M rr die Hoffnung ar Nr. 135 Neckar⸗Bote(2. Blatt) Dienstag, 13. Juni 1939 —— Jubiläum des Schwarzwaldvereins Die Feier auf dem Feldberg. Der Schwarzwaldverein feierte auf dem Feldberg das Feſt ſeines 15jährigen Bestehens. Wer ſich die Mühe gab, die im Erdgeſchoß des Feldbergerhofes ausgeſtellten ſtatiſtiſchen lleberſichten, Bilder von Wanderheimen, Schutzhütten und ſonſtigen Einrichtungen des Vereins zu ſtudieren, der bekam einen Eindruck von der gewaltigen Arbeit, die zum Beſten der Allgemeinheit in dieſen 75 Jahren geleiſtet worden iſt. Um nur zwei Zahlen zu nennen: für Wanderwege und deren Unterhaltung find nicht weniger als fünf Millionen Mark bisher aufgewendet worden, und die vom Verein in dieſen 75 Jahren bezeichneten Wanderwege umſpannen dreimal die Grenzen des Großdeutſchen Reiches. hie Bedeutung des Schwarzwaldvereins, des älteſten le deutſchen Gebirgs⸗ und Wandervereins, hatte den deutſchen Wanderführer, den früheren heſſiſchen Miniſterpräſidenten, Profeſſor Dr. Werner, veranlaßt, perſönlich zu erſcheinen. Von den über 1000 Teilnehmern, die krotz der vielen anderen wichtigen Veranſtaltungen in Baden an dieſem Tage herbei⸗ geeilt waren, erwähnen wir weiter Landeskommiſſär Schwoe⸗ ker⸗Freiburg als Vertreter der badiſchen Regierung, Ober⸗ egierungsrat Dr. Fehrle⸗Karlsruhe als Vertreter des badi⸗ 1 ſchen Miniſters für Kultus und Unterricht, Bankdirektor Fehr⸗ bach⸗Stuttgart vom Schwäbiſchen Albverein, Studienrat Dr. Pfeiffer⸗Skuttgart, ſtellvertretender Präſident des Schwarz⸗ waldvereins. Unter der großen Anzahl der eingelaufenen Glückwünſche befanden ſich auch die der Gauleiter in Baden und Württemberg. Der Samstagnachmittag wurde ausgefüllt durch die gungen der Wegwarte, der Jugendwarte und der Diet⸗ bakte, bei denen der Vertreter des Reichsdietwarts Roſen⸗ thal, Heinzel aus Berlin, über„Ziele und Wege national⸗ ſozialiſtiſcher Gemeinſchaftsgeſtaltung“ ſprach. In ſeiner Be⸗ grüßungsrede an dem geſelligen Abend des Samstags ver⸗ folgte der Präſident des Vereins, Univerſitätsprofeſſor Dr. Schneiderhöhn⸗Freiburg, die Zielſetzung des Ver⸗ eins durch die Zeit ſeines Beſtehens und ſtellte feſt, daß das, was der Verein getan und erſtrebt hat, vom heutigen Stand⸗ punkt zeitnah geweſen iſt. Wandern ſei heute Arbeit am Volksganzen und von vielen Organiſationen im Sinne der Wandervereine übernommen worden, ohne daß dieſe Betäti⸗ gung als Konkurrenz angeſehen wird. Neu iſt die Verinner⸗ lichung des Wanderns durch die Dietarbeit, die vom Schwarzwaldverein rege gepflegt wird. Der Redner gedachte der Verſchmelzung des würktembergiſchen und badi⸗ ſchen Schwarzwaldvereins, die organiſatoriſch lange vorberei⸗ tel geweſen ſei und kaum von jemand nicht begrüßt worden iſt. Die Feſtanſprache hielt Profeſſor Dr. Imm, Schriftleiter der Monatsblätter des Vereins, über das Thema„Wandern und Wanderverein“. Er erläuterte den hohen Sinn des Wanderns für den Einzelgänger und den Gemeinſchaftswan⸗ derer. Höchſte ſeeliſche Bereicherung gewährt nur das Wan⸗ dern zu Fuß. Der Redner gedachte der Frauen und Männer, die als Mittler zwiſchen Natur und Menſch die deutſchen Wander⸗ und Gebirgsvereine gründeten und damit die Vor⸗ ausſetzungen dafür ſchufen, daß Millionen den Blick für die Natur und Kameradſchaftlichkeit erhielten, ſowie derjenigen, die ſelbſtlos die Arbeit innerhalb der Vereine verrichteten. grofeſſor Dr. Imm warf die bange Frage auf, ob es gelin⸗ gen wird, den Wandernachwuchs ſicherzuſtellen. Er bekannte ſich in dieſer Hinſicht zum Optimismus und ſprach „daß es möglich ſein würde, die Verbindung fe 28 Roman von Elſe Wernecke Siebzehntes Kapitel „Kommen Sie, gnädige Frau, gehen wir ein bißchen in den Speiſewagen!