Nr. 202 Neckar ⸗Botef(Z. Blatt) Dienstag, 30. Auguſt 1988 . Einseitige Ermahnungen Wer von der mit geheimnisvollen Andeutungen ange⸗ kündigten Rede des britiſchen Schatzkanzlers Joo hn Simon etwa einen klaren Beitrag Englands zur Löſung der ſudetendeutſchen Frage erwartet hatte, mußte bitter enttäuſcht werden. Nichts als allgemeine Redensarten hat Sir Simon dargeboten, die man in Prag natürlich zu Gun⸗ ſten der Tſchechei auslegt, und man hat dort wohl eine ge⸗ wiſſe Berechtigung dazu. Wenn Simon ſagte, der Einfluß Englands würde immer auf der Seite des Friedens in die Waagſchale geworfen werden, ſo iſt mit der Verkündung eines ſolchen Grundſatzes nichts Konkretes geäußert und ge⸗ ſchehen. Durch„faires Denken und Handeln“ will der bri⸗ tiſche Schatzkanzler eine Regelung finden. Sehr ſchön, es iſt nur die Frage, was fair iſt. Fair iſt beſtimmt nicht die einſeitige Haltung der briti⸗ ſchen Preſſe im ſudetendeutſchen Konflikt, vielmehr ſehr ein⸗ ſeitig. Faſt ausnahmslos ſuchen die Londoner Blätter die Schuld für das Scheitern der bisherigen Verhandlungen den Sudetendeutſchen in die Schuhe zu ſchieben, und es wird auch deutlich der Verſuch erkennbar, die Sudetendeutſche Partei mehr oder weniger unter Druck zu ſetzen. Ueber die wahren Schuldigen, die Tſchechen, wird kein Wort ver⸗ loren.„Sunday Times“ erklärt, Simon habe nicht mehr und nicht weniger als Chamberlain am 24. März geſagt. Er habe dieſe Erklärungen mit Nachdruck beſtätigt ſowie be⸗ tont, daß er den Erklärungen des Miniſterpräſidenten nichts hinzuzufügen habe. Weiter habe Simon die„ausſchließlich friedfertigen Ziele“ Englands per und das ſeien auch die Motive, die Chamberlain und Halifax in 1 duldigen Arbeit um eine Entſpannung geleitet hätten. Be⸗ züglich der Verhandlungen in der Tſchecho⸗Slowakei habe Simon es abſichtlich vermieden, darauf irgendwie Bezug zu nehmen. Niemand aber könne ſeine Worke überhören, daß eine Löſung des Streites gefunden werden müſſe und könne. Der„Obſerver“ ſchreibt, von einer Verſicherung eines auto⸗ matiſchen Beiſtandes gegenüber Frankreich für den Fall, daß Frankreich in Feindſeligkeiten zwiſchen Deutſchland und der Tſchecho⸗Slowakei verwickelt werden könne, dürfe ſelbſt⸗ verſtändlich keine Rede ſein. Die übrigen Blätter enthalten ſich eigener Stellungnahme, heben aber zum Teil in großer Aufmachung hervor, daß man in Berlin von Simon eine ſchärfer umriſſene Stellungnahme erwartet habe. Womit man zweifellos das Richtige trifft. Es bleibt abzuwarten, zu welcher Stellung der britiſche Kabinettsrat. gelangen wird, der Dienstag zuſammentritt. Der diplomatische Korre⸗ ſpondent von Preß Aſſociation ſchreibt, es ſei ſehr gut mög; lich, daß, wenn ſich die Lage nicht beſſere, ein voller Kabi⸗ nettsrat für Anfang September einberufen werden würde. Man hoffe, bis Dienstag im Foreign Office die Reaktion in den europäiſchen Haupkſtätten auf die Simon Rede ſowie Hinweiſe darauf zu erhalten, ob die Sudetendeutſchen in Beantwortung der„neuen tſchechiſchen Vorſchläge“ eine ver⸗ ſöhnlichere Haltung einnehmen würden oder nicht. Sollte Henlein das Hodza⸗Angebot zurückweiſen, dann ſei der kri⸗ tiſche Augenblick gekommen, den die britiſche Regierung ſchon immer befürchtet habe. Und an dem die britiſche Regierung nicht ganz unſchul⸗ dig iſt, ſo kann man hinzufügen. Dieſe Meinung geht auch aus den Aeußerungen der 1 Preſſe 5 Auch in Rom iſt eine gewiſſe Enttäuſchung unver ennbar, por allem inſofern, als man gehofft, daß Simon die engliſche Auffaſſung gegenüber den zuletzt am 24. März von berlein gemachten nicht allzu konkreten Darlegungen genauer fixieren würde. Man n die durchaus berechtigte deutſche Forderung an England, offen zu reden. Dieſe Offenheit ſei nicht zuletzt angeſichts des unhaltbaren Zuſtan⸗ des, in dem die Sudetendeutſchen zu leben gezwungen ſind, am Platze. Man berichtet von einem tſchecho⸗flowakiſchen „Projekt“, von dem inhaltsmäßig noch ſo gut wie nichts be⸗ kannt ſei, ſodaß man gut daran tue, dieſes ebenfo über⸗ raſchende wie gefährliche Danaergeſchenk Prags zunächſt aus dem Spiel zu laſſen. Der Direktor des halbamtlichen „Giornale d'Italia“ betont, Simon habe keinen neuen Aus⸗ gangspunkt für die Bewertung des e gegeben, obwohl er anerkenne, daß der Fall vordringlich und ernſt ſei, was nun allgemein zugegeben werde. Die Verantwortung für die Löſung des Nakionalitätenproblems laſte vor allem, wie der Direktor des halbamtlichen Blattes betont, auf der Prager Regierung.