1 4 1 1 Free ö Nr. 86 Reckar⸗Bote(Z. Blatt) Dienstag, 12. April 1938 8 9 Geeinigtl Die Welt ſteht unter dem Eindruck der deutſchen Volksabſtimmung vom Sonntag, 10. April. Für uns in Deutſchland bedeutete das Ergebnis zwar kei⸗ nerlei Ueberraſchung, denn wir wußten, daß das deutſche Volk einmütig hinter ſeinem Führer ſteht. Wußten auch, daß die Rückführung Oeſterreichs ins Reich überall lebhafte, ja begeiſterte Freude hervorgerufen hat und daß deshalb alle deutſchen Menſchen die Frage des Führers, ob ſie die Wiedervereinigung Oeſterreichs mit dem Reiche billigen, mit „Ja“ beantworten würden. Wenn ſich alſo das deutſche Volk bei einer Wahlbeteiligung wie noch nie und mit einer Mehrheit, die man Einſtimmigkeit nennen kann, zum Füh⸗ rer und zu ſeiner Politik bekannt hat, ſo entſprach das den Erwartungen, die der Kenner der Volksſtimmung ſchon im Anfang hatte und die ſich im Verlauf der Abſtimmungs⸗ propaganda immer mehr verſtärkte. Deutſch⸗Oeſterreich allerdings hat mit dem Er⸗ gebnis ſeiner Abſtimmung alle Erwartungen übertroffen. 99.75 Prozent der Abſtimmenden haben„Ja“ geſagt, haben ſich zu Deutſchland, zum Dritten Reich und zum Führer be⸗ kannt. Dieſes Abſtimmungsreſultat iſt ſo überwältigend, daß davor alles verſtummen muß, was gegenüber der urdeutſchen Geſinnung der Menſchen in Deutſch⸗Oeſterreich irgendwelche Vorbehalte zu machen verſuchte. Das gran⸗ dioſe Bekenntnis zu Großdeutſchland im neuen Reichsgebiet Oeſterreichs iſt nicht nur ein glänzender Sieg des National⸗ ſozialismus und des Führers, ſondern iſt auch zugleich eine vernichtende Niederlage jener Zwangspolitik, die ſich an den Namen Verſailles knüpft. Und iſt ſchließlich auch eine Niederlage des unglückſeligen Syſtems Schuſchnigg, das da glaubte, durch allerlei Winkelzüge den natürlichen Lauf der Entwicklung aufhalten zu können Es iſt ſo, wie Gauleiter Bürckel am Abend der Wahl in ſeiner Meldung an den Führer ſagte das Blut hat ſich als ein ſtärkerer Regent er⸗ wieſen, als es alle Regenten ſind, die außerhalb eines Vol⸗ kes ſtehen! In der Tat; von dem Augenblick an, da der un⸗ glückliche Ausgang des Weltkriegs die öſterreich⸗unggriſche Monarchie zerkrümmert hat, gehörte Deutſch⸗Oeſterreſh don Gottes- und Rechtswegen zum Deutſchen Reiche. Alle Be⸗ mühungen, den Anſchluß zu verhindern, konnten daher zwar vorübergehend, nicht aber auf die Dauer von Erfolg ſein. Die deutſchen Menſchen in dem deutſchen Lande Oeſter⸗ reich haben daher ihre Vereinigung mit dem Reich wie eine Erlöſung empfunden und haben die erſte Gelegenheit, die ſich ihnen bot, um dieſe ihre Meinung frei und unbeeinflußt kundzutun, mit Freude und mit Stolz ergriffen. Klar und eindeutig iſt ihr Votum ausgefallen: Oeſterreich gehört zum Deutſchen Reiche fetzt und immerdar! Es gibt keine„Oeſter⸗ reichiſche Frage“ mehr und es braucht ſich kein ausländiſcher Politiker den Kopf mehr darüber zu zerbrechen. Es braucht auch keiner mehr darüber nachzuſinnen, wie man Oeſter⸗ reich wirtſchaftlich helfen kann, oder wie man den„Donau⸗ raum“ wirtſchaftlich aufteilen und ſanieren ſoll. Alle dieſe Probleme exiſtieren heute nicht mehr: als Beſtandteil des Dritten Reiches geht Oeſterreich einer ſchönen Zukunft ent⸗ gegen, wie ſie ihm keine der künſtlichen Konſtruktionen, über die man in Paris und in Genf und ſonſtwo debattierte, hätte bieten können. Ungeheuer eindrucksvoll iſt aber auch das Wahlergebnis im alten Teil des Reiches. Es hat zwar, wie bereits er⸗ wähnt, keine Ueberraſchung mehr bringen können, trotzdem aber iſt man geradezu überwältigt von den Zahlen: 49¼ Millionen Deutſche waren ſtimmberechtigt, 49,3 Millionen — das ſind 99.57 Prozent— haben