Ffleißigſte Volk und das Nr. 298 mee Neckar⸗Bote(2. Blatt) Mittwoch, 18. Dezember 1940 Heilige Nächte am Kanal Von Kriegsberichter Adolf Gerla ch. PK. Nein, wir wiſſen nicht mehr, wann wir eigentlich zum erſtenmal magnetiſch an Weihnachten gedacht haben, ſo daß es uns nicht mehr ausließ, daß uns die Regie der heiligen Winlernächte überkam mit der ganzen Kraft ihrer mythiſchen Geheimniſſe Aber es iſt ſchon lange her Länger ſchon, als der erſte Kamerad von ſeinem Weihnachtsurlaub ſprach Weih nachten das iſt zunächſt eine reine Kulmination in der Zeit rechnung des kalenderloſen Landſers Auf dieſen winterlichen Höhepunkt gilt es Urlaubstage zu ſparen Und ſomit tritt Weihnachten in den Geſichtskreis, wenn die letzte Urlaubs dekade angebrochen iſt. Aber wie geſag, dann iſt Weihnachten noch ein Termin Dann aber wenn die erſten Froſtnächte die Hügel und Weiten der Bretagne, der Normandie, Flanderns und Bra— bants weiß betauen, lauert das erſte Aufkeimen des kultiſchen Ahnenerbes der Erinnerung auf, und plötzlich ſteht mitten im täglichen Wachſein die Erkenntnis des nahenden Wunders, da die Deutſchen den Wald ins Haus holen und dem Feſt des Lichtes die flackernden Fackeln der Kerzen zünden. Und es iſt die Unruhe die bleibt, lenes ungeduldige Warten, das „Vor⸗der⸗Türe⸗Stehen“ und„Noch nicht⸗Hereindürfen“. Und dann trennen ſich die Empfindungen, denn der eine weiß, daß er bleiben, der andere daß er zu Hauſe ſein wird. Als an einem dieſigen kalten Novembertag vier Kame— raden durch den peitſchenden Regen an den Kanal fuhren. da begegneten ihnen Laſtwagen. hochbeladen mit Kanonen⸗ öfen. An den Bahnhöfen ſah man hin und wieder lange Züge mit Briketts und Koks. Als ſie in ihre Unterkunft kamen. entdeckten ſie mit Staunen daß alle zerbrochenen Scheiben durch neues Fenſterglas erſetzt waren. Und am Abend rochen ſie in ein Geſpräch hinein, in dem davon die Rede war, daß die überſchüſſigen Kantinengelder zu Einkäufen für Weih⸗ nachten beſtimmt wären. Weihnachten war vom Gedankenkreis des einzelnen in das Erlebnis der Gemeinſchaft getreten. Kameradſchaftliche Fürſorge, volksgenöſſiſche Liebe, alle für alle bereiten im Denken und Tun das Feſt. Und ſie wollen gar nicht wiſſen, daß vieles ſowieſo getan werden müßte, weil eben Winter iſt und weil der ſoldatiſche Alltag das und jenes erfordert. Nein das ſind eben alles Wegweiſer zur geweihten Nacht, und wenn man auch gar nicht wüßte— und dabei weiß man es ja ſo genau— wie viele Tage es bis Weih⸗ nachten iſt— an dieſem Wegweiſer iſt es untrüglich abzuleſen. Aber da iſt noch der Dienſt. und Müller ll macht ſeinen Stellungswechſel genau ſo ſchnell und ſicher wie vor Dün⸗ kirchen und an der Marne Und Laden und Sichern kann er wie am Schnürchen, und wenn er abzieht, dann haut das nur ſo hin Aher Müller ell ſieht, während er ſich aus der Mulde auf dem franzöſiſchen Uebungsgelände ſchiebt, haarſcharf über Kimme und Korn nicht das angenommene feindliche MG., wohl aber einen ausgewachſenen Tannenbaum, und während er ſeinen Gurt leertrommelt, denkt er ſo allerhand ungereimte Dinge. Das Bäumchen ſteht nun in der Bude bei Müller(I. Auch der Dienſt wird feierlicher. und es kommt nur dar⸗ auf an, es zu bemerken. Man merkt es aber erſt, wenn man mittendrin ſteckt. Und nur der Unteroffizier hat eine gegen⸗ teilige Meinung, und wenn er den Schützen Kunibert einen „Weihnachtsmann“ nennt, dann iſt das keine Anerkennung, aber doch eine milde Beurteilung Anſonſten iſt Dienſt. Der Dienſt iſt genau ſo lang und genau ſo programmäßig Ein bißchen Weihnachtsfreude auf Vorſchuß, das iſt es, was alles ganz anders macht, ohne es zu ändern. Und das iſt drüben bei der Flak genau ſo wie oben auf dem Steilfelſen bei der Artillerie, bei der Küſtenwache hinter dem Stahldraht am Strand und bei den Matroſen im nahen Hafenſtädichen. Es iſt Krieg am Kanal, an dem das deutſche Heer, tau⸗ friſch wie am erſten Tage, in dieſem Kriegswinter 1940 ſteht. Die Kraft, die das Gute will, die ſich ballt, um in gewaltiger Entladung die Breſche zu ſprengen, damit das Licht unge⸗ hindert in unſer Zukunftsland fluten kann. ſie trägt die eruptive Dynamik des kommenden Sieges in ſich. Die Gene⸗ ration, die angetreten iſt, um die territoriale und wirtſchaft⸗ liche Verſklavung der Deutſchen zu brechen, die Generation, die die Einigung aller Deutſchen erlebte und das Groß⸗ deutſche Reich aus der Taufe hob. jene Verſchworenen der deutſchen Revolution, die die Quellen ihres Volkstums auf⸗ ſuchten und zum Fließen brachten, ſie haben nicht ein Leben lang gekämpft um Weihnachten als ein Feſt des ſatten Frie⸗ dens begreifen zu können Dieſes neue deutſche Volk als die Summe einer gewaltigen hiſtoriſchen Leiſtung kennt nur noch einen Frieden: den Frieden der Freien Und als ſolcher iſt er ein Friede der Ehre und der Gerechtigkeit. Dieſen Frieden hat die Welt der Händler und Krämer uns verſagt Sie ver⸗ ſagten uns das Reich und das Recht der Souveränität. Das mutigſte Volk der Erde ſollte der ſchlecht und recht Arbeits- und Zinsſklave der anderen ſein. Ueber allem ſteht der kämpferiſche Einſatz für das gefütterte Volksganze. 