“ Profeſſor Hergesheimer ſteht auf und reckt ſeine hohe Geſtalt. Er findet, daß die junge Frau ihm gegenüber dort am Fenſterplatz nun lange ge⸗ ug geſchwiegen hat und daß ihr Geſicht beim Durchſehen einer Unmenge von Briefſachen immer ungeduldiger und ärgerlicher, ihre Hände, die einen Umſchlag nach dem anderen aufreißen. immer nervöſer geworden ſind. Sie blickt zu ihm auf und lacht ein wenig, als ſie mit einem Griff den Stapel Briefe in ihrem kleinen Leder⸗ köfferchen verſchwinden läßt. Er iſt recht froh, daß das Berliner Konzert überſtan⸗ den iſt. Heimlich hat er doch gefürchtet— aber ſie iſt ja ſo eine vernünftige, zielbewußte Frau. Speiſewagen, keinen Tropfen Als ſie einander gegenüberſitzen im fragt Hergesheimer, indem er ſich bemüht Hirtten: Mein dein Finſchon tonnen Hort Na, war es nun ſo arg, Berlin? War es nicht doch ſehr ſchön?“ Und er hebt ihr ſein Glas entgegen. 0 ja—“, ſagt ſie. Aber man weiß nicht recht, iſt es eine Antwort auf die erſte oder die zweite Frage. Ich muß Ihnen auch noch ein Lob ſpenden, liebe Freundin: Sie waren wirklich muſterhaft brav!“ Eliſabeth dankt, nippt am Glaſe und lächelt dann fein. ind ich muß Ihnen ein Geſtändnis machen, lieber Herr Profeſſor— ſooo brav war ich ja nun wieder nicht! Hergesheimer fühlt ſich etwas ungemütlich. Haben Sie Ullmann geſehen?“ platzt Hergesheimer ſehr undiplomatiſch heraus. Eliſabeth nickt.„Ja— ich habe ihn geſehen.“ Und ſie weider ſich einen Augenblick an ihres alten Freundes ſaſfungsloſem Entſetzen, bevor ſie hinzufügt:„Am Abend vor dem Kkonzert. Ich habe mir den Film angeſehen— mit Martin und Fräulein Maren, Sie wiſſen wohl—“ Und Hergesheimer atmet auf. Bloß Film— Gott ſei Dank!„Und wie hat er Ihnen gefallen?“ Als ſie in Bremen ausſtetgen, muß er heimlich über ſich ſelbſt lachen Das Experiment iſt wirklich ſchon faſt zu gut gelungen. Aber ſo überlegen iſt Eliſabeth Ullmann ja nun wieder nicht, daß ſie ſich nicht wie ein Kind freuen 8 als ſie noch am Abend an Bord der„Europa gehen. Natürlich hat ſie, trotz größter Zurückhaltung, gleich wieder einen Schwarm von Bewunderern um ſich, und der alte Hergesheimer liegt auf dem Sonnendeck neben ihr, amüſiert und behaglich. Er hat eine unwiderſtehliche Art, die anderen hinwegzukomplimentieren— mit der Jugend zu finden. Was die Wandervereine geſchaffen haben, würde auch für die Zukunft bleibendes Gut für die Wandervereine ſein. Der Sonntag wurde eingeleitet durch eine Weihe⸗ ſtunde auf dem Seebuck, bei der in Darbietungen und Reden die Verinnerlichung des Wanderns und die Verbindung mit Natur und Heimatboden den Zuhörern nahegebracht wurde. In der Hauptverſammlung am Sonntag ſprach nach Begrüßungsworten von Profeſſor Dr. Schneider⸗ höhn der deutſche Wanderführer. Er betonte mit herzlichen Worten die Verbundenheit des Wanderns mit Blut und Boden und der deutſchen Seele, eine Verbundenheit, die der Schwarzwaldverein als älteſter deutſcher Wanderverein ſtets gepflegt habe. Je i mehr tritt ſeine die Aufgabe, die zu fördern. Profeſſ Verein für die ſeit 75 Jahre deutſche Tanne grünt, wir Fugendli le geleiſtete Arbeit. Solange die vird die deutſche Wanderbewegung den Gedanken des Kampfes für Heimat und Vaterland, Füh⸗ rer und Volk weitertragen. Landeskommiſſär Schwoerer überbrachte das Bedau⸗ ern des badiſchen Miniſters des Innern, nicht erſcheinen zu können und deſſen Glückwünſche. Der Miniſter ſchätze die vor⸗ bildliche ſelbſtloſe Arbeit des Vereins, die ſtets in beſtem Ein⸗ vernehmen mit der Staatsverwaltung geleiſtet worden ſei. Landeskommiſſär Schwoerer aratulierte ferner im Namen des badiſchen Londesfremdenverkehrsverbandes und des Vereins Badiſche Heimat, deſſen enge kameradſchaftliche Verbunden⸗ Schwarzwaldverein er betonte.