abgeſtimmt, 48,7 Mil⸗ lionen Stimmen lauteten auf„Ja“ und damit auch für die Reichstagsliſte des Führers. Wir wüßten nicht, wo jemals in der Welt ein ſolches Abſtimmungsergebnis erzielt wor⸗ den wäre. Ja, man kann ſagen, daß es nirgends in der Welt— vor allem aber nicht in den ſogenannten„Demo⸗ kratien“— überhaupt erzielt werden könnte! Der erſte Großdeutſche Reichstag, der durch die Wahl vom Sonntag berufen wurde,— er wird 813 Mitglieder haben — iſt in Wirklichkeit eine Verkörperung des Volkswillens, wie ſie ſonſt kein anderes Parlament darſtellt. . Es braucht nicht zu verwundern, daß die Wahl in aller Welt das höchſte Intereſſe beanſprucht und überall lebhaft kommentiert wird. Auch ausländiſche Politiker, die dem neuen Deutſchland keineswegs freundlich gegenüberſtehen, können ſich dem ungeheuren Eindruck des Wahlergebniſſes nicht entziehen. Ueberall merkt man, daß der 10. April ein weiterer geſchichtlich denkwürdiger Markſtein in der Ent⸗ wicklung des Dritten Reiches ſein wird: die deutſchen Men⸗ ſchen in Oeſterreich haben ſich einmütig zum Reithe be⸗ kannt, und die Deutſchen im alten Reich haben die Brüder und Schweſtern aus Oeſterreich herzlich willkommen gehei⸗ ßen. Für alle gilt es jetzt, auch weiterhin zuſammenzuſtehen, um in treuer Gefolgſchaft zum Führer ein Großdeutſchland auszubauen, das allen Stürmen, an denen es ja nicht feh⸗ len wird, Trotz zu bieten vermag. Dankgottesdienſt und Glockengeläut Anweiſung für die evangeliſchen Kirchen. Der Leiter der Deutſchen Evangeliſchen Kirchenkanzlei und Peäſident des Oberkirchenrates, Dr. Werner, fordert die deutſchen evangeliſchen Landeskirchen auf, aus Anlaß des überwältigenden Abſtimmungsergebniſſes in allen deut⸗ ſchen evangeliſchen Kirchen am Montag, dem 11. April, von 20 bis 20.15 Uhr die Glocken läuten und am Dienstag, dem 12. April, feierliche Dankgottesdienſte abhalten zu laſſen. Für die Evangeliſche Kirche der Altpreußiſchen Union iſt bereits eine entſprechende Anweiſung ergangen. Dienſtruhe für das NSR Bis zum 29. April. Berlin, 12. April. Korpsführer Hühnlein hat laut NSA nachſtehenden Tagesbefehl erlaſſen: „NSKK⸗Männer! Nun haben die Herzen geſprochen, und Glocken und Fahnen künden landauf, landab den ein⸗ zigartigen Sieg. Nach wochenlangem raſtloſen Einſatz ſoll für Euch jetz eine Zeit der wohlverdienten Ruhe folgen und der allge⸗ meine Dienſt des Korps bis zum 29. April ruhen. Empfindeſ das unendliche Glück dieſer Tage und genießt es mit freu⸗ digem Stolz. Adolf Hitler, unſer Führer, Sieg⸗Heil!“ Dank an die Propagandiſten Ein Aufruf von Dr. Goebbels Berlin, 11. April. Reichsminiſter Dr. Goebbels hat an alle Mitarbeiter bei der Vorbereitung und Durchführung zur Volksabſtimmung am 10. April 1938 folgenden Aufruf erlaſſen: „Angeſichts des überwältigenden Treuebekenntniſſes, das das deutſche Volk in ſeiner Geſamtheit am 10. April zum Führer, zu ſeinem Werk und insbeſondere zur Wiederver- einigung Deutſch⸗Oeſterreichs mit dem Reich abgelegt hat, iſt es mir ein Herzensbedürfnis, allen denen, die an der Vorbereitung und Durchführung dieſer grandioſen nationa⸗ len Abſtimmung mitgewirkt haben, meinen aufrichtigen Dank und meine beſondere Anerkennung zum Ausdruck zu bringen. Ich denke dabei vor allem an die ungezählten Organi⸗ ſatoren und Propagandiſten dieſer Volksabſtimmung. an die zahlloſen Redner die drei Wochen lang landauf landab den Willen des Führers der Nation verkündeten Ich denke dabei an die politiſchen Soldaten der Partei und ihrer Kampfgliederungen an alle im Wahlkampf tätig geweſenen Frauen, an die Männer der Preſſe, des Rundfunks und des Films, die ſich in ſelbſtloſeſter und uneigennützigſter