Ur. 42.— Jahrgang 1913 Freitag, 17. Oktober Mannheimer Illust Wochen⸗CThronik des„Mannheimer General⸗Anzeiger, Badiſche Neueſte Nachrichten“ Abonnementspreis monatlich 15 Pfg. für die Abonnenten des e; 5.„„ 2 beint jeden Freitag. „Mannheimer General-Anzeiger, Badiſche Neueſte Nachrichten“,. 0 J e 20 Pfg. für die Nichtabonnenten. Verlag: Dr. H. Naas'ſche Buchdruckerei G. m. b. B., Mannheim Der bekannte Hplatiker Sablatnig vor ſeinem Böhenrekordflug,(über 1000 Illeter) mit 5 pallagieren. Die Preſſefehde in Rottenſtein. Authentiſchen Quellen nacherzählt. Selten hat die Welt ein Ereignis ſo erſchüttert wie die Preſſefehde in dem öſterreichiſchen Rottenſtein, dem lieblichen Städtchen am Ufer des Woorbaches. Ströme von Tinte ſind gefloſſen und ſchwärzten die reinen Seelen der Rottenſteiner, die in Liebe und Andacht bis zu dem denkwürdigen Augen blick im Krug zum roten Ochſen ihr Bier genoſſen. Dann aber kam der Umſturz, die Revolution, das blutige Geſpenſt der Guillotine tauchte auf, ſelbſt der Ball des Theatervereins „Thalia“ wurde abgeſagt, weil die Polizeigewalt das Stand⸗ recht über Vottenſtein verhängt hatte. Und das kam ſo: Herbert Fürchtegott Schmidt war Redakteur des„Voten Boten“, eines dreimal wöchentlich erſcheinenden Blattes, das zumeiſt von Arbeitern geleſen wurde. An drei weiteren Tagen der Woche erſchien der„Rottenſteiner Kurier“, ein Blatt, das in dem Ruf ſtand, konſervativ zu ſein, trotzdem es ſich in Nichts von dem„Roten Boten“ unterſchied. und das war gut ſo, denn auf dieſe Weiſe ergänzten ſich die beiden Zeitungen und machten ſich keine Konkurrenz. Der Vedakteur des„Notten⸗ ſteiner Kurier“ war der Leutnant der Reſerve Otto Erich Waltershagen, ein Schulfreund Schmidts, nebenbei geſagt, ein netter, lieber Kerl, bis er auf den Gedanken verfiel, ſich während einer Reiſe zu verlieben und nach der Veiſe zu verheiraten. Seine junge Frau wollte nicht einſehen, daß der„Notten⸗ ſteiner Kurier“ nicht ganz ohne Redakteur fertiggeſtellt werden könnte, ſie beſtand auf ihrer Hochzeitsreiſe und drohte mit Scheidung, wenn ihr grauſamerweiſe ein ſo kleiner Wunſch verſagt bleiben ſollte. O du guter Waltershagen! gätteſt du dich ſcheiden laſſen, manche Sorge wäre dir erſpart geblieben. So aber ging er zu Herbert Fürchtegott Schmidt, trat ſtill und traurig in die Redaktion und trug ihm ſein An⸗ liegen vor: Nur drei Wochen ſollte er ihn vertreten, ſollte ſchalten und walten nach ſeinem Belieben——— Herbert unterbrach ihn: „Aber, mein Lieber, wozu der Worte viel und unnütz, wäre ich krank, mein Leben würde ich geben für dieſe Freundes⸗ tat. Verlaß dich auf Herbert Fürchtegott Schmidt und denke an die Worte meines Gedichtes: 5 „Dir nur mein Leben ſei geweiht, In treuer Lieb' und Dankbarkeit.“ Zufrieden miteinander trennten ſie ſich und um 6 Uhr 31 Minuten durfte„der glückliche Zug das holde Paar dem ſonnigen Süden entgegentragen.“ Acht Tage lang ging in Nottenſtein alles wie am Schnür⸗ chen, da wollte es das Unglück, daß Herbert Fürchtegott Schmidt, gerade im Begriff, eines ſeiner göttlichen Gedichte zu formen, in ſeiner Wohnung Ungeziefer entdeckte. Nacheſchnaubend ſuchte er den Wirt, er fand ihn nicht, da beſchloß er, von der Redaktion des„Nottenſteiner Kurier“ aus ihm einen geharniſchten Brief zu ſchreiben. Schon zuckte er die Feder, da ſchneite plötzlich der Setzer⸗ lehrling in ſeine gereizte Stimmung hinein. „Scher dich zum Teufel,“ herrſchte er ihn an. „Der Faktor hat geſagt 85 „Zum Teufel ſollſt du dich ſcheren!