U mitt Nr. 267 Neckar⸗Bote(2. Blatt) Dienstag, 14. November 1939 Parole: Kampf! Gauleiter Robert Wagner ſprach in einer Großkundgebung. () Karlsruhe, 13. November. Gauleiter und Reichsſtatthalter Robert Wagner ſprach in einer Großkundgebung vor den Karlsruher Orts⸗ gruppen der NSDAP. 30 000 Volksgenoſſen hörten die vom tiefen Ernſt und der Größe der Zeit getragenen Ausführun⸗ gen des Gauleiters, die vom Studentenhauſe in 28 Säle der Stadt übertragen wurden. Nach dem Fahneneinmarſch und einleitenden Worten des Kreisleiters Worch ſprach Gauleiter und Neichsſtatthalter Robert Wagner zunächſt der Bevöl⸗ kerung der Gauhauptſtadt ſeinen Dank aus für ihre Haltung in den erſten Kriegsmonaten In dieſem Zuſammenhang be⸗ tonte der Gauleiter, daß es nicht leicht ſei, ſich von den An⸗ gehörigen und von der Heimat zu trennen, um dann fort⸗ zufahren:„Ich weiß, daß wir auch in der Zukunft Opfer, und wenn es ſein muß ſchwerſte Opfer, tragen müſſen. In Zeiten der Not iſt es aber doppelt notwendig, ſich der Führung voll und ganz anzuvertrauen. Wie ſehr es dieſer Führung um das Wohl des Volkes zu tun iſt, haben die September⸗ tage des Jahres 1939 gezeigt. Ich weiß darum, daß es auch in der Zukunft alle Opfer tragen wird, und ich habe keinen Zweifel darüber, daß die Bevölkerung des Gaues Baden jederzeit einſtehen wird für die Intereſſen des Reiches, daß ſie geſchloſſen wie ein Mann hinter dem Führer ſtehen wird und daß ſie genau ſo edeldenkend handeln wird, wie ſie bisher alles mit einem bewunderungswürdigen Opfermut ge⸗ tragen hat.“ Mit erhobener Stimme, aus deren Klang der Einſatz und die Größe unſerer Zeit ſprachen, fuhr der Gauleiter fort: „Wir leben in einem Kriege, und in Kriegszeiten werden immer ſchwere Belaſtungsproben an ein Volk herantreten. Wenn wir auch keinen anderen Wunſch haben, als den Frieden in der Welt wieder herzuſtellen, ſo wiſſen wir doch alle, daß wir um dieſen Frieden kämpfen müſſen. Wer den Frieden haben will, muß für ihn Opfer bringen. Das iſt eine alte Weisheit, nach der wir uns alle einzurichten haben.“ Im weiteren Verlauf ſeiner Rede kam Gauleiter Robert Wagner auf die Notwendigkeiten zu ſprechen, die im Augenblick insbeſondere für die Bevölkerung unſeres Grenzgaues gegeben ſind. Wir wollen vielmehr täglich und ſtündlich an der Ver⸗ vollkommnung all jener Einrichtungen arbeiten, die der Sicher⸗ heit unſerer Bevölkerung dienen. Der Gauleiter warnte dabei por der„falſchen Tapferkeit“ bei Fliegeralarm und richtete an die Bevölkerung den eindringlichen Appell, willig allen Anweiſungen der Luftſchutzwarte zu folgen. Dem Ausbau und der Verbeſſerung ſplitterſicherer Räume iſt beſonderes Augenmerk zuzuwenden, wobei der Gauleiter auch an die Ge⸗ fahren erinnerte, die der Bevölkerung beim Feuer der eigenen Flakartillerie durch Sprengſtücke und Fehlzuͤnder drohen.— Im zweiten Teil ſeiner Rede wandte ſich Gauleiter Robert Wagner der politiſchen Lage und den großen Geſchehniſſen unſerer Tage zu. Immer wie⸗ der von ſtürmiſchem Beifall unterbrochen, rechnele er dabei mit den britiſchen Kriegstreibern ab, die ſich als einziges Ziel die Vernichtung des nationalſozialiſtiſchen Großdeutſchen Rei⸗ ches geſetzt haben. Der Gauleiter führte dabei u. a. folgen⸗ des aus:„Es herrſcht in der gerecht denkenden Welt kein das deutſche Volk kei⸗ Zweifel darüber, daß der Führer und de a nen ſehnlicheren Wunſch haben, als den 5 0 wieder her⸗ zuſtellen. Allein das iſt abhängig von beiden Teilen und wir wiſſen, daß unſere Feinde geäußert haben, ſie wollten keinen Frieden mit dem nationalſozialiſtiſchen Deutſchland. Wir haben darum als Deutſche nur den einzigen Gedanken, dem eng⸗ liſchen Piratentum und ſeiner Führung den Frieden abzu⸗ zwingen. 82 Millionen Deutſche ſind von dem einzigen Willen beſeelt, den ehrenvollen und gerechten Frieden unſeren Fein⸗ den abzutrotzen. Es geht uns nicht um Eroberungen, ſondern um die Unabhängigkeit und Freiheit unſeres Volkes!(Stür⸗ miſcher Beifall). Seit drei Jahrhunderten leben unſere weſt⸗ lichen Nachbarn auf unſere Koſten. Seit drei Jahrhunderten bemühen ſich die Edelſten unſeres Volkes um die Freiheit und Unabhängigkeit des Reiches und führen den opfervollſten Kampf der deutſchen Geſchichte.