* Kerr Nr. 196 Neckar ⸗Bote(2. Blatt) Dienstag, 23. Auguſt 1938 47. Deutſcher Wandertag Der Begrüßungsabend in der Stuttgarter Studthalle. — Stuttgart. Fleißige Hände hatten für den Samstag⸗ abend den Rieſenraum der Stuttgarter Stadthalle liebevoll geſchmückt mit Bäumen aus dem Wald, Blumen von den Bergen, den Abzeichen, Wimpeln und Fahnen der Wander⸗ vereine. An der Tafel der Ehrengäſte hatten zwiſchen den Führern der Wandervereine und den Senioren und Pionie⸗ ren des Wanderſports mit dem deutſchen Wanderführer, Miniſterpräſident a. D. Profeſſor Dr. Werner, u. a. Platz genommen: Staatsſekretär Waldmann als Vertreter des Schirmherrn des 47. Deutſchen Wandertags, Gauleiter Reichs⸗ ſtatthalter Murr, Miniſterpräſident, Kultminiſter Profeſſor Mergenthaler, Finanzminiſter Dr. Dehlinger, Kreisleiter Fiſcher, Stadtrat Dr. Locher in Vertretung von Oberbürger⸗ meiſter Dr. Strölin, ſowie zahlreiche weitere Vertreter der Partei, des Staates, der Stadt Stuttgart, der Reichsbahuz, der Poſt⸗ und der Forſtdirektion und des Verkehrsvereins. Unſer mit der ſchwäbiſchen Scholle beſonders eng verbundener Heimatdichter Hans Heinrich Ehrler leitete den Abend ein mit tief empfundenen dichteriſchen Worten über das ſchwäbiſche Bolk, ſeine große Vergangenheit, ſeinen Anteil an der deut⸗ ſchen Geſchichte, ſeine Naturverbundenheit, ſeine Wanderluſt und Heimatliebe. Der Leiter der Ortsgruppe Stuttgart des Schwäbiſchen Albvereins, Bankdirektor Georg Fahrbach, dem die Vorbereitung des Wandertags übertragen war, begrüßte die Ehrengäſte. Er ſprach von den 40er⸗ und den S50Oer⸗Jubi⸗ laren, die ſich durch die regelmäßige Ausübung des Wander⸗ ſports geſund und jung erhalten haben, und er begrüßte dabei beſonders den einzigen noch lebenden Mithegründer des Schwäbiſchen Albvereins, Apotheker Hölzle⸗Kirchheim/ Teck, und den Neſtor der ſchwäbiſchen und wohl der deutſchen Wan⸗ derer überhaupt, den 92jährigen Oberpräzeptor a. D. Lind⸗ maier⸗Stuttgart, der noch heute immer wieder unſere Berge beſteigt. Eine bunte Programmfolge füllte den Reſt des Abends. Volkstänze ſchwäbiſcher Trachtengruppen ernteten großen Beifall, und ſchließlich marſchierte mit Sang und Klang, Inſtrument und Wimpel in ſo übergroßer Zahl der „Nachwuchs“ auf, daß wohl jeder die Ueberzeugung gewin⸗ nen mußte: Die Wanderbewegung hat die weiteſten Teile des Volkes ergriffen, ſie wird weiter lebendig bleiben und weitermarſchieren in die Zukunft hinein. Die Mitgliederverſammlung im Stadtgarten. In der Mitgliederverſammlung am Sonntagvormittag im Stadtgartenſaal, bei der von 58 Verbänden 46 vertre⸗ ten waren, wurde zunächſt das Andenken der ſeit dem letzten Wandertag verſtorbenen Wanderkameraden geehrt. Reichs⸗ wanderführer Profeſſor Werner anerkannte das Entgegen⸗ kommen der Reichsbahndirektion Stuttgart gegenüber den Belangen der deutſchen Wanderbewegung und des Stutt⸗ garter Wandertages. Ein Wunſch der Wanderer an die Reichsbahn bleibe aber noch offen: die Gleichberechtigung in der geſamten Tariffrage. Der beſondere Dank des Reichs⸗ wanderführers galt dem Schwäbiſchen Albverein für die Aus⸗ richtung des Stuttgarter Wandertages. Unter ſtürmiſchem Beifall wurde Profeſſor Werner als deutſcher Wanderführer wiedergewählt. und ihm das Gelöbnis der treuen Gefolgſchaft ausgeſpro⸗ chen. Profeſſor Werner verſprach, auch weiterhin ſeine ganze Kraft für den deutſchen Wandergedanken einzuſetzen. Für 50jährige Mitgliedſchaft in einem Gebirgs- und Wanderverein erhielten 45 Wanderkameraden aus dem Schwä⸗ biſchen Albverein und 21 aus dem Oberlauſitzer Heimat⸗ verband den Ehrenbrief des Reichsverbandes. Der Wandertag 1939 ſoll in Hirſchberg, der Eingangs⸗ forte zum Rieſengebirge, und der Wandertag 1940 in Paſ⸗ 125 ſtattfinden. Die große Wanderer⸗Kundgebung. Im Mittelpunkt des Deutſchen Wandertages 1938 ſtand die machtvolle Kundgebung, die um die Mittagsstunde des Sonntags rund 12 000 Mitglieder und Vertreter ſämt⸗ licher deutſchen Wander⸗ und Gebirgsvereine auf dem hiſtori⸗ ſchen Marktplatz zu einem freudigen Bekenntnis zu Heimat und Volk, Führer und Vaterland vereinte. Was tat es, daß der Himmel voll regenſchwangerer Wolken hing und vor und während der Kundgebung hin und wieder ſeine 41 08 MAN N aN G. Elftes Kapitel. Gertraude war vor einer Stunde aus dem Roſenſchloß zurückgekommen. 