„Die deu tſche Poli⸗ tik hat bisher Mäßigung und tiefes Verantwortungsbe⸗ wußtſein bewieſen. Es handelt ſich darum zu vermeiden, daß dieſe Haltung für die anderen Parteien zum Anlaß für Verſchleppungsmanöver wird.“ In einem Artikel unter der Ueberſchrift„Abſichten und Taten“ betont der Direktor des halbamtlichen„Giornale d'Italia“ zur Rede Simons, daß die unbeſtimmten und unſchlüſſigen e e gen, die zu den verſchiedenſten Auslegungen un Mißver⸗ ſtändniſſen Anlaß geben, heute eben lo gefährli ſind wie jene Unruheſtifter, die auf die Mißverſtändniſſe peku⸗ lieren. Gewiß ſei die Rede Simons von vielen guten Ab⸗ ſichten getragen der es heiße abzuwarten,„ob die Taten den geäußerten Abſichten entſprechen“. Noch in dieſen Wo⸗ chen 15 von weiteſten Kreiſen verſucht worden, Großbritan⸗ nien zum Beitritt zu einem demonſtrativen gegen die auto⸗ ritären Mächte gerichteten Block der„drei großen Demo⸗ kratien“ zu veranlaſſen. Derartige zweideutige Verſuche müßten im Hinblick a die Klarheit und das Vertrauen ſo⸗ fort geklärt werden. Die Worte Simons könnten als eln Beitrag zu dieſer Klärung erſcheinen, Man erwarte weiter, daß Großbritannien außer mit Worten auch mit Taten ſich mit aller Entſchiedenheit gegen jene Machenſchaften wende. 1 Mit erfreulicher Ehrlichkeit läßt ein ſehr bekannter eng⸗ liſcher Publiziſt, Garvin, in der britiſchen Wochenſchrift„Ob⸗ ſerver“ der deutſchen Haltung Gerechtigkeit widerfahren. Wahre ſtaatsmänniſche Kunſt, o ſchreibt er, müſſe vor allem zwei Ziele im Auge 1 5 weiteſtmögliches Abſtimmen der deutſchen und tſchechiſchen Forderungen und über dieſes Ziel hinaus Einſatz aller Kräfte, um beſſere, nicht ſchlechtere Be⸗ ziehungen zwiſchen Deutſchland und England 00 Slant ren. Tue man dies nicht, dann würde die Tſche Slowakei auch weiterhin eine Eiterbeule am Körper Europas ſein. Zur Simon⸗Rede übergehend meint Garvin, man be die Wiederholung von„Ermahnungen an Deutſch⸗ land“ einfach nicht mehr nötig, wenn man den Tschechen nicht ein Gleiches 5 Es würde viel beſſer geweſen ſein, wenn man ſich auf nichts eingelaſſen hätte stattdeſſen ſei man engliſcherſeits durch den alſchen hereingezogen worden, als 0 6 ö f tig Deutſchland deſſen anſchuldigte, eine Anſchuldigung, die völlig unbegründet geweſen ſei. Damals habe man En and u einſeitigen Vorſtellungen in Berlin veranlaßt. Englands ufgabe ſef jetzt, unparteiiſch gegenüber den Tſchechen und Deutſchen in jener in Verſai 5 5 ſterten Republik zu ſein. Wie aber könnten die eng⸗ liſchen Linksparteſen heute dieſes Gebilde lener künſtlichen ham⸗ larm vom 21. Mai Prag mobiliſierte und gleichzel⸗ es zuſammengeſchu⸗ Schritt zu halten. Ortsgruppenleiter Dr. Dank dem Reichsſtatthalter mit dem Ge⸗ 5 600 Jahre der Stadtgeſchichte vorführte. ünd blinden Staatsmafinskunſt von Verſailles entſchuldigen? Eine ſolche Haltung verſtärke nur die Abwehrbereitſchaft des Deutſchtums. Es gebe keine wirkliche Garantie für den zu⸗ künftigen Frieden, ſolange den Sudetendeutſchen nicht eine wirkliche Selbſtregierung zugeſtanden werde. Abſchließend erklärte Garvin, es ſtehe außer Zweifel, daß die 8 85 niſſe in der Tſchecho⸗Slowakei zu einer ſehr ernſten Lage hinneigten. Die Zukunft der deutſch⸗engliſchen Beziehungen ſtehe auf dem Spiel und damit das Schickſal der ganzen Welt. Vom Arbeitsplatz nach Nürnberg Mehr als 16 000 Arbeikerurlauber Berlin, 30. Aug. Die Teilnahme der Arbeiterurlauber am Reichsparteitag wird— wie die NSͤK meldet— au in dieſem Jahr nochmals eine Steigerung erfahren. 