— Oberregierungs⸗ rat Dr. Fehrle ſprach für den erkrankten badiſchen Mini⸗ ſter Dr. Wacker. Aus den Zielen des Vereins hob er den Kampf gegen die Verſtädterung hervor, die eine Unraſt mit ſich bringe Zu der Nachwuchs⸗ heit zum Ja Je die dem Ganzen ſchädlich ſei. 5 frage ſtellte er die Hilfe des Unterrichtsminiſters in Ausſicht und empfahl, ſich der Schüler anzunehmen, die über Staat und Partei dem Verein zugeführt werden würden, wenn er den Anſchluß an dieſe halte. Auch aus der großen Anzahl der weiteren Redner aus Partei, Behörden und Verbänden ſprach die Wertſchätzung und Anerkennung, die man allerſeits dem Schwarzwaldverein zollte. Die Verſammlung genehmigte den Jahresbericht 1938 und die Rechnungslegung ſowie den Voranſchlag für 1939. Als Tagungsort für 1940 wurde Lahr beſtimmt; für 1941 iſt Schramberg vorläufig vorgeſehen. Der Wanderfüh⸗ rer Profeſſor Dr. Werner konnte acht Mitglieder durch Ver⸗ leihung der ſehr ſelten verliehenen ſilbernen Ehrennadeln aus⸗ zeichnen. Der Schwarzwaldverein verlieh ſein ſilbernes Ehren⸗ zeichen 26 Mitgliedern. Profeſſor Dr. Schneiderhöhn ſchloß die Verſammlung mit einem Gedenken an die politiſchen Erfolge des letzten Jahres und einem Dank an den Führer, der ausklang in die Natio⸗ nallieder. Landestreffen der Bürgerwehren — Rottenburg. Ein überaus maleriſches Gepränge ent⸗ faltete ſich in der alten Stadt Rottenburg. Die Stadt ſtand im Zeichen des Landestreffens der wür ttem bergiſchen und badiſchen hiſtoriſchen Bürgerwehren, das zugleich der Erinnerung an die glanzvolle 600⸗Jahrfeier der Rottenburger Wehr vor nunmehr 25 Jahren galt. Schon zur Eröffnung des Treffens und zur Gefallenen⸗Ehrung hatten ſich viele Gäſte von auswärts eingefunden. Großen Beifall fand der altbanriſche Zapfenſtreich, den die Muſikkavelle der feſtgeben⸗ „Schließlich ſollen Sie ſich doch ausruhen, liebe, gnä⸗ dige Frau!“ „Ach ja“, ſagt Eliſabeth und verſchränkt die Arme unter dem Kopf auf dem Liegeſtuhl.„Ruhe! Ich ſehne mich ſo ſehr nach ein bißchen Ruhe.“ „Aber, liebe Freundin, jetzt noch die Amerika⸗ tournee und dann ſind Sie doch frei— für dieſe Saiſon!“ „Für dieſe Saiſon“, wiederholt Eliſabeth Ullmann, und der alte Mann neben ihr hat wieder das beun⸗ ruhigende Gefühl, daß ſie trotz ihres freundlichen Lächelns das Wichtigſte verſchweigt.„Nur noch die Tour⸗ nee— und ſo lange fort von dem Kind!“ ſetzt ſie leiſe hinzu. „Aber liebe, gnädige Frau, der Kleine köunte doch gar nicht beſſer verſorgt ſein, und in vier Wochen ſind Sie wieder zu Haus und haben einen ganzen Sommer vor ſich!“ „Ja“, Eliſabeth lebt ſichtlich auf bei dem Gedanken, „einen ganzen Sommer! Und dann nehme ich das Kind und gehe irgendwo hinauf in die Berge, ganz allein in eine Almhütte— den ganzen Sommer!“ Hergesheimer wiegt den Kopf.„Wird denn das gehen, Frau Eliſabeth? Ich meine, werden Sie das aus⸗ halten?— So allein?“ Eine friſche Briſe ſpielt mit dem weißen Schleier, den die junge Frau um ihr Haar gelegt hat. Sie greift nach dem s flatternden Ende und ſchaut weit über das unendliche Blau hinweg— „Allein? O ja, ich kann jetzt allein ſein, ſehr gut ſo⸗ gar. Ich habe das nie geglaubt. Sehr vieles habe ich nicht geglaubt, was ich jetzt weiß. Und manchmal wird mir ganz Angſt vor meiner eigenen Weisheit—“ Sie lächelt ihren alten Freund von der Seite an. „Sie waren ſchon immer eine ſehr tapfere Frau— „O nein, ſehen Sie, gerade das war ich nicht!“ Eli⸗ ſabeth ereifert ſich.„Ich war niemals tapfer früher, ich war ganz richtiggehend feige. Das verſtehen Sie nicht? Ich habe ſolche Angſt vor dem wirklichen Leben gehabt, das ja ſo anders iſt, als es ſich in den Köpfen der jungen Mädchen malt, ſolche Angſt vor allem, unbewußt natür⸗ lich, daß meine Kräfte nicht ausreichen würden, das wirk⸗ liche Leben zu ertragen und zu meiſtern, daß ich mir ein eigenes Leben konſtruieren mußte. Ich habe mir mit gro⸗ zem Ernſt klargemacht, welches Daſein für mich das ange⸗ nehme und vermeintlich richtige wäre. Und alles, was ich an Kräften und Energien beſaß, dafür eingeſetzt, mir dieſes Daſein zu erzwingen. Die Kraft, die ich dafür auf⸗ gewendet habe, hat in anderen die Vorſtellung erweckt, ich ſei ſehr tapfer. Und in Wirklichkeit war es doch nur Feig⸗ heit!