Weiſe für die große Aufgabe dieſes einzigartigen Wahlganges ein⸗ geſetzt haben. Uns allen bereitet es eine kiefe Genugtuung, auch bei dieſem Bolksvotum, dem wir mit unſeren Kräflen gedient haben, die kreuen und geſchloſſenen Gefolgsleute des Füh⸗ rers geweſen zu ſein. Wenn nun das deutſche Volk in ſeiner Geſamtheit und darüber hinaus die ganze Welt die impo⸗ nierenden Ereigniſſe dieſes Wahlganges mit Freude und Begeiſterung oder doch wenigſtens mil Achtung, Reſpekt und Bewunderung zur Kenntnis genommen hat, dann wollen wir alle kiefbeglückt ſein in dem Bewußtſein, unſere Pflicht getan und im Dienſte der Nation eine große hiſtoriſche Auf⸗ gabe erfüllt zu haben. Der Führer hat den beiden nächſten Mitarbeitern von Reichsminiſter Dr Goebbels bei der Durchführung der Volksabſtimmung, dem Stabsleiter der Reichspropagända⸗ leitung Hauptamtsleiter Hugo Fiſcher und Miniſte⸗ rialrak Gutterer, ſowie dem Kommandanten des Reichsautozuges Deutſchland, SA⸗Brigadeführer Schäfer, als Ausdruck ſeines Dankes ſein Bild mit Widmung über⸗ reichen laſſen. Dank für vorbildlichen Einſatz der Preſſe Reichspreſſechef Dr. Dietrich ergriff Montag mittag vor Vertretern der Preſſe das Wort, um im Namen des Füh⸗ rers ſowie des RKeichsminiſters für Volksaufklärung und Propaganda der deutſchen Preſſe für ihren vorbildlichen Einſatz beim Wahlkampf zu danken. Er führte u. a aus: Das deutſche Volk hatte einen der größten Tage ſeiner Geſchichte. Ich möchte hier als Preſſe⸗ chef der Reichsregierung vor der Vertretung der deutſchen Preſſe zum Ausdruck bringen, daß die deutſche Preſſe an dieſem großen Abſtimmungserfolg nicht unbeteiligt iſt. Wie immer im nationalſozialiſtiſchen Deutſchland, ſo hat auch diesmal die deutſche Preſſe mit an der Spitze und in vor⸗ derſter Front des Aufklärungsfeldzuges geſtanden. Ich bin glücklich, feſtſtellen zu können, daß die deutſche Preſſe ſich an dieſem gewaltigen Aufklärungsfeldzug an ſo hervorragendem Maße beteiligt hat. Sie alle haben Ihr Beſtes getan, ſei es nun als Berichterſtatter auf Rei⸗ ſen, auf dem Lande oder in großen Städten, ſei es als Schriftleiter am Redaktionstiſch, ſei es als Setzer oder Drucker unſerer gewaltigen Millionenauflagen, die von Hamburg bis nach Wien, Klagenfurt und Graz, von Kö⸗ nigsberg bis nach Aachen in das deutſche Volk hineinge⸗ tragen worden ſind. Ich freue mich, der deutſchen Preſſe 15 e Anerkennung zum Ausdruck bringen zu dür⸗ en. Amtsdauer der Vertrauensräte verlängert Berlin. 11. April. Durch Geſetz vom 1. April 1938 (RGBl. 1. S. 358) iſt die Amtsdauer der Vertrauensräte erneut— bis auf weiteres— verlängert worden. Ausländiſche Landarbeiter Was zu beachten iſt— Keine ſelbſtändige Anwerbung Der in allen Bezirken Deutſchlands herrſchende Mangel an landwirtſchaftlichen Arbeitskräften Berni für das Jahr 1938 zu einer ſtraffen Organiſation der Vermittlung, um eine ge⸗ rechte Verteilung der landwirtſchaftlichen Arbeiter aus dem Ausland zu erreichen. Es wird das Möglichſte getan werden, um jedem Betrieb die notwendigen Kräfte zu ſtellen. Es muß aber auch erwartet werden, daß ſich die Bauern und Landwirte jeder Sondermaßnahme een und ſich vor allem nicht mit ausländiſchen Arbeitskräften unmittelbar in Verbindung ſetzen. Alle, auch die namentlichen Anfor⸗ derungen ausländiſcher Arbeitskräfte ſind ausſchließ⸗ lich an das zuſtändige Arbeitsamt zu richten. Nur wenn einheitlich gehandelt wird, kann eine den Be⸗ dürfniſſen der Landwirtſchaft gerecht werdende Regelung des Einſatzes der zur Verfügung ſtehenden Kräfte getbährleiſtet werden. Es wird ausdrücklich darauf hingewieſen, daß nach der Anordnung über die Regelung des Arbeitseinſatzes