“ Zwei Minuten ſpäter kam der Meiſter ſelber: Er hätte nicht Luſt, ſagte er, ſich in einer ſolchen Weiſe behandeln zu laſſen und würde ſich an das Blatt der Arbeiter, den„Noten Boten“, wenden, um die Leffentlichkeit auf das Gebaren der Redakteure in der konſervativen Preſſe aufmerkſam zu machen. Das ſchlug dem Faß den Boden aus. Zwar entſchuldigte ſich Herbert Fürchtegott mit Nückſicht auf den abweſenden Freund, aber ihm war es, als ſei der„Note Bote“ eine feindliche Macht, die man bekämpfen müſſe. Er ſchrieb einen flammenden Artikel gegen das„Schmutzblatt“, der am Abend im„Nottenſteiner Kurier“ erſchien und das berühmte berechtigte Aufſehen machte. Von guten Freunden und wohlwollenden Bekannten be⸗ kam der Verleger vierunddreißigmal den„Kurier“, blau an⸗ geſtrichen, ins Haus geſandt. Er ſchwamm in Wut, und als Herbert Fürchtegott am nächſten Morgen in der Vedaktion erſchien, kam ihm ſein Chef mit rotem Kopf entgegen. „Haben Sie ſchon geſehen?!“ Natürlich hatte Fürchtegott noch nichts geſehen, er über⸗ flog den Hetzartikel, bebte mit dem Verleger vor Entrüſtung, und ſchwur, dieſem„Kurier“ ein Ende zu machen. Darauf ſetzte er ſich hin und ſchrieb eine Entgegnung. Wohl nie zuvor hatte man eine ſolch' ſchneidige Ab⸗ fuhr geleſen, die Nottenſteiner wurden aufmerkſam, und an den Stammtiſchen ſprach man nur noch von der intereſſanten Affäre. Am nächſten Tag antwortete der Herbert Fürchtegott Schmidt des„Kurier“ dem Herbert Fürchtegott Schmidt des „Noten Boten“ in ebenſo ſcharfer Weiſe, und die Preſſefehde begann weitere Kreiſe zu ziehen. Parteien bildeten ſich, es kam zu Schlägereien und wüſten Szenen, bis endlich die Polizeigewalt, Polizeidiener Auguſt Bürger, mit gezogenem Revolver das Standrecht über Nottenſtein verhängte. Ahnungsloſen Engeln gleich kamen Otto Erich Walters⸗ hagen und ſeine Gattin von der Hochzeitsreiſe zurück. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf ihn die Nachricht von der Fehde ſeines Blattes mit dem„Noten Kurier“. Wutſchnaubend ſuchte er den Urheber des Unglücks auf und wurde nach einem kurzen Wortwechſel von ihm geohrfeigt. Das führte bei der L. d. N.⸗Qualität Otto Erichs zur Forderung auf Piſtolen. In anerkennenswerter Weiſe übte Herbert Fürchtegott Großmut, indem er, ohne eine Spur zu hinterlaſſen, aus Nottenſtein verſchwand. Nun iſt wieder Ruhe eingekehrt ins Städtchen am Moor bach und keine Hochzeitsreiſe wird ſie wieder ſtören, denn Otto Erich Waltershagen iſt jetzt auch Beſitzer des„Roten Boten“, der für 3500 Kronen ſein Eigentum geworden iſt.— Humoriſtiſches. Tolérance. Als ich geſtorben war, kam ich an die Himmelstüre. Da ſtand mein Franzöſiſchprofeſſor davor. „Guten Tag, Herr Profeſſor,“ ſagte ich,„ſind Sie Him⸗ melspförtner jetzt geworden?“ „Ich vertrete Petrus jetzt,“ ſagte er,„er iſt auf einer Inſpektionsreiſe. Wo wünſchen Sie hin?“ „In den Himmel, Herr Profeſſor.“ „So? Dann konjugieren Sie mal„Sassoir“ ſich ſetzen, bitte!“ „Je m'assieds, tu t'assieds, il asseyons.., konjugierte ich. s'assied, nous nous „hm, das geht ja noch,“ ſagte der Vize⸗Petrus,„nun überſetzen Sie mal, bitte:„Eis iſt reicher, als man glaubt.“ „Il est plus riche qu'on eroit, überſetzte ich. „Falſch!“ rief er,„Menſch, Sie wollen in den Himmel kommen und vergeſſen die halbe Negation„ne“ nach einem Komparativ?!