16 00 Schaffende nehmen daran als Vertreter der deutſchen Be⸗ triebe teil. 350 Bauarbeiter und 100 Reichseiſenbahner wer⸗ den außerdem als Ehrenabordnung ihrer Lager und Bau⸗ ſtellen ihre Kameraden vertreten. Die Unterbringung der Arbeiterurlauber 11 99 in den geräumigen Zelten des KdF⸗Dorfes auf der Ruſſenwieſe. Von den 8000 Werkſcharmännern die gleich⸗ falls in Nürnberg aufmarſchieren, wird ein Teil für die organiſatoriſchen beten und für die Betreuung der La⸗ ger eingeſetzt. Abend für Abend, nach den großen Veran⸗ ſtaltungen des Tages, treffen ſich die Arbeikerurlauber zu frohem Erleben in der Kd⸗Stadt, wo ihnen Arki⸗ ſten, Freizeitgeſtaltungs⸗ und Brauchtumsgruppen Fülle von Darbietungen bieten werden. Sportliche Lebensführung Zum Abſchluß der Deutſchen Jugendmeiſterſchaflen Frankfurt a. M., 29. Aug. Die Deutſchen Jugendmeiſter⸗ ſchaften, die in den Tagen vom 24. bis 28. Auguſt in Frank⸗ furt a. M. ausgetragen wurden, erreichten mit der Sieger⸗ ehrung und den Anſprachen des Reichsjugendführers und des Reichsſportführers ihren Höhepunkt und Abſchluß. Kaum hatten die letzten Wettkämpfe ihr Ende gefunden, als die Formationen der HJ und des Bd M, in ihrer Mitte die Wettkampfſieger, im Mittelfeld des Sportfeldes Aufſtel⸗ lung nahmen, um die Anſprachen anzuhören. Der Reichs⸗ ſportführer von Tſchammer und Oſten wies darauf hin, daß jetzt die Ausleſe der geſamten Leibeserziehung in der HJ zum Wettkampf nach Frankfurt gekommen ſei. Die Leiſtungsſteigerung ſei ſehr erheblich. Nach einem Jahr har⸗ ter Arbeit ſteht die Jugend jetzt in ihrer Sportarbeit nicht nur hinten bei der Gefechtsbagage, ſondern im Vortrupp des Sports ganz vorn. Wenn Deutſchland weiterhin die erſte Sporknakion bleiben wolle, habe man ſich zuerſt darum zu kümmern, daß die Leibeserziehung der Jugend mit an 5 Stelle ſteht. Er ſtellte feſt, daß dank dem Vertrauen, das der Reichs jugendführer ihm entgegengebracht 15 eine endgültige und feſte Harmonie zwiſchen der 53 und dem Reichsbund für Leibesübungen hergeſtellt werden konnke. Mit ſtürmiſchem Beffall begrüßt, ſprach dann der Reichs⸗ jugendführer Baldur von Schirach.„Ich glaube, in aller Namen zu ſprechen, wenn ich Dir, Reichs portführer⸗ für die Meldung danke, die Du mir ſoeben elne haſt. Nie⸗ mand kann über die Entwicklung der Lei 5h r der Jugend in der vergangenen Zeit, während der Du für dieſe Leibeserziehung verantwortlich gezeichnet haſt, glücklicher ſein als ich. Es iſt auch auf dieſem Gebiete unferes Volkes eine Einheit entſtanden.“ 5 eine 600⸗Jahrfeier in Staufen Staufen bleibt„Stadt“, Staufen. Am Samstag und Sonntag konnte das Fauſt⸗Städtchen endlich ſeinen Ehrentag feiern, der im Herbſt vorigen Jahres der Maul⸗ und Klauenſeuche wegen ver⸗ ſchoben werden mußte. Die Art, in der dieſer 600⸗Jahres⸗ gedenktag begangen wurde, ehrt den Zuſammenhalt in die⸗ ſem rund 2300 Einwohner umfaſſenden Gemeinweſen und die Arbeit ſeines Bürgermeiſters Wildenſtein. Hunderte von gebürtigen Staufenern hatten ſich aus den verſchiedenſten Gegenden Deutſchlands eingefunden, um an dieſem Feſttag mit dabei zu ſein. Faſt überflüſſig zu ſagen, daß die Stadt mit blitzblanken Scheiben ihrer Häuſer in einem Meer von Blumen und Fahnen lag, daß jeder Winkel mit Tannengrün geſchmückt war. a 8 Dem hiſtoriſchen Heimatabend konnte wegen Ueberfül⸗ lung des Saales nur ein kleiner Teil der Feſtteilnehmer bei⸗ wohnen, ſodaß am Montag eine Wiederholung ſtattfinden wird. Den Sonntag leiteten ein Wecken und ein rt Hofe der alten Schloßruine ein, das von den beteiligten Kapellen in hiſtoriſchen Koſtümen gegeben wurde. In dem eigentlichen Feſtakt auf dem ſchönen und ſtimmungsvollen Marktplatz fand Konzert im Innenminiſter Pflaumer als Vertreter der Badiſchen Regierung Worke, die zu Herzen gingen. Sie gaben jedem die Ueberzeugung, daß man dieſer Stadt ein neues Aufblühen ermöglichen wird. Man weiß, daß der wirtſchaftliche Niedergang noch nicht überwunden iſt, daß man ihr aus ſtaatspolitiſchen Gründen die Aufhebung des Bezirksamts nicht erſparen konnte, aber man wird einen Ausgleich ſchaffen. Die Einrichtung der Gauſchule des NS. Lehrerbundes iſt