“ Bei dieſer Gelegenheit widerlegte der Gauleiter mit Nachdruck die Lüge unſerer Feinde, das deutſche Volk ſei„imperialiſtiſch“.„Wir haben nur den einen Wunſch“, ſo rief der Gauleiter unter ſtür⸗ miſcher Zuſtimmung der Tauſende,„daß der engliſche See⸗ räuberſtaat einmal mit der Bevölkerung ſeiner Kolonien und Dominien genau ſo anſtändig und gerecht verfahren möge, wie wir Deutſche mit dem tſchechiſchen Volk. Was hat denn Eng⸗ land im Korridor, in Danzig und in Memel zu ſuchen? Volk will zu Volk und Blut gehört zu Blut. England hat kein Recht, ſich gegen die Wiedergutmachung des Verſailler Un⸗ rechts zu ſtellen. England beherrſcht überall auf der Welt fremdes Volkstum, ebenſo Frankreich.“— Mit Ergriffenheit und heiligem Zorn lauſchten die Tauſende den Worten des Gauleiters, als er ſodann auf den uchloſen Anſchlag im Bürgerbräukeller in München zu ſprechen kam. Mit ſcharfen und eindeutigen Worten stellte der Gauleiter die Schuldigen an dieſem feigen Mordverſuch an den Pranger.„Chamberlain hat es ja zu Beginn dieſes Krieges ausgeſprochen, daß er noch den Tag erleben möge, an dem der„Hitlerismus“ vernichtet ſein werde. And das amtliche engliſche Reuterbüro hat am Tage nach dem Münch⸗ ner Mordanſchlag feſtgeſtellt, daß die Bombe leider nicht den Richtigen erreicht habe!(Lebhafte Pfuirufe und Entrüſtung). Wenn das der Geiſt iſt, der die Engländer beherrſcht, dann kann unſere Parole nur lauten: Auge um Auge und Zahn um Zahn! Wenn ſie uns mit Mord begegnen zu können glauben, dann ſoll die brutalſte Gewalt entſcheiden!“(Stür⸗ miſcher Beifall). „In dieſem Kampfe“, ſo rief Gauleiter Robert Wagner mit erhobener Stimme,„tun wir unſere Pflicht, wo immer wir auch hingeſtellt werden. Nur ein Gedanke ſoll uns dabei leiten: Deutſchland! Alle großen Geiſter unſeres Volkes ſind mit uns und marſchieren mit uns. Wir wiſſen, daß wir am Ende den Sieg davontragen werden!“ Dann erinnerte der Gauleiter an die ſchweren politiſchen Niederlagen, die die Weſtmächte in den letzten Monaten⸗ erlitten haben. Politiſch und diplomatiſch ſind ſie uns nicht gewachſen, ebenſowenig aber auch militäriſch. Die Hoffnung unſerer Feinde, Deutſchland wirtſchaftlich zugrunde zu richten, iſt mit dem Abſchluß des Deutſch⸗Sowjetruſſiſchen Paktes end⸗ gültig zerſtört worden. So haben ſie Niederlage um Nieder⸗ lage erlitten und wenn ſie nun ihre letzte Hoffnung in einer Revolution des deutſchen Volkes erblicken, dann können wir ihnen nur ſagen:„Das deutſche Volk wird keine zweite Re⸗ volte mehr erleben. Dafür hat es 1918 zu bittere Erfahrun⸗ gen gemacht und dafür bürgt aber auch die NSDAP. und unſer Führer Adolf Hitler.“ Die Schlußworte des Gauleiters waren getragen von dem unerſchütterlichen Glauben an den Führer und dem unbezwingbaren Willen zum Sieg.„Was in den letzten ſechs Jahren für das deutſche Volk geleiſtet wurde, das kam uns erſt in dieſen Tagen im vollen Umfange zum Bewußtſein. All das verdanken wir einzig und allein der genjalen Führung Adolf Hitlers.“ Mit erhobener Stimme rief der Gauleiter:„Die Parole heißt auch in der Zukunft Kampf. Ich weiß, daß der Gau Baden ſeinen Teil dazu beitragen wird, ſodaß wir alle von der ſtolzen Gewißheit unſeres Sieges erfüllt ſein dürfen. Anſer ganzes Tun und Laſſen ſteht fortan unter der Parole: Kampf. Wir werden dabei nur von der einen Sehnſucht geleitet, Deutſchland endlich unabhängig zu machen und das Leben unſeres Volkes zu ſichern.“ Als Sprecher von über 2,5 Millionen Männern und Frauen des Gaues Baden faßte Gauleiter Robert Wagner das Gelöbnis unwandelbarer Treue in dem Gruß an den Führer zuſammen, in den die Tauſende begeiſtert einſtimmten. Die Lieder der Nation beendeten die eindrucksvolle Großkund⸗ gebung der Gauhauptſtadt. 