Nr. 104 Neckar-Bote(2. Blatt) Mittwoch, 2. Juli 1958 „Rhein-Main“ ist die Drehscheibe Hochbetrieb auf Westdeutschlands größtem Flugplatz— Halb militärisch, halb zivil „Eirkallstor nach Europa“ nennen die Ame- rikaner den grogen Frankfurter Rhein-Main- Flughafen. Hier ist in den letzten Jahren, Weit- gehend unbemerkt von der Offentlichkeit, nicht nur der größte deutsche Zivilflughafen, sondern auch einer der bedeutendsten ameri- kanischen Luftwaffenstützpunkte in Europe entstanden, ein Stützpunkt komplett mit einer kleinen amerikanischen Stadt in drei Teilen. Hier ist der Stützpunkt des militärischen Transportwesens der amerikanischen Luft- Waffe in Europa. Hier landen— auf dem zivi- len Teil des Flugplatzes— Tag für Tag Ma- schinen von 22 grogen Fluglinien aus der gan- zen Welt. Von Bier aus starteten während der Berliner Blockade 1948/49 die großen Trans- portmaschinen mit Lebensmittel, Kohle und Medikamenten, um die belagerte Stadt zu ver- sorgen. Daran hatten die amerikanischen Piloten des Jagdgeschwaders, das 1945 bei Kriegsende seinen Einzug auf dem zerstörten Flugplatz hielt, wobl kaum gedacht. Frankfurts Flug- Hafen, jahrzehntelang der Stützpunkt der deut- Sch Zeppeline, schien seine Rolle ausgespielt zu haben. Der Flugplatz, der nach dem ersten Weltkrieg in den Wäldern der ehemaligen Freien Reichsstadt entstanden war, schien reif zum Abbruch, denn niemand nahm ernstlich An, daß Deutschland in absehbarer Zeit je wie- der eine Rolle als Flugmacht spielen, oder daß große Fluglinien wieder Büros in dem zer- Schlagenen Land eröffnen würden. Auch die Amerikaner dachten kaum an eine Weiterver- wendung, schien doch 1945 endlich der ewige Friede angebrochen zu sein Aber dann kam die Blockade Berlins, und die beiden Partner auf dem Flughafen began- nicht nur den ehemaligen Verbündeten im Osten, sondern auch den Nachbarn nebenan mit anderen Augen zu sehen. Frankfurts Flug- hafen aber erlebte seine große Stunde als Stützpunkt für die Versorgung Berlins. Die Pragfelder würden in fieberhafter Eile e. Wei- tert. Zum Militärflughafen kam wieder der Zi- Villufthafen.„Rhein-Main“ wurde die Dreh- Scheibe der Bundesrepubik im Luftverkehr. Startende Flugzeuge, landende Flugzeuge ausrollende und anrollende Flugze g.— der Laie ist verwirrt von dem vielfältigen Betrieb und wein nicht, was er zuerst ansehen soll. ee Angst— wenn er sich zu weit vorwagt, wird er freundlich aber bestimmt zur Seite geschoben. Noch verwirrender aber ist der Be- trie in den Kontrolltürmen, denn die Luft über dem Flugplatz gleicht einem Großstadt- zentrum um die Hauptverkehrszeit. Wie ein Verkehrspolizist sorgen die Männer in den Kontrolltürmen dafür, daß jedes Flugzeug sei- ne Landebahn findet, daß Zusammenstöße in der Luft vermieden werden. Verwirrt wie der Laie beim Anblick der vie- len Flugzeuge ist manchmal auch der militä- rische Kommandeur des Rhein-Main Air Base. Denn es sind nicht nur Soldaten, die seiner Befehlsgewalt unterstehen, sondern auch de- ren Angehörige und Zivilangestellte der Streit- Kräfte. Dazu kommt die Verantwortung für drei moderne Wohngemeinden, Gemeinden mit Schulen und