Nr. 203 Neckar⸗Bote(2. Blatt) Mittlvoch, 31. Auguſt 1938 Das Buch aller Deutſchen Ns Mitten im Ablauf der politiſchen Geſchehniſſe, im betäubenden Sturm der Tagesereigniſſe ergibt ſich immer wieder ein Haltezeichen, das eine Stunde der Beſinnung verlangt. Es iſt diesmal eine Zahl. Zahlen bezeugen meiſtens Höchſtleiſtungen, Rekorde. Aber dieſe Zahl der Vier⸗ Millionen⸗ Auflage, die das Buch des Führers „Mein Kampf“ in dieſen Tagen erreicht hat, hat gar nichts zu kun mit jenem Amerikanismus, der ſich allein an der Höhe der Zahlen berauſcht, der in der äußerlichen Quantität ſchon einen Triumph erblickt. Dieſe Auflage von bier Millionen ſteht mit ihrer tieferen Bedeutung kurmhoch über rein nüchternen verlagstechniſchen Erwägungen oder buchhändleriſcher Konjunktur. Sie ſagt mit ſchlichter, aber überzeugender Wucht: Das deutſche Volk beſitzt ein Buch, das im liefſten und wahrſten Sinne ein„Volksbuch“ geworden iſt. Tauſend und aber tauſend Volksgenoſſen ſchlagen ſeine Blätter auf, gewinnen daraus die Beſtätigung ihres Wollens, die Klärung und Fe⸗ ſtigung ihres politiſchen Bewußtſeins, eine unerſchöpfliche Kraft für Einſatz in Opfer und Tat. Des Führers Werk iſt mehr als ein Buch im gewöhn⸗ lichen Sinne. Das Biographiſche, das Hiſtoriſche und Pro⸗ grammatiſche iſt darin zu einer unlösbaren Einheit verſchmolzen, und in dieſer Einheit offenbart ſich die eherne Gewalt eines mit durchſchnittlichen Maßſtäben un ermeß⸗ lichen Willens und ſeiner Erkenntniſſe. In der Zeit ſeiner Entſtehung, einer Zeit der heilloſen Verwirrung, der troſtloſeſten Auswegloſigkeit unſerer politiſchen Situation war es die Stimme eines einſamen Rufers, der, nur geſtützt auf die eigene Kraft und einer damals noch kleinen, aber verſchworenen Gefolgſchaft, es gewagt hatte, das Un⸗ mögliche zu wollen. Das Unmögliche: ein befreites, wiedererſtarktes, einiges Deutſchland! Immer waren es nur die Größten unſeres Volkes, die mit einem ſtahlharten„ich will“ einer ſcheinbar hoffnungsloſen Unmöglichkeit die Stirn boten. Immer wie⸗ der aber erhob ſich der Troß der kleinen Geiſter, die in ihrer armſeligen„Klugheit“ taub waren für den Anruf des herriſchen Willens und des bergeverſetzenden Glaubens; das waren jene vorſichtigen Taktiker, deren letzte Weisheit immer war, niemanden vor den Kopf zu ſtoßen, jene Poli⸗ tiker, die es ſchon als geſchichtliches Ereignis' betrachteten, wenn ſich die Kerkermeiſter Europas gelegentlich herablie⸗ ßen, überhaupt mit ihnen ni tsſagende Worte zu wechſeln. Sie waren es dann, die geringſchätzig dem zielklaren Wol⸗ len den„politiſchen Verſtand“ abſprachen und das weiſe Bismarckwort von der Politik als der Kunſt des 1 auf ihr armſeliges Niveau herunterzerrten, um es als Recht⸗ fertigung und Ausrede für ihre kleinmütige Ergebung in die Sklaverei zu benutzen. 5 Doch der Wille eines einzigen Mannes überdauerte die ärmliche, aft⸗ und kraftloſe Weisheit politiſcher Kleinbür⸗ ger. Sein verſpottetes und geringgeſchätztes Buch iſt heute das gültige Zeugnis einer unumſtößlichen Wirklichkeit geworden. Zug um Zug verwandelte ſich das Programmatiſche ins Hiſtoriſche, Wort um Wort wurde Tat und Realität. N So wirkt dieſes Buch aller Deutſchen auf den einzelnen Volksgenoſſen als Zeugnis der Kraft, des Willens und des Glaubens des Nationalſozialismus. Es iſt der Niederſchlag des Mutes, der Zuverſicht und des unbeugſamen Willens eines einzigen Mannes. Dieſer Wille aber iſt heute der Wille der Nation geworden. Seine n Er⸗ kenntniſſe wurden das Bekenntnis aller Volksge⸗ noſſen. So weitete ſich die Zelle von Landsberg zum Dom des Volkes. Was einer wollte und ſchrieb, das iſt auferſtan⸗ den in Millionen gläubiger Herzen. Die Saat dieſes Buches keimte und wuchs in überſchäumender Fruchtbarkeit. Aus ſeinen Blättern weht der Atem der Geſchichte, aus ihnen wuchs das Reich. * Der Werdegang dieſes Buches iſt eng verbunden mit dem Aufſtieg und dem Durchbruch der nationalſozialiſtiſchen Idee. Als nach dem Niederbruch von 1923 Adolf Hitler mit vielen ſeiner Getreuen auf der Feſtung e am Lech ſaß, fiel