Nr. 130 Neckar ⸗Bote(2. Blatt) Mittwoch, 5. Juni 1940 Angriffe auf unbewaffnete Handelsſchißfe England verſchärft ſyſtemakiſch die Seekriegsführung. DNB. Berlin, 5. Juni. Während der letzten Monate ſind in verſchiedenen Fällen britiſche U-Boote und Flugzeuge ge⸗ gen unbewaffnete deutſche Handelsſchiffe ohne Durchfüh⸗ küng eines priſenrechtlichen Verfahrens unter unmittelbarer Anwendung von Waffengewalt vorgegangen So ſind die pon der britiſchen Admiralität zur Unterbindung der deut⸗ ſchen Transporte nach Norwegen eingeſetzten U-Boote grundſätzlich warnungslos gegen die auf hoher See befind⸗ lichen deutſchen Schiffe vorgegangen, auch wo es ſich um reine Handelsſchiffe(Materialtransporter und Schiffe, die mit den militäriſchen Aktionen überhaupt nicht in Zuſam⸗ menhang ſtanden), handelte. Mit zyniſcher Offenheit hat der damalige erſte Lord der britiſchen Admiralität Churchill in ſeiner Rede vor dem Unterhaus am 8. Mai 1940 erklärt, man habe ſich bei den Operationen im Skagerrak auf den Einſatz von U-Booten beſchränkt. Um ihre Operationen ſo wirkſam wie nur irgendmöglich zu geſtalten, habe man aber die Beſchränkung, die man bisher der Tätigkeit der britiſchen U-Boote auferlegt gehabt hätte, gelockert, und zwar habe man den U-Booten Befehl erteilt, am Tage alle deutſchen Schiffe, bei Nacht alle Schiffe zu verſenken, wenn ſich die Gelegenheit hierzu bietet. Dementſprechende Befehle hat allem Anſchein nach auch die britiſche Luftwaffe erhalten, da dieſe, ſoweit ſie in vereinzelten Fällen im Be⸗ reich der Oſt⸗ und Nordſee in Aktion trat, die hier ange⸗ troffenen auf hoher Se befindlichen deutſchen und neutra⸗ len Handelsſchiffe ausnahmslos ohne jede Warnung bom⸗ bardiert hat, ſo auch z. B. harmloſe neutrale Fiſcherboote, die dem Fiſchfang nachgingen. Von deutſcher Seite iſt zu dem Vorgehen der britiſchen U⸗Boote und Flugzeuge folgendes feſtzuſtellen: 1. Es handelt ſich bei dem warnungsloſen Vorgehen der britiſchen Streitkräfte gegen unbewaffnete Handels⸗ ſchiffe nicht um Einzelfälle, die etwa auf einem irrtümlichen bezw. befehlswidrigen Verhalten einzelner Kommandanten beruhen, ſondern die ſich mit aller Klarheit auch aus den Erklärungen Churchills vor dem Unterhaus vom 8. Mai 1940 ergibt, um eine von der britiſchen Admikalität befoh⸗ lene, ſyſtematiſche Verſchärfung der Seekriegsführung. 2. Dieſes Vorgehen ſteht in Widerſpruch zu den völker⸗ rechtlich allgemein anerkannten Regeln des Seekriegsrechtes und ſtellt insbeſondere eine kraſſe Verletzung des Londoner U⸗Boot⸗Protokolls vom 6. 11. 1936 dar, die umſo ſchwer⸗ wiegender iſt, als Churchill für die Operationen im Ska⸗ gerrak ausdrücklich angeordnet hat, daß bei Nacht alle, d. h. alſo auch die neutralen Handelsſchiffe warnungslos angegriffen werden ſollen. 3. England kann das Vorgehen ſeiner See⸗ und Luft⸗ ſtreitkräfte nicht im geringſten als eine Vergeltungsaktion gegen ein angeblich gleiches Verhalten der deutſchen See⸗ ſtreitkräfte rechtfertigen. Denn die deutſchen Streitkräfte führen auch in den Seegebieten vor der engliſchen Küſte den Handelskrieg ſtreng nach den Regeln des Seekriegs⸗ rechtes, nach denen allerdings bewaffnete oder in feindli⸗ chem Geleit fahrende Handelsſchiffe keinen Anſpruch darauf haben, ebenſo behandelt zu werden wie friedliche Handels⸗ ſchiffe. Im Gegenſatz hierzu hat die britiſche Admiralität vom erſten Augenblick an, in dem ſie dazu überging, in von Deutſchland beherrſchten Küſtengebieten Handelskrieg zu führen, rückſichtslos alle Bedenken moraliſcher und recht⸗ licher Art fallen laſſen. 4. Das engliſche Vorgehen iſt umſo verwerflicher, als der britiſchen Admiralität bekannt war, daß die deutſchen Handelsſchiffe ebenſo wie die neutralen ausnahmslos unbe⸗ waffnet waren. Demgegenüber haben die deutſchen Streit⸗ kräfte, obwohl ſie es mit einer in weiteſtem Umfang be⸗ waffneten feindlichen Handelsflotte zu tun haben, und ob⸗ wohl ſie ſtändig mit dem Auftreten von als neutrale Schiffe getarnten U⸗Bootfallen rechnen müſſen, Befehl, nur gegen bewaffnete oder in feindlichem Geleit fahrende Han⸗ delsſchiffe mit Waffengewalt vorzugehen. 