“ Hergesheimer iſt ein wenig verwirrt von dieſen Er⸗ öffnungen, als ſie ihn fragend anſchaut. Aber er nickt— „Und man iſt ſehr verzweifelt und hadert mit dem Schickſal. Was glauben Sie, lieber Herr Profeſſor, was mir meine jetzigen künſtleriſchen Erfolge damals bedeutet hätten, damals, als ich noch bereit war, für mein Lebens⸗ ideal, den Garde ausführte. Auf dem Kameradſchaftsabend in der dichtbeſetzten Feſthalle begrüßten Bürgermeiſter Seeger⸗Rot⸗ tenburg und der Hauptmann der Rottenburger Wehr, Far⸗ ger, die Gäſte. Der Landeskommandant der hiſtoriſchen Bür⸗ gerwehren, Zeltwanger⸗Stuttgart, konnte 16 Ehrenurkunden für langjährige Zugehörigkeit zu den Bürgerwehren ver⸗ leihen. Zu der Landesverbandskagung im Sitzungsſaal des Rathauſes waren die Kommandanten faſt ſämtlicher würt⸗ tembergiſcher Wehren und der Kommandant der badiſchen und heſſiſchen Wehren, Riederer⸗Karlsruhe, erſchienen. Von Intereſſe war hierbei vor allem die Ausſprache über die Frage der Teilnahme der Wehren an kirchlichen Prozeſſionen. Es wurde dabei insbeſondere auf die notwendige Ausein⸗ anderhaltung rein kirchlicher Fragen und gemeindlich gebun⸗ dener Aufgaben, wie ſie den Bürgerwehren in vergangenen Zeiten oblagen, hingewieſen. Den Höhepunkt des Landes⸗ treffens bildete der Feſtzug, an dem die Wehren von Neuhau⸗ ſen(Filder), Tübingen, Ehingen, Saulgau, Crailsheim, Vil⸗ lingen, Waldkirch, Ettlingen, Inſel Reichenau, Dietenheim, Laimnau, Mittelbiberach, Bretten, Karlsruhe und Stuttgart teilnahmen. Beſonders freudigen Beifall erntete die Rokten⸗ burger Garde mit einem glänzenden Parademarſch. Land am Oberrhein, Reifeland für alle Jahreszeiten. Unter dieſem Leitwort ſteht die Juniausgabe der Zeit⸗ ſchrift„Land am Oberrhein“, die bekanntlich als Organ des Landesfremdenverkehrsverbandes Baden von der Südweſt⸗ deutſchen Druck und Verlags⸗GmbH. in Karlsruhe heraus⸗ gegeben wird. Das umfangreiche Heft zeigt in drucktech⸗ niſchen Abbildungen, Wiedergabe von Fokos beſter deutſcher Lichtbilder und von Aufſätzen einen Querſchnitt durch das Ferien⸗ und Reiſeleben im Land am Oberrhein, in jener Land⸗ ſchaft, die durch die Namen des romantiſchen Burgenlandes am Neckar, der Bergſtraße, des Odenwaldes und Franken⸗ landes, des Schwarzwaldes und des Bodenſees, des Ober⸗ und Hochrheins umriſſen wird und den Begriffen Heilbäder und Kurorte, ſchöne alte Trachten und maleriſche Häuſer, Fruchtbarkeit des Landes und hochſtehende Gaſtlichkeitskultur der Bewohner gekennzeichnet iſt. Der aktuelle Teil der Zeit⸗ ſchrift gibt wieder die zuſammenfaſſende überſichtliche Rückſchau des Monats Mai, der ja für das badiſche Land durch den Beſuch des Führers ſo bedeutungsvoll war. Ein Probeheft kann gegen Portoerſatz(30 Pfg.) vom Landesfremdenver⸗ kehrsverband Baden, Karlsruhe Karlsſtr. 10, bezogen werden. Die Leiſtungskraft der Aelteren. Bei einer von der Abteilung„organiſche Betriebsgeſtaltung“ des Amtes für Berufserziehung und Betriebsführung der DAF. in Tex⸗ tilbetrieben durchgeführten Unterſuchung der Akkordver⸗ dienſte von 141 Zweiſtuhlwebern wurde aus den nach Altersklaſſen geordneten 26 höchſten Verdienſten feſtgeſtellt, daß über die Hälfte der mengenmäßig gewerteten Beſt⸗ leiſtungen in das Lebensalter von 50 bis 65 Jahren fällt. Bei den mittleren Akkordverdienſten zeigte es ſich, daß die beſten Verdienſte beim Mann zwiſchen 42 und 45 Jahren, bei der Frau zwiſchen 45 und 50 Jahren liegen. Bei dem Einſatz älterer Gefolgſchaftsmitglieder muß daher der Grundſatz herrſchen, daß ihnen Gelegenheit gegeben wird, ihre beſonderen Kenntniſſe und Fähigkeiten voll ein⸗ zuſetzen. Vor allem iſt aus ſoziglen und pſychologiſchen Erwägungen zu vermeiden, daß bei dem älteren Gefolg⸗ ſchaftsmitglied durch Einſatz an untergeordneten Stellen, als Hoflehrer, Markenkontkolleur uſw., das Gefühl der Degradierung erweckt wird. die Mufik, die letzten Sterne dom Himmel herünter⸗ zureißen, und mich, in Ermangelung dieſer Möglichkeit, damit begnügte, zwölf Stunden am Tag zu üben und mir keinerlei Privatleben zu gönnen? Was glauben Sie, was ſie mir damals bedeutet hätten, bevor