5 Als Geſellſchafterin nun ſchon gleich gar nicht erſt auftreten“, hatte die Fürſtin tags zuvor zu ihr geſagt. „Ich bereue es ſchon, in dieſer Beziehung meinen beiden Nichten gegenüber ein bißchen unklug geweſen zu ſein; aber das renke ich jetzt gleich an Ort und Sante wieder ein. Und nun, Kindchen, machen Sie ſich ſchön! Ich will Staat machen mit Ihnen!“ 5 5 Gerit ue hatte ſich wirklich„ſchön“ gemacht. Sie hatte zwar nur ein blaßblaues Seidenkleid angezogen, hatte das goldblonde Haar ſorgfältig e ee 118 einfache, lange weiße Kette um den ſchlanken weißen Ha gelegt und hatte es verſchmäht, dem ſehr blaſſen Aus⸗ ehen abzuhelfen. Trotzdem war ſie ſofort der Mittelpunkt der Geſellſchaft, die vollzählig beiſammen war. Aber Gertraude wußte bereits vorher, daß Graf Hartlingen nicht da ſein würde. Er hatte ein Telegramm geſandt, das ſein Kommen erſt für den anderen Tag meldete. Das Auto war zur Bahn gefahren, um den ankommen⸗ den Gaſt abzuholen. Vor einer Viertelſtunde war es weg⸗ gefahren, das dunkelgraue große Auto der Fürſtin Kleven. Nun würde es wiederkommen, würde den Mann bringen, dem ihre Liebe gehörte, der ihr Herr war, und der ſie werachten mußte, wenn er alles wußte! Gertraude lehnte ſich ans Fenſter. Ihr Blick ver⸗ ö ötzlich fi daß ſchleierte ſich. Sie hielt es plötzlich für ausgeſchloſſen, ſie Aube Hartlingen entgegentreten ſollte, ruhig, 1 los, wie die alte gütige Frau das von ihr verlangte; ſie datte ibr darauf noch ein Verſprechen abgenommen. Schleuſen öffnete. Als echten Wandekern konnte den wet⸗ terharten Männern und Frauen auch der dauerhafteſte Regen nichts anhaben und tat auch dem Aufmarſch, dem größten, der in der Geſchichte der deutſchen Wander⸗ und Gebirgsver⸗ eine je ſtattgefunden hat, nicht den mindeſten Abbruch. Die Giebel der altehrwürdigen Patrizierhäuſer waren mit den Fahnen des Dritten Reiches geſchmückt, und zahlreiche Stutt⸗ garter Volksgenoſſen umſäumten das weite Viereck des Markt⸗ platzes, als nach 12 Uhr die Spitzengruppe des mit der Durchführung des Reichswandertages 1937 beauftragten Eifel⸗ vereins unter Vorantritt des Kreismuſikzuges in den Platz einſchwenkte und vor der Hauptfront des Rathauſes Aufſtel⸗ lung nahm. In buntem Wechſel folgten dann die Abordnun⸗ gen der übrigen Deutſchen Wandervereine, die jeweils die Symbole ihrer Landſchaften mit ſich führten und größtenteils auch mit ihren Volkstrachten vertreten waren. Da ſah man den Pfälzer Waldverein und die vielumjubelten Saarlän⸗ der, die in ihrer Wichs erſchienenen Bayern, die weit her⸗ gereiſten Schleſier, die Rieſengebirgler und die Sachſen, die Heſſen, Thüringer und Odenwälder. Der Schwarzwald⸗Ver⸗ ein war ſelbſtverſtändlich ebenfalls mit großem Aufgebot ver⸗ treten und wurde nur noch von dem Schwäbiſchen Albver⸗ ein, dem größten deutſchen Mittelgebirgsverein, übertroffen, der mit ungefähr 7000 Mitgliedern aufmarſchiert war. Mit Freude bemerkte man in ſeinen Reihen die ſchmucken Trachten der Betzinger Bauern, der Köngener, der Heilbronner Win⸗ zer und Winzerinnen und der Biberacher Schützen. Die Aelbler zeigten als Symbol ihrer Naturſchätze eine Rieſen⸗ flaſche Sauerbrunnen, während die Troſſinger ihre weltbe⸗ kannten Ziehharmonikas mit ſich führten. Die letzte der ein⸗ marſchierenden Gruppen, die immer wieder durch Muſik⸗ kapellen und bodenſtändige Volksmuſiker unterbrochen wur⸗ den, bildeten die Stuttgarter als größte Ortsgruppe inner⸗ halb des Schwäbiſchen Albvereins mit ihren Filderbauern. Nachdem der Aufmarſch der Teilnehmer, die mit ihren