land⸗ wirtſchaftlicher Wanderarbejſter vom 30. Dezember 1935 jede ſelbſtändige Anwerbung und Einſtellung landwirtſchaftlicher Wanderarbeiter und nach§ 24 der Ver⸗ ordnung über ausländiſche Arbeitnehmer vom 23. Januar 1933 in Verbindung mit 8s 67 und 258 des Geſetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitsloſenverſicherung jede ſelb⸗ ſtändige Anwerbung und Vermittlung ausländiſcher Arbei⸗ ter für die Landwirtſchaft bei Geld⸗ oder Gefängnisſtrafe verboten iſt. Im Hinblick auf die Notwendigkeit der ſcharfen Durch⸗ führung der Vermittlung und Zulaſſung ausländiſcher Landarbeiter müſſen in dieſem Jahre Verſtöße gegen die angeführten Vorſchriften verfolgt werden. Gleichzeitig wird darauf hingewieſen daß Lohnaus⸗ zahlungen an ausländiſche landwirtſchaftliche Wander⸗ und Dauerarbeiter durch den Betriebsführer erſt erfolgen dürfen, wenn die Genehmigung der zuſtändigen Deviſenſtelle vorliegt. Ebenſo können Lohnüber⸗ ſchüſſſe von ausländiſchen Landarbeitern nur mit Geneh⸗ migung der Deviſenſtelle ins Aus land über wie ſe n werden. Ausländiſche landwirtſchaftliche Arbeiter, die nicht durch das Arbeitsamt vermittelt wurden, erhalten in der Regel keine Genehmigung der Deviſenſtelle. Einheit des Rechtsverkehrs Erlaß des Keichsjuſtizminiſters. Reichsjuſtizminiſter Dr. Gürtner hat an die Juſtizbehör⸗ den folgenden Erlaß über die Einheit des Rechtsverkehrs im Großdeutſchen Reich herausgegeben: „Die Grenzpfähle zwiſchen dem Reich und OHeſterreich ſind gefallen. Im ganzen Reich gibt es nur noch deutſche Gerichte, die im Namen des deutſchen Volkes Recht ſpre⸗ chen. Dieſe Tatſache müſſen die Juſtizbehörden und alle Rechtswahrer, auch ſolange Geſetzesrecht und Geſetzesorga⸗ niſation noch nicht vereinheitlicht ſind. überall zum Aus⸗ gangspunkt und zur Richtlinie ihres Handelns nehmen. Insbeſondere ſind die Schranken, die bisher dem unmittel⸗ baren Verkehr aller Juſtizbehörden untereinander und dem Verkehr der Juſtizbehörden mit dem Rechtsſuchenden ent⸗ gegenſtanden, beſeitigt. Schwierigkeiten, die ſich gegenwärtig noch aus der Verſchiedenheit der geltenden Vorſchriften und behördlichen Einrichtungen ergeben müſſen überwunden werden. Dabei werden insbeſondere die Beſtimmungen der bisherigen deutſch-öſterreichiſchen Rechtsverträge den Weg weiſen. Ich erwarte, daß alle Juſtizbehörden und Rechtswahrer ſich ihrer hohen Aufgabe bewußt ſind und zu ihrem Teil mit⸗ helfen, den nunmehr vollendeten Zuſammenſchluß auch auf dem Gebiet der Rechtspflege innerlich zu verwirklichen.“ Ar beitseinſatz ſtürmiſch belebt Medrigſter Stand an Arbeitsloſen. Der Monat März war in dieſem Jahr in Südweſtdeutſch⸗ land durch eine geradezu ſtürmiſche Belebung des Arbeitsein⸗ ſatzes gekennzeichnel. Im ganzen weiſt die Statiſtik eine Abnahme der Arbeitsfoſenzahl um 20712 Perſonen auf. Der bisher niedrigſte Stand an Arbeitsloſen, der Ende September vorigen Jahres 20 402 betragen hatte, war Ende März um 1401 unterſchritten. 5 Die Gefamtzahl der Arbeitsloſen, die bei den Arbeits⸗ ämtern in Württemberg und Baden vorgemerkt waren, belief ſich Ende März auf 19001 Perſonen(14051 Männer und 4950 Frauen). Auf Württemberg und Hohenzollern kamen 2536 Arbeitsloſe(1938 Männer und 698 Frauen) und auf Baden 16 465 Arbeitsloſe(12 213 Männer und 4252 Frauen). Die Zahl der unterſtützten Arbeitsloſen wies im März eine Abnahme um 14 331 Haupt⸗ unterſtützungsempfänger auf. Der Stand an Unterſtützten der Reichsanſtalt war Ende März in Mürttemberg und Hohen⸗ zollern 1117, in Baden 10 323. Sofort nach ſeinem Eintreffen in der Reichs hauptſtadt gi ö cuküteh te, lein Stimme im ahl al des 2 bt der nhalter Jahn der aus Wien ahnhofs