ich aus meiner Er⸗ folgloſigkeit heraus beſchloß— Haushälterin zu werden! Was glauben Sie, was ich darum gegeben hätte, einmal als junges Mädchen das Glück ſo großer Verehrung, Be⸗ wunderung, Liebe zu ſpüren, wie man ſie mir jetzt doch wirklich verſchwenderiſch zu Füßen legt! Jetzt, wo all das mir ſoz unwichtig iſt und kaum etwas bedeutet. Was glau⸗ ben. Sie, wie glücklich ich geweſen wäre, früher, auch noch zu Anfang meiner Ehe, einen ſolchen Freund und Be⸗ rater zu haben, wie Sie—“ Auf den Sie jetzt, wenn ich logiſch fortfahren darf, pfeifen— ſehr ſehmeichelhaft, liebe Frau Eliſabeth!“ Sie lächelt ein wenig und fährt fort:„Sehen Sie, was hahe ich an Martin für ein furchtbares Unrecht be⸗ gangen Ich habe ihn für einen Gott gehalten. Und er iſt doch auch nur ein Menſch— ſelbſt die Tatſache, daß er ſo viel liebenswerter und wertvoller als andere iſt, macht ihn noch lange nicht zum Gott. Aber für einen Gott gehalten zu werden, das hält der ſtärkſte Menſch ja nun mal nicht aus. Und ſehen Sie jetzt ein, daß ich recht habe, wenn ich damals immer wieder behauptete, ich ſei ſchuld, ich allein?“ Hergesheimer nickt und blinzelt. Iſt ihm etwas ins Auge geflogen? zuUm das erkennen zu lönnen, mußte ich erſt ſelbſt ein Menſch werden, ein Menſch, der allein ſtehen kann, ge⸗ rade und ſtolz und mit der kleinen, leichten Ueberlegen⸗ heit, die uns das Schöne, die Heiterkeit, den Humor in der Welt erſt ganz richtig genießen läßt. Dieſes Selbſt⸗ bewußtſein, Sie wiſſen es, lieber Herr Profeſſor, das ver⸗ danke ich Ihnen—“ Hergesheimer ſchüttelt den Kopf. Aber ſie fährt eifrig fort:„Doch, doch ohne dieſes Selbſtbewußtſein, das mir die Erfolge gaben, würde ich doch heute ſchon nicht mehr leben Und Erfolge ſchenkt mir das Leben jetzt doch wirk⸗ lich verſchwenderiſch— alles, was ein Menſch nur wün⸗ ſchen kann Alles, was mir nun nicht mehr ſo wichtig iſt.“ „Alles, Eliſabeth?“ Alles— nur das eine nicht. Dieſes einzige, auf das ich Wert lege und das mir allein wichtig iſt!“ 2„Ja, Himmelherrgottnochmal— Sie großes Kind Sie, jetzt, wo Sie alles das wiſſen und erkannt haben, wo Sie die Einſtellung einer ganz großen, ganz klugen und überlegenen Frau haben, warum um alles in der Welt kehren Sie jetzt nicht zu Martin zurück?“ „Warum?“ Eliſabeth hat ſich aufgerichtet.„Und wenn die ganze Welt untergeht— das darf ich nicht! Sie wiſſen doch— lieber Freund! Nur wenn man dem Schick⸗ ſal den Rücken dreht... Martin wird zu mir kommen, wenn es an der Zeit iſt.“ Ihr ganzes Geſicht leuchtet. Hergesheimer ſieht ſie eine Weile ſehr ruhig an, und ſie hält ſtrahlend ſeinen Blick aus. Dann fragt er: „Sind Sie ſo ſicher, Eliſabethk“ Und ſie nickt:„Ganz ſicher.“ e „„— Ein Dichter auf dem Schafott lutionärs, und la Michael Butaſchewitſch⸗ rium. Wäre er ein wiſſende Geheimpo bald mit ihm be krat dazu— d ſchewſki w ſprecheriſch— ein Demagoge und Verräter Fedor Michailowitſch at kennenlernte, wußte er ſofort, daß er nichts weniger als„harmlos“ war. Jahren durch den„Vater des linſki die freiheitlichen Ideen der Zeit erfahren, und ihm war ſofort klar, was ſich abſpielte, noch bevor er einer von den worden war. Der Herr Miniſterialrat war ein Verſchwö⸗ rer gefährlichſter und fanatiſchſter Sorte, der alle kleinen und kleinſten Gruppen von Revolutionären zu einer gro⸗ ßen Bewegung vereinigen wollte. Aber als Miniſterialr Mit einem großen ngem Ruſſ lizei ſchäftigt. Aber er war P a legte man es als Narretei aus. ar ein Soi in den merkwürdigſte teſte Geſellſchaft in ſe ten, Maler, dazu Offiziere und Edelleu ern und ſogar Kleinbürger. ſki, ſo ſagten die Kollegen im Amt, aufgeblaſen und groß⸗ Pole! Dem ſtillen, beſcheid Dichter Doſtojewfki nichts weniger als pathetiſchen Re erlöſung, aber daß es ſich hie hebung der Leibeig drückung durch das wa ſymp den von Menſchhei im tiefſten Grunde fühlte der neue Gaſt, r trotz der drehe, was er ſelbſt ſich a enſcha zariſtiſche ſpannt den Diskuſſionen