alk Deu Lem Nr. 243 Neckar⸗Bote(2. Blatt) Dienstag, 17. Oktober 1939 Andere Zeiten [„Britannia rules the vawes...(„Britannien be⸗ herrſcht die Wogen“). Der Text dieſer ſtolzen, zugleich an⸗ maßenden engliſchen Hymne ſtimmt heute nicht mehr. Die deutſchen U-Boote und die deutſchen Flugzeuge haben dieſen Wandel herbeigeführt. Es iſt heute nicht mehr ſo, daß die bri⸗ tiſchen Schiffe das Weltmeer beherrſchen, daß ſie es nach Be⸗ lieben für beſtimmte Mächte öffnen oder ſchließen können. Die Zeiten ſind anders geworden. Winſton Churchill, der engliſche Marineminiſter, kann heute nicht mehr nach der gleichen Methode arbeiten wie vor 25 Jahren, als er eben⸗ falls auf dem Poſten ſaß, den er jetzt wieder bekleidet. Der neue, überaus empfindliche Verluſt, den die engliſche Kriegs⸗ marine durch den Verluſt des 29 000⸗Tonnen⸗Schlachtſchiffes „Royal Oak“ erlitten hat, führt dieſe Tatſache aller Welt vor Augen. Man braucht nur einen Blick in die Preſſe neutraler Staaten zu werfen, um zu ſehen, daß man draußen die Dinge durchaus richtig einſchätzt. Die nordamerikaniſche Preſſe— um nur ein Beispiel herauszugreifen— läßt Marineſachver⸗ ſtändige die Frage erörtern, wie ſich ein großes Kriegsſchiff gegen U⸗Bootsangriffe ſchützen kann. In der„Newyork Herald Tribune“ wird ausgeführt, entweder ſei der U⸗Boots⸗ ſchutz der britiſchen Flotte äußerſt unzulänglich, oder ſie ſei der Taktik der deutſchen U⸗Boote nicht gewachſen.„Newyork Times“ meldet, in Kreiſen der US A⸗Marine ſei man über die Verſenkung der„Royal Oak“ ſehr erſtaunt und äußere ſich ſkeptiſch, ob es England möglich ſein werde, weitere ſolche Verluſte auszuhalten, ohne die Nordſee räumen zu müſſen. Auch mache man Zweifel an der Verläßlichkeit der engliſchen Schiffskonſtruktionen geltend. Die Verſenkung des„Coura⸗ geodus“ und der„Royal Oak“ durch deutſche U⸗Boote ließen die Möglichkeit zu, daß bei der britiſchen Flotte wiederum erhebliche Schwächen beſtänden, wie ſie einſt die Skagerak⸗ ſchlacht enthüllte. Jedenfalls ſeien die lauten britiſchen An⸗ kündigungen vom Schutz gegen U⸗Bootsüberraſchungen wenig vertrauenswürdig. Das ſind Stimmen aus den Ver⸗ einigten Stgaten von Nordamerika, einem Lande alſo, das engliſche Maßnahmen und Einrichtungen beſtimmt nicht aus politiſcher Abneigung abfällig kritiſiert. Jedenfalls zeigen ſie, 5 man drüben den Wandel der Zeiten ſehr wohl 3 at. Aber in England ſelber? Da ſitzt, worauf wir ſchon hin⸗ gewieſen haben, ein Mann auf dem Poſten des Marine⸗ miniſters, der 1914, alſo zu Beginn des Weltkrieges, ſchon einmal dort geſeſſen hat. Für das junge nationalſozialiſtiſche Deutſchland wäre etwas derartiges unvorſtellbar. Nicht etwa, daß wir die Erfahrung des Alters nicht ſchätzten— durch⸗ aus nicht Aber weil wir der Meinung ſind, daß andere Zei⸗ ten andere Männer erfordern. Der engliſche Marineminiſter jedoch ſcheint das nicht einzuſehen. Er hat offenbar angenom- men, daß die ſelben Mittel, die er 1914 gebrauchte, auch, heute noch genügen, daß er alſo nur wieder die Nordſee durch die engliſche Flotte abzuſperren brauche, um jede Zu⸗ fuhr nach Deutſchland abzuſchneiden. Was aber damals mög⸗ lich war, iſt heute unmöglich geworden. Nicht nur, daß Deutſchland heute nicht mehr allein daſteht, ſodaß viele Zu⸗ fuhren jetzt auf dem Landweg kommen, der gar nicht blockiert werden kann, ſondern es ſind zur deutſchen Kriegs⸗ marine jetzt auch noch die Flugzeuge hinzugekommen, die ſich weit hinauswagen können auf die See. Und die deutſchen U⸗Bootsbeſatzungen haben den alten 0 80 wieder. Es geht wirklich nicht mehr ſo, wie es vor 25 Jahren ge⸗ gangen iſt. Mit der unumſchränkten Herrſchaft der engliſchen Flotte über die Weltmeere iſt es aus. Eine andere Zeit iſt gekommen. Dieſe andere Zeit läßt das deutſche Volk ver⸗ trauensvoll in die Zukunft blicken, auch wenn man in Eng⸗ land die neue Zeit noch nicht ſieht. 8 Roman von Otto Hans Braun. Wie ein Lichtſchimmer, der in tiefdunkler Nacht den Weg weiſt, waren Robert Riedlings Worte für Anne; mochte Frau Kreitner auch noch ſo oft unberechtigt Aus⸗ ſtellungen an ihr machen, es bekümmerte ihr Herz nicht mehr. Sie brauchte nur an ihn zu denken, ſich ſeines Frohmuts zu erinnern, ſeiner ſtrahlenden Augen, ſeines lieben Geſichts, und ſogleich wurde es hell in ihr. Heute war wieder einmal ihr freier Nachmittag. Sie hatte ſonſt nie etwas Rechtes damit anzufangen gewußt, weil ihr der Sinn für ruhig⸗heiteren Lebensgenuß gefehlt hatte. Auch darin war eine Wandlung mit ihr vor ſich gegangen. Jetzt lockte ein Spaziergang in die Innenſtadt, um ſich die Schaufenſter anzuſehen. Sie fuhr bis zum Potsdamer Platz und ging die Leip⸗ zigerſtraße hinunter, Schritt für Schritt. Ihre Augen konnten ſich nicht ſatt ſehen, an dem unerhört Schönen, was ſie erblickten. Doch nicht der leiſeſte Wunſch nach Beſitz regte ſich in ihr. Sie war doch nur ein armes, un⸗ bedeutendes Weſen, nicht einmal in ihren Träumen durfte ſtie an Dinge denken, die für ſie ewig unerreichbar blieben. Wieder einmal verweilte ſie vor einem Schaufenſter. Ein ſeittich hinter ihr ſtehender Mann bemühte ſich, ihr ins Geſicht zu ſehen. Sie wollte ſchnell nach der andern Seite davon, da fühlte ſie ſich feſtgehalten. Robert Riedling ſtand vor ihr.