1 Kriegsſemeſter beſuchen die Univerſitüt. Dieſe Aufnahme wurde vor der Univerſität in Breslar gemacht: Studenten in Feldgrau gehen ins Kolleg. N e Weltbild(M). Männer, die aus dem Handwerk kamen „WPD. Daß das deutſche Handwerk in ſeiner mittelalter⸗ lichen Blütezeit eine ganze Anzahl von Männern hervor⸗ brachte, die ſich durch hervorragende Gaben und ſonſtige Ei⸗ genſchaften auszeichneten, war ſtets unbeſtritten. Auch daß die ſonſt ſo viel umſtrittenen mittelalterlichen Zünfte durch ihre ſtrengen Beſtimmungen dazu beigetragen haben, unter⸗ liegt keinem Zweifel. Ihre Lebensgrundſätze waren ja Wehr⸗ haftigkeit. Reinhaltung des deutſchen Blutes, Diſziplin, Op⸗ fergeiſt, Kameradſchaft, Achtung vor den Frauen, vor Brauch und Sitte, ſtrenge Gütearbeit nicht nur um des Geldes, ſon⸗ dern um der Sache willen, Betriebsgemeinſchaft und Stan⸗ desgemeinſchaft von Meiſter, Geſelle und Lehrling, Aufſtieg und Nahrung für den tüchtigen Geſellen. Eine weitere Erklärung findet man in der Tatſache, daß das Aufblühen der Zünfte mit demjenigen der Städte in Wechſelwirkung ſtand. Die Städte boten die Grundlage für eine verhältnismäßig geſicherte Lebenshaltung; andererſeits ſtellte ſich das Handſverk mit ſeinen Zünften weitgehend in den Dienſt der ſtädtiſchen Obrigkeit, wenngleich hier und da auch gelegentliche Spannungen auftraten. Die Zünfte wa⸗ ren verpflichtet, die Einwohnerſchaft mit handwerksgerechten Erzeugniſſen und Leiſtungen zu verſorgen; ſie übernahmen die volle Verantwortung für Güte und Preiswürdigkeit. Man ſieht alſo, daß auch die heutige bewährte Form von handwerklichen Arbeitsgemeinſchaften ſchon gewiſſe Vorläu⸗ fer in anderem Kleide hatte. Nur ſtand vor Jahrhunderten nicht ſo ſehr der Erwerb in unſerem heutigen Sinne im Vor⸗ dergrund, ſondern die Bedarfsdeckung der Bevölkerung, ſo⸗ zuſagen im Auftrag der ſtädtiſchen Obrigkeit und im Dienſte der Geſamtheit. Dieſe Zeit hat Männer hervorgebracht wie Hans Fug⸗ ger, der als Leineweber im Jahre 1367 in Augsburg ein⸗ wanderte, einige Jahre ſein Handwerk betrieb, ſpäter aber einen Handel mit Webwaren, und damit den Grundſtein legte zu einem der G Handelsunternehmen ſeiner Zeit; wie Johannes Gutenberg, der den Druck mit gegoſſe⸗ nen beweglichen Lettern erfand, wie Veit Stoß, der Kup⸗ ferſtecher, Holzſchnitzer, Steinbildhauer, Rotgießer und Bau⸗ meiſter war; wie Albrecht Dürer, der von ſeinem Vater das Gold- und Silberſchmiedehandwerk erlernte und einer der größten Maler und Zeichner wurde; wie Hans Sachs, den Schuhmacher und Poeten, und wie Peter Henlein, der als Schloſſergeſelle die Taſchenuhr, das„Nürnbergiſch Ei“, erfand. Dieſe Männer und ihre Werke haben unſterb⸗ lichen Ruhm erlangt. Einer der bekauntgewordenen Män⸗ ner, die ſich beſonders im Dienſte der Allgemeinheit auszeich⸗ neten, war Hans von Sagan. Im Jahre 1370 lebte in Königsberg der Schuhmachergeſelle Hans Sagan. Um dieſe Zeit wurde der deutſche Oſten, in dem die Deutſchen Ordens⸗ ritter ein gutes Regiment führten und ſchwere Kämpfe aus⸗ kämpfen mußten, um brandſchatzende ſlawiſche Völkerſtämme vom Heimatboden fernzuhalten, ſchwer bedroht. Ruſſen, Po⸗ len, Litauer und Tartaren verſuchten im Frühjahr 1370 Kö⸗ nigsberg und Marienburg einzunehmen. Es ſah nicht gut aus um dieſe beiden Städte, denn es ſtanden den 40 000 dentſchen Kämpfern über 70 000 Slawen gegenüber. Es war eine heiße Schlacht, die da geſchlagen wurde. Als d. Bgn⸗ nerträger der Ordensritter fiel, berloren die Kämpfer ihre e e und es ſah ſo aus als wollten ſie ſich zurück⸗ 1 5 Doch da ergriff der Schuhmachergeſelle Hans Sagan ie Fahne und rief ſeinen zurückweichenden Kameraden ein Halt entgegen. Und als die Fahne wieder flatterte und nach vorn dem Feind entgegengetragen wurde, da ſammelten ſie ſich wieder und ſchlugen den Feind. Hans Sagan, der in dieſer Schlacht verwundet wurde, wurde vom Hochmeiſter zum Ritter geſchlagen und gea⸗ delt. Die Ritterſchaft lehnte er ab; er wollte doch lieber, zweil er zum Ritter nicht tauge“, bei ſeinem Handwerk blei⸗ ben. Er erbat ſich aber, daß an jedem Jahr zur Erinnerung an dieſe Schlacht ſeinen Mitkämpfern ein Gedächtnismahl ausgerichtet werde. Faſt 200 Jahre lang wurde dieſes Feſt, „Schmeckebier“ genannt, im Königsberger Schloß abge haften. Zum Andenken an die mutige Tat des Schuhmachergeſel⸗ len verlieh Kaiſer Karl IV. dem Schuhmacherhandwerk das Recht, auf Wappen, Fahne und Schild den Doppeladler des Reiches zu führen. Dieſen Doppeladler ſehen wir noch heute im Abzeichen des Reichsinnungsverbandes des Schuhmacher⸗ handwerks. Frontberichte für unſere Jugend Berlin, 14. Nov. Zwiſchen dem Oberkommando der Wehrmacht und der Reichsjugendführung iſt der Einſatz von Teilnehmern an den Kämpfen im Oſten