jetzt feſtſtehende Tatſache; mit dem Bau des Gebäudes wird demnächſt begonnen werden. Ferner wird der weibliche Arbeitsdienſt ſeinen Einzug in Staufen halten. Aus Anlaß des Jubiläums hat der Reichsſtatthalter in Baden Staufen die Bezeichnung„Stadt“ verliehen, die nach der neuen Gemeindeordnung dem Ort nicht mehr zustehen würde. Ehrlicher Beifall gab dem Innenminiſter den Dank für die Fürſorge der Regierung um das Ergehen einer kleinen Stadt und der Menſchen, die darin leben und bemüht ſind, mit der Entwicklung des Vaterlandes Treiber bat den Miniſter, dieſen 5 löbnis der Treue zu übermitteln. Direktor Jaeckle konnte im Namen des Deutſchen Gemeindetages und des Landesvor⸗ ſitzenden Oberbürgermeiſter Dr. Kerber⸗Freiburg die Glück⸗ wünſche der deutſchen Gemeinden und die vom meindetag geſtiftete Plakette mit dem Bilde des Frhr. v. Stein über⸗ bringen. f Die allgemeinen Feiern des Nachmittags wurden ein leitet durch einen Feſtzug, der einen Quefſchnitt durch d 1 8 eee * n 8 4 78 0 ſeſ ‚ g 9 I 1 ee Wiener Modenſchaun in Mannheim. Was Paris dem Weſten Europas an eleganter Kleidung bietet, bringt von jeher Wien dem mittleren Teil Europas in leicht beſchwingter und charmanter Art. Die Wiener Schnei⸗ derei gibt einen Begriff von deutſcher Kultur. Ueberall, wo der Wiener Walzer erklingt oder getanzt wird, ſteigert ſich die Stimmung im Anblick der herrlichen Kleider, die in den Werkſtätten der Wiener Modellgeſellſchaft erdacht und geſtaltet werden. Wir dürfen ſtolz darauf ſein, daß nun die Modellgeſellſchaft, ein kulturelles handwerkliches Glied im deutſchen Handwerk, als Geſtalterin der deutſchen Mode der DAF. angeſchloſſen iſt. Vor jeder Saiſon wird von nun ab über das ganze Reich die Auswahl von Kleidern, Koſtümen und Mänteln gezeigt. Schon Ende Auguſt führt die Wiener Modellgeſell⸗ ſchaft eine Wandermodenſchau durch. Am Dienstag, den 6. September 38, kommt dieſe Schau nach Mannheim. Dabei ſollen vor allem die in der modebildenden Arbeit Tätigen die Möglichkeit haben, dieſe einzigartige Schau zu ſehen. Daneben haben auch die Kunden der Meiſter und Meiſte⸗ rinnen des Modenhandwerks Gelegenheit zum Beſuch. Nähere Auskünfte über Eintrittspreis und Vorführungsraum geben die Dienſtſtellen des Deutſchen Handwerks in der DA. * Lebensräume deutſcher Städte Staatsführer und Baukunſt Zwei Sonderabteilungen der Deulſchen Bau und Siedlungs⸗Ausſtellung In den rieſigen Räumen der Halle 5 des Frankfurter Ausſtellungsgeländes, im Erd⸗ und Obergeſchoß, ſind die beiden Sonderabteilungen„Lebensräume deutſcher Städte“ und„Staatsführer und Baukunſt“ der großen Deutſchen Bau⸗ und Siedlungs⸗Ausſtellung(3. September bis 9. Ok⸗ tober) untergebracht. Die künſtleriſchen Geſtalter der Aus⸗ ſtellung haben den langen ſchmuckloſen Räumen ein völ⸗ lig verändertes Ausſehen gegeben. Die nüchternen Wände und die tragenden Pfeiler der Halle ſind hinter Wand⸗ und Deckenverkleidungen aus Sperrholz Rauhfaſertapete und Zellwollebeſpannung völlig verſchwunden. Zehntau⸗ ſende Quadratmeter diefer Stoffe waren notwendig, um den Räumen das feſtliche Bild zu geben, das ſie jetzt bie⸗ ten. Man hat bewußt eine ſo einfache, durch ihre Einheit⸗ lichkeit wirkungsvolle Geſtaltung dieſer Räume ewählt, damit auf dem neutralen intergrund die Verſchieden⸗ artigkeit und Vielfältigkeit der ausgeſtellten Bilder und Modelle, Pläne und Zeichnungen umſo wirkungsvoller zum Ausdruck kommen. An der Ausſtellung„Lebensräume deutſcher Städte“ im Erdgeſchoß der Halle 5 beteiligen ſich der Städtebund der Oſtmark, die deutſchen Großſtädte München, Stuttgart. Breslau, Bremen, Kaſſel, Leipzig, Bochum und Frankfurt a. M. Von mittleren Städten mit ſehr intereſſanten Aus⸗ ſtellungen ſind vertreten: Freiberg i. Sa. Heidelberg, Augsburg, Erfurt, Neumünſter, Stendal und Ludwigs hafen. Beſonders ſtark iſt die Beteiligung aus dem rhein⸗ mainiſchen Gebiet. Neben der Gauhauptſtadt Frankfurt a. M. beteiligen ſich an der Ausſtellung„Lebensräume Deut⸗ ſcher Städte“ die heſſiſche Landeshaüptſtadt Darmſtadt, die alten ee