es auf, daß er durch mehrere Stunden des Tages nicht zu ſprechen war, ebenſo ſein nächſter Vertrauter Rudolf Heß. Nach einiger Zeit lichtete ſich das Geheimnis: Der junge politiſche Führer, den andere gern als einen„Tromm⸗ ler“ abtun wollten, ſchrieb an einem Buch über den Kampf ſeiner Bewegung. Als es abgeſchloſſen war, trug das Manuſkript den Titel:„Viereinhalb Jahre Kampf, gegen Lüge, Dummheim und Feigheit, eine Abrechnung Zu⸗ nächſt waren zwei Bände vorgeſehen, ſo ſehr hatte fh das Thema ausgeweitet Noch bevor die Arbeit abgeſch oſſen wurde, begann die Werbung durch Zeichnungsliſten⸗ Bei dem Mangel an Geld war es notwendig, vor der Druckle⸗ ung für einen geſicherten Abſatz zu ſorgen Der Ruf fand 8 Widerhall, denn ſchon im Juli 1925 und im De⸗ zember des gleichen Jahres erſchien die erſte und zweite uflage mit zuſammen 18 000 Bänden. Der zweite Teil wurde auf dem Oberſalzberg abgeſchloſſen und erſchien Ende 1926 im Buchhandel. Unter dem Titel„Mein Kampf, eine Abrechnung von Adolf Hitler“ wanderte das Werk des Füh⸗ rers nun in alle deutſchen Gaue. Bis 1929 hatte der erſte Teil die Auflage von 29 000 erreicht. Im Jahre 1930 konnte endlich der Wunſch des Verfaſ⸗ ſers in Erfüllung gehen, eine billige Volksausgabe zu ſchaf⸗ 85 die das Werk in einem einzigen handlichen Bande zu⸗ ammenfaßte. Die Auflage ging mit dem Wachſen der natio⸗ nalſozialiſtiſchen Bewegung ſprunghaft in die Höhe. 1932 brachte allein den Abſatz von 80 000 Stück. Im Jahre des Sieges 1933 wurde die erſte Million überſchritten, 1935 die zweite Million überholt und 1937 war die Auflage auf 3,45 Millionen geſtiegen. Damit war wohl der größte Erfolg er⸗ reicht, den je ein politiſches Buch auf dem Erdenrund ge⸗ funden hatte. Fahrt in Oberheſſen Die Ronneburg und das uralte Büdingen Du. Erſte Kunde von der Beſonderheit dieſes kleinen Stadtwunders im vergeſſenen Heſſenwinkel zwiſchen Wet⸗ lerau und Vogelsberg erhielten wir von einer Schar wan⸗ dernder Scholaren, die mit uns aus dem fränkiſchen Main⸗ kal heraufgeſtiegen waren auf die talbeherrſchende Baſalt⸗ kuppe der alten Ronneburg. Auch dieſes höchſt ſehenswerte Bergſchloß mit ſeinem herrlichen Rundblick über Taunus, meinhin nur unter landkundigen Wan Odenwald, Speſſart und ee e iſt ge⸗ erern bekannt und beliebt, obwohl ſein Name noch im vorigen Jahrhundert in vieler Leute Mund war, Damals waren die umfangreichen Burggebäude noch die Zufluchtsſtätte mehrerer religiöſer Sekten, denen die ſchon früher in dieſem Teile Heſſens ver⸗ kündete Glaubensfreiheit ein ungeſtörtes Hauſen erlaubte. 1736 hatte hier Graf Zinzendorf, der Begründer der evan⸗ geliſchen Brüdergemeinde, mit ſeiner Familie gelebt und ge⸗ wirkt. Später folgten„Separatiſten“ und„Inſpirierte“, Aufn.: Max Löhrich⸗Leipzig(RDV⸗M). Alt⸗Büdingen: An der Stadtmauer e eine aus Frankreich und der Pfalz. Es bildete ſich ogar eine„Gemeinde Ronneburg“ von über 200 Seelen mit eigenem Bürgermeiſter, Schule und Betſälen— eine buntgemiſchte Geſellſchaft, die mit den uralten Mauern ihrer Heimſtätte leider oft wenig glimpflich umging. Erſt 1885 ſtarb der letzte dieſer merkwürdigen„Ronnebürger“, und die ehrwürdige Feſte wurde wieder zur ſtimmungsrei⸗ chen Stätte der Romantik, hoffentlich für immer. Noch ſtehen ihre Ringmauern, ihre feſten Wehr⸗ und Tortürme. Durch vier Toranlagen und eine Vorburg gelangt man zum Burgkern, dem Innenhof mit den älteſten Gebäuden, er⸗ richtet Mitte des 13. Jahrhunderts vom Grafen Hohenlohe⸗ Braunfels. Mächtig ragt noch der unzerſtörbare Bergfried, kuppel⸗ und erkergeſchmückt; noch beſtehen der Palas mit dem Rit⸗ terſaal, deſſen gewölbte Decke eine einzige Rieſenſäule trägt, der weitläufige Kemenatenbau, die Kapelle, die Erker und Terraſſen. Jahrhundertelang gehörte die ſtolze Trutzburg hoch über der belebten Handelsſtraße Thüringen— Frankfurt mit all ihren Ländereien, Dörfern, Wäldern, Gärten, Wein⸗ bergen dem uralten gräflichen, ſpäter gefürſteten Hauſe Iſenburg deſſen verſchiedene Linien die Wetterau und den ſüdlichen Vogelsberg beherrſchten. Heute noch ſind