und Weſten des Reiches auf Heimabenden der Hitlerjugend ver⸗ einbart worden. Unſere Frontkämpfer werden darnach bei Rückkehr in die Heimat den Hitlerjungen von ihren Er⸗ lebniſſen berichten. Die herzliche Kameradſchaft zwiſchen Soldaten und Hitlerjungen wird die ſtarke innere Anteil⸗ nahme der geſamten männlichen Jugend des Reiches an dem ſiegreichen Einſatz der deutſchen Waffen noch ſteigern. Die Erzählungen der bisher in der HJ eingeſetzten Frontkämpfer des Weltkrieges erfreuen ſich bereits größter Beliebtheit. Mit noch viel größerer Spannung erwartet die HI nun ihre nur wenig älteren Kameraden, die im grauen oder blauen Rock ſchon Frontſoldaten geworden ſind. Rund um Tonnen und Regiſtertonnen Zwei wichtige Begriffe werden erläutert.— Von der Be⸗ zeichnung zur klaren Vorſtellung. i Der Zeitungsleſer ſtößt bei den Seekriegsberichten auf Meldungen wie:„Geſtern hat eines unſerer U-Boote einen engliſchen Handelsdampfer, etwa 5000 Brutto⸗ regiſtertonnen groß, verſenkt!“; oder:„Einem deutſchen U-Boot gelang es, den engliſchen leichten Kreuzer, 6800 Tonnen groß, zu torpedieren.“ f Einmal Tonnen, einmal Regiſtertonnen! Iſt das nicht gleich? Warum überhaupt Tonnen, warum nennt man nicht die Länge des Schiffes, was für den Laien viel be⸗ deutungsvoller wäre? Meter— das iſt ein Maß, unter dem er ſich etwas vorſtellen kann. Nun, man kann ſich auch unter„Tonnen“ etwas vorſtellen, wenn man weiß, was Tonne und Bruttoxegiſtertonne bezeichnen. Die„Tonne“ an ſich iſt die metriſche Tonne zu je 1000 Kilo. Dieſe Tonne kommt lediglich bei der Berechnung der Kriegsſchiffe in Betracht und bedeutet die Waſſerver⸗ drängung des Schiffes. Heißt es alſo, ein Kriegsſchiff habe 25000 Tonnen, ſo bedeutet dies, daß das Schiff 25 000 Tonnen Waſſer verdrängt, oder anders geſagt: Das Schiff wiegt 25 000 Tonnen oder 25 Millionen Kilogramm: denn nach dem bekannten Naturgeſetz„verdrängt ein ſchwimmender Körper ſoviel Waſſer, als er ſelbſt wiegt. Wenn man nun weiß, daß moderne Schlachtſchiffe 30 000 und mehr(bis zu 45000 Tonnen) verdrängen, dann kann man an Hand der Tonnagemeldung leicht feſtſtellen, ob es ſich jeweils um ein großes, mittleres oder kleines Schlachtſchiff handelt. Denn die Länge iſt nicht maßgebend. Es gibt über 200 Meter lange Schiffe mit geringerer Waſſerverdrängung(auch Deplacement genannt) und es gibt verhältnismäßig kurze Schiffe mit hoher Waſſervex⸗ 5 drängung. Die„Geſamttonnage“ iſt die Tonnenanzahl aller Schiffe eines Staates oder einer beſtimmten Schiffs⸗ gruppe. Wenn man nun etwa weiß, daß die Schlachtſchiff⸗ Geſamttonnage eines Stagtes 500 000 Tonnen beträgt und daraus zwei Schlachtſchiffe mit je 25 000 Tonnen durch den Feind verſenkt werden, dann hat dieſes Land zehn Prozent ſeiner Schlachtſchiff⸗Geſamttonnage verloren. Das gibt eine viel beſſere Vorſtellung von dem Verluſt, als wenndes heißt, es wären zwei Schlachtſchiffe, eines mit 1 Länge und eines mit 120 Meter Länge, ge⸗ unken. f Die engliſchen Schiffe allerdings werden nicht nach metriſchen Tonnen zu 1000 Kilo pro Tonne berechnet, ſon⸗ dern nach engliſchen Tonnen. Eine engliſche Tonne ent⸗ ſpricht 1,02 metriſchen Tonnen, alſo ein geringfügiger Unterſchied. 5 Schlachtſchiffe haben, wie erwähnt, 25 000 bis 45 000 Tonnen, natürlich gibt es auch kleinere und ältere Schlacht⸗ ſchiffe, die weniger beſitzen. Es wird jedoch kaum mehr ein Schlachtſchiff unter 10 000 Tonnen geben. Schlacht⸗ kreuzer(ſtarke Panzerung, ſtarke Artillerie und hohe Schnelligkeit) haben ebenfalls 25 000 bis 45 000 Tonnen. Geſchützte Kreuzer 3000 bis 10000 Tonnen, Flottillen⸗ führerſchiffe 1000 bis 3000 Tonnen, Torpedoboote 80 bis 500 Tonnen, Unterſeeboote 200 bis 3000 Tonnen. Während alſo Kriegsſchiffe ausſchließlich nach der Größe ihrer Waſſerverdrängung gemeſſen werden, hätte dies für d'? Handelsſchiffahrt keinen Zweck, denn auf Han⸗ delsſchiffen iſt ausſchließlich der Laderaum maßgebend. Deshalb wird das Handelsſchiff nach Raumtonnen, auch Regiſtertonnen, gemeſſen. Die Regiſtertonne iſt ein inter⸗ nationales Raummaß, nach dem in allen Ländern der Erde der Raumgehalt der Fe e e e wird. Eine Regiſtertonne hat 100 Kubikfuß oder 2,83 Kubikmeter. Man unterſcheidet den Bruttboraumagehalt. der den 7 