ab. — Kardinal Erzbiſchof Dr. Innitzer Wie im Wahllokal in der Stubenbaſtei im 1. Bezirk in ien ſeine Sinti ab. 88 4115 Vor mehr als 300 Jahren wurde in London die Oſtindiſche Geſellſchaft gegründet, die unter dem Namen der Oſtindiſchen Compagnie, zunächſt gegen den Willen des Staates, Indien unter britiſche Botmäüßigkeit ge⸗ bracht hat. Eine Königin, Eliſabeth, gewährte der Ge⸗ ſellſchaft den Freibrief zur wirtſchaftlichen Ausbeutung des ſagenhaften Landes im Oſten, und eine andere Königin, Viktoria, unterzeichnete mehr als 200 Jahre ſpäter jenes Dokument, das die Könige Großbritanniens zu Kaiſern von Indien erhob. Zwiſchen der erſten Aus⸗ Eine Handelsgeſellfchaft kwird gegründel „Warum ſollten wir nicht können“, polterte Kapitän James Lancaſter los,„was die Portugieſen ſeit faſt einem Jahrhundert fertigbekommen, was die Niederländer ſeit einigen Jahren treiben! Das ſollte, bei Gott, doch wohl auch den Engländern möglich ſein. Reichtümer gibt es in Indien genug, und wir ſollten nicht nötig haben, den Niederländern jedes Pfefferkorn mit gutem engliſchem Gold aufzuwiegen!“ Mit dieſen Worten machte Kapitän Lancaſter ſeinem Herzen Luft in einer Verſammlung von reichen Kauf⸗ herren, die an dieſem naßkalten Herbſttage des Jahres 1599 in der Ratsſtube der Londoner Kaufmannſchaft zu⸗ ſammengekommen waren. Sie waren mit gewichtigen und geheimnisvollen Geſichtern und Bewegungen gekommen. Es ging um den Plan eines großen Geſchäftes, das ſie in aller Stille ſtarten wollten. Es ging um nichts Gerin⸗ geres als um die Errichtung einer Geſellſchaft, die den Handel mit Oſtindien aufnehmen und fördern ſollte. Von den behäbigen Geſtalten der Kaufherren unter⸗ ſchied ſich die ſtattliche Figur Lancaſters weſentlich. Aus ſeinen ſcharfen Augen leuchtete unternehmungsfreudige Abenteuerluſt, und ſeine Geſichtszüge zeigten Entſchloſ⸗ ſenheit ebenſo wie die Runen überwundener Not und be⸗ ſtandener Gefahren. Lancaſter war ein berühmter Seemann. Er hatte den unglücklichen Freibeuterzug unter Georg Raymond vor einigen Jahren mitgemacht, denkwürdig als die erſte direkte Fahrt der Engländer um das Kap. Nach einer Abweſenheit von drei Jahren war er glücklich in die Hei⸗ mat zurückgekehrt und hatte aus eigener Anſchauung vor⸗ zügliche Kenntniſſe der indiſchen Gewäſſer und Küſten mitgebracht. Ein gutes Geſchäft in Ausſicht Von ihm wollten die Kaufherren nun wiſſen, ob es möglich ſei, von England aus einen häufigen Schiffs⸗ verkehr nach Indien einzurichten, und wie lange wohl eine jede Reiſe dauern würde. „Wenn wir Glück haben mit den Winden“, meinte der erfahrene Seemann,„werden wir für eine Fahrt und die Rückkehr etwa 22 bis 26 Monate gebrauchen. Es können aber auch ebenſogut 32 bis 36 Monate werden.“ Man begann zu rechnen; einer der Bürger gab ſeine Erfahrungen bekannt, die er als Anteilseigner der ſeit einigen Jahren im Betrieb befindlichen Türkiſchen Geſell⸗ ſchaft gemacht hatte.„Dieſe Geſellſchaft hat das Monopol der Portugieſen gebrochen. Sie bringt die Erzeugniſſe Griechenlands und der Levante, die Waren Perſiens und Indiens, die köſtlichen Gewürze, zu viel niedrigeren Prei⸗ 16 als je zuvor in England auf den Markt und macht abei noch rieſige Gewinne. Schon in den erſten Jahren iſt unſer Gewinn—“ hier glitt ein zufriedenes Schmun⸗ zeln über ſeine feiſten Züge—„auf das Doppelte unſe⸗ ves Kapitals angeſtiegen.“ „Und das will noch nichts ſagen gegenüber den Ge— winnen der Oſtindiſchen Compagnie, die die Holländer vor fünf Jahren gegründet haben“, warf ein anderer mit . Blick und von der Erregung des Projekte⸗ machens gerötetem Kopf ein.