hundertfältigen Trachten und unzähligen Wimpeln ein bunt⸗ bewegtes Bild darboten, beendet war, hielt Oberbürgermei⸗ ſter Dr. Strölin die Begrüßungsanſprache. Die Stuttgarter, ſo ſagte er u. a., ſeien ſtolz darauf, daß ihre Stadt in die⸗ ſem Jahre zum Sammelpunkt der binnen⸗ und auslandsdeut⸗ ſchen Wanderer geworden ſei. Gerade aus Schwaben ſeien viele ſeiner Söhne und Töchter hinausgewandert in alle Länder der Erde. Aber auch in ihrer Urheimat ſeien die Schwaben immer echte Wanderer geweſen. Der deutſche Wanderführer, Miniſterpräſident a. D. Profeſſor Werner, überbrachte die Grüße des Reichsſportführers von Tſchammer und Oſten. Die deutſchen Wanderer ſeien in tiefſter Seele gepackt von dem großen Erlebnis dieſer Tagung. Ihr ganzes Tun ſei eingeſtellt auf das große Ziel, mitzuwirken am Dienſt für Führer, Volk und Vaterland. Dieſe große Wander⸗ kundgebung ſei gleichſam ein Symbol für die Einigkeit der deutſchen Stämme. Der deutſche Wanderführer ſchloß ſeine mit großem Beifall aufgenommene kurze Anſprache mit dem Gelöbnis, daß die deutſchen Wanderer, wenn es gelte, auch das Letzte einſetzen würden für Führer und Fahne, für Hei⸗ mat und Reich. Damit waren die offiziellen Veranſtaltungen des dies⸗ jährigen Deutſchen Wandertages beendet. Anſchließend ver⸗ einigten ſich die Tauſende auswärtiger Gäſte in den Stand⸗ quartieren zu geſelligem Beiſammenſein und zum Austauſch froher Wandererinnerungen. Bis zum 28. Auguſt iſt den in Stuttgart verbliebenen Teilnehmern am 47. Deutſchen Wan⸗ dertag Gelegenheit geboten, zu Fuß und im Omnibus an Wanderungen und Fahrten durch das ſchöne Schwabenland teilzunehmen. Zuſatzrenke der Kriegsbeſchädigten Berlin, 23. Aug. Der Reichsarbeitsminiſter hat beſtimmt, daß nunmehr auch die Zuſatzrente der Beſchädigten, und war vom 1. Oktober 1938 ab, nicht mehr durch die Für⸗ rg ſondern durch die Verſorgungsämter feſtgeſtellt und ausgezahlt wird. Damit die Ueberleitungsarbeiten rechtzeitig vorgenommen werden können, wird die Zuſatz⸗ rente für September nicht erſt Mitte, ſondern bereits zu Beginn des Monats September durch die Fürſorgeſtellen ausgezahlt werden. Vom Vitober 1938 ab zahlen die Ver⸗ ſorgungsämter die Zuſatzrente zuſammen mit den übrigen Verſorgungsgebührniſſen. 9 Ruhig? Ruhtg entgegentreten ſollte ſie Rudolf Hart⸗ lingen? Ja, ſtand denn nicht zwiſchen ihm und ihr jene Frühlingsnacht im Park von Hartlingen? 5 Gertraude erzitterte bis ins Herz hinein. Dann preßte ſie das feine Geſicht an den Vorhang. Der Wagen hielt im Schloßhof. Elaſtiſch ſprang der hochgewachſene Mann heraus. Rudolf Hartlingen! Mit weit offenen Augen blickte das junge Weib zu dem Manne hinunter, deſſen große Augen leicht ſpöttiſch die Fenſterfront des Schloſſes überflogen. Wahrſcheinlich be⸗ merkte er mehr oder minder diskrete Beobachterinnen und — vielleicht auch Beobachter. Denn ohne allen Zweifel war der Beſuch des intereſſanten Grafen Hartlingen eine Sache für ſich während dieſer geſelligen Wochen im Schloſſe der Fürſtin Kleven. Man kannte ja ſeinen„Fall“ — kannte ihn genau, beſprach ihn noch nachträglich, dieſen „Fall ſeiner Ehe“, und konnte es nicht erwarten, daß nun kam. 5 „Er iſt einer der intereſſanteſten Menſchen, die ich je kennenlernte!“ hatte Herr von Hülſen⸗Berlach geſagt. Am vorhergehenden Abend war das geweſen Gertraude hatte ſchweigend zugehört. Wenn dieſe Menſchen es wüßten, was ſie mit dem Grafen Hartlingen verband! Unauflöslich verband! Und ſie lauſchte auf das Geſpräch, ihr Herz flatterte ängſtlich. Wußten die Menſchen hier, wie Lelias Jugend ausgeſehen hatte? „Er hat eine wunderſchöne Frau beſeſſen. Er muß ſie wahnſinnig geliebt haben, denn er hielt ſie ganz in Hart⸗ lingen verborgen!“ ſagte eine Dame. „Ein furchtbarer Fall, daß der eigene Bruder die Schweſter ermordete!“ ſagte Herr von Bredow.