8 5 Nun iſt es das Volk der Tapferen im Kriege und im Siege Man hat den dutzendfach gebotenen. ehrenvollen Frieden auch als der Endſieg ſich ſchon abzeichnete in blin⸗ dem Vernichtungswillen abgelehnt Die füdiſch⸗plutokratiſche Clique der Ausbeuter und Unterjocher iſt geſtellt und mitten in dieſem Kampf zünden wir an der Fron die Feuer unſeres reinen Willens an und bekennen uns zur Naturgeſetzlichkeit des echten werdenden Lebens. Dieſes Leben muß erkämpft ſein Immer wieder Denn es gibt auch keinen Frieden, in dem das Leben aus ſich ſelbſt lebt Wir ſind durch die Läuterung dunkelſter Jahre gegangen und wußten daß das Sonnenzeichen ſiegen wird. weil unſer Kampf bedingungslos dem Endſiege galt. Und wir gehen durch dieſen Krieg, hart, entſchloſſen aber mit dem feſt be⸗ 95 Wiſſen, wie das Ende ſein wird Denn wir haben as Recht und haben die Macht und zu beiden den Willen, den Frieden der Freiheit zu erkämpfen Dieſe Weihnacht an der grauen Front iſt darum trotz aller Gegebenheiten des Krieges ein zutiefſt frohes Weihnachten. Denn wir denken alle gleich und gehen alle im gleichen Geiſte zum gleichen Ziel, Ueber der Sentimentalität des Kriegers, der Weihnachten im grauen Rock verbringt ſtehr der kämpferiſche Einſatz im Dienſt des Volksganzen Er iſt das große Glück unſerer Tage, wo immer der einzelne ſteht Wir wiſſen. wozu wir bereit ſind Wir wiſſen warum wir Krieger ſein müſſen. Und wenn einer zweifelte. die rauſchenden Wellen des Atlantik würden es ihm Tag und Nacht in die Ohren ſingen. daß man uns dort draußen das Leben abſchnüren wollte, und daß auf jener Inſel drüben jene ſitzen, die uns alle verderben wollen Die Motoren aber die uns Nacht für Nacht in end⸗ loſen Wellen ihr eiſernes Lied in die Ohren ſingen, die Schiffe die hier auslaufen das Meer, das hier die Küſte in Neſtern Schartenſtänden und Geſchützſtellungen deckt. die Männer die hier ihre kriegeriſche Aufgabe bannt, haben alle nur eine Blickrichtung Weihnachten denken ſie an den Sieg, wie alle Deutſchen in der Welt Denn das Geheimnis der heiligen Nächte wirkt überall, wo Deutſche ſtehen Und der in Narvik ſpürt es ebenſo wie der in Polen oder in der Normandie i. 5 Die graue Front im Felde geht in die heiligen Nächte in freudiger Zuverſicht und mit entſchloſſener Gläubigkeit. Wenn die Tiſche gedeckt die Unterſtände und Unterkünfte ge⸗ ſchmückt ſind die Kameraden den Worten des Kommandeurs lauſchen wenn ein Lied aufſteigt dann ſteigt über der Kimme des kreidigen Felſens die Silhouette eines deutſchen Wgch⸗ 1 Motor Ueber fünf Stunden waren wir unterwegs poſtens ins Rieſenhafte. Und er, der ſich abhebt gegen den blaßdunklen Nachthimmel und das ſilbrig abgründige Meer, iſt Symbol dieſer Kriegsweihnacht 1940 am Kanal. Der Gefreite Müller ui aber denkt an die Weihnachten vor dem Weſtwall, liebäugelt ſtolz mit ſeinem Bäumchen, ſchaltet den Rundfunk ein und blickt zum Fenſter nach jenen Sternen, die über England ſtehen Und denkt ſo ziemlich kerzengerade das. was hier geſchrieben wird, denn ſo ungefähr ſprach er ſeine Gedanken aus, als wir die erſte Platte mit einem Weih⸗ nachtslied auf das knarrende Grammophon legten. ** 30. Englandflug mit einem Motor Schlag auf Schlag auf Englands Rüſtungszentren. ö Von Kriegsberichter Günter Lenning. g P. Mitternacht über England. Ein ſchwelender, glim⸗ mender Gluthaufen leuchtet in der Ferne auf, halbrechts von; unſerer Maſchine„Das iſt Coventry“ ſagt der Beobachter Aber wir fliegen weiter, ändern unſeren Kurs um keinen Strich. Die Nacht von Coventry iſt vorbei Heute iſt die Nacht, von Bixrmingham Ihr, der Millioneninduſtrieſtadt, gelten; unſere Bomben Nicht nur unſere, wir mit unſerer He ſind nur ein einziges Glied in der Kette von hundert und aber hunderten deutſchen Kampfflugzeugen, die Vernichtung über England bringen, wo immer die Führung es will— im Norden Oſten. Sud und Weſt Vor vier Tagen Coveniry— heute Birmingham. Scheinwerfer greifen zu uns herauf durch die froſtklace mondhelle Nacht Nun wird auch die Flak munter und miſcht ihr Feuerwerk in die Strahlenbündel. Aber dieſe Begrüßung ſind wir ja gewohnt Sperrfeuer Dieſe Lage gilt uns! Dicht an der Kanzel ziehen die kleinen ſchwar— zen Bauſchwölkchen vorbei Aber jetzt kann uns kein Vor uns hinter dem hellen, Sperrfeuer mehr abdrängen. kalten Licht der Scheinwerfer hebt ſich ein roter Schein ab Schon löſt er ſich in einzelne Flecke auf Und dann liegt klar vor uns ausgebreitet, das grauſig⸗ſchöne Bild einer brennenden Stadt Zehn— zwan⸗ zig dreißig nein, mon kann die gewaltigen Glutherde nicht zählen! Rauch quillt, blutig angeſtrahlt überall empor. Hoch empor, daß man ihn in der Kanzel unſerer Maſchine zu ſchmecken meint— Rechtsaußen ſchießt eine Stichflamme auf Was mag unſer Kamerad da vor uns getroffen haben? Wir haben keine Zeit mehr für ſolche Fragen Wir ſuchen das uns befohlene Ziel Rechtskurve Linkskurve— winkt der Beobachter dem Flugzeugführer zu. Nun geradeaus, und dann ſtürzen auch unſere Bomben unerbittlich ihrem Ziel entgegen Wir ſchauen 0 Da, jetzt blitzt es auf!