„Bereits vor zwei Jahren konnten ſie 75 Prozent Dividende verteilen, und im ver⸗ gangenen Jahre waren es ſogar 425 Prozent, wirklich 425 Prozent!“ wiederholte er mit begehrlichem Nachdruck. „Solche Gewinne können die niederländiſchen Pfeffer⸗ ſäcke auch nur machen“, empörte ſich mit fiſtelnder Stimme ein Mann, dem man den Puritaner auf den erſten Blick anſah,„weil ſie die Preiſe künſtlich hochhalten. Zu dieſem Zweck haben ſie erſt vor kurzem wieder im Hafen von Amſterdam zwei Schiffe mit Pfeffer verſenkt, ſo daß von der Schärfe des Gewürzes ein großes Fiſchſterben aus⸗ brach und die Fiſcher bittere Klagen erhoben!“ Man redete noch lange hin und her und kam dann überein, bei der Regierung die Erlaubnis für die Grün⸗ dung einer Oſtindiſchen Compagnie einzuholen. Um der Sache gleich Nachdruck zu verleihen, gab man eine Liſte in Umlauf, in die jeder ſeinen Anteil an der Compagnie einzeichnete. In verſchiedenen Teilen von 100 bis zu 3000 Pfund Sterling kamen genau 30 123 Pfund Sterling und 6 Schilling zuſammen. Königin Eliſabeth empfiehlt einen Günſtling Alsbald wurde die Eingabe an die Regierung, den Geheimen Rat, gemacht. Die Königin Eliſabeth möge ihnen als einer Geſellſchaft, welche ihre Unternehmung auf gemeinſchaftlichen Schaden und Gewinn betreibt, einen Freibrief mit den gewöhnlichen Sonderrechten erteilen. Unter anderen Gnaden wünſchte die Geſellſchaft, welche bereits einen Ausſchuß von 15 Direktoren gewählt hatte, vollkommene Befreiung von den gewöhnlichen Zöllen für ſechs Reiſen, ſowohl von der Einfuhr wie von der Aus⸗ fuhr, wobei darauf verwieſen wird, daß die Holländer bal ihrer Regierung die gleichen Vorrechte erhalten ätten. Wie alle Eingaben an Behörden— das war auch ſchon damals ſo— braucht die Erledigung ihre Zeit. Der Geheime Rat iſt zwar ebenſo für das Unternehmen wie Eliſabeth, die„jungfräuliche“ Königin. Aber da ſind poli⸗ tiſche Gründe: England ſteht gerade mit Spanien, das damals auch über Portugal gebot, deſſen Monopol der fahrt der Schiffe der Oſtindiſchen Compagnie und der Erhebung Indiens zum Kaiſerreich mit dem britiſchen König als Oberhaupt liegt die Tragödie eines Volkes und eines Landes, das ſich gegen die Eroberer wehrte und ſchließlich doch unterlag. Beſtechungen, Intrigen, Skandale, inſzenierte Aufſtände und verzweifeltes Auf⸗ bäumen der Opfer füllten die zwei Jahrhunderte aus, und ein zähes, zielbewußtes Kämpfen um Einfluß und Macht war die Antwort. Von der Eroberung Indiens durch England erzählt unſere Artikelreihe. Handel mit Indien bisher war, in günſtigen Friedens⸗ verhandlungen, die man durch die Gründung der Geſell⸗ ſchaft zu gefährden fürchtet. Dieſe Gründe der Zurück⸗ haltung teilt die Königin den Vorſitzenden der„Unter⸗ nehmer zur Entdeckung des oſtindiſchen Handels“, wie ſich die Geſellſchaft vorläufig nennt, mit. Aber die Vorſitzen⸗ den ſind auf dieſen Einwand ſchon gerüſtet. „Um Eurer Majeſtät das Grundloſe ſolcher Beſorg— niſſe nachzuweiſen“, erwidert ihr Sprecher kniend,„haben wir dieſe Karte mitgebracht, worin alle Länder, Inſeln und Häfen an den afrikaniſchen Küſten und im Perſiſchen Meerbuſen, in Vorder⸗ und Hinterindien, in China und den Inſeln des öſtlichen Archipelagus eingezeichnet ſind, auf die Spanier und Portugieſen auch nicht den entfern⸗ teſten Anſpruch haben.“ Die Königin betrachtete intereſſiert die Karte ſo fer⸗ ner, märchenhaft ungewiſſer Länder „Man wird die Angaben prüfen, und wenn ſie ſtim⸗ men— dann werden die Herren bald die erſte Fahrt vor⸗ bereiten können.