„„ „Das iſt aber hübſch, daß ich Sie ſo zufällig wieder⸗ ſehe! Wie geht es Ihnen, Fräulein Anne?“ 5 „Oh— danke— gut!“ brachte ſie mühſam hervor, noch ganz überwältigt. Ihm erging es nicht viel anders. Jeden Tag hatte er an ſie gedacht, hatte ſie heute, wo er infolge Radbruchs zum Feiern gezwungen war, aufſuchen wollen, und traf ſie nun gänzlich unerwartet. Sie ſetzten ihren Weg gemeinſam fort. Anne hatte ſo gut wie nichts von Berlin geſehen, und ſo war es ihm, dem faſt jeder Winkel verkraut war, eine Freude, be herumführen zu können. Sie waren die Friedrichſtraße hinaufgegangen, die Prachtſtraße Unter den Linden ent⸗ lang, dem Luſtgarten zu. Dann waren ſie umgekehrt, und er führte ſie durch das Brandenburger Tor in den Tier⸗ garten hinein, der in ſeinem ſchönſten Frühlingsſchmuck prangte, zum Goldfiſchteich. 5 Auf einer einſamen Bank ließen ſie ſich nieder. Es war eigentlich noch zu kühl, ſich in der beginnenden Abendſtunde im Freien auszuruhen, aber das nahmen ſie gern in Kauf, um miteinander allein zu ſein. Der Zauber der Liebe umwob ſie, hüllte ſie ein, entführte ſie in ein i gleiche Schickſal geha ſchon von Ihnen erzählt. Sie ſind mir keine des Gelbkreuz⸗Gaſes in Polen, das gus England nach Polen geliefert worden war, iſt die britiſche Heuchelei wieder ein⸗ mal in hellſtes Licht gerückt worden. England hat den deut⸗ ſchen Veröffentlichungen, die dokumentariſch belegt waren, ein kurzes Dementi— zwei Zeilen war ſein Umfang!— entgegengeſetzt. Damit iſt wirklich nichts getan! Die bedau⸗ ernswerten Opfer des engliſchen Giftgaſes ſind der erſchüt⸗ ternde Beweis für den neuen Völkerrechtsbruch Englands, der umſo unerhörter iſt, als ſich England von uns verſichern ließ, daß wir keine Kampfgaſe verwenden und das dann herging und die Polen mit dem ſchärfſten Giftgas belieferte, damit dieſe es gegen deutſche Soldaten verwenden könnten. Höher geht die Heuchelei nimmer! Die gleichen Politiker, die ſich derlei Mittel bedienen, vergießen dann aber Krokodils⸗ tränen über die— deutſchen Methoden in Kriegführung und Politik. Indes iſt man nun überall hellhörig geworden. Auch in dieſem Betracht ſind es andere Zeiten geworden. England verfügt nicht mehr allein über den Nachrichtenapparat der anzen Welt. Es gibt weit mehr neutrale Staaten, die ſich die VV ſehr genau anſehen und es gibt die Aetherwellen, die die deutſchen Rundfunkmeldungen in aller Herren Länder tragen. Die engliſche Heuchelei kann alſo entlarot werden, ſie hat es heute nicht mehr ſo einfach wie vor fünfundzwanzig Jahren, wo ſie ſich ungehindert aus⸗ toben konnte zum Schaden Deutſchlands. In zahlreichen Fällen iſt dieſe Entlarvung bereits erfolgt: man braucht nur an den Fall„Athenia“ zu erinnern und braucht auf die oben erwähnte Giftgaslieferung der Engländer an Polen hinzu⸗ weiſen. Wir wiſſen genau, woran wir ſind, wenn wir die moraltriefenden Redensarten engliſcher Staatsmänner leſen. Wir glauben ihnen einfach nicht mehr und andere Leute lauben ihnen auch nicht mehr. Und wir kennen die wahren riegsziele Englands und wehren uns dagegen. Jeder Deutſche weiß, daß England ſeine Traditionspolitik fortſetzt, den Mächtigſten auf dem Kontinent zu ſchwächen. England will das neuerſtarkte Deutſchland vernichten um der Tradi⸗ tion engliſcher Politik willen. Aus dieſem Grunde werden die franzöſiſchen Soldaten in den ſinnloſeſten Krieg gehetzt, den es je gegeben hat. Der Tag, an dem der engliſche Pre⸗ mierminiſter Chamberlain das Friedensprogramm Adolf Hitlers frech und unverhüllt abgelehnt hat, gehört zu den ſchwärzeſten Tagen in der europäiſchen Geſchichte. Für die Folgen dieſer Ablehnung iſt die britiſche Regierung allein ihrem Volk und der Welt verantwortlich. Eine deutſche Kapi⸗ tulation gibt es nicht mehr. Es ſind andere Zeiten. Es iſt ein anderes Deutſches Reich. Es iſt ein anderes deut⸗ ſches Volk! Wie wir leben Br. Auch wenn wir den Ernſt dieſer Tage und dieſer Zeit voll perſtehen und begreifen, ſo iſt es doch nicht nötig, daß wir alle nun mit Leichenbittermienen in der Welt herum⸗ laufen. Dieſes Jahr 1939 wird, wie wir hoffen, auch einen neuen deutſchen Stil in der Lebenshaltung hervorbringen, der dem entſpricht, was unſere