die Stammſchlöſſer des alten Heldengeſchlechtes in Wächters⸗ bach Birſtein, Büdingen bewohnt, und mitten in die ſagenhafte Vergangenheit der„Büdinger“ führt unſer Reichsverweſer v. Horthy in der Stadt der Reichs⸗ parteitage. Der Stellvertreter des Führers, Reichsminiſter Heß, er ungariſche Reichsverweſer Admiral von 1 Frau vor Horthy und Oberbürger⸗ meiſter Liebel beim Rund⸗ gang durch das Reichs parteitaggelände. Weltbild(W Weg nun abwärts durchs Waldmeer des Büdinger För⸗ ſtes, der ſich den Wäldern des Vogelsberges entgegenſtreckt. Herrlich ſind die Baumbeſtände dieſer uralten fürſtlichen Jagdgründe— Eichen, Buchen, oft urwalddicht verſtrſickt, wo ehemals Bär, Fuchs und Wildkatze zu Hauſe waren. Heute führt nur eine friedliche Tierwelt hier ein paradieſiſch ungeſtörtes Daſein. Es iſt die rechte Stimmung, um in un⸗ ſeren Märchenwäldern Sagenhaftes glaublich zu finden. Wir ſtreifen das einſame Jaodſchloß Tiergarten tommen zur gigantiſchen Königseiche, dem„Schickſals⸗ baum“ des Iſenburger Geſchlechtes. Kaiſer Barbaroſſa, der Sagenheld dieſer Gegend, der im nicht fernen Gelnhau⸗ ſen ſeine Pfalz bewohnte, ſoll unter dieſer Eiche einem Köhler begegnet ſein, als er ſich auf einem Jagdritt im Bü⸗ dinger Forſt verirrt hatte. Der Köhler wies den Weg ins Freie und wurde vom Kaiſer zum Ritter geſchlagen. Nach der Wahl ſeines Wappens befragt, zeichnete er mit rußigen Fingern zwei Striche in den Schnee— zwei ſchwarze Bal⸗ ken im weißen Feld: das Iſenburger Wappen! Es wird Zeit, daß wir„um Büdingens Türme das Abendrot“ flammen ſehen. Die Wälder öffnen ſich. Eine Gruppe mächtigen Baſaltgeſteins ſpringt ins Tal vor: der Wildeſtein, und vor uns im Talgrund bergumhegt, liegt nunmehr die alte Stadt, ein Merian'ſcher Stich, vergeſſen von der Zeit der Maſchinen, der Hochhäuſer und Flugzeuge. Büdingen erinnert wohl ein wenig an Rothenburg. Aher es iſt doch ganz anders als dies in ſeiner Geſamtheit ein⸗ malige und unvergleichliche Stadtgebilde ob der Tauber. Auch Büdingens völlig in ſich geſchloſſenes Bild iſt einma⸗ lig, die typiſch⸗ſpätgotiſche, mittelalterliche Stadt, wie ſie von ſelbſt gewachſen und geblieben iſt, ohne jede Aufmachung“ in all ihrer liebenswürdigen Zierlichkeit, Eigenwilligkeit, heiteren Buntheit. Kein Haus dem anderen gleich. Keine Gaſſe gradlinig. Uralte Beiſchläge vor den Häuſern am Markt, Erker, Außentreppen, Stkaffelgiebel, Fachwerk in kunſtvollſter Holzarbeit. Ein Rathaus(14587 ganz ſchlicht, voll würdigen Ernſtes dem das Storchneſt auf hohem Firſt eine luſtige Naſe zu drehen ſcheint. Trotz aller Urwüchſigkeit alles Winkligen iſt der reſidenzliche Charakter des ſauberen und gepflegten Städtleins nicht zu verkennen Aber ehe wir uns ins alte Iſenburgſche Stammſchloß vertiefen, feſſelt uns das Merkwürdigſte: eine Stadtumwallung von einmaliger Eigenart. Nirgends ſonſt hat man dieſe ſpitzen Kegeltürme geſehen, die mit maſſigen Rundtürmen abwech⸗ ſeln. Wo findet man als mittelalterliches Bauwerk(1503) großartigere Eingangspforten für eine ſo winzige⸗Stadt wie das Krellz⸗ und Jeruſalems⸗Tor? Eine völlig römiſche Stadtbefeſtigung: zwei flache, gewaltige Rundtürme mit balkonartigem Zwiſchenbau über der ſpitzbogigen Oeffnung. Der Ueberlieferung nach ſoll der Plan für dieſes intereſſante Bollwerk durch einen Büdinger Grafen vom Kreuzzug e An und dem Schaftor in Jeruſalem nachgebildet ein. An Stelle des Wallgrabens breiten ſich jetzt blühende Wieſen, Gärten, Obſtpflanzungen. Landhäuſer klettern in reizende Parklandſchaft des EEE òð.: Bereit ſein heißt alles! Beſchaffe Dir deshalb Deine Volksgasmaske! RNundfunk⸗ Programme Reichsſender Stukkgart. Jeden Werktag wiederkehrende Programm⸗Rummern: 5.45 Morgenlied, Zeit, Wetter, landwirtſchaftliche Notie⸗ rungen, Gymnaſtik; 6.15 Wiederholung der 2. Abendnach⸗ richten; 6.30 Frühkonzert(7 bis 7.10 Nachrichten); 8 Waſ⸗ ſerſtandsmeldungen, Wetter, Marktberichte, Gymnaſtik;: 8.30 Morgenmuſik; 9.30 Sendepauſe; 11.30 Volksmuſik und Bauernkalender, Wetter; 12 Mittagskonzert; 13 Zeit, Nach⸗ richten, Wetter; 13.15 