geſamten Rauminhalt des Schiffes angibt, und den Netto⸗ raumgehalt. Dieſer iſt der allein für die Lagerung der zu befördernden Waren und für die Aufnahme von Fahr⸗ gäſten nutzbare, alſo der gewinnbringende Raum. Die Räume für Maſchinen, Keſſel, Kohlen, Oel, Schiffsmann⸗ ſchaft und ſonſtige notwendige Schiffseinrichtung ſind hierbei unberückſichtigt. Bei Frachtdampfern beträgt der Nettoraumgehalt ungefähr zwei Drittel der Bruttoton⸗ nage, bei den großen Paſſagierdampfern oft weniger als die Hälfte. Hat ein Handelsſchiff z. B. 6000 Brutto⸗ regiſtertonnen und dabei 4000 Nettoregiſtertonnen, dann kann es nicht 6000 oder gar nur 4000 Tonnen Waren laden, ſondern ungefähr zwei⸗ bis zweieinhalbmal ſo viel, denn es handelt ſich ja bei der Brutto- oder Nettotonne eben um kein Gewichtsmaß, ſondern lediglich um ein Raummaß. Aber ſelbſt in einem kleinen Raum laſſen ſich viele Kilo einer ſchweren Ware unterbringen. Wenn es alſo etwa heißen würde:„Eines unſerer U-Boote verſenkte einen vollbeladenen engliſchen Damp⸗ fer mit 6000 Bruttoxegiſtertonnen, deſſen ganze Ladung aus Munition für die Weſtfront beſtand“, ſo iſt das ein großer Erfolg. Denn 6000 Bruttoregiſtertonnen ſind etwa 4000 Nettoregiſtertonnen. Die Tragfähigkeit— oder auch Ladegewicht benannt— iſt, wie erwähnt, zwei⸗ bis zwei⸗ einhalbmal ſo groß, ſo daß dennoch dieſes Schiff 8000 bis 10000 Tonnen Munition, das ſind 8 bis 10 Millionen Kilogramm, geladen hatte. Wenn man nun weiter rechnet, daß eine 15⸗Zentimeter⸗Granate 40 Kilo wiegt, ſo hatte das Schiff die rieſige Menge von 200 000 bis 250 000 Stück 15⸗Zentimeter⸗Granaten an Bord.„ Aber was es auch ſei, immer, wenn eines U-Boote oder einer unſerer Seeflie„ 8 andelsſchiff verſenkt, iſt das ein 999 und gewaltiger rfolg, denn er ſchädigt den Feind und nützt unſerem täpferen Landheer l!, (12. Fortſetzung.) Im vorhergehenden Kapitel wurde erzählt: Cordula ſchreibt ihm. Sie meldet, daß ſich die Haber⸗ landwerke zu erholen ſcheinen. Herr Santoz verſteht den Kundenfang. Bei einer Geſellſchaft bemühte er ſich ſehr um Cordula, als er aber beim Tanz zärtlich zu ihr wurde, drohte ſie, daß ſie ihn ſtehenlaſſen würde. Sie iſt, was ſeine ge⸗ ſchäftlichen Abſichten anbetrifft, mißtrauiſch, aber ſie kann ihm nichts beweiſen. Hans Haberland denkt einen Augen⸗ blick mit freundſchaftlichen Gefühlen an Cordula, aber er hat jetzt anderes zu tun, als ſich wegen Cordula und Marjo⸗ rie den Kopf zu zerbrechen. Clifford hat den Wunſch geäußert, daß Haberland ein anderes Haus bezieht, das er einrichten will. Hans iſt erſtaunt, als er zum erſten Male die luxuriöſen Zimmer betritt. Er proteſtiert gegen dieſes Haus, aber Clif⸗ ford beſteht darauf, daß ſein Chefingenieur ſtandesgemäß wohnt. Ohne daß Hans etwas hört, bringt man allerdings in der Geſellſchaft dieſes Haus mit dem Intereſſe Marjories für Haberland in Verbindung. Seit dem Zwiſchenfall im Löwen⸗ haus hat er die Tochter ſeines Chefs nicht mehr geſehen. So iſt er halb und halb entſchloſſen, als ihm plötzlich in einer Kurve dicht vor ſeinem Haus ein großer moos⸗ grüner Wagen entgegengebrauſt kommt und ſo hart an ihm vorbeifährt, daß die Kotflügel der beiden Autos ein⸗ ander ſtreifen. Es knirſcht und kracht gewaltig. Beide Fahrer halten an, und Hans Haberland ſteigt aus ſeinem Wagen, um ſich den Schaden zu beſehen und dem unvor⸗ ſichtigen Lenker des Moosgrünen gründlich ſeine Meinung zu ſagen. Doch der Kraftausdruck, der ihm auf den Lip⸗ pen ſchwebt, bleibt unausgeſprochen, denn am Steuer des Moosgrünen ſitzt Marjorie Clifford. „Können Sie nicht ſehen?“ ruft ſie ihm ungnädig ent⸗ gegen.„Ich dächte, mein Wagen wäre groß genug!“ „Ach, das iſt ja reizend!“ Er ſteckt die Hände in die Hoſentaſchen und betrachtet die unverfrorene Sünderin halb wütend, halb beluſtigt.„Wer hat denn hier die Kurve geſchnitten? Das dürfte wohl Mylady geweſen ſein. Junge Damen, die nicht vorſchriftsmäßig fahren können, follten lieber zu Haus bleiben und Strümpfe ſtopfen.“ „Ich trage keine geſtopften Strümpfe!“ erklärt Mar⸗ jorie Clifford hoheitsvoll.„Zur Strafe werden Sie mich jetzt zu einer Taſſe Tee einladen, damit ich mich von dem Nervenſchock erhole, den Sie mir verurſacht haben.