5. Damit iſt England zu einer Art der Seekriegführung übergegangen, die es bisher unberechkigkerweiſe Deutſch⸗ land zum Vorwurf gemacht und als brutale Barbarei be⸗ zeichnet hat. Von deutſcher Seite ſind inzwiſchen bereits alle erforderlichen Maßnahmen getroffen worden, um die deuk⸗ ſche und neutrale Handelsſchiffahrt im Bereich der deut⸗ ſchen oder von Deutſchland beſetzten Küſtengewäſſer gegen das völkerrechtswidrige Vorgehen der engliſchen See⸗ und Luftſtreitkräfte wirkſam zu ſchützen. 5 Jud Mandel hat neue Sündenböcke gefunden. Genf, 4. Juni. Der jüdiſche Innenminiſter Frankreichs, Mandel, hat neue Sündenböcke gefunden, die er für die Schuld der plutokratiſchen Pariſer Regierung in die Wüſte ſchicken kann. So wird amtlich mitgeteilt, daß durch einen Regierungserlaß die Unterpräfekten von St. Omer, Rouen und Dieppe ihres Amtes enthoben und durch neue erſetzt worden ſind. 5 1 Volksgeſundheit und Volkstumskampf „Reichsgeſundheitsführer Staatsſekretär Dr. Conti führte in einem Vortrag über„Volksgeſundheit und Volkstumskamp“Bunter anderem aus, der gefähr⸗ lichſte Feind des Volkstums ſei der Geburtenſchwund. Wenn Frankreich infolge ſeines Geburtenrückganges große Gebiete in den ſüdfranzöſiſchen Provinzen dem landwirtſchaftlichen Verfall überantworten mußte, ſo zeige das wie viele andere Erſcheinungen, daß hier der Geburtentod zum Abſterben des Volkstums und zur tödlichen Schwächung des Landes geführt habe. Zum größten eigenen Schaden und als dro⸗ hende Gefahr für die Nachbarvölker habe Frankreich in völliger Raſſeninſtinktloſigkeit ſeinen Geburtenſchwund durch die Hereinnahme von Farbigen auszugleichen verſucht, die jetzt als europäiſche Schande gegen das deutſche Kulturvolk den Kampf geſchickt worden. Wenn Italien heute über 4 Millionen junge Männer und Frauen mehr verfüge als Frankreich, ſo ſei das auch eine Erſcheinung, die zwangs⸗ läufig zu großen Veränderungen führe. 5 8 Ueber die Zuſammenhänge oon Kinderreichtum, Frühehe und Volkskraft nannte Dr. Conti ein⸗ drucksvolle Zahlen. Er verdeutlichte dieſe Zuſammen hänge am Beiſpiel zweier Völker die nebeneinander leben und bei denen einmal die Durchſchnittskinderzahl drei und zum an⸗ deren Mal vier Kinder beträgt. In hundert Jahren nimmt das Volk, das vier Kinder als Durchſchnitt einer Ehe auf⸗ weiſt. 72 Prozent der Geſamtbevölkerung beider Länder ein. Für das Volk mit der Durchſchnittszahl von drei Kindern Aeiben nur noch 28 Prozent übrig. In 300 Jahren aber ſte⸗ hen ſich 93 Prozent und 7 Prozent gegenüber Aehnlich übec⸗ raſchend für die Entwicklung eines Volkes wirkt ſich der Unterſchied in der Frühehe aus. Die Berechnungen gehen hier von einem Volk aus bei dem der Durchſchnitt der Ehe⸗ ſchließung um 33 Jahre liegt, während bei dem anderen Volk durchſchnittlich, im Alter von 25 Jahren geheiratet wird. Von der Geſamtzahl der Bevölkerung kommen nach 100 Jahren auf das Volk mit der 25 jährigen Durchſchnittszahl 67 Prozent gegen 33 Prozent des anderen Volkes. In 300 Jahren lauten die Vergleichszahlen bei dieſem Beiſpiel 89 Prozent gegen 11 Prozent. 1 Dr. Conti erklärte, daß die bisherige Entwicklung der Hahl der Eheſchließungen erkennen laſſe, daß die deutſche Volkskraft auch von dieſem Geſichtswinkel aus betrachtet viel ſtärker iſt, als unſere Gegner ahnen. Auch hier liegen die Dinge ganz anders als 1914, wo eine ſtarke Eheſchlie⸗ ßungswelle in den erſten Wochen nach Kriegsbeginn durch eine gefährliche Ehemüdigkeit abgelöſt wurde. Das geſunde Vertrauen des deutſchen Volkes in den Sieg zeige ſich in der Tatſache, daß im Jahre 1938 100 000 Ehen mehr eingegangen worden ſind als 1938. Die Ehefreudigkeit habe auch bisher keine Eindämmung erfahren. Der Staatsſebretär ſchloß ſeine Ausführungen mit dem Hinweis, daß ein ſiegreiches Heer und ein ſiegesbewußtes Volk zu immer größeren Lei⸗ ſtungen emporwachſen. Endgültig Schluß mit dem Kütſch WPD. Vor etwa Jahresfriſt iſt unter dem Blickpunkt der weiteren Vierjahresplangufgaben in der Oeffentlichkeit die Herſtellung ſo vieler kitſchiger Gegenſtände aller Art be⸗ kämpft worden, wie man ſie beſonders in Orten mit ſtarkem Fremdenverkehr antrifft. Wenngleich ein Erfolg dieſes Kampfes nicht zu leugnen iſt, bleibt doch auch heute, alſo ſelbſt in Zeiten der Landesverteidigung, noch vieles zu tun übrig. Die Herſteller von Kitſch ſcheinen zu glauben daß man ſie ſchon wieder vergeſſen hat und daß ſie im alten Trott noch ihren bisherigen Weg gehen können. Inzwiſchen ſind die 1 durch die Metallſamm⸗ eh zwar von den meiſten