Truppen geleiſtet haben. Dazu gehört nun, daß wir uns in Abendgeſellſchaften oder im Wirtshaus nicht ausſchließlich mit den Dingen des Magens befaſſen. Selbſtverſtändlich werden die Haus⸗ frauen, wenn ſie unter ſich ſind, die Fragen der Lebensmittel⸗ karten erörtern und ihre Erfahrungen austauſchen. Selbſtver⸗ ſtändlich werden ſie auch ihre neuen Kochrezepte beſprechen und erörtern, was man mit Magermilch anſtelle von Vollmilch alles anfangen kann. Aber das braucht ja nun nicht dazu zu führen, daß in jeder Geſellſchaft immer wieder davon angefangen wird, wieviel Fleiſch es gegeben hat und was dergleichen Dinge mehr ſind. Natürlich müſſen wir ſparen, und wer in der deutſchen Kulturgeſchichte Beſcheid weiß, der weiß auch, daß ebenfalls in anderen Zeiten geſpart werden mußte, ohne daß das Leben deshalb weniger lebenswert ge⸗ weſen wäre. Es darf z. B. daran erinnert werden, daß zur Zeit Goethes der Brotaufſtrich in Deutſchland überhaupt eine Seltenheit war. Märchenland, deſſen wunderſame Schönheit ſich ihnen erſt im Schweigen in ſeiner ganzen Pracht enthüllte. 5 Noch wußten ſie kaum mehr voneinander, als daß ſie ſich liebten. Nun aber ſprach er zu ihr von ſeinem Leben und ſeinem Streben. „Wie ſeltſam“, ſagte ſie ſinnend.„Wir haben faſt das t. Auch wir waren einſt wohlhabend, auch mir wurde durch widrige Umſtände früh der Vater entriſſen, und jahrelang habe ich nur mit meiner Mutter zuſammen gelebt, bis der Tod mir auch ſie nahm.“ Sie ſchwiegen beide in ſtummer Ergriffenheit, und ihnen war, als ob ſie jetzt ein noch viel innigeres Band verbinde. 8 Ein leichter Wind hatte ſich erhoben, der die Kühle des Abends ſtärker fühlbar werden ließ. Anne ſchauerte zuſammen. Es war Zeit für ſie, den Heimweg anzutreten, und ſie geſtattete ihm gern, ſie zu begleiten. 5 „Wann werde ich Sie wiederſehen, Fräulein Anne? Haben Sie nächſten Sonntag Ausgang?“ „Eigentlich nicht, aber da meine Herrſchaft zu Bekann⸗ ten nach Potsdam fährt, werde ich wohl ausgehen dürfen.“ So verabredeten ſie, daß er ſie am nächſten Sonntag um drei Uhr abhole. dann eilte ſie davon. Robert war das Herz viel zu voll, als daß er aus ſeiner Liebe zu Anne der Mutter gegenüber ein Geheimnis hätte machen können. Sie war ein bißchen verwundert, weil ſie des Glaubens n 0 war, daß Maries offen⸗ ſichtliche Bemühungen um ihn nicht erfolglos geblieben ſeien. Nun, ihr ſollte es recht ſein, wenn ihr Junge nur eine tüchtige Lebensgefährtin erwählte. a „Morgen bringe ich ſie Dir“, ſagte er eines Tages froh Und ſtolz. Mutter Riedling war einigermaßen überraſcht, als ſie Anne kennenlernte. Sie entſprach nicht den Vorſtellungen, die ſie ſich von ihr gemacht hatte. Ein ſehr ſchönes und ſehr liebes Mädel war ſie, unbedingt! Viel zu vornehm aber für ihren Jungen. Sie wurde verlegen, als ſie ihre harten, arbeitsgewohnten Hände betrachtete. Aber es war andererſeits etwas Rührendes und Bittendes in Annee 1 Geſicht, das ihr das Herz ganz für ſie ein nahm. 5 N „Willkommen, liebes Fräulein. Mein Sohn 155 mir remde ſondern ein lieber Gaſt.“ f „Ich— ich danke Ihnen!“ erwiderte Anne leiſe. „Aber nun machen Sie es ſich bei uns bequem“, bat Mutter Riedling, und ſie nickte ihr aufmunternd zu. Robert hatte ſtumm daneben„ nur von einem 1 0 andern geſehen und erkannt, daß ſeine e n N gegangen waren. Wie glücklich machte ihr as! 5 VV. In anregendem Geſprach ſaßen die drei beieinander Wenn wir alſo nicht mehr das gute Filet wie vor dem 1. September 1939 kaufen können, wenn es mit der Schlag⸗ ſahne vorbei iſt und die Seezunge zu den ſelten gewordenen Fiſchen gehört, ſo gibt es doch auch heute noch Dinge, die das Leben durchaus angenehm machen können. Der Menſch lebt wirklich nicht vom Brot allein, und es wäre ganz gut, wenn man ſich in vielen Familien wieder darauf beſänne, daß es zweckmäßig iſt, für das andere im Innern, mit Ausnahme des Magens, etwas zu tun. Man kann z. B. in den Stunden der Verdunklung auch gut und gern einmal ein Buch zur Hand nehmen, und wenn es Goethe oder Gottfried Keller iſt, ſo werden die deutſchen Dichter ſchon dafür ſor⸗ gen, daß die Menſchen wieder einmal auf andere Gedanken kommen. Das iſt nämlich ſo etwas, wie man ſich den deut⸗ ſchen Lebensſtil von 1939 wünſchen möchte. Man kann auch ruhig Engländer leſen, und wir empfehlen ſogar dort, wo ſie vorhanden ſind, engliſche Hiſtoriker zur Hand zu nehmen. Da kann man z. B. bei Trevelyan nachleſen, daß der Verſalller Vertrag als der Vater alles Böſen angeſehen werden kann. Wenn es heute Engländer gibt und einen engliſchen Hiſtoriker vom Range Trevelyans, bei denen dieſe Erkenntnis vorhanden iſt, dann wird ja auch der Ausblick auf kommende Zeiten nicht zu A ausf: i. Es kann gar nicht