Gießen und Marburg, die Städte Mainz und Wiesbaden und die als Wohnſiedlungsgebiete bekannten Gemeinden Sprendlingen, Buchſchlag, Neu⸗ Iſenburg und Niederhöchſtadt. Auch der Landkreis Düſſel⸗ dorf⸗Meltmann hat einen großen Ausſtellungsſtand belegt. Die Abteilungen der einzelnen Städte ſind durch die räum⸗ liche Aufteilung des großen Saales in ſich abgeſchloſſen. Bedeutend größer noch iſt die Abteilung„Staats⸗ 91 9 und Baukunſt“ im Obergeſchoß der gleichen Halle. uch dieſer Raum, der in ſeiner längſten Ausdehnung 200 Meter groß iſt. weiſt eine einheitliche Raumgeſtaltung auf. Auf dem ſchlichten Hintergrund werden ſich umſo ein⸗ drucksvoller die duc Bilder und Modelle abheben, die aus ganz Deutſchland und dem Ausland für dieſe Ausſtel⸗ lung zuſammengetragen wurden. Der Beſucher betritt zu⸗ erſt den Raum, der Bilder und Modelle der Bauten des Dritten Reiches zeigt. So iſt u. a. ſchon ein großes Modell des Deutſchen Hauſes von der Pariſer Weltausſtellung auf⸗ eſtellt worden. Der nächſte Raum Bude Bauten der alten ermanen, der Karolingerzeit und Bilder und Modelle der deutſchen Kaiſerdome, In einem anſchließenden großen Saal von 36 Meter Länge ſind Bauwerke des alten Rom und des neuen Imperiums Muſſolinis zu ſehen. Es ſchlie⸗ ßen ſich dann immer untergeteilt in einzelne Räume, die Ausſtellungen deutſcher Städte an, unter denen u. a. ver⸗ treten ſind: e a. M., Hildesheim, Quedlinburg, Kaiſerslautern, Heidelberg, F e Friedberg, Ingel⸗ heim, Braunſchweig, Würzburg, die deutſche Oſtmark. Dresden, Hannover, Karlsruhe, Mannheim, Darmſtadt und das heſſiſche Land. Ihren Abſchluß findet dieſe Ausſtellun dann wieder durch eine große Schau don Modellen u: Bildern von Bauten unſerer nationalſozialiſtiſchen Gegen⸗ wart. 8 eee e 3 4 u der Gemei Der bekannte Schriftſteller A. R. Lindt, der ſchon mehrere erfolgreiche Reiſebücher ſchrieb, hat eine Expedition nach Liberia unternummen. Er hatte es ſich zur Aufgabe geſtellt, der Frage der Sklaverei nach⸗ zuforſchen. Gibt es noch Sklaven in Afrika? Lindt ſchilderte bisher ſeine Ankunft in Monrovia, der Hauptſtadt Liberias. Er ſah Neger im Frack, die Quadrille tanzten. Er erzühlte von den erſten Küämp⸗ fen der freigelaſſenen Sklaven und wie Liberia als Gummiland entdeckt wurde. Heute berichtet er von ſeinen Erlebniſſen auf der Leopardenjagd. 3. Fortſetzung. i Amerikaniſche Berater überwachen Ausgaben und Einnahmen der liberianiſchen Regierung und ſehen den Beamten ſcharf auf die Finger. Offiziell ſind die Bezie⸗ hungen zwiſchen Fireſtone und Liberia vorzüglich. Aber Liberia hat Angſt. Durch die Konzeſſion an Fireſtone hat es das oberſte Prinzip ſeiner Staatskunſt preisgegeben— den gefürchteten Weißen keine Handbreit liberianiſchen Boden einzuräumen, die Weißen vorſorglich auf die Küſte zu beſchränken. Wohl mochte Liberia annehmen, daß Fireſtone ſein Unternehmen bald wieder aufgeben würde. An Entmutigungen fehlte es nicht. Kaum warfen die Gummibäume den erſten Ertrag ab, erreichte der Gummi⸗ preis einen neuen Tiefſtand. Den Amerikanern, die raſch die erſten ſachkundigen Angeſtellten engliſcher und hollän⸗ diſcher Nationalität erſetzten, mangelte die nötige Erfah⸗ rung in der Plantagenwirtſchaft. Die Qualität des zamerikaniſchen“ Gummis ließ zu wünſchen übrig. Aber Fireſtone hielt hartnäckig an ſeiner Schöpfung feſt. In b Jahr werden neue Gebiete mit Gummibäumen be⸗ pflanzt. Liberia ſieht immer mehr ein, wie ſtark der Privat⸗ mann Harvey Fireſtone ihm, dem kleinen wehrloſen Stagte, an Macht überlegen iſt. In Liberia gibt es heute zwei Gewalthaber: den liberianiſchen Präſidenten und Fireſtone. Und Liberia befürchtet, daß Fireſtone lieber ohne den Präſidenten herſchern möchte. In Amerika er⸗ ſchien ein Buch, das die ziviliſatoriſche Tätigkeit des Auto⸗ reifenkönigs preiſt und gleichzeitig der Regierung in Waſhington anrät, das Protektorat über Liberia zu er⸗ klären, das ſich ſelbſt doch nicht regieren könne. Die Re⸗ gierung in Waſhington jedoch weigerte ſich bis heute, aus ihrer traditionsgebundenen