Mittagskonzert; 14 Konzert bezw. Schallplattenkonzert; 15 Sendepauſe; 16 Nachmittagskon⸗ zert; 18.30 Griff ins Heute; 20 Nachrichten; 22 Zeit, Nach⸗ richten, Wetter, Sport: 24 Nachtkonzert. Donnerstag, 1. September: 10 Volksliedſingen; 10.30 Sendepauſe; 17 Zum 5⸗Uhr⸗ Tee; 18 Wir Jungen tragen die Fahnen... Hörberichte; 18.45 Hörberichte von der Filmkunſtausſtellung in Venedig; 19 Soeben eingetroffen, Schallplatten; 20.10 Tanzabend; 22.15 Reichstagung der Auslandsdeutſchen; 22.30 Volks⸗ und Unterhaltungsmuſik. Freitag, 2. September: 10 Komm, wenn du lachen kannſt, Hörfolge; 10.30 Vom Sport der Deutſchen jenſeits der Grenzen; 10.45 Sendepause; 15.30 Briefe an Familie Fröhlich; 18 Kartoffelſupp, Kartof⸗ felſupp.., aus Küche und Keller beim Kommiß; 19 Un⸗ terhaltungskonzert; 20.10 Feſtliches Konzert; 22.15 Reichs⸗ tagung der Auslands deutſchen; 22.30 Tanz und Anterhal⸗ ung.. Samstag, 3. September: 10 Marathon, das ewige Beispiel, der Lauf zur Anſterb⸗ lichkeit; 10.30 Sendepauſe; 15 Neues aus der Schallkiſte; 16 Der frohe Samstagnachmittag des Neichsſenders Kön; 18 Tonbericht der Woche; 19 Zum Wochenende; 20.10 Die Peitſche, Funkkabaretl; 22.15 Reichstagung der Ausland⸗⸗ deutſchen; 22.30 Tanz und Unterhaltung. Reichsſender Frankfurt a. M.: Donnerstag, 1. September: 9.40 Mutter turnt und ſpielt mit dem Kind; 11.45 Quellen der Geſundheit; 15 Für unſere Kinder; 15.30 Sende pauſe; 19 Allerlei vom Sport der Woche; 19.10 Klang der Landſchaft; 20.15 Schöne deutſche Volkslieder; 20.40 Sin⸗ foni-sonzert; 22.45 Volks⸗ und Anterhaltungsmuſik. Freitag, 2. September(Tag der Stadt Wiesbaden): 1140 Bericht von der Herbſtblumenſchau; 1145, Viel Fremde— überfüllte Häuſer; 15 Wiesbadener Künſtler kon⸗ zertieren; 15.30 Wiesbadener Jungen und Mädels ſingen und ſpielen; 17.30 Konzert des Wiesbadener Konſerbato⸗ riums; 19 Kurgarten, Hörbild; 20.15 Unterhaltungskonzert, 22.20 Kammermuſik; 23 Unterhaltung und Tänz Samstag, 3. September 9.40 Deutſchland— Kinderland 15 Bilderbuch der Woche; 15.15 Bieneken hat keine Angſt 15.30 Adolf Hitler und ſeine Jugend; 19 Sportſchau des Tages und für den Sonntag; 19.10 Die luftigen Di ten ſpielen zum Feierabend; 20.15 Schöne Melodien; 22.30 Wir tanzen in den e i i, 7 Er ging aus dem Hauſe und verſchwand In San Franzisko iſt kürzlich ein reicher Kauf⸗ mann nach dem Verlaſſen ſeines Klubhauſes ſpurlos verſchwunden. Man kann keinen Grund für das Verſchwinden entdecken. Ein neuer Fall auf der Liſte der myſteriöſen Affären, die bis heute noch nicht entſchleiert werden konnten. Der engliſche Oelmagnat und Millionär Frederik B. Lloyd hatte den ganzen Abend im Klubhaus ſeiner Geſchäftsfreunde in New York geweilt. Dann nahm er vor dem Haus eine Kraftdroſchke und forderte den Fahrer auf, zum Broadway hinüberzufahren. Dort ſtieg er aus und— wurde ſeit dieſem Augenblick nicht mehr geſehen. Man hat nie ſeinen Leichnam gefunden. Man hat nicht die geringſte Spur für ſeinen Verbleib entdecken können. Lloyd befand ſich in beſten Verhältniſſen. Er hatte keinen Grund, aus dieſer Welt zu verſchwinden. In England beſaß er ein großes Gut, wo ſeine Frau vergebens auf ſeine Heimkehr wartete. Jahre gingen ins Land; ſchließ⸗ lich mußte die Frau annehmen, daß ſie Witwe ſei und verlangte die Todeserklärung. Sie lebt heute als reiche Rentnerin in der engliſchen Provinz. Die Akten zum Fall F. B. Lloyd aber ſind bei der Kriminalpolizei von New York immer noch vorhanden in der Gruppe der un⸗ erledigten Fälle. Auch der Millionär Joſeph B. Martin ſcheint vom Erdboden verſchlungen worden zu ſein. Er verließ ſein Haus mit einer dicken, ſchwarzen Zigarre im Mund. Er wollte ein paar Geſchäfte in Ordnung bringen. Er kam bei ſeinem Klubhaus vorbei und fragte, ob Poſt für ihn gekommen ſei. Der Portier des Klubs mußte verneinen. Und ſeit dieſem Augenblick hat man nie mehr etwas von J. B. Martin gehört oder geſehen. Man ſetzte die beſten Detektive Englands und Amerikas auf ſeine Spur. Kein Opfer wurde geſcheut, um das Schickſal des J. B. Martin einwandfrei aufzuklären. Für einen Selbſtmord