ſchaden, wenn wir uns in dieſer„ mit dem Geiſt der engliſchen Politik abgeben. Wir haben in Deutſchland nichts gegen die Engländer und die engliſche Kultur. Wir wiſſen, was ſie für Europa und für die Welt bedeutet haben. Wir haben aber ſehr viel gegen jene engliſche Politik, die da glaubt, daß Gott es ſo beſtimmt hat, daß England ewig in Europa die Vormachtſtellung innehaben muß. Wer nun nicht immer leſen will, dem ſei empfohlen, ruhig einen Abend ins Theater zu gehen. Wir haben nicht wie 1914 Zeitſchlager vom Soldaten, der„der ſchönſte Mann im taate“ iſt. Die Dinge ſind heute ernſter. Wir brauchen das Zeitgeſchehen nicht zu aktualiſieren, ſondern wir können uns gut und gern auch einmal ein klaſſiſches Stück anſehen. Selbſtverſtändlich ſchadet ein handfeſtes Luſtſpiel nicht, und die Kinos ſind bis zum letzten Platz gefüllt, weil es ja klar iſt, daß der Menſch etwas zur Abwechſlung braucht. Nicht zuletzt auf Grund der Wünſche unſerer Soldaten iſt auch das Tanzverbot wieder aufgehoben worden. Eine gute Taſſe Kaffee iſt gewiß nicht zu verachten, aber es gibt auch Dinge zwiſchen Himmel und Erde, die wichtiger und wertvoller ſind als eine Taſſee Kaffee. Alles zu ſeiner Zeit. Auch die Taſſe Kaffee wird wiederkommen. Wer dieſes Leben und dieſe Zeit verſtehen will und kann, der wird auch hierfür Erſatz finden. Es iſt abſolut nicht nötig, daß wir uns allzu große Sorgen um den kommenden Tag machen. Der morgige Tag wird für das Seine ſorgen. Nötig iſt aber, daß Wir aus einem verinnerlichten Leben neue Kraft für den Kampf um die deutſche Zukunft und den deutſchen Frieden ziehen. Auch Speiſewagen auf der Oberrheinlinte. Der Neichsbahndirektion Karlsruhe iſt es gelungen, mit Oktoberbeginn 1939 wieder eine direkte Reiſeverbindung zwi⸗ ſchen der Reichshauptſtadt und Südweſtdeutſchland ſowie wei⸗ ter nach Baſel und der neutralen Schweiz über die Ober⸗ rheinlinie und zurück herzuſtellen. Es handelt ſich um das direkte D⸗Zugspaar 42⸗43. Die Züge führen in beiden Richtungen auf ihrem ganzen Lauf wieder Speiſewagen der Mitropa. Poſtdienſt nach befreiten ebend Wie bereits be⸗ kanntgegeben wurde, iſt die Verſendung gewöhnlicher Briefe und Poſtkarten nach einer größeren Anzahl von Orten in den befreiten Oſtgebieten zuläſſig Vom 15. Oktober 1939 an ſind nach dieſen Orten auch ſonſtige gewöhnliche Briefſendungen und Einſchreibeſendungen zugelaſſen. Für Sendungen nach und aus den befreiten Oſtgebieten gelten jedoch, ſoweit die Zoll⸗ und Deviſengrenze noch nicht aufgehoben iſt, bis auf weiteres die allgemeinen Zoll-, Deviſen⸗ und Einfuhrvor⸗ ſchriften. nie trat eine Pauſe ein, ſie wußten ſich ſo viel aus ihrem Leben zu berichten, und dann kam ganz von ſelbſt die Rede auf die Zukunft und auf Roberts Lieblingsthema die Siedlung. Roberts Mutter ſah dabei Anne mehrfach ſcheu von der Seite an. Sie kannte das Leben auf einem Bauern⸗ hof, ſie wußte, wie ſchwer da die Arbeit war und daß es dort galt, überall Hand anzulegen, ganz gleich, wo imme es war. Zur Herrin auf einem großen Gut mochte Ann— wohl geeignet ſein, aber zur tätigen Mithilfe in eine Siedlung? Doch ſie behielt ihre Gedanken für ſich. Während die drei einen angenehmen Nachmittag ver⸗ brachten, ſtand vor der Haustür Marie Kleinitz. Sie hatt, Robert veranlaſſen wollen, mit ihr auszugehen, als ſie ihn an der Seite eines ihr fremden Mädchen ins Haus gehen ſah. Eiferſucht flammte in ihr auf. Sie mußte wiſſen, was es damit auf ſich hatte. Ohne Grund konnte ſie die Wohnung Riedlings nicht gut be⸗ treten, aber es fiel ihr kein Vorwand ein. Immer größer 0 ihre Ungeduld. Schließlich fegte ſie alle Bedenken eiſeite. And wenn ſie die geſchickteſte Ausrede vorgebracht hätte, Mutter Riedling hätte ſie damit nicht täuſchen können, und deshalb empfand dieſe denn auch Maries Da⸗ zwiſchenkunft als ſehr peinlich. i s „Ach, Sie haben Beſuch!“ ſagte Marie wie überraſcht Da will ich nicht lange ſtören. Sie ſollten nur einma! Rein neues Kleid ſehen, das ich mir ſelbſt gemacht habe.“ es an ſich hatte. Aber gerade e e Doch Marie dachte nicht daran, ſie bezeigte Robert be⸗ tonte Freundlichkeit, die Anne eine größere Vertraulich⸗ Weilchen nach, es dauerte ſeine Athen die drei die Störung durch Marie überwunden hatten c Kr e 1 22 Nebel ſteigt, es fällt das Laub.