außenpolitiſchen Zurückhal⸗ tung zu treten. Immerhin iſt das amerikaniſche Inter⸗ eſſe an Liberia— des Kampfes um des Gummis wegen — ſo groß, daß die Vereinigten Staaten ſicherlich jeden Angriff einer anderen Macht auf die Selbſtändigkeit der Republik zu verhindern ſuchen würden. Je mehr ich vom Innern des Landes Liberia ſah, um ſo mehr erwachte auch mein Jagdeifer. Dazu muß man einen Jagdſchein haben, den ich durch die Sekretärin des Kriegsminiſters erhielt. Es war eine etwas ſeltſame Be⸗ gegnung mit dieſer Dame. Ich war in ihrem Büro; ſie rechnete und ſteckte dann den Federhalter in ihr Kraus⸗ haar.„Fünfzehn Schillinge haben Sie zu bezahlen“, ſagte ſie. Als ich die Silberſchillinge entrichtete, rollte ſie ihre dunklen Augen. Ein ſeltſames Wechſelgeſchäft „Und jetzt ſind Sie noch ſo gütig“, flötete ſie,„mir dieſes Geldſtück gegen einen Schilling zu wechſeln.“ Und ſie reichte mir eine franzöſiſche Nickelmünze, deren Wert einen halben Penny betrug.„Wie, ich ſoll Ihnen für dieſen wertloſen Nickel einen Schilling geben?“ rief ich. Ja“, ſagte ſie ruhig.„Ich werde Ihnen dann auch die Beſcheinigung gleich ausſtellen, andernfalls— nun, es kann recht lange dauern.“ Ich begriff. Dieſe Sekretärin wird ſo kärglich und zudem ſo unregelmäßig entlohnt, daß ſie auf Nebenein⸗ nahmen angewieſen iſt. Die Dame hatte, um den Schein zu wahren, die Beſtechung in die Form eines Wechſel⸗ geſchäftes gekleidet. Ich bezahlte nun gern. Mit dieſen ſechzehn Schillingen— rund zehn Reichs⸗ mark— hatte ich die Erlaubnis erworben, im liberiani⸗ ſchen Staatsgebiet zwei Gewehre zu tragen und ſämt⸗ liches Wild zu erlegen, das ſich innerhalb ſeiner Landes⸗ grenzen herumtreibt— alle Tiere vom Webervogel bis zum Elefanten. An der franzöſiſchen Elfenbeinküſte muß man den Abſchuß eines einzigen Dickhäuters mit 480 Reichsmark erkaufen, in den engliſchen Kolonien ſind die Sätze noch höher. Liberia alſo iſt das Paradies des ärmeren Jägers. Mit dieſer Erlaubnis alſo war ich nun unterwegs. Liberia iſt wildreich. Leoparden ſind häufig, das ſeltene ſchweinsfüßige Zwergnilpferd hauſt in ſeinen Sümpfen, der rote Büffel zertrampelt hie und da einen unvorſichti⸗ gen Waidmann, und im ungerodeten Buſch ſoll ein Zwergelefant hauſen, den Gelehrte als Fabelweſen er⸗ klären, an den aber viele Europäer der Küſte immer noch felſenfeſt glauben. In der Vogeljagd war ich erfolgreich. Täglich konnte ich Rebhühner ſchießen, oft auch den ſaphirblauen Rieſen⸗ 8 8 deſſen kehlige Rufe jeden Abend durch den Buſch allen. Aber man fährt nicht nach Afrika, um Vögel zu er⸗ legen, wären ſie auch noch ſo wohlſchmeckend oder farben⸗ prächtig. Auf der Suche nach Großwild lief ich tagelang hinter ſchweigenden Eingeborenen her, kroch durch Lianen, fiel von Baumſtämmen in ſtinkende Sümpfe. Wenn wir ſchließlich zerkratzt und von Ameiſen zerbiſſen heimkehrten, beſtand unſere Beute nur in einem großen, weißſchwan⸗ zigen Teufelsaffen, deſſen Geſicht mich in der Totenſtarre höhniſch angrinſte. Büffel und Antilopen hatten wir lange verfolgt, wir hatten ſie aus nächſter Nähe flüchten hören. Zum Schuß waren wir nie gekommen. Denn zwiſchen dem Tier und dem Jäger lag immer der undurchdringliche liberianiſche Buſch, in dem auch ein Elefant auf zwei Meter unſicht⸗ bar bleibt. Steppenland aber gibt es in Liberia nicht. Ich begann allmählich zu verſtehen, warum die Neger⸗ Der Kriegstanz, zu dem der helmgeſchmückte Herold auf⸗ gerufen hat, findet zum Klang von Trommeln ſtatt, die aus ausgehöhlten Baum⸗ ſtämmen beſtehen. In dem Negerſtaat Liberia ſind nur die ſogenannten„Küſten⸗ neger“„ziviliſiert“, d. h. ſie ſind mit europäiſcher oder amerikaniſcher ziviliſatori⸗ ſcher Tünche überzogen. Da⸗ gegen trägt der Inlandneger weder Anzug noch Uniform, ſondern den Lendenſchurz, er tanzt nicht die europäiſchen Tänze, ſondern die alten Kriegstänze der Vorfahren. Aufnahme: Lindt— M. republik ſo wenig von europäiſchen Jägern heimgeſucht wird. Wit der Jagdlampe im Gummiwald „Wenn Sie zum Schuß kommen wollen, müſſen Sie nachts jagen“, riet