„Getroffen! Getroffen!“ Nun ſprüht die Feuerſaat unſerer Brandbomben. Noch funkelt es unten weiß Aber ſchon miſcht ſich das erſte Rot hinein. Frißt ſich weiter und weiter— Es brennt, es brennt!“— Hundertachtzig Grad kehrt— Heimatkurs Noch einmal faſſen uns Scheinwerfer und Flak, dann ziehen wir ruhig über Mittelengland hinweg Unheimlich friedliches Bild in fähem Wechſel: Hinter uns Brand und Zerſtörung— nun wieder Felder, Straßen, ein Fluß, in dem ſich der Mond ſilbern ſpiegelt Was iſt das? Der linke Motor will nicht mehr Vereiſung Feindeinwirkung?— Egal! Verſuche, ihn wieder hinzukriegen Nichts! Und das ausgerechnet hier mitten über England viele hundert Kilometer vom Heimathafen ent⸗ fernt„Gut, fliegen wir halt mit einem Motor heim“ ſagt der Flugzeugführer. Oberleutnant von K. ſagt das ſo ruhig hin als ob es die ſelbſtverſtändlichſte Sache von der Welt wäre Keiner von uns ſpricht ein Wort zuviel. In dieſem an⸗ geſpannten Schweigen ſpiegelt ſich der ganze Ernſt der Lage, die ganze Eniſchloſſenheitn und das Vertrauen, das wir zu unſerem Flugzeugführer und zu unſerer Maſchine haben.— Trotz des einen, überlaſteten Motors, an dem nun unſer aller Schickſal hängt. Ein Gedanke: Bloß nicht in England runtermüſſen, dann ſchon lieber im Kanal— und wenn wir verſaufen Weitab Flak. Das iſt London, die brennende Stadt.— Endlich der Kanal. Und nach langen, langen, bangen Minuten die franzöſiſche Küſte— Eine halbe Stunde ſpäter landen wir leicht und ſicher auf unſerem Platz landen mit einem „Na“, ſagt der Beobachter,„den Flug werde ich auch nicht vergeſſen!“ „War übrigens mein 50. Englandflug“, meint trecken Ober⸗ leutnant von K — Rochen s enthalten auch nach der faushalts⸗ verwertung noch fusgangspunkte für 80 wichtige Induſtriepunkte. Darum: nicht verbrennen oder verfüttern, ſondern dem nächten Smulkind mitgeben! „Die Gänfehirtin am Brunnen“ Das Weihnachtsmärchen im Nationaltheater. Frei nach dem gleichnamigen Märchen der Brüder Grimm geſtaltete Trude Wehe ihr Weihnachtsmärchen das am Sonntag im Nationaltheater ſeine Mannheimer Erſtaufführung erlebte. Grundzug des Stoffes iſt der Grimmiſche Gedankenkreis, die menſchliche Opferbereit⸗ ſchaft und das Opfer, durch die anderen geholfen werden kann und alles zum Beſten gewendet wird. Ueber dieſen Gedankengang hinaus findet man in dem Bühnenſtück zwar einige ſchöne ethiſche Züge in den hinzugewobenen Neben: handlungen, dennoch dürften ſie der von Grimm gewollten Grundlinie wenigſtens für das Verſtändnis des Kindes — für das das Stück ja ſchließlich geſchrieben iſt— einiges an der Klarheit nehmen. So beiſpielsweiſe die nicht reſtlos erläuterte Nebenhandlung mit dem König der ſieben Lin⸗ den, der nun als Waſſermann im Brunnen ſitzen muß, bis ihn eine geweſſe Anzahl Perlen erlöſen Etwas unvermittelt ſpielt in den Ausklang des Bühnenſtückes auch der Weih⸗ nachtsmann mit ſeinen Trabanten und den zahlreichen Weihnachtsbäumen hinein, wennaleich das Feſt der Liebe als Symbol für den alles in Liebe verſöhnenden Schluß der Handlung naheliegen mußte. Im allgemeinen ſtützt ſich der Erfolg des Bühnenſtückes neben den ethiſchen Kräften des Stofſes mehr auf Inſzenierungswirkungen, in denen das groteske Eiement der Sitpationswitz und die Situa⸗ tionskomik im Vordergrund ſtehen. Einige Längen in den beiden letzten der vier Bilder könnten noch vermieden wer⸗ den und ſind bereits auch durch Einſchaltung von Tanz⸗ ſzenen, die nicht immer(3 Pildy genügend in die Hand⸗ lung hineinwachlen überbrückt Doch was das Weſentliche iſt? man hat nicht das Empfinden Dichtung zu verspüren, dazu iſt das Stück ſprachlich nun doch allzu wenig dichteriſch angepackt. 5 Die muſikaliſche Seite des Stückes, für die unſer Mann⸗ heimer Chormeiſter und Komponiſt Friedrich Gel⸗ lert die Verantwortung übernahm. gewinnt dem Beſu⸗ cher Freude ab. Die Muſik iſt zwar außerordentlich ſpar⸗ „Briefaufklärungsſtellen“ müſſen he fen Täglich 100 000 Poſtſendungen mit unzureichenden Anſchriften. Durch fehlerhafte oder unzureichende Anſchriften entſteht der Deutſchen Reichspoſt ein ſtändiger un⸗ geheurer Mehraufwand an Arbeitskräften, Unkoſten und Zeit, der beim Weihnachts und Neujahrsverkehr im Kriege beſonders ſchwer ins Gewicht fällr Viele Zeitgenoſſen verlaſſen ſich beim Adreſſieren ihrer Anſichts⸗ und Glückwunſchkarten, Briefe und Pakete lieber auf die ſprichwörtliche Findigkeit der Deutſchen Reichs⸗ poſt, anſtatt Name, Wohnort mit