häßlichen oder doch mindeſtens geſchmackloſen Metallgegenſtänden befreit worden, In faſt ſeder Stadt, jedem Dorf und beinahe in jeder Straße ſtößt man aber immer noch auf Geſchäfte, die auch jetzt noch kit⸗ ſchige Dinge zum Verkauf ausſtellen. Insbeſondere ſind es immer noch die Reiſeandenken aus Holz, Glas, Por⸗ zellan oder anderen Werkſtoffen, die anſcheinend weiterhin einen lohnenden Abſatz verſprechen. Neu hinzugetreten ſind ſeit der kriegsnotwendigen Verdunkelung zahlreiche Leucht⸗ plaketten in allen möglichen und unmöglichen Formen, die man bei den Herſtellern und— leider— auch bei den Abnehmern wohl als„originell“ anſieht. Während wir uns alſo ſeit Jahren in der Bau⸗ und Hausratsgeſta!⸗ tung oder auch in der deutſchen Bekleidunasmode um ſchlichte, aber geſchmackvolle Formen bemühen und hierin ſchon weithin ſichtbare Erfolge aufzuweiſen haben. iſt bei plötzlich auftretenden Neuſchöpfungen noch keineswegs das Beſtreben zu erkennen, auch auf ſolchen Gebieten etwas wirk⸗ lich Neues zu bieten, das der deutſchen Kultur würdig iſt In der Gegend des Weſtwalls haben ſich in le ch Zeit die ſogenannten Kiſſenmaler ſtark betätigt, die ſich wohl auch Kunſtmaler nennen, keineswegs aber immer „Kunſt“ anbieten. Sicher ſcheint, daß ſie durchweg erſt durch die Art der Bemalung zum Verkauf anreizen. Würden aber nicht mancher Stoff, manche Nähmittel und auch manche Arbeitskräfte beſſer verwendet werden können? Ferner gibt es zum Beiſpiel noch eine Andenken ⸗Induſtrie⸗ GmbH! Schmuckwarenfabrikanten haben eine Zeitlang durch den Verkauf von Weſtwall⸗Totenkopfringen die„Konjunktur“ ausnutzen können, die jetzt aber glück⸗ licherweiſe nicht mehr für den freien Handel zugelaſſen ſind. Bei alledem iſt zu bedenken, daß für die Herſtellung nicht nur Werkſtoffe, ndern auch Fund Werkzeuge ge. werden, die zumeiſt aus Stahl und Eiſen beſtehen: i 5 geſehen von der aufgewandten Kraft bei maſchinenmäßiger Herſtellung. Früher hat man einwenden können. daß in ge⸗ wiſſen deutſchen Gebieten für die Anfertigung mancher, an ſich überflüſſiger Dinge die ſonſt mangelnde Beſchäftigung anſäſſiger Bewohner ein hinreichender Grund ſei. Heute kann dies ſicher nur noch in ſehr wenigen das heißt räumlich und zahlenmäßig ſtark eingeſchränkten Fällen zur Begrün⸗ dung herangezogen werden. Es erhebt ſich alſo ſchließlich wieder die alte Frage, ob man das Uebel nicht dadurch gründlich beſeltigen kann, daß man die Herſtellung von unzweifelhaftem Kitſch durch geeignete Maßnahmen un möglich'macht. Auch für die Zeiten, in denen wir wieder über mehr Arbeitskräfte und Werkſtoffe verfügen. wäre dies ja vom Standpunkt der Geſchmacksbildung und der Bekämp⸗ fung unerwünſchter Geſchäftstüchtigkeit ſicher kein Fehler. Die Bevölkerungsentwicklung in Baden im Jahr 1939. Als einen der größten Erfolge der nationalſozialiſtiſchen Staatsführung wird die Geſchichte einmal die Tatſache fei⸗ ern, daß es ihr gelungen iſt, dem verhängnisvollen Rückgang der Geburten in Deutſchland Einhalt zu tun und darüber hinaus eine ſtarke Aufwärtsentwicklung herbeizuführen. In welchem Ausmaß dies gelungen iſt, beweiſen die ſoeben vom Staliſtiſchen Reichsamt vorgelegten Zahlen über die Bevöl⸗ kerungsentwicklung im Jahre 1939, das einen neuen beſonders bedeutſamen Höhepunkt darſtellt. Alle Reichsgebiete haben an dieſer Aufwärtsentwicklung teilgenommen, ſo auch das Land Baden. Im einzelnen wurden im Land Baden im Jahre 1939 gezählt: 26 626 Eheſchließungen, 50 505 Lebend⸗ geborene, 31 245 Geſtorbene und eine natürliche Bevölkerungs⸗ zunahme von 19 260, d. h. der Ueberſchuß der Geburten über die Sterbefälle. Auf 1000 Einwohner entfielen im Land Baden im Jahre 1939 10,6 Eheſchließungen gegenüber 8,8 im Vorjahr, 20,2 Lebendgeborene(1938: 20,1). Die Zahl der Geſtorbenen betrug im letzten Jahr 12,5 gegen 12,2 im Jahre 1938. Die natürliche Bevölkerungszunahme ſtieg von 4,2 im Jahre 1933 auf 7,7 im Jahre 1939. Neue Natur ſchutzgebtete in Nordbaden As. Mit einer Beder ung über Baden hinaus ſind im Landkreis Mosbach zwei benachbart liegende Gebiete unter Naturſchutz geſtellt worden, einmal bei Neckargerach die Margarethenſchlucht, eine jener ſchmalbodigen ſteilen Eroſionsſchluchten im Buntſandſtein des Odenwaldes, und weiter bei Neckarburken die Orchideenwieſe, die weithin als wichtiger Standplatz