mir ein Europäer, der ſchon lange an 1 7 7 der Küſte anſäſſig war. Wir ſchnallten uns die elektriſchen Jagdlampen um die Köpfe und fuhren im Auto in eine Gummiplantage. Auf den Zehenſpitzen ſchlichen wir durch die Nacht, während das Licht der Lampen ſcheinwerfer⸗ artig die weißen Stämme der Gummibäume aufleuchten ließ. Kein Laut war vernehmbar. Jeder deutſche Wald iſt nachts lebendiger als dieſe weſtafrikaniſche Pflanzung. Mit wendehalsartigen Kopfdrehungen ſuchte mein Beglei⸗ ter die linke und die rechte Hälfte des Blickfeldes ab, ohne etwas anderes zu ſehen als weiße Baumſtämme. Nach zwei Stunden ſchmerzte mein Genick.„Mir ſcheint“, raunte ich meinem Freund zu,„daß man im Berliner Tiergarten ebenſoviel Möglichkeit hat, auf einen Leopar⸗ den zu ſtoßen wie in dieſem ausgeſtorbenen Gummiwald.“ Mein Begleiter fauchte mich an:„Ihre Schuhe machen einen Heidenlärm!“ Europäer werden in den Tropen leicht reizbar. Schweigend ſchritten wir weiter. Da, zwiſchen den Stämmen zwei feurige Punkte. Das Tier, von dem ich nur dieſe zwei glühenden Augen ſah— es konnte ebenſo⸗ gut eine Katze wie eine Antilope ſein—, ſtand regungs⸗ los, gebannt von dem blendenden Schein meiner Lampe. Sollte dies Jagd heißen, in aller Ruhe zwiſchen dieſe bei⸗ den verängſtigten Lichter zu zielen? Ich machte eine Be⸗ wegung. Zu meiner Genugtuung tauchten die Augen in der Dunkelheit unter. „Sie verſcheuchen mir jedes Wild“, flüſterte mein Be⸗ gleiter, aber er hätte lieber geſchrien. Wir wanderten weiter durch die totenſtille Nacht, bis ſich um drei Uhr morgens mein Freund endlich zur Umkehr bequemte. An einer Wegbiegung erglänzten unmittelbar vor uns zwei gewaltige Augen.„Löſchen Sie Ihre Lampe aus! Still⸗ ſtehen!“ Mein Gefährte hob die Büchſe, zielte— ließ ſie wieder ſinken.„Kommen Sie“, ſagte er kleinlaut. Immer größer, übernatürlicher wurden die Augen— die beiden Scheinwerfer unſeres Wagens, in denen ſich das Licht der Jagdlampe ſpiegelte. Viele hundert Kilometer hatte ich nun ſchon in Libe⸗ ria zu Fuß zurückgelegt, und immer noch war mir kein großes Wild vor die Büchſe gekommen. Schwer lag mir die Zwergflußpferdhaut auf dem Gewiſſen, die ich dem uſeum meiner Vaterſtadt voreilig verſprochen hatte. Da gelangte ich am Schluß meiner Reiſe in ein Dorf des oſtliberianiſchen Stammes der Grebo, um deſſen Toten⸗ pfahl die Knochen zahlreicher Flußpferde und Leoparden bleichten. Der Berufsjäger Jeijei der Ortſchaft ſtand im Rufe, eine Medizin zu beſitzen, die ihn allem Wilde un⸗ ſichtbar machte. Vor ſeiner Hüttentür waren zu einem mächtigen Haufen aufgeſchichtet die Schädel von manns⸗ großen Schimpanſen. Am zweiten Tage nach meiner Ankunft ſchon melde⸗ ten die Dorfjungen die Spuren einer Waſſerkuh, wie die Neger das Zwergnilpferd nennen— juſt als meine Frau und ich an einem ſchweren Malariaanfall auf unſeren Feldbetten daniederlagen. Ich ließ Jeijei, den Jäger, rufen, händigte ihm meinen Mauſer aus mit zwei Pa⸗ tronen, verſprach ihm das Fleiſch des erlegten Tieres, während ich mir nur deſſen Haut ausbedang. Die Nachegeiſter der Flußpferde Stundenlang wartete ich. Die Mädchen kehrten vom Fluſſe zurück, die großen Tonkrüge, mit Waſſer gefüllt, anmutig auf dem Kopfe tragend. Aus den Hüttentüren leuchteten die Feuer in den Abend hinaus, ſchon began⸗ nen die fliegenden Hunde, im Baumwollbaum zu kläffen. Hatte ich die Ehrlichleit der Eingeborenen überſchätzt? Für dieſen Jäger mußte meine Büchſe ein unſchätzbares Vermögen bedeuten. Nichts leichter für ihn, als ſamt Mauſer und Patronen für immer im Urwald zu ver⸗ ſchwinden. Plötzlich füllte eine nackte Geſtalt den Türrahmen: ſchweigend reichte mir Jeijei, der Jäger, die Büchſe zu⸗ rück.„Und die Waſſerkuh?“ fragte ich.„Ich habe ge⸗ ſchoſſen und gefehlt.“ Aber ſeine Augen leuchteten ſelt⸗ ſam. Er kehrte in ſeine Hütte zurück, deren Eingang er mit einem Mattenbehang ſorgſam verſchloß, nachdem er zuerſt alle Frauen und Kinder ſeines Haushaltes hinaus⸗ gewieſen hatte. Spätabends beſuchte er mich von neuem, ſchon auf der Schwelle ausrufend:„Ich habe die Waſſerkuh erlegt!