“ Der Monat Oktober Wenn graue Wolkenmaſſen am Himmel dahinjagen und ſchwere Nebel die Luft trüben, iſt der Oktober der echte und rechte Herbſtmonat, der den Sommer vergeſſen läßt, als wäre er nie geweſen. Aber er kann auch Tage bringen, an denen die Sonne eine unerhörte Farbenpracht in der Natur überſtrahlt: Bäume, die im tiefſten Grün, im herrlichſten Goldgelb und warmen Purpurrot prangen, und in den Gärten Blumen, die faſt üppiger blühen als im Sommer. Allein trotz dieſer farbenſchönen Buntheit ſtellt ſich die Natur jetzt auf den Winter ein. Bei den Pelztieren kommt es zur Bildung des Winterkleides, ein Vorgang, der neuen Unterſuchungen nach hauptſächlich durch die täglich fort⸗ ſchreitende Abnahme der Sonnenbelichtung bewirkt wird. Als man nämlich Frettchen und Nerzen ſchon während des Hochſommers das Tageslicht in dem Maße entzog, wie es etwa der Lichtmenge im Oktober entſprach, ſetzte als Folgeerſcheinung ſehr bald das Wachstum des Winter⸗ haarkleides ein. Auch das uralte Weistum Winterpelzbildung der Tiere mit der Witterung in Zu⸗ ſammenhang.„Behält der Haſe lange ſein Sommerkleid“, heißt es,„ſo iſt die Kälte wohl noch weit. Doch ſieht er wie ein Pudel aus, dann richt' für Winterszeit dein Haus!“ Womit die obengenannten Unterſuchungsergebniſſe eben⸗ falls beſtätigt werden, weil ein heiterer Herbſt immerhin noch viel Helligkeit und Sonnenlicht bringt und dadurch die Winterhaarbildung hinausgeſchoben werden kann. Auch aus dem Verhalten der Ameiſen deutet ſich der Volksglaube den Ablauf des bevorſtehenden Winters. Er ſoll mild werden, wenn die Ameiſen niedrig bauen, und kalt, wenn ſie ihre Bauten hoch aufhäufen. Und wenn ſich die Feldmäuſe in der Nähe der Häuſer ſehen laſſen, ſo ſoll es gleichfalls ein Zeichen ſein, daß ſie einen harten Winter vorausfühlen. Der Vogelzug nach dem Süden flaut nun mehr und mehr ab. Dagegen ſtellen ſich als Wintergäſte Wald⸗ und Sumpfhühner, beſonders die Waldſchnepfe, ein ſowie Berg⸗ und Grünfinken, Dompfaffen und die Schneeammer, die die Ruſſen„Schneeflocken“ nennen. Für manche der nordiſchen Vögel, die ihre Züge nach dem Süden über die Karpaten nehmen, mag das Ueberfliegen der Kriegszone eine nicht geringe Ueberraſchung geweſen ſein. Aus dem Weltkrieg liegen noch reichliche Beobachtungen vor, die feſtſtellten, welche Folgerungen Zugvögel aus der Wahr⸗ nehmung eines Kriegsſchauplatzes ziehen. So zeigte ſich ſchon im Herbſt 1915, daß die Herbſtzüge vieler, beſonders aus dem Norden ſtammender Vögel, die gewöhnt waren, über die Maſuriſchen Seen zu fliegen, durch den Krieg Veränderungen erlitten. Was auch kein Wunder iſt, weil dem die Landſchaft ſcharf beobachtenden Vogel das durch heftige Kämpfe veränderte Ausſehen eines Gebietes un⸗ bedingt auffallen muß. Vermutlich wird der Krieg auch manche Strichvögel veranlaſſen, andere Gegenden auf⸗ zuſuchen und zu durchſtreichen als bisher, und zwar ſowohl vor allem die Krähen. Während des Weltkrieges wurde ſogar der Kolkrabe, ein ausgeſprochener Standvogel, zum Strichvogel, indem er ſcharenweiſe an die Oſtfront zog. Macht man doch auch im Deutſch⸗Franzöſiſchen Krieg von 1870 die Wahrnehmung, daß viele Vögel, beſonders Habichte und andere Raubvögel Frankreichs, ihre Heimat verließen und nach dem ſüdsſtlichen England aus⸗ wanderten. Anfang Oktober hält ſich die Hirſchbrunft noch auf ihrer vollen Höhe. Mitten auf einer Waldlichtung ſteht der Kapitale, und mit vorgeſtrecktem Kopf, das vielendige Geweih nach hinten zurückgelegt, ſchreit er laut und liebes⸗ ſehnſüchtig. Aber auch zornig und kampfbereit klingen die kraftvollen Töne oft in die Abendſtille oder frühe Morgen⸗ dämmerung hinaus. Bald regt es ſich im Unterholz, und die Schmaltiere und die„Alten“ treten heraus, aber zu⸗ aleich ertönt auch ſchon ein anderer Orgelton in der N= des Volkes bringt die Ein rieſiger Nebenbuͤhler betritt die grüne Achtung, die nün zum Kampfplatz wird. Denn jetzt folgt ein erbitterter Kampf, bei dem die Geweihe hart und laut aneinander⸗ ſtoßen und wohl auch Blut fließt. Erſt, wenn einer der beiden Kämpfer„abgeforkelt“ iſt, wie es in der Jäger⸗ ſprache heißt, hört der Kampf auf. Dann verziehen ſich die Tiere langſam wieder ins Walddickicht, und nur ſelten folgt ein Schmaltier auf verſteckten Seitenwegen dem Unterlegenen, während der Sieger die Wahl hat unter den jungen Schmaltieren und dem älteren Kahlwild. Mit dem Oktober rückt der Herbſt allmählich in den Winter hinein. Aber man muß immer wieder daran den⸗ ken: Es dauert nur ein paar Wochen, bis die Tage wieder länger werden! Jeder kürzere Tag führt dem längeren entgegen, und Herbſt und Winter ſind in der Natur ja doch nur eine Vorbereitung auf Frühling und Sommer. . von Lütgendorff. Halte dich geſund! Gilt die Pflicht, ſich nach Möglichkeit geſund und ſo⸗ mit leiſtungsfähig zu erhalten, ſchon in normalen Zeiten, um wieviel mehr in ſolchen, die beſondere Anforderungen an die Arbeitskraft ſtellen, wie es jetzt für das deutſche Volk in ſeiner Geſamtheit der Fall iſt. Gerade im Uebergang von der warmen in die kalte Jahreszeit erleidet mancher eine geſundheitliche Störung, die bei einiger