einer Reihe von Orchideen⸗ arten geſchätzt und einzigartig iſt. Die beiden neu unter Schutz genommenen Gebiete ſind trotz ihrer nicht großen Raumfläche— Margaretenſchlucht rund 5 Hektar, Irchideenwieſe rund 6 Hektar— in bo⸗ taniſcher Hinſicht und auch in der Oberflächengeſtaltung von großer Bedeutung. Die Margaretenſchlucht gehört in den Bezirk des Neckardurchbruches Neckarelz Heidelberg und hat benachbart die durch den„Freiſchütz“ bekanntgewordene Wolfsſchlucht, iſt ſelber wenig berürt und in ihrer Schlucht⸗ waldgeſtaltung wie in ihren Waldpflanzen bemerkenswert. Unter anderem ſind Waldpflanzen anzutreffen, die nor⸗ mal in ſüddeutſchen Gebirgen ſonſt erſt mit einer erheblich größeren Meereshöhe verbunden ſind. Bei der Orchideen⸗ wieſe trägt der Name den Charakter des Schutzgebietes, dem benachbart auf der Berghöhe erſt vor kurzem der Heppen⸗ ſtein als größeres Gebiet unter Naturſchutz vorangegangen iſt. Nach Menge und Art wird hier eine Fülle der Orchi⸗ deen angetroffen, drei Enzianarten u. a. m. Wacholder und einzelne Waldkiefern bevölkern die Orchideenwieſe, die durch den Schutz in ihrem Beſtand mit offenen lichtreichen Flä⸗ chen erhalten bleiben ſoll. Neben der ſonſt zugelaſſenen forſtlichen Nutzung ſoll eine etwaige Aufforſtung mit der Schwarzkiefer, deren einzelne als ſpäter eingebracht vorhan⸗ den ſind, unterbleiben, weil damit der Grundzug des Ge⸗ bietes zerſtört wäre. W. Romberg im„Gaubrief“, Für Jugendherbergswerk und H Reichsſtraßenſammlung am 8. und 9. Juni. Der Reichsverband für deutſche Jugendherbergen ver⸗ anſtaltet am Samstag, 8. Juni, und Sonntag, 9. Juni, im ganzen Reich eine Straßenſammlung, die durch den Führer, das Reichsinnen⸗ und das Reichsunterrichtsmini⸗ ſterium genehmigt iſt. Das Ergebnis der Sammlung iſt für das Jugendherbergswerk und die Hitlerjugend beſtimmt. Die Sammlung beſteht aus einer Straßenſammlung mit Büchſen und Glasabzeichen, die ſechs verſchiedenfarbige Ru⸗ nen auf weißen Glasplatten darſtellen und einer Wert⸗ markenhefteſammlung, die durch die Schulen geht und im Kreiſe der Bekannten der Schulkinder durchgeführt wird. Die Sammlung ſteht unter der Parole:„Für den Frieden geſchaffen, im Kriege bewährt“ und unter der weiteren Parole:„Geſunde Jugend, wehrhaft Volk“. . Dieſer Abſchaum der Menſchheit ſollte das alte deutſche Kul g Franzöſiſche Gefangene, Farbige aus den verſchiedenſten Erdteilen. f i PK.⸗Gofferze-Weltbild(M). 5 turland erobern! 22 Die belgiſche Jugend hat zu unſeren Soldaten ſchne r ll Vertrauen gefaßt. PK.⸗Pohle⸗Weltbild(M). Wieder in Laon. 22 Jahre ſpäter Weltkriegserinnerungen alter Frontſoldaten im Mai 1940. P.⸗Sonderbericht von Kriegsberichter P. C. Ettighofer. Wer uns vor 14 Tagen geſagt hätte, daß wir zu Be⸗ ginn der letzten Maihälfte in der eroberten Stadt Laon ſpazierengehen würden, den hätten wir glatt ausgelacht. Und nun ift es wahr. Wir ſind wirklich und richtig in Laon, in dieſem berühmten Laon, das für ſo viele unſerer Weltkriegskameraden ſchickſalhafte Bedeutung hatte. Laon war der Ausgang und der Eingang zur Schlacht, Laon war das A und O der ſchweren Kämpfe um den Damenweg. Die hochragenden Türme von Laon waren lange genug für die droben auf dem Chemin des Dames harrenden Poilus wie eine Fata Morgana, wie ein locken⸗ des Ziel, das aber mit ſtürmender Hand nie erreicht wer⸗ den konnte, weil der Deutſche eiſenhart im Zwiſchengelände ſaß. Und als der grimme Mangin ſeinen Sturmdiviſionen an jenem berühmten Tag des 16. April 1917 das Zeichen zum Losſchlagen gab, fügte er hinzu:„Marſchrichtung die Türme von Laon, Sammelpunkt hinter dem Berg.“ Wenige Wochen ſpäter meuterte aber die franzöſiſche Angriffsarmee drüben auf dem Damenweg, weil ſie ihr Ziel, die Deutſchen zu vernichten, unerreicht ſah, und dieſe hochragenden Türme von Laon ſahen die franzöſiſchen Meuterer mit roten Fahnen ihre Stellungen verlaſſen unter dem Geſchrei:„Nieder mit dem Krieg, die Deutſchen ſind ja unbeſiegbar, nieder mit General Nivelle...