Kirchen, einem Kaufhaus und mit Klubs, einer Bibliothek, Kegelbahnen, Kinos und Sportgelegenheiten. Natürlich überwacht der Kommandeur nicht alles persönlich, aber dennoch bleibt viel seiner letzten Entscheidung überlassen. Und was tut sich auf dem militärischen Sek- tor? Hier werden die Amerikaner, die mit Stolz und Freude ihre Wohngemeinden mit all ihrem Komfort zeigen, dann zugeknöpfter. Gewißg— einiges darf der Laie als neugieri- ger Besucher sehen, aber für die meisten Eigarichtungen gilt die Devise, die an beinahe allen militärischen Installationen von Tim- puktu bis Wladiwostok angeschrieben steht: „Für Unbefugte Zutritt bei Strafe verboten!“ Ein Posten sorgt dafür, daß das Verbot auch beachtet wird. So viel sagen die Amerikaner:„Rhein-Main ist unser größter und bedeutendster Flugplatz in Europa!“ Und noch etwas sagen sie, Was die Piloten des ersten Jagdgeschwaders 1945 sicher nicht sagten:„Unsere deutschen Nach- barn sind feine Kerle!“ Und. wer in der amerikanischen Soldatenkapelle das bunte Erinnerungsfenster für die amerikanischen Piloten sah, die bei der Air-Lift 1948/49 ihr Leben für die Freiheit Berlins liegen, Wer hört, welch gute Meinung die deutschen Flie- ger und Verwaltungsleute vom Zivilhafen Von ihren Kollegen in der blauen Uniform haben, der gibt das Kompliment gern zurück. Briefmarken, die ein Vermögen kosten Es gibt nur noch 25„Mauritius“— Der Irrtum des Kupferstechers Eine Briefmarke hat Geburtstag: Vor 100 Jahren wurden auf einer kleinen Insel im In- dischen Ozean, 880 Kilometer von Madagas- kar, die weltberühmten Mauritius-Briefmar- ken„geboren“, die heute der Traum eines jeden Philatelisten sind. Es gibt von diesen kostbaren Sammlerstücken nur noch 25 Exem- plare in blauer und roter Farbe, deren Lieb- haberwert unschätzbar ist. Die„Mauritius“ haben ihre Existenz der Geltungssucht einer britischen Gouverneurs- gattin und dem Irrtum eines Kupferstechers zu verdanken. Erstere, Lady Gommer, wollte eines Tages ein großes Fest geben und dazu Einladungen auf besonders originelle Weise verschicken. Schließlich verfiel sie mit Hilfe ihrer Kammerfrau auf die Idee, diese Schrei- ben mit den damals noch fast unbekannten Briefmarken zu frankieren, die sie selbst drucken lassen wollte. Die Briefmarken, in ihrer heutigen Form durch den Verleger des Dundee Chronicle“, J. Chalmers, in England erfunden, sind zwar bereits am 6. Mai 1840 dort erstmals amtlich in den Postverkehr ge- bracht worden. Bis zum Jahre 1847 hatte sick dies jedoch auf der weltabgeschiedenen briti- schen Kronkolonie Mauritius mit ihrem bun- ten Völkergemisch von Engländern, Franzo- sen, Arabern, Chinesen, Indern, Madagassen und Negern noch kaum herumgesprochen. Lady Gommer war daher besonders stolz auf ihren Einfall, hre Briefmarken gewis- sermaßen in eigener Regie durch den halb- verkommenen Rupferstecher und Uhrmacher Bernard herstellen zu lessen. Ein ganzer Beu- tel mit Goldstücken sollte sein Lohn sein. Meister Bernard trank jedoch gern und wohl auch oft ein Gläschen Rum, was sein Bewußt sein zuweilen trübte, und so verwechselte er die richtige Aufschrift auf seinen Briefmarken „Post-paid“, die„Porto bezahlt“ bedeutet, mit „Post- Office“. Dieser Irrtum sollte Bernard teuer zu stehen kommen. Er mußte zunächst vom Posthalter der Insel eine drastische Zu- rechtweisung hinnehmen und erhielt auch von Lady Gommer in der Folgezeit keine Aufträge mehr. Die 30 blauen und roten Briefmarken mit dem Bild der Königin Viktoria aber im Nennwert von einem und zwei Penny, die Bernard hergestellt hatte, blieben zum größ- ten Teil erhalten, da die damit frankierten Eimladungsschreiben durchweg an hochge- stellte Persönlichkeiten verschickt worden Wa- ren, die meist auf der Insel Mauritius selbst lebten. Als dann das Briefmarkensammeln sich all- gemein einbürgerte, stiegen die seltelen Post- Wertzeichen rasch in ihrem Wert. Nun begann eine große Nachschau auf Dachböden, in Kof- fern, alten Truhen, Schatullen und Schreib- tischen. Und da die vornehmen Engländer früher die Gewohnheit hatten, ihre Korre- spondenz gebündelt mitunter jahrzehntelang aufzubewahren, erwies sich diese Suche als nicht vergeblich. Gerade der falsche Aufdruck War es, der neben der geringen Zahl die Briefmarken von der Insel Mauritius zu einem hochbegehrten Sammelobjekt machte. Schlisg- lich konnte man sie auch für höchste Preise nicht mehr kaufen, wenn man nicht über be- sondere Beziehungen verfügte. Heute werden die kleinen, bunten Papier- Stückchen in Panzerschränken und Stahltreso- ren sorgfältiger gehütet als Brillanten. Wirtſcha lliches Kein Grund für Konjunkturpessimismus Uberangebot wird durch Lagerabbau beseitigt Die Wirtschaftsentwicklung in der Bundesrepu- blik hebt sich immer noch recht günstig von der in den meisten sonstigen Industrieländern ab, Stellt das IFOInstitut für Wirtschafts forschung, München, in seiner neuesten Konjunkturanalyse fest. In den nächsten Monaten sei mit einem An- halten des im Frühjahr verzeichneten konjunk- turellen Wachstums zu rechnen. Zu den Expan- siv wirkenden Kräften zählt das Institut die hohen Uberschüsse der Leistungsbilanz im Außenhandel sowie den vermutlich weiteren An- stieg der Ausrüstungs- und Bauinvestitionen, Die Expansion werde weiter gestützt durch die wach- senden Ausgaben der öffentlichen Haushalte, die mehr als bisher durch Emissionen von Wert- papieren und durch längerfristige Kredite finan- zjert würden sowie durch den privaten Ver- brauch, der durch die Steuerreform angeres 2 Bedeutung mißt das Die Bundesrepublik befinde sich 1 in einer Motorisierungswelle, wie sie Ame- rika vor drei dahrzehnten erlebte. Das Uberange- bot auf einzelnen Märkten werde durch weiteren Lagerabbau, Einschränkungen der Auslandskon- kurrenz, vereinzelte Produktionseinschränkungen und vielleicht auch Preisrückgänge in naher Zu- kunft beseitigt sein. Die anhaltende Expansion der Gesamtnachfrage könne dann durchaus wie- der zu Spannungen auf dem Arbeitsmarkt führen. Private Bauherren überwiegen Uber 60 Prozent aler Bauherren im Bundes- gebiet sind Privatleute, teilte der Verband der privaten Bausparkassen in Bielefeld mit. Der Privatanteil erhöhte sich bei den Baugenehmi- gungen von 53,3 Prozent 1953 auf 61, Prozent im März dieses Jahres,. Der Anteil