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, ſteigt ſie aus und wendet ſich ſeinem Haus zu. Was bleibt ihm anderes übrig, als ihr zu folgen? Es ſetzt ihn einigermaßen in Erſtaunen, daß ſie ſeine Wohnung zu kennen ſcheint, aber er unterdrückt eine Bemerkung, ſchließt ſeine Tür auf und ſagt mehr höflich als liebenswürdig: g „Darf ich Mylady unter meinem beſcheidenen Dach willkommen heißen?“ Dabei fragt er ſich innerlich mit einiger Beſorgnis, ob dieſer Beſuch nicht von der Nachbarſchaft bemerkt worden iſt, denn wenn er ſich auch ſonſt erhaben fühlt über die Meinung der Leute, ſo möchte er nicht dazu beitragen, Marjorie Clifford ins Gerede zu bringen. Nun, es iſt nicht mehr zu ändern. Marjorie Clifford ſteht bereits in der Halle, wirft dem Diener ihren pelz⸗ gefütterten Ledermantel zu und ſieht ſich prüfend um. „Es iſt ganz hübſch hier geworden!“ bemerkt ſie aner⸗ kennend.„Kellington verſteht ſein Handwerk.“ „Wer iſt Kellington?“ „Mein Innenarchitekt. Er hat mir auch meine Lon⸗ doner Wohnung eingerichtet. Ich hoffe, Sie ſind zufrieden mit ihm.“ „Außerordentlich!“ ſagt Hans Haberland grimmig. Ich gehe wohl alſo nicht fehl in der Annahme, daß ich Mylady meine augenblickliche Umgebung verdanke?“ —— blaſſen Morgenlicht iſt ihr Geſicht noch durchſichtiger, ſind ihre dunklen Augen noch größer, noch überwacher als ſonſt. Sie kommt Hans Haberland vor wie ein Kind, das nicht genug Schlaf hat. Die nervöſe Unraſt, von der ſie ſtets beſeſſen iſt, teilt ſich auch ihrem Pferd mit. Firebird, ihre Fuchsſtute, tänzelt unruhig hin und her und macht ein paarmal Miene, auf eigene Fauſt loszugehen. „Wundert mich gar nicht!“ bemerkt Haberland miß⸗ billigend.„Sie werden ſich eines Tages das Genick brechen, wenn Sie es nicht lernen, auf Ihrem Gaul ſtillzuſitzen!“ Marjorie lacht ihn aus und nennt ihn einen Schul⸗ meiſter. Trotz ihrer Zappeligkeit iſt ſie eine vorzügliche Reiterin.„Paſſen Sie lieber auf Ihr eigenes Genick auf!“ ſpöttelt ſie, und ſie hat nicht ſo unrecht. Das feurige Halb⸗ blut, das er reitet, ſpürt die fremde Hand und macht ſeinem Reiter allerhand zu ſchaffen. Aber Hans Haberland hat ſchon auf ſchwierigeren Pferden geſeſſen und iſt nicht ſo leicht aus der Faſfung und aus dem Sattel zu bringen. Mit einiger Schadenfreude hat Marjorie Clifford die kleinen Kämpfe um die Vorherrſchaft zwiſchen Pferd und Reiter beobachtet. Sie ſelbſt hat Tankred für Hans Haber⸗ land beſtimmt, trotzdem— oder vielleicht gerade weil— Tankred als ein unſicherer Kantoniſt gilt. Es reizt ſie, dieſen Mann auf Proben zu ſtellen, und ſie iſt ſich ſelbſt nicht klar darüber, ob ſie ſeinen Sieg oder ſeine Niederlage wünſcht. Nun nötigen die Ruhe und Sicherheit, mit denen er das ſtörriſche Pferd unter ſeinen Willen zwingt, ihr heimliche Bewunderung ab, und gleichzeitig ärgert ſie ſeine Ueberlegenheit. Es geht für ſie um mehr als um Tankred. ,, /, Sein Ton macht ſie ſtutzig. Sie iſt klug genug, um blitzſchnell zu begreifen.„Wie langweilig Sie heute find!“ ruft ſie ungeduldig.„Ich habe lediglich Pa geraten, Kel⸗ lington zu nehmen, wenn er Ihnen ein Haus einrichten läßt. Und jetzt will ich Tee haben! Ich verdurſte!“ Sie kauert ſich mit der Geſchmeidigkeit einer kleinen Katze in die weichſte Ecke des Sofas und greift nach einer Zigarette. Schweigend ſetzt ſich Haberland ihr gegenüber und ſtochert mit einem Schüreiſen in der Glut des Kamins herum. Der Diener kommt, rückt ein niederes Tiſchchen her⸗ an und ſerviert den Tee. Er bedient Marjorie Clifford mit einer kleinen Färbung beſonderer Ehrerbietung, die in Hans Haberland den Verdacht aufkommen läßt, auch dieſer Diener ſei ihr, ebenſo wie Haus und Einrichtung, nicht unbekannt. 