“ An alle dieſe Dinge und Ereigniſſe muß ich denken, als ich nun die Türme der Stadt Laon wiederſehe, hinter einem leichten Dunſtſchleier. Gleich wird es regnen. Die Straße von Vervins her iſt in den Vororten von Laon mit allerlei zerſtörten franzöſiſchen Fahrzeugen verſtopft. Pferde liegen am Wegrand, dazwiſchen einige Senegal⸗ neger mit blauen Lippen. Alles tot und vernichtet und ruhig. Ueber dem Ganzen ſchwebt der ſüßliche Brodem des Todes und des Vergehens. Langſam, mühſam, keuchend, den Blick ſtarr vor Ent⸗ ſetzen, ziehen kleinere Gruppen heimkehrender Ziviliſten ihre Straße. Sie haben dem Aufruf ihrer gewiſſenloſen Regierung Folge geleiſtet und ſind mit der abziehenden Armee gegangen. Sie haben zwiſchen Militärkolonnen ge⸗ hangen, ohne ſich rühren zu können, und da kamen die deutſchen Stukas und hieben mit Rieſenfäuſten die Kolon⸗ nen auseinander. Natürlich ſind auch Ziviliſten dabei ge⸗ troffen worden. Sie wiſſen genau, dieſe Bedauernswer⸗ ten, daß es nicht Schuld der Deutſchen, ſondern Schuld ihrer Regierung iſt, wenn Zivilperſonen zwiſchen Militär getroffen werden. „Es iſt traurig, daß man uns ſo gegen die Deutſchen aufgehetzt hat“, ſagen ſie,„man hat uns gezwungen, Haus und Hof zu verlaſſen, und nun ſtellen wir feſt, daß jenen, die nicht weggegangen ſind, nichts geſchehen iſt, daß ihr Anweſen in Takt ſteht. Ach, dieſer dreckige Krieg für England!“ * In Laon geht es die Serpentine hinan, wie vor 23 und 22 Jahren. Es ſcheint ſich nichts geändert zu haben. Ich finde ſofort wieder mein Quartier. Ich beſuche die herrliche Kathedrale, die völlig unverſehrt iſt und von unſeren Soldaten mit Achtung bewundert und betreten wird. Unſere Schritte hallen wider durch die engen Gaſſen der Zitadellenſtadt wie ehedem. Nur haben wir diesmal kaum Ziviliſten um uns. Wie es heißt, ſollen ſie noch zahl⸗ reich in den Kellern hocken. Die Räumung der Stadt Laon muß geradezu panik⸗ artig erfolgt ſein, denn es war dem Gegner nicht mehr möglich, auch nur das Geringſte zu zerſtören. Die einzi⸗ gen Zerſtörungen ſieht man vorne an den Stadträndern, drunten in der Ebene. In den Gärten am Hang des Ber⸗ ges blüht und grünt es herrlich. Der Mai lacht über die⸗ ſer fruchtbaren Gegend. Und er lacht, wie er damals ge⸗ lacht hat, als wir uns in und bei Laon aufſtellten, um am 27. Mai 1918 den Sturm über den Damenweg anzu⸗ treten. Auch damals gingen wir ſinnend und ein wenig ſentimental, wie nun einmal die Jugend iſt, durch dieſe herrlichen Gärten und rochen am Flieder. Und es ſind dieſelben Fliederbüſche noch, und wiederum iſt Krieg, und wir gehen wieder ſinnend, aber nicht mehr ſentimental, weil wir das Leben kennen und die harte Notpendigkeit dieſes Krieges erkannt haben. i Der Himmel lichtet ſeine Dunſtſchleier. Gleich wird die Sonne durchbrechen. Und da ſehen wir den Damen⸗ Seines Vaters Frau Roman von Else qung- Endemann 20 Der Winter war lang, er wollte kein Ende nehmen. Dazu gebärdete er ſich nicht einmal wie ein richtiger Winter. Schüttete er zuweilen Schnee über die Stadt, dann folgte gleich Regen nach, und wenn die Kinder aus det Schule kamen, war die weiße Pracht zerronnen, und ſie ſtapften durch Näſſe und Patſch nach Hauſe. Rolf liebte dieſes Zuhauſe nicht. Die große Wohnung mit den hohen Zimmern erſchien ihm eng und düſter gegen Saſſenhofen. Hier war man viel mehr aufeinander ange⸗ wieſen. Raum ſtieß an Raum, Tür grenzte an Tür. Und doch, je näher man zuſammenwohnte, um ſo ferner ſchien man ſich zu ſein. Man ſah ſo viel deutlicher, was um einen herum geſchah, fühlte die unruhige Haſt Tante Irmgards, hörte ihre eiligen Schritte von Zimmer zu Zimmer laufen, vom Gang zur Küche und wieder zurück. Man hörte Anna ſingen, wenn ſie nach den Mahlzeiten am Spültiſch ſtand und mit den Tellern klapperte, und fuhr zuſammen, wenn Otti die Türen zuknallte. Nur wenn der Vater heimkam, herrſchte Ruhe, aber es war eine unheimliche, ſchwer⸗ bedrückende Ruhe, als wäre plötzlich alles tot und erſtorben. Da hauſten ſie nun zuſammen, fünf Menſchen einer Gemeinſchaft, und jeder führte ſein eigenes Leben. Keiner war da, der zwiſchen ihnen vermittelte, der ihre Gedanken, ihre Intereſſen einte. Der Vater hatte ſeine Klinik, und bis tief in die Nächte hinein arbeitete er an einem wiſſenſchaft⸗ lichen Werk, das er für den Druck vorbereitete. Tante Irmgard und Anna teilten ſich in die Pflichten des Haus⸗ haltes. Beide werkten und ſchafften, als gäbe es an nichts anderes zu denken als an Putzen und Kochen, Waſchen und Bügeln, Strümpfeſtopfen und Flicken. 