Achtſamkeit hätte vermieden werden können. Zu den erſten Unpäßlichkeiten, die ſich um dieſe Jahreszeit einzuſtellen pflegen, gehört der Schnupfen aller Grade. Auch gegen ihn, der ſcheinbar ſeine Opfer aus dem Hinter⸗ halt überfällt, können wir uns durch geeignetes Verhalten wappnen. Es iſt verkehrt, ſich beim erſten Sinken des Thermometers gleich in ſeine dickſte Unterkleidung zu hüllen. Im Laufe des Tages erhitzt ſie den Körper bis zur Schweißbildung, und wenn wir uns in dieſer Ver⸗ faſſung aus einem geſchloſſenen Raum in die friſche Luft begeben, iſt die Gefahr der Erkältung da. In Wohn⸗ und Arbeitsräumen bringe man die Heizung auch nicht gleich auf Hochtouren— abgeſehen davon, daß wir auch mit Heizmaterial ſparſam umgehen ſollten—, ſondern erwärme nur ſoweit, daß beim Sitzen kein Fröſteln verſpürt wird. Der Kontraſt zwiſchen zu warmer Innen⸗ und kühler oder kalter Außentemperatur trägt uns nur zu leicht einen Schnupfen ein. Eines der wichtigſten Gebote zur Vermei⸗ dung von Schnupfen und Erkältung heißt: halte die Füße warm. Auch Zugluft. die auf eine Körpergegend trifft— 3. B. der feine Luftſtrahl, den die Fenſterrahmen durch⸗ laſſen—, verurſacht Erkältungen. Das Blut, das aus den Füßen weicht, ſtaut ſich am eheſten in den Schleimhäuten der Naſe, dieſe ſchwellen an, entzünden ſich ſchließlich und der Schnupfen iſt da. Ein gewiſſes Prickeln in der Naſe iſt meiſt das erſte Anzeichen, daß das Unheil im Anzug iſt. Achtet man rechtzeitig auf dieſen Vorboten des Schnupfens hilft das Rezept von Prof. Bier, einen Tropfen Jod in einem Glas Waſſer zu trinken, oftmals, den Ausbruch zu verhindern. Iſt es aber ſchon zu ſpät und der Schnupfen da, muß man ihm gleich anfangs energiſch zu Leibe gehen. Heiße und Wechſelfußbäder kräftigen die Füße gegen das Kaltwerden, das einer längeren Dauer der Erkältung ſo günſtig iſt. Aber auch durch unſere Ernährungsweiſe können wir den Zuſtand beeinfluſſen. Alkohol, Fleiſch, Käſe, Fett vermeide man und halte ſich an Obſt, Gemüſe, Haferflocken, Kartoffelbrei u. ä. Durch Enthaltſamkeit im Trinken hilft man den Schnupfen„austrocknen“. Neben der Verhütung akuter Krankheiten ſollte man heute der Fußpflege beſondere Beachtung ſchenken. Haus⸗ frauen wie Geſchäftsfrauen ſind heute im Gehen und Stehen vielfach angeſtrengter. Die hauptſächlichſten Be⸗ ſchwerden rühren von Senk⸗, Knick⸗ oder Spreizfüßen her. Schon die erſten Anzeichen von Beſchwerden: ziehende Schmerzen, die ſich an Ferſe und Wade entlang oft bis in die Hüften ausdehnen, dürften nicht ſo lange unbeachtet blei⸗ ben, bis der Fuß überhaupt den Dienſt verſagt. Fuß⸗ bäder, mit Zuſatz von Staßfurter Salz, allabendlich vor Klettergewandten erſtiegen den dem Schlafengehen genommen, das Einmaſſieren eines guten Fußkrems ſtärken die Fußmuskeln. Das Knochen⸗ gerüſt bedarf außerdem einer Stütze, wie ſie die Einlagen darſtellen. Es iſt aber verkehrt, ſich irgendwelche Einlagen anzuſchaffen, ſondern bei heftigen Beſchwerden und ficht⸗ baren Veränderungen der Fußform ſollte man den Arzt fragen, welche Art der Stützung nötig iſt. Als Vor⸗ beugungsmittel oder bei leichten Beſchwerden iſt das Um⸗ wickeln des Fußes um Knöchel und Sohle mit einer elaſtiſchen Binde ſehr von Nutzen. Durch ſie wird, was vor allem bei längerem Stehen wohltuend empfunden wird, der Fuß gehalten und geſtützt, ohne an Beweglichkeit einzubüßen. Küfe der Jugend Die Schnitzeljagd Ein fröhliches Herbſtſpiel für die Jungen. Eines Tages war der Fähnleinführer gekommen, hagerer Junge, Tauſendſaſſa und Vorbild zugleich. Hans, ſo hieß er, hatte ein neues Spiel für ſie. Das heißt, es iſt ein ur⸗ altes Spiel, doch kannten es ſeine Pimpfe noch nicht. Neu⸗ gierig ſchauten ſie auf den prallen Sack, den der Fähnleinführer geſchultert trug. „Wir machen jetzt eine A Weed ſagte er und wählte fünf Mann aus, die zu ſeiner egleitung gehören und als Füchſe von den übrigen, den Jägern, verfolgt werden ſollten. Die Füchſe konnten machen, was ſie wollten, konnten in jedes beliebige Gelände gehen, hatten nur die Pflicht, ihren Weg mit Papierſchnitzeln genügend zu kennzeichnen. Sie fieberten alle und konnten es kaum erwarten, bis die Friſt von zehn Minuten, die den Füchſen als Vorſprung ge⸗ gönnt wurde, vorüber wax. Dann liefen ſie ſofort hinterher und freuten ſich, weil die Fährte gut ſichtbar war. Sie mein⸗ ten, es könne nur eine halbe Stunde dauern, dann habe man die Füchſe längſt wieder ein. Denn unter den Jägern waren einige ganz verteufelt gute Läufer. Sie wurden herausgeführt aus der Stadt. Der Papier⸗ weg zeigte in eine Wieſe hinein, und im Nu brandete die Welle der Verfolger über den brüchigen Zaun hinweg und fiel in das Grasland ein. Doch da ſtanden ſie nun