„Es ge⸗ hören ſchon Nerven dazu, über all das hinwegzukommen. Nun, der ſchöne Hartlingen hat Vergeſſenheit geſucht. Tolle Geſchichten erzählt man ſich. Eigentlich paßt nun dieſes tolle Leben, das er jetzt führt, nicht ſo recht mit in das Gerücht, daß der Graf ſeine Frau toll geliebt hat, und daß er vor Schmerz über ihren furchtbaren Tod bei⸗ nah irrſinnig geworden wäre.“ i i 800 Mann beim Aufbau der Deutſchen Bau⸗ und Siedlungs⸗Ausſtellung Mit dem Aufbau der Deutſchen Bau⸗ und Siedlungs⸗ Ausſtellung in den fünf großen Hallen auf dem Frankfur⸗ ter Feſthallengelände iſt vor einigen Wochen von etwa 150 Arbeitern begonnen worden. Tag für Tag hat die Zahl der am Ausbau Beſchäftigten weiter zugenommen. Jetzt, knapp 3 Wochen vor der Eröffnung der Ausſtellung am 3. Sep⸗ tember, ſind auf dem 70 000 Quadratmeter umfaſſenden Ausſtellungsgelände rund 800 Mann beſchäftigt. Hunderte von Zimmerleuten und Schreinern, Kolonnen von Mau⸗ rern, Arbeitstrupps von Inſtallateuren und Stukkateuren arbeiten vom frühen Morgen bis in den ſpäten Abend. Ein⸗ zelne große Stände ſind im Rohbau bereits vollendet, an anderen Ständen werden noch die Trennungswände aufge⸗ ſchlagen und die Beſpannungen gezogen. Zehntauſende von Quadratmetern Sperrholzplatten und Zellwollebeſpannung ſind allein für die Bekleidung der Wände und für die erſte Herrichtung der Stände erforderlich. Auf dem Großbauplatz des Gauheimſtättenamtes, unter deſſen Leitung die Muſterſiedlungsſtraße erſteht, ſind allein ſeit Wochen über 100 Arbeiter ſtändig beſchäftigt. Nachdem etwa 40 Zimmerleute, die teilweiſe von weit herangeholt werden mußten, das Gebälk der Häuſer erſtellten. arbeiten u. g. jetzt 11 Weißbindermeiſter mit ihren Geſellen an dem weiteren Ausbau der Häuſer. In großen Schreinerwerk⸗ ſtätten ſind 36 Schreiner an der Fertigſtellung der Türen und Fenſterrahmen für die 11 Häuſer dieſer Siedlung be⸗ ſchäftigt. Neben den auf dem Ausſtellungsgelände ſelbſt arbeiten⸗ den 800 Volksgenoſſen iſt etwa die gleiche Zahl noch in den verſchiedenen Werkſtätten des Zubringergewerbes allein für die Ausſtellung tätig. Die Zahl der Beſchäftigten wird ſich in den beiden nächſten Wochen noch beträchtlich erhöhen. 3 85 ſogar das doppelte bis dreifache der jetzigen Ziffer er⸗ reichen. Ein Bilderturm, der ſich dreht nter der Kuppel der Feſthalle errichtet die Reichsſtelle für Wirtſchaftsausbau als einen der impoſanteſten Aus⸗ ſtellungsſtände der Deutſchen Bau⸗ und Siedlungs⸗Ausſtel⸗ lung einen 14 Meter hohen Turm. Um die Mittelachſe die⸗ ſes Turmes drehen ſich ſechs rieſige Bildtafeln von 3 Meter Breite und 8.50 Meter Höhe. Der Beſucher der Ausſtellung kann von allen Seiten der Feſthalle dieſe gewaltigen Bil⸗ der ſehen. die das große Siedlungswerk im Rahmen des Vierjahresplans und der neuen großen Induſtriegebiete anſchaulich machen. Eine große Karte von Deutſchland zeigt die wichtigſten Induſtrie⸗ und Siedlungsgebiete. Die anderen Bildtafeln bringen Ausſchnitte aus dieſer Siedlungsarbeit. Etwa ſeit zwei Wochen wird an dem Aufbau dieſes Turmes gearbeitet. Das Gerippe des Turmes und der großen Bild⸗ tafeln iſt jetzt fertiggeſtellt. In ein paar Tagen wird die Ausmalung beginnen. Der 14 Meter hohe Ausſtellungsturm der Reichsſtelle für Wirtſchaftsausbau mit 12 ſich drehenden Bildern in der Größe 38.50 Meter im Aufbau Fürſtin Kleven ergriff Gertraudes Hand, ſtreichelte ſie zärtlich, dieſe kleine, ſchmale, ſchneeweiße Hand. Sie wußte, was das junge Weib beim Anhören dieſes Geſpräches leiden mußte. In dieſem letzten Jahre hatte ſie ja über alles die Wahrheit erfahren. Sie wußte, daß der eigene Bruder die Schweſter ermordet. Aber dieſe Tat konnte wohl nicht mehr ganz das Grauen auf dieſes junge Geſchöpf ſenken ſeit Gertraude wußte, welch ein leichtſinniges Leben ihr, nächſten Angehörigen geführt hatten. Und nun wußte Gertraude auch, daß Venjo Holm ge⸗ prochen hatte. Daß er dem Grafen Hartlingen die Wahr⸗ heit gebeichtet, und daß der nun nicht mehr um die ſchöne, treuloſe Lelia trauerte, ſondern draußen im rauſchenden