der gemeinnüt- zigen Wohnungsunternehmen ging in dieser Zeit von 35,6 Prozent auf 29,1 Prozent zurück. Der Rest entfällt zu fast gleichen Teilen auf die freien Wohnungsunternehmen, auf Behörden und Verwaltungen. —— oduktion weiter auf hohem Stand dust Die industrielle Produktion der Bundesrepu- plik hielt 1 im Mai 1958 auf dem hohen Ni- veau des Vormonats, berichtet das Bundeswirt- schaftsmi rium. Nach vorläufigen Berechnun- gen G stischen Bundesamtes verminderte Sich uktlonsindex für die ges dustrie(arbeitst ich— 2 chnitt der Jahre 1951 bis 1957 hatte sich der Produktions- index von April auf Mai um 2,2 Prozent erhöht. Im Bergbau und in der Grundstoffindustrie war die Produktion zum Mai 1957 leicht rückläufig. 2 234 im April auf Die Investitionsgüterindustrie verzeichnete bei leichtem Produktionsrückgang gegenüber dem April eine Jahreswachstumsrate von 1d. 3 Pro- zent. Dagegen mußte die traditionelle Verbrauchs- güterindustrie einen Rückgang gegenüber dem Vormonat und gegenüber Mai 1957 um ungefähr je 5 Prozent hinnehmen. Erste Dinie-Firmen in deutschem Besitz Nachdem bei der Versteigerung der drei ersten ehemals deutschen Dinie-Firmen die Merck-Qui- mica- Argentina für 20 Mill. Peso von Vertretern der deutschen Mutterffrma zurückerworben wurde, gingen auch die beiden anderen Firmen wieder in deutschen Besitz über. Dabei sicherte sich die Schering AG, Berlin, für 17,2 Mill. Peso ihren früheren Zweigbetrieb Quimica Schering E. N., während die Günther Wagner S. R. L. fü ther Wagner, Hannover, und Pelikan, Zürich, ersteigert wurde. Dre Mannheimer Schlachtviehmarkt vom 30. 6. Auftrieb: Großvieh 571, Kälber 279, Schweine 2436, Schafe 11. Preise: Ochsen A 110120, B 107412, Bul- jen A 116-124, B 108117, Kühe A 87110, B 80 bis 93, C 72—84, Färsen A 117122, B 107117, Kälber Skl 185190, A 163180, B 150160, C 135—145, D 110 bis 133, Schweine A 112117, B 1 110-118, B 2 109 bis 122, C 110122, D 110122, E 110120, G 1 97 bis 103,& 2 90—97. Narktverlauf: Großvieh mittel, in allen Gattungen geräumt. Kälber schleppend, Uber- stand Schweine rege, ausverkauft. ur in der Automobil- Stürmische Zunahme des Heizölverbrauchs Von einer stürmischen Zunahme des Heizöl verbrauchs spricht das rheinisch- westfälische In- stitut für Wirtschaftsforschung in seinem letzten Vierteljahresbericht. Der Heizölverbrauch sei im ersten Quartal 1958 um 65 Prozent gestiegen, die Zunahme sei damit doppelt so hoch gewesen wie von 1956 auf 1957. Dabei habe die Industrie ren Heizölumsatz um 43 Prozent erhöht, wäh- rend der industrielle Verbrauch an festen Brenn- stoffen um 2,8 Prozent zurückgegangen sei. Noch stärker allerdings sei der Heizölverbrauch bei den Abnehmern außerhalb der Industrie ge- stiegen. Erfolgreicher Zwischenfruchtanbau Eine zielstrebige Bodengesunderhaltung und die billigste Steigerung des Gesamtfutter- anfalls in der Wirtschaft erfolgt über den Zwischenfruchtanbau. Um ein schnelles Wachstum der Zwischenfrüchte zu erreichen, ist für eine gut mitteltiefe Pflugfurche zweeks besserer Wurzelbildung zu sorgen. Eine zu flache Schälfurche genügt meistens nicht, Grubberarbeit ist in der Regel