„Ne ercit, ne, eroit' muß es heißen, Sie Igno⸗ rant!“„Aber Herr Profeſſor,“ ſagte ich beſcheiden,„nach den„‚Tolérances“ des franzöſiſchen Unterrichtsminiſteriums dar, man jetzt das„pas“ weglaſſen nach einem Komparativ.“ „Nichts da,“ ſagte der Profeſſor,„wir gehen noch nach Plötz hier oben, Seite 67, zweite Zeile unten, bitte— im Himmel gibt es keine tolérange, verſtanden!“ Fritz Müller. 5 Vom Armeegepäckmarſch des B. S. C. Gardejäger Schulz(Potsdam), der als Zweiter ans Ziel gelangte.(Phob. Kegel. — Der„König“ der Oetektive in Berlin. Miſter Pinkerton, der Inhaber des Profeſſor Guſtav Störzing iſt einem Ruf nach Bonn auf den gehrſtuhl für bekannteſten Detektiv⸗Inſtituts, weilte vor kurzem in der deutſchen Hauptſtadt. Philoſophie als Nachfolger e München berufenen Profeſſors Oswald (Phot. Sanden.) Kulpe gefolgt.(Phot. Sanden.) Der Vorſtand der Berliner Handelskammer. e Wilhelm Herz. der kürzlich ſeinen 90. Geburtstag beging und zum Präſidenten der Handelskammer ernannt wurde, Geher mer Kommerzienrat von Navené, der zum Bolaiſchen Generaltonſul ernannt wurde und von Mendelſoh(Phot. B. I. G.) König Guſtav von N der vor kurzem 1 erkrankte, bei einer Der Beſuch des ſerbiſchen Miniſterpraſidenten Paſie in Wien. Ausfahrt in Stockholm.(Phot. 1. G.)(Phot. B. I. G.) Das Beſpannen der Tragdecks. (Cop. Salter, Berlin. In der Flugzeug- Werkſtatt. Während vor einigen Jahren ſich nur wenige Anternehmer der Fabrikation von Flugzeugen widmeten, beſteht jetzt ſchon eine bedeutende Aeroplan⸗Induſtrie, die vielen Arbeitern Brot gibt. Die großen Flugzeug-Werke beſchäftigen zahlreiche Schloſſer, Tiſchler, Maler, Schneider uſw., die ihr Fach wirklich beherrſchen müſſen, dafür aber auch im allgemeinen gut bezahlt werden. Die Fabriken ſind natürlich mit den modernſten Maſchinen aus— Blick in die große Montagehalle eines Flugzeug⸗Werkes. geſtattet, denn die Bearbeitung des Holzes, der Schrauben, Hebel und Tragflächen erfordert genaueſte Sorgfalt, wenn der Flug- apparat ſtabil und ſicher ſein ſoll. Die Arbeiter in den Flugzeug⸗ fabriken, durchweg intelligente und umſichtige Männer, haben für ihre Verantwortlichkeit volles Verſtändnis und geben kein Stück aus den Händen, von deſſen Brauchbarkeit ſie nicht ſelbſt voll und ganz überzeugt ſind. (Cop. Salter, Berlin.) s . ͤͤ— L eee 3 e 4 105. 3 9 Schweißer an der Arbeit. Salter.) Die letzten Montagearbeiten, (Oop. Salter.) Kanonen haben ſich heiſer geſchrien, Die Schlacht iſt geſchlagen, die Feinde fliehn Kopfüber, kopfunter. Iſt das ein Feſt! Den will ich ſehn, der ſich halten läßt. Dort drüben quillt noch der blutige Dampf, Da ſpritzen Granaten, da kreiſcht der Kampf, Da brüllt ein Geheul wie aus tauſend Weibern, Und türmen ſich Berge aus wunden Leibern. Da fließt das Blut von Männern und Roſſen In Strömen durch die Straßen und Goſſen, Da lüſtern die Flammen nach pfoſten und Tor. „Wir müſſen es haben! Freiwillige vor!“ Freiwillige vor! Das wird eine Schar, Wie ſie noch niemals im Sturme war, Sie recken die Glieder, ſie ziehen die Degen, „Drauf, Kameraden, und— meinen Segen!“ Sie ſpringen und ſtürzen, ſie fliegen und glühn. Was gilts? Die Franzen, die Franzen fliehn, „Potz Donnerwetter, das wäre gelacht, Drauf, Kameraden, ein Ende gemacht!“ Der Feind im Haus? Zum 18. Oktober 1813. Sie wirbeln vorwärts, ſie ſtürmen den Ort. „Wo iſt der Feind?