mitten in einer Wieſe und wußten nicht weiter, denn die Papierſchnitzel hörten auf. Schon wollten einige an der Ehrlichkeit dieſes Spieles zweifeln, als andere richtig überlegten, daß dieſe Spur nur eine Ffinte ſei, daß die richtige Fährte woanders weiterlaufen würde. Sie hatten ſich nicht getäuſcht, und ſo ſtürmte die ganze Meute weiter den Papierweg entlang. Einmal führte die Schnitzelſpur von der Straße weg in einen Hausflur. Blind vor Eifer ſtürmten die Jäger dieſes Haus, drückten ſich durch die Tür und ſtanden plötzlich zu zwanzig Mann in einer Küche, ſtaunend vor entſetzt aufge⸗ fahrenen Bewohnern. Wiederum erwies ſich, daß die liſtigen Füchſe eine falſche Fährte hinterlaſſen hatten. Die Pimpfe ſchlichen mit hängenden Köpfen und unter vielen Entſchuldi⸗ gungen wieder auf die Straße zurück. Ein anderes Mal führte die Spur in einen Hof. Als die Verfolgermeute wie ein Wirbelwind in dieſen Hof geraſt war, wurde das Hoftor zugeſchloſſen und ein ſchwerer Balken legte ſich knirſchend in einen Riegel. Jetzt wußten alle, daß die Füchſe in der Nähe waren. Die Elngeſchloffenen brüllten vor Vergnügen und überſtiegen eine hohe Mauer. In hoher Fahrt fagten ſie an einem Feldrain entlang und liefen auf das verwilderte Gebiet der Sandſteinfelſen zu. Die Füchſe hatten ein Seil mitgenommen und zogen ſich an einer Felsnaſe empor. Wie ein Schwarm Bienen ergoſſen ſich die Jäger in blindwütigem Lauf über die ſandigen Hänge und umzingelten den Felſen von allen Seiten. Ja, die erſten Felſen im Nu. ein Der Fähnleinführer mit dem prallen Sack auf dem Rücken wußte anſcheinend keinen Ausweg mehr. Er ließ die Jäger ganz nahe kommen, aber ehe ſie ihn zu berühren vermochten, war er mit einem Rieſenſatz vom Felſen hinab in den lockeren Sand geſprungen. Aber viel nützte es ihm nicht. Mit Triumphgeheul machten es die Jäger nach und bald waren alle Füchſe überwältigt. Der Lauf ging über zwei Stunden durch herrliches Ge⸗ lände. Die Knie der Pimpfe waren rot vom Laufen, ihre Geſichter heiß und ihre Haare wirr. Aber ſie lachten, ſtemm⸗ ten die Beine auf die Erde, die Arme in die Hüften und waren vollends glücklich. ———— — 2 Beneral de Wet ſchlägt ſich dureh cine kEniſode aus dem Burenkrieg von Fr. Heinrich Pohl In der unendlichen Weite: Ein Mann! Ein Reiter, wie ein Bauer gekleidet, mit hohen Stiefeln, breitkempigem Hut, aber den Patronengürtel umgeſchnallt und das Ge⸗ wehr ſchußbereit vor ſich. Aufmerkſam muſtert er jeden der kleinen, aus der Ebene aufſteigenden Hügel, Kopje von den Buren genannt, und hin und wieder hält er das ſchweißbedeckte Pferd an, beſchattet die Augen mit der Hand und läßt ſie über den Horizont wandern. Kein Kaffernkral, keine Burenfarm iſt zu ſehen und kein Menſch. Der Reiter gibt ſeinem Gaul die Sporen und galoppiert weiter. Jetzt muß er eine Drift durchreiten, verhält das Pferd einen Augenblick in dem ſeichten Waſſer und kühlt ſich Geſicht und Hände. Und wie er das andere Ufer er⸗ reicht, einen Kop umritten hat, ſieht er plötzlich gar nicht mehr weit entfernt einen langen Zug Reiter auf ſich zu⸗ kommen. Mit einem Blick hat er erkannt, daß ſie wie er 9 103. ſind und reitet mit verhängten Zügeln dar⸗ auf los. „Ilt Hauptkommandant de Wet bei euch?“ fragt er den erſten Reiter, der ihn verwundert muſtert. Aber er hat den Geſuchten, einen breitſchultrigen Mann mit brau⸗ nem, Klugheit und Energie ausgrückenden, von einem graublonden Vollbart umrahmten Geſicht ſchon entdeckt und lenkt ſein Pferd zu ihm hin. „General“, ſagt er in ehrerbietigem Ton,„ich komme aus Dewetsdorp. Die Engländer haben es beſetzt, ſechs⸗ 1 Mann von Gloeeſterſhire⸗Regiment und den riſh⸗Rifles. Die Pferde, die ſie nicht gebrauchen können, haben ſie totgeſchoſſen, das Vieh beginnen ſie fortzutreiben, die Frauen und Kinder werden in Konzentrattonslager kommen und— das Dorf ſoll verbrannt werden...“ Dem Mann verſagt die Stimme. Der Burengeneral blickt den Boten aus Dewetsdorp, der älter als er ſein muß, prüfend in das gramvolle, fal⸗ tige Geſicht.„Jan Alberts“, ſagt er dann,„ich kenne dich 5055 wenn ich dich auch zwanzig Jahre nicht geſehen abe.“ In die Augen des Alten tritt ein freudiger Schimmer. „Sechshundert Engländer ſagſt du?“ fragt de Wet,„und womöglich Kanonen?“ „Ja, zwei Kanonen!“ 9 De Wet blickt wehmütig über die knapp vierhundert Bauernkrieger, die ſich um ihn geſchart haben. Wie elend und heruntergekommen ſind ſie, und wie jämmerlich ſehen die Pferde aus! Mancher Bur iſt ſchon abgeſeſſen und führt ſeinen Gaul am Zügel. Aber zähe Kerle bleiben ſeine Buren doch, von denen es jeder noch halbverhungert mit ein paar Engländern aufnimmt. „Kameraden“, de Wet richtet ſich im Sattel auf,„ihr habt gehört, was der Mann aus Dewetsdorp erzählt hat. Was meint ihr, das wir tun ſollen?