der zuſammenkünften und wurde bald Drei Jahre lang be lungen, lernte die und die genialen Verſchwörer kennen, die ängſtlichen und die Deſperados— und auch den Spitzel Antonelli, Sohn eines halbitalieniſchen M Geſellſchaft viel genannt Agent der Polizei, dieſer Reden führt, der hetzt und Doſtojewfki ſieht ihm immer von neuem in die u Augen— kann denn ein Menſch ſo ſchlecht ſein! Aber Petraſchewfki ſelbſt meraden auch— man muß nur beobachten. Er iſt ungefährlicher, man ihn verjagt. klug und gewandt, kenntni Doſtojewfſki erſchauert, wenn Petraſcheffzer verraten? Und nimmt, als wenn Menſch aber, wenn begeiſterte Verraten Am 7. April 1849, faſt ein die über Eu ehren. verhindert war, war dabei? Ja— Zwei Wochen heim. vilder ſich alle getäuſcht hätten? Verſchwörer war, den er ſch ropa hingebrauſt i Bankett zu Ehren Fouriers, des lutionärs; es iſt das erſte einer jedes ſoll einen anderen großen Petraſchewfſki iſt wieder ei rauſcht. Große Triller und Kantilenen brauſen aus ſeinem Munde. Er hält einige Toaſte, einmal ruft er laut durch den Saal:„Wir haben den gegenwärtigen Zuſtand der Geſellſchaft zum Tode verurteilt, wir müſſen aber auch dieſes Urteil vollſtrecken!“ f All das erzählt man dem Dichter tags darauf, der an dem Feſteſſen teilzunehmen. Antonelli er und faſt alle übrigen! ſpäter Er hat in echt ruſſiſcher Weiſe Freunden diskutiert und müde und legt ſich ſchl ide u Kreiſen verkehrte inem Hauſe ſah: afen. Eine Stunde ſpäter„bemerkte Schlapphut, Abzeichen des Revo⸗ Bart, ſo geht der Staatsbeamte zetraſchewfki täglich ins Miniſte⸗ e geweſen, die allmächtige und all⸗ des Zaren Nikolaus J. hätte ſich ole und Ariſto⸗ Petra⸗ daß er und die gemiſch⸗ Studenten, Litera⸗ te, aber auch Bau⸗ Ein Narr, dieſer Petraſchew⸗ rling; dazu gehörte auch, Doſtojewſki dieſen Doſtojewſli hatte ſchon vor ruſſiſchen Nihilismus“ Bje⸗ in der Wohnung Petraſchewſkis „Petraſcheffzern“ ge⸗ enen und verinnerlichten jungen zwar der polniſche Ariſtokrat athiſch, mit ſeinen gottloſen und tsbefreiung und Bauern⸗ peinlichen Form um dasſelbe ls Ziel vorgeſetzt hatte: Auf⸗ ft und aller grauenhaften Unter⸗ Regime. So lauſchte er ge⸗ Anweſenden bei den Geheim⸗ einer der ihren. ſuchte der Dichter die Verſamm⸗ und die ſanften, die bornierten alers, der in der Petersburger wurde. Iſt das wirklich ein Antonelli, der die verruchteſten eifert gegen die Regierung— nruhigen ſagt es und die andern Ka⸗ ihn gewähren laſſen und ihn wenn man ihn auf⸗ Und dabei iſt dieſer Sreich und beleſen— er ihm begegnet: wird er die wann wird er es tun? Wie Wenn Antonelli der auſpielerte!? Jahr nach der Revolution, ſt, gibt Petraſchewſki ein franzöſiſchen Sozialrevo⸗ Reihe, die geplant ſind, Mann des Auslandes nmal von ſich ſelbſt be⸗ kommt Doſtojewfki ſpätnachts viele Stunden mit getrunken, es iſt vier Uhr, er iſt ich“, wie er ſpäter erzählte, verdächtige, ungewöhnliche L „im Halbſchlaf, daß einige eute in mein Zimmer gekom⸗ men waren.“ Es klirrte ein Säbel was ſoll das heißen? Mit Anſtrengung öffne ich die Augen und ver⸗ nehme eine weiche ſympathiſche Stimme:„Stehen Sie auf.“ Ich blicke hin: Da ſteht ein Polizeioffizier oder Poli⸗ zeimeiſter mit ſchönem Backenbart:„Was iſt denn los?“ fragte ich...„Auf Befehl!“(das hieß: Auf polizeilichen Verhaftungsbefehl), war das einzige, was er mir ant⸗ wortete. Man durchſucht alle Bücher und die ganze Wohnung. Auf dem Tiſch lag ein altes verbeultes 15-Kopekenſtück. Der Polizeimeiſter betrachtete es aufmerkſam und gab dem Oberſtleutnant ein Zeichen.„Iſt es nicht vielleicht falſch?“ fragte ich.„Om— jedenfalls muß man es unterſuchen“, brummte der Polizeimeiſter. Vor der Haustür ſteht ein W ſich raſch angezogen, agen, Doſtojewſki hat und man fährt fort. In dem Zimmer, in das der Dichter gebracht wird, ſteht ein Herr in Zivil mit einer Liſte in der Hand. Doſtojewſki gelingt ſes hinein⸗ zuſehen: Vor dem Namen: Antonelli ſteht:„Agent für die aufgedeckte Angelegenheit.