Zuſtellbezirk, Hausnum⸗ mer, Straße und Stockwerk des Empfängers genau anzu⸗ geben. Täglich werden im ganzen Reich nicht weniger als hunderttauſend Poſtſendungen mit unzureichenden Anſchriften feſtgeſtellt, während jährlich fünf Millionen Stück als endgültig unzuſtellbar zu betrachten ſind. Dieſe Folgen gedankenloſer Nachläſſigkeit ſeitens des Publikums erfordern eine dauernde Beſchäftigung von zahlreichen zuſätzlichen Arbeitskräften, die nichts anderes zu tun haben, als die richtigen Adreſſen der Empfänger und im Falle der Unbeſtellbarkeit die der Abſender zu ermitteln. Man mußte daher bei allen größeren Poſtämtern ſo⸗ genannte„Briefaufklärungsſtellen“ einrichten, wie eine ſolche beim Poſtamt SW. 11 in Berlin beſteht. An zwei langen Tiſchen ſind dort etwa zwanzig Beamte mit der Sortierung und Weiterbeförderung unzuſtellbarer Brief- ſchaften beſchäftigt. Es handelt ſich durchweg um Kriegs⸗ beſchädigte, die nur eine ſitzende Tätigkeit ausüben können. Jeder Beamte hat an ſeinem Arbeitsplatz eine Sichtothek ſtehen und davor ein ſchwarzes Buch liegen. Die Reichs⸗ poſt hat nämlich das offizielle Stadt-Adreßbuch von Ber⸗ lin in die 26 Buchſtaben des Alphabets eingeteilt und jedem„Briefaufklärer“ einen oder zwei davon zur Bear⸗ beitung zugewieſen. In einer Weltſtadt wie Berlin aber dvermag ſchon ein einziger Buchſtabe einen ganzen Band Die Sichtothek enthält insgeſamt 20000 Fir⸗ zu füllen. menanſchriften, von denen jede mit einem einzigen Hand⸗ griff erreichbar iſt. Neu hinzukommende Adreſſen werden mit roter Tinte nachgetragen. An weiteren Hilfsmitteln zur Ermittlung von Karten- und Briefempfängern ſtehen den Beamten außer dem Telephonbuch ein Branchen⸗ Adreßbuch, eine Liſte aller in Berlin anſäſſigen Mini⸗ ſterien, Schulen und ſonſtigen Behörden, ein Straßen⸗ und Poſtanſtalten-Verzeichnis ſämtlicher deutſcher Städte, ſo⸗ wie ein geradezu phänomenales Gedächtnis zur Ver⸗ fügung. Es iſt kaum vorſtellbar, welche Anſprüche an die Fin⸗ digkeit und Ortskenntnis der Reichspoſt geſtellt wer⸗ den. Mit jedem Zug kommen in der Reichshauptſtadt Poſtſäcke mit den Aufſchrift„Berlin mit“ oder„Berlin ohne“ an. In erſterem Falle iſt bei den Adreſſen die je⸗ weilige Poſtanſtalt wie z. B. SW. 68 oder W. 35 angege⸗ ben, in letzterem hingegen fehlt dieſe wichtige Kennzeich⸗ nung. Täglich werden bei dem Berliner„Detektiv⸗Inſti⸗ tut“ der Reichspoſt durchſchnittlich über dreitauſend Poſt⸗ ſendungen angeliefert, deren Empfänger die Beamten mehr oder minder„erraten“ müſſen. Karten und Briefſchaften, deren Empfänger trotz aller Mühe nicht ermittelt werden können, gehen zunächſt an den Abſenderort zurück, der in jedem Falle aus dem Poſt⸗ ſtempel erſichtlich iſt. Dieſer gibt die„Irrläufer“, ſofern darauf nicht der Abſender vermerkt iſt, an die in jedem RDP. eingerichtete Zentrale für unzuſtellbare Poſtſen⸗ dungen weiter. In Berlin iſt dieſer Ausſchuß beim Poſt⸗ amt C. 2 in der Königſtraße untergebracht. Der„Brief⸗ aufklärungsſtelle“ beim Poſtamt SW.e l! iſt noch eine Aus⸗ landsabteilung angegliedert, die ſich mit der Ermittlung der Empfänger aus dem Ausland ſtammender Sendungen, insbeſondere Poſtanweiſungen, befaßt. Es werden zu die⸗ ſem Zweck ſogar die oft recht unleſerlich geſchriebenen fremdſprachigen Briefe überſetzt, wobei es mitunter recht „harte Nüſſe“ zu knacken gibt. Während in den Vereinigten Staaten eine Gebühr für unzuſtellbare Briefe, die den Abſendern erſt nach der Oeffnung wieder zurückgegeben werden können, erhoben wird, trägt in Deutſchland die Reichspoſt ſelbſt die hier⸗ durch entſtehenden Unkoſten. Dafür kann ſie aber auch erwarten, daß das Publikum ſich bemüht, ihr dieſe Mehr⸗ belaſtung wenigſtens zu Weihnachten und Neujahr weiteſt⸗ gehend zu erſparen. ſam, dafür aber weiſt ſie ſchöne Melodik, Herz und Gemüt auf. Im allgemeinen illuſtriert ſie ſtimmungsvoll und iſt inſtrumentell feinſinnig behandelt. Der Rhythmus der Tänze und die Klangſprache des Liedhaften ſpricht an, ſo daß man nur bedauert, daß ſo viele muſikaliſche Illuſtra⸗ Aionsmöglichkeiten ungenützt blieben. i Rudolf Hammachers Spielleitung legte das Gewicht der Aufführung auf alles Bühnenwirkſame, wobei ihm Kalbfuß' zweckmäßig⸗ſchöne Bühnenbilder zur Seite ſtan⸗ den. Adalbert Scocic amtierte am Dirigentenpult mit Auf⸗ geſchloſſenheit für die inſtrumentelle Behandlung der The⸗ mendurchführungen, die mitunter nur angedeutet waren. ohne ausſchwingen zu können Bei den Darſtellern ver⸗ traten Karl Marx als jähzorniger, doch immerhin noch ein⸗ ſichtsvoller König und Lene Blankenfeld als begütende, lenkende Gattin und Mutter ſowie Kitty Dore Lüdenbach als überzeugend zurückhaltendes, warmherziges Königs⸗ töchterlein Gunda. Benno Sterzenbach als Dudelfritze und Königsſohn. Lola Mebius in der mütterlichen Rolle der gütigen. Fee Weiſa wie auch Friedrich Hölzlin als ver⸗ e König und Waſſermann die mehr vom Inhalt er Rolle her wirkſamen Kräfte. Hanſi Thoms und Ellen Mahlke als die beiden in Gänſe verwandelten Prinzeſſin⸗ nen mit unſchönen Eigenſchaften verkörperten mit Erfolg die naſchhafte und die eitle Königstochter. Joſeph Offenbach und Klaus W' Krauſe waren ein ganz auf Komik abge⸗ ſtelltes Kriegerpaar am Königshof von großartiger Wir⸗ kung, in der Offenbachs„Schürze!