unzureichend. Guter Bodenschluß läßt die Saaten besser auf- laufen.. Die Abbildung zeigt einen Grün mais Bestand in zwei Parzellen: Die rechte Par- zelle im Bild hat nur eine Phosphorsäure- Kali-Grunddüngung, die linke Seite eine Voll- düngung mit Stickstoff, Phosphorsaure und Kali erhalten. Eine alleinige PR-Grunddün- gung für einen erfolgreichen Feldfutterbau, Sei es als Haupt- oder Zwischenfruchtanbau, genügt nicht. Insbesondere fordern die Zwi- schenfrüchte, z. B. Futtermaisanbau, eine aus- giebige Stickstoffdüngung. Aber ebenso stick- stofthungrig sind Futterroggen, Futterraps, Futterrüben, Markstammkohl usw. 100-160 kg/ha Reinstickstoff werden rentabel ver wer- tet. Ruhr- Korn- Grün(Kalkammonsal- peter ca. 20,5%% N, davon je ½ Salpeter- und Ammoniak- V hat sich als Rrumen- und Kopf- dünger bestens bewährt. Wo es vorteilhafter erscheint, nur ½ Anteil als Salpeterstickstoff und ½ Anteil als Ammoniakstickstoff auszu- bringen, verwende man Ruhr- Montan (Ammonsulfatsalpeter ca. 26% N). Dieser vor dem Kriege als Leuna-Montan bekannt und beliebt gewesene Dünger wird heute in gleich- mäßig gekörnter Form geliefert. Wo nicht wirkliche Vorräte an Phosphor- säure und Kali im Boden vorhanden sind, verwende man auch im Zwischenfruchtanbau bewährte Volldünger. Hierdurch spart der Landwirt Arbeitsstunden, und es werden Dün- gungsfehler ausgeschlossen. Ruhr Voll- dünger in ihren verschiedenen Nährstoff- zusammensetzungen finden heute auch ver- stärkte Anwendung im Zwischenfruchtanbau. Die bhochkonzentrierten Ruhr- Volldünger 12 12421 und 134 13421 sind besonders be- liebt. Der darin enthaltene Salpeterstickstoff (ca. 50% wirkt schnell, der Ammoniakanteil dagegen nachhaltig. Wo leichter Magnesium- mangel möglich erscheint, wird man Ruhr- Korn grün vorziehen, das heute mit 5% Ma- gnesiumkarbonat geliefert wird. Gröhberen Magnesiummangel beseitigt man zweckmäßig mit Ruhr-Stickstoffmagnesia 1048(10% Am- moniakstickstoff und 8% ꝓMagnesiumoxych. Der Stickstoff ist bekanntlich der Eiweißbild- ner. Ein eiweißreicher Futterbestand macht die Wirtschaft krisenfester. —— e ROMAN VON HANS ERNST Copyright by A. Bechthold, Fassberg, durch Verlag v. Graberg& Görg, Wiesbaden. (45. Fortsetzung) Dann legt er das Brett über das Wasser und bückt sich nach dem Wasserrad. Das ist frei- lich ziemlich schwer, und so ein Knirps muß sich schon plagen, wenn er es auf dem schma- len und primitiven Steg auf die andere Seite des Wasserlaufs bringen will. „Das kommt darauf an, was ich dafür be- komme“, meint der Wieser scherzhaft.„Wer tut schon etwas umsonst?“ „Ich werd' mit meinem Vater reden. Der hat genug Geld. Du wirst es auch brauchen kön- nen, wie?“ Auf der Stirn des Mannes stehen zwei steile Falten.„Was willst du damit sagen?“ „Mein Vater hat neulich erzählt, daß es dem auf der Wies nicht gut ginge. Er müsse Grund verkaufen. Und der von der Wies bist du.“ „Aber es geht mir noch lange nicht so, daß ich vom Hocheder etwas brauchte!“ keucht der Bauer.„Sag' ihm das. oder sage es ihm lie- ber nicht, in Dreiteufelsnamen!“ Dabei bückt er sich und hebt das Wasserrad auf. Einen Augenblick denkt er sich: Ich werfe es in den Bach, dann ärgert sich dieser junge naseweise Kerl.