“ Alſo verraten! Das heißt: jahrelanger, vielleicht jahrzehntelanger Kerker, wahrſchein⸗ lich Sibirien. In der Peter⸗Pauls⸗Feſtung Vierunddreißig Perſonen ſind verhaftet worden, von denen aber bald elf wieder mangels Beweiſen freigelaſſen wurden. Auch Doſtojewſkis Bruder Andrei iſt eingezogen worden und erſt wieder heimgeſchickt, nachdem man den älteren Bruder Michael verhaftet hatte— der aber ſeiner— ſeits ſeine Unſchuld nachweiſen konnte. Acht Monate lang ſchmachtet der Dichter in den be⸗ rüchtigten Kaſematten der Peter⸗Pauls⸗Feſtug. Die Be⸗ köſtigung iſt nicht gerade ſchlecht— die Gefangenen ſollen bei Kräften gehalten werden für die Strapazen, die ihrer in den Sibiriſchen Bergwerken harren. Alles andere iſt grauenvoll: Die Kerker liegen dicht an der Newa, es iſt ſo feucht, daß man Sommers und Winters den Atem ſieht, daß ſich Kleider und Schuhe mit Schimmel überziehen. Die erſte Zeit, drei Monate, iſt die ſchlimmſte: Doſto⸗ jewſki darf nicht ſchreiben. Und niemand tröſtet ihn als der wachthabende Soldat auf dem Gange, der hie und da ſein gutes, ruſſiſches Bauerngeſicht durch das Fenſterchen ſteckt und fragt:„Iſt Ihnen traurig zumute? Haben Sie nur Geduld! Auch Jeſus Chriſtus hat leiden müſſen...“ Bald lernt der Gefangene, ſich durch Klopfſignale mit den anderen unterhalten, ſpäter darf er Briefe ſchreiben und vollendet eine Novelle:„Der kleine Held“, während in ſeiner Seele ſich ein Umbruch zu vollziehen beginnt, eine Einkehr und Umkehr, die ihn befähigt, vor der Unter⸗ ſuchungskommiſſion gefaßt und ruhig zu erſcheinen. „Ich kann den Mann nicht mehr ſehen!“ Das iſt nicht leicht: Der General Roſtowzeff, Vor⸗ ſitzender der Kommiſſion, iſt überaus freundlich:„Ich kann gar nicht verſtehen“, ſagte er zu dem Dichter,„daß ein Mann, der die„Kleinen Leute“ geſchrieben hat, mit dieſen laſterhaften Menſchen unter einer Decke ſtecken kann!“ Und er ſei bevollmächtigt, fügt er hinzu, Fedor Michailowitſch Doſtojewſki zu begnadigen, wenn er das Ganze ſo er⸗ zähle, wie es geſchehen ſei. Aber der Beſchuldigte merkt die Falle— er ſchweigt. Worauf der General aus dem Zimmer ſtürzt und ſchreit:„Ich kann Doſtojewfki nicht mehr ſehen!“ Und aus dem Nebenzimmer ruft er immer wieder heraus, ob man dieſen Menſchen endlich ſchon fortgeſchafft habe. War es Poſe, war es echt? Wenige Jahre ſpäter wer kennt die ruſſiſche Seele — iſt der General Vorkämpfer der Kommiſſion zur Ab⸗ ſchaffung der Leibeigenſchaft! Doſtojewſki wird in die Kaſematte zurückgeſchafft, er iſt ruhiger denn je, auch als er erfährt, daß viele ſeiner Mitangeklagten ſchwer krank, drei von ihnen wahnſinnig geworden ſind. Was geſchieht nun dort draußen? Faſt ein ganzes Jahr iſt vergangen, ſeit er in dieſem entſetzlichen Loche ſitzt, die Kommiſſion iſt längſt vorüber— wird denn kein Urteil gefällt wer⸗ den? Und wird er wie ſo viele andere nach Sibirien wan⸗ dern müſſen oder hier im Gefängnis bleiben? Man klopft an die Wände, man hört Antworten— niemand weiß etwas. früh. Der Soldat kommt he vom Lager auf, es kann nur zwei oder dre Null ſein. Der Soldat legt die Kleider des hin und geht, er ſolle ſich umkleiden. Punkt ſieben öffnet ſich die Zellentür, mit den anderen Gefangenen ſofort durch die Stadt zu rollen beginnen. Man fragt ein⸗ ander, man ſieht ſich in die geröteten Augen, man iſt ent⸗ ſetzt über die Veränderung in den Geſichtern der anderen. Einer fragt den Soldaten, der im Wagen ſitzt, Bajonett auf:„Wohin geht es?“ Der Muſchik wendet ſich langſam um:„Es iſt mir nicht befohlen, das zu ſagen!“ Ein Ge⸗ fangener beginnt, die Eiskruſte vom Fenſter abzukratzen, Da meint der Soldat ſanft und traurig:„Tun Si das Sie nicht, ſonſt wird man mich ſchlagen!“ Wohin, Freund, wo⸗ hin, Väterchen, wohin, Kinder? In ein anderes Gefäng⸗ nis? Auf die Polizei. Auf die Fontanka? Oder direll nach Sibirien— ohne Urteilsverkündigung? Wohin, um des barmherzigen Gottes willen? rein, frierend ſteht Doſtojewfſti i Grad über Gefangenen Doſtojewfki tut es. und man führt ihn zu geſchloſſenen Wagen, die [Wohin?