“ Die Vorſteher waren von dieſen Worten der Königin beglückt. Sie glaubten ſich entlaſſen, aber die Königin Gehalt. Nußſchalen waren es, ſo will uns ſcheinen, die da auf die lange, beſchwerliche Reiſe gingen um drei Erd⸗ teile herum und über zwei Weltmeere. Sie wurden jetzt vollgeſtopft mit Waffen und Muni⸗ tion und Proviant— Salßzfleiſch, Schiffszwieback, Käſe und vor allen Dingen Waſſer— für die 500 Köpfe zäh⸗ lende Beſatzung. Dann wurden, ſoweit es der Raum irgend noch zuläßt, Tauſchwaren mitgenommen. Es muß⸗ ten ſchon Waren von Wert und Qualität ſein, denn mit Glasperlen und ähnlichem Tand, mit denen man den Negern Afrikas oder den Wilden Südamerikas ihre Wa⸗ ren entlocken konnte, war in den öſtlichen Ländern nichts auszurichten. So lud man gutes Leinen in Ballen, Stahlwaren, auch Waffen für die Fürſten, mit denen man Handels⸗ verträge abſchließen wollte, wertvolle Geſchenke. Die Kaufleute ſchließlich, die an Bord der Schiffe mitfuhren, führten eine ſtattliche Summe baren Geldes mit ſich. Der Admiral aber nahm, wohlverwahrt, Briefe der Königin mit, die ihn bei den fremden Fürſten Indiens einführen ſollten. Als die Schiffe in See ſtachen, ſtand halb London an den Ufern der Themſe und winkte den mutigen Männern zu, ihnen Glück wünſchend für ihr gefahrvolles Unter⸗ nehmen. Die RNeiſe nach dem Fernen Oſten Lancaſter lernte die Gefahren der Reiſe wieder ken⸗ nen. Zwanzig Tage lang wurden ſie am Kap der Guten Hoffnung durch einen furchtbaren Sturm hin und her⸗ geworfen. Die Beſatzung litt ſchwer unter Skorbut, her⸗ vorgerufen durch den Mangel an friſchen Lebensmitteln Seeſchlacht zwiſchen der ſpa⸗ niſchen und engliſchen Flotte im Jahre 1591. Mit der Vernichtung der ſpa⸗ niſchen Flotte war der eng⸗ liſch⸗holländiſche Krieg zu⸗ ungunſten Spaniens ent⸗ ſchieden. Jetzt begannen Eng⸗ länder und Holländer, in die Stellung Spaniens als Ko⸗ lonialmacht einzubrechen. Die Holländer fanden den Weg nach Oſtindien und gründe⸗ ten die holländiſche Oſtin⸗ diſche Geſellſchaft, während ſich die Engländer ebenfalls in Indien feſtſetzten. Im Laufe von zwanzig Jahren waren die wertvollſten Kolo⸗ nien in Indien, auf Ceylon und längs der chineſiſchen Küſte den Spaniern und teils auch den Portugieſen ge⸗ nommen. Aufnahme: Scherl⸗Bilder⸗ dienſt— M. hatte noch einen Wunſch: daß ein gewiſſer Sir Eduard Michelborne bei der erſten Reiſe verwendet werden möchte. Die Vorſteher waren erſtaunt. Noch waren ſie die Bittenden um eine Genehmigung und eine Gunſt, und ſchon ſollten ſie— ſpäter war es jahrzehntelang eine Gewohnheit!— einen Günſtling an ihren Geſchäften teil⸗ nehmen laſſen. Langſam hob der Sprecher an: „Majeſtät mögen es uns verzeihen, aber wir ſind nicht geſonnen, jemals einem Edelmann ein Amt zu über⸗ tragen. Man möge es uns geſtatten, die Geſchäfte von Leuten unſeres Standes vornehmen zu laſſen.“ Englands ſtolze Königin hatte Verſtändnis für die ſtolze Antwort der Kaufherren. Sie wußte aber auch, daß die Ablehnung noch einen anderen, tieferen Grund hatte: den Gegenſatz zwiſchen den Kaufleuten und den Edel! leuten. Schließlich wurde der Freibrief der Londoner Oſt⸗ indiſchen Geſellſchaft erteilt. Am letzten Tage des Jah⸗ res 1600 ſetzte Königin Eliſabeth ihren Namen unter das Dokument. Grundlage zu Englands Weltgeltung Jeder der Beteiligten wußte, daß mit dieſer Unter⸗ ſchrift ein großes Werk begonnen werden ſollte— aber keiner ahnte oder konnte auch nur die Vorſtellung haben, daß mit dieſem Freibrief die Grundlage zum Reichtum und zur Weltgeltung Englands gelegt war. Gut 250 Jahre ſpäter ſollte dann dieſes Dokument ausgewechſelt werden gegen ein anderes, das wiederum den Namenszug einer königlichen Frau trug, der Königin Viktoria, und das den Beſitz der ſoeben gegründeten Oſtindiſchen Com⸗ pagnie in die Macht und das Eigentum der Krone über⸗ führte. In dem Freibrief aber erhob