— Oder, flüstert ihm da eine Stimme zu, wie wär's, wenn du doch diesen Buben da das Rad tragen ließest?— Das Brett len. Ein paar Meter weiter stürzt das Wasser über ein paar Stufen steil hinunter.— Kommt man da lebend durch?— Ein Erwachsener vielleicht, ein Kind kaum. „Hilfst du mir nun oder nicht?“ hört er den Buben fragen.. Da preßt er die Lippen zusammen, hebt das Rad auf für ihn ist es nicht allzu schwer—, trägt es ans andere Ufer und läßt es dort in den Wiesenboden fallen. ist schmal. Er kann ausrutschen. Er kann fal- „Dankel“ sagt der junge Hocheder. Der Wieser gibt keine Antwort. Er dreht sich schnell um und geht davon, den Hang hin- Unter. Noch lange hört er das Rauschen des stürzenden Wassers in seinen Ohren, und noch nie klang es ihm so laut wie an diesem Tag. 05 In der darauffolgenden Nacht träumt der Wieser seltsame Dinge, zum Beispiel davon, daß er mit einem Gewehr nach einer Frau schießt, die Magdalena heißt und einmal, da sie noch ein Mädchen war, für ihn ins Gefäng- nis ging. Heute allerdings ist diese Magdalena eine reiche und große Bäuerin geworden, deren Namen man mit Stolz und Achtung nennt. Sie hat auch drei Kinder. Es sieht aus, als liege auf ihrem Hause nur Segen und Glück. Die Leute sagen, daß beim Hocheder alles in schön- ster Ordnung sei, und daß das auch für alle Zeiten so bleiben werde.— Darüber wacht der Wieser auf, liegt eine Weile schlaflos da und träumt dann wieder. Ein Mann kommt und zündet den Hocheder-Hof an. Dieser Mann schaut aus wie Toni Bruckner. Der Hof brennt, aber dann kommen die Feuerwehren und 16- schen, und den entstandenen Schaden zahlt die Versicherung. Was zerstört wurde durch die Flammen, wird nun doppelt schön aufgebaut. Dem Hocheder geht eben alles gut aus. Alles? Der Mann wacht auf. Weil er gar nicht mehr einschlafen kann, holt er sich etwas zu trinken. — Erst drei Stunden später wird es hell im Osten. Es regnet, aber mit der aufgehenden Sonne hören die Tropfen auf zu fallen. Den Tag über treibt's den Bauern von der Wies unstet umher. Am späten Nachmittag geht er wieder zu dem Waldstück empor. Unter den schattenden Bäumen hat sich die Nässe, die mit dem Regen gekommen ist, länger ge- halten als draußen in der Sonne. Der Boden ist rutschig. Außerdem weht es vom Bach kühl und feucht herüber. Zwischen den Stämmen hindurch sieht der Mann, daß der Hochederbub wieder da ist. Das Mühlrad dreht sich schon, aber es wird von den Uungebärdigen Wellen leicht hochgehgben, so daß die als Achse benutzte Eisenstange aus den hölzernen Lagern zu springen droht. Dem Rnaben behagt das nicht. Er hockt neben sei- nem Spielzeug und drückt es nieder, sichtlich darüber nachdenkend, wie er dem Uebelstand beikommen könne. Wahrhaftig, denkt der Bauer, er sieht ihr so Ahnlich. Diese Augen, dieser Mund! Diesen Mund— nein, den seiner Mutter— hat er ein- mal küssen dürfen, im abgelegenen Waldhaus. Das ist lange her. Aber er, der Toni, war dumm und ließ sie laufen, bloß weil er eine Reichere haben konnte. Die Reichere ist inzwischen ge- storben und hat ihm kein Kind geboren. Die Magdalena aber ist Hochederin geworden und hat einen Buben. Der Bub sitzt dort drüben auf einem Baumstumpf. Sicherlich denkt die Magdalena manchmal an ihn, den Toni Bruck- ner, und lacht uber ihn, weil er so arm ist, ohne Frau, ohne Kinder, auf einem Hofe lebend, der einen tüchtigen Flerrn brauchte, damit er wieder in die Höhe kmmt. Hat ihm, dem An- ton Bruckner, nicht neuli einer im Wirtshaus gesagt, daß er ja doch bald hinunterrutschen würde?