8 weg, den Höhenrücken unſeres Schickſals 1917 und 1918. Drüben, knapp 15 Kilometer entfernt, dehnt er ſich wie eine letzte Sperre der Natur, bevor man hinab in die herrliche Ile⸗de⸗France ſteigt, in deren Herz Paris liegt Drüben— ich kann die Stelle gut ausmachen— ſtürmte unſer Regi⸗ ment die Dörfer Vauxaillon und Allemand. Aber ich muß es mir heute verſagen, dorthin zu gehen, weil die Front am Aisne⸗Kanal liegt. Ich wende mich nach Südweſten, Richtung Pinon. Der Feind beſchießt noch den Wald von Pinon, und eine ſeiner Batterien behämmert den Südausgang von Anizy⸗ le⸗Chateau, das auch damals, 1917, wochenlang unter dem Feindfeuer lag. In dieſem Augenblick wünſche ich mir alle meine Ka⸗ meraden von damals, von 17 und 18, herbei und möchte ihnen allen dieſen Anblick gönnen und auch ihre Sehn⸗ ſucht nach jenen Orten ſtillen, in denen ihre Jugend eiſen⸗ hart wurde. Oft genug— ihr wißt es, Kameraden des Weltkrieges haben wir im Geiſte jene Orte geſehenz ſtanden wir mit unſeren Erinnerungen und Erzählungen auf der Zitadelle von Laon. Und wir konnten es nicht begreifen und nie überwinden, dies alles damals 1918 aufgeben zu müſſen. Und die Jahre nachher waren uns allen doch bitter. Auf dem Marſch hinter den Stacheldraht K.⸗Bericht von Kriegsberichter K. H. Britz. „Gent, Courtrai, Boulogne genommen... Calais von deutſchen Truppen erobert Bisher unüberſehbare Beute.. Die Gefangenenzahl erhöht ſich ſtändig.. ſo meldet der Rundfunk in täglicher Folge dem deutſchen Volke die Ereigniſſe im Verlaufe der größten Einkreiſungs⸗ ſchlacht aller Zeiten im Raume von Nordfrankreich und Belgien. Während unſere Truppen unaufhaltſam vordrin⸗ gen, marſchiert eine andere Armee auf ſtaubigen Straßen in ſchier endloſen Kolonnen nach Oſten, die Armee der ge⸗ fangenen Belgier, Franzoſen, Marokkaner mit ihrem roten Fes auf dem Kopfe, und zuerſt weniger, jetzt immer häufi⸗ ger, Engländer, die alle einmal zum Marſch nach Berlin angetreten waren und jetzt dieſen Marſch beenden, jedoch mit umgekehrtem Vorzeichen. Der Marſch hinter den Stacheldraht wird zu Fuß ge⸗ macht. Die Eiſenbahnen ſind noch nicht zu benutzen und die Transportkolonnen haben gegenwärtig wichtigere Auf⸗ gaben zu löſen. Tauſende und aber Tauſende ſind es, die ſich abends in ihre Mäntel hüllen, um irgendwo an der Marſchſtraße die Nacht zu verbringen. Morgens ſtehen ſtie dann wieder in langen Reihen an den Feldküchen, bis der Marſch gen Oſten ſeinen Fortgang nimmt. Nur wenige deutſche Soldaten ſind es, die hier als Begleitkommandos ihren Dienſt verrichten müſſen. Die Franzoſen wiſſen auf die Frage nach dem Sinn dieſes Krieges keine Antwort zu geben. Immer wieder heißt es:„Ja, die Englän⸗ der...“ Auf ihre Bundesgenoſſen find ſie nicht gut zu ſprechen. In den erſten Linien der Front haben ſie keine geſehen, und hinter der Front iſt es in gemeinſamen Quartieren oft zu ſchweren Auseinanderſetzungen gekom⸗ men. So groß iſt die Abneigung, daß jeglicher gegenſeitige Verkehr verboten wurde und man getrennte Kantinen zinrichten mußte. Die Meinung der gefangenen Engländer über die Franzoſen? Der Soldat Andrews von den Buffs faßt ſie kurz zuſammen;„Wir lieben ſie nicht!“ Sie haben uns nicht als Bundesgenoſſen behandelt. Seine Kamera⸗ den nicken dazu. Ihre augenblickliche größte Sorge äußert ſich jedoch in der ſtändigen Frage:„Kriegen wir auch etwas zu eſſen?“ Das alte Märchen von der Hungersnot in Deutſchland hielten auch ſie ſo lange für Wahrheit, bis deutſche Soldaten ihnen Brot gaben. Ueberhaupt der deutſche Soldat. Die Engländer müſſen ſeine Ueberlegenheit zugeben. Wie faſt alle ande⸗ ren Gefangenen dieſer Kolonne hatten ſie bisher kaum einen Schuß abgegeben, dann waren ſie plötzlich einge⸗ kreiſt und jeder weitere Widerſtand war zwecklos. Gegen die neue deutſche Taktik war ihre Führung machtlos. Mit Entſetzen ſprechen ſie von den deutſchen Tieffliegern und Stukas, deren Angriffe auf die Truppe ungeheuer demo⸗ raliſierend wirkten. Neben dieſen Kolonnen der Gefangenen ziehen die Flüchtlinge in ihre Dörfer und Städte zurück. Frauen, Kinder und Greiſe marſchieren und fahren auf Pferde⸗ karren in glühender Hitze täglich bis zu 30 Kilometer ihren Heimatorten zu und ſind froh, wenn deutſche Soldaten ihnen von ihrer Verpflegung abgeben. Während die ſtäh⸗ lerne Klammer um den in Nordfrankreich und Belgien ein⸗ geſchloſſenen Gegner immer enger wird, marſchiert eine geſchlagene Armee nach Oſten, ein Zeichen