Königin Eliſabeth zur Ehre der Nation, zur Bereicherung des Volkes, zur Ermunterung ihrer unternehmenden Untertanen wie zur Vermehrung der Schiffahrt und des geſetzlichen Handels“ die Antragſteller zu einer Handelsinnung unter dem Namen„Der Gouverneur und die Londoner Kaufleute, welche den Handel nach Indien betreiben“. Der Geſellſchaft und ihren Angehörigen wurde auf 15 Jahre in allen Ländern, nicht im Beſitze chriſtlicher Fürſten, öſtlich des Kaps der Guten Hoffnung bis zur Magelhaes⸗Straße ein Handelsmonopol gewährt. Alle anderen Untertanen der Königin waren vom Verkehr in jenen Gegenden ausgeſchloſſen, wenn ſie nicht ausdrück⸗ lich von der Compagnie hierzu bevollmächtigt wurden. Die Innung konnte Länder und anderes Beſitztum er⸗ werben. Die Vorbereitungen für die erſte Unternehmung der Geſellſchaft wurden ſofort in Angriff genommen. James Lancaſter wurde als Admiral an die Spitze von fünf Schiffen geſtellt. Alle zuſammen hatten ſie 1500 Tonnen und verſchlimmert durch das ſchlecht gewordene Waſſer. Ein Viertel der Beſatzung erlag dem Skorbut und den Unglücksfällen der Reiſe, auch die übrigen waren faſt alle mehr oder minder ſchwer erkrankt, als endlich nach vier⸗ zehnmonatiger Fahrt Atſchin, eine große Stadt auf der äußerſten Spitze von Sumatra, erreicht war. Während die Anker fielen, löſten ſich Freudenſchüſſe auf den Schiffen, und alle waren von einem unausſprech⸗ lichen Jubel hingeriſſen. Alle Leiden der langen Reiſe, die vierzehn Monate zwiſchen Himmel und Waſſer, Tag und Nacht keine Freude, nicht viel zu eſſen und wenig zu trin⸗ ken, teils große Kälte, aber noch mehr Leiden durch große Hitze— all dies war jetzt vergeſſen. Selbſt die Kranken wurden vor Freude bald geſund, und die noch nicht gehen konnten, krochen wenigſtens an Deck, um einen Blick au; das langerſehnte Ziel zu werfen. Am dritten Tage wurde dem Admiral von dem Lan⸗ desfürſten Aladin geſtattet, an Land zu gehen. Aladin war ein tapferer, aber äußerſt grauſamer Mann, der ſich durch Mord und Verrat zum Herrn auf⸗ geſchwungen hatte. Vor kurzem erſt hatte er einen Por⸗ tugieſen, der ohne ſeine Erlaubnis an Land gekommen war, vor die Elefanten werfen laſſen. Auch in der Rats⸗ ſitzung, in der der Fürſt den Admiral empfing, war es zu einem Zwiſchenfall gekommen. Während man auf die Engländer wartete, hatte es angefangen zu regnen. Einer der Großen des Fürſten ſaß unter der Dachrinne und rückte nun mehr unter das Dach, wodurch er dem Fürſten näher kam. Dieſer geriet darüber in große Wut und ließ ihn auf der Stelle entmannen, damit er, wie der Fürft ſagte, ein andermal ſtilleſitzen und ſich nicht größer machen möge als der Fürſt. N Solcher Art war Aladin. Und von der gleichen oder ähnlichen Art waren all die anderen großen und kleinen Fürſten Indiens und der indiſchen Inſeln. Die Bevöl⸗ kerung dieſer Gebiete kannte keine andere Regierungs⸗ methode als die des grauſamſten Deſpotismus. Sie pries ſchon diejenigen Fürſten als milde, die von der durch⸗ ſchnittlich gewohnten Grauſamkeit und Willkür nicht allzu⸗ viel abwichen. Lancaſter, die Kaufleute, die Kapitäne ſeiner Schiffe, die ihn begleiteten, wurden jedoch freundlich aufgenom⸗ men. Der Admiral überreichte das Schreiben ſeiner Köni⸗ gin. Eliſabeth beklagte ſich darin über Spanien und Por⸗ tugal, daß ſie allein die Gebieter Indiens ſein wollten. „Die Portugieſen geben ſich für die Herren Eurer Länder aus; ſie behaupten, die öſtlichen Fürſten und Völker ſeien ihre Untertanen.“ Fürſt Aladin iſt hoch erfreut über die Ankunft eines Volkes, das der entſchiedenſte Feind der ge⸗ fährlichen und verhaßten Portugieſen und Spanier iſt. (Fortſetzung folgt.) .