— Aufs Schafott! Der Wagen hält— man iſt au 9 7 Leute in Zivil, Soldaten, f dem Semjonofplatz Offizie—.—5 ein Gerüſt aus Brel⸗ tern— ein Schafott! Man ſtellt die Gefangenen in einer beſtimmten Reihenfolge auf, Doſtojewfki betritt raſch das Gerüſt, rechts von ihm ſtehen elf, links neun andere De⸗ linguenten. Man will einander begrüßen wie lange, wie lange hat man nicht mit den Freunden ſprechen kön⸗ nen! Man verbietet es ſofort. Es dauert ſehr lange, Do⸗ ſtojewſki flüſtert ſeinem Nachbarn, einem ſeiner beſten Freunde, den Plan einer neuen Novelle zu, deren Idee ihm in den letzten Wochen im Gefängnis gekommen war. Da tritt der Auditor in die Mitte des Platzes. Er entfaltet einen großen Bogen und beginnt zu leſen— das Todes⸗ urteil. Er iſt fertig, Doſtojewfki ſagt leiſe:„Es kann doch gar nicht ſein, daß man uns hinrichtet!“ Aber ſein Nach⸗ bar zeigt wortlos auf einen Wagen, auf dem mit einer Plache aus Baſt zugedeckte Gegenſtände ſtehen: die Särge offenbar.„Verurteilt zur Todesſtrafe durch Erſchießen“ das hallt noch zwiſchen den Wänden des Platzes nach. Da zieht man auch ſchon den zwanzig Menſchen den Rock aus und ſtreift ihnen weiße Hemden über, ein Geif⸗ licher kommt und fragt zögernd, ob er nicht jemand die Beichte hören ſolle. Alle dieſe Atheiſten wenden ſich ab — nur ein Kleinbürger nickt. Ihm wird die Beichte ab⸗ gehört. Dann geht der Pope von einem zum andern und hält ihnen ein großes Kruzifix zum Kuſſe vors Geſicht. Und alle dieſe Atheiſten, die echten Ruſſen, küſſen das Kreuz, auch der wilde Gottesläſterer mit dem Bart: Petra⸗ ſchewfti. Nun iſt kein Zweifel mehr: ſie werden alle füſiliert. Es iſt offenbar beſchloſfen, einmal ein Exempel zu geben: alle Petraſcheffzer ſollen ſterben. Einem einzigen Gefan⸗ genen fällt auf, daß man ihnen zwar die Beichte angetra⸗ gen hat, aber icht„die heiligen Gaben“: Brot und Wein. Er beugte ſich zu dem vor ihm auf dem Boden ſtehenden General Galacheff hinunter und fragt ihn etwas auf fran⸗ zöſiſch, der Offizier antwortet ebenſo raſch— dieſer Ver⸗ urteilte iſt der einzige, der weiß, was geſchehen wird— aber es iſt keine Zeit, es den Freunden mitzuteilen. Denn ſchon werden die drei vorderſten Gefangenen in einer Reihe aufgeſtellt und an einen Pfahl gebunden; es ſind Petra⸗ ſchewſki, Mombelli und Grigorieff. Doſtojewfki ſieht er⸗ ſchauernd, aber mit ſonderbarer innerer Ruhe, wie vor jedem der drei Pfähle ein Offizier und mehrere Soldaten aufgeſtellt werden. Sein vulkaniſch arbeitendes Gehirn zieht die Summe ſeines Lebens: Was haſt du geleiſtet, was haſt du Gutes und Böſes getan? Alles fällt ihm ein, nichts vergißt er D du ſtehſt in der zweiten Reihe und haſt nur mehr eine Minute zum Leben. In Sekunden erlebt er mehr als in Jahrzehnten. Und dann denkt er nur an einen Menſchen: Den geliebten Bruder:„in dieſem Augenblick“, ſo ſchreibt er ſpäter nieder,„warſt nur du, nur du allein in meinem Geiſte, ich habe da erſt erfahren, wie ich dich liebe.“ Schon haben die Offiziere das Kommando gegeben, die Gewehre ſchußfertig zu machen. Doſtojewſki umarmt ſeine Freunde Pleſchtſchejeff und Duroff, die neben ihm warten, und ſagt ihnen Lebewohl. Trommeln werden gerührt— in der nächſten Sekunde muß das ſchreckliche Wort„Pli!“(los Am 22. Dezember erwacht Doſtojewfli durch heftiges Gehen und Kommen auf dem Korridor. Es iſt ſechs Uhr 5 Links: Ein 3 politiſcher Verbrecher im alten war. Rußland auf dem Wege in die Verbannung. Feſte in Petersburg, in der Doſtojewſki, wie vor und nach ihm viele politiſche Gegner des ertönen. In fünf Minuten biſt du in einer anderen Welt überrieſeln (Fortſetzung folgt.) denkt Doſtojewſki noch, und myſtiſche Schauer ihn. Oben: Die Peter⸗Pauls⸗ Zarentums, eingekerkert Aufnahmen(9): Scherl⸗Archiv— M. Druckarbeſten für Randel, Gewerbe und Indzstrie liefert schnellstens Neckar- Bote- Druckerei 1er e