lag kein Grund vor. Wurde er vielleicht durch irgendwelche Um⸗ ſtände in eine Falle gelockt? Kam er als Opfer der Unter⸗ welt um? Bis heute weiß man nichts Genaues über den Fall Martin. Oder ein anderer Fall aus England: Vor zwanzig Jahren verſchwand aus einer kleinen engliſchen Stadt der Reverend C. Curtis. Er hatte geſagt, er habe in London zu tun. Aber er nahm nie den Zug nach London. Am gleichen Tage verſchwand in einer anderen kleinen eng⸗ liſchen Stadt die Frau eines Bankiers. Auch ſie hatte geſagt, ſie reiſe nach London. Auch ſie nahm niemals den Zug nach London. Beſteht irgendeine Verbindung zwi⸗ ſchen den beiden Fällen? Handelten beide in Ueberein⸗ ſtimmung? Bis jetzt haben die engliſchen Behörden keine Erklärung für das rätſelhafte Verſchwinden dieſer beiden Menſchen finden können. Anders war es mit einem Geiſtlichen aus Philadel⸗ phia. Er verſchwand plötzlich aus ſeinem Haus, wurde in ſeiner Gemeinde und in ganz Philadelphia nicht mehr geſehen. Doch als vier Jahre ſpäter zufällig ein Mitglied ſeiner Gemeinde in Kanada ein kleines Geſchäft auf⸗ ſuchte, ſtand der Geiſtliche aus Philadelphia als Kauf⸗ mann hinter dem Ladentiſch. Er behauptete, er könne ſich an Philadelphia nicht mehr erinnern. Er habe vollkom⸗ men ſein Gedächtnis verloren. Die Behörden mußten ſich mit dieſer Erklärung zufriedengeben. Der ſeltſamſte Fall des Verſchwindens eines Menſchen mit überraſchender Aufklärung iſt ohne Zweifel die Af⸗ färe Buſaletti. Maria Buſaletti, die Tochter des Pia⸗ Riſten Buſaletti aus Turin, befand ſich im Jahre 1913 als Paſſagier auf dem Dampfer„Ancona“, als dieſer im Mittelmeer von einem U-Boot verſenkt wurde. Faſt alle Paſſagiere wurden gerettet. Aber von Signorina Buſa⸗ letti fand man keine Spur. Sie wurde alſo als Tote be⸗ trauert. Doch ſechs Jahre ſpäter klärte ſich der Fall Buſa⸗ letti in ſenſationeller Weiſe auf. Die Mutter des für tot erklärten Mädchens unternahm eine Reiſe nach Klein⸗ aſien und freundete ſich hier mit einer Türkin an. Die Türkin erzählte von einem jungen weißen Mädchen, das heute als Frau eines reichen Türken in Inſtanbul lebe. Das Mädchen ſei nach dem Untergang eines Dampfers mit Namen„Ancona“ von einem griechiſchen Fiſcherboot aufgenommen worden, nachdem das Mädchen zwei Stun⸗ den im Mittelmeer mit dem Tode gekämpft habe. Der Schreck hatte dem Mädchen die Erinnerung geraubt, Jedenfalls kehrte die Erinnerung erſt wieder, als es von jenem Türken bereits geheiratet worden war. Die Er⸗ mittlungen ergaben, daß es ſich wirklich um Maria Buſa⸗ letti handelte. Kurze Zeit ſpäter feierten Mutter und Tochter ein fröhliches Wiederſehen. 7* 2 1 Eine ungewöhnliche Wäſche Wie ein Schmuckſtück ſich wiederfand In der berühmten Juwelenſammlung des Grünen Gewölbes zu Dresden liegen die herrlichen Schätze mittel⸗ alterlicher Goldſchmiedekunſt wohlverwahrt. Vor hundert Jahren hatte man ſo weitgehende Vorſichtsmaßnahmen noch nicht getroffen. Freilich war damals das Gewölbe nur regierenden Häuſern oder Adligen, und auch ihnen nur in Begleitung des Konſervators, zugänglich. Eines Tages wurde wieder eine kleine Gruppe hoher Beſucher von dem greiſen Konſervator in der koſtbaren Sammlung herumgeführt. Da bemerkte ſein ſcharfes Auge zu ſeinem Schrecken, daß eine junge Gräfin einen beſon⸗ ders ſchönen Solitär von unſchätzbarem Wert heimlich in ihrem Pompadour verſchwinden ließ. Der alte, erfah⸗ rene Mann wollte nun aus Taktgefühl und Großmut die diebiſche Dame nicht auf der Stelle faſſen und durch einen Skandal bloßſtellen. Er wollte lieber die Angelegenheit auf ſchonende und kluge Art beilegen. Er tat alſo, wie berichtet wird, als ob er gar nichts von den verdächtigen Manipulationen bemerkt hätte. Als aber nach der Beſichtigung die diſtinguierte Geſellſchaft fortgehen wollte, bat er die Beſucher, noch einen Augen⸗ blick zu verweilen; er werde ihre Geduld auf keine harte Probe ſtellen, es ſei nur„uraltem Herkommen gemäß“ eine kleine Formalität zu vollziehen. Er' verſchwand nun auf einen Augenblick aus dem Juwelenkabinett und kam mit einer