— Und daß dann der Hocheder schon da wäre, um das zu kaufen, was der Wieser nicht halten konnte? Mit einmal tritt er aus dem Halbesbatten der Bäume. Der Bub am anderen Ufer drüben sieht auf, aber nur einen Augenblick, nickt ein wenig mit dem Kopf und sagt dann leichthin: „Grüß Gott.“ Das ist alles. Wahrscheinlich ist er auch schon so stolz wWie sein Vater, von dem man behauptet, daß er kein überflüssiges Wort an seine Leute ver- Iiere. 2 „Dreht es sich schon?“ fragt der Bauer 80 nebenher, weil er eben etwas bemerken muß, und dabei deutet er auf das hölzerne Rad. „Natürlich dreht es sich.— Aber das Wasser ist so Schnell, am Ende springt es noch aus dem Lager, und dann schwimmt es davon.“ „Das muß man eben richten“, bemerkt der Mann und tritt näher.„Komm' einmal auf das Brett da. Ich halt dich schon. Hebe das Rad * hoch und leg's daher. Dann wollen wir schauen, Was wir tun können.“ Der Bub erhebt sich aus seiner hockenden Stellung, wischt sich die feuchten Hände an der Hose trocken und tritt wirklich auf das schmale, von Ufer zu Ufer führende Brett. Ein Stück weiter unten fällt der Bach, den der Regen der Nacht ziemlich hat anschwellen lassen, über Geröll und Felsbrocken in einen steinernen Kessel, von dem es heißt, daß er un- ergründlich sei. a Jetzt steht der Martl auf dem Brett. Das Brett biegt sich leicht durch und schwankt. Es ist kast selbstverständlich, daß der Bub nach einem Halt sucht. Aber der Bauer von der Wies greift nicht nach der entgegengestreckten Hand des Rnaben, sondern gibt ihm einen leichten Stoß in den Rücken. Der Bub schreit auf, Wwankt, kippt um und fällt in das aufsprit- zende Wasser. Das Wasser nimmt den kleinen Körper ge- schwind auf und trägt ihn mit sich fort. Ein- mal kommt noch der Kopf hoch, man hört ein Schreien, und dann ein Arm und ein Fuß.— Bis zum jähen Fall in den Kessel ist es nicht weit. 5 Mörder!— Hat das jemand laut gesagt, alis dem Wald heraus, oder hat er das selbst vor sich hingeschrien in jäher Erkenntnis sei- ner schrecklichen Schuld? Wie von einem Peitschenschlag getroffen, rennt er am Bachufer hin.— Da hebt gerade eine Welle den Buben hoch. Eine Hand streckt sich ihm entgegen. Mit einem Satz ist der Manm im Wasser. Dieses Wasser ist kalt und so schnell, daß es ihn umreißt.— Mit beiden Ar- men schlägt er um sich, und nun greift er et- Was, was eine Joppe sein könnte. Gott sei Dank, das ist der Martl!— Nur jetzt nicht mehr loslassen. Der Wieser, das Kind an sich gepreßt, ver- sucht, Grund zu bekommen, aber das ist un- möglich. Der Bach ist tiefer, als man meinen möchte; außerdem Wirft ihn die Gewalt des Wassers um, wenn er einen Halt zu haben glaubt. 5(Schluß folgt) *