des nahen Sieges. Ottt hatte ihre unzähligen Freundinnen. Jeden Tag kamen ein paar andere, um ſie zu beſuchen oder abzuholen. Um Rolf kümmerte ſich niemand. Man wußte, daß er nach Tiſch ſorgfältig ſeine Schularbeiten machte, ehe er ſich ſeinen kleinen Liebhabereien widmete, und fragte kaum nach dem Wohin, wenn er einmal fortging. Seit einiger Zeit ging Rolf äufig aus. Er hatte zum erſtenmal in ſeinem Leben einen tee gefunden, dem er ſich mit der ganzen Hingabe ſeines einſamen Herzens zu⸗ neigte. Er hieß Stephan Hell und war der Sohn eines Ingenieurs, der als Konſtrukteur in der großen Motoren⸗ und Flugzeugfabrik arbeitete, deren Werkgelände draußen neben dem Oſtbahnhof lag. Dr. Hell hatte ſeine Familie vor kurzem nachkommen laſſen, und darum war die Freund⸗ ſchaft zwiſchen den Jungen auch kaum ſechs Wochen alt. Aber was hatte das zu bedeuten, wenn man ſich gleich bei der erſten Begegnung ſo nahegekommen war, daß man ſich ſchon nach wenigen Tagen ſo vertraut fühlte, als kennte man ſich ſchon viele Jahre? Dieſes Gefühl hatte ſie auch nicht betrogen. Stephan war der erſte Kamerad, dem Rolf ſich in allem mitteilen konnte, und das Beglückendſte an dieſer Freundſchaft war, daß beide Jungen die gleiche Neigung für alles Techniſche hegten. Es kam nun eine wunderſchöne Zeit. Rolf wurde in die Familie Hell aufgenommen, in dieſe große, fröhliche Familie, die aus ſieben Köpfen Leſtand, und in der es immer zuging, als würde gerade ein Feſt gefeiert. Da waren Vater und Mutter Hell und fünf Geſchwiſter. Ste⸗ phan war der Alteſte, und die anderen, zwei Buben und zwei Mädchen, reihten ſich ihm an wie die Orgelpfeifen. Rolf ſtaunte und fühlte ſich wohl. Mit ſeiner Länge über⸗ ragte er alle, und ſie gab ihm in den Augen der Hellſchen Kinder eine Stellung, deren Überlegenheit von den Wild⸗ lingen reſpektiert wurde. Stephan, der dieſe Stellung bisher eingenommen hatte, ſchrumpfte neben dem körperlich größeren Freunde beträchtlich zuſammen. Aber er räumte ihm ſeinen Platz gern ein und freute ſich, wenn die Ge⸗ — ——— 5 8 5— A Bei den Engländern in Dünkirchen ZIweſ Deutſche aus der Gefangenſchaft entkommen. Von Kriegsberichter v Imhoff. Pg. Wie in einem brennenden Kino ſiehts dort drin⸗ nen aus. Alle Engländer fluten zum Hafen, ſeilen an den Schiffen ſich hoch und ziehen ihre Päckchen Habe mit. Je⸗ der will zuerſt auf dem Schiff ſein Dazwiſchen tönen die Sirenen der nervöſen Kapitäne und das Geheul der Hupen. Dann wieder krepieren in dieſem Lärm die deutſchen Gra⸗ naten und die Bomben der Stukas. Ein Bild wilder Flucht, auf der man nur darauf bedacht iſt, ſein Leben auf die beſt⸗ mögliche Art noch in Sicherheit zu bringen. Dabei traten natürlich wir in engliſche Gefangenſchaft geratenen deutſchen Soldaten automatiſch in den Hintergrund. Wir hatten jede Möglichkeit, uns dünn zu machen. So berichtet uns ein junger aus Dresden gebürtiger Pionier, der mit einem Kameraden zuſammen das Mißgeſchick hatte, bei Lillers in Gefangenſchaft zu geraten. Zuerſt hat man die beiden einem ſcharfen Kreuzverhör unterzogen. Als das nichts fruchtete, hat man ſie mit Handſchellen zuſammengekettet und kreuz und quer in Dünkirchen herumgefahren, anſcheinend, um ſie über die wirkliche Lage irre zu führen. Auf dieſer Fahrt erkennen ſie, daß von Dünkirchen nicht mehr viel übrig iſt. Es brennt und qualmt und raucht an allen Ecken. Ueber den Straßenzügen liegen die Trümmer ungezählter geb orſtener und zerſchoſſener Häuſer. Kaum, daß noch ein paar Straßen überhaupt für den Verkehr verwendet werden können. Jede Granate verurſacht neue Panikſtimmung. Das deutſche Ar⸗ tilleriefeuer aber zeigt unſerem Dresdener den ungefähren Verlauf der Front an und gibt ihnen weitgehendſte Orien⸗ tierungsmöglichkeit. Je näher das Feuer herankommt, deſto mehr wächſt die Panik Franzoſen und Engländer verlaſſen in überſtürzter Frucht on den vorgeſchobenen Stadtrand⸗ ſtellungen die Kolonne, ſchmeißen raſch noch ein Streichholz in die Tanks und ſprengen die Wagen in die Luſt oder fah. — = ren ſie in die Steaßengräben.“. Die beiden Dresdener wollte man eigentlich auch mu nach England eig ſchiffen.„Jeder von uns bekam zwei Mann Bewachung mit. Als uur aber dann im Hafen ankamen, war die Schreckſtimmung derart, daß die Wachtpoſten nicht mehr ſo recht auf uns achteten, und wir hatten a nun wirk⸗ lich kein Intereſſe, als Schauſtücke nach England zu gehen oder uns gar darum zu reißen.