“ mit poſſenhaften Ein⸗ fällen am ſtärkſten in Erinnerung blieb Heinz Evelt in der Rolle des verſchollenen Königsohns Purzel hielt in der Groteskwirkung erfreulicherweiſe etwas zurück In fleine⸗ ren Rollen taten Burgunde Mathes(Elfe) Richard Schulz (Waldgeiſt) und Joſef Renkert(Weihnachtsmann) mit Er⸗ freuliche Eindrücke hinterließ das Vallett unter Marga Eilenſteins Tanzleitung im Geſamteindruck wie auch in den ſoliſtiſchen Leiſtungen(Hertha Bolle). Heller Beifall zog zum Schluß durch das Haus deſſen ſich auch der Kompo⸗ niſt erfreuen durfte. 5 f Hanns German Neu. * PPTP e ee 4 1 Ein Sonderzug erlebt Geſchichte Der Oberbefehlshaber des Heeres auf Fahrt Von Kriegsberichter Dr. Lahne. PK. Ein grauer Herbſtmorgen dämmert herauf. Auf einer kleinen Eiſenbahnſtation irgendwo in Frankreich knirſchen die Bremſen des D⸗ Zuges, der ſich, von zwei mächtigen Lokomotiven gezogen, eben langſam auf das Abſtellgleis ſchiebt. Am Anfang und am Schluß der lan⸗ gen Wagenreihe recken ſich auf zwei offenen Wagen die Rohre leichter Flak drohend gen Himmel. Den wetter⸗ gebräunten Geſichtern der Bedienungsmannſchaften merkt man die Nachtfahrt nicht an. Ein Offizier der Nachrichtentruppe ſpringt als einer der erſten auf den Bahnſteig, eilt auf die Männer eines Fernſprechtrupps zu, deſſen Führer ihm kurz Meldung er⸗ ſtattet. Einige knappe Anweiſungen, und ſchon ſind ge⸗ übte Hände dabel, die Kabel anzuſchließen und die Ver⸗ bindung mit dem militäriſchen Fernmeldenetz herzuſtellen. Keine fünf Minuten dauert dieſe Arbeit. Eine kurze Leitungsprobe, dann kann der Nachrichtenoffzier die „Strippenzieher“ entlaſſen. Neben den Funkgeräten, die bereits während der Fahrt die Verbindung mit der Außen⸗ welt aufrechterhielten, ſtehen nun auch Fernſprecher und Fernſchreiber zur Verfügung, um wichtige Befehle weiter⸗ zuleiten und Meldungen der verſchiedenſten Art entgegen⸗ zunehmen. Tauſende von Kilometern hat der Sonderzug des Oberbefehlshabers des Heeres im Laufe der letzten Mo⸗ nate auf feinen Fahrten durch die verſchiedenen Opera⸗ tionsgebiete zurückgelegt. Immer wieder iſt es der gleiche exakte Ablauf eines bis ins kleinſte eingeſpielten mili⸗ täriſchen Apparats, der dafür ſorgt, daß dieſes„rollende f Hauptquartier“ fortgeſetzt über alle wichtigen Vorkomm⸗ niſſe auf dem laufenden gehalten wird und dazu auch ſelbſt in der Lage iſt, zu jeder Minute entſcheidend in den Gang der Entwicklung einzugreifen. Große Entfernungen raſch überbrückt Einige wenige Männer ſind es nur, denen die kom⸗ plizierten Geräte modernſter Nachrichtentechnik in dieſem Sonderzug vertraut ſind— Soldaten, die ſich alleſamt auf der Heeresnachrichtenſchule als hervorragende Män⸗ ner bewährt haben und die nun, der Verantwortung ihrer Aufgabe voll bewußt, alles daranſetzen, um auch unter ſchwierigſten Bedingungen ſchnell und zuverläſſig eine einwandfreie Vermittlung aller Meldungen und Befehle ſicherzuſtellen. Vom erſten Kriegstage an verſehen ſie in dem Befehlswagen des Sonderzuges ihren Dienſt, haben ſich aufeinander eingeſpielt und wiſſen, worauf es im einzelnen ankommt. Alle hier eingeſetzten Manner ſind ſtolz darauf, an dieſer wichtigen Stelle tätig zu ſein, mag ſich der Dienſt mitunter auch noch ſo ſchwer geſtalten. „Haben Sie die Verbindung mit Schwalbeneſt' ſchon bekommen?“ Aus einem der Abteile des Sonderzuges ruft der Generalſtabsoffizier in der Fernſprechvermittlung des Befehlswagens an.„Schwalbenneſt“ iſt der Deckname füt eine wichtige militäriſche Dienſtſtelle, die ſich einige hun⸗ dert Kilometer entfernt von hier befindet. Es iſt der beſondere Stolz der Nachrichtenmänner, auch die ſchwierigſte Verbindung oft ſchon in verblüffend raſcher Zeit herzuſtellen. Wie das möglich iſt, bleibt ihr Geheimnis. Eine gehörige Portion Glück, meint beſchei⸗ den der Fernſprechwachtmeiſter, gehört ſchon mit dazu, wenn beiſpielsweiſe ein Geſpräch mit Norwegen ſchon in kürzeſter Zeit zuſtande kommt. Die Tatſache ober, daß —— zeigt deutlich genug, daß hier ein fachmänniſch hervor⸗ ragend geſchultes Perſonal alle Möglichkeiten einer glän⸗ zend organiſierten Nachrichtenübermittlung mit Hilfe modernſter Geräte voll auszunutzen verſteht. Unvergeß⸗ lich wird den Fernſprechern der Nachrichtenſtaffel vor allem jenes„Blitzgeſpräch“ ſein, das der Oberbefehls⸗ haber des Heeres von irgendeinem kleinen Ort in Polen aus mit dem Oberkommando in Berlin führte und das in der Rekordzeit von ſechs Sekunden zuſtande kam. Durch halb Europa gefahren Ein beſonders