8 Nach und nach taut Hans Haberland auf und geht auf ihren heiter ſpöttiſchen Ton ein. Auch er hat Witz und Schlagfertigkeit genug, um ihre kleinen Ausfälle gegen ihn mit gleicher 11 5 9 zurückzuzahlen. Ihre geſchmeidige An⸗ mut, die funkelnde Unruhe ihres Weſens entzücken ihn. Wenn ſie eine ihrer luſtigen Bosheiten losläßt, glitzern ihre dunklen Augen. Kaum eine Minute ſitzt ſie ſtill auf dem Sofa, alles an ihr iſt Leben und Bewegung. Sie iſt ein iriſches Teufelchen mit Queckſilber in den Adern. Sie ruht nicht eher, bis er ihr das feſte Verſprechen gibt, an einer großen Joch daa teilzunehmen, die in den nächſten Tagen ſtattfinden ſoll. Dann ſpringt ſie plötzlich mit einem Schreckensſchrei auf und erklärt, ſie müſſe ſchleu⸗ nigſt fort, ſie komme ohnedies zu ſpät zum Eſſen— das einzige, was ihr Pa übelnehme. Als ſie fort iſt, muß er ſich wieder ärgern. Warum hat er ihr verſprochen, die Fuchsfagd mitzureiten? Immer verleitet ſie ihn, etwas gegen ſeinen Willen zu tun. Und dann die Sache mit dem Haus! Er wird den Verdacht nicht los, daß ſie ihre Hand mehr im Spiel hat, als ſie zugibt. Aber er kann es nicht hindern, daß ſich ſeine Gedanken mehr mit Marjorie Clifford beſchäftigen, als ihm lieb iſt. Darüber vergißt er Cordulas Brief. Am nächſten Tage fällt er ihm wieder ein, aber er verſchiebt die Antwort. Ich muß erſt ſehen, wie ich mit der Arbeit fertig werde, entſchuldigt er ſich vor ſich ſelbſt. . Marjorie Clifford reitet an der Spitze des Zuges wiſchen Hans Haberland und Tobby Celton. In dem Zeichnung: Näthe— M. Und plötzlich zieht ſie ſeinen Kopf zu ſich herunter In einigem Abſtand, dem Zuge voraus, geht der Trupp der Treiber, und ihm folgen die Reitknechte mit den Hundemeuten. Unter den Jagdgäſten, die von Marjorie Clifford angeführt werden, herrſcht eitel Fröhlichkeit. Es ſind dieſelben jungen Leute, die neulich auf Schloß Elms⸗ wood getanzt haben. Leichtherzig und unbekümmert geben ſie ſich dem ſchönen Tag und dem Vergnügen an der be⸗ vorſtehenden Jagd hin. Hans Haberland ſtößt vor Begeiſterung einen In⸗ dianergeſchrei aus. Gleich einem Pfeil fliegt Tankred über einen tiefen Graben, ſetzt mit elegantem Schwung über die Gatter der Viehweiden und ſcheut vor keinem Hinder⸗ nis zurück. Kaum ſcheinen ſeine raſchen Hufe den Boden zu berühren. Doch Firebird und ihre Reiterin ſind ihm ebenbürtig— ja faſt hat Tankred Mühe, der ſchlanken, braunen Stute und ihrer leichten Laſt zur Seite zu bleiben. Jetzt zeigt Marjorie, was ſie kann. Vorbei iſt ihre nervöſe Zappeligkeit. Die Hunde ſind dem Fuchs auf den Ferſen. Mit wütendem Gekläff raſen ſie vorwärts, und da Marjorie Cliffords Hetzhunde wegen ihrer Schnelligkeit in ganz England berühmt ſind, wird es auch dem raſcheſten Pferd nicht leicht, ihnen zu folgen. Dazu wird das Gelände hügelig, ſo daß die Reiter die Meute fortwährend aus 3 Augen verlieren und ſich auf ihr Gehör verlaſſen müſſen. 5 „Rechts— hinter den Wacholderbüſchen!“ ruft Hans Haberland. „Nein— links— durch das Röhricht!“ ruft Mar⸗ jorie und ſchwenkt ab. Nach kurzem Zögern folgen Tankred und ſein Reiter. Tobby Celton iſt kurz vorher geſtürzt. Er hat ſich 1 5 getan und ſitzt gleich wieder im Sattel, aber durch die kleine Verzögerung iſt er etwas zurückgeblieben. „Tut mir leid, Tobby!“ hat Marjorie ihm nur zu⸗ gerufen und iſt an ihm vorbeigebrauſt. Nun jagt ſie neben Hans Haberland über die Heide. Ihr Geſicht glüht, ihr Haar fliegt im Wind. Sie ſtößt kurze, helle Schreie aus, um Firebird anzufeuern oder aus Freude an dem wilden Ritt. Wieder iſt Hans Haber⸗ land im Zwieſpalt der Gefühle. Er bewundert ihre Kühn⸗ heit, es gefällt ihm, wie ſicher ſie im Sattel ſitzt; aber wieder ſtößt ihn die Hemmungsloſigkeit ihres Weſens ab. Ham, IEE NAL Das iſt keine Frau, ſondern ein ungezügelter, unbändiger Junge, der ſich rückſichtslos nur um ſein Vergnügen küm⸗ mert. Aber wohin ſind Fuchs und Meute? So ſehr Hans Haberland Augen und Ohren anſtrengt, kann er weder Wild noch Hunde entdecken. Kein Zweifel, ſie haben die falſche Richtung eingeſchlagen und die Spur verloren. Auch von der übrigen Jagdgeſellſchaft iſt nichts mehr zu ſehen und zu hören. „Falſche Fährte!“ ruft Hans Haberland ſeiner Be⸗ 1 zu und läßt Tankred in einen leichten Trab allen. Auch Marjorie Clifford mäßigt Firebirds Galopp zum Trab und ſieht ſich nach allen Seiten um.„Ich weiß gar nicht mehr, wo wir ſind!“ bekennt ſie halb lachend, halb ärgerlich.„Nun werden die anderen ihn kriegen! Warum haben Sie nicht beſſer aufgepaßt!“ „Ach ſo, jetzt bin ich ſchuld? Wer von uns wollte denn nach links, wenn ich Mylady fragen darf?“ „Sie hätten ja nicht mitzukommen brauchen!“ ent⸗ Wü ſie hitzig.„Sonſt tun Sie ja auch nicht, was ich will.“ „Das walte Gott! Aber wäre es Mylady vielleicht lieber, jetzt hier allein herumzuirren?