Schüſſel voll— Weizenkleie wieder, in der er jede der vornehmen Damen die Hände zu waſchen bat. „Es iſt das eine traditionelle Sitte“, bemerkte er bei⸗ läufig, indem er dabei die junge Gräfin unauffällig und ſcharf fixierte,„die allerdings einen tragiſchen Urſprung hat. Einſtmals nämlich war, ähnlich wie heute, auch eine Geſellſchaft hochgeſtellter Damen hier, um die Juwelen zu beſichtigen. Bei dieſer verführeriſchen Gelegenheit ver⸗ liebte ſich eine derſelben ſo rettungslos in einen beſon⸗ ders prächtigen Ring, daß ſie denſelben zerſtreut und traumverloren einſteckte. Der damalige Konſervator hatte den ungewöhnlichen Raub wohl bemerkt; aber als Kava⸗ lier wollte er die Dame nicht blamieren, und ſo kam er auf die eigentümliche Idee einer allgemeinen Kleiewäſche, welch originellen Einfall er für einen alten Brauch aus⸗ gab. Die damalige Juwelendiebin verſtand den taktvollen Wink, ſich ohne öffentlichen Skandal unauffällig des ge⸗ ſtohlenen Schmuckgegenſtandes wieder zu entledigen. Sie ließ, als die Reihe an ſie kam, ſich zu waſchen, heimlich das Juwel in die Kleie fallen. So hatte ſich der ſchlaue Konſervator ſeine Vertrauensſtellung, der Sammlung den Ring und der hochgeſtellten Dame die Ehre gerettet.“ Während der Beantte dieſe Geſchichte erzählte, wuſchen ſich die ahnungsloſen Damen lachend in der Weizenkleie ihre Hände. Die fragliche Gräfin kam zuletzt. Als ſie aus den Händen des diskreten Mannes das ſilberne Becken erhielt, warf ſie ihm unbemerkt einen dankbaren Blick zu. Und richtig fand der alte Konſervator in der Weizenkleie den Solitär wieder. Seitdem aber werden die funkelnden Schätze unter gar keinen Umſtändey mehr offen liegen gelaſſen. Jeder Deutſche benötigt zu ſeinem Schutz eine Volksgas⸗ maske! Die Erdbeeren aus Chile Europa hat die diesjährige Erdbeerzeit hinter ſich. Man hat Erdbeeren gegeſſen. Man wird ſie im Laufe des Herbſtes oder des Winters eingemacht oder als Marme⸗ laden verzehren. Und im nächſten Jahre wird man wieder friſche Erdbeeren mit Spannung und mit dem berühmten Gaumenreiz erwarten. Aber wer hat ſchon über die Geſchichte der Erdbeere nachgedacht? Gab es immer Erdbeeren in Europa? Hat man ſchon vor Jahrhunderten oder Jahrtauſenden dieſe Frucht gekannt. Die Meinungen der Botaniker gehen hier ein wenig auseinander. Es gibt Wiſſenſchaftler, die be⸗ haupten, die Walderdbeere habe es in Europa immer ge⸗ geben. Andere, vor allem franzöſiſche Botaniker, verſichern jedoch, daß die Walderdbeere eigentlich nur eine ver⸗ änderte Form der großen Erdbeere ſei, die aus Chile nach Europa eingeführt worden iſt. Jedenfalls aber gibt es eine Naturgeſchichte der Erdbeere, bei der die Hiſtoriker ein bedeutendes Wort mitzuſprechen hatten. Man weiß, daß der franzöſiſche König Karl IX. in Paris perſönlich Erdbeeren in ſeinem Garten am Louvres aupflanzte, aber er betrachtete die Erdbeere nicht etwa als ſchöne und reizvolle Frucht, ſondern hielt ſie nur für eine Dekorationspflanze. So ſetzte er denn auch Erdbeer⸗ pflanzen als Einrahmung ſeiner Blumenfelder in den Garten am Louvres. Doch zur eigentlichen Geſchichte der Erdbeere: Genau wie der Tabak kam die Erdbeere aus Amerika. Die erſten Erdbeeren wurden aus Chile einge— führt, und zwar durch einen Marineoffizier, der— die Natur hat manchmal Launen— den Namen Fräzier führte. Das iſt für die Franzoſen deshalb beſonders intereſſant, weil die Erdbeere bei ihnen kraise heißt. Dieſer Seeoffizier hatte lüngere Zeit in Valparaiſo ge⸗ lebt. Er wurde zu einem großen Feſt eingeladen, bei dem eine Frucht gereicht wurde, die den Namen Frutila führte. Die Frutila wuchs auf großen Feldern. Der Offizier wagte es, einige dieſer Früchte zu eſſen und— war von dem guten Geſchmack entzückt. Schleunigſt kaufte er fünf große Bündel Erdbeerpflanzen, die er nach Frankreich mitnehmen wollte. Die Reiſe bis nach Breſt dauerte unter den damaligen Verhältniſſen ſechs Monate. Frszier mußte alſo einen anſtändigen Vorrat an Süßwaſſer mit⸗ nehmen, um unterwegs ſeine Pflanzen immer ſchön friſch zu erhalten. In Frankreich