“ „Wir werfen die Engländer hinaus, Vater!“ Der achtzehnjährige Gert de Wet ruft es, einer der drei Söhne des Generals, die an ſeiner Seite kämpfen. Und von allen Seiten erfolgt Zuſtimmung. 5 8 „Gut“, de Wet nickt,„dann reiten wir jetzt bis zum Modderfluß, ſchlagen dort unſer Lager auf und bei Tages⸗ anbruch ſtürmen wir!“ Die Buren reiten weiter, Jan Alberts neben dem Hauptlommandanten. Und bei den Berichten des alten Buren wird de Wet wieder ſeine Jugendzeit in Dewets⸗ dorp lehendig, der Siedlung, die nach ſeinem Vater be⸗ nannt iſt. Wie furchtbar haben ſich die Zeiten gewandelt! Das kleine Völkchen der Buren, das unter unſäglichen Mühen das Land urbar gemacht, das prächtige Viehherden herangezüchtet hatte, das in ſeinen ſüdafrikaniſchen Bauernrepubliken die Freiheit über alles liebte, war von dem raubgierigen England überfallen worden. Wunder⸗ bare Heldentaten hatten die Bauern, als ſie zur Verteidi⸗ gung ihrer Heimat zu den Waffen gegriffen, vollbracht. Aber was half es, wenn ſchließlich auf Kommandos von tauſend Buren dreißig⸗, vierzigtauſend Engländer kamen. Da mußten die tapferen Männer heimatlos durch ihr eige⸗ nes Land irren. Und die Frauen und Kinder verkamen zu Tauſenden in den fürchterlichen engliſchen Konzentrations⸗ lagern. De Wet hört nicht mehr, was Alberts von De⸗ wetsdorp erzählt, er ſtarrt in den blutigroten Schein, der nach dem Untergang der Sonne den ganzen Himmel wie loderndes Feuer überzieht 5 Im Morgengrauen werden die nichtsahnenden Eng⸗ länder in Dewetsdorp überfallen und zum größten Teil von den erbitterten Buren niedergemacht. Zwei Kanonen, Munition, Waffen, prächtige Pferde und große Vorräte an Lebensmitteln fallen den erfreuten Buren in die Hände. Als Hauptkommandant de Wet nach kurzer Raſt mit ſeinen Kameraden wieder abrücken will, tritt ein alter Bauer an ihn heran. f „De Wet“, ſagt er, ihm in die Augen blickend,„wir haben Nachricht von Honingspruit!“ „Was?“ De Wet fährt hoch.„Erzählt!“ fordert er mit dumpfer Stimme auf. Was wird er von ſeiner prächtigen Farm, die er ſchon ſo lange verlaſſen mußte, hören? Der Alte räuſpert ſich:„Die Engländer waren dort!“ Die drei Söhne de Wets drängen ſich hinzu, angſtvolle Spannung in den jungen Geſichtern. „Die Häuſer ſind mit Dynamit in die Luft geſprengt!“ Der Alte ballt die Fäuſte.„Das Getreide iſt verbrannt, Rinder und Schafe wurden erſchlagen oder mit den Bajo⸗ ſteckten. Unſeren Toten Und nun ſchweigen die Fanfaren Und die endeloſen Scharen Stehen ſtill, wie feſtgebannt. Und die Fahnen ſinken schweigend, Denen ehrfurchtsvoll ſich neigend, Die da ſtarben für das Land. Alle ſtehen ſchweigend ſtille, Fühlen, daß ein heil'ger Wille Sie in dieſen Ring gespannt. Und erfüllt von tiefer Ahnung Denken ſie der Toten Mahnung, Reichen ſie ſich ſtumm die Hand. So hat ſich das Volk gefunden, Und für wenige Sekunden Wird das Herz der Stärkſten weich. — Doch nun höher die Standarten! Deutſchland ſoll nicht länger warten, Stehe feſt, du Drittes Reich! Gerhard Seeger⸗Ahlert. Gerhard Seeger⸗Ahlert fiel in dieſen Tagen, 23jährig, an der Oſtfront. Dieſes Gedicht wählte Baldur von Schirach vor Jahren für eine Sammlun beſter junger Lyrik aus. Nun lebt der junge Dichter ſelbſt in der unſterblichen Gemeinſchaft toter deutſcher Soldaten weiter, denen er dieſe Verſe ſchrieb. Aedddddmmmmmdmmmddemdddd erde netten erſtochen... Euren Rock, General, ſollen ſie mit⸗ e haben, ihn zum Spott in England auszu⸗ ellen!“ 1575 5 „Und mein Weib? Meine Kinder?“ fragt de Wet, der ſeine ganze Kraft zuſammennimmt, um alles zu hören. „Eure Frau, de Wet, war gewarnt. Ihr gelang mit allen fünf Söhnen und ſechs Töchtern die Flucht. Mit Frauen und Kindern der Nachbarfarmen, die Frau de Wet unter ihren Schutz nahm, wird ſie wohl inzwiſchen in die Kapkolonie gelangt ſein.“ a Ein Leuchten ging über das Antlitz de Wets.„Kame⸗ raden!“ rief er, und ſeine Stimme hatte metallenen Klang, „was den Frauen gelungen iſt, werden wir auch ſchaffen: Zur Kapkolonie!“ De Wet, der ein ſchlichter Bauer ohne militäriſche Vorbildung und nur durch das Vertrauen der Buren zum Hauptkommandanten gewählt war, brachte es fertig, ſich mit ſeinem kleinen Häuflein Männer durch ganze Armeen der Engländer durchzuſchlagen und bis zum Friedens⸗ ſchluß frei zu bleiben. Bei den„Verhandlungen“ mit Lord Kitchener und„Lord Milner“ vertrat er ſein Vaterland, den Oranjefreiſtaat, mußte aber blutenden Herzens zu⸗ ſehen, wie die Engländer ohne einen Schein des Rechts den Oranzefreiſtaat ebenſo wie die Südafrikaniſche Republi! und Transvaal erbarmungslos aus der Reihe der unab⸗ hängigen Staaten auslöſchten und in die eigene Taſche —„ e * —