raffiniert ausgeklügeltes Gerät ſorg! dafür, daß kein Unberufener in der Lage iſt, die vom Sonderzug des Oberbefehlshabers aus geführten Ge⸗ ſpräche mitzuhören. Mit den ſeltſamen Geräuſchen, die der neugierige Lauſcher günſtigſtenfalls vernehmen würde, könnte er nicht das geringſte anfangen. Daß auch die vom Befehlswagen abgegebenen Funkſprüche mit Hilfe eines ungemein komplizierten und noch dazu immer wieder ge⸗ wechſelten Schlüſſels unbedingt geheimgehalten werden, iſt ſelbſtverſtändlich. Während für die drahtloſe Verbindung mit dem Oberkommando des Heeres ein auf eine beſtimmte Welle abgeſtimmtes Gerät genügt, ſtehen für den Empfang mehrere Apparate zur Verfügung. Ihre ununterbrochene Bedienung fordert die ganze Nervenkraft der Nachrichten⸗ männer, die während des Einſatzes meiſt ohne längere Pauſen von morgens 5.30 bis 3 Uhr nachts auf dem Poſten ſein müſſen Jede neue Meldung wird dem Ober⸗ befehlshaber bzw. ſeinem Adjutanten ſofort vorgelegt. Die wichtigſten Preſſeberichte des Tages werden zu einer mit der Schreibmaſchine vervielfältigten„Zug⸗Zeitung“ zuſammengefaßt, die in den einzelnen Wagen zur Ver⸗ teilung kommt. Ueber mangelnde Tätigkeit können ſich die Männer der Nachrichtenſtaffel alſo nicht beklagen. Seit jener denk⸗ würdigen Nacht zum l. September 1939, da ſich der Sonderzug des Oberbefehlshabers des Heeres aus zu⸗ nächſt nur wenigen Eingeweihten bekannten Gründen mit geheimgehaltenen Zielen in Bewegung ſetzte, bis zu den jüngſten Fahrten des Generalfeldmarſchalls im weſtlichen Operationsgebiet haben die Funker und Fernſprecher zahlreiche Stunden von welthiſtoriſcher Bedeutung erlebt. Der Sonderzug, zu deſſen Beſatzung neben der Nach⸗ richtenſtaffel die Kameraden der Wache, der Flak und des techniſchen Perſonals der Reichsbahn gehören, war bereits vor Kriegsausbruch wiederholt Zeuge wichtigſter Ereigniſſe der füngſten deutſchen Geſchichte. Der gleiche Wagen, in dem Generalfeldmarſchall von Brauchitſch heute dem deutſchen Frontheer die Befehle für ſeinen Einſatz gibt, diente zuvor zwei Jahre lang dem Mann, deſſen genialen Konzeptionen unſere junge Wehrmacht den Sieg⸗über des Reiches Widerſacher in Oſt und Weſt verdankt: Adolf Hitler Ein rollendes Hauptquartier im kleinen, iſt er ſeit Kriegsbegtun durch halb Europa ge⸗ fahren. Tauſende und aber Tauſende von Funkſprüchen, Ferngeſprächen und Fernſchreiben haben ihn erreicht, find von ihm ausgegangen. Nüchtern und knapp ſind alle in ihrer Sprache, und doch iſt manches ſtolze Dokument deut⸗ ſchen Sieges darunter, das den Männern, die in zäher Ausdauer ihre Apparate bedienten, die Herzen in heller Freude höherſchlagen ließ. Hindenburgs Salonwagen wieder im Dienſt Ein Zufall, der uns als bedeutſame Symbolik er⸗ ſcheinen will, hat es gefügt, daß auch ein zweiter, längſt hiſtoriſch gewordener Eiſenbahnwagen heute wieder zu wichtigem Dienſt„eingezogen“ worden iſt Es iſt der Wagen Hindenburgs, den dieſer bei ſeinen Reiſen durch eine ſo raſche Arbeit keineswegs eine Ausnahme bildet, 3000 Kilometer Eiebe Ein heiterer Roman von Olly Boeheim. Deutſchland als Reichspräſident benutzte. Heute ſteht er Einbrüche in Salarne ſeit Jahren nicht vorgekommen waren Die Gegend galt als ſehr ſicher. Nun ſchwirrte das Gerücht herum, daß in den einſamen Wochenendhäu⸗ ſern eingebrochen worden war. Der letzte Raub hatte in 17 ſtattgefunden, und Vera erinnerte Der nordiſche Himmel wölbte ſich glasklar über dem See. Wolkenmänner ritten auf Fabeltieren weißen Wattegebirgen zu. Noch nirgends in der ganzen Welt hatte Vera ſo ſeltſame Himmelslandſchaften gefunden wie in Schweden. Unter ihm gab es keine rauſchhaften Lei⸗ denſchaften. Einſam waren dieſe Menſchen, verſponnen und ſchwer, grübleriſch und verſchloſſen. Sie lebten anſpruchslos in ihren kleinen Holzhäuſern, die wie bunte Pilze in der ſchwermütigen Landſchaft ſtanden. Die meiſten Gehöfte lagen meilenweit vom nächſten Dorf entfernt, wie ertrun⸗ len in Einſamkeit und Schweigen. Die Nordländer waren helläugig wie die zahlloſen Seen ihres Landes, ſchweig⸗ ſam wie ihre ſchwarzen Wälder und hart wie die alten Runenſteine, über denen ſich ſpieleriſch Birken wiegten, lichte junge Schweſtern der düſteren Tannen, in deren Dämmer die Trolle hauſten. Ein Land, in dem das Mär⸗ chen noch nicht geſtorben war. Und jeder, ſo ſchien es, trug ſein Geheimnis in ſich. Vern beendete ihre nachdenkliche Himmelwanderung, und das Wort Geheimnis brannte plötzlich in ihrem Her⸗ zen. Unbezähmbare Neugierde überfiel ſie, mehr von dem Manne zu wiſſen, in den ſie ſich auf den erſten Blick verliebt hatte, ſo leidenſchaftlich verliebt, daß alle äußeren Zuſammenhänge mit ihm und der Welt ihr bedeutungs⸗ los erſchienen. Aber jetzt, wo ſie zum erſtenmal, ſeit ſie ihn geſehen, ſich allein überlaſſen war, prickelte und kitzelte die Neugierde ſie in den Fingerſpitzen. Sie trat in das kleine