“ In dem wilden Gedränge konnten ſich beide langſam von ihrer Bewachung entfernen. Irgendwo griffen ſie ſich ein paar engliſche Regenmäntel, um nicht als Deutſche er⸗ kannt zu werden. Und dann Richtung deutſches Artillerie⸗ feuer. Ganz nahe an den Hafenanlagen ſteht ein englischer Banzerſpähwagen vollkommen fahrbereit. Nur ber Schlüſſel fehlt, aber ein Nagel er etzt ihn. Und dann geht es in raſender Fahrt durch die lichterloh brennende Stadt über die Trümmerhaufen nach dem Ausgang. Wir mußten ordentlich wuchten, denn die Karre war ſchwer zu ſchalten, und ſchließlich gaben wir ja ſeibſt noch nie einen Panzer⸗ ſpähwagen gefahren. Aber es ging„Mit voller Fahrge⸗ ſchwindigkeit am erſten franzöſiſchen Poſten oorbei. Ihm werfen ſie einige Brocken in enoliſcher Sprache zu, die ſie während ihrer dreitägigen Gefangenſchaft aufgeſchnappt hatten, und die die Franzoſen natürlich nicht verſtanden. Aber es erſchien glaubwürdig. Mützen hatten ſie ja keine mehr auf. Auch der zweite franzöſiſche Poſten ließ ſie an⸗ ſtandslos paſſieren. Jetzt allerdings kam das größte Pech. Ein Ruck, und der ganze Karren liegt im Straßengraben und dazu noch bei Nacht. Nun kann ſie nur noch ihre eigene Frechheit ret⸗ ten. In raſender Geſchwindigkeit kommt ein franzöſi⸗ ſcher LK W. Sie ſchwingen ſich hinten auf, und ſchmei⸗ ßen den Franzoſen ein paar engliſche Brocken hin. Die Franzoſen ſchweigen etwas mürriſch— gegenſeitige Ver⸗ ſtändigung nicht möglich. Nun biegt aber der Wagen nach links ab und entfernt ſich von der für ſie richtigen Entfer⸗ nung. Alſo ſpringen ſie ab, gehen in aller Seelenruhe ein paar hundert Meter im Schritt, um nicht aufzufallen und machen ſich dann in die Büſche. Sie haben ſich ein gutes, nicht einzuſehendes Gelände hinter ein paar dichten Hecken ausgeſucht. Die ganze Nacht hindurch können ſie jetzt das Mündungsfeuer der deutſchen Artillerie beobachten. Am nächſten Tage weiter, quer durch kleine Kanäle, über die ſie ſchwimmen oder ſpringen müſſen. Manchmal treten ſie zu kurz und ſtehen plötzlich bis an den Hals im Waſſer. In der nächſten Nacht trafen ſie nach einem einſtündigen Marſch auf die deutſchen Vorpoſten und wurden bei unſe⸗ ren Truppen mit Hallo begrüßt. 2 ſchwiſter, Rolf erblickend, ihn mit Jubelgeſchrei begrüßten und ihn eine Weile für ſich beanſpruchten. Auch Stephans Eltern hatten den ſtillen, wohlerzogenen Jungen gern, der ſich ſo raſch in ihre beſcheidene Häuslich⸗ keit eingewöhnt hatte, daß ſie ihn nicht mehr als einen Fremden empfanden. Rolf kam täglich, und oft blieb er auch zum Kaffee oder zum Abendeſſen bei Hells. Dann ſaß die Familie um den langen mit einem weißen Wachstuch bedeckten Tiſch, der keine Damaſttücher und keine Servietten kannte. Das Ge⸗ ſchirr war einfach. Mancher Teller, manche Taſſe hatte einen Sprung, und die Beſtecke waren nicht aus reinem Silber wie in Rolfs Vaterhaus. Zum Kaffee, der mit Malz⸗ kaffee gemiſcht war, ſehr ſüß und ſehr milchig ſchmeckte, gab es nur Marmeladenbrote ohne Butter. Zum Abendeſſen begnügten ſich alle mit fröhlichen Geſichtern der einfachſten Speiſen. Keiner zog ein Geſicht. Keiner ſagte: Das mag ich nicht. Sie aßen und ſchwatzten dabei, und niemand verbot es ihnen. Hatte Rolf anfänglich ſtill und ein wenig verwundert an dieſer luſtigen Tafelrunde teilgenommen, oft einen be⸗ klommenen Blick auf den Hausherrn werfend, ſo tat er hald heiter und unbefangen mit, als er merkte, daß Dr. Hell dieſes Erzählen, Sichnecken und Scherzen liebte. Zum erſtenmal erlebte Rolf den Geiſt einer Familie, in der alles, was geſchah, ſelbſtverſtändlich und natürlich war. Nerven ſchien keiner zu haben, auch die kleine, quickleben⸗ dige Mutter nicht, die den ganzen Haushalt und die Pflege der fünf Kinder ohne Hilfe ſchaffte. 5 Es geſchah ganz von ſelbſt, daß Rolf Vergleiche zog und daß ihn dieſe zuweilen mit einem leiſen Neid erfüllten. Warum konnte es bei ihnen daheim nicht auch ſo ſein? Stephan, der hin und wieder ebenfalls Gaſt im Grothe⸗ ſchen Haus war, hatte einmal nachdenklich geſagt:„Bei euch kann man nicht recht warm werden. Man erſchrickt, wenn man ein lautes Wort ſpricht. Bis auf Otti tut ihr alle o, als ob eben einer geſtorben wär.“ 8 (Fortſetzung folat.“ 1 1 1 22