Leben dieſe Epiſode zu vergeſſen ſuchte. Damals, in jener Nacht im Park von Hartlingen, da hatte ſein ganzes Sein noch nach Lelia verlangt, hatte ſein Herz in wilder Sehnſucht nach ihr geſchrien, war es gekommen, daß er die junge Schweſter der Toten für Lelia ſelbſt halten konnte! Jetzt würde er alles, was mit jener Zeit zuſammen⸗ hing, nur noch verachten! Nun, da ſie wußte, welch ein Leben Graf Hartlingen jetzt führte, da wurde es klar in ihr, daß er über Lelia alles, alles wußte! War es recht von Venjo Holm geweſen? Hätte er der armen Toten den Glorienſchein nicht laſſen ſollen? Oder — hatte Venjo Holm erkannt, daß er einen ſcharfen Schnitt tun mußte, um Rudolf Hartlingen dem Leben zurückzugeben? 5 d Tief ſenkte Gertraude Schwarzkoppen den ſchönen, goldig ſchimmernden Kopf. 1 Mit Verachtung würde er nur noch an den Traum zurückdenten, den er in einer ſtillen ſchönen Nacht im Park von Hartlingen geträumt. a 3 Das Leben war grauſam! 55 Es hatte Rudolf Hartlingen gewandelt! Er ſchritt ge⸗ wiß jetzt ſpöttiſch lächelnd über jede Frau hinweg . J ⁵ . 13 3 wurden, beſchwerte ſich in Waſhington. War dieſe Sied⸗ lung amerikaniſcher Farbiger eine amerikaniſche Kolonie? Amerika, das ſchon damals jeder außenpolitiſchen Ver⸗ wicklung abhold war und der Siedlung gegenüber die Rolle einer herzensguten, aber ängſtlichen wich der Frage aus. Siedler mutig zum unabhängigen Staat. Die Staatengründung denn als Neger aufgetreten waren, je ner entworfen, ein getreues Abbild derjenigen der Ver⸗ einigten Staaten iſt. Durch ſie wurde das kleine Liberia zu einem Amerika in Taſchenausgabe. Es hat ſeinen Prä⸗ ſidenten, etzt eine Verfaſſung an, die, von einem weißen Amerika⸗ Parlament. Die Verfaſſung berückſichtigte die Eingebore⸗ nen kaum. Stimmberechtigte Bürger Liberias wurden nur die ungefähr 15 000 gelaſſenen. Die Bevölkerung des Landes zerfiel ſo in zwei ſcharf umriſſene Klaſſen: ſchicht, die den Namen Liberianer allein für ſich in An⸗ ſpruch nahm. 28 Siſecheubencl. Der bekannte Schriftſteller A. R. Lindt, der ſchon mehrere erfolgreiche Reiſebücher ſchrieb, hat eine Expe⸗ dition nach Liberig unternommen. Er hatte es ſich zur Aufgabe geſtellt, der Frage der Sklaverei nachzufor⸗ ſchen. Gibt es noch Sklaven in Afrika? Wie ſteht es mit den geheimnisvollen, blutdürſtigen„Leoparden (2. Fortſetzung.) England, deſſen Kaufleute am ſchwerſten betroffen Patin ſpielte, Da erklärten ſich 1847 die ſchwarzen Wie ſie immer in Afrika viel mehr als Amerikaner ſo nahmen ſie auch ſeinen Staatsſekretär, ſeinen Senat und ſein Nachkommen der amerikaniſchen Frei⸗ Auf der einen Seite die Ober⸗ Auf der anderen Seite das Untertanenvolk um ſeinen Anſpruch auf Anerkennung durchzuſetzen. Aber in Europa und Amerika war damals die den Sklavenhandel groß, und die Mächte fühlten für dieſe tapfere, aber harmloſe f nichts als Wohlwollen. Staat an. verachtete Sklaven gründern. Präſident Liberias, der Mulatte Roberts, von der Königin Victoria empfangen. jungen Staate ein winziges kann ein Kriegsſchiff einen Kaiſer Napoleon III. ſendet Armee und ein zweites Kriegsſchifflein. Liberianer beſeelte, men zu halten. Die Väter hatten unter Mühſalen und Entbehrungen für ihre Freiheit kämpfen müſſen, welche den Söhnen als eine Selbſtperſtändlichkeit in den Schoß stel. Dieſe ſpürten den Einfluß des entnervenden tropi⸗ ſchen Klimas, ſie gewöhnten leben, ſie mieden ſowohl die Schlachtfeld. armee, unter den Eingeborenen geworben, die Kämpfe gegen widerſpenſtige Stämme zu führen. Sie konnten es nicht verhindern, daß Frankreich der Republik einige Gebiete abzwackten. Mächte— 1917 Deutſchland den Krieg erklären. Sie taten es widerwillig genug, da die deutſchen Handelshäuſer die Hauptabnehmer liberianiſcher Produkte waren. Kein ein⸗ ziger liberianiſcher wenn auch in den ſchwarzen Regimentern Frankreichs einige Eingeborene des liberianiſchen Hinterlandes ge⸗ ſtanden haben mögen. Die der