verſchenkte er ſeine Pflanzen an Freunde— u. a. auch an den Botaniker Juſſieu, während er ſelbſt in der Bretagne ſeine eigenen erſten Erdbeeren anbaute. Aus dieſen Pflanzen ſoll ſich dann die ganze europäiſche Erdbeerkultur entwickelt haben. Zweiſtündiger Arbeitstag— und doch ungeſund. Die ungeſündeſte Kupfermine der Erde liegt mitten in den peruaniſchen Anden. Dort werden ſeit undenklichen Zeiten wertvolle Erze abgebaut. Die Bergmänner ſind aber nur zwei Stunden am Tage fähig, ihrer mühevollen Arbeit nachzugehen; einer Arbeit, die in über 5000 Meter Höhe vollzogen wird. In den zwei Stunden täglich iſt der Energieverbrauch dieſer Leute dem einer ſieben- bis acht⸗ ſtündigen Arbeit in normaler Höhe entſprechend. Die Schmalſpurbahn, die heraufführt, iſt ſeit neueſtem übrigens, wie die meiſten peruanfſchen Gebirgsbahnen, mit Sauerſtoffgeräten ausgerüſtet, die der gefürchteten„So⸗ roche“, einer Art Bergkrankheit, vorbeugen. Spatzen in Chile. In Chile haben ſich die Sperlinge ſo vermehrt, daß ſie eine wahre Landplage geworden ſind. Vor 25 Jahren war der Sperling in Chile noch ein un⸗ bekannter Vogel. Die chileniſchen Sperlinge ſtammen von einem Pärchen ab, das ein Schotte aus ſeiner Heimat nach dieſem Lande mitgebracht hatte, um ſich durch das lär⸗ mende Gehabe jeden Morgen und jeden Abend an ſeine ſchottiſche Heimat erinnern zu laſſen. Dieſe beiden Sper⸗ linge fühlten ſich in Chile ſehr wohl, vermehrten ſich außerordentlich und vertrieben in vielen Landesteilen die angeſtammten Singvögel. N aid 8 BG. 4¹—— 5 5 legte Gertraude beide Arme um die Fürſtin und zte: „Ich liebe ihn zu ſehr, als daß ich ſeine höfliche Ver⸗ achtung noch länger ertragen könnte.“ „Ich glaube nicht, daß er dich verachtet. Es iſt nur die Abwehr, weil du deiner Schweſter ſo ähnlich biſt. Trotzdem liebt er gerade dieſe Aehnlichkeit. Ich hoffe, daß noch alles aut wird.“ „Niemals!, Tante Agnes! Er kann mich nicht lieben! Es— wäre— ja auch— zu viel— des Glücks.“ Da wußte die alte Dame, wie ſehr das junge Weib litt. „Immer Kopf oben, Kind! Und fürchte du ja nicht die hübſche Miß Maderio. Sie iſt ganz beſtimmt nicht die Frau, die Rudolf Hartlingen jetzt nach all den Ent⸗ täuſchungen, die hinter ihm liegen, zur Frau haben möchte. Ich habe da ſo meine eigenen Gedanken, und die trügen mich nie. Trotzdem muß ich wahrheitsgemäß ge⸗ ſtehen, daß Dolores Maderio ein entzückendes Perſönchen iſt. Voll überſprudelnder Laune und entzückendem Witz. Nun, ich fürchte für die anderen jungen Damen viel mehr, als für dich, Gertraude, obwohl, wie geſagt, Dolores Intereſſe natürlich ſofort dem Grafen Hartlingen gelten wird. Ich kenne nämlich ihren Geſchmack von Baden⸗ Baden her.“ „Wenn du es willſt, dann bleibe ich. Vor allem, wenn Du mich brauchſt, Tante Agnes! Ich bin dir ſo unendlichen Dank ſchuldig, daß ich nie weiß, wie ich ihn abtragen ſoll!“ jagte Gertraude ergeben. „Von Dankbarkeit wollen wir nun ſchon gleich gar nicht reden, da kommt immer etwas Dummes dabei heraus, wenn beide Parteien den gleichen Nutzen haben, mein Kind! Und in dieſem Falle weiß ich ſowieſo nicht, wer der größere Nutznießer iſt.“ i „Ich, Tante Agnes! Ich kann es dir nie vergelten, was du an mir tuſt.“ s „Meinſt du? Nun, ich denke anders. Aber wozu ſollen wir uns darüber ſtreiten? Was ich dir ſagen wollte, iſt Lolgendes: Die Vormundſchaft habe ich und Juſtizrat Heber übernommen. Es iſt ja nur eine vorläufige Form⸗ ſache, da du entweder in kurzer Zeit heiraten oder meine Adoptivtochter wirſt!“ „Nein!“ wehrte Gertraude erſchrocken ab.„Das Letztere darf nicht ſein— um deiner Verwandten willen.“ „Oh, ſie werden nicht zu kurz kommen! Aber in meine perſönlichen Wünſche laſſe ich mir von ihnen nicht hineinreden.— Laſſen wir das. Morgen abend mußt du ſingen, Kleine.“ „Ja, Tante Agnes!“ ſagte Gertraude. „Die Herren ſind alle von der Jagd zurück, und ich will einmal ein bißchen tanzen laſſen. Dazwiſchen Einlagen. Komteſſe Bredow deklamiert ſehr hübſch, und Herr von Kramer ſpielt ausgezeichnet Violine. Du ſingſt ſehr gut — und da habe ich ein ſehr billiges künſtleriſches Klee⸗ blatt beiſammen. Was ſingſt du denn?