rote Holzhaus und begann zu kramen. Die Ausbeute ihres heimlichen Einbruchs in das Ich ihres Geliebten ſchien zuerſt recht ergebnislos. Berge von ungeſtopften Strümpfen kamen zutage, eine richtige, ungeordnete Junggeſellenwirtſchaft. Da plötzlich fand ſie. ganz unten in der Kommode, unter einem Wuſt von Angelgeräten, Flicken und allerhand Kram— eine elegante Brieftaſche. Mit zitternden Händen öffnete ſie die Taſche, und eine Menge großer Geldſcheine fiel ihr in die Hände. Atem⸗ los ſuchte ſie weiter. Kein Papier, nichts, was Aufſchluß über die Rieſenſumme geben konnte! Doch hier— acht⸗ los hingeworfen, oder vielleicht ſorgſam verſteckt, ein Bril⸗ lantring. Ein Damenring mit einem großkarätigen Solitär Vera fühlte, wie ihre Knie verſagten. Sie kauerte ſich neben die einfache Bauernkommode und verſuchte, ihre Ge⸗ danken zu ſammelß. Kurz bevor ſie das Hotel verließ, war von einem dreiſten Einbruch in der Gegend die Rede ge⸗ einer etwas entlegenen Villa in der Nähe von Rättwick ſich genau der Zei⸗ tungsnotiz, daß eine Brieftaſche mit Geld und allerhand Schmuck entwendet worden ſei. Sie fand kaum die Kraft, die Sachen wieder in die Kommode zurückzulegen. Plankos lief ſie im Zimmer auf und ab, die Hände an die Schläfen gepreßt. Endlich hatte ſie geglaubt, einen Menſchen gefunden zu haben, der ſie um ihrer ſelbſt willen liebte. Für den ſie nicht die bekannte Tänzerin Vera Verries war, ſondern ein einfaches Men⸗ ſchenkind— nur ſie ſelbſt. Vera lächelte bitter. Sie hatte ſich in dieſes Abenteuer hineingeſtürzt ohne einen Gedan⸗ ken an morgen. Sie hatte ſich verſtrickt. Sie zappelte wie ein Fiſch im Netz Konnte ſie jetzt noch kühlen Abſchied ieh uſchung mehr in ihrem Leben buchen Sie liebte, mein Gott, wie liebte ſie ihn! Jetzt erſt wurde ihr klar, wie ſehr ſie liebte Sie liebte jedes Bild an der Wand, die kleine Blautanne vor dem Fenſter, die des Nachts im Mondlicht ſilbern ſchimmerte, als liege Reif darauf Den zärtlichen Raſen vor dem Haus, das Plät⸗ ſchern der Wellen am Steg. Sie liebte ſeine Hände, dieſe ſtarken, barten Hände, die ſo wundervoll zu ſtreicheln wußten. Sie liebte ſeinen Mund, den nachdenklichen, etwas ſpöttiſchen und, ach, ſo mißtrauiſchen Mund, und alles Licht der Welt lag für ſie in ſeinen grauen Augen, die in der Freude hell wurden wie das Meer, wenn die Sonne darauf ſcheint Sie wußte, ſie würde eher für ihn ſterben, als ihn verlaſſen können Die erſte Hälfte ihres Lebens war vorbei, die lichte Seite mit Blumen, Leidenſchaften und Kreuzſtationen. Wohin mündete der Weg? In Einſamkeit! In weit tödlichere Einſamkeit als in die bisherige. Denn der Weg des Erfolges war von Blumen umſäumt. Vielleicht hat⸗ ten ſie keinen Duft, aber es waren doch Blumen. Wie ſollte ſie ihm entgegentreten? Sie war trotz ihrer Entdeckung ihm doch ſo ſehr unterlegen, denn ſie liebte zu ſehr. Der Liebende iſt immer der Unterlegene. Sie lief aus dem Haus, ein Stück in den Wald hinein. Er war kühl und ſchattig wie ein Dom Allmählich kam Ruhe über Vera: denn vor der Natur werden alle menſch⸗ lichen Sorgen klein. Der Wald voll Geröll, Findlingen und Farnkraut glich einer Märchenlandſchaft: er war ſo in Unwirklichkeit verſponnnen, daß Vera ſich nicht gewun⸗ dert bätte, wenn plötzlich ein Troll auf dem Felſen ge⸗ ſeſfen hätte. Der Wald teilte ſeine große Ruhe der Frau mit. Was könnte ſie anders tun, als offen alles eingeſtehen, ihre Entdeckung und die Angſt um ihre Liebe. Eins fühlte ſie in dieſer ſtillen Stunde: daß ihre Bekanntſchaft keine zu⸗ fällige war, daß ibre Liebe. die über ihnen zuſammen⸗ weſen. Die Gäſte ſchienen beſonders erregt, weil derartkge dem Generalſtabschef des deutſchen Heeres, Generakoberſt Halder, zur Verfügung. Auch ſein Zug iſt mit einem Befehlswagen ausgerüſtet, der alle Einrichtungen mo— derner Nachrichtentechnik aufweiſt und dem Generalſtabs⸗ chef jederzeit eine ſchnelle, zuverläſſige Befehlsübermitt⸗ lung ermöglicht Der Oberbefehlshaber hat die Morgenmeldungen entgegengenommen und verläßt nun den Sonderzug, um ſich zur Truppe zu begeben Der mitgeführte Kraftwagen iſt auf die Rampe gerollt und vorgefahren Raſch ſetzt er ſich in Bewegung Mehrere Stunden wird der General⸗ feldmarſchall ahweſend ſein Auch in dieſer Zeit muß er jedoch in ſteter Verbindung mit ſeiner Befehlszentrale bleiben. Die moderne Nachrichtenlechnik ſtellt ihm hier⸗ für einwandfrei arbeitende Hilfsmittel zur Verfügung. Die beiden mit Funk⸗, Sende- und Empfangsgerät aus⸗ geſtatteien Spezialkraftwagen des motoriſierten Funk⸗ trupps, die ebenfalls zur Ausrüſtung des Sonderzuges gehören, begleiten den Oberbefehlshaber. Die Funkſtelle des Zuges dient ihnen als Meldekopf für alle aus⸗ und eingehenden Nachrichten, in wichtigen Fällen wird auch direkte Verbindung mit der Funkſtation des Oberkom⸗ mandos des Heeres aufgenommen. Nie reißen dieſe unſichtbaren Fäden ab, die das