“ „Wieſo? Vor zwei Stunden ſagteſt du ſelber, du hätteſt ſie gefehlt“, wandte ich ein. „Das mußte ich ſagen, ſolange ich nicht in meiner Hütte die Opferhandlung vorgenommen hatte!“ entgeg— nete er. Nilpferd und Büffel, auch einige große Antilopen⸗ arten beſitzen magiſche Kräfte, die den Tod des Tieres am Menſchen rächen. Das Blut des Wildes kommt über den Jäger, macht ihn wahnſinnig oder ſchlägt ihn mit unheil⸗ barer Krankheit. Vor dieſen Folgen kann er ſich nur bewahren, indem er ſo raſch wie möglich ſich mit der Blutmedizin, die er »verſchloſſen in ſeiner Hütte bewahrt, Geſicht und Hände wäſcht und die Zauberkräfte durch Darbringung von Palmöl verſöhnt. Solange er dies nicht getan, hat das Blut des Tieres Macht über ihn. Aber er führt die Rache⸗ geiſter irre. Er beträgt ſich, als ob das Tier noch am Leben ſei, er verkündet, ſein Schuß ſei fehlgegangen, er bemüht ſich, die ſtiedergeſchlagenheit eines erfolgloſen Waidmanns zur Schau zu ſtellen. Für den afrikaniſchen Jäger iſt das Wild nicht erlegt, wenn es im Feuer zu⸗ ſammenbricht, ſondern erſt nach der Opferhandlung. Erſt jetzt begab ſich der Jäger Jeijei zum Häuptling, um ihn der Sitte gemäß von ſeiner Beute zu benachrich⸗ tigen. Die jungen Burſchen brachen ſingend auf, um die Waſſerkuh aus dem Urwaldſumpf herbeizuſchaffen. Die Kugel hatte ſie mitten ins Auge getroffen, genau in die Mitte, denn die Augenlider waren nicht verletzt.„Aus welcher Entfernung haſt du geſchoſſen, Jeijei?“—„So nahe konnte ich mich an die Kuh heranſchleichen“, ſagte der Jäger ſtolz und trat knapp zwei Meter vom Tiere weg. Voll ſcheuer Bewunderung blickten ihn die Eingebo⸗ renen an, hatten ſie doch einen neuen Beweis, daß er ſich unſichtbar machen konnte. Als ich das Tier auszuweiden begann, ſtutzte ich. Dem Zwergnilpferd fehlte der Schwanz. „Wo iſt der Schwanz?“ fragte ich Jeijei. „Ja, der Schwanz“, ſagte der Jäger gedankenvoll und lief von mir weg. Als ich ihn holen ließ, führte er mich in meine Hütte, ſchloß die zwei Türen und befahl ſeinem Sohne, draußen Wache zu ſtehen, damit niemand uns belauſchen könne. Er vertraute mir, daß er den Schwanz ſogleich abgeſchnitten habe. Denn in ihm woh⸗ nen Kräfte, die ſich ein zauberkundiger Menſch zunutze machen kann, um ſeine Mitmenſchen zu verderben. Na⸗ ſiten böſe Weiber wiſſen damit großes Unheil zu iften. Angſt vor Zauberinnen Ja, es iſt nicht einmal nötig, daß ſie den Schwanz beſitzen, ſchon ein Blick auf dieſes Anhängſel verleiht ihnen die Zaubermacht. Um das Dorf vor Unglück zu bewahren, hatte der Jäger den Schwanz ſicher verſteckt. Ich machte geltend, daß ich mir die Haut ausbedungen hätte, und ein Teil der Haut ſei auch dieſer gefährliche Schwanz. Jeijei gab dies zu, verſprach nach langem Palaver auch, ihn mir zu bringen. Aber ich mußte ver⸗ ſprechen, ihn vor den Blicken alter Weiber zu ſchützen. Jeijei ließ ſich zwei Tage nicht ſehen. Schließlich kam er, verfinſterte wieder die Hütte und reichte mir— eine Banane. Als ich ihn erſtaunt anblickte, öffnete er die Frucht. Sie war hohl, in ihr aber lag das armſelige, ſchwach behaarte Schwänzchen eines Zwergnilpferdes. Ich verwahrte es ſorgſam. Aber am folgenden Abend ſtarb plötzlich das jüngſte, einjährige Kind des Jägers Jeijei. Auch die anderen Teile Liberias lockten mich. Ich fuhr an der Küſte entlang. In Sinoe, einer kleinen Hafen⸗ ſtadt, gehe ich wiederum an Land. Vorſichtig wird ein ſchwerer Sarg von dem kleinen Dampfer auf das Bran⸗ dungsboot verladen. Das Zollſchiff von Sinde hat die liberianiſche Flagge auf Halbmaſt geſetzt. Liberianiſche Särge ſind am Kopfende mit drei klei⸗ nen Fenſtern verſehen. Durch ſie erblickt man das Mulat⸗ tengeſicht des Toten, ſieht die weiße Halsbinde, den Frack. Was man nicht ſehen kann, iſt die Freimaurerſchürze, die dem Leichnam umgebunden iſt. Der Tote iſt Samuel Roß, proteſtantiſcher Pfarrer, Miniſter der Negerrepublik, einer der einflußreichſten Bürger des Landes. 5(Fortſetzung folgt.) Vergeßt nicht den Kauf der Volksgasmaske!