen erkerartigen Vorſprung über dieſer Tür, durch deſſen nach unten ge⸗ Schloß Runkel. Der wieder wohnlich eingerichtete Teil der Burg. die alten Herrſchaften mußten doch wohl eine robuſtere Ge⸗ ſundheit gehabt haben. Der Palas der Münzenburg in der Wetterau und viele an⸗ dere hatten wohl ſäulenver⸗ zierte Fenſteröffnungen, wahr⸗ ſcheinlich aber gar keine Fen⸗ ſterſcheiben; da mußte man ſich im Winter mit Teppichen und Decken helfen was um ſo un⸗ angenehmer war— ſo nach unſeren heutigen Begriffen, wo man ſchimpft, wenn die der deutſche König. Heinrich, erbaute. zu Eberbach 5 am Neckar eine dreiteilige Burg, die bis vor we⸗ nigen Jahren nur in der Sage noch beſtand, nun aber doch in ihren Re ſten wieder frei⸗ gelegt wurde Ein wahrhaft ſchönes Bild bie⸗ tet Burg Run⸗ kel an der Lahn, düſter und ſchwer⸗ mütig ganz ſo. wie man ſich ein mittelalterliches, etwas unheimli⸗ ches Ritterneſt denkt das nun, zum größten Teil zertrümmert hoch über dem freundlichen Fluſſe mit Die Ruine der Burg Aardeck an der Lahn. Burg Kunkelſtein bei Bozen. Dampfheizung mal ver⸗ ſagt— da es mit der Heizung keineswegs all⸗ zu günſtig ſtand. Die Möglichkeit zu heizen, beſtand eigentlich nur in den Kemenaten der Frauen, wo ſich biswei⸗ len ein Kamin befand, an dem in kleinen Bur⸗ gen gleichzeitig gekocht wurde. Unterdielenhei⸗ zung, wie ſie die alten Römer in ihren Bädern ſo vorzüglich eingerichtet hatten, war aber ſelbſt im Kaiſerſchloß zu Goslar unbekannt. In den Verſammlungsräumen für Männer war man eben mit Holzkohlenbecken zufrieden. Die Anzahl der Nutz- und Wirtſchaftsgebäude richtete ſich naturgemäß nach dem Reichtum des Schloßherrn. Es hat ſich bei den meiſten Burgen wohl derartig zugetragen, daß ein Ahnherr mit Turm und Mauer begann, und daß dann die Nachkommenſchaft von Generation zu Generation immer weiter anbaute. Auf dieſe Weiſe entſtanden jene Prunkbauten, unter denen hier in Deutſchland das Schloß der Pfalzgrafen zu Heidelberg wohl der bedeutendſte iſt, ein rieſiger Komplex herrlicher Bauten, die auch jetzt in ihrer Zerſtörung, vielleicht gerade durch das Schickſals⸗ ſchwere, Ruinenhafte die Bewunderung aller Beſucher er⸗ regten. Geſchichtlich von höchſter Bedeutung iſt der vom Volke „Kaiſer Friedrich“ benannte ſehr beſcheidene Reſt der alten Hohenſtaufenburg im Kuyffhäuſer, die durch Rückerts Gedicht vom„Alten Barbaroſſa, dem Kaiſer Friederich“, eine beſondere poetiſche Verklärung erfahren hat und damit recht volkstümlich geworden iſt. Ein Nachkomme Barbaroſſas, 5 Bergfried und Palas der Münzenburg. 22 Der Oruſelteich/ In einigen Gegenden Deutſchlands wurde während des Mittelalters und auch noch in neuerer Zeit über zank⸗ und ſtreitſüchtige weibliche Perſonen bekanntlich die Strafe des Untertauchens verhängt, welche darin beſtand, daß die Delinquentin in einem Fluſſe oder Teiche ſo oft und ſo lange untergetaucht wurde, bis ſie das Zanken und Schimpfen unterließ und 90 Beſſerung gelobte. Dies ge⸗ ſchah unter anderem auch in Kaſſel, wo der im Jahre 1906 als ein altes Wahrzeichen der ehemaligen Feſtungswerke der Stadt in ſeiner urſprünglichen mittelalterlichen Form wiederhergeſtellte Druſelturm am Druſelplatze zur einſt⸗ weiligen Unterbringung der zum Untertauchen in dem da⸗ nebengelegenen Druſelteiche beſtimmten Frauen und Möd⸗ chen dienen mußte. Die letzte Prozedur dieſer Art wurde im Juli 1704 an einer gewiſſen Martha Schuchardt vollzogen, welche ſpöttiſch auch„Marthchen von der Ahna“ genannt wurde, weil ihre Wohnung an der Ahna, einem Nebenfluß der Fulda, gelegen war Martha Schuchardt ſoll nicht ohne gute Eigenſchaften geweſen ſein, aber auch überaus zank⸗ und ſtreitſüchtig, ſo daß ſie wegen ihres loſen Mundwerkes weit⸗ hin berüchtigt und