— Der Feind iſt fort! Er ſteckt in den Hütten!“„Hier muß er ſein!“ „Die Tür iſt verſchloſſen!“— So ſchlagt ſie ein. „So ſchlagt ſie ein, daß die Splitter fliegen, Daß ſie die Angſt in die Glieder kriegen, Setzt doch den roten Hahn aufs Dach! Kitzelt die Burſchen, dann werden ſie wach!“ Die Kolben dröhnen gegen den Knauf, Die Riegel krachen und brechen auf, Das faucht ins Zimmer, ein brauſender Föhn, Da zögert der Fuß und ſie bleiben ſtehn. Und aus den Linnen im Wiegenſchrein, Da ſtreckt ſich ein roſiges Kinderbein, Ein Kind nur— und weiter iſt keiner da,— Das öffnet das Mäulchen. Was ſtammelt's? Papa! Die bärtigen Krieger, vom Blute noch rot, Fühlen das Wunder als Gottes Gebot, Und knieen nieder, in Träumen verloren, Als wäre ein neuer Heiland geboren. Da ſchmettern Trompeten vor dem Haus, Sie packen die Waffen und ſtürzen hinaus. Huſaren! Und donnernd rollt es:„Hurra! Die Schlacht iſt geſchlagen! Viktoria!“ H. B. Der 18. Blücher an ſeine Frau: Lützen, den 20. Oktober 1813. Liebes Malchen! Geſtern konnte ich nicht ſchreiben. Ich war zu müde, aber mein Freund Gneiſenau hat an dich geſchrieben und geſagt, daß ich geſund bin. Den 16. habe ich dem Feind vor Leipzig bei dem Dorf Möckern wieder eine Schlacht geliefert, viertauſend Gefangene gemacht, fünfundvierzig Kanonen, einen Adler und verſchiedene Fahnen erobert. Den 18. warf ich den Feind in Leipzig hinein und nahm vier Kanonen. Den 19. und 20. iſt die größte Schlacht geliefert, die nie auf der Erde ſtattgefunden hat: ſechs⸗ hunderttauſend Mann kämpften miteinander. Um zwet Uhr nachmittags nahm ich Leipzig mit Sturm. Der König von Sachſen und viele Generals der Franzoſen wurden gefangen. Der polniſche Fürſt Poniatowski ertrank. Hundertundſiebzig Kanonen wurden erobert und gegen vierzigtauſend Mann ſind gefangen. Napoleon hat ſich gerettet, aber er iſt noch nicht durch. Dieſen Augenblick Oktober. bringt meine Kavallerie wieder zweitauſend Gefangene. Die ganze feindliche Armee iſt verloren. Der Kaiſer von Rußland hat mich in Leipzig auf öffentlichem Markt geküßt und den Befreier Deutſchlands genannt. Auch der Kaiſer von Oeſterreich überhäufte mich mit Lob, und mein König dankte mir mit Tränen in den Augen. Da mir der Kaiſer keinen Orden mehr geben kann, ſo erhalte ich von ihm einen goldenen Degen mit Brillanten beſetzt, dem man einen großen Wert gibt. In dieſem Augenblick bin ich nur zehn Meilen von Fritze, und da nun alles wieder frei iſt, ſo kannſt Du mit Fritze korreſpondieren, und Ihr könnt Euch aufhalten, wo Ihr wollt. Ich ſchlage Euch Leipzig vor. Es iſt ein angenehmer Ort, und da ich Leipzig, welches man in Brand ſchießen wollte, dadurch gerettet, daß ich verbot, keine Granaten hineinzuwerfen, ſo wird man Euch auf Händen tragen. Schreib mir Deinen Entſchluß. Gut Quartier will ich Dir dann beſorgen. Ich gehe mit meiner Armee durch Thüringen nach Weſt⸗ falen, und meine Truppen ſollen balde in Münſter ſein. Gott mit Dir! Lebenslang Dein Blücher. RR 3 *. e 3 Vom letzten Rennen in Karlshorſt. Finiſh im„Jag drennen der Dreijährigen“ Jockey Kühl auf Courier wurde Sieger. hot. 8. L. G.) Zum Fußballwettkampf Wien⸗Berlin, der unentſchieden 313 endete.(Phot. B. I. G.) —— Nachdruck jämtlicher Bilder und Artitel verboten. Verantwortlicher Redakteur Hans Bodenſtedt, Berlin⸗Schöneberg. Druck: Paß& Garleb G. m. b H., Berlin. *