“ „Deine Lieblingslieder: ‚Sternblume in der Nacht', dann„‚Du biſt meine Heimat! und vielleicht noch Des Wanderers letztes Lied!“ „Sehr gut!“ nickte die Fürſtin befriedigt.„Die Gräfin Uchterberg wird dich begleiten; das hat ſie immer ſehr gut gebracht.“ Gertraude rückte die Blumen in der hohen, ge⸗ ſchliffenen Vaſe zurecht, dabei fragte ſie: „Wann wird Miß Maderio eintreffen?“ „Uebermorgen. Darum gebe ich den Tanzabend ſchnel noch morgen, damit ſie nicht gleich zu Anfang allzu viele Herzen knickt. Bekanntlich iſt ja gerade der Tanz ein ge⸗ ſchickter Gelegenheitsmacher bei ſolchen Dingen.“ Die Fürſtin dachte ein Weilchen nach, dann ſagte ſie: „Hartlingen wird auch mit dir tanzen, Gertraude.“ Gertraude wurde blaß und zitterte. Daran hatte ſie noch nicht gedacht. Aber es war ja ſo ſelbſtverſtändlich, daß er, wenn er mit den anderen Damen tanzte, ſie nicht übergehen konnte als Kavalier. „Ob es nicht am beſten wäre, ich würde allen Herren das Tanzen abſchlagen?“ fragte ſie unſicher. a „Nein! Das kommt nicht in Frage. Laß nur alles ſo, wie es kommt. Zweitens ſetze ich gerade auf den morgigen Tag große Hoffnungen in verſchiedener Beziehung.— Uebrigens: was wirſt du anziehen?“ „Dank deiner Güte habe ich ja ſo viele ſchöne Kleider, daß mir die Wahl ſchwer werden wird!“ ſagte Gertraude. Ihr Herz ſchlug hoch auf bei dem Gedanken, daß Rudolf Hartlingen anderntags eine gute Meinung von ihr haben ſollte. Sie wollte ſingen, wie ſie noch nie geſungen, und kleiden wollte ſie ſich auch ſehr ſorgfältig. 8 Die Fürſtin plauderte noch dies und jenes, und ſie ent⸗ ließ dann Gertraude mit der Bemerkung, daß ſie noch Verſchiedenes zu erledigen habe. Gertraude möge doch ein bißchen in den Park gehen. Die Sonne ſcheine doch warm, und es ſei überhaupt ein wundervoller Tag. Der Park ſei ja groß, und wenn ſie allein zu ſein wünſche, dann gäbe es ſicherlich einen Winkel, wo ſie ungeſtört vor ſich hinträumen könnte. „Ich muß doch irgend etwas tun, Tante Agnes. Du verwöhnſt mich viel zu ſehr.“ „Meine Tochter hat nichts zu tun, als ihrer Geſund⸗ heit zu leben. Die ſcheint mir nämlich ſehr angegriffen zu ſein!“ ſagte die Fürſtin entſchieden. Gertraude küßte die alte Dame voll überſtrömender Dankbarkeit, dann ging ſie ſchnell hinaus. Fürſtin Agnes aber ſetzte ſich an den zierlichen Maha⸗ goni⸗Schreibtiſch und ſchrieb einen langen, langen Brief 85 5 Hartlingen. Sie berichtete ihm alles, bis ins einſte. f Dann legte ſie ermüdet den Federhalter beiſeite. Wie ſchmerzhaft das alte Herz wieder ſchlug! War vielleicht nun doch das Ende ſchon eher da, wie ſie ge⸗ dacht? Nun, der Herrgott ſollte ſie gefaßt finden. Er hatte ihr ein langes, ſegensreiches Leben geſchenkt; ſie durfte nicht murren, wenn ſie in die Ewigkeit abgerufen wurde. Nur— ſie hätte doch ſo gern noch geſehen, wie Graf Hartlingen die ſchöne kleine Gertraude an ſein Herz nahm, ſie, die länaſt und mit vollſtem Recht zu ihm aebörte. Fürſtin Agnes ſtand auf. Sie ſchritt langſam zum Fenſter und ſah in den Park hinab, wo die Dahlien und die Aſtern in bunten Farben blühten und leuchteten. 5 Damen und Herren vergnügten ſich durch harmloſe Spiele, einige Paare hatten ſich abgeſondert und ſtanden in engſtem Geſpräch ein Stück weiter entfernt beiſammen. Die alte Dame lächelte. Viele ihrer Wünſche erfüllten ſich, das ſah ſie. Ob ſich aber auch noch ihr größter, ſehnlichſter Wunſch erfüllen würde? Und nur um dieſes großen, innigen Wunſches willen hatte ſie den ganzen Trubel auf ſich genommen. Sie hatte immer ſo zurückgezogen gelebt in dieſen letzten Jahren, wenngleich ſie früher ſehr gern durch ſolche Ein⸗ ladungen Ehen geſtiftet hatte. Jetzt hätte ſie es ſicherlich nicht noch einmal getan, wenn es ihr eben nicht darum zu tun geweſen wäre, daß auch Graf Hartlingen, nach Schloß Kleven kam. Denn allein hätte ſie ihn doch nicht bitten können. So aber war nun alles getan, was getan werden konnte, um Gertraude noch zu einem ſchönen und großen Glück zu verhelfen. 5 B VT 8 8 4