gefürchtet war. Dies veranlaßte den Magiſtrat, das ſchon in mehreren früheren Fällen als er⸗ probt befundene Beſſerungsmittel des Eintauchens in den Druſelteich auch an Martha Schuchardt vollziehen zu laſſen. Am Tage der Exekution, der wie immer öffentlich bekanntgemacht worden war, hatte ſich eine große Men⸗ ſchenmenge auf dem Druſelplatze eingefunden. Pünktlich zur beſtimmten Zeit öffnete ſich die Tür des Turmes, und an einem langen, elaſtiſchen Hebebaum hän⸗ gend, wurde ein großer Waſchkorb herausgeſchoben, in wel⸗ chem die Delinquentin auf einem Stuhle angebunden aß ſeinen Türmen in den blauen Aether ragt. Und doch iſt der Aufenthalt in den wieder wohnbar gemachten Räumen recht angenehm und gemütlich. Eine Burg aber ganz nach unſerem Sinne, wie wir ſie uns gern vorſtellen, auf wuch⸗ tigem Felſenklotz hoch über einem ſich toll⸗ kühn überſtürzenden Gebirgsfluſſe, iſt der Runkelſtein bei Bozen Senkrecht ſteigt der Felſen aus dem Wildwaſſer des ungebär⸗ digen Talfer, und der Baumeiſter, des Name wieder einmal unbekannt geblieben iſt, hat anno 1234, geleitet von ausgeſprochenem Schönheitsſinn den ganzen Felſenklotz mit Bauten beſetzt, die insgeſamt ein treffliches, maleriſches Bild bieten Uralte Fresken in den Innenräumen behandeln die ritterliche Triſtanſage, ein Zeichen der Verbundenheit des einſtigen Schloßherrn mit der Weſens⸗ art der deutſchen Burg. So du auf deinem Wege, beſinnlicher Wan⸗ derer, hoch oben, den Wald überragend, ge⸗ borſtene Mauern und wohl einen einſamen Turm ſiehſt, verſäume nicht die Weiheſtunde, die dort oben deiner wartet. Die Steine wollen nicht be⸗ wundert ſein, aber du ſollſt dir von ihnen er⸗ zählen laſſen von dem Geiſte edler Helden, von des deut⸗ ſchen Volkes Vergangenheit, in der die Bur⸗ gen und die Ritter, die ge⸗ lehrten Mönche und Minneſän⸗ ger des deut⸗ ſchen Volkes Kultur geſtal⸗ ten halfen. — k— Burghof Zwingenberg am Neckar. Drafſtiſches Erziehungsmittel für Frauen Bei dieſem Anblick brach das verſammelte Publikum in laute Jubelrufe aus, und es rief unausgeſetzt wie aus einer Kehle: „Tauch unter, Marthchen, tauch unter!“ Hierauf antwortete Martha Schuchardt mit einer Flut von Schimpfworten, verſchwand jedoch plötzlich unter der Oberfläche des Druſelteiches. Puſtend und ſchnaubend tauchte ſie wieder empor und begann, nachdem ſie den nötigen Atem geſchöpft hatte, von neuem, ihrem Ingrimm Luft zu machen. Und abermals rief das Publikum:„Tauch unter, Marthchen, tauch unter!“ Noch einmal wiederholte ſich das Schauſpiel. Dann aber war Marthchens Streitluſt überwunden, und de⸗ mütig bat ſie um Gnade und Schonung, die ihr auch ge⸗ währt wurde. Allerdings mußte ſie vorher feierlichſt Beſ⸗ lerung geloben. die auf dieſe Weiſe Bekehrte ſoll danach auch ganz verträglich geworden ſein. Ob aus Einſicht oder Vorſicht, wird jedoch in der Chronik nicht vermerkt. Als Landgraf Friedrich II. die Feſtungswerke von Kaſſel. die im Siebenjährigen Krieg bekanntlich noch zwei Belagerungen ausgehalten hatten, ſchleifen ließ, befahl er, den Druſelturm ſtehenzulaſſen, und mit ihm iſt auch die Erinnerung an einen Fall volkstümlicher Strafjuſtiz auf die Nachwelt übergegangen. Der ſog. humane“ Strafvollzug kennt dieſe Erziehungsmittel nicht mehr. Immerhin fragt ſich, ob nicht ähnliche Strafen— es braucht im Falle zank⸗ ſüchtiger Frauen(übrigens ſoll es auch zankſüchtige und ſtreitluſtige Männer geben) nicht gerade das Druſeln zu ſein auch den modernen Menſchen wirkſamer beſſern und vor allem ſeine Mitmenſchen ſchützen, als die heute üblichen Strafen, die eigentlich nur drei Formen kennen: Geldſtrafe, Freiheitsſtrafe und Todesſtrafe. Das Volkstümliche iſt auch aus der Juſtiz verſchwunden; vielleicht zum Schaden der Geſamtheit.