Eingeborenen, deren Zahl auf etwas mehr als eine Million geſchätzt wird. Nur in einer Hinſicht war die Verfaſſung panafrikaniſch. Sie verbietet den Weißen, Land zu erwerben, Bürger Liberias zu werden und in der Re⸗ publik ein Amt zu bekleiden. bringen es fertig, zufaſſen und mit Würde ihr Land zu vertreten. Sie bauen Schulen und Kirchen. niſcher Flagge. U-Boot verſenkt letztes Kriegsſchiff Das junge Liberia verfügte über keine Gewaltmittel, Empörung über Siedlung farbiger Freigelaſſener Sie erkannten Liberia als freien Seltſames Märchen der Weltgeſchichte: Neger, die als geboren werden, werden zu Staaten⸗ Sie ſind ordengeſchmückte Miniſter. Der erſte wird huldvoll Sie ſchenkt dem Kriegsſchiff,„Die Wachtel“— friedlicheren Namen führen? Waffen für die liberianiſche Das merkwürdigſte aber: Dieſe ehemaligen Sklaven mit Geſchick diplomatiſche Noten ab⸗ Handelsſchiffe fahren unter liberia⸗ Aber der tatkräftige Pioniergeiſt, wie er die erſten hatte Mühe, ſich unter ihren Nachkom⸗ ſich an ein ruhiges Dahin⸗ 5 heißen Plantagen wie das Sie überließen es bald einer kleinen Söldner⸗ im Weſten England und im Oſten Sie mußten auch— unter dem Druck der alliierten Soldat focht gegen die Zentralmächte, Negerrepublik beſchränkte ſich 8 2 5 Oe. menſchen“? Lindt ſchilderte bisher ſeine Ankunft in Monrovia, der Hauptſtadt Liberias. Er ſah Neger im Frack, die Quadrille tanzten. Er erzählte von den erſten Kämpfen der freigelaſſenen Sklanen, die aus Amerika nach Liberia zurückwanderten. Heute ſchildert er, wie in Liberia Gummi entdeckt wurde. darauf, das deutſche Eigentum zu beſchlagnahmen. Sie hatte beinahe den Kriegszuſtand vergeſſen, als 1918 ein deutſches Unterſeeboot vor Monrovia erſchien. Sein Kom⸗ mandant forderte, daß die franzöſiſche Kabelſtation Mon⸗ rovias geſchloſſen würde, nachdem die ſchwarze Regierung die deutſche Kabelſtation ſtillgelegt hatte. Als das Ulti⸗ matum nicht erfüllt wurde, zerſchoß das Boot die franzö⸗ ſiſche Sendeſtation und bohrte das einzige, noch vorhan⸗ dene Kriegsſchiff in den Grund. Liberia, ſchon ſeit langem in finanziellen Schwierig⸗ keiten, wurde nach dem Weltkriege als Rohſtoffland be⸗ ſonders ſtark von dem Sturz aller Rohmaterialien betrof⸗ fen und verſchuldete zuſehends. Troß allem aber gelang es ſeiner Regierung, das wehrloſe Land als jetzt einzigen unabhängigen Staat Afrikas zu behaupten. Ein Stück Gummi bezwingt den Arwald Der hochpferdige Wagen des liberianiſchen Staats⸗ präſidenten fährt mich über die einzige Straße, die von Monrovia aus 70 Kilometer weit ins Hinterland führt. Sie iſt nur noch ein ſchlechter Fahrweg. Der Wagen bleibt manchmal in bodenloſen Sümpfen ſtecken, er vollführt luſtige Sprünge über ausgekarrte Gleiſe und tiefe Löcher. Pfadfinder⸗Organiſationen beſtehen in den meiſten Kü⸗ ſtenſtädten Weſtafrikas. Sie ſind den europäiſchen Pfad⸗ findern nachgemacht, aber ſie ſind eben— eine Organiſa⸗ tion von Negern. Hier in Liberia dienen den Jungen Bambusſta n als Waffen, und manche tragen die Col⸗ leg⸗Mützen engliſcher Schü⸗ ler. Da dem Neger Diſziplin in unſerem Sinne fremd iſt und der Wert dieſer Jugend⸗ bünde gerade auf der Er⸗ ziehung durch Diſziplin be⸗ ruht, ſind dieſe Jugend⸗ bünde eine Spielerei. Aufnahme: Lindt— M. Plötzlich aber glätten ſich die geſpannten Züge des ſchwar⸗ zen Fahrers. Die Pferdekräfte ſchießen los. Ein Wunder: Der Weg iſt plötzlich zur ſpiegelglatten Chauſſee geworden. Rings um uns kein Buſch mehr, ſondern junge Gummi⸗ bäume, die mit verblüffender Genauigkeit in Reih und Glied ſtehen.„Wir ſind in der Fireſtone⸗Plantage“, ſagt der Liberianer etwas übelgelaunt. Die Vereinigten Staaten von Amerika mit ihrer auto⸗ fahrenden Rieſenbevölkerung verbrauchen ganze drei Vier⸗ tel der Gummiproduktion der Welt. Aber das Monopol der Gummierzeugung beſitzen Großbritannien und die Niederlande. Zum Truſt vereinigt, begannen ſie, die Gummipreiſe zu diktieren. 