Wunder der drähtloſen Telegraphie zwiſchen wichtigſten militäriſchen Dienſtſtellen knüpft. Immer ſind die Männer vom motoriſierten Funktrupp zur Stelle. Mag die raſche Fahrt an die Kameraden am Steuer der ſchweren Wagen mitunter auch noch ſo hohe Anforderungen ſtellen, ſie ſchaffen es, Soldaten einer Truppe, die nicht gewohnt iſt, viel Weſens von ſich zu machen Wenn der General- feldmarſchall ſeine nächſte Fahrt antritt und dann, wie es ihm ſchon zur Gewohnheit geworden iſt, durch die einzelnen Wagen des Sonderzuges geht, wird er die Männer von der Nachrichtenſtaffel auf dem Poſten finden, am Klappenſchrank der Fernſprechzentrale und an den komplizierten Geräten der Fünkſtelle, zu jeder Stunde in Verbindung mit det großen Welt, immer bereit, Befehle von entſcheidender Bedeutung in Blitzesſchnelle weiter⸗ 31 zuleiten Anekdoten Ludwig XV. hatte einen Miniſter, der ſich von ſeinen Kollegen 8 unterſchied, daß er beſonders ehrlich war. Einmal war er beim König und legte in ſeiner Zerſtreutheit ſeins Schnupftabaksdoſe vor ſich auf den Tiſch. Nach einer eile folgte das Taſchentuch. Der König bemerkte es und ſagte lächelnd:„Aber mein lieber Baron, Sie leeren ja Ihre Taſchen völlig aus!“ Schlagfertig entgegnete der Baron: Verzeihung. Sire, aber iſt es nicht beſſer, als wenn ich ſie füllen würde?“ 0 Ludwig XV. hatte wieder einmal eines jener verſchwen⸗ deriſchen Feſte gefeiert, die ſeinem Finanzminiſter Terrais ſtets einige gelinde Schauer über den Rücken laufen ließen, wenn er an die Koſten dachte. Terrais ſtand neben dem Kö⸗ nig und ſchaute dem bunten Treiben der Hofgeſellſchaft und Gäſte zu. Da fragte ihn der König:„Nun wie finden Se dle Jeſte von Verſailles?“„Unbezahlbar, Sire!“ war Ter⸗ rais Antwort. 2 Friedrich der Große erhielt bei ſeinem Kapellmeiſter Quanz Unterricht auf der Flöte. Einmal ſtellte Quanz dem König einen anderen Schüler vor der beſonders aut ſpielte. Der König ſagte ſpäter zu Quanz mißbilligend:„Ich bin unzufrieden mit ihm, Quanz! Mir ſcheint, er aibt ſich mit jenem Burſchen mehr Mühe als mit mir!“„Gewiß nicht, Maſeſtät! Ich wende nur eine andere Methode bei ihm an!“ „Und worin beſteht dieſe?“ wollte der König wiſſen Na, ich helfe bei ihm etwas mit dem Korporalſtock nach!“ geſtand Quanz„Na dann wollen wir es doch lieber bei unſerer bis⸗ en Methode laſſen!“ lachte der König(eluſtlgt. ſchlug wie die Wellen des zornigen Siljanſees, etwas Schickſalbedingtes ſein mußte. Mehr als eine Liebelei und tauſendmal mehr als ein flüchtiges Abenteuer. Die Sonne ſant ſchon hinter den Tannenwäldern, und die Kirchturmglocke von Rättwik läutete den Abend ein, als das kleine Baot anlangte. „Man wollte ſchon eine Rettungskolonne ausrüſten, um Vera Verries zu ſuchen“, lachte Arne.„Hier ſind deine Sachen, nun kannſt du zum Dinner Toilette machen.“ Vera ging auf ſeinen Scherz ein, obwohl die Un⸗ ſicherheit ihr das Herz verbrannte. „Was gibt es zum Dinner?“ „Oh, ich habe ein glänzendes Menü zuſammengeſtent. Fleiſchbrühe mit Mark, Gänſeleber mit Trüffeln, dazu eine Flaſche Chablis. Dann kalten Rehrücken mit Cumber⸗ landſauce, und ſchließlich Eisbombe mit Sekt.“ Er kramte mit geradezu jungenhaftem Eifer eine Kiſte aus dem Boot. „Ich hoffe, gnädige Frau werden ſich zu dem feſtlichen Mahl entſprechend kleiden.“ Vera lächelte etwas gezwungen, nahm den Handkoffer, während Arne die mitgebrachten Büchſen öffnete. Dann breitete er eine weiße Decke auf den Tiſch und zündete Kerzen an. „Darf ich bitten“, rief er in den kleinen Raum, in dem Vera ſich umkleidete Sie kam lächelnd heraus. Ihren ſchmalen, mädchenhaften Körper umſchloß ein ſchneeweißes Kleid aus dem ſich der ſchlanke Hals wie der Stiel einer blaſſen Blume hob. Das tiefſchwarze Haar ſchimmerte bläulich im Kerzenlicht Der Mann ſtand wie verzaubert. „Darf ich bitten?“ ſagte er und ſchob ihr einen Stuhl hin. Sie ſetzte ſich zögernd. „Für einen einfachen Fiſcher haſt du im Zuſammen⸗ ſtellen von Diners eine erſtaunliche Routine“ ſagte ſie und ſab ihn mit ihren großen, leidenſchaftlichen Augen fragend an. „Danke für das Kompliment. Dein Glas, bitte!“ „Und eigentlich auch erſtaunlich oiel Geld“, fuhr ſte anzüglich fort. Der Mann ſah ſie erſtaunt an Er ſchien einen Augenblick nachzudenken. „Vielleicht habe ich irgendwo eingebrochen“, ſagte er lächelnd f Vera wurde blaß. Sie nippte an ihrem Wein, und ihte Hände zitterten. f „Könnteſt du ſo etwas tun?“ fragte ſie mit verhal⸗ tenem Atem. „Für dich, Vera, könnte ich ſtehlen und morden“, ſagte Arne leichthin und hob ſein Glas. Vera legte die Gabel mit einem Ruck nieder.„Sag mir bitte, warum lebſt du in dieſer Hütte?“ 5 Arne erhob ſich:„Jetzt kommt die Gänſeleberpaſtete wir wollen beim Eſſen keine menſchlichen Probleme er⸗ örtern.“ g „Alſo es iſt ein Problem?“ 3. „Geweß Sogar ein ſehr ernſtes. Ich werde dir alles erklären, vielleicht ſchon ſehr bald.“ e Fa T G