“ Sie reiten nun Schritt. Die Pferde gehen dicht neben⸗ einander. Sie ſind müde, und ihr Fell glänzt naß von Schweiß. Sie haben Sumpf und Röhricht hinter ſich ge⸗ laſſen, und vor ihnen dehnt ſich die braune Heide in der ſchwermütigen Schönheit eines ſonnig milden Spätherbſt⸗ tages. „Ihre Geſellſchaft iſt mir natürlich ein großer Troſt“, ſpöttelt Marjorie.„Aber vielleicht verraten Sie mir, welche Richtung wir nun einſchlagen müſſen?“ „Woher ſoll ich das wiſſen? Ich bin hier fremd.“ Sie ſind auf dem beſten Wege, ſich zu zanken. Da fällt Marjories Blick auf einen moosbewachſenen Platz unter den ſchützenden Zweigen einer Tannengruppe. Es iſt ein ſtilles Fleckchen Erde. Nichts rührt ſich hier. Nur aus der Ferne ſchallt der Ruf eines Sumpfvogels. Marjorie hält Firebird an.„Ich bin müde“, ſagt ſie im Ton eines verzogenen Kindes.„Ich will mich hier ausruhen.“ Auch Tankred iſt ſtehengeblieben, und Hans Haber⸗ land ſpringt aus dem Sattel, um der jungen Frau be⸗ re zu ſein. Sie gleitet vom Pferd und fällt in ſeine rme. Hat ſie es gewollt? Hat er es gewollt? Vielleicht wiſſen es beide nicht. Sie halten ſich umſchlungen und ſehen ſich in die Augen, als ob zwei Gegner ſich meſſen. Sie iſt viel kleiner als er, und plötzlich zieht ſie ſeinen Kopf zu ſich herunter, und ihre Lippen preſſen ſich auf die ſeinen. a Es iſt ein langer, leidenſchaftlicher Kuß. Er drückt ihren zarten, ſchmalen Körper in ſeine Arme, als wolle er ihn zerbrechen. Mit einem Male weiß er, daß er faſt verdurſtet iſt nach dieſem blaßroten Mund und daß in ſeinem Blut eine verzehrende Sehnſucht nach ihr gebrannt hat und es vergeblich iſt, dagegen zu kämpfen. Rings um ſie iſt das Schweigen der Heide. Sie ſinken auf den wei⸗ chen Moosteppich und küſſen ſich, bis ihnen der Atem vergeht. Dann biegt ſie ſich zurück und lacht leiſe:„Statt des Fuchſes habe ich den Bären gefangen!“. Er will ſie aufs neue an ſich reißen, aber mit einer ihrer raſchen, geſchmeidigen Bewegungen entwindet ſie ſich ihm und ſpringt auf. Ihr Geſicht iſt jetzt wieder ganz kühl und ruhig, und mit läſſiger Hand ſtreicht ſie ſich eine dicke, ſeidige Haarſträhne aus der Stirn. „Man wird uns vermiſſen“, ſagt ſie. die anderen ſuchen.“ „Hat das nicht noch Zeit?“ Lang ausgeſtreckt liegt er vor ihr im Moos, auch in der Ruhe ein Bild der Kraft. Seine Hände ſtrecken ſich nach ihr aus. Aber ſie weicht ein paar Schritte zurück und ruft mit leichter Ungeduld in der Stimme: „Komm jetzt! Ich will hier nicht länger bleiben! Ich will nicht, daß ſie uns hier finden!“ Sofort iſt er auf den Füßen und geht zu den beiden Pferden, deren Zügel ſie um einen Baum geſchlungen haben. Sie folgt ihm langſam, die großen Augen auf ihn geheftet mit einem ſchwer zu enträtſelnden Blick. Er beugt ſich zu ihr nieder und hebt ſie in die Höhe, als wäre ſie ein kleines Kind. Und wie ein Kind ſchlingt ſie beide Arme um ſeinen Hals und lehnt ihre Stirn an die ſeine. Beider Augen tauchen tief ineinander, und mit ernſt⸗ haftem Geſicht flüſtert ſie: 5 „Deutſcher Bär! Haſt du mich lieb, deutſcher Bär?“ „Ja, du kleine iriſche Hexe!“ „Vielleicht bin ich wirklich eine Hexe“, fährt ſie ebenſo ernſthaft fort.„Willſt du mich wahrhaft lieben und vom Teufel loskaufen?“ a „Sogar von des Teufels Großmutter, wenn es ſein muß!“ „Scherze nicht! Du wirſt noch an meine Worte den⸗ ken! Und dann ſollſt du dich an dieſe Stunde erinnern und daran, daß ich dich gewarnt habe.“ Noch einmal finden ſich ihre Lippen. Dann hebt er ſie auf Firebirds Rücken und ſchwingt ſich in Tankreds Sattel. Sie reiten dicht nebeneinander und reden die töricht⸗füße Sprache der Liebenden. Sie drängen ihre Pferde noch näher zuſammen und neigen ſich einander bah um ſich zu küſſen. Und dann ſauſt Marjorie plötzlich avon. 5 „Fange mich, wenn du kannſt!“ ruft ſie ihm zu. Er jagt hinter ihr her. Faſt hat er ſie erreicht, da ſetzt Marjorie Clifſord ihr ſilbernes Pfeifchen an die Lip⸗ pen. Von weitem ſchallt Antwort auf den durchdringend 1 Pfiff. Marjorie reißt ihr Pferd nach der Richtung erum, aus der die Antwort ſchallt, und ſtiebt davon, gefolgt von Tankred. „Wir müſſen Fortſetzuns folgt.) Druckarbeiten für Handel, Gewerbe und industrie liefert schnellstens Neckar-Bote- Druckerei — 8 Horta