1922 fällt das Pfund Gummi auf 14 Cents. Der Truſt befiehlt Produktionseinſchränkun⸗ gen, Gummiplantagen werden niedergeholzt, keine neuen Bäume gepflanzt. Der Erfolg: 1925 notiert der Gummi 1. Dollar 23 Cents. Da beginnt Amerika zu rechnen. Jede Preisſteigerung um einen Penny koſtet die Vereinigten Staaten acht Millionen Dollar. Am meiſten betroffen iſt Harvey Fireſtone, der amerikaniſche Autoreifenkönig. Von der Regierung in Waſhington moralüſch unterſtützt, ſendet er ſeine Sachverſtändigen aus— nach Braſilien, nach Mexiko. In Mexiko beginnt er zu pflanzen. Aber die mexikaniſchen Gummibäume werfen nicht den erwarteten Ertrag und ein minderwertiges Erzeugnis ab. Doch Fire⸗ ſtone hat ſich nun einmal mit großer Zähigkeit in ſeine Idee verbiſſen. Der klebrige Baumſaft iſt zur Weltmacht geworden, nicht weniger bedeutend als Oel und Erz. Amerikaner müſſen Gummi erzeugen. Ein Spezialiſt durchſtöbert noch einmal das Fire⸗ ſtoneſche Laboratorium, in dem Gummiproben aus der ganzen Welt liegen. Er tut es ohne jede Hoffnung, weiß er doch im voraus, was er feſtſtellen wird. Die Länder, die vom engliſch⸗holländiſchen Truſt unabhängig ſind, brin⸗ gen nur einen unbrauchbaren Gummi hervor. Aber da findet er noch ein kleines Gummiſtück, miß⸗ achtet irgendwo in einer Ecke. Es iſt nicht ganz ſo gut wie die malayiſche, aber doch recht wertvolle Ware. Er forſcht dem Urſprungsland nach. Das Stück kommt aus Liberia. Im Augenblick weiß niemand recht, wo dieſes Land liegt. Die Weltkarte wird auf eſchlagen: So ſtoßen die Amerikaner auf Weſtafrika, und hier, ſelbſtändig, nicht mit der Farbe einer Kolonialmacht bemalt, hockt die kleine Negerrepublik. Sie iſt etwas weit weg, zwiſchen den Fire⸗ ſtone⸗Fabriken und der zukünftigen Plantage dehnt ſich in ſeiner ganzen Breite der Ozean. Aber Liberia iſt von England vollſtändig unabhängig. Zwiſchen ihm und den Vereinigten Staaten beſtehen gute Beziehungen, da ſich die liberianiſche Oberſchicht aus den Nachkommen ſchwar⸗ zer amerikaniſcher Bürger zuſammenſetzt. A en,ſehen fuegefrenull. llsgelg 2 ee n Wer 1000 Mark hat, iſt reich Harvey Fireſtone beginnt zu arbeiten. Amerikaniſche Millionen ſtrömen plötzlich in die Negerrepublik, in der 1000 Mark ſchon ein beträchtliches Vermögen bedeuten. Fireſtone verſchafft Liberia durch ein amerikaniſchen Finanzſyndikat eine Anleihe, deren Ertrag allerdings hauptſächlich zur Abdeckung alter Schulden dienen mußte. Für dieſen Dienſt läßt er ſich zu günſtigen Bedingungen eine Konzeſſion erteilen, die ihm erlaubt, bis zu einer Million Acker mit Gummibäumen zu bepflanzen. Er wählt ſich zwei Gebiete aus; beide ſind an 50 Kilo⸗ meter von der Küſte entfernt, das eine liegt im Norden der Hauptſtadt Monrovia, das andere im öſtlichen Teile des Landes. Beide ſind mit Urwald überwachſen, den nur die Lichtungen einiger Reisfelder unterbrachen, und in dem einige Eingeborenendörfer in der Tropenſonne bra⸗ ten, Ortſchaften, deren Bewohner noch ſo leben wie vor Jahrhunderten. Straßen gibt es nicht. Schmale Pfade ſchlängeln ſich zwiſchen den Bäumen hindurch, auf denen die Trägerkolonnen im Gänſezuge marſchieren und Bäche und Sümpfe durchwaten müſſen. Fireſtone läßt Straßen⸗ ingenieure und Dampfwalzen verfrachten— beide werden. von den Liberianern als nie geſehene Raritäten beſtaunt. Fireſtone braucht Arbeiter, 10 000 bis 20 000 Mann. Arbeiter aber gibt es in Liberia nicht. Die Negerregierung hat ſich aber im Konzeſſionsvertrage zur Beſchaffung der Arbeitskräfte verpflichtet, und ſo ſenden die ſchwarzen Gouverneure des Hinterlandes halbnackte Menſchen in die —. Plantage, die noch nie ein europäiſchen Werkzeug in Händen gehabt haben. Fireſtone zahlt bis zu eineinhalb Schilling Taglohn, für amerikaniſche Verhältniſſe ein Spottgeld, für Liberia eine fürſtliche Summe. Denn hier arbeitet ein Eingeborener für ein Taſchentuch zwei ganze Tage von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Später ſtellt es ſich heraus, daß die Arbeiter von dieſem Geld nichts zu ſehen bekommen, es bleibt in den Fingern der Gouverneure hängen. Fireſtone muß ſelbſt ſeine Werber ausſenden. Aber wie ſoll man die Eingeborenen bezahlen? Denn ſie wollen kein Papiergeld annehmen. Sie arbeiten nur gegen Silberlinge. Um ſich dieſe zu beſchaffen, grün⸗ det Fireſtone in Monrovia eine Bank, die einzige in der ganzen Negerrepublik. Sie übernimmt den geſamten Zahlungsverkehr der Regierung, ſie zahlt nur in Silber⸗ geld, ſie wechſelt Noten nur gegen einen verbrecheriſch hohen Aufſchlag ein. Schnell werden Silberlinge das Zahlungsmittel Liberias. Die Bank iſt inſtand geſetzt, allmonatlich Laſtwagen, ſchwer beladen mit Silbergeld, hinauf in die Plantage zu ſchicken. Der Urwald lockt Den„Boys“ fehlt es nicht an Fleiß, dafür an Aus⸗ dauer. Sie verdingen ſich für einen Monat, für zwei Monate, und laufen dann wieder in ihre Dörfer zurück. Sie arbeiten zwei Tage und feiern am dritten. Plötzlich, noch vor Ablauf ihrer Zeit, laſſen ſie alles im Stich, weil ſie gehört haben, daß irgendwo im Buſch, acht Tagemärſche weit weg, ihre Geheimgeſellſchaft tagt. Und als ich mit dem Generaldirektor die Pflanzungen beſichtigte, erwartete ich, daß die Schwarzen beim Anblick des mächtigen Man⸗ nes ſo recht angeſtrengt arbeiten würden. Das Gegenteil geſchah. Sie warfen ihre Werkzeuge weg und ſtrömten zum Wagen, um ſich einmal den„Boß“ nach Herzensluſt aus der Nähe anſehen zu können. Fireſtone kümmerte ſich auch um die Volkswohlfahrt. In ganz Liberia unterhält die Regierung kein einziges Krankenhaus. Sie beſitzt zwar ein Gebäude, das dieſen Namen führt. Es iſt unbewohnt und zerfällt langſam. Die drei Geiſteskranken Monrovias werde in einer Ba⸗ racke eingeſperrt. Fireſtone rodet etwas mehr Buſch, läßt ſich per Schiff noch etwas mehr Zement, noch mehr Fen⸗ ſterſcheiben und Türangeln herbeiſchaffen und baut in ſei⸗ ner Plantage ein Krankenhaus, deſſen Operationsraum mit allen Erforderniſſen der modernſten Chirurgie aus⸗ geſtattet wird. Er errichtet ſchmucke Arbeiterhäuſer. Da die Schwarzen an ihnen wenig Gefallen finden und in ihrer Rückſtändigkeit die kühleren Lehmhütten vorziehen, muß er allerdings den Plan aufgeben, eine ganze Arbei⸗ terſtadt zu bauen. Wunderkäfig gegen Inſekten Ein Stück Amerika wird plötzlich in den Urwald ver⸗ pflanzt. Die Angeſtellten erhalten Badezimmer mit flie⸗ ßendem heißem und kaltem Waſſer. Wenn der afrikaniſche Büffel nachts aus dem Gummiwald tritt, macht er ſchnau⸗ bend halt. Tennisplätze glimmen im Mondſchein. Das Schwimmbad mit desinfiziertem Waſſer leuchtet und Aitzert. Den Generaldirektor ſtören abends die zahlloſen Inſekten. Schon ſteht in ſeinem Wohnzimmer ein kleiner Käfig. In ihm ſitzt kein Kanarienvogel, in ihm brennt eine helle Lampe. Von ihr angelockt, ſchwirren die Mücken heran und taumeln tot zu Boden: Die Meſſingſtäbe des Käfigs ſind elektriſch geladen. Briefe von der Fireſtone⸗Fabrik in Amerika nach der Fireſtone⸗Plantage in Liberia brauchen zu lange Zeit. Briefe ſchreiben iſt altmodiſch. Das Konto„Briefmarken“ verſchwindet aus den Rechnungsbüchern. Ueber die Gummibäume reckt ſich ein Funkturm, deſſen Kurzwellen⸗ ſender eine Anfrage des Generaldirektors an die private Radioſtation Fireſtones in Amerika funkt. In wenigen Minuten trifft die Antwort ein. Es be⸗ ſteht keine zuberläſſige Karte von Liberia? Fireſtone ſen⸗ det ein Flugzeug, deſſen photographiſche Ausrüſtung wert⸗ voller iſt als die Maſchine ſelbſt. Aber es fehlt ein Lan⸗ dungsplatz. Tauſende von Arbeitern werden zuſammen⸗ getrommelt, im Urwald erklingt die Axt, der Buſch brennt. 5„ Wochen iſt ein ſchön geebneter Flugplatz ent⸗ anden. Die Gummiplantage iſt ein Staat im Staate. Liberia darf auf dem Gebiet der Pflanzung